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Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch] Pfarrern gegenüber als Museumshäretiker bekannt, und sind vom Gnadenschatz
doch nicht ausgeschlossen worden, aber das genirt keinen großen Geist. Für die
Oberpfälzer wirds in der Ewigkeit einmal so gehalten wie Hr. Rußwurm sagt, und
deßhalb -- kein Gemurmel. Als aber Hr. v. Lutz, unmittelbar antwortend, erklärte:
daß die Darstellung welche die Jnterpellation von dem Verhalten der Kreisregierung
in Regensburg gibt, "nahezu vollständig falsch" sei, da brach die Jnquisitionspartei in
ein entrüstetes "Oho!" aus, was den schlagfertigen Minister veranlaßte den Herren
unter allgemeiner Heiterkeit ebenfalls ein: "Jch bitte mich nicht zu unterbrechen,"
zuzurufen. Das naive Verlangen, auf die ministerielle Antwort mit einer "facti-
schen Berichtigung" repliciren zu dürfen, mußte natürlich vom Präsidium selbst ab-
gewiesen werden. Es gibt aber kaum eine bessere Charakteristik für das Gebahren
der Jnfallibilisten als die heutige Landtagsscene.

In der heutigen Sitzung der Kammer der
Reichsräthe
erstattete Graf Lerchenseld Bericht über den Gesetzentwurf bezüglich
einiger Aenderungen an dem Gesetze über Heimath, Verehelichung und Aufenthalt.
Ohne Debatte werden die Art. 1, 2 (dieser nur mit einer redactionellen Aenderung),
3 und 4 (dieser unter Weglassung der Worte "ohne Erlangung der Heimath," was
Frhr. v. Schrenk im Ausschuß beantragt und letzterer angenommen hatte) in der Fas-
sung der zweiten Kammer angenommen. Art. 5 bestimmt daß künftig eine ohne das
vorgeschriebene districtspolizeiliche Zeugniß eingegangene Ehe, die nach bayerischem
Gesetze bürgerlich ungültig wäre, die bürgerliche Gültigkeit erlangen soll a) sobald die
Ausstellung jenes Zeugnisses nachträglich erwirkt wurde, oder b) wenn sie von
einem außerhalb Europa's wohnenden Bayern in einer nach den Gesetzen des
betreffenden Landes gültigen Weise eingegangen wurde. Im Ausschuß hatte
Bischof Dinkel das Bedenken erhoben, ob hienach nicht etwa, wenn ein Mann, der
Weib und Kind in Europa zurückgelassen und in Amerika Wohnsitz genommen, dort
eine neue Ehe (Bigamie) eingehe, letztere in Bayern als gültig angesehen werden würde.
Der Minister des Innern verneint dieß, wie er schon im Ausschuß gethan, indem
er darauf hinwies daß das districtspolizeiliche Zeugniß die kirchenrechtlichen und civil-
rechtlichen Bedingungen der Gültigkeit der Ehe nicht berühre, ebenso wenig also der
dieses Zeugniß supplirende Art. 5 dieselben berühren könne. In dem gegebenen Fall
liege nach wie vor eine strafbare Bigamie vor. Die Art. 5, 6, 7, 8 wurden in der
Fassung der Abgeordnetenkammer angenommen. Vor Art. 9 aber wurde in Folge
eines von Frhrn. v. Schrenk im Ausschuß erhobenen Bedenkens zur Vermeidung von
Zweifeln und Mißverständnissen ein von der kgl. Staatsregierung formulirter neuer Ar-
tikel eingeschaltet, welcher also lautet: "Art. 43 des Gesetzes über Heimath, Verehe-
lichung und Aufenthalt hat zu lauten: Gegen Angehörige des bayerischen oder eines
anderen deutschen Bundesstaates sind Aufenthaltsbeschränkungen auf Grund des §. 3 Abs. 1
des Reichsgesetzes über die Freizügigkeit vom 1 Nov. 1867 nur nach Maßgabe des
Art. 45 Ziff. 5, 6 und 9, dann Art. 46--49 zulässig. Auch Ausländern ist vorbehaltlich
der in den nachfolgenden Artikeln zugelassenen Beschränkungen der Aufenthalt in jeder Ge-
meinde des Königreichs gestattet, wenn sie sich über ihre Staatsangehörigkeit und Hei-
math genügend ausweisen und ihrem Aufenthalt ein sonstiges gesetzliches Hinderniß
nicht im Wege steht. Ausländer welchen in Bayern eine vorläufige Heimath angewie-
sen ist, sind bezüglich des Aufenthalts wie Inländer zu behandeln." Die ursprüng-
lichen Art. 9, 10 und 11 werden demnach jetzt als Art. 10, 11 und 12 numerirt, und
mit geringen redactionellen Aenderungen gleichfalls ohne Debatte angenommen. Schließ-
lich wurden die Urlaubsgesuche mehrerer Mitglieder der hohen Kammer, so des Erz-
bischofs von Bamberg, des Fürsten Löwenstein-Freudenberg, des Grafen Waldbott-
Bassenheim, des Grafen Ortenburg etc. genehmigt.

Die "Darmst. Ztg." zeigt heute amtlich an daß
der Großherzog den wirklichen Geheimrath Heinrich v. Gagern auf sein Nachsuchen
und unter Anerkennung seiner treuen und vorzüglichen Dienste, sowie unter Ver-
leihung des Großkreuzes des Ludwigs-Ordens in seiner Eigenschaft als außeror-
dentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am österreichischen Hofe in den
Ruhestand versetzt habe. (Schw. M.)

