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Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 14. Januar 1924.

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Allgemeine Zeitung. Nr. 13 Montag, den 14. Januar 1924
[Spaltenumbruch]
Pfalz, Bayern, Deutschland.

Von besonderer Seite wird uns geschrieben:

In Berlin fanden, wie gemeldet, vor einigen
Tagen Besprechungen zwischen führenden Pfälzern
und den Reichsbehörden statt, um Verhaltungs-
und Abwehrmaßregeln gegen ein befürchtetes
Wiederaufleben der Separatistenbewegung in der
Rheinpfalz zu beraten. Es ist sehr zu begrüßen,
daß man dem pfälzischen Abwehrkampf in Berlin
besondere Bedeutung beilegt und ihn unmittelbar
von dort aus aufs nachdrücklichste unterstützt. Denn
die Pfalz mit dem nunmehr französischen Elsaß-
Lothringen im Süden und dem französischen Ein-
flüssen schutzlos preisgegebenen Saargebiet im
Osten wird neuerdings von den Franzosen als
leichteste Beute eingeschätzt und als Sprungbrett
betrachtet, um von da flußaufwärts das linke
Rheinufer zu separieren, nachdem die Gewalt-
streiche im Norden, in Düsseldorf, Aachen, Koblenz
und Mainz allzu rasch zusammengebrochen sind.

Um die Separationsbewegung in ihrer ganzen
Gefährlichkeit zu beurteilen, muß man die Psycho-
logie der Franzosen beherrschen. Sie sind, zumal
in ihren nachgeordneten Organen, heißblütige
Optimisten und insistente Advokatennaturen, die
Mißerfolge als Zufälle hinnehmen und das Be-
wußtsein von der Notwendigkeit der Separierung
des linken Rheinufers als nationales Dogma in
sich tragen. Die seelischen Widerstände seitens der
Rheinbevölkerung werden von ihnen unterschätzt
oder ganz in ihrer egozentrischen Ueberheblichkeit
für nichts geachtet. Ihre leichte Entflammbarkeit
sieht in jedem Tag den Bringer einer neuen
Morgenröte für ihre gloire. Sie wollen die Pfalz
und also glauben sie, daß sie ihnen werden muß.
Skepsis in Fragen des nationalen Prestiges kennt
der Franzose -- im Gegensatz zum Deutschen --
kaum oder gar nicht. Und die Pfalz vollends ist
ihm das geographisch und historisch-politisch nächste
Gebiet; demgemäß fühlt er sich in ihr, dies ist
sein imperialistisches Vorurteil, heimisch und als
Herr. Hier sieht er in Architektur und im Stra-
ßenbau noch die deutlichsten Spuren ehemaliger
französischer Herrschaft, hier erinnert er sich der
Zuneigung der ehemaligen Herrscher für Frank-
reich und Paris. Dies genügt ihm, um über die
fürchterlichen französischen Zerstörungen hinweg
imaginäre Fäden zu spinnen, die er nur dichter
und fester glaubt gestalten zu müssen, um die
Pfalz von Deutschland zu sich herüberzuziehen.
Dazu kommt, daß die Pfalz das einzige links-
rheinische Gebiet ist, das geographisch und auch
durch seine Stammesart von seinem politischen
Verbande, also von Bayern, getrennt ist. Hier ist
für den politisch beschwingten Franzosen Rhodus
genug, hier will er lanzen.

In Wirklichkeit aber ist gerade der Pfälzer, so
eigenbrötlerisch er veranlagt sein mag, nichts
weniger als partikularistisch gestimmt. Seine Ver-
gangenheit hat ihn großdeutsch erzogen und ins-
besondere gegenüber dem Franzosen besonders
stolz gemacht. Er sagte zwar in seligen Friedens-
zeiten zum Gruß gern "Buschur" (bon jour) oder
beim Trinken "alle Gebot Santa" (a votre sante),
aber das waren nichts als fröhliche Bekundungen
eines aus schweren Aengsten vor dem französischen
Bedrücker und Verwüster Erwachten. So wie der
Gebirgsrücken der Pfalz nach Westen zu abfällt,
so stand und steht der Pfälzer mit seiner Kehr-
seite gegen Frankreich und mit seinem zuversicht-
lichen Gesicht gegen Deutschland gewandt. Er läßt
sich nicht -- dick- und hartschädelig, wie er ist --
mit Gewalt umwenden, sondern bietet eben in
der Not dem unsäglich verachteten Franzosen zur
Ausführung der von Paris dirigierten Separa-
tions-Equilibristik nichts als seinen breiten, ge-
diegenen Rücken dar -- in der Gewißheit, daß
ihm der, wenn auch noch so hartnäckige Franzose,
dabei das Kreuz nicht zertreten wird ....

Not tut vor allem, daß man, insbesondere in
München und Bayern, die Besonderheiten des
Pfälzers auch versteht. Bayern ist auch nur ein
Teil des deutschen Ganzen, und man soll vom
Pfälzer nicht verlangen, daß er den Teil über
das Ganze stelle. Der Pfälzer ist, aus seinem
stark entwickelten Selbständigkeitsgefühl heraus,
ist ihm und muß ihm fremd sein. Er ist, darüber
sollte man sich nicht täuschen, erst Pfälzer und
[Spaltenumbruch] Deutscher, dann Bayer. Und heute vollends bin-
det ihn die gemeinsame Not und das primitivste
Solidaritätsgefühl notwendig mit dem hessischen
und preußischen besetzten Gebiet stärker zusammen
als mit dem wenn auch noch so treuen und für-
sorglichen Bayern. Der gemeinsame Abwehrkampf,
der das französische Schlagwort vom Rhein als
Grenzlinie verabscheut, will natürlich auch nichts
von einer Mainlinie wissen.

Dem wortfrohen Pfälzer ist es nicht an der
Wiege seiner Stammesart gesungen worden, daß
er sich vor Fremdherrschern stumm ducken muß.
Er wird das dem Franzosen nie vergessen. Aber
es ist ihm auch nicht gegeben, verschwörerisch und
verbissen hinter dem Eindringling herzuschleichen,
vielmehr macht er leidlich gute Miene zum bösen
Spiel; wie gut aber sein Abwehrspiel ist, beweisen
die immer böseren Mienen der Franzosen. Als
unter dem Einfluß der historischen Zeit des Kriegs-
ausgangs und der Revolution eine Handvoll de-
sperater Dilettanten von Landau aus das erste
Attentat auf das Deutschtum der Pfälzer ver-
übten, setzten sich diese auf unzweideutige Art mit
jenen Konjunkturfritzen auseinander. Damit war
die französische "Richtung" in der Pfalz erledigt.
Was später und in jüngster Zeit folgte und viel-
leicht noch folgen wird, ist französische Söldlings-
arbeit. Zuzug aus dem Elsaß, besonders auch aus
Lothringen und dem Saargebiet und das bißchen
einheimische Hefe wird den guten deutschen Wein
der pfälzischen Gesinnung nicht mehr ernstlich
trüben. Daß diese Gesinnung nicht durch franzö-
sische Winkelzüge und Gewaltakte vergewaltigt
werde, dafür muß Berlin und München sorgen.
Dazu aber gehört ein völlig ungestörtes, eifer-
suchtsloses Zusammenwirken zwischen München
und Berlin. Das besetzte Rheinland verkörpert
und vertritt die Einigkeit Deutschlands. Die Pfalz
kann daher heute weniger als je nur bayerisch
eingestellt sein. Sie braucht die ganze Ungebrochen-
heit des deutschen Reichsgedankens und das große
Bewußtsein von der Unantastbarkeit und Unzer-
störbarkeit der Reichseinheit, um ihren Vorposten-
und Sicherungsdienst gegen Frankreich erfolgreich
zu tun. Jede Erschütterung der Zusammen-
gehörigkeit zwischen Süden und Norden muß sich
im pfälzischen Abwehrkampf seismographisch aus-
drücken. Deutschland ist der Pfalz ein naher,
immer präsenter Vater, Bayern ein Bruder in
der Ferne, Man belaste und verwirre nicht dieses
in heutigen Zeitläuften äußerst diffizile und emp-
findliche Familienverhältnis!

Das Walchenseewerk

Die maschinelle Einrichtung des Wal-
chenseewerkes
ist jetzt so weit gediehen, daß
mit den Abnahmeversuchen begonnen werden kann.

Zunächst ist beabsichtigt, 2 für die Landeselek-
trizitätsverforgung des Bayernwerkes bestimmte
24000 PS-Maschinensätze in Be-
trieb übergehen zu lassen. Die beiden zu
diesen Maschinensätzen gehörigen Druck-
rohrleitungen der Wasserzufüh-
rung
wurden bereits unter Druck gesetzt.
und haben die Prüfung in baulicher und tech-
nischer Hinsicht gut bestanden. Daraufhin konnte
Freitag Abend 6 Uhr der erste Walchen-
seegenerator
versuchsweise in Betrieb
gesetzt werden.
Die nächste Woche wird noch
beansprucht sein durch die Abnahmeversuche, die
erforderlich sind, bevor die Energielieferung durch
das Walchenseewerk aufgenommen werden kann.

Der Reichsverkehrsminister Dr.
Oeser
hat am Freitag in München geweilt, um
mit dem Ministerpräsidenten Dr. von Knilling
und den beteiligten Fachministern über die nächste
Zukunft der Reichseisenbahnen eine
vorläufige Rücksprache zu nehmen. De-
finitive Ergebnisse sind bei der Besprechung, ihrem
Charakter entsprechend, noch nicht erzielt
worden. Der Reichsverkehrsminister reist von
München nach Stuttgart weiter.

