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Allgemeine Zeitung, Nr. 142, 26. März 1908.

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München, Donnerstag Allgemeine Zeitung 26. März 1908. Nr. 142.
[Spaltenumbruch] treffen, die ihm einen Teil der erworbenen Grubenfelder
kostenlos zusichern; er wird sich mit diesem in die Kohlen-
schätze Bayerns teilen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß
etwas derartiges seitens des Staatsärars mit der Inter-
nationalen Bohrgesellschaft beabsichtigt ist. Vielleicht tritt
dem Abkommen auch noch eine bayerische Gesellschaft bei,
denn schließlich muß doch jemand dabei sein, der die Kosten
der Bohrungen bezahlt. Wird bei den Versuchsbohrungen
ein Erfolg nicht erzielt, so hört die Sache einfach auf. Das
Gesetz der Anschlußmutung, das die freie Entwicklung des
privaten Bergbaues hindert, aber bleibt bestehen.

Bei der Beratung des Gesetzentwurfes in der Abgeord-
netenkammer ist wiederholt betont worden, daß der baye-
rische Staat noch nicht reif sei, selbst einen großen Bergbau
auf Kohlen ins Leben zu rufen, wenigstens nicht in kurzer
Zeit. Noch mehr ist jedoch die Notwendigkeit hervorgehoben
worden, für das bayerische Volk und seine Industrie bil-
lige Kohlen im eigenen Lande zu beschaffen, damit Bayern
nicht vom Ausland abhängig bleibt. Soll das in abseh-
barer Zeit erreicht werden, so wird es nur durch eine rasche
Entwicklung des Privatbergbaues möglich sein.

Man hofft daher in industriellen Kreisen Bayerns,
daß sich die Kammer der Reichsräte der Erkennt-
nis, daß das Gesetz der Anschlußmutung ein Fehlgriff ist,
nicht verschließen wird.



Politische Rundschau.
Friede im Reichstag.

Die Erklärung des Abg. Gröber, auf Grund deren die
Reichstagsjournalisten morgen ihre Arbeit wieder auf-
nehmen, ist unseres Erachtens nicht ganz befriedigend, und
wenn sie trotzdem als Friedensgrundlage akzeptiert worden
ist, so zeigt das, wie fern die Reichstagsjournalisten von
jeder Ueberspannung ihrer Forderungen gewesen sind. Län-
gere Epiloge zu dieser eigenartigen Tragikomödie wird
man sich gern ersparen, aber einige kurze Bemerkungen
drängen sich noch auf. Der Zwischenfall Müller-Meinin-
gen, dessen Eigentümlichkeiten eine uns neuerdings zu-
gehende Erklärung des Herrn Abgeordneten aus einem
"gegenseitigen groben Mißverständnis" zwischen ihm und
dem Journalisten erklärt, mag beiseite bleiben, ebenso die
unwürdige Haltung eines großen Teiles der Zentrums-
presse die sich bei dieser Gelegenheit mit wenigen rühm-
lichen Ausnahmen völlig außerhalb der Solidarität der
Presse gestellt und eine schlotternde Abhängigkeit von der
möglichen Ungnade ihrer Parteigewaltigen geoffenbart
hat. Aber das muß noch gesagt werden, daß die wenig er-
sprießliche und wenig neidenswerte Situation, in welcher
der Deutsche Reichstag während der letzten Tage gearbeitet
hat -- die Stimmen des Auslandes geben von dem Maß
ihrer Unerfreulichkeit ein beredtes Zeugnis --, nicht eben
ein Ruhmesblatt für den Reichstagspräsidenten bildet.
Seine Schuld ist es im Grunde, daß ein verhältnismäßig
einfacher Konflikt, der mit einem einzigen Worte hätte ge-
löst werden können und gelöst werden müssen, so bedenklich
sich verwirrt und so tiefgreifende Folgen gehabt hat. Es
handelte sich um eine kleine und überdies noch immer nicht
ganz einwandfrei festgestellte Ungebühr eines einzigen
Reichstagsjournalisten -- die Bemerkung des Protokolls
bedarf unseres Erachtens immer noch der Klärung -- und
um eine ganz offenkundige grobe Ungebühr des Abgeord-
neten Gröber; die erstere ist vom Präsidenten zweimal
scharf gerügt worden, die letztere überhaupt nicht. Insofern
hat seine Amtsführung versagt und schließlich hat, wie es
scheint, der politische Druck der Mehrheitsparteien Platz
greifen müssen, wenn eine Lösung erzielt werden wollte.
Das war insofern in gewissem Sinne gerechtfertigt, als das
Zentrum mit dem Hinüberspielen der reinen Anstands- und
Ordnungsfrage auf das politische Gebiet vorangegangen
war. Aber unerfreulich ist und bleibt es doch, daß man
im Reichstag derartiger Mittel bedarf, um einen Konflikt
zu lösen, der irgend welche Parteiverhältnisse gar nicht
hätte berühren dürfen.

Im Anschluß daran ist noch zu erwähnen, daß die
Rheinisch-Westfälische Zeitung von der gesamten deutschen
Presse, soweit sie nicht dem Klerikalismus und seinen ver-
schiedenen Anhängseln dienstbar ist, eine Ausnahme-
[Spaltenumbruch] stellung
eingenommen hat. Das Blatt verlangte von
seinem Berliner Vertreter, daß dieser nach wie vor Bericht
und Stimmungsbild liefere, was dieser unter Hinweis auf
die Solidarität der Kollegen ablehnte. Darauf erhob es
einen flammenden Protest gegen die Einmischung der aus-
ländischen Pressevertreter in die Angelegenheiten der
Journalistentribüne des Deutschen Reichstags, der allge-
meines Kopfschütteln erregte; die Herren hatten nämlich
ihren deutschen Kollegen lediglich ihre Sympathie aus-
gedrückt und sich sonst in die Verhandlungen und Be-
ratungen mit keinem Worte eingemischt. Der Berliner
Vertreter der Rheinisch-Westfälischen Zeitung gab denn
auch in einer Journalistenversammlung seiner Ansicht dahin
Ausdruck, daß seine Zeitung in dieser Frage ungenau unter-
richtet sein müsse. Am Abend desselben Tages wurde der
Herr in brüsker Form telephonisch entlassen.

Ueber das 25 Pfennig-Stück

heißt es in der Begründung der soeben erschienenen Novelle
zum Münzgesetz,
daß der Reichstag am 13. November 1906
die Petition der Handelskammer zu Osnabrück auf Einführung
eines Fünfundzwanzigpfennigstücks dem Reichskanzler zur Er-
wägung überwiesen habe und daß seitdem aus den Kreisen so-
wohl der Industrie wie der Landwirtschaft in verstärktem Maße
der Wunsch nach Schaffung dieser Geldsorte laut geworden sei.
Dieser Wunsch werde damit begründet, daß eine solche Münz-
gattung wesentlich zu einer Vereinfachung des Zahlungswesens
namentlich im Kleinverkehr beitragen würde, da häufig Zahlun-
gen mit den Beträgen von 25 und 75 Pfg. vorkämen und in die-
sen Fällen das Fünfundzwanzigpfennigstück drei Nickelmünzen
ersetzen könne, mithin auch das weitläufige Umwechseln von
Münzen erübrige oder wenigstens erleichtere. Dann heißt es
weiter: Die Berechtigung eines solchen Wunsches dürfte
nach Beseitigung der Zwanzigpfennigstücke aus Silber und aus
Nickel anzuerkennen sein, die eine verhältnismäßig große,
namentlich im Kleinverkehr lästig empfundene Lücke zwischen dem
Zehn- und Fünfzigpfennigstücke hinterlassen hat und eine
größere Zahl von Nickelmünzen erheischt. Auch die in andern
Ländern gemachten Erfahrungen lassen erkennen, daß eine ent-
sprechende Zwischenmünze einem wirklichen Verkehrsbedürfnis
entspricht. Wenn gegen die Einführung eines Fünfundzwanzig-
pfennigstücks nach der Richtung Bedenken erhoben worden sind,
daß es geeignet sei, eine preiserhöhende Wirkung insofern
auszuüben, als der Entgelt für gewisse Waren und Leistungen
von 20 auf 25 Pfg. gesteigert werde, so möchten diese Bedenken
doch angesichts des unleugbaren Vorteils einer Vereinfachung
des Zahlungsverkehrs um so weniger eine ausschlaggebende Be-
deutung beanspruchen, als die Regelung der fraglichen Preise
den Interessenten überlassen werden kann, ohne daß erheblichere
Benachteiligungen des Publikums zu besorgen wären. Eine
solche Besorgnis erscheint auch um deswillen weniger begründet,
als bereits vor dem Erlasse des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873
in dem größten Teile Deutschlands Münzen von ähnlichem Wert-
betrage, wie das Zweiundeinhalbgroschenstück, in Geltung waren.
Auch in Frankreich hat man kein Bedenken getragen, von dem
Zwanzig- zu dem Fünfundzwanzigcentimesstück überzugehen.
Eine wichtige Vorbedingung für die Einführung eines Fünf-
undzwanzigpfennigstücks bildet die Schaffung einer zweckent-
sprechenden Form, die gerade bei den kleinen Scheidemünzen
von der größten Bedeutung ist. Die geringe Beliebtheit der
Zwanzigpfennigstücke aus Silber und aus Nickel beruhte wesent-
lich auf ihrer mangelhaften Gestaltung. Das silberne Zwanzig-
pfennigstück war zu klein und zu leicht (Durchmesser 16 Milli-
meter, Gewicht 1.1 Gramm), das Zwanzigpfennigstück aus Nickel
hatte ein wenig gefälliges Aussehen. Von besonderer Wichtig-
keit ist ferner die leichte Unterscheidbarkeit von den geltenden
Münzgattungen, damit nachteilige Verwechslungen vermieden
werden. Aus diesen Erwägungen wird ein Fündundzwanzig-
pfennigstück aus Silber nicht in Aussicht zu nehmen sein. Es bleibt
nur übrig, Nickel als das Prägemetall zu wählen. Der Vorgang
Oestereich-Ungarns, Frankreichs, Italiens und der Schweiz weist
auf Reinnickel hin. Dieses erfordert allerdings höhere Metall-
anschaffungskosten, gewährleistet aber dafür eine längere Halt-
barkeit des Gepräges. Auch würde ein aus Reinnickel hergestell-
tes Fünfundzwanzigpfennigstück wegen des abweichenden Aus-
sehens die Unterscheidung von dem Zehnpfennigstück und dem
Einmarkstück erleichtern. Da erstere Geldsorte bereits einen
Durchmesser von 21 Millimeter, letztere einen solchen von 24
Millimeter besitzt, so könnte für das Fünfundzwanzigpfennigstück
nur ein solcher von 22 oder 23 Millimeter ins Auge gefaßt wer-
den, wenn es zugleich vor einem mit der Doppelkrone gleichen
Durchmesser (221/2 Millimeter) bewahrt werden soll. Der Ent-
wurf bringt weiter in Vorschlag, dem Bundesrat auch die Er-
mächtigung zu erteilen, bei den in diesem Paragraphen bezeich-
neten Münzen die Jahreszahl und die Inschrift "Deutsches
Reich" auf der Adlerseite anbringen zu lassen. Hierdurch soll die
Möglichkeit geschaffen werden, nach Bedarf die Schriftseite zu
[Spaltenumbruch] entlasten, damit auf ihr die Wertangabe desto freier und deut-
licher in die außere Erscheinung treten kann. Eine solche An-
ordnung der Geprägsmerkmale würde insbesondere beim Fünf-
undzwanzigpfennigstücke dessen Erkennbarkeit erleichtern.