Die "N. A. Z." schreibt:

"Prinz Reuß hat am 4 d. M.
in seiner nunmehrigen Eigenschaft als Botschafter am kaiserlich russischen Hofe,
nachdem er sein Beglaubigungsschreiben dem Kaiser überreicht und dann bei dem
Großfürsten-Thronfolger und dessen Gemahlin in besonderer Audienz empfangen
worden, gemäß der bestehenden Etikette die dortige officielle Welt bei sich gesehen.
Der Besuch war ganz besonders zahlreich. Sämmtliche Minister und hohen Wür-
denträger der Krone waren erschienen. Der Großfürst-Thronfolger und die Frau
Großfürstin hatten einen Adjutanten besonders beauftragt ihre Grüße und Glück-
wünsche zu der neuen Stellung dem Prinzen zu übermitteln. Das "J. de St.
Petersbourg" widmet der Ceremonie des Empfangs freundliche Worte. Es hebt
hervor daß der Botschafter Deutschlands und die Gesellschaft von St. Petersburg
einander seit längerer Zeit bekannt sind, und daß, wenn die Beeiferung, den Prin-
zen begrüßen zu kommen, groß war, dieß der Fall gewesen ist, weil alle Welt dar-
auf hielt bei dieser Gelegenheit dem würdigen Vertreter Sr. Maj. des Kaisers
Wilhelm Sympathie und Ehrerbietung zu bezeugen."

Die zweite Kammer beschloß die Frage: ob die von
der Synode beschlossene Einsetzung eines Landes-Consistoriums ohne Zustimmung
der Stände rechtsgültig sei, durch eine Deputation prüfen zu lassen. Die Berathung
des Patronatsgesetzes, welches auf der heutigen Tagesordnung der zweiten Kammer
stand, ist bis zum Austrag der Frage wegen des Landes-Consistoriums vertagt
worden. (T. N.)

Heute Morgens legte das neue Ministerium seinen
Diensteid ab und beendigte dadurch die Krisis. Als vor 12 Tagen das Ministerium
Zaimis in der ersten Sitzung der Kammer seine Mehrheit eingebüßt hatte, begab
sich, wie wir schon berichteten, der Cabinetspräsident Zaimis zum König, und ver-
langte entweder seine Entlassung oder die Auflösung der Kammer. Der König,
dem einerseits die Einhaltung der Verfassung, andrerseits aber das Wohl seines
Volkes am Herzen liegt, konnte sich nicht sogleich dazu bequemen eine mit so vielen
Ausgaben und Störungen im öffentlichen Leben verbundene Auflösung des gesetz-
gebenden Körpers zu gewähren, und nahm einstweilen nur Notiz von des Präsiden-
ten Verlangen. Er war bemüht einen Mittelweg ausfindig zu machen, wodurch
es den drei der vier bestehenden Kammerparteien unmöglich gemacht werden sollte
die vierte zur Regierung berufene mit vereinten Kräften zu stürzen. Während
dieser Zeit war das Ministerium selbst in Ungewißheit über seine Zukunft, erschien
in der Kammer und legte derselben sogar den Haushalts-Etat für 1872 vor, der --
beiläufig gesagt -- ein Deficit von mehr als 3 Millionen Drachmen aufweist.
Der Finanzminister Th. Delijannis reichte 32 Gesetzvorschläge ein, und unter-
ließ dabet nicht das Ministerium Kumunduros in vielen Punkten zu kritisiren. In
[Spaltenumbruch] jener Kammersitzung interpellirte Lombardos die Regierung: ob sie als solche noch
bestehe, worauf in der nächsten Sitzung Zaimis erklärte: er habe sein Portefeuille
niedergelegt und der König seinen Nücktritt gutgeheißen. Es war dieß an jenem
Tage wirklich erfolgt, da es den Bemühungen des Königs gelungen war, was
bisher für unmöglich gegolten hatte, die Parteien Kumunduros und Bulgaris mit-
einander auszusöhnen und zu vereinigen. Der dritte Fractionschef, Deligeorgis,
an den auch der Antrag ergangen war an dieser Vereinigung theilzunehmen, wei-
gerte sich mit den beiden übrigen Parteien in Verbindung zu treten. Seit vorigem
Dienstag nun ist Bulgaris, der den Auftrag erhalten hatte ein neues Cabinet zu
bilden, beschäftigt gewesen dasselbe zur Hälfte aus seinen Anhängern, zur andern
Hälfte aus Kumunduristen zusammenzusetzen, und heute trat denn das neue
Ministerium seinen Dienst an. Es ist wie folgt zusammengesetzt: Bulgaris,
Präsident und Minister des Aeußern; Nikolopulos, dessen Schwiegersohn,
Minister des Innern; Drakos (dessen Sohn bei Sedan tödtlich ver-
wundet worden war), Kriegsminister; Papamichalopulos, Finanzminister.
Diese Herren sind Anhänger Bulgaris, während die folgenden zur Partei Kum-
munduros gehören: Bubulis, Marineminister, Notaras, für Cultus und Unterricht,
und Dr. Agamemnon Metaxas (Deputirter von Cephalonien, ein in Heidelberg aus-
gebildeter Jurist), Justizminister. Obwohl von vornherein nicht vorauszusehen ist
welche Politik das neue, aus dieser Combination hervorgegangene Ministerium
wandeln wird, so herrscht doch eine allgemeine Zufriedenheit über die Gewißheit
daß nunmehr in der Kammer statt vier Parteien nur deren zwei sich gegenüber
stehen werden, indem anzunehmen ist daß Deligeorgis sich jetzt mit Zaimis verbin-
den wird. So viel bis jetzt verlautet, steht es fest daß das neue Ministerium die Auf-
lösung der Kammer in der Tasche hat, daß es aber davon erst Gebrauch machen
wird sobald die Kammer offensive Gelüste gegen dasselbe laut werden lassen will.
Nach andern wird die Negierung übermorgen, Montag, in der Kammer erscheinen,
verschiedene Credite verlangen und sodann die Auflösung derselben decretiren.
(Dieselbe ist mittlerweile erfolgt. D. R.) -- Dem König ist von Seite des
Königs von Spanien das goldene Vließ durch den spanischen Bevollmächtigten
Gaspard verliehen worden.

Die Legislatur von Ohio hat Hr. John Sherman
als Senator wiedergewählt. (T. N.)

General Bourchier telegraphirt vom 4 Januar:
Weitere sieben Meilen nach Osten vorgerückt. Die Anhöhen sind sehr steil und
Wasser ist rar, aber eine Anzahl von Looschais kam mit Geflügel und Gemüse
ins Lager um Salz dagegen einzutauschen. Sie sind höflich und still, und keines-
wegs die Wilden für welche man sie gehalten hat. (T. N.)