Zusammenlegung der Ministerien

Das Präsidium des bayerischen Indu-
striellenverbandes
befaßte sich in seiner
letzten Sitzung mit der Frage der Zusammen-
legung der Ministerien und kam dabei zu folgen-
dem Beschluß: Der Bayerische Industriellenver-
[Spaltenumbruch] band begrüßt den Beschluß auf Vereinfachung
der Staatsverwaltung durch Zusammenlegung
von Ministerien aus Gründen der Einsparung.
Er hält es für das zweckmäßigste, die Ressorts
für Handel, Industrie, Sozialpoli-
tik und öffentliche Arbeiten
in einem
neuen Wirtschaftsministerium zu-
sammenzufassen. Unannehmbar wäre jedoch das
Weiterbestehen des Sozialministeriums bei gleich-
zeitiger Auflösung des Handelsministeriums.

Folgen des Abbaues

Auch unter dem unständigen Lehrper-
sonal
herrscht wegen des Beamtenabbaues
große Besorgnis. Die widerruflich angestellten
Lehrkräfte befürchten ihre Kündigung
bezw. eine Zusammenlegung von Schulabteilungen
Für die Schulamtsbewerber sind die An-
gestelltenverhältnisse gleichfalls die denkbar
schlechtesten,
weshalb sich in Niederbayern
in Teil desselben bereits zusammengeschlossen hat,
um eventuell nach Amerika auszuwan-
dern.

Die Mission Clives

Heute morgen ist
der englische Generalkonsul Clive im Auftrage
seiner Regierung nach Heidelberg abgereist, wo
er einen Tag bleiben und eine Aussprache mit
den aus der Pfalz ausgewiesenen Beamten haben
wird. Er wird dann in die Pfalz weiterreisen
und die dortigen Zustände studieren. Am Don-
nerstag trifft er in Koblenz ein, wo er Lord
Kilmanrock, dem englischen Mitglied der In-
teralliierten Rheinlandkommission, Bericht erstat-
ten wird.

Schwere Mißhandlungen

Die Separatisten
sind seit einigen Tagen dazu übergegangen, ihre
Gefangenen vielfach schwer zu- mißhan-
deln.
Eine besonders unmenschliche Tat voll-
brachten sie in der Nacht vom 6. bis 7. Januar.
Ein Pirmasenser namens Massa erhob Ein-
spruch gegen die Mißhandlnug des Kriegsanvali-
den Hermann Seebach, der den rechten
Arm verloren hat. Darauf wurde er ebenfalls
verhaftet und so zugerichtet, daß er in hoffnungs-
losem Zustand in das Krankenhaus überführt
werden mußte.

Franzosen und Separatisten
im Bunde

Aus Speyer wird der
"Montagpost" gemeldet, daß der französische
Oberdelegierte für die Pfalz, General de Metz,
die Bekanntgabe der Erklärung verboten hat,
die am Sonntag in sämtlichen katholischen Kir-
chen der Pfalz von der Kanzel herab verlesen
werden sollte und die die Aufforderung an die
Katholiken der Pfalz enthält, der ungesetzlichen
und unrechtmäßigen, sogenannten autonomen
Regierung keinen Gehorsam zu leisten.

Nach derselben Quelle fand am Sonntag vor-
mittag in Speyer die Trauerfeier für
den ermordeten Separatistenführer Heinz-Orbis
statt, die ein neuer Beweis dafür war, wie
außerordentlich gering die zahlenmäßige Betei-
ligung der Pfälzer an der separatistischen Bewe-
gung ist, denn nur etwa 300 Personen, einschließ-
lich der separatistischen Truppen und der Fran-
zosen, nahmen daran teil.

General de Metz feierte den Getöteten in
einem in französischer Sprache gehaltenen Nach-
ruf als einen Freund Frankreichs und legte dar-
auf an der Bahre im Namen Frankreichs einen
Kranz nieder. Nach der Feier wurde die Leiche
in seine Heimat übergeführt. Der Leichenzug
zum Bahnhof wurde durch die separatistischen
Truppen geschützt, die den Zug mit der separa-
tistischen Fahne eröffneten und auch die Nach-
hut bildeten, wobei sie Pfeifen und Zigaretten
rauchten.

Dank an die Pfalz.

Die zur Beratung über
die politische Lage in Berlin zusammengetretene
Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei
nahm einstimmig folgende Entschließung an:

[Spaltenumbruch]

Die Bevölkerung der Pfalz lebt nunmehr seit
einem Jahr unter beständiger Bedrohung des
Eigentums, unter ärgstem Druck der Kriegsge-
richte, Vertreibung aus der Heimat und völliger
Unterdrückung der Presse- und Versammlungs-
freiheit. Dieser ruhigen und ordnungsliebenden
Bevölkerung sind sämtliche im Rheinlandabkom-
men garantierten Rechte genommen. Seit vielen
Wochen ist sie von der Besatzung und der Mehr-
heit der Interalliierten Kommission dem Terror
zweifelhaftester, landfremder Elemente und einem
Regime täglicher Rechtsbrüche, Erpressungen und
Bedrückungen ausgeliefert. Die Fraktion spricht
den Pfälzern ihren heißen Dank für den
heroischen Kampf um das Recht aus und sichert
ihnen jede nur mögliche Unterstützung zu.

Beschwerden der Pfälzer

Die Vertreter der pfäl-
zischen Bevölkerung,
die für die mittel-
baren und unmittelbaren Städte, ferner für über
680 Landgemeinden der Pfalz, für die Wirt-
schafts- und Berufsverbände sowie für die sämt-
lichen Konfessionen sprechen wollten, baten gestern
die Interalliierte Rheinlandskommission um eine
Audienz, die aber zurückgestellt wurde. Lediglich
der Bischof von Speyer wurde vom
französischen Oberkommissar Ti-
rard
empfangen und hatte Gelegenheit, die
durch die Separatistenherrschaft herovrgerufenen
unhaltbaren Zustände in der Pfalz, welche von
der Bevölkerung einmütig abgelehnt werden, dar-
zulegen. Die pfälzische Kommission wird heute ihre
Bitte erneuern. In einem Punkte sind die Sor-
gen der pfälzischen Bevölkerung vorläufig be-
hoben, da es nach Lage der Dinge ausge-
schlossen
sein dürfte, daß die von den
Separatisten erlassenen Verord-
nungen anerkannt werden.


In der französischen
Presse erschien ein vollständig unrichtiger Bericht
über den Empfang und die Aussprache pfälzischer
Städtevertreter bei dem General de
Metz
in Speyer In diesen Zeitungen wurde die
Audienz dahin ausgelegt, als hätten die pfälzischen
Städtevertreter hauptsächlich deswegen vorge-
sprochen um ihrer Entrüstung über die Ermor-
dung des Separatistenführers Heinz-Orbis Aus-
druck zu verleihen und den General zu veran-
lassen, Maßnahmen gegen die verbrecherischen
Vorgänge zu ergreifen. Demgegenüber wird fest-
gestellt, daß die Städtevertreter beim General de
Metz erschienen waren, um Einspruch zu er-
heben gegen die Gewaltherrschaft
von fremden Elementen in der Pfalz.

Aus rein menschlichen Gründen ist die am Abend
vorher geschehene Ermordung des Heinz-Orbis zur
Sprache gebracht und dabei dem Gedanken Aus-
druck verliehen worden, daß die Städtevertreter
den an Separatisten begangenen Mord verur-
teilen.

[irrelevantes Material]
[irrelevantes Material]


[Spaltenumbruch]
Der Meiner des jüngsten Tages.

13
Roman

7.

Ich stand und sah ihr nach, minutenlang hatte
ich nur den Klang der geliebten Stimme im
Ohr, und erst als Dina längst verschwunden
war, kam mir der Zusammenhang ihrer Worte
zum Bewußtsein.

Im ersten Augenblick war ich ratlos und gren-
zenlos bestürzt, dann aber erwachte ein heftiger
Zorn in mir, ich lehnte mich voll Erbitterung
gegen den Sinn ihrer Worte auf, es war ein
Unrecht, das man mir zufügen wollte. Jetzt fort-
gehen? O, nein! Jetzt konnte ich ja nicht gehen.
Fieber und Schüttelfrost und Müdigkeit waren
verschwunden. -- Man muß mir Rede stehen --
tobte es in mir, -- sie werden mir Aufklärung
geben, Felix und Doktor Gorski, darauf muß ich
bestehen. Ich hab' ihr doch nichts getan, lieber
Gott, was hab' ich ihr denn getan? --

Gewiß, es ist ein Unglück geschehen, ein großes
Unglück, eines, das sich vielleicht hätte verhindern
lassen können! Aber ich bin doch, um Gottes
willen, nicht schuld an diesem Unglück, ich doch
nicht! Man hätte ihn nicht allein lassen sollen,
nicht eine Minute lang hätte er allein bleiben
dürfen, wie ist er denn überhaupt in den Besitz
des Revolvers gekommen? Und jetzt will man
etwa mir die Schuld geben? Ich verstehe, daß
man in solch einem Augenblick ungerecht wird
und die Worte nicht wägt. Aber gerade des-
wegen muß, ich bleiben, man ist mir Aufklärung
schuldig, ich muß --

[Spaltenumbruch]

Plötzlich kam mir ein Gedanke, ein ganz
selbstverständlicher Gedanke, der mir meine Er-
regung lächerlich erscheinen ließ. -- Natürlich,
es war ein Mißverständnis. Zweifellos, es
konnte nur ein Mißverständnis gewesen sein.
Ich hatte Dinas Worte falsch aufgefaßt, ganz
anders waren sie gemeint gewesen. Daß ich nach
Hause gehen solle, weil ich hier nicht mehr helfen
könne, das hatte sie sagen wollen, nichts weiter,
das war ja klar. Sonnenklar. Niemand dachte
daran, mir die Schuld zu geben. Da hatten mir
meine überreizten Nerven einen Streich gespielt.
Doktor Gorski war ja dabei gewesen, er hatte
alles mit angehört. Ich war entschlossen, auf
ihn zu warten, er sollte mir bestätigen, daß das
Ganze nur ein Mißverständnis war.