Der Herzog von Devonshire +.

* Wie schon gemeldet, ist der Herzog von Devon-
shire
in Cannes gestorben. Spencer Campton
Cavendish,
achter Herzog von Devonshire, bis zum
Tode seines Vaters 1891 unter dem Namen Lord Har-
tington
bekannt, hat ein Alter von 75 Jahren erreicht.
Er war ein bedeutender Politiker und spielte namentlich
auch durch die Gründung der Partei der liberalen Unio-
nisten eine Rolle. Als Haupt dieser Partei bekämpfte er
die Gladstonesche Home-Rule-Politik und beantragte selbst
die Verwerfung der Gladstoneschen Bill. Nach dem Tode
seines Vaters trat er als Herzog von Devonshire in das
Oberhaus ein. Der Herzog von Devonshire war eine wegen
seiner persönlichen Vorzüge auch von den politischen Gegnern
geachtete Persönlichkeit. Er ist überdies auch bekannt als
einer der reichsten Grund- und Bergwerksbesitzer Englands
Seinen schönsten Schatz bildete eine herrliche Bildergalerie,
die nun mit den übrigen Besitztümern zusammen auf den
Erben des Verstorbenen, den Night Honourable Vikto-
Cavendish, übergeht.



Politische Nachrichten.
Zum Fall Schnitzer.

Die Meldungen einer unmittel-
bar bevorstehenden oder bereits erfolgten Erledigung des
Falles Schnitzer sind falsch. Professor Schnitzer ist
bekanntlich im Urlaub und wird voraussichtlich um Ver-
längerung dieses Urlaubs über das Sommersemester bitten.
Unter diesen Umständen ist der Fortgang der Angelegenheit
natürlich gehemmt und was über die mutmaßliche Art der
Entscheidung gesagt wird, ist mehr oder minder haltloses
Gerede.

Der Eindruck der Rede des Reichskanzlers im Auslande.

(Privattelegramm.)
Diesmal hat Fürst Bülow keine gute Presse in England. Die
ministeriellen Organe sind durch die Kritik des englischen
Programms für Mazedonien verstimmt
und die
konservativen Zeitungen lehnen die Erklärung über den Tweed-
mouthschen Brief ab. Der konservative Standard schreibt: Viel-
leicht wären wir geneigt, die Beteuerung des Fürsten Bülow,
daß Deutschland nur freundliche und friedliche Absichten gegen-
über England hege, zu akzeptieren, wenn wir nicht wüßten, daß
Deutschland durch gewisse Handlungen seine Absichten verraten
hat, eine Angriffspolitik zu betreiben. Es wäre unsrerseits
töricht, die Möglichkeit einer solchen Aggressive zu ignorieren.
Der liberale Daily Chronicle verurteilt nochmals den Brief des
Kaisers an Lord Tweedmouth und bedauert die Art und Weise,
wie der Reichskanzler die mazedonischen Vorschläge der englischen
Regierung kritisierte.

Die liberale Daily News billigt Fürst Bülows Aeußerungen
über die Angelegenheit der Korrespondenz des Kaisers mit Lord
Tweedmouth aufs wärmste. Das ministerielle Blatt erklärt, daß
er sich gar nicht besser hätte ausdrücken können. Was er über den
deutschen Flottenbau sagte, sei durchaus billig gewesen.
Warum solle man immer die englischen Motive für den Bau einer
dreimal stärkeren Flotte für tadellos und ehrenhaft halten und
die deutschen für finster.

Ueber die Reden des Reichskanzlers
Fürsten Bülow und des Staatssekretärs v. Schoen schreibt der
Figaro: Wir beglückwünschen uns zu dem erfreulichen Zu-
sammentreffen, daß der Reichskanzler Fürst Bülow und Staats-
sekretär v. Schoen gerade in dem Augenblick das Wort ergriffen
haben, wo sich die französische Kammer anschickt, über die
Marokkokredite zu verhandeln. Die amtlichen Berliner
Redner haben im voraus jenen französischen Deputierten ge-
antwortet, die allzu beunruhigt und spitzfindig immer zu einem
Konflikt Frankreichs mit Deutschland führen
möchten. Die Sitzung des Reichstages beweist, daß unsere Ehr-
lichkeit und Aufrichtigkeit anerkannt wird. Wir werden alle
unsere Rechte verteidigen, indem wir dabei die übernommenen
Verpflichtungen respektieren und das Vertrauen Europas recht-
fertigen.

(Weitere Nachrichten siehe Seite 6.)


[Spaltenumbruch]
Heimliche Liebe.
(37)

(Nachdruck verboten.)

Hanna war mit der Bereitung des Tees beschäftigt,
achtete aber auf jedes Wort, das er sprach; sie hatte einen
nachdenklichen Zug im Gesicht, nicht unfreundlich, aber ein
wenig müde und versonnen.

Georg beobachtete sie noch immer.

"Was sagst du eigentlich zu der Geschichte von gestern
abend?" fragte er endlich gerade heraus, ohne seine Stellung
zu verändern.

Hanna hielt einen Augenblick inne und sah auf.

"Was soll ich dazu sagen? Ich wollte, es wäre nicht
geschehen; das ist eigentlich alles. ... Im ersten Augen-
blick, als du anfingst zu sprechen, erschrak ich und glaubte,
ich müßte es um jeden Preis verhindern. Aber dann war
es ja schon zu spät. Ich sah nur immer starr auf dich und
war nicht einmal imstande, mich zu rühren. Und dann,
als du immer weiter sprachst, fing ich an, dich zu bemit-
leiden und zu bedauern." ...

"Zu bedauern? Wieso? ... Das ist seltsam! ... Du
-- du mußtest doch ungehalten sein und dich meiner
schämen? ... Das verstehe ich wirklich nicht."

Seine Fragen hatten etwas rein Objektives, als spräche
er nicht von sich, sondern von einem anderen.

"Du sprachst so hilflos, so -- verzweifelt, trotz deines
Zornes und deiner Entrüstung."

"Ich hatte zu viel getrunken, Hanna. Das sahst du
doch wohl?"

"Gewiß. Aber das war es nicht allein. Du sprachst
wie ein Kind, das ein Unrecht begangen hat und nun an-
fängt, sich zu verteidigen, noch ehe man ihm überhaupt
einen Vorwurf daraus gemacht hat. Ich bin überzeugt, ein
großer Teil der Gäste wußte nicht einmal, wovon du
sprachst. ... Nun wird es ja wohl für keinen mehr ein
Geheimnis sein -- auch für die nicht, die uns ferner stehen"
-- sie machte eine Pause und fügte dann hinzu: "Armer
Georg! Ich dachte nicht, daß es so schnell gehen würde!"