Der Vicekönig traf am Montag Morgen im Lager
von Delhi ein. Er wurde vom stellvertretenden Gouverneur des Pendschab, dem
Maharadschah Scindia und andern eingeborenen Häuptlingen empfangen. Eine Pa-
rade mit 1500 Mann Truppen fand statt. Darauf folgten Feldmanöver, welche
jeden Tag wiederholt werden sollen. Der König von Siam ist in Calcutta einge-
troffen. Die Woche wird mit Festlichkeiten hingehen. (T. N.)

Industrie, Handel und Verkehr.

Die Börse begann heute fest, wurde aber später durch Rea-
lisationen etwas gedrückt, doch erstreckte sich dieß nur auf einzelne Papiere, und nur wenige
waren im Curse niedriger. Lebhaft waren wieder Papier- und Silberrente. Auch Fran-
zosen und Credit waren ziemlich belebt. Eisenbahnen waren fest, zum Theil höher, die
Hauptdevisen, auch Limburg-Lütticher und Vereinigte Schweizer in gutem Verkehr. Von
Barken waren Maklerbanken beledt, auch Darmstädter, Union, Mecktenburger, Prov. Dis-
conto, Disconto belebt; sehr belebt waren auch Gewerbebank Schuster, welche stark in die
Bewegung eingreifen und das Versänmte nachholen zu wollen scheinen. Industriepapiere
waren still, aber fest. Inländ. und deutsche Fonds lebhaft; Prioritäten fest, österr. belebt,
besonders Kaschau-Oderb., 31/2, 4- und 41/2proc. inländische zum Theil höher, russ. still.
Brest-Grajewo-Prior. 801/2 bezahlt und Geld. Der Erscheinungstag der 41/2proc. Boden-
Credit-Pfandbriefe ist heute.

Die dem Reichsrath vorzulegende Regierungsvorlage betreffs
Abänderung des §. 14 der Statuten der Nationalbank beftimmt daß jener Betrag, um
welgen die Summe der umlaufenden Noten 200 Mill. Gulden übersteigt, in Silber oder
Gold gemünzt, oder in Barren vorhanden sein müsse, und daß ebenso jener Betrag um
welchen die umlaufenden Noten zuzüglich der in der Nationalbank befindlichen fremden Gel-
der den vorhandenen Baarvorrath übersteigen, mit escomptirten oder beliehenen Essecten
oder mit Wechseln auf auswärtige Plätze gedeckt sein müsse. (T. N.)

Unsere Actienbanken haben ihre Dividenden erklärt, und
zwar: die London and Westminster 9% pr. halbes Jahr, mit einem Saldo von 1700 Pfd.
Sterl.; die Union 10% mit einem Saldo von 31,949 Pf. St.; die Alliance 21/2% mit
einem Saldo von 8375 Pf. St., und die United Discount Corporation 41/2% mit einem
Saldo von 4310 Pf. St. Fondsbörse matt, zumal für Spanier, wegen der wieder-
auftauchenden Frage der Conponbesteuerung; Notirung wich 1/4.

Telegraphische Curs- und Handelsberichte.

Die Stimmung ist anhaltend flan. Hoch prima ungari-
scher Weizen etwas belebter. Tendenz: weichend. Prima ungarischer Weizen 36--363/4.
feinste Sorten 37--371/2.

Productenmarkt. (Schlußbericht) Roggen per Jan. 561/2.
per Januar-Februar 56 3/8 , per April-Mai 561/2, per Mai-Juni 563/4. -- Weizen per
Jan. 79, per April-Mai 801/2 -- Rüböl per Jan. 27, per April-Mai 28 1/6 . --
Spiritus per Jan. 23.11, per April-Mai 23.25. Wetter: Frost.

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen matt, hiesiger loco 9,
fremder loco 8.5, per März 8.4, per Mai 8.61/2, per Juli 8.81/2. Roggen matt. loco
6.71/2, per März 6.201/2, per Mai 5.25, per Juli 5.27. Wetter: klar.

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen loco fest, auf
Termine mait, per Jan.-Febr. 160, per Febr.-März 163, per April-Mai 165. Roggen
loco fest, auf Termine matt, per Jan.-Febr. 1121/2, per Febr.-März 113, April-Mai 114.
Hafer ruhig. Gerste ruhig.

Eröffnungscurse. 3proc. Censols 923/4, 1882er Amerikaner
92 1/8 , Türken 50 ex, Spanier 31.

Anfangsbericht. Muthmaßlicher Umsatz 30,000 B., Tendenz-
theurer. Tagesimport 4000 B.

Erössnungscurse. 3proc. Rente 56.40, 5proc. Anl. 91.45,
österr.-franz. Staatsbahn 902, Lombarden --, 5proc. ital. Anl. 68.40, Türken 51 10. Fest.

Schlußcurse. 5proc. Anl. 91.22, 41/2proc. Rente 81.25, 3proc.
Rente 56.35, Credit nonveau 515, Staatsbahn --, Lombarden 482, 5proc. Italiener
68.30, 1882er Amerikaner 106.12, Spanier 321/4, Türken 51.40, Pariser Anleihe 255,
Credit foncier 937. Wechsel: Frankfurt 2151/2, London 25.56. Goldagio per Mille 7.
Unentschieden,

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Mehl 8 Marken per Jan 80,
per März-April 82, per Mai-Aug. fehlt. Tendenz: matt. Rüböl per Jan. 106.50, vom
März-April 106, vom Mai-Aug. 105. Zucker 69.25. Tendenz: still.