-- Lange kann es ja nicht dauern, sagte ich
mir -- Lange werde ich nicht zu warten haben.
Felix und Doktor Gorski müssen bald wieder da
sein, man kann doch den armen Eugen, -- sie
können ihn doch nicht die ganze Nacht hindurch
allein auf dem Fußboden liegen lassen.

Ich trat geräuschlos ans Fenster, wie ein Dieb
schlich ich mich hin und warf einen Blick ins
Zimmer. Er lag noch immer auf der Erde, aber
man hatte eine Decke über ihn gebreitet, ein
schottisches Plaid. Einmal hatte ich ihn als
Macbeth gesehen, daran mußte ich jetzt denken
und sogleich klangen mir die Worte der Lady ins
Ohr: -- "Here's thes mell of the blood still. All
the parfumes of Arobla
--"

Da war auch schon der Schüttelfrost wieder da
und die Müdigkeit und der kalte Schweiß und
das Fieber, aber ich überwand es, ich zwang es
nieder, -- "Unsinn!" sagte ich mir, -- "diese
Verse, die passen doch wahrhaftig nicht hierher."
[Spaltenumbruch] -- Und ich stieß entschlossen die Türe auf und
trat ein, aber diese Energie wich sogleich einer
ängstlichen Scheu, denn ich war nun zum ersten-
mal allein mit dem Toten.

Da lag er in die Decke gehüllt, nichts war von
ihm zu sehen als die rechte Hand. Sie hielt den
Revolver nicht mehr, irgendwer hatte ihn aufge-
hoben und auf den kleinen Tisch gelegt, der in
der Mitte des Zimmers stand. Ich trat näher,
um mir die Waffe anzusehen, und jetzt bemerkte
ich, daß ich nicht allein im Zimmer war.

Der Ingenieur stand hinter dem Schreibtisch
an der Wand, über irgend etwas, was ich nicht
sah, gebeugt, es hatte den Anschein, als sei er
in die Betrachtung des Tapetenmusters vertieft,
so aufmerksam sah er hin. Als er meine Schritte
hörte, wandte er sich um. "Sie sind es, Baron?
Wie sehen Sie denn aus? Na! Sie hat die Sache
ordentlich hergenommen."

Er stand breitspurig vor mir, die Hände in den
Hosentaschen, eine Zigarette zwischen den Lippen,
in dem Zimmer, in dem ein Toter lag, mit der
Zigarette im Mund! Die Bedenkenlosigkeit selbst,
so stand er da.

"Das erstemal, daß Sie vor einer Leiche
stehen, wie? Wohl Ihnen, Baron. Ihr Offi-
ziere des Friedens! -- Ich dachte mir's sogleich,
-- Sie gehen so behutsam. Sie können fester
auftreten, denn da wecken sie nicht."

Ich schwieg. Er warf seine Zigarette mit
großer Sicherheit in die Aschenschale, die einige
Schritte von ihm entfernt auf dem Schreibtisch
stand, und zündete sich sogleich eine neue an.

"Ich bin Deutschbalte, wissen Sie das?" fuhr
er dann fort. "In Mitau geboren; ich habe den
russisch-japanischen Krieg mitgemacht."

[Spaltenumbruch]

"Tschusima?" fragte ich. Ich weiß nicht,
warum mir der Name gerade dieser Seeschlacht
einfiel. Ich dachte, daß er Schiffsingenieur oder
etwas Aehnliches gewesen sein müsse.

"Nein. Munho," gab er zur Antwort. "Haben
Sie jemals davon gehört?"

Ich schüttelte den Kopf.

"Munho. Das ist kein Ort, das ist ein Fluß.
Gelbes Wasser zwischen den Hügelketten. Es ist
besser, nicht daran zu denken. Da lagen sie eines
Morgens, fünfhundert oder mehr, einer neben
dem anderen, eine ganze Schützenkette, mit ver-
brannten Händen und verzerrten gelben Ge-
sichtern -- teuflisch. Es gibt kein anderes Wort."

"Kontaktmine?" fragte ich.

"Hochspannungsströme. Meine Arbeit. Zwölf-
hundert Volt. Manchmal, wenn mir die Erinne-
rung kommt, dann sage ich mir: Was willst du
denn, Ostasien, zweitausend Meilen von hier,
fünf Jahre sind vergangen, Staub und Asche ist
heute alles, was du dort gesehen hast. Hilft
nichts. So etwas bleibt, so etwas vergißt man nicht.

Er schwieg und blies den Rauch seiner Zigarette
in prachtvoll kreisrunden Ringen in die Luft.
Alles, was mit dem Rauchen irgendwie zusam-
menhing, hatte bei ihm den Charakter der Jong-
leurkunst angenommen.

"Jetzt wollen sie den Krieg abschaffen," fuhr er
nach einer Weile fort. "Den Krieg wollen sie
abschaffen! Was hilft das? Das da" -- er wies
mit einer Bewegung des Zeigefingers auf den
Revolver -- "will man aus der Welt schaffen
und alles andere von der Art. Was hilft das?
Die menschliche Niedertracht bleibt und die ist
von allen Mordwaffen die mörderischste."
(Fortsetzung folgt.)

Allgemeine Zeitung. Nr. 13 Montag, den 14. Januar 1924
[Spaltenumbruch]
Pfalz, Bayern, Deutſchland.

Von beſonderer Seite wird uns geſchrieben:

In Berlin fanden, wie gemeldet, vor einigen
Tagen Beſprechungen zwiſchen führenden Pfälzern
und den Reichsbehörden ſtatt, um Verhaltungs-
und Abwehrmaßregeln gegen ein befürchtetes
Wiederaufleben der Separatiſtenbewegung in der
Rheinpfalz zu beraten. Es iſt ſehr zu begrüßen,
daß man dem pfälziſchen Abwehrkampf in Berlin
beſondere Bedeutung beilegt und ihn unmittelbar
von dort aus aufs nachdrücklichſte unterſtützt. Denn
die Pfalz mit dem nunmehr franzöſiſchen Elſaß-
Lothringen im Süden und dem franzöſiſchen Ein-
flüſſen ſchutzlos preisgegebenen Saargebiet im
Oſten wird neuerdings von den Franzoſen als
leichteſte Beute eingeſchätzt und als Sprungbrett
betrachtet, um von da flußaufwärts das linke
Rheinufer zu ſeparieren, nachdem die Gewalt-
ſtreiche im Norden, in Düſſeldorf, Aachen, Koblenz
und Mainz allzu raſch zuſammengebrochen ſind.

Um die Separationsbewegung in ihrer ganzen
Gefährlichkeit zu beurteilen, muß man die Pſycho-
logie der Franzoſen beherrſchen. Sie ſind, zumal
in ihren nachgeordneten Organen, heißblütige
Optimiſten und inſiſtente Advokatennaturen, die
Mißerfolge als Zufälle hinnehmen und das Be-
wußtſein von der Notwendigkeit der Separierung
des linken Rheinufers als nationales Dogma in
ſich tragen. Die ſeeliſchen Widerſtände ſeitens der
Rheinbevölkerung werden von ihnen unterſchätzt
oder ganz in ihrer egozentriſchen Ueberheblichkeit
für nichts geachtet. Ihre leichte Entflammbarkeit
ſieht in jedem Tag den Bringer einer neuen
Morgenröte für ihre gloire. Sie wollen die Pfalz
und alſo glauben ſie, daß ſie ihnen werden muß.
Skepſis in Fragen des nationalen Preſtiges kennt
der Franzoſe — im Gegenſatz zum Deutſchen —
kaum oder gar nicht. Und die Pfalz vollends iſt
ihm das geographiſch und hiſtoriſch-politiſch nächſte
Gebiet; demgemäß fühlt er ſich in ihr, dies iſt
ſein imperialiſtiſches Vorurteil, heimiſch und als
Herr. Hier ſieht er in Architektur und im Stra-
ßenbau noch die deutlichſten Spuren ehemaliger
franzöſiſcher Herrſchaft, hier erinnert er ſich der
Zuneigung der ehemaligen Herrſcher für Frank-
reich und Paris. Dies genügt ihm, um über die
fürchterlichen franzöſiſchen Zerſtörungen hinweg
imaginäre Fäden zu ſpinnen, die er nur dichter
und feſter glaubt geſtalten zu müſſen, um die
Pfalz von Deutſchland zu ſich herüberzuziehen.
Dazu kommt, daß die Pfalz das einzige links-
rheiniſche Gebiet iſt, das geographiſch und auch
durch ſeine Stammesart von ſeinem politiſchen
Verbande, alſo von Bayern, getrennt iſt. Hier iſt
für den politiſch beſchwingten Franzoſen Rhodus
genug, hier will er lanzen.