Georg hatte sich plötzlich erhoben und war an das
Fenster getreten. Von dort aus sprach er zu ihr:

[Spaltenumbruch]

"Sage, Hanna: wir müssen uns einmal ganz klar
werden über das, was eigentlich geschehen ist vor zwei
Jahren, und was wir "unsere Schuld" nennen. Je mehr
Zeit darüber hingegangen ist, desto weniger begreife ich
jetzt, weshalb wir das Ganze so -- tragisch genommen
haben. Ich kann mir nicht denken, daß mein Gewissen sich
mit der Zeit so völlig abgestumpft haben sollte; wenigstens
wäre es traurig, das denken zu müssen."

"Wir haben ja oft und viel darüber gesprochen,
Georg."

"Jawohl. Aber niemals mit der Ruhe und -- Ob-
jektivität, die ich gerade heute in mir finde. Also: ich
komme nach jahrelanger Abwesenheit in die Heimat zurück
und finde dich als Gattin meines Jugendfreundes wieder.
Ich sehe dich und fühle schon nach den ersten Augenblicken
des Wiedersehens, daß ich dich -- liebe. Ich sage dir das,
und du bist ehrlich genug, deine Gegenliebe nicht zu leug-
nen. ... Wir versuchen, gegen diese Liebe anzukämpfen,
und: ein flüchtig hingehauchter Kuß, ein Händedruck, ein
paar hastig geflüsterte Liebesworte in den Wochen, die nun
folgen -- das ist das Unrecht, das wir an Rudolf Warnow
begehen. ... Der unglückselige Zufall will es, daß du
krank wirst und in deinen Fieberphantasien von unserer
-- heimlichen Liebe sprichst. ... Rudolf ahnt, begreift und
-- kommt zu mir. Er ist ein Mensch mit einem großen,
edlen Herzen. Er versucht mit mir darüber zu sprechen,
kommt aber zu keinem Schluß. Er reicht mir noch einmal
seine Hand und geht hin, um -- zu sterben. ... Das ge-
schah vor zwei Jahren. ... Das war unser Unrecht Rudolf
Warnow gegenüber. ... Heute bist du meine Frau, und
wir sprechen davon, daß wir "schuldig" seien; wir glauben,
daß alle Welt um diese unsere Schuld wissen müsse und uns
in Acht und Bann getan habe. ... Ist es so, Hanna?"

Er kam zurück und setzte sich wieder.

"Ja. So ist es."

Sie hatte sich zurückgelehnt, hatte die Hände gefaltet
und klopfte mit den beiden ausgestreckten Zeigefingern
gegen die Kante des Tisches; es lag etwas Starres und
Hoffnungsloses in ihrer ganzen Haltung und in dem
kurzen, einförmigen Klopfen.

"Eine -- unverzeihliche Schuld?"

Sie nickte nur.

.. "An der wir zugrunde gehen werden?"

[Spaltenumbruch]

"Ja. Gestern begann die Vergeltung."

"Erst gestern?"

"Ich spreche von dem -- Richteramt, das die Welt sich
anmaßt über uns. Was wir selber denken und empfinden
oder auch schon hinter uns haben, das kommt ja nicht in
Betracht dabei."

Ein Hoffnungsschimmer stieg bei den letzten Worten
Hannas in Georg auf.

"Das die Welt sich -- anmaßt, sagst du? Also die
Leute um uns her? Was gehen sie uns an? ... Wir
werden ihre Gesellschaft meiden und hinauswandern in die
weite Welt. ... Wir werden Helldorf und die Heimat
verlassen; wenn es sein muß, für immer." ...

Hanna lächelte wehmütig.

"Mein armer, lieber Freund! Weißt du nicht, daß
das unmöglich ist?"

"Du hast es selbst gesagt -- im Herbst, als wir zurück-
kamen von unserer Reise und dir alles hier so still und
traurig erschien." ...

"Jawohl. Damals brachte es die Stimmung mit sich
und der Rest von Hoffnung, der noch in mir war; in-
zwischen habe ich auch diesen verloren. ... Wir sind ja
so festgewachsen -- mit allen Wurzeln unseres Daseins an
dieses Land gebunden -- und so sonderbar es klingen mag:
auch an diese Menschen." ... Sie schwieg einen Augenblick
und fuhr dann leiser fort, während eine leichte Röte der
Verlegenheit über ihr Gesicht huschte: "Es gibt aber dann
noch etwas anderes, woran du bisher noch nicht gedacht
hast ... ich meine ... das Gut und der Name Helldorf
selbst ... noch ist kein Erbe dafür vorhanden ... aber --
wenn dir nun eines Tages ein -- Sohn geboren würde" ...

"Hanna!" ...

Georg sprang auf und trat zu ihr; im Augenblicke
hatten sich sein Gesicht, seine Bewegungen, sein ganzes
Aeußeres verändert.

Wehmütig lächelnd wehrte sie ab, während sie noch ver-
legener, zugleich aber auch traurig wurde:

"O, mein armer, lieber Georg! Daß ich dir in einer
solchen Stunde und in einer solchen Stimmung dieses Ge-
ständnis machen muß!" ...

Sie hatte den Kopf vornüber gebeugt, um die Tränen
zu verbergen. Aber schon im nächsten Augenblick kniete er
neben ihr, faltete ihre Hände und drückte seine Lippen dar-

München, Donnerstag Allgemeine Zeitung 26. März 1908. Nr. 142.
[Spaltenumbruch] treffen, die ihm einen Teil der erworbenen Grubenfelder
koſtenlos zuſichern; er wird ſich mit dieſem in die Kohlen-
ſchätze Bayerns teilen. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß
etwas derartiges ſeitens des Staatsärars mit der Inter-
nationalen Bohrgeſellſchaft beabſichtigt iſt. Vielleicht tritt
dem Abkommen auch noch eine bayeriſche Geſellſchaft bei,
denn ſchließlich muß doch jemand dabei ſein, der die Koſten
der Bohrungen bezahlt. Wird bei den Verſuchsbohrungen
ein Erfolg nicht erzielt, ſo hört die Sache einfach auf. Das
Geſetz der Anſchlußmutung, das die freie Entwicklung des
privaten Bergbaues hindert, aber bleibt beſtehen.

Bei der Beratung des Geſetzentwurfes in der Abgeord-
netenkammer iſt wiederholt betont worden, daß der baye-
riſche Staat noch nicht reif ſei, ſelbſt einen großen Bergbau
auf Kohlen ins Leben zu rufen, wenigſtens nicht in kurzer
Zeit. Noch mehr iſt jedoch die Notwendigkeit hervorgehoben
worden, für das bayeriſche Volk und ſeine Induſtrie bil-
lige Kohlen im eigenen Lande zu beſchaffen, damit Bayern
nicht vom Ausland abhängig bleibt. Soll das in abſeh-
barer Zeit erreicht werden, ſo wird es nur durch eine raſche
Entwicklung des Privatbergbaues möglich ſein.

Man hofft daher in induſtriellen Kreiſen Bayerns,
daß ſich die Kammer der Reichsräte der Erkennt-
nis, daß das Geſetz der Anſchlußmutung ein Fehlgriff iſt,
nicht verſchließen wird.



Politiſche Rundſchau.
Friede im Reichstag.

Die Erklärung des Abg. Gröber, auf Grund deren die
Reichstagsjournaliſten morgen ihre Arbeit wieder auf-
nehmen, iſt unſeres Erachtens nicht ganz befriedigend, und
wenn ſie trotzdem als Friedensgrundlage akzeptiert worden
iſt, ſo zeigt das, wie fern die Reichstagsjournaliſten von
jeder Ueberſpannung ihrer Forderungen geweſen ſind. Län-
gere Epiloge zu dieſer eigenartigen Tragikomödie wird
man ſich gern erſparen, aber einige kurze Bemerkungen
drängen ſich noch auf. Der Zwiſchenfall Müller-Meinin-
gen, deſſen Eigentümlichkeiten eine uns neuerdings zu-
gehende Erklärung des Herrn Abgeordneten aus einem
„gegenſeitigen groben Mißverſtändnis“ zwiſchen ihm und
dem Journaliſten erklärt, mag beiſeite bleiben, ebenſo die
unwürdige Haltung eines großen Teiles der Zentrums-
preſſe die ſich bei dieſer Gelegenheit mit wenigen rühm-
lichen Ausnahmen völlig außerhalb der Solidarität der
Preſſe geſtellt und eine ſchlotternde Abhängigkeit von der
möglichen Ungnade ihrer Parteigewaltigen geoffenbart
hat. Aber das muß noch geſagt werden, daß die wenig er-
ſprießliche und wenig neidenswerte Situation, in welcher
der Deutſche Reichstag während der letzten Tage gearbeitet
hat — die Stimmen des Auslandes geben von dem Maß
ihrer Unerfreulichkeit ein beredtes Zeugnis —, nicht eben
ein Ruhmesblatt für den Reichstagspräſidenten bildet.
Seine Schuld iſt es im Grunde, daß ein verhältnismäßig
einfacher Konflikt, der mit einem einzigen Worte hätte ge-
löſt werden können und gelöſt werden müſſen, ſo bedenklich
ſich verwirrt und ſo tiefgreifende Folgen gehabt hat. Es
handelte ſich um eine kleine und überdies noch immer nicht
ganz einwandfrei feſtgeſtellte Ungebühr eines einzigen
Reichstagsjournaliſten — die Bemerkung des Protokolls
bedarf unſeres Erachtens immer noch der Klärung — und
um eine ganz offenkundige grobe Ungebühr des Abgeord-
neten Gröber; die erſtere iſt vom Präſidenten zweimal
ſcharf gerügt worden, die letztere überhaupt nicht. Inſofern
hat ſeine Amtsführung verſagt und ſchließlich hat, wie es
ſcheint, der politiſche Druck der Mehrheitsparteien Platz
greifen müſſen, wenn eine Löſung erzielt werden wollte.
Das war inſofern in gewiſſem Sinne gerechtfertigt, als das
Zentrum mit dem Hinüberſpielen der reinen Anſtands- und
Ordnungsfrage auf das politiſche Gebiet vorangegangen
war. Aber unerfreulich iſt und bleibt es doch, daß man
im Reichstag derartiger Mittel bedarf, um einen Konflikt
zu löſen, der irgend welche Parteiverhältniſſe gar nicht
hätte berühren dürfen.