[Spaltenumbruch] Pfarrern gegenüber als Muſeumshäretiker bekannt, und ſind vom Gnadenſchatz
doch nicht ausgeſchloſſen worden, aber das genirt keinen großen Geiſt. Für die
Oberpfälzer wirds in der Ewigkeit einmal ſo gehalten wie Hr. Rußwurm ſagt, und
deßhalb — kein Gemurmel. Als aber Hr. v. Lutz, unmittelbar antwortend, erklärte:
daß die Darſtellung welche die Jnterpellation von dem Verhalten der Kreisregierung
in Regensburg gibt, „nahezu vollſtändig falſch“ ſei, da brach die Jnquiſitionspartei in
ein entrüſtetes „Oho!“ aus, was den ſchlagfertigen Miniſter veranlaßte den Herren
unter allgemeiner Heiterkeit ebenfalls ein: „Jch bitte mich nicht zu unterbrechen,“
zuzurufen. Das naive Verlangen, auf die miniſterielle Antwort mit einer „facti-
ſchen Berichtigung“ repliciren zu dürfen, mußte natürlich vom Präſidium ſelbſt ab-
gewieſen werden. Es gibt aber kaum eine beſſere Charakteriſtik für das Gebahren
der Jnfallibiliſten als die heutige Landtagsſcene.

In der heutigen Sitzung der Kammer der
Reichsräthe
erſtattete Graf Lerchenſeld Bericht über den Geſetzentwurf bezüglich
einiger Aenderungen an dem Geſetze über Heimath, Verehelichung und Aufenthalt.
Ohne Debatte werden die Art. 1, 2 (dieſer nur mit einer redactionellen Aenderung),
3 und 4 (dieſer unter Weglaſſung der Worte „ohne Erlangung der Heimath,“ was
Frhr. v. Schrenk im Ausſchuß beantragt und letzterer angenommen hatte) in der Faſ-
ſung der zweiten Kammer angenommen. Art. 5 beſtimmt daß künftig eine ohne das
vorgeſchriebene diſtrictspolizeiliche Zeugniß eingegangene Ehe, die nach bayeriſchem
Geſetze bürgerlich ungültig wäre, die bürgerliche Gültigkeit erlangen ſoll a) ſobald die
Ausſtellung jenes Zeugniſſes nachträglich erwirkt wurde, oder b) wenn ſie von
einem außerhalb Europa’s wohnenden Bayern in einer nach den Geſetzen des
betreffenden Landes gültigen Weiſe eingegangen wurde. Im Ausſchuß hatte
Biſchof Dinkel das Bedenken erhoben, ob hienach nicht etwa, wenn ein Mann, der
Weib und Kind in Europa zurückgelaſſen und in Amerika Wohnſitz genommen, dort
eine neue Ehe (Bigamie) eingehe, letztere in Bayern als gültig angeſehen werden würde.
Der Miniſter des Innern verneint dieß, wie er ſchon im Ausſchuß gethan, indem
er darauf hinwies daß das diſtrictspolizeiliche Zeugniß die kirchenrechtlichen und civil-
rechtlichen Bedingungen der Gültigkeit der Ehe nicht berühre, ebenſo wenig alſo der
dieſes Zeugniß ſupplirende Art. 5 dieſelben berühren könne. In dem gegebenen Fall
liege nach wie vor eine ſtrafbare Bigamie vor. Die Art. 5, 6, 7, 8 wurden in der
Faſſung der Abgeordnetenkammer angenommen. Vor Art. 9 aber wurde in Folge
eines von Frhrn. v. Schrenk im Ausſchuß erhobenen Bedenkens zur Vermeidung von
Zweifeln und Mißverſtändniſſen ein von der kgl. Staatsregierung formulirter neuer Ar-
tikel eingeſchaltet, welcher alſo lautet: „Art. 43 des Geſetzes über Heimath, Verehe-
lichung und Aufenthalt hat zu lauten: Gegen Angehörige des bayeriſchen oder eines
anderen deutſchen Bundesſtaates ſind Aufenthaltsbeſchränkungen auf Grund des §. 3 Abſ. 1
des Reichsgeſetzes über die Freizügigkeit vom 1 Nov. 1867 nur nach Maßgabe des
Art. 45 Ziff. 5, 6 und 9, dann Art. 46—49 zuläſſig. Auch Ausländern iſt vorbehaltlich
der in den nachfolgenden Artikeln zugelaſſenen Beſchränkungen der Aufenthalt in jeder Ge-
meinde des Königreichs geſtattet, wenn ſie ſich über ihre Staatsangehörigkeit und Hei-
math genügend ausweiſen und ihrem Aufenthalt ein ſonſtiges geſetzliches Hinderniß
nicht im Wege ſteht. Ausländer welchen in Bayern eine vorläufige Heimath angewie-
ſen iſt, ſind bezüglich des Aufenthalts wie Inländer zu behandeln.“ Die urſprüng-
lichen Art. 9, 10 und 11 werden demnach jetzt als Art. 10, 11 und 12 numerirt, und
mit geringen redactionellen Aenderungen gleichfalls ohne Debatte angenommen. Schließ-
lich wurden die Urlaubsgeſuche mehrerer Mitglieder der hohen Kammer, ſo des Erz-
biſchofs von Bamberg, des Fürſten Löwenſtein-Freudenberg, des Grafen Waldbott-
Baſſenheim, des Grafen Ortenburg ꝛc. genehmigt.

Die „Darmſt. Ztg.“ zeigt heute amtlich an daß
der Großherzog den wirklichen Geheimrath Heinrich v. Gagern auf ſein Nachſuchen
und unter Anerkennung ſeiner treuen und vorzüglichen Dienſte, ſowie unter Ver-
leihung des Großkreuzes des Ludwigs-Ordens in ſeiner Eigenſchaft als außeror-
dentlicher Geſandter und bevollmächtigter Miniſter am öſterreichiſchen Hofe in den
Ruheſtand verſetzt habe. (Schw. M.)