In Wirklichkeit aber iſt gerade der Pfälzer, ſo
eigenbrötleriſch er veranlagt ſein mag, nichts
weniger als partikulariſtiſch geſtimmt. Seine Ver-
gangenheit hat ihn großdeutſch erzogen und ins-
beſondere gegenüber dem Franzoſen beſonders
ſtolz gemacht. Er ſagte zwar in ſeligen Friedens-
zeiten zum Gruß gern „Buſchur“ (bon jour) oder
beim Trinken „alle Gebot Santa“ (a votre ſante),
aber das waren nichts als fröhliche Bekundungen
eines aus ſchweren Aengſten vor dem franzöſiſchen
Bedrücker und Verwüſter Erwachten. So wie der
Gebirgsrücken der Pfalz nach Weſten zu abfällt,
ſo ſtand und ſteht der Pfälzer mit ſeiner Kehr-
ſeite gegen Frankreich und mit ſeinem zuverſicht-
lichen Geſicht gegen Deutſchland gewandt. Er läßt
ſich nicht — dick- und hartſchädelig, wie er iſt —
mit Gewalt umwenden, ſondern bietet eben in
der Not dem unſäglich verachteten Franzoſen zur
Ausführung der von Paris dirigierten Separa-
tions-Equilibriſtik nichts als ſeinen breiten, ge-
diegenen Rücken dar — in der Gewißheit, daß
ihm der, wenn auch noch ſo hartnäckige Franzoſe,
dabei das Kreuz nicht zertreten wird ....

Not tut vor allem, daß man, insbeſondere in
München und Bayern, die Beſonderheiten des
Pfälzers auch verſteht. Bayern iſt auch nur ein
Teil des deutſchen Ganzen, und man ſoll vom
Pfälzer nicht verlangen, daß er den Teil über
das Ganze ſtelle. Der Pfälzer iſt, aus ſeinem
ſtark entwickelten Selbſtändigkeitsgefühl heraus,
iſt ihm und muß ihm fremd ſein. Er iſt, darüber
ſollte man ſich nicht täuſchen, erſt Pfälzer und
[Spaltenumbruch] Deutſcher, dann Bayer. Und heute vollends bin-
det ihn die gemeinſame Not und das primitivſte
Solidaritätsgefühl notwendig mit dem heſſiſchen
und preußiſchen beſetzten Gebiet ſtärker zuſammen
als mit dem wenn auch noch ſo treuen und für-
ſorglichen Bayern. Der gemeinſame Abwehrkampf,
der das franzöſiſche Schlagwort vom Rhein als
Grenzlinie verabſcheut, will natürlich auch nichts
von einer Mainlinie wiſſen.

Dem wortfrohen Pfälzer iſt es nicht an der
Wiege ſeiner Stammesart geſungen worden, daß
er ſich vor Fremdherrſchern ſtumm ducken muß.
Er wird das dem Franzoſen nie vergeſſen. Aber
es iſt ihm auch nicht gegeben, verſchwöreriſch und
verbiſſen hinter dem Eindringling herzuſchleichen,
vielmehr macht er leidlich gute Miene zum böſen
Spiel; wie gut aber ſein Abwehrſpiel iſt, beweiſen
die immer böſeren Mienen der Franzoſen. Als
unter dem Einfluß der hiſtoriſchen Zeit des Kriegs-
ausgangs und der Revolution eine Handvoll de-
ſperater Dilettanten von Landau aus das erſte
Attentat auf das Deutſchtum der Pfälzer ver-
übten, ſetzten ſich dieſe auf unzweideutige Art mit
jenen Konjunkturfritzen auseinander. Damit war
die franzöſiſche „Richtung“ in der Pfalz erledigt.
Was ſpäter und in jüngſter Zeit folgte und viel-
leicht noch folgen wird, iſt franzöſiſche Söldlings-
arbeit. Zuzug aus dem Elſaß, beſonders auch aus
Lothringen und dem Saargebiet und das bißchen
einheimiſche Hefe wird den guten deutſchen Wein
der pfälziſchen Geſinnung nicht mehr ernſtlich
trüben. Daß dieſe Geſinnung nicht durch franzö-
ſiſche Winkelzüge und Gewaltakte vergewaltigt
werde, dafür muß Berlin und München ſorgen.
Dazu aber gehört ein völlig ungeſtörtes, eifer-
ſuchtsloſes Zuſammenwirken zwiſchen München
und Berlin. Das beſetzte Rheinland verkörpert
und vertritt die Einigkeit Deutſchlands. Die Pfalz
kann daher heute weniger als je nur bayeriſch
eingeſtellt ſein. Sie braucht die ganze Ungebrochen-
heit des deutſchen Reichsgedankens und das große
Bewußtſein von der Unantaſtbarkeit und Unzer-
ſtörbarkeit der Reichseinheit, um ihren Vorpoſten-
und Sicherungsdienſt gegen Frankreich erfolgreich
zu tun. Jede Erſchütterung der Zuſammen-
gehörigkeit zwiſchen Süden und Norden muß ſich
im pfälziſchen Abwehrkampf ſeismographiſch aus-
drücken. Deutſchland iſt der Pfalz ein naher,
immer präſenter Vater, Bayern ein Bruder in
der Ferne, Man belaſte und verwirre nicht dieſes
in heutigen Zeitläuften äußerſt diffizile und emp-
findliche Familienverhältnis!

Das Walchenſeewerk

Die maſchinelle Einrichtung des Wal-
chenſeewerkes
iſt jetzt ſo weit gediehen, daß
mit den Abnahmeverſuchen begonnen werden kann.

Zunächſt iſt beabſichtigt, 2 für die Landeselek-
trizitätsverforgung des Bayernwerkes beſtimmte
24000 PS-Maſchinenſätze in Be-
trieb übergehen zu laſſen. Die beiden zu
dieſen Maſchinenſätzen gehörigen Druck-
rohrleitungen der Waſſerzufüh-
rung
wurden bereits unter Druck geſetzt.
und haben die Prüfung in baulicher und tech-
niſcher Hinſicht gut beſtanden. Daraufhin konnte
Freitag Abend 6 Uhr der erſte Walchen-
ſeegenerator
verſuchsweiſe in Betrieb
geſetzt werden.
Die nächſte Woche wird noch
beanſprucht ſein durch die Abnahmeverſuche, die
erforderlich ſind, bevor die Energielieferung durch
das Walchenſeewerk aufgenommen werden kann.

Der Reichsverkehrsminiſter Dr.
Oeſer
hat am Freitag in München geweilt, um
mit dem Miniſterpräſidenten Dr. von Knilling
und den beteiligten Fachminiſtern über die nächſte
Zukunft der Reichseiſenbahnen eine
vorläufige Rückſprache zu nehmen. De-
finitive Ergebniſſe ſind bei der Beſprechung, ihrem
Charakter entſprechend, noch nicht erzielt
worden. Der Reichsverkehrsminiſter reiſt von
München nach Stuttgart weiter.

Zuſammenlegung der Miniſterien

Das Präſidium des bayeriſchen Indu-
ſtriellenverbandes
befaßte ſich in ſeiner
letzten Sitzung mit der Frage der Zuſammen-
legung der Miniſterien und kam dabei zu folgen-
dem Beſchluß: Der Bayeriſche Induſtriellenver-
[Spaltenumbruch] band begrüßt den Beſchluß auf Vereinfachung
der Staatsverwaltung durch Zuſammenlegung
von Miniſterien aus Gründen der Einſparung.
Er hält es für das zweckmäßigſte, die Reſſorts
für Handel, Induſtrie, Sozialpoli-
tik und öffentliche Arbeiten
in einem
neuen Wirtſchaftsminiſterium zu-
ſammenzufaſſen. Unannehmbar wäre jedoch das
Weiterbeſtehen des Sozialminiſteriums bei gleich-
zeitiger Auflöſung des Handelsminiſteriums.

Folgen des Abbaues

Auch unter dem unſtändigen Lehrper-
ſonal
herrſcht wegen des Beamtenabbaues
große Beſorgnis. Die widerruflich angeſtellten
Lehrkräfte befürchten ihre Kündigung
bezw. eine Zuſammenlegung von Schulabteilungen
Für die Schulamtsbewerber ſind die An-
geſtelltenverhältniſſe gleichfalls die denkbar
ſchlechteſten,
weshalb ſich in Niederbayern
in Teil desſelben bereits zuſammengeſchloſſen hat,
um eventuell nach Amerika auszuwan-
dern.

Die Miſſion Clives

Heute morgen iſt
der engliſche Generalkonſul Clive im Auftrage
ſeiner Regierung nach Heidelberg abgereiſt, wo
er einen Tag bleiben und eine Ausſprache mit
den aus der Pfalz ausgewieſenen Beamten haben
wird. Er wird dann in die Pfalz weiterreiſen
und die dortigen Zuſtände ſtudieren. Am Don-
nerstag trifft er in Koblenz ein, wo er Lord
Kilmanrock, dem engliſchen Mitglied der In-
teralliierten Rheinlandkommiſſion, Bericht erſtat-
ten wird.

Schwere Mißhandlungen

Die Separatiſten
ſind ſeit einigen Tagen dazu übergegangen, ihre
Gefangenen vielfach ſchwer zu- mißhan-
deln.
Eine beſonders unmenſchliche Tat voll-
brachten ſie in der Nacht vom 6. bis 7. Januar.
Ein Pirmaſenſer namens Maſſa erhob Ein-
ſpruch gegen die Mißhandlnug des Kriegsanvali-
den Hermann Seebach, der den rechten
Arm verloren hat. Darauf wurde er ebenfalls
verhaftet und ſo zugerichtet, daß er in hoffnungs-
loſem Zuſtand in das Krankenhaus überführt
werden mußte.

Franzoſen und Separatiſten
im Bunde

Aus Speyer wird der
„Montagpoſt“ gemeldet, daß der franzöſiſche
Oberdelegierte für die Pfalz, General de Metz,
die Bekanntgabe der Erklärung verboten hat,
die am Sonntag in ſämtlichen katholiſchen Kir-
chen der Pfalz von der Kanzel herab verleſen
werden ſollte und die die Aufforderung an die
Katholiken der Pfalz enthält, der ungeſetzlichen
und unrechtmäßigen, ſogenannten autonomen
Regierung keinen Gehorſam zu leiſten.