Im Anſchluß daran iſt noch zu erwähnen, daß die
Rheiniſch-Weſtfäliſche Zeitung von der geſamten deutſchen
Preſſe, ſoweit ſie nicht dem Klerikalismus und ſeinen ver-
ſchiedenen Anhängſeln dienſtbar iſt, eine Ausnahme-
[Spaltenumbruch] ſtellung
eingenommen hat. Das Blatt verlangte von
ſeinem Berliner Vertreter, daß dieſer nach wie vor Bericht
und Stimmungsbild liefere, was dieſer unter Hinweis auf
die Solidarität der Kollegen ablehnte. Darauf erhob es
einen flammenden Proteſt gegen die Einmiſchung der aus-
ländiſchen Preſſevertreter in die Angelegenheiten der
Journaliſtentribüne des Deutſchen Reichstags, der allge-
meines Kopfſchütteln erregte; die Herren hatten nämlich
ihren deutſchen Kollegen lediglich ihre Sympathie aus-
gedrückt und ſich ſonſt in die Verhandlungen und Be-
ratungen mit keinem Worte eingemiſcht. Der Berliner
Vertreter der Rheiniſch-Weſtfäliſchen Zeitung gab denn
auch in einer Journaliſtenverſammlung ſeiner Anſicht dahin
Ausdruck, daß ſeine Zeitung in dieſer Frage ungenau unter-
richtet ſein müſſe. Am Abend desſelben Tages wurde der
Herr in brüsker Form telephoniſch entlaſſen.

Ueber das 25 Pfennig-Stück

heißt es in der Begründung der ſoeben erſchienenen Novelle
zum Münzgeſetz,
daß der Reichstag am 13. November 1906
die Petition der Handelskammer zu Osnabrück auf Einführung
eines Fünfundzwanzigpfennigſtücks dem Reichskanzler zur Er-
wägung überwieſen habe und daß ſeitdem aus den Kreiſen ſo-
wohl der Induſtrie wie der Landwirtſchaft in verſtärktem Maße
der Wunſch nach Schaffung dieſer Geldſorte laut geworden ſei.
Dieſer Wunſch werde damit begründet, daß eine ſolche Münz-
gattung weſentlich zu einer Vereinfachung des Zahlungsweſens
namentlich im Kleinverkehr beitragen würde, da häufig Zahlun-
gen mit den Beträgen von 25 und 75 Pfg. vorkämen und in die-
ſen Fällen das Fünfundzwanzigpfennigſtück drei Nickelmünzen
erſetzen könne, mithin auch das weitläufige Umwechſeln von
Münzen erübrige oder wenigſtens erleichtere. Dann heißt es
weiter: Die Berechtigung eines ſolchen Wunſches dürfte
nach Beſeitigung der Zwanzigpfennigſtücke aus Silber und aus
Nickel anzuerkennen ſein, die eine verhältnismäßig große,
namentlich im Kleinverkehr läſtig empfundene Lücke zwiſchen dem
Zehn- und Fünfzigpfennigſtücke hinterlaſſen hat und eine
größere Zahl von Nickelmünzen erheiſcht. Auch die in andern
Ländern gemachten Erfahrungen laſſen erkennen, daß eine ent-
ſprechende Zwiſchenmünze einem wirklichen Verkehrsbedürfnis
entſpricht. Wenn gegen die Einführung eines Fünfundzwanzig-
pfennigſtücks nach der Richtung Bedenken erhoben worden ſind,
daß es geeignet ſei, eine preiserhöhende Wirkung inſofern
auszuüben, als der Entgelt für gewiſſe Waren und Leiſtungen
von 20 auf 25 Pfg. geſteigert werde, ſo möchten dieſe Bedenken
doch angeſichts des unleugbaren Vorteils einer Vereinfachung
des Zahlungsverkehrs um ſo weniger eine ausſchlaggebende Be-
deutung beanſpruchen, als die Regelung der fraglichen Preiſe
den Intereſſenten überlaſſen werden kann, ohne daß erheblichere
Benachteiligungen des Publikums zu beſorgen wären. Eine
ſolche Beſorgnis erſcheint auch um deswillen weniger begründet,
als bereits vor dem Erlaſſe des Münzgeſetzes vom 9. Juli 1873
in dem größten Teile Deutſchlands Münzen von ähnlichem Wert-
betrage, wie das Zweiundeinhalbgroſchenſtück, in Geltung waren.
Auch in Frankreich hat man kein Bedenken getragen, von dem
Zwanzig- zu dem Fünfundzwanzigcentimesſtück überzugehen.
Eine wichtige Vorbedingung für die Einführung eines Fünf-
undzwanzigpfennigſtücks bildet die Schaffung einer zweckent-
ſprechenden Form, die gerade bei den kleinen Scheidemünzen
von der größten Bedeutung iſt. Die geringe Beliebtheit der
Zwanzigpfennigſtücke aus Silber und aus Nickel beruhte weſent-
lich auf ihrer mangelhaften Geſtaltung. Das ſilberne Zwanzig-
pfennigſtück war zu klein und zu leicht (Durchmeſſer 16 Milli-
meter, Gewicht 1.1 Gramm), das Zwanzigpfennigſtück aus Nickel
hatte ein wenig gefälliges Ausſehen. Von beſonderer Wichtig-
keit iſt ferner die leichte Unterſcheidbarkeit von den geltenden
Münzgattungen, damit nachteilige Verwechslungen vermieden
werden. Aus dieſen Erwägungen wird ein Fündundzwanzig-
pfennigſtück aus Silber nicht in Ausſicht zu nehmen ſein. Es bleibt
nur übrig, Nickel als das Prägemetall zu wählen. Der Vorgang
Oeſtereich-Ungarns, Frankreichs, Italiens und der Schweiz weiſt
auf Reinnickel hin. Dieſes erfordert allerdings höhere Metall-
anſchaffungskoſten, gewährleiſtet aber dafür eine längere Halt-
barkeit des Gepräges. Auch würde ein aus Reinnickel hergeſtell-
tes Fünfundzwanzigpfennigſtück wegen des abweichenden Aus-
ſehens die Unterſcheidung von dem Zehnpfennigſtück und dem
Einmarkſtück erleichtern. Da erſtere Geldſorte bereits einen
Durchmeſſer von 21 Millimeter, letztere einen ſolchen von 24
Millimeter beſitzt, ſo könnte für das Fünfundzwanzigpfennigſtück
nur ein ſolcher von 22 oder 23 Millimeter ins Auge gefaßt wer-
den, wenn es zugleich vor einem mit der Doppelkrone gleichen
Durchmeſſer (22½ Millimeter) bewahrt werden ſoll. Der Ent-
wurf bringt weiter in Vorſchlag, dem Bundesrat auch die Er-
mächtigung zu erteilen, bei den in dieſem Paragraphen bezeich-
neten Münzen die Jahreszahl und die Inſchrift „Deutſches
Reich“ auf der Adlerſeite anbringen zu laſſen. Hierdurch ſoll die
Möglichkeit geſchaffen werden, nach Bedarf die Schriftſeite zu
[Spaltenumbruch] entlaſten, damit auf ihr die Wertangabe deſto freier und deut-
licher in die außere Erſcheinung treten kann. Eine ſolche An-
ordnung der Geprägsmerkmale würde insbeſondere beim Fünf-
undzwanzigpfennigſtücke deſſen Erkennbarkeit erleichtern.

Der Herzog von Devonſhire †.