Die „N. A. Z.“ ſchreibt:

„Prinz Reuß hat am 4 d. M.
in ſeiner nunmehrigen Eigenſchaft als Botſchafter am kaiſerlich ruſſiſchen Hofe,
nachdem er ſein Beglaubigungsſchreiben dem Kaiſer überreicht und dann bei dem
Großfürſten-Thronfolger und deſſen Gemahlin in beſonderer Audienz empfangen
worden, gemäß der beſtehenden Etikette die dortige officielle Welt bei ſich geſehen.
Der Beſuch war ganz beſonders zahlreich. Sämmtliche Miniſter und hohen Wür-
denträger der Krone waren erſchienen. Der Großfürſt-Thronfolger und die Frau
Großfürſtin hatten einen Adjutanten beſonders beauftragt ihre Grüße und Glück-
wünſche zu der neuen Stellung dem Prinzen zu übermitteln. Das „J. de St.
Pétersbourg“ widmet der Ceremonie des Empfangs freundliche Worte. Es hebt
hervor daß der Botſchafter Deutſchlands und die Geſellſchaft von St. Petersburg
einander ſeit längerer Zeit bekannt ſind, und daß, wenn die Beeiferung, den Prin-
zen begrüßen zu kommen, groß war, dieß der Fall geweſen iſt, weil alle Welt dar-
auf hielt bei dieſer Gelegenheit dem würdigen Vertreter Sr. Maj. des Kaiſers
Wilhelm Sympathie und Ehrerbietung zu bezeugen.“

Die zweite Kammer beſchloß die Frage: ob die von
der Synode beſchloſſene Einſetzung eines Landes-Conſiſtoriums ohne Zuſtimmung
der Stände rechtsgültig ſei, durch eine Deputation prüfen zu laſſen. Die Berathung
des Patronatsgeſetzes, welches auf der heutigen Tagesordnung der zweiten Kammer
ſtand, iſt bis zum Austrag der Frage wegen des Landes-Conſiſtoriums vertagt
worden. (T. N.)

Heute Morgens legte das neue Miniſterium ſeinen
Dienſteid ab und beendigte dadurch die Kriſis. Als vor 12 Tagen das Miniſterium
Zaïmis in der erſten Sitzung der Kammer ſeine Mehrheit eingebüßt hatte, begab
ſich, wie wir ſchon berichteten, der Cabinetspräſident Zaïmis zum König, und ver-
langte entweder ſeine Entlaſſung oder die Auflöſung der Kammer. Der König,
dem einerſeits die Einhaltung der Verfaſſung, andrerſeits aber das Wohl ſeines
Volkes am Herzen liegt, konnte ſich nicht ſogleich dazu bequemen eine mit ſo vielen
Ausgaben und Störungen im öffentlichen Leben verbundene Auflöſung des geſetz-
gebenden Körpers zu gewähren, und nahm einſtweilen nur Notiz von des Präſiden-
ten Verlangen. Er war bemüht einen Mittelweg ausfindig zu machen, wodurch
es den drei der vier beſtehenden Kammerparteien unmöglich gemacht werden ſollte
die vierte zur Regierung berufene mit vereinten Kräften zu ſtürzen. Während
dieſer Zeit war das Miniſterium ſelbſt in Ungewißheit über ſeine Zukunft, erſchien
in der Kammer und legte derſelben ſogar den Haushalts-Etat für 1872 vor, der —
beiläufig geſagt — ein Deficit von mehr als 3 Millionen Drachmen aufweist.
Der Finanzminiſter Th. Delijannis reichte 32 Geſetzvorſchläge ein, und unter-
ließ dabet nicht das Miniſterium Kumunduros in vielen Punkten zu kritiſiren. In
[Spaltenumbruch] jener Kammerſitzung interpellirte Lombardos die Regierung: ob ſie als ſolche noch
beſtehe, worauf in der nächſten Sitzung Zaïmis erklärte: er habe ſein Portefeuille
niedergelegt und der König ſeinen Nücktritt gutgeheißen. Es war dieß an jenem
Tage wirklich erfolgt, da es den Bemühungen des Königs gelungen war, was
bisher für unmöglich gegolten hatte, die Parteien Kumunduros und Bulgaris mit-
einander auszuſöhnen und zu vereinigen. Der dritte Fractionschef, Deligeorgis,
an den auch der Antrag ergangen war an dieſer Vereinigung theilzunehmen, wei-
gerte ſich mit den beiden übrigen Parteien in Verbindung zu treten. Seit vorigem
Dienſtag nun iſt Bulgaris, der den Auftrag erhalten hatte ein neues Cabinet zu
bilden, beſchäftigt geweſen dasſelbe zur Hälfte aus ſeinen Anhängern, zur andern
Hälfte aus Kumunduriſten zuſammenzuſetzen, und heute trat denn das neue
Miniſterium ſeinen Dienſt an. Es iſt wie folgt zuſammengeſetzt: Bulgaris,
Präſident und Miniſter des Aeußern; Nikolopulos, deſſen Schwiegerſohn,
Miniſter des Innern; Drakos (deſſen Sohn bei Sedan tödtlich ver-
wundet worden war), Kriegsminiſter; Papamichalopulos, Finanzminiſter.
Dieſe Herren ſind Anhänger Bulgaris, während die folgenden zur Partei Kum-
munduros gehören: Bubulis, Marineminiſter, Notaras, für Cultus und Unterricht,
und Dr. Agamemnon Metaxas (Deputirter von Cephalonien, ein in Heidelberg aus-
gebildeter Juriſt), Juſtizminiſter. Obwohl von vornherein nicht vorauszuſehen iſt
welche Politik das neue, aus dieſer Combination hervorgegangene Miniſterium
wandeln wird, ſo herrſcht doch eine allgemeine Zufriedenheit über die Gewißheit
daß nunmehr in der Kammer ſtatt vier Parteien nur deren zwei ſich gegenüber
ſtehen werden, indem anzunehmen iſt daß Deligeorgis ſich jetzt mit Zaïmis verbin-
den wird. So viel bis jetzt verlautet, ſteht es feſt daß das neue Miniſterium die Auf-
löſung der Kammer in der Taſche hat, daß es aber davon erſt Gebrauch machen
wird ſobald die Kammer offenſive Gelüſte gegen dasſelbe laut werden laſſen will.
Nach andern wird die Negierung übermorgen, Montag, in der Kammer erſcheinen,
verſchiedene Credite verlangen und ſodann die Auflöſung derſelben decretiren.
(Dieſelbe iſt mittlerweile erfolgt. D. R.) — Dem König iſt von Seite des
Königs von Spanien das goldene Vließ durch den ſpaniſchen Bevollmächtigten
Gaspard verliehen worden.