Nach derſelben Quelle fand am Sonntag vor-
mittag in Speyer die Trauerfeier für
den ermordeten Separatiſtenführer Heinz-Orbis
ſtatt, die ein neuer Beweis dafür war, wie
außerordentlich gering die zahlenmäßige Betei-
ligung der Pfälzer an der ſeparatiſtiſchen Bewe-
gung iſt, denn nur etwa 300 Perſonen, einſchließ-
lich der ſeparatiſtiſchen Truppen und der Fran-
zoſen, nahmen daran teil.

General de Metz feierte den Getöteten in
einem in franzöſiſcher Sprache gehaltenen Nach-
ruf als einen Freund Frankreichs und legte dar-
auf an der Bahre im Namen Frankreichs einen
Kranz nieder. Nach der Feier wurde die Leiche
in ſeine Heimat übergeführt. Der Leichenzug
zum Bahnhof wurde durch die ſeparatiſtiſchen
Truppen geſchützt, die den Zug mit der ſepara-
tiſtiſchen Fahne eröffneten und auch die Nach-
hut bildeten, wobei ſie Pfeifen und Zigaretten
rauchten.

Dank an die Pfalz.

Die zur Beratung über
die politiſche Lage in Berlin zuſammengetretene
Reichstagsfraktion der Deutſchen Volkspartei
nahm einſtimmig folgende Entſchließung an:

[Spaltenumbruch]

Die Bevölkerung der Pfalz lebt nunmehr ſeit
einem Jahr unter beſtändiger Bedrohung des
Eigentums, unter ärgſtem Druck der Kriegsge-
richte, Vertreibung aus der Heimat und völliger
Unterdrückung der Preſſe- und Verſammlungs-
freiheit. Dieſer ruhigen und ordnungsliebenden
Bevölkerung ſind ſämtliche im Rheinlandabkom-
men garantierten Rechte genommen. Seit vielen
Wochen iſt ſie von der Beſatzung und der Mehr-
heit der Interalliierten Kommiſſion dem Terror
zweifelhafteſter, landfremder Elemente und einem
Regime täglicher Rechtsbrüche, Erpreſſungen und
Bedrückungen ausgeliefert. Die Fraktion ſpricht
den Pfälzern ihren heißen Dank für den
heroiſchen Kampf um das Recht aus und ſichert
ihnen jede nur mögliche Unterſtützung zu.

Beſchwerden der Pfälzer

Die Vertreter der pfäl-
ziſchen Bevölkerung,
die für die mittel-
baren und unmittelbaren Städte, ferner für über
680 Landgemeinden der Pfalz, für die Wirt-
ſchafts- und Berufsverbände ſowie für die ſämt-
lichen Konfeſſionen ſprechen wollten, baten geſtern
die Interalliierte Rheinlandskommiſſion um eine
Audienz, die aber zurückgeſtellt wurde. Lediglich
der Biſchof von Speyer wurde vom
franzöſiſchen Oberkommiſſar Ti-
rard
empfangen und hatte Gelegenheit, die
durch die Separatiſtenherrſchaft herovrgerufenen
unhaltbaren Zuſtände in der Pfalz, welche von
der Bevölkerung einmütig abgelehnt werden, dar-
zulegen. Die pfälziſche Kommiſſion wird heute ihre
Bitte erneuern. In einem Punkte ſind die Sor-
gen der pfälziſchen Bevölkerung vorläufig be-
hoben, da es nach Lage der Dinge ausge-
ſchloſſen
ſein dürfte, daß die von den
Separatiſten erlaſſenen Verord-
nungen anerkannt werden.


In der franzöſiſchen
Preſſe erſchien ein vollſtändig unrichtiger Bericht
über den Empfang und die Ausſprache pfälziſcher
Städtevertreter bei dem General de
Metz
in Speyer In dieſen Zeitungen wurde die
Audienz dahin ausgelegt, als hätten die pfälziſchen
Städtevertreter hauptſächlich deswegen vorge-
ſprochen um ihrer Entrüſtung über die Ermor-
dung des Separatiſtenführers Heinz-Orbis Aus-
druck zu verleihen und den General zu veran-
laſſen, Maßnahmen gegen die verbrecheriſchen
Vorgänge zu ergreifen. Demgegenüber wird feſt-
geſtellt, daß die Städtevertreter beim General de
Metz erſchienen waren, um Einſpruch zu er-
heben gegen die Gewaltherrſchaft
von fremden Elementen in der Pfalz.

Aus rein menſchlichen Gründen iſt die am Abend
vorher geſchehene Ermordung des Heinz-Orbis zur
Sprache gebracht und dabei dem Gedanken Aus-
druck verliehen worden, daß die Städtevertreter
den an Separatiſten begangenen Mord verur-
teilen.

[irrelevantes Material]
[irrelevantes Material]


[Spaltenumbruch]
Der Meiner des jüngſten Tages.

13
Roman

7.

Ich ſtand und ſah ihr nach, minutenlang hatte
ich nur den Klang der geliebten Stimme im
Ohr, und erſt als Dina längſt verſchwunden
war, kam mir der Zuſammenhang ihrer Worte
zum Bewußtſein.

Im erſten Augenblick war ich ratlos und gren-
zenlos beſtürzt, dann aber erwachte ein heftiger
Zorn in mir, ich lehnte mich voll Erbitterung
gegen den Sinn ihrer Worte auf, es war ein
Unrecht, das man mir zufügen wollte. Jetzt fort-
gehen? O, nein! Jetzt konnte ich ja nicht gehen.
Fieber und Schüttelfroſt und Müdigkeit waren
verſchwunden. — Man muß mir Rede ſtehen —
tobte es in mir, — ſie werden mir Aufklärung
geben, Felix und Doktor Gorski, darauf muß ich
beſtehen. Ich hab’ ihr doch nichts getan, lieber
Gott, was hab’ ich ihr denn getan? —

Gewiß, es iſt ein Unglück geſchehen, ein großes
Unglück, eines, das ſich vielleicht hätte verhindern
laſſen können! Aber ich bin doch, um Gottes
willen, nicht ſchuld an dieſem Unglück, ich doch
nicht! Man hätte ihn nicht allein laſſen ſollen,
nicht eine Minute lang hätte er allein bleiben
dürfen, wie iſt er denn überhaupt in den Beſitz
des Revolvers gekommen? Und jetzt will man
etwa mir die Schuld geben? Ich verſtehe, daß
man in ſolch einem Augenblick ungerecht wird
und die Worte nicht wägt. Aber gerade des-
wegen muß, ich bleiben, man iſt mir Aufklärung
ſchuldig, ich muß —

[Spaltenumbruch]

Plötzlich kam mir ein Gedanke, ein ganz
ſelbſtverſtändlicher Gedanke, der mir meine Er-
regung lächerlich erſcheinen ließ. — Natürlich,
es war ein Mißverſtändnis. Zweifellos, es
konnte nur ein Mißverſtändnis geweſen ſein.
Ich hatte Dinas Worte falſch aufgefaßt, ganz
anders waren ſie gemeint geweſen. Daß ich nach
Hauſe gehen ſolle, weil ich hier nicht mehr helfen
könne, das hatte ſie ſagen wollen, nichts weiter,
das war ja klar. Sonnenklar. Niemand dachte
daran, mir die Schuld zu geben. Da hatten mir
meine überreizten Nerven einen Streich geſpielt.
Doktor Gorski war ja dabei geweſen, er hatte
alles mit angehört. Ich war entſchloſſen, auf
ihn zu warten, er ſollte mir beſtätigen, daß das
Ganze nur ein Mißverſtändnis war.

— Lange kann es ja nicht dauern, ſagte ich
mir — Lange werde ich nicht zu warten haben.
Felix und Doktor Gorski müſſen bald wieder da
ſein, man kann doch den armen Eugen, — ſie
können ihn doch nicht die ganze Nacht hindurch
allein auf dem Fußboden liegen laſſen.

Ich trat geräuſchlos ans Fenſter, wie ein Dieb
ſchlich ich mich hin und warf einen Blick ins
Zimmer. Er lag noch immer auf der Erde, aber
man hatte eine Decke über ihn gebreitet, ein
ſchottiſches Plaid. Einmal hatte ich ihn als
Macbeth geſehen, daran mußte ich jetzt denken
und ſogleich klangen mir die Worte der Lady ins
Ohr: — „Here’s thes mell of the blood still. All
the parfumes of Arobla
—“

Da war auch ſchon der Schüttelfroſt wieder da
und die Müdigkeit und der kalte Schweiß und
das Fieber, aber ich überwand es, ich zwang es
nieder, — „Unſinn!“ ſagte ich mir, — „dieſe
Verſe, die paſſen doch wahrhaftig nicht hierher.“
[Spaltenumbruch] — Und ich ſtieß entſchloſſen die Türe auf und
trat ein, aber dieſe Energie wich ſogleich einer
ängſtlichen Scheu, denn ich war nun zum erſten-
mal allein mit dem Toten.

Da lag er in die Decke gehüllt, nichts war von
ihm zu ſehen als die rechte Hand. Sie hielt den
Revolver nicht mehr, irgendwer hatte ihn aufge-
hoben und auf den kleinen Tiſch gelegt, der in
der Mitte des Zimmers ſtand. Ich trat näher,
um mir die Waffe anzuſehen, und jetzt bemerkte
ich, daß ich nicht allein im Zimmer war.

Der Ingenieur ſtand hinter dem Schreibtiſch
an der Wand, über irgend etwas, was ich nicht
ſah, gebeugt, es hatte den Anſchein, als ſei er
in die Betrachtung des Tapetenmuſters vertieft,
ſo aufmerkſam ſah er hin. Als er meine Schritte
hörte, wandte er ſich um. „Sie ſind es, Baron?
Wie ſehen Sie denn aus? Na! Sie hat die Sache
ordentlich hergenommen.“

Er ſtand breitſpurig vor mir, die Hände in den
Hoſentaſchen, eine Zigarette zwiſchen den Lippen,
in dem Zimmer, in dem ein Toter lag, mit der
Zigarette im Mund! Die Bedenkenloſigkeit ſelbſt,
ſo ſtand er da.