* Wie ſchon gemeldet, iſt der Herzog von Devon-
ſhire
in Cannes geſtorben. Spencer Campton
Cavendiſh,
achter Herzog von Devonſhire, bis zum
Tode ſeines Vaters 1891 unter dem Namen Lord Har-
tington
bekannt, hat ein Alter von 75 Jahren erreicht.
Er war ein bedeutender Politiker und ſpielte namentlich
auch durch die Gründung der Partei der liberalen Unio-
niſten eine Rolle. Als Haupt dieſer Partei bekämpfte er
die Gladſtoneſche Home-Rule-Politik und beantragte ſelbſt
die Verwerfung der Gladſtoneſchen Bill. Nach dem Tode
ſeines Vaters trat er als Herzog von Devonſhire in das
Oberhaus ein. Der Herzog von Devonſhire war eine wegen
ſeiner perſönlichen Vorzüge auch von den politiſchen Gegnern
geachtete Perſönlichkeit. Er iſt überdies auch bekannt als
einer der reichſten Grund- und Bergwerksbeſitzer Englands
Seinen ſchönſten Schatz bildete eine herrliche Bildergalerie,
die nun mit den übrigen Beſitztümern zuſammen auf den
Erben des Verſtorbenen, den Night Honourable Vikto-
Cavendiſh, übergeht.



Politiſche Nachrichten.
Zum Fall Schnitzer.

Die Meldungen einer unmittel-
bar bevorſtehenden oder bereits erfolgten Erledigung des
Falles Schnitzer ſind falſch. Profeſſor Schnitzer iſt
bekanntlich im Urlaub und wird vorausſichtlich um Ver-
längerung dieſes Urlaubs über das Sommerſemeſter bitten.
Unter dieſen Umſtänden iſt der Fortgang der Angelegenheit
natürlich gehemmt und was über die mutmaßliche Art der
Entſcheidung geſagt wird, iſt mehr oder minder haltloſes
Gerede.

Der Eindruck der Rede des Reichskanzlers im Auslande.

(Privattelegramm.)
Diesmal hat Fürſt Bülow keine gute Preſſe in England. Die
miniſteriellen Organe ſind durch die Kritik des engliſchen
Programms für Mazedonien verſtimmt
und die
konſervativen Zeitungen lehnen die Erklärung über den Tweed-
mouthſchen Brief ab. Der konſervative Standard ſchreibt: Viel-
leicht wären wir geneigt, die Beteuerung des Fürſten Bülow,
daß Deutſchland nur freundliche und friedliche Abſichten gegen-
über England hege, zu akzeptieren, wenn wir nicht wüßten, daß
Deutſchland durch gewiſſe Handlungen ſeine Abſichten verraten
hat, eine Angriffspolitik zu betreiben. Es wäre unſrerſeits
töricht, die Möglichkeit einer ſolchen Aggreſſive zu ignorieren.
Der liberale Daily Chronicle verurteilt nochmals den Brief des
Kaiſers an Lord Tweedmouth und bedauert die Art und Weiſe,
wie der Reichskanzler die mazedoniſchen Vorſchläge der engliſchen
Regierung kritiſierte.

Die liberale Daily News billigt Fürſt Bülows Aeußerungen
über die Angelegenheit der Korreſpondenz des Kaiſers mit Lord
Tweedmouth aufs wärmſte. Das miniſterielle Blatt erklärt, daß
er ſich gar nicht beſſer hätte ausdrücken können. Was er über den
deutſchen Flottenbau ſagte, ſei durchaus billig geweſen.
Warum ſolle man immer die engliſchen Motive für den Bau einer
dreimal ſtärkeren Flotte für tadellos und ehrenhaft halten und
die deutſchen für finſter.

Ueber die Reden des Reichskanzlers
Fürſten Bülow und des Staatsſekretärs v. Schoen ſchreibt der
Figaro: Wir beglückwünſchen uns zu dem erfreulichen Zu-
ſammentreffen, daß der Reichskanzler Fürſt Bülow und Staats-
ſekretär v. Schoen gerade in dem Augenblick das Wort ergriffen
haben, wo ſich die franzöſiſche Kammer anſchickt, über die
Marokkokredite zu verhandeln. Die amtlichen Berliner
Redner haben im voraus jenen franzöſiſchen Deputierten ge-
antwortet, die allzu beunruhigt und ſpitzfindig immer zu einem
Konflikt Frankreichs mit Deutſchland führen
möchten. Die Sitzung des Reichstages beweiſt, daß unſere Ehr-
lichkeit und Aufrichtigkeit anerkannt wird. Wir werden alle
unſere Rechte verteidigen, indem wir dabei die übernommenen
Verpflichtungen reſpektieren und das Vertrauen Europas recht-
fertigen.

(Weitere Nachrichten ſiehe Seite 6.)


[Spaltenumbruch]
Heimliche Liebe.
(37)

(Nachdruck verboten.)

Hanna war mit der Bereitung des Tees beſchäftigt,
achtete aber auf jedes Wort, das er ſprach; ſie hatte einen
nachdenklichen Zug im Geſicht, nicht unfreundlich, aber ein
wenig müde und verſonnen.

Georg beobachtete ſie noch immer.

„Was ſagſt du eigentlich zu der Geſchichte von geſtern
abend?“ fragte er endlich gerade heraus, ohne ſeine Stellung
zu verändern.

Hanna hielt einen Augenblick inne und ſah auf.

„Was ſoll ich dazu ſagen? Ich wollte, es wäre nicht
geſchehen; das iſt eigentlich alles. ... Im erſten Augen-
blick, als du anfingſt zu ſprechen, erſchrak ich und glaubte,
ich müßte es um jeden Preis verhindern. Aber dann war
es ja ſchon zu ſpät. Ich ſah nur immer ſtarr auf dich und
war nicht einmal imſtande, mich zu rühren. Und dann,
als du immer weiter ſprachſt, fing ich an, dich zu bemit-
leiden und zu bedauern.“ ...

„Zu bedauern? Wieſo? ... Das iſt ſeltſam! ... Du
— du mußteſt doch ungehalten ſein und dich meiner
ſchämen? ... Das verſtehe ich wirklich nicht.“

Seine Fragen hatten etwas rein Objektives, als ſpräche
er nicht von ſich, ſondern von einem anderen.

„Du ſprachſt ſo hilflos, ſo — verzweifelt, trotz deines
Zornes und deiner Entrüſtung.“

„Ich hatte zu viel getrunken, Hanna. Das ſahſt du
doch wohl?“

„Gewiß. Aber das war es nicht allein. Du ſprachſt
wie ein Kind, das ein Unrecht begangen hat und nun an-
fängt, ſich zu verteidigen, noch ehe man ihm überhaupt
einen Vorwurf daraus gemacht hat. Ich bin überzeugt, ein
großer Teil der Gäſte wußte nicht einmal, wovon du
ſprachſt. ... Nun wird es ja wohl für keinen mehr ein
Geheimnis ſein — auch für die nicht, die uns ferner ſtehen“
— ſie machte eine Pauſe und fügte dann hinzu: „Armer
Georg! Ich dachte nicht, daß es ſo ſchnell gehen würde!“

Georg hatte ſich plötzlich erhoben und war an das
Fenſter getreten. Von dort aus ſprach er zu ihr:

[Spaltenumbruch]

„Sage, Hanna: wir müſſen uns einmal ganz klar
werden über das, was eigentlich geſchehen iſt vor zwei
Jahren, und was wir „unſere Schuld“ nennen. Je mehr
Zeit darüber hingegangen iſt, deſto weniger begreife ich
jetzt, weshalb wir das Ganze ſo — tragiſch genommen
haben. Ich kann mir nicht denken, daß mein Gewiſſen ſich
mit der Zeit ſo völlig abgeſtumpft haben ſollte; wenigſtens
wäre es traurig, das denken zu müſſen.“

„Wir haben ja oft und viel darüber geſprochen,
Georg.“

„Jawohl. Aber niemals mit der Ruhe und — Ob-
jektivität, die ich gerade heute in mir finde. Alſo: ich
komme nach jahrelanger Abweſenheit in die Heimat zurück
und finde dich als Gattin meines Jugendfreundes wieder.
Ich ſehe dich und fühle ſchon nach den erſten Augenblicken
des Wiederſehens, daß ich dich — liebe. Ich ſage dir das,
und du biſt ehrlich genug, deine Gegenliebe nicht zu leug-
nen. ... Wir verſuchen, gegen dieſe Liebe anzukämpfen,
und: ein flüchtig hingehauchter Kuß, ein Händedruck, ein
paar haſtig geflüſterte Liebesworte in den Wochen, die nun
folgen — das iſt das Unrecht, das wir an Rudolf Warnow
begehen. ... Der unglückſelige Zufall will es, daß du
krank wirſt und in deinen Fieberphantaſien von unſerer
— heimlichen Liebe ſprichſt. ... Rudolf ahnt, begreift und
— kommt zu mir. Er iſt ein Menſch mit einem großen,
edlen Herzen. Er verſucht mit mir darüber zu ſprechen,
kommt aber zu keinem Schluß. Er reicht mir noch einmal
ſeine Hand und geht hin, um — zu ſterben. ... Das ge-
ſchah vor zwei Jahren. ... Das war unſer Unrecht Rudolf
Warnow gegenüber. ... Heute biſt du meine Frau, und
wir ſprechen davon, daß wir „ſchuldig“ ſeien; wir glauben,
daß alle Welt um dieſe unſere Schuld wiſſen müſſe und uns
in Acht und Bann getan habe. ... Iſt es ſo, Hanna?“

Er kam zurück und ſetzte ſich wieder.