Die Legislatur von Ohio hat Hr. John Sherman
als Senator wiedergewählt. (T. N.)

General Bourchier telegraphirt vom 4 Januar:
Weitere ſieben Meilen nach Oſten vorgerückt. Die Anhöhen ſind ſehr ſteil und
Waſſer iſt rar, aber eine Anzahl von Looſchais kam mit Geflügel und Gemüſe
ins Lager um Salz dagegen einzutauſchen. Sie ſind höflich und ſtill, und keines-
wegs die Wilden für welche man ſie gehalten hat. (T. N.)

Der Vicekönig traf am Montag Morgen im Lager
von Delhi ein. Er wurde vom ſtellvertretenden Gouverneur des Pendſchab, dem
Maharadſchah Scindia und andern eingeborenen Häuptlingen empfangen. Eine Pa-
rade mit 1500 Mann Truppen fand ſtatt. Darauf folgten Feldmanöver, welche
jeden Tag wiederholt werden ſollen. Der König von Siam iſt in Calcutta einge-
troffen. Die Woche wird mit Feſtlichkeiten hingehen. (T. N.)

Induſtrie, Handel und Verkehr.

Die Börſe begann heute feſt, wurde aber ſpäter durch Rea-
liſationen etwas gedrückt, doch erſtreckte ſich dieß nur auf einzelne Papiere, und nur wenige
waren im Curſe niedriger. Lebhaft waren wieder Papier- und Silberrente. Auch Fran-
zoſen und Credit waren ziemlich belebt. Eiſenbahnen waren feſt, zum Theil höher, die
Hauptdeviſen, auch Limburg-Lütticher und Vereinigte Schweizer in gutem Verkehr. Von
Barken waren Maklerbanken beledt, auch Darmſtädter, Union, Mecktenburger, Prov. Dis-
conto, Disconto belebt; ſehr belebt waren auch Gewerbebank Schuſter, welche ſtark in die
Bewegung eingreifen und das Verſänmte nachholen zu wollen ſcheinen. Induſtriepapiere
waren ſtill, aber feſt. Inländ. und deutſche Fonds lebhaft; Prioritäten feſt, öſterr. belebt,
beſonders Kaſchau-Oderb., 3½, 4- und 4½proc. inländiſche zum Theil höher, ruſſ. ſtill.
Breſt-Grajewo-Prior. 80½ bezahlt und Geld. Der Erſcheinungstag der 4½proc. Boden-
Credit-Pfandbriefe iſt heute.

Die dem Reichsrath vorzulegende Regierungsvorlage betreffs
Abänderung des §. 14 der Statuten der Nationalbank beftimmt daß jener Betrag, um
welgen die Summe der umlaufenden Noten 200 Mill. Gulden überſteigt, in Silber oder
Gold gemünzt, oder in Barren vorhanden ſein müſſe, und daß ebenſo jener Betrag um
welchen die umlaufenden Noten zuzüglich der in der Nationalbank befindlichen fremden Gel-
der den vorhandenen Baarvorrath überſteigen, mit escomptirten oder beliehenen Eſſecten
oder mit Wechſeln auf auswärtige Plätze gedeckt ſein müſſe. (T. N.)

Unſere Actienbanken haben ihre Dividenden erklärt, und
zwar: die London and Weſtminſter 9% pr. halbes Jahr, mit einem Saldo von 1700 Pfd.
Sterl.; die Union 10% mit einem Saldo von 31,949 Pf. St.; die Alliance 2½% mit
einem Saldo von 8375 Pf. St., und die United Discount Corporation 4½% mit einem
Saldo von 4310 Pf. St. Fondsbörſe matt, zumal für Spanier, wegen der wieder-
auftauchenden Frage der Conponbeſteuerung; Notirung wich ¼.

Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte.

Die Stimmung iſt anhaltend flan. Hoch prima ungari-
ſcher Weizen etwas belebter. Tendenz: weichend. Prima ungariſcher Weizen 36—36¾.
feinſte Sorten 37—37½.

Productenmarkt. (Schlußbericht) Roggen per Jan. 56½.
per Januar-Februar 56⅜, per April-Mai 56½, per Mai-Juni 56¾. — Weizen per
Jan. 79, per April-Mai 80½ — Rüböl per Jan. 27, per April-Mai 28⅙. —
Spiritus per Jan. 23.11, per April-Mai 23.25. Wetter: Froſt.

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen matt, hieſiger loco 9,
fremder loco 8.5, per März 8.4, per Mai 8.6½, per Juli 8.8½. Roggen matt. loco
6.7½, per März 6.20½, per Mai 5.25, per Juli 5.27. Wetter: klar.

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen loco feſt, auf
Termine mait, per Jan.-Febr. 160, per Febr.-März 163, per April-Mai 165. Roggen
loco feſt, auf Termine matt, per Jan.-Febr. 112½, per Febr.-März 113, April-Mai 114.
Hafer ruhig. Gerſte ruhig.

Eröffnungscurſe. 3proc. Cenſols 92¾, 1882er Amerikaner
92⅛, Türken 50 ex, Spanier 31.

Anfangsbericht. Muthmaßlicher Umſatz 30,000 B., Tendenz-
theurer. Tagesimport 4000 B.

Eröſſnungscurſe. 3proc. Rente 56.40, 5proc. Anl. 91.45,
öſterr.-franz. Staatsbahn 902, Lombarden —, 5proc. ital. Anl. 68.40, Türken 51 10. Feſt.

Schlußcurſe. 5proc. Anl. 91.22, 4½proc. Rente 81.25, 3proc.
Rente 56.35, Credit nonveau 515, Staatsbahn —, Lombarden 482, 5proc. Italiener
68.30, 1882er Amerikaner 106.12, Spanier 32¼, Türken 51.40, Pariſer Anleihe 255,
Crédit foncier 937. Wechſel: Frankfurt 215½, London 25.56. Goldagio per Mille 7.
Unentſchieden,

Productenmarkt. (Schlußbericht.) Mehl 8 Marken per Jan 80,
per März-April 82, per Mai-Aug. fehlt. Tendenz: matt. Rüböl per Jan. 106.50, vom
März-April 106, vom Mai-Aug. 105. Zucker 69.25. Tendenz: ſtill.