„Das erſtemal, daß Sie vor einer Leiche
ſtehen, wie? Wohl Ihnen, Baron. Ihr Offi-
ziere des Friedens! — Ich dachte mir’s ſogleich,
— Sie gehen ſo behutſam. Sie können feſter
auftreten, denn da wecken ſie nicht.“

Ich ſchwieg. Er warf ſeine Zigarette mit
großer Sicherheit in die Aſchenſchale, die einige
Schritte von ihm entfernt auf dem Schreibtiſch
ſtand, und zündete ſich ſogleich eine neue an.

„Ich bin Deutſchbalte, wiſſen Sie das?“ fuhr
er dann fort. „In Mitau geboren; ich habe den
ruſſiſch-japaniſchen Krieg mitgemacht.“

[Spaltenumbruch]

„Tſchuſima?“ fragte ich. Ich weiß nicht,
warum mir der Name gerade dieſer Seeſchlacht
einfiel. Ich dachte, daß er Schiffsingenieur oder
etwas Aehnliches geweſen ſein müſſe.

„Nein. Munho,“ gab er zur Antwort. „Haben
Sie jemals davon gehört?“

Ich ſchüttelte den Kopf.

„Munho. Das iſt kein Ort, das iſt ein Fluß.
Gelbes Waſſer zwiſchen den Hügelketten. Es iſt
beſſer, nicht daran zu denken. Da lagen ſie eines
Morgens, fünfhundert oder mehr, einer neben
dem anderen, eine ganze Schützenkette, mit ver-
brannten Händen und verzerrten gelben Ge-
ſichtern — teufliſch. Es gibt kein anderes Wort.“

„Kontaktmine?“ fragte ich.

„Hochſpannungsſtröme. Meine Arbeit. Zwölf-
hundert Volt. Manchmal, wenn mir die Erinne-
rung kommt, dann ſage ich mir: Was willſt du
denn, Oſtaſien, zweitauſend Meilen von hier,
fünf Jahre ſind vergangen, Staub und Aſche iſt
heute alles, was du dort geſehen haſt. Hilft
nichts. So etwas bleibt, ſo etwas vergißt man nicht.

Er ſchwieg und blies den Rauch ſeiner Zigarette
in prachtvoll kreisrunden Ringen in die Luft.
Alles, was mit dem Rauchen irgendwie zuſam-
menhing, hatte bei ihm den Charakter der Jong-
leurkunſt angenommen.

„Jetzt wollen ſie den Krieg abſchaffen,“ fuhr er
nach einer Weile fort. „Den Krieg wollen ſie
abſchaffen! Was hilft das? Das da“ — er wies
mit einer Bewegung des Zeigefingers auf den
Revolver — „will man aus der Welt ſchaffen
und alles andere von der Art. Was hilft das?
Die menſchliche Niedertracht bleibt und die iſt
von allen Mordwaffen die mörderiſchſte.“
(Fortſetzung folgt.)