„Ja. So iſt es.“

Sie hatte ſich zurückgelehnt, hatte die Hände gefaltet
und klopfte mit den beiden ausgeſtreckten Zeigefingern
gegen die Kante des Tiſches; es lag etwas Starres und
Hoffnungsloſes in ihrer ganzen Haltung und in dem
kurzen, einförmigen Klopfen.

„Eine — unverzeihliche Schuld?“

Sie nickte nur.

.. „An der wir zugrunde gehen werden?“

[Spaltenumbruch]

„Ja. Geſtern begann die Vergeltung.“

„Erſt geſtern?“

„Ich ſpreche von dem — Richteramt, das die Welt ſich
anmaßt über uns. Was wir ſelber denken und empfinden
oder auch ſchon hinter uns haben, das kommt ja nicht in
Betracht dabei.“

Ein Hoffnungsſchimmer ſtieg bei den letzten Worten
Hannas in Georg auf.

„Das die Welt ſich — anmaßt, ſagſt du? Alſo die
Leute um uns her? Was gehen ſie uns an? ... Wir
werden ihre Geſellſchaft meiden und hinauswandern in die
weite Welt. ... Wir werden Helldorf und die Heimat
verlaſſen; wenn es ſein muß, für immer.“ ...

Hanna lächelte wehmütig.

„Mein armer, lieber Freund! Weißt du nicht, daß
das unmöglich iſt?“

„Du haſt es ſelbſt geſagt — im Herbſt, als wir zurück-
kamen von unſerer Reiſe und dir alles hier ſo ſtill und
traurig erſchien.“ ...

„Jawohl. Damals brachte es die Stimmung mit ſich
und der Reſt von Hoffnung, der noch in mir war; in-
zwiſchen habe ich auch dieſen verloren. ... Wir ſind ja
ſo feſtgewachſen — mit allen Wurzeln unſeres Daſeins an
dieſes Land gebunden — und ſo ſonderbar es klingen mag:
auch an dieſe Menſchen.“ ... Sie ſchwieg einen Augenblick
und fuhr dann leiſer fort, während eine leichte Röte der
Verlegenheit über ihr Geſicht huſchte: „Es gibt aber dann
noch etwas anderes, woran du bisher noch nicht gedacht
haſt ... ich meine ... das Gut und der Name Helldorf
ſelbſt ... noch iſt kein Erbe dafür vorhanden ... aber —
wenn dir nun eines Tages ein — Sohn geboren würde“ ...

„Hanna!“ ...

Georg ſprang auf und trat zu ihr; im Augenblicke
hatten ſich ſein Geſicht, ſeine Bewegungen, ſein ganzes
Aeußeres verändert.

Wehmütig lächelnd wehrte ſie ab, während ſie noch ver-
legener, zugleich aber auch traurig wurde:

„O, mein armer, lieber Georg! Daß ich dir in einer
ſolchen Stunde und in einer ſolchen Stimmung dieſes Ge-
ſtändnis machen muß!“ ...

Sie hatte den Kopf vornüber gebeugt, um die Tränen
zu verbergen. Aber ſchon im nächſten Augenblick kniete er
neben ihr, faltete ihre Hände und drückte ſeine Lippen dar-