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Pfarrern gegenüber als Mu&#x017F;eumshäretiker bekannt, und &#x017F;ind vom Gnaden&#x017F;chatz<lb/>
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Oberpfälzer wirds in der Ewigkeit einmal &#x017F;o gehalten wie Hr. Rußwurm &#x017F;agt, und<lb/>
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&#x017F;chen Berichtigung&#x201C; repliciren zu dürfen, mußte natürlich vom Prä&#x017F;idium &#x017F;elb&#x017F;t ab-<lb/>
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Reichsräthe</hi> er&#x017F;tattete Graf <hi rendition="#g">Lerchen&#x017F;eld</hi> Bericht über den Ge&#x017F;etzentwurf bezüglich<lb/>
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Zweifeln und Mißver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;en ein von der kgl. Staatsregierung formulirter neuer Ar-<lb/>
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Gaspard verliehen worden.</p>
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                  <p>Die Legislatur von Ohio hat Hr. John Sherman<lb/>
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                  <p>General Bourchier telegraphirt vom 4 Januar:<lb/>
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[205/0013] Pfarrern gegenüber als Muſeumshäretiker bekannt, und ſind vom Gnadenſchatz doch nicht ausgeſchloſſen worden, aber das genirt keinen großen Geiſt. Für die Oberpfälzer wirds in der Ewigkeit einmal ſo gehalten wie Hr. Rußwurm ſagt, und deßhalb — kein Gemurmel. Als aber Hr. v. Lutz, unmittelbar antwortend, erklärte: daß die Darſtellung welche die Jnterpellation von dem Verhalten der Kreisregierung in Regensburg gibt, „nahezu vollſtändig falſch“ ſei, da brach die Jnquiſitionspartei in ein entrüſtetes „Oho!“ aus, was den ſchlagfertigen Miniſter veranlaßte den Herren unter allgemeiner Heiterkeit ebenfalls ein: „Jch bitte mich nicht zu unterbrechen,“ zuzurufen. Das naive Verlangen, auf die miniſterielle Antwort mit einer „facti- ſchen Berichtigung“ repliciren zu dürfen, mußte natürlich vom Präſidium ſelbſt ab- gewieſen werden. Es gibt aber kaum eine beſſere Charakteriſtik für das Gebahren der Jnfallibiliſten als die heutige Landtagsſcene. ⫪ München, 13 Jan. In der heutigen Sitzung der Kammer der Reichsräthe erſtattete Graf Lerchenſeld Bericht über den Geſetzentwurf bezüglich einiger Aenderungen an dem Geſetze über Heimath, Verehelichung und Aufenthalt. Ohne Debatte werden die Art. 1, 2 (dieſer nur mit einer redactionellen Aenderung), 3 und 4 (dieſer unter Weglaſſung der Worte „ohne Erlangung der Heimath,“ was Frhr. v. Schrenk im Ausſchuß beantragt und letzterer angenommen hatte) in der Faſ- ſung der zweiten Kammer angenommen. Art. 5 beſtimmt daß künftig eine ohne das vorgeſchriebene diſtrictspolizeiliche Zeugniß eingegangene Ehe, die nach bayeriſchem Geſetze bürgerlich ungültig wäre, die bürgerliche Gültigkeit erlangen ſoll a) ſobald die Ausſtellung jenes Zeugniſſes nachträglich erwirkt wurde, oder b) wenn ſie von einem außerhalb Europa’s wohnenden Bayern in einer nach den Geſetzen des betreffenden Landes gültigen Weiſe eingegangen wurde. Im Ausſchuß hatte Biſchof Dinkel das Bedenken erhoben, ob hienach nicht etwa, wenn ein Mann, der Weib und Kind in Europa zurückgelaſſen und in Amerika Wohnſitz genommen, dort eine neue Ehe (Bigamie) eingehe, letztere in Bayern als gültig angeſehen werden würde. Der Miniſter des Innern verneint dieß, wie er ſchon im Ausſchuß gethan, indem er darauf hinwies daß das diſtrictspolizeiliche Zeugniß die kirchenrechtlichen und civil- rechtlichen Bedingungen der Gültigkeit der Ehe nicht berühre, ebenſo wenig alſo der dieſes Zeugniß ſupplirende Art. 5 dieſelben berühren könne. In dem gegebenen Fall liege nach wie vor eine ſtrafbare Bigamie vor. Die Art. 5, 6, 7, 8 wurden in der Faſſung der Abgeordnetenkammer angenommen. Vor Art. 9 aber wurde in Folge eines von Frhrn. v. Schrenk im Ausſchuß erhobenen Bedenkens zur Vermeidung von Zweifeln und Mißverſtändniſſen ein von der kgl. Staatsregierung formulirter neuer Ar- tikel eingeſchaltet, welcher alſo lautet: „Art. 43 des Geſetzes über Heimath, Verehe- lichung und Aufenthalt hat zu lauten: Gegen Angehörige des bayeriſchen oder eines anderen deutſchen Bundesſtaates ſind Aufenthaltsbeſchränkungen auf Grund des §. 3 Abſ. 1 des Reichsgeſetzes über die Freizügigkeit vom 1 Nov. 1867 nur nach Maßgabe des Art. 45 Ziff. 5, 6 und 9, dann Art. 46—49 zuläſſig. Auch Ausländern iſt vorbehaltlich der in den nachfolgenden Artikeln zugelaſſenen Beſchränkungen der Aufenthalt in jeder Ge- meinde des Königreichs geſtattet, wenn ſie ſich über ihre Staatsangehörigkeit und Hei- math genügend ausweiſen und ihrem Aufenthalt ein ſonſtiges geſetzliches Hinderniß nicht im Wege ſteht. Ausländer welchen in Bayern eine vorläufige Heimath angewie- ſen iſt, ſind bezüglich des Aufenthalts wie Inländer zu behandeln.