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[Seite 4[4]/0004] Allgemeine Zeitung. Nr. 13 Montag, den 14. Januar 1924 Pfalz, Bayern, Deutſchland. Von beſonderer Seite wird uns geſchrieben: In Berlin fanden, wie gemeldet, vor einigen Tagen Beſprechungen zwiſchen führenden Pfälzern und den Reichsbehörden ſtatt, um Verhaltungs- und Abwehrmaßregeln gegen ein befürchtetes Wiederaufleben der Separatiſtenbewegung in der Rheinpfalz zu beraten. Es iſt ſehr zu begrüßen, daß man dem pfälziſchen Abwehrkampf in Berlin beſondere Bedeutung beilegt und ihn unmittelbar von dort aus aufs nachdrücklichſte unterſtützt. Denn die Pfalz mit dem nunmehr franzöſiſchen Elſaß- Lothringen im Süden und dem franzöſiſchen Ein- flüſſen ſchutzlos preisgegebenen Saargebiet im Oſten wird neuerdings von den Franzoſen als leichteſte Beute eingeſchätzt und als Sprungbrett betrachtet, um von da flußaufwärts das linke Rheinufer zu ſeparieren, nachdem die Gewalt- ſtreiche im Norden, in Düſſeldorf, Aachen, Koblenz und Mainz allzu raſch zuſammengebrochen ſind. Um die Separationsbewegung in ihrer ganzen Gefährlichkeit zu beurteilen, muß man die Pſycho- logie der Franzoſen beherrſchen. Sie ſind, zumal in ihren nachgeordneten Organen, heißblütige Optimiſten und inſiſtente Advokatennaturen, die Mißerfolge als Zufälle hinnehmen und das Be- wußtſein von der Notwendigkeit der Separierung des linken Rheinufers als nationales Dogma in ſich tragen. Die ſeeliſchen Widerſtände ſeitens der Rheinbevölkerung werden von ihnen unterſchätzt oder ganz in ihrer egozentriſchen Ueberheblichkeit für nichts geachtet. Ihre leichte Entflammbarkeit ſieht in jedem Tag den Bringer einer neuen Morgenröte für ihre gloire. Sie wollen die Pfalz und alſo glauben ſie, daß ſie ihnen werden muß. Skepſis in Fragen des nationalen Preſtiges kennt der Franzoſe — im Gegenſatz zum Deutſchen — kaum oder gar nicht. Und die Pfalz vollends iſt ihm das geographiſch und hiſtoriſch-politiſch nächſte Gebiet; demgemäß fühlt er ſich in ihr, dies iſt ſein imperialiſtiſches Vorurteil, heimiſch und als Herr. Hier ſieht er in Architektur und im Stra- ßenbau noch die deutlichſten Spuren ehemaliger franzöſiſcher Herrſchaft, hier erinnert er ſich der Zuneigung der ehemaligen Herrſcher für Frank- reich und Paris. Dies genügt ihm, um über die fürchterlichen franzöſiſchen Zerſtörungen hinweg imaginäre Fäden zu ſpinnen, die er nur dichter und feſter glaubt geſtalten zu müſſen, um die Pfalz von Deutſchland zu ſich herüberzuziehen. Dazu kommt, daß die Pfalz das einzige links- rheiniſche Gebiet iſt, das geographiſch und auch durch ſeine Stammesart von ſeinem politiſchen Verbande, alſo von Bayern, getrennt iſt. Hier iſt für den politiſch beſchwingten Franzoſen Rhodus genug, hier will er lanzen. In Wirklichkeit aber iſt gerade der Pfälzer, ſo eigenbrötleriſch er veranlagt ſein mag, nichts weniger als partikulariſtiſch geſtimmt. Seine Ver- gangenheit hat ihn großdeutſch erzogen und ins- beſondere gegenüber dem Franzoſen beſonders ſtolz gemacht. Er ſagte zwar in ſeligen Friedens- zeiten zum Gruß gern „Buſchur“ (bon jour) oder beim Trinken „alle Gebot Santa“ (a votre ſante), aber das waren nichts als fröhliche Bekundungen eines aus ſchweren Aengſten vor dem franzöſiſchen Bedrücker und Verwüſter Erwachten. So wie der Gebirgsrücken der Pfalz nach Weſten zu abfällt, ſo ſtand und ſteht der Pfälzer mit ſeiner Kehr- ſeite gegen Frankreich und mit ſeinem zuverſicht- lichen Geſicht gegen Deutſchland gewandt. Er läßt ſich nicht — dick- und hartſchädelig, wie er iſt — mit Gewalt umwenden, ſondern bietet eben in der Not dem unſäglich verachteten Franzoſen zur Ausführung der von Paris dirigierten Separa- tions-Equilibriſtik nichts als ſeinen breiten, ge- diegenen Rücken dar — in der Gewißheit, daß ihm der, wenn auch noch ſo hartnäckige Franzoſe, dabei das Kreuz nicht zertreten wird .... Not tut vor allem, daß man, insbeſondere in München und Bayern, die Beſonderheiten des Pfälzers auch verſteht. Bayern iſt auch nur ein Teil des deutſchen Ganzen, und man ſoll vom Pfälzer nicht verlangen, daß er den Teil über das Ganze ſtelle. Der Pfälzer iſt, aus ſeinem ſtark entwickelten Selbſtändigkeitsgefühl heraus, iſt ihm und muß ihm fremd ſein. Er iſt, darüber ſollte man ſich nicht täuſchen, erſt Pfälzer und Deutſcher, dann Bayer. Und heute vollends bin- det ihn die gemeinſame Not und das primitivſte Solidaritätsgefühl notwendig mit dem heſſiſchen und preußiſchen beſetzten Gebiet ſtärker zuſammen als mit dem wenn auch noch ſo treuen und für- ſorglichen Bayern. Der gemeinſame Abwehrkampf, der das franzöſiſche Schlagwort vom Rhein als Grenzlinie verabſcheut, will natürlich auch nichts von einer Mainlinie wiſſen. Dem wortfrohen Pfälzer iſt es nicht an der Wiege ſeiner Stammesart geſungen worden, daß er ſich vor Fremdherrſchern ſtumm ducken muß. Er wird das dem Franzoſen nie vergeſſen. Aber es iſt ihm auch nicht gegeben, verſchwöreriſch und verbiſſen hinter dem Eindringling herzuſchleichen, vielmehr macht er leidlich gute Miene zum böſen Spiel; wie gut aber ſein Abwehrſpiel iſt, beweiſen die immer böſeren Mienen der Franzoſen. Als unter dem Einfluß der hiſtoriſchen Zeit des Kriegs- ausgangs und der Revolution eine Handvoll de- ſperater Dilettanten von Landau aus das erſte Attentat auf das Deutſchtum der Pfälzer ver- übten, ſetzten ſich dieſe auf unzweideutige Art mit jenen Konjunkturfritzen auseinander. Damit war die franzöſiſche „Richtung“ in der Pfalz erledigt. Was ſpäter und in jüngſter Zeit folgte und viel- leicht noch folgen wird, iſt franzöſiſche Söldlings- arbeit. Zuzug aus dem Elſaß, beſonders auch aus Lothringen und dem Saargebiet und das bißchen einheimiſche Hefe wird den guten deutſchen Wein der pfälziſchen Geſinnung nicht mehr ernſtlich trüben. Daß dieſe Geſinnung nicht durch franzö- ſiſche Winkelzüge und Gewaltakte vergewaltigt werde, dafür muß Berlin und München ſorgen. Dazu aber gehört ein völlig ungeſtörtes, eifer- ſuchtsloſes Zuſammenwirken zwiſchen München und Berlin. Das beſetzte Rheinland verkörpert und vertritt die Einigkeit Deutſchlands. Die Pfalz kann daher heute weniger als je nur bayeriſch eingeſtellt ſein. Sie braucht die ganze Ungebrochen- heit des deutſchen Reichsgedankens und das große Bewußtſein von der Unantaſtbarkeit und Unzer- ſtörbarkeit der Reichseinheit, um ihren Vorpoſten- und Sicherungsdienſt gegen Frankreich erfolgreich zu tun. Jede Erſchütterung der Zuſammen- gehörigkeit zwiſchen Süden und Norden muß ſich im pfälziſchen Abwehrkampf ſeismographiſch aus- drücken. Deutſchland iſt der Pfalz ein naher, immer präſenter Vater, Bayern ein Bruder in der Ferne, Man belaſte und verwirre nicht dieſes in heutigen Zeitläuften äußerſt diffizile und emp- findliche Familienverhältnis! x.- Das Walchenſeewerk Die maſchinelle Einrichtung des Wal- chenſeewerkes iſt jetzt ſo weit gediehen, daß mit den Abnahmeverſuchen begonnen werden kann. Zunächſt iſt beabſichtigt, 2 für die Landeselek- trizitätsverforgung des Bayernwerkes beſtimmte 24000 PS-Maſchinenſätze in Be- trieb übergehen zu laſſen. Die beiden zu dieſen Maſchinenſätzen gehörigen Druck- rohrleitungen der Waſſerzufüh- rung wurden bereits unter Druck geſetzt. und haben die Prüfung in baulicher und tech- niſcher Hinſicht gut beſtanden. Daraufhin konnte Freitag Abend 6 Uhr der erſte Walchen- ſeegenerator verſuchsweiſe in Betrieb geſetzt werden. Die nächſte Woche wird noch beanſprucht ſein durch die Abnahmeverſuche, die erforderlich ſind, bevor die Energielieferung durch das Walchenſeewerk aufgenommen werden kann. Der Reichsverkehrsminiſter Dr. Oeſer hat am Freitag in München geweilt, um mit dem Miniſterpräſidenten Dr. von Knilling und den beteiligten Fachminiſtern über die nächſte Zukunft der Reichseiſenbahnen eine vorläufige Rückſprache zu nehmen. De- finitive Ergebniſſe ſind bei der Beſprechung, ihrem Charakter entſprechend, noch nicht erzielt worden. Der Reichsverkehrsminiſter reiſt von München nach Stuttgart weiter. Zuſammenlegung der Miniſterien Das Präſidium des bayeriſchen Indu- ſtriellenverbandes befaßte ſich in ſeiner letzten Sitzung mit der Frage der Zuſammen- legung der Miniſterien und kam dabei zu folgen- dem Beſchluß: Der Bayeriſche Induſtriellenver- band begrüßt den Beſchluß auf Vereinfachung der Staatsverwaltung durch Zuſammenlegung von Miniſterien aus Gründen der Einſparung. Er hält es für das zweckmäßigſte, die Reſſorts für Handel, Induſtrie, Sozialpoli- tik und öffentliche Arbeiten in einem neuen Wirtſchaftsminiſterium zu- ſammenzufaſſen. Unannehmbar wäre jedoch das Weiterbeſtehen des Sozialminiſteriums bei gleich- zeitiger Auflöſung des Handelsminiſteriums. Folgen des Abbaues Auch unter dem unſtändigen Lehrper- ſonal herrſcht wegen des Beamtenabbaues große Beſorgnis. Die widerruflich angeſtellten Lehrkräfte befürchten ihre Kündigung bezw. eine Zuſammenlegung von Schulabteilungen Für die Schulamtsbewerber ſind die An- geſtelltenverhältniſſe gleichfalls die denkbar ſchlechteſten, weshalb ſich in Niederbayern in Teil desſelben bereits zuſammengeſchloſſen hat, um eventuell nach Amerika auszuwan- dern. Die Miſſion Clives * München, 13. Januar. Heute morgen iſt der engliſche Generalkonſul Clive im Auftrage ſeiner Regierung nach Heidelberg abgereiſt, wo er einen Tag bleiben und eine Ausſprache mit den aus der Pfalz ausgewieſenen Beamten haben wird. Er wird dann in die Pfalz weiterreiſen und die dortigen Zuſtände ſtudieren. Am Don- nerstag trifft er in Koblenz ein, wo er Lord Kilmanrock, dem engliſchen Mitglied der In- teralliierten Rheinlandkommiſſion, Bericht erſtat- ten wird. Schwere Mißhandlungen Pirmaſens, 12. Jan. Die Separatiſten ſind ſeit einigen Tagen dazu übergegangen, ihre Gefangenen vielfach ſchwer zu- mißhan- deln. Eine beſonders unmenſchliche Tat voll- brachten ſie in der Nacht vom 6. bis 7. Januar. Ein Pirmaſenſer namens Maſſa erhob Ein- ſpruch gegen die Mißhandlnug des Kriegsanvali- den Hermann Seebach, der den rechten Arm verloren hat. Darauf wurde er ebenfalls verhaftet und ſo zugerichtet, daß er in hoffnungs- loſem Zuſtand in das Krankenhaus überführt werden mußte. Franzoſen und Separatiſten im Bunde * Berlin, 13. Januar. Aus Speyer wird der „Montagpoſt“ gemeldet, daß der franzöſiſche Oberdelegierte für die Pfalz, General de Metz, die Bekanntgabe der Erklärung verboten hat, die am Sonntag in ſämtlichen katholiſchen Kir- chen der Pfalz von der Kanzel herab verleſen werden ſollte und die die Aufforderung an die Katholiken der Pfalz enthält, der ungeſetzlichen und unrechtmäßigen, ſogenannten autonomen Regierung keinen Gehorſam zu leiſten. Nach derſelben Quelle fand am Sonntag vor- mittag in Speyer die Trauerfeier für den ermordeten Separatiſtenführer Heinz-Orbis ſtatt, die ein neuer Beweis dafür war, wie außerordentlich gering die zahlenmäßige Betei- ligung der Pfälzer an der ſeparatiſtiſchen Bewe- gung iſt, denn nur etwa 300 Perſonen, einſchließ- lich der ſeparatiſtiſchen Truppen und der Fran- zoſen, nahmen daran teil. General de Metz feierte den Getöteten in einem in franzöſiſcher Sprache gehaltenen Nach- ruf als einen Freund Frankreichs und legte dar- auf an der Bahre im Namen Frankreichs einen Kranz nieder. Nach der Feier wurde die Leiche in ſeine Heimat übergeführt. Der Leichenzug zum Bahnhof wurde durch die ſeparatiſtiſchen Truppen geſchützt, die den Zug mit der ſepara- tiſtiſchen Fahne eröffneten und auch die Nach- hut bildeten, wobei ſie Pfeifen und Zigaretten rauchten. Dank an die Pfalz. * Berlin, 13. Januar. Die zur Beratung über die politiſche Lage in Berlin zuſammengetretene Reichstagsfraktion der Deutſchen Volkspartei nahm einſtimmig folgende Entſchließung an: Die Bevölkerung der Pfalz lebt nunmehr ſeit einem Jahr unter beſtändiger Bedrohung des Eigentums, unter ärgſtem Druck der Kriegsge- richte, Vertreibung aus der Heimat und völliger Unterdrückung der Preſſe- und Verſammlungs- freiheit. Dieſer ruhigen und ordnungsliebenden Bevölkerung ſind ſämtliche im Rheinlandabkom- men garantierten Rechte genommen. Seit vielen Wochen iſt ſie von der Beſatzung und der Mehr- heit der Interalliierten Kommiſſion dem Terror zweifelhafteſter, landfremder Elemente und einem Regime täglicher Rechtsbrüche, Erpreſſungen und Bedrückungen ausgeliefert. Die Fraktion ſpricht den Pfälzern ihren heißen Dank für den heroiſchen Kampf um das Recht aus und ſichert ihnen jede nur mögliche Unterſtützung zu. Beſchwerden der Pfälzer Koblenz, 12. Jan Die Vertreter der pfäl- ziſchen Bevölkerung, die für die mittel- baren und unmittelbaren Städte, ferner für über 680 Landgemeinden der Pfalz, für die Wirt- ſchafts- und Berufsverbände ſowie für die ſämt- lichen Konfeſſionen ſprechen wollten, baten geſtern die Interalliierte Rheinlandskommiſſion um eine Audienz, die aber zurückgeſtellt wurde. Lediglich der Biſchof von Speyer wurde vom franzöſiſchen Oberkommiſſar Ti- rard empfangen und hatte Gelegenheit, die durch die Separatiſtenherrſchaft herovrgerufenen unhaltbaren Zuſtände in der Pfalz, welche von der Bevölkerung einmütig abgelehnt werden, dar- zulegen. Die pfälziſche Kommiſſion wird heute ihre Bitte erneuern. In einem Punkte ſind die Sor- gen der pfälziſchen Bevölkerung vorläufig be- hoben, da es nach Lage der Dinge ausge- ſchloſſen ſein dürfte, daß die von den Separatiſten erlaſſenen Verord- nungen anerkannt werden. Ludwigshafen, 12. Jan. In der franzöſiſchen Preſſe erſchien ein vollſtändig unrichtiger Bericht über den Empfang und die Ausſprache pfälziſcher Städtevertreter bei dem General de Metz in Speyer In dieſen Zeitungen wurde die Audienz dahin ausgelegt, als hätten die pfälziſchen Städtevertreter hauptſächlich deswegen vorge- ſprochen um ihrer Entrüſtung über die Ermor- dung des Separatiſtenführers Heinz-Orbis Aus- druck zu verleihen und den General zu veran- laſſen, Maßnahmen gegen die verbrecheriſchen Vorgänge zu ergreifen. Demgegenüber wird feſt- geſtellt, daß die Städtevertreter beim General de Metz erſchienen waren, um Einſpruch zu er- heben gegen die Gewaltherrſchaft von fremden Elementen in der Pfalz. Aus rein menſchlichen Gründen iſt die am Abend vorher geſchehene Ermordung des Heinz-Orbis zur Sprache gebracht und dabei dem Gedanken Aus- druck verliehen worden, daß die Städtevertreter den an Separatiſten begangenen Mord verur- teilen. _ _ Der Meiner des jüngſten Tages. 13 Roman von Leo Parutz. 7. Ich ſtand und ſah ihr nach, minutenlang hatte ich nur den Klang der geliebten Stimme im Ohr, und erſt als Dina längſt verſchwunden war, kam mir der Zuſammenhang ihrer Worte zum Bewußtſein. Im erſten Augenblick war ich ratlos und gren- zenlos beſtürzt, dann aber erwachte ein heftiger Zorn in mir, ich lehnte mich voll Erbitterung gegen den Sinn ihrer Worte auf, es war ein Unrecht, das man mir zufügen wollte. Jetzt fort- gehen? O, nein! Jetzt konnte ich ja nicht gehen. Fieber und Schüttelfroſt und Müdigkeit waren verſchwunden. — Man muß mir Rede ſtehen — tobte es in mir, — ſie werden mir Aufklärung geben, Felix und Doktor Gorski, darauf muß ich beſtehen. Ich hab’ ihr doch nichts getan, lieber Gott, was hab’ ich ihr denn getan? — Gewiß, es iſt ein Unglück geſchehen, ein großes Unglück, eines, das ſich vielleicht hätte verhindern laſſen können! Aber ich bin doch, um Gottes willen, nicht ſchuld an dieſem Unglück, ich doch nicht! Man hätte ihn nicht allein laſſen ſollen, nicht eine Minute lang hätte er allein bleiben dürfen, wie iſt er denn überhaupt in den Beſitz des Revolvers gekommen? Und jetzt will man etwa mir die Schuld geben? Ich verſtehe, daß man in ſolch einem Augenblick ungerecht wird und die Worte nicht wägt. Aber gerade des- wegen muß, ich bleiben, man iſt mir Aufklärung ſchuldig, ich muß — Plötzlich kam mir ein Gedanke, ein ganz ſelbſtverſtändlicher Gedanke, der mir meine Er- regung lächerlich erſcheinen ließ. — Natürlich, es war ein Mißverſtändnis. Zweifellos, es konnte nur ein Mißverſtändnis geweſen ſein. Ich hatte Dinas Worte falſch aufgefaßt, ganz anders waren ſie gemeint geweſen. Daß ich nach Hauſe gehen ſolle, weil ich hier nicht mehr helfen könne, das hatte ſie ſagen wollen, nichts weiter, das war ja klar. Sonnenklar. Niemand dachte daran, mir die Schuld zu geben. Da hatten mir meine überreizten Nerven einen Streich geſpielt. Doktor Gorski war ja dabei geweſen, er hatte alles mit angehört. Ich war entſchloſſen, auf ihn zu warten, er ſollte mir beſtätigen, daß das Ganze nur ein Mißverſtändnis war. — Lange kann es ja nicht dauern, ſagte ich mir — Lange werde ich nicht zu warten haben. Felix und Doktor Gorski müſſen bald wieder da ſein, man kann doch den armen Eugen, — ſie können ihn doch nicht die ganze Nacht hindurch allein auf dem Fußboden liegen laſſen. Ich trat geräuſchlos ans Fenſter, wie ein Dieb ſchlich ich mich hin und warf einen Blick ins Zimmer. Er lag noch immer auf der Erde, aber man hatte eine Decke über ihn gebreitet, ein ſchottiſches Plaid. Einmal hatte ich ihn als Macbeth geſehen, daran mußte ich jetzt denken und ſogleich klangen mir die Worte der Lady ins Ohr: — „Here’s thes mell of the blood still. All the parfumes of Arobla —“ Da war auch ſchon der Schüttelfroſt wieder da und die Müdigkeit und der kalte Schweiß und das Fieber, aber ich überwand es, ich zwang es nieder, — „Unſinn!“ ſagte ich mir, — „dieſe Verſe, die paſſen doch wahrhaftig nicht hierher.“ — Und ich ſtieß entſchloſſen die Türe auf und trat ein, aber dieſe Energie wich ſogleich einer ängſtlichen Scheu, denn ich war nun zum erſten- mal allein mit dem Toten. Da lag er in die Decke gehüllt, nichts war von ihm zu ſehen als die rechte Hand. Sie hielt den Revolver nicht mehr, irgendwer hatte ihn aufge- hoben und auf den kleinen Tiſch gelegt, der in der Mitte des Zimmers ſtand. Ich trat näher, um mir die Waffe anzuſehen, und jetzt bemerkte ich, daß ich nicht allein im Zimmer war. Der Ingenieur ſtand hinter dem Schreibtiſch an der Wand, über irgend etwas, was ich nicht ſah, gebeugt, es hatte den Anſchein, als ſei er in die Betrachtung des Tapetenmuſters vertieft, ſo aufmerkſam ſah er hin. Als er meine Schritte hörte, wandte er ſich um. „Sie ſind es, Baron? Wie ſehen Sie denn aus? Na! Sie hat die Sache ordentlich hergenommen.“ Er ſtand breitſpurig vor mir, die Hände in den Hoſentaſchen, eine Zigarette zwiſchen den Lippen, in dem Zimmer, in dem ein Toter lag, mit der Zigarette im Mund! Die Bedenkenloſigkeit ſelbſt, ſo ſtand er da. „Das erſtemal, daß Sie vor einer Leiche ſtehen, wie? Wohl Ihnen, Baron. Ihr Offi- ziere des Friedens! — Ich dachte mir’s ſogleich, — Sie gehen ſo behutſam. Sie können feſter auftreten, denn da wecken ſie nicht.“ Ich ſchwieg. Er warf ſeine Zigarette mit großer Sicherheit in die Aſchenſchale, die einige Schritte von ihm entfernt auf dem Schreibtiſch ſtand, und zündete ſich ſogleich eine neue an. „Ich bin Deutſchbalte, wiſſen Sie das?“ fuhr er dann fort. „In Mitau geboren; ich habe den ruſſiſch-japaniſchen Krieg mitgemacht.“ „Tſchuſima?“ fragte ich. Ich weiß nicht, warum mir der Name gerade dieſer Seeſchlacht einfiel. Ich dachte, daß er Schiffsingenieur oder etwas Aehnliches geweſen ſein müſſe. „Nein. Munho,“ gab er zur Antwort. „Haben Sie jemals davon gehört?“ Ich ſchüttelte den Kopf. „Munho. Das iſt kein Ort, das iſt ein Fluß. Gelbes Waſſer zwiſchen den Hügelketten. Es iſt beſſer, nicht daran zu denken. Da lagen ſie eines Morgens, fünfhundert oder mehr, einer neben dem anderen, eine ganze Schützenkette, mit ver- brannten Händen und verzerrten gelben Ge- ſichtern — teufliſch. Es gibt kein anderes Wort.“ „Kontaktmine?“ fragte ich. „Hochſpannungsſtröme. Meine Arbeit. Zwölf- hundert Volt. Manchmal, wenn mir die Erinne- rung kommt, dann ſage ich mir: Was willſt du denn, Oſtaſien, zweitauſend Meilen von hier, fünf Jahre ſind vergangen, Staub und Aſche iſt heute alles, was du dort geſehen haſt. Hilft nichts. So etwas bleibt, ſo etwas vergißt man nicht. Er ſchwieg und blies den Rauch ſeiner Zigarette in prachtvoll kreisrunden Ringen in die Luft. Alles, was mit dem Rauchen irgendwie zuſam- menhing, hatte bei ihm den Charakter der Jong- leurkunſt angenommen. „Jetzt wollen ſie den Krieg abſchaffen,“ fuhr er nach einer Weile fort. „Den Krieg wollen ſie abſchaffen! Was hilft das? Das da“ — er wies mit einer Bewegung des Zeigefingers auf den Revolver — „will man aus der Welt ſchaffen und alles andere von der Art. Was hilft das? Die menſchliche Niedertracht bleibt und die iſt von allen Mordwaffen die mörderiſchſte.“ (Fortſetzung folgt.)

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 13, 14. Januar 1924, S. Seite 4[4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine13_1924/4>, abgerufen am 21.11.2024.