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[2/0002] München, Donnerstag Allgemeine Zeitung 26. März 1908. Nr. 142. treffen, die ihm einen Teil der erworbenen Grubenfelder koſtenlos zuſichern; er wird ſich mit dieſem in die Kohlen- ſchätze Bayerns teilen. Es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß etwas derartiges ſeitens des Staatsärars mit der Inter- nationalen Bohrgeſellſchaft beabſichtigt iſt. Vielleicht tritt dem Abkommen auch noch eine bayeriſche Geſellſchaft bei, denn ſchließlich muß doch jemand dabei ſein, der die Koſten der Bohrungen bezahlt. Wird bei den Verſuchsbohrungen ein Erfolg nicht erzielt, ſo hört die Sache einfach auf. Das Geſetz der Anſchlußmutung, das die freie Entwicklung des privaten Bergbaues hindert, aber bleibt beſtehen. Bei der Beratung des Geſetzentwurfes in der Abgeord- netenkammer iſt wiederholt betont worden, daß der baye- riſche Staat noch nicht reif ſei, ſelbſt einen großen Bergbau auf Kohlen ins Leben zu rufen, wenigſtens nicht in kurzer Zeit. Noch mehr iſt jedoch die Notwendigkeit hervorgehoben worden, für das bayeriſche Volk und ſeine Induſtrie bil- lige Kohlen im eigenen Lande zu beſchaffen, damit Bayern nicht vom Ausland abhängig bleibt. Soll das in abſeh- barer Zeit erreicht werden, ſo wird es nur durch eine raſche Entwicklung des Privatbergbaues möglich ſein. Man hofft daher in induſtriellen Kreiſen Bayerns, daß ſich die Kammer der Reichsräte der Erkennt- nis, daß das Geſetz der Anſchlußmutung ein Fehlgriff iſt, nicht verſchließen wird. Politiſche Rundſchau. Friede im Reichstag. Die Erklärung des Abg. Gröber, auf Grund deren die Reichstagsjournaliſten morgen ihre Arbeit wieder auf- nehmen, iſt unſeres Erachtens nicht ganz befriedigend, und wenn ſie trotzdem als Friedensgrundlage akzeptiert worden iſt, ſo zeigt das, wie fern die Reichstagsjournaliſten von jeder Ueberſpannung ihrer Forderungen geweſen ſind. Län- gere Epiloge zu dieſer eigenartigen Tragikomödie wird man ſich gern erſparen, aber einige kurze Bemerkungen drängen ſich noch auf. Der Zwiſchenfall Müller-Meinin- gen, deſſen Eigentümlichkeiten eine uns neuerdings zu- gehende Erklärung des Herrn Abgeordneten aus einem „gegenſeitigen groben Mißverſtändnis“ zwiſchen ihm und dem Journaliſten erklärt, mag beiſeite bleiben, ebenſo die unwürdige Haltung eines großen Teiles der Zentrums- preſſe die ſich bei dieſer Gelegenheit mit wenigen rühm- lichen Ausnahmen völlig außerhalb der Solidarität der Preſſe geſtellt und eine ſchlotternde Abhängigkeit von der möglichen Ungnade ihrer Parteigewaltigen geoffenbart hat. Aber das muß noch geſagt werden, daß die wenig er- ſprießliche und wenig neidenswerte Situation, in welcher der Deutſche Reichstag während der letzten Tage gearbeitet hat — die Stimmen des Auslandes geben von dem Maß ihrer Unerfreulichkeit ein beredtes Zeugnis —, nicht eben ein Ruhmesblatt für den Reichstagspräſidenten bildet. Seine Schuld iſt es im Grunde, daß ein verhältnismäßig einfacher Konflikt, der mit einem einzigen Worte hätte ge- löſt werden können und gelöſt werden müſſen, ſo bedenklich ſich verwirrt und ſo tiefgreifende Folgen gehabt hat. Es handelte ſich um eine kleine und überdies noch immer nicht ganz einwandfrei feſtgeſtellte Ungebühr eines einzigen Reichstagsjournaliſten — die Bemerkung des Protokolls bedarf unſeres Erachtens immer noch der Klärung — und um eine ganz offenkundige grobe Ungebühr des Abgeord- neten Gröber; die erſtere iſt vom Präſidenten zweimal ſcharf gerügt worden, die letztere überhaupt nicht. Inſofern hat ſeine Amtsführung verſagt und ſchließlich hat, wie es ſcheint, der politiſche Druck der Mehrheitsparteien Platz greifen müſſen, wenn eine Löſung erzielt werden wollte. Das war inſofern in gewiſſem Sinne gerechtfertigt, als das Zentrum mit dem Hinüberſpielen der reinen Anſtands- und Ordnungsfrage auf das politiſche Gebiet vorangegangen war. Aber unerfreulich iſt und bleibt es doch, daß man im Reichstag derartiger Mittel bedarf, um einen Konflikt zu löſen, der irgend welche Parteiverhältniſſe gar nicht hätte berühren dürfen. Im Anſchluß daran iſt noch zu erwähnen, daß die Rheiniſch-Weſtfäliſche Zeitung von der geſamten deutſchen Preſſe, ſoweit ſie nicht dem Klerikalismus und ſeinen ver- ſchiedenen Anhängſeln dienſtbar iſt, eine Ausnahme- ſtellung eingenommen hat. Das Blatt verlangte von ſeinem Berliner Vertreter, daß dieſer nach wie vor Bericht und Stimmungsbild liefere, was dieſer unter Hinweis auf die Solidarität der Kollegen ablehnte. Darauf erhob es einen flammenden Proteſt gegen die Einmiſchung der aus- ländiſchen Preſſevertreter in die Angelegenheiten der Journaliſtentribüne des Deutſchen Reichstags, der allge- meines Kopfſchütteln erregte; die Herren hatten nämlich ihren deutſchen Kollegen lediglich ihre Sympathie aus- gedrückt und ſich ſonſt in die Verhandlungen und Be- ratungen mit keinem Worte eingemiſcht. Der Berliner Vertreter der Rheiniſch-Weſtfäliſchen Zeitung gab denn auch in einer Journaliſtenverſammlung ſeiner Anſicht dahin Ausdruck, daß ſeine Zeitung in dieſer Frage ungenau unter- richtet ſein müſſe. Am Abend desſelben Tages wurde der Herr in brüsker Form telephoniſch entlaſſen. Ueber das 25 Pfennig-Stück heißt es in der Begründung der ſoeben erſchienenen Novelle zum Münzgeſetz, daß der Reichstag am 13. November 1906 die Petition der Handelskammer zu Osnabrück auf Einführung eines Fünfundzwanzigpfennigſtücks dem Reichskanzler zur Er- wägung überwieſen habe und daß ſeitdem aus den Kreiſen ſo- wohl der Induſtrie wie der Landwirtſchaft in verſtärktem Maße der Wunſch nach Schaffung dieſer Geldſorte laut geworden ſei. Dieſer Wunſch werde damit begründet, daß eine ſolche Münz- gattung weſentlich zu einer Vereinfachung des Zahlungsweſens namentlich im Kleinverkehr beitragen würde, da häufig Zahlun- gen mit den Beträgen von 25 und 75 Pfg. vorkämen und in die- ſen Fällen das Fünfundzwanzigpfennigſtück drei Nickelmünzen erſetzen könne, mithin auch das weitläufige Umwechſeln von Münzen erübrige oder wenigſtens erleichtere. Dann heißt es weiter: Die Berechtigung eines ſolchen Wunſches dürfte nach Beſeitigung der Zwanzigpfennigſtücke aus Silber und aus Nickel anzuerkennen ſein, die eine verhältnismäßig große, namentlich im Kleinverkehr läſtig empfundene Lücke zwiſchen dem Zehn- und Fünfzigpfennigſtücke hinterlaſſen hat und eine größere Zahl von Nickelmünzen erheiſcht. Auch die in andern Ländern gemachten Erfahrungen laſſen erkennen, daß eine ent- ſprechende Zwiſchenmünze einem wirklichen Verkehrsbedürfnis entſpricht. Wenn gegen die Einführung eines Fünfundzwanzig- pfennigſtücks nach der Richtung Bedenken erhoben worden ſind, daß es geeignet ſei, eine preiserhöhende Wirkung inſofern auszuüben, als der Entgelt für gewiſſe Waren und Leiſtungen von 20 auf 25 Pfg. geſteigert werde, ſo möchten dieſe Bedenken doch angeſichts des unleugbaren Vorteils einer Vereinfachung des Zahlungsverkehrs um ſo weniger eine ausſchlaggebende Be- deutung beanſpruchen, als die Regelung der fraglichen Preiſe den Intereſſenten überlaſſen werden kann, ohne daß erheblichere Benachteiligungen des Publikums zu beſorgen wären. Eine ſolche Beſorgnis erſcheint auch um deswillen weniger begründet, als bereits vor dem Erlaſſe des Münzgeſetzes vom 9. Juli 1873 in dem größten Teile Deutſchlands Münzen von ähnlichem Wert- betrage, wie das Zweiundeinhalbgroſchenſtück, in Geltung waren. Auch in Frankreich hat man kein Bedenken getragen, von dem Zwanzig- zu dem Fünfundzwanzigcentimesſtück überzugehen. Eine wichtige Vorbedingung für die Einführung eines Fünf- undzwanzigpfennigſtücks bildet die Schaffung einer zweckent- ſprechenden Form, die gerade bei den kleinen Scheidemünzen von der größten Bedeutung iſt. Die geringe Beliebtheit der Zwanzigpfennigſtücke aus Silber und aus Nickel beruhte weſent- lich auf ihrer mangelhaften Geſtaltung. Das ſilberne Zwanzig- pfennigſtück war zu klein und zu leicht (Durchmeſſer 16 Milli- meter, Gewicht 1.1 Gramm), das Zwanzigpfennigſtück aus Nickel hatte ein wenig gefälliges Ausſehen. Von beſonderer Wichtig- keit iſt ferner die leichte Unterſcheidbarkeit von den geltenden Münzgattungen, damit nachteilige Verwechslungen vermieden werden. Aus dieſen Erwägungen wird ein Fündundzwanzig- pfennigſtück aus Silber nicht in Ausſicht zu nehmen ſein. Es bleibt nur übrig, Nickel als das Prägemetall zu wählen. Der Vorgang Oeſtereich-Ungarns, Frankreichs, Italiens und der Schweiz weiſt auf Reinnickel hin. Dieſes erfordert allerdings höhere Metall- anſchaffungskoſten, gewährleiſtet aber dafür eine längere Halt- barkeit des Gepräges. Auch würde ein aus Reinnickel hergeſtell- tes Fünfundzwanzigpfennigſtück wegen des abweichenden Aus- ſehens die Unterſcheidung von dem Zehnpfennigſtück und dem Einmarkſtück erleichtern. Da erſtere Geldſorte bereits einen Durchmeſſer von 21 Millimeter, letztere einen ſolchen von 24 Millimeter beſitzt, ſo könnte für das Fünfundzwanzigpfennigſtück nur ein ſolcher von 22 oder 23 Millimeter ins Auge gefaßt wer- den, wenn es zugleich vor einem mit der Doppelkrone gleichen Durchmeſſer (22½ Millimeter) bewahrt werden ſoll. Der Ent- wurf bringt weiter in Vorſchlag, dem Bundesrat auch die Er- mächtigung zu erteilen, bei den in dieſem Paragraphen bezeich- neten Münzen die Jahreszahl und die Inſchrift „Deutſches Reich“ auf der Adlerſeite anbringen zu laſſen. Hierdurch ſoll die Möglichkeit geſchaffen werden, nach Bedarf die Schriftſeite zu entlaſten, damit auf ihr die Wertangabe deſto freier und deut- licher in die außere Erſcheinung treten kann. Eine ſolche An- ordnung der Geprägsmerkmale würde insbeſondere beim Fünf- undzwanzigpfennigſtücke deſſen Erkennbarkeit erleichtern. Der Herzog von Devonſhire †. * Wie ſchon gemeldet, iſt der Herzog von Devon- ſhire in Cannes geſtorben. Spencer Campton Cavendiſh, achter Herzog von Devonſhire, bis zum Tode ſeines Vaters 1891 unter dem Namen Lord Har- tington bekannt, hat ein Alter von 75 Jahren erreicht. Er war ein bedeutender Politiker und ſpielte namentlich auch durch die Gründung der Partei der liberalen Unio- niſten eine Rolle. Als Haupt dieſer Partei bekämpfte er die Gladſtoneſche Home-Rule-Politik und beantragte ſelbſt die Verwerfung der Gladſtoneſchen Bill. Nach dem Tode ſeines Vaters trat er als Herzog von Devonſhire in das Oberhaus ein. Der Herzog von Devonſhire war eine wegen ſeiner perſönlichen Vorzüge auch von den politiſchen Gegnern geachtete Perſönlichkeit. Er iſt überdies auch bekannt als einer der reichſten Grund- und Bergwerksbeſitzer Englands Seinen ſchönſten Schatz bildete eine herrliche Bildergalerie, die nun mit den übrigen Beſitztümern zuſammen auf den Erben des Verſtorbenen, den Night Honourable Vikto- Cavendiſh, übergeht. Politiſche Nachrichten. Zum Fall Schnitzer. * München, 25. März. Die Meldungen einer unmittel- bar bevorſtehenden oder bereits erfolgten Erledigung des Falles Schnitzer ſind falſch. Profeſſor Schnitzer iſt bekanntlich im Urlaub und wird vorausſichtlich um Ver- längerung dieſes Urlaubs über das Sommerſemeſter bitten. Unter dieſen Umſtänden iſt der Fortgang der Angelegenheit natürlich gehemmt und was über die mutmaßliche Art der Entſcheidung geſagt wird, iſt mehr oder minder haltloſes Gerede. Der Eindruck der Rede des Reichskanzlers im Auslande. z. London, 25. März, 11.10 V. (Privattelegramm.) Diesmal hat Fürſt Bülow keine gute Preſſe in England. Die miniſteriellen Organe ſind durch die Kritik des engliſchen Programms für Mazedonien verſtimmt und die konſervativen Zeitungen lehnen die Erklärung über den Tweed- mouthſchen Brief ab. Der konſervative Standard ſchreibt: Viel- leicht wären wir geneigt, die Beteuerung des Fürſten Bülow, daß Deutſchland nur freundliche und friedliche Abſichten gegen- über England hege, zu akzeptieren, wenn wir nicht wüßten, daß Deutſchland durch gewiſſe Handlungen ſeine Abſichten verraten hat, eine Angriffspolitik zu betreiben. Es wäre unſrerſeits töricht, die Möglichkeit einer ſolchen Aggreſſive zu ignorieren. Der liberale Daily Chronicle verurteilt nochmals den Brief des Kaiſers an Lord Tweedmouth und bedauert die Art und Weiſe, wie der Reichskanzler die mazedoniſchen Vorſchläge der engliſchen Regierung kritiſierte. Die liberale Daily News billigt Fürſt Bülows Aeußerungen über die Angelegenheit der Korreſpondenz des Kaiſers mit Lord Tweedmouth aufs wärmſte. Das miniſterielle Blatt erklärt, daß er ſich gar nicht beſſer hätte ausdrücken können. Was er über den deutſchen Flottenbau ſagte, ſei durchaus billig geweſen. Warum ſolle man immer die engliſchen Motive für den Bau einer dreimal ſtärkeren Flotte für tadellos und ehrenhaft halten und die deutſchen für finſter. * Paris, 25. März. Ueber die Reden des Reichskanzlers Fürſten Bülow und des Staatsſekretärs v. Schoen ſchreibt der Figaro: Wir beglückwünſchen uns zu dem erfreulichen Zu- ſammentreffen, daß der Reichskanzler Fürſt Bülow und Staats- ſekretär v. Schoen gerade in dem Augenblick das Wort ergriffen haben, wo ſich die franzöſiſche Kammer anſchickt, über die Marokkokredite zu verhandeln. Die amtlichen Berliner Redner haben im voraus jenen franzöſiſchen Deputierten ge- antwortet, die allzu beunruhigt und ſpitzfindig immer zu einem Konflikt Frankreichs mit Deutſchland führen möchten. Die Sitzung des Reichstages beweiſt, daß unſere Ehr- lichkeit und Aufrichtigkeit anerkannt wird. Wir werden alle unſere Rechte verteidigen, indem wir dabei die übernommenen Verpflichtungen reſpektieren und das Vertrauen Europas recht- fertigen. (Weitere Nachrichten ſiehe Seite 6.) Heimliche Liebe. Roman von Konrad Remling. (37) (Nachdruck verboten.) Hanna war mit der Bereitung des Tees beſchäftigt, achtete aber auf jedes Wort, das er ſprach; ſie hatte einen nachdenklichen Zug im Geſicht, nicht unfreundlich, aber ein wenig müde und verſonnen. Georg beobachtete ſie noch immer. „Was ſagſt du eigentlich zu der Geſchichte von geſtern abend?“ fragte er endlich gerade heraus, ohne ſeine Stellung zu verändern. Hanna hielt einen Augenblick inne und ſah auf. „Was ſoll ich dazu ſagen? Ich wollte, es wäre nicht geſchehen; das iſt eigentlich alles. ... Im erſten Augen- blick, als du anfingſt zu ſprechen, erſchrak ich und glaubte, ich müßte es um jeden Preis verhindern. Aber dann war es ja ſchon zu ſpät. Ich ſah nur immer ſtarr auf dich und war nicht einmal imſtande, mich zu rühren. Und dann, als du immer weiter ſprachſt, fing ich an, dich zu bemit- leiden und zu bedauern.“ ... „Zu bedauern? Wieſo? ... Das iſt ſeltſam! ... Du — du mußteſt doch ungehalten ſein und dich meiner ſchämen? ... Das verſtehe ich wirklich nicht.“ Seine Fragen hatten etwas rein Objektives, als ſpräche er nicht von ſich, ſondern von einem anderen. „Du ſprachſt ſo hilflos, ſo — verzweifelt, trotz deines Zornes und deiner Entrüſtung.“ „Ich hatte zu viel getrunken, Hanna. Das ſahſt du doch wohl?“ „Gewiß. Aber das war es nicht allein. Du ſprachſt wie ein Kind, das ein Unrecht begangen hat und nun an- fängt, ſich zu verteidigen, noch ehe man ihm überhaupt einen Vorwurf daraus gemacht hat. Ich bin überzeugt, ein großer Teil der Gäſte wußte nicht einmal, wovon du ſprachſt. ... Nun wird es ja wohl für keinen mehr ein Geheimnis ſein — auch für die nicht, die uns ferner ſtehen“ — ſie machte eine Pauſe und fügte dann hinzu: „Armer Georg! Ich dachte nicht, daß es ſo ſchnell gehen würde!“ Georg hatte ſich plötzlich erhoben und war an das Fenſter getreten. Von dort aus ſprach er zu ihr: „Sage, Hanna: wir müſſen uns einmal ganz klar werden über das, was eigentlich geſchehen iſt vor zwei Jahren, und was wir „unſere Schuld“ nennen. Je mehr Zeit darüber hingegangen iſt, deſto weniger begreife ich jetzt, weshalb wir das Ganze ſo — tragiſch genommen haben. Ich kann mir nicht denken, daß mein Gewiſſen ſich mit der Zeit ſo völlig abgeſtumpft haben ſollte; wenigſtens wäre es traurig, das denken zu müſſen.“ „Wir haben ja oft und viel darüber geſprochen, Georg.“ „Jawohl. Aber niemals mit der Ruhe und — Ob- jektivität, die ich gerade heute in mir finde. Alſo: ich komme nach jahrelanger Abweſenheit in die Heimat zurück und finde dich als Gattin meines Jugendfreundes wieder. Ich ſehe dich und fühle ſchon nach den erſten Augenblicken des Wiederſehens, daß ich dich — liebe. Ich ſage dir das, und du biſt ehrlich genug, deine Gegenliebe nicht zu leug- nen. ... Wir verſuchen, gegen dieſe Liebe anzukämpfen, und: ein flüchtig hingehauchter Kuß, ein Händedruck, ein paar haſtig geflüſterte Liebesworte in den Wochen, die nun folgen — das iſt das Unrecht, das wir an Rudolf Warnow begehen. ... Der unglückſelige Zufall will es, daß du krank wirſt und in deinen Fieberphantaſien von unſerer — heimlichen Liebe ſprichſt. ... Rudolf ahnt, begreift und — kommt zu mir. Er iſt ein Menſch mit einem großen, edlen Herzen. Er verſucht mit mir darüber zu ſprechen, kommt aber zu keinem Schluß. Er reicht mir noch einmal ſeine Hand und geht hin, um — zu ſterben. ... Das ge- ſchah vor zwei Jahren. ... Das war unſer Unrecht Rudolf Warnow gegenüber. ... Heute biſt du meine Frau, und wir ſprechen davon, daß wir „ſchuldig“ ſeien; wir glauben, daß alle Welt um dieſe unſere Schuld wiſſen müſſe und uns in Acht und Bann getan habe. ... Iſt es ſo, Hanna?“ Er kam zurück und ſetzte ſich wieder. „Ja. So iſt es.“ Sie hatte ſich zurückgelehnt, hatte die Hände gefaltet und klopfte mit den beiden ausgeſtreckten Zeigefingern gegen die Kante des Tiſches; es lag etwas Starres und Hoffnungsloſes in ihrer ganzen Haltung und in dem kurzen, einförmigen Klopfen. „Eine — unverzeihliche Schuld?“ Sie nickte nur. .. „An der wir zugrunde gehen werden?“ „Ja. Geſtern begann die Vergeltung.“ „Erſt geſtern?“ „Ich ſpreche von dem — Richteramt, das die Welt ſich anmaßt über uns. Was wir ſelber denken und empfinden oder auch ſchon hinter uns haben, das kommt ja nicht in Betracht dabei.“ Ein Hoffnungsſchimmer ſtieg bei den letzten Worten Hannas in Georg auf. „Das die Welt ſich — anmaßt, ſagſt du? Alſo die Leute um uns her? Was gehen ſie uns an? ... Wir werden ihre Geſellſchaft meiden und hinauswandern in die weite Welt. ... Wir werden Helldorf und die Heimat verlaſſen; wenn es ſein muß, für immer.“ ... Hanna lächelte wehmütig. „Mein armer, lieber Freund! Weißt du nicht, daß das unmöglich iſt?“ „Du haſt es ſelbſt geſagt — im Herbſt, als wir zurück- kamen von unſerer Reiſe und dir alles hier ſo ſtill und traurig erſchien.“ ... „Jawohl. Damals brachte es die Stimmung mit ſich und der Reſt von Hoffnung, der noch in mir war; in- zwiſchen habe ich auch dieſen verloren. ... Wir ſind ja ſo feſtgewachſen — mit allen Wurzeln unſeres Daſeins an dieſes Land gebunden — und ſo ſonderbar es klingen mag: auch an dieſe Menſchen.“ ... Sie ſchwieg einen Augenblick und fuhr dann leiſer fort, während eine leichte Röte der Verlegenheit über ihr Geſicht huſchte: „Es gibt aber dann noch etwas anderes, woran du bisher noch nicht gedacht haſt ... ich meine ... das Gut und der Name Helldorf ſelbſt ... noch iſt kein Erbe dafür vorhanden ... aber — wenn dir nun eines Tages ein — Sohn geboren würde“ ... „Hanna!“ ... Georg ſprang auf und trat zu ihr; im Augenblicke hatten ſich ſein Geſicht, ſeine Bewegungen, ſein ganzes Aeußeres verändert. Wehmütig lächelnd wehrte ſie ab, während ſie noch ver- legener, zugleich aber auch traurig wurde: „O, mein armer, lieber Georg! Daß ich dir in einer ſolchen Stunde und in einer ſolchen Stimmung dieſes Ge- ſtändnis machen muß!“ ... Sie hatte den Kopf vornüber gebeugt, um die Tränen zu verbergen. Aber ſchon im nächſten Augenblick kniete er neben ihr, faltete ihre Hände und drückte ſeine Lippen dar-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 142, 26. März 1908, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine142_1908/2>, abgerufen am 23.11.2024.