“ Die urſprüng- lichen Art. 9, 10 und 11 werden demnach jetzt als Art. 10, 11 und 12 numerirt, und mit geringen redactionellen Aenderungen gleichfalls ohne Debatte angenommen. Schließ- lich wurden die Urlaubsgeſuche mehrerer Mitglieder der hohen Kammer, ſo des Erz- biſchofs von Bamberg, des Fürſten Löwenſtein-Freudenberg, des Grafen Waldbott- Baſſenheim, des Grafen Ortenburg ꝛc. genehmigt. Darmſtadt, 11 Jan. Die „Darmſt. Ztg.“ zeigt heute amtlich an daß der Großherzog den wirklichen Geheimrath Heinrich v. Gagern auf ſein Nachſuchen und unter Anerkennung ſeiner treuen und vorzüglichen Dienſte, ſowie unter Ver- leihung des Großkreuzes des Ludwigs-Ordens in ſeiner Eigenſchaft als außeror- dentlicher Geſandter und bevollmächtigter Miniſter am öſterreichiſchen Hofe in den Ruheſtand verſetzt habe. (Schw. M.) Berlin, 12 Jan. Die „N. A. Z.“ ſchreibt: „Prinz Reuß hat am 4 d. M. in ſeiner nunmehrigen Eigenſchaft als Botſchafter am kaiſerlich ruſſiſchen Hofe, nachdem er ſein Beglaubigungsſchreiben dem Kaiſer überreicht und dann bei dem Großfürſten-Thronfolger und deſſen Gemahlin in beſonderer Audienz empfangen worden, gemäß der beſtehenden Etikette die dortige officielle Welt bei ſich geſehen. Der Beſuch war ganz beſonders zahlreich. Sämmtliche Miniſter und hohen Wür- denträger der Krone waren erſchienen. Der Großfürſt-Thronfolger und die Frau Großfürſtin hatten einen Adjutanten beſonders beauftragt ihre Grüße und Glück- wünſche zu der neuen Stellung dem Prinzen zu übermitteln. Das „J. de St. Pétersbourg“ widmet der Ceremonie des Empfangs freundliche Worte. Es hebt hervor daß der Botſchafter Deutſchlands und die Geſellſchaft von St. Petersburg einander ſeit längerer Zeit bekannt ſind, und daß, wenn die Beeiferung, den Prin- zen begrüßen zu kommen, groß war, dieß der Fall geweſen iſt, weil alle Welt dar- auf hielt bei dieſer Gelegenheit dem würdigen Vertreter Sr. Maj. des Kaiſers Wilhelm Sympathie und Ehrerbietung zu bezeugen.“ Dresden, 12 Jan. Die zweite Kammer beſchloß die Frage: ob die von der Synode beſchloſſene Einſetzung eines Landes-Conſiſtoriums ohne Zuſtimmung der Stände rechtsgültig ſei, durch eine Deputation prüfen zu laſſen. Die Berathung des Patronatsgeſetzes, welches auf der heutigen Tagesordnung der zweiten Kammer ſtand, iſt bis zum Austrag der Frage wegen des Landes-Conſiſtoriums vertagt worden. (T. N.) ☉ Athen, 6 Jan. Heute Morgens legte das neue Miniſterium ſeinen Dienſteid ab und beendigte dadurch die Kriſis. Als vor 12 Tagen das Miniſterium Zaïmis in der erſten Sitzung der Kammer ſeine Mehrheit eingebüßt hatte, begab ſich, wie wir ſchon berichteten, der Cabinetspräſident Zaïmis zum König, und ver- langte entweder ſeine Entlaſſung oder die Auflöſung der Kammer. Der König, dem einerſeits die Einhaltung der Verfaſſung, andrerſeits aber das Wohl ſeines Volkes am Herzen liegt, konnte ſich nicht ſogleich dazu bequemen eine mit ſo vielen Ausgaben und Störungen im öffentlichen Leben verbundene Auflöſung des geſetz- gebenden Körpers zu gewähren, und nahm einſtweilen nur Notiz von des Präſiden- ten Verlangen. Er war bemüht einen Mittelweg ausfindig zu machen, wodurch es den drei der vier beſtehenden Kammerparteien unmöglich gemacht werden ſollte die vierte zur Regierung berufene mit vereinten Kräften zu ſtürzen. Während dieſer Zeit war das Miniſterium ſelbſt in Ungewißheit über ſeine Zukunft, erſchien in der Kammer und legte derſelben ſogar den Haushalts-Etat für 1872 vor, der — beiläufig geſagt — ein Deficit von mehr als 3 Millionen Drachmen aufweist. Der Finanzminiſter Th. Delijannis reichte 32 Geſetzvorſchläge ein, und unter- ließ dabet nicht das Miniſterium Kumunduros in vielen Punkten zu kritiſiren. In jener Kammerſitzung interpellirte Lombardos die Regierung: ob ſie als ſolche noch beſtehe, worauf in der nächſten Sitzung Zaïmis erklärte: er habe ſein Portefeuille niedergelegt und der König ſeinen Nücktritt gutgeheißen. Es war dieß an jenem Tage wirklich erfolgt, da es den Bemühungen des Königs gelungen war, was bisher für unmöglich gegolten hatte, die Parteien Kumunduros und Bulgaris mit- einander auszuſöhnen und zu vereinigen. Der dritte Fractionschef, Deligeorgis, an den auch der Antrag ergangen war an dieſer Vereinigung theilzunehmen, wei- gerte ſich mit den beiden übrigen Parteien in Verbindung zu treten. Seit vorigem Dienſtag nun iſt Bulgaris, der den Auftrag erhalten hatte ein neues Cabinet zu bilden, beſchäftigt geweſen dasſelbe zur Hälfte aus ſeinen Anhängern, zur andern Hälfte aus Kumunduriſten zuſammenzuſetzen, und heute trat denn das neue Miniſterium ſeinen Dienſt an. Es iſt wie folgt zuſammengeſetzt: Bulgaris, Präſident und Miniſter des Aeußern; Nikolopulos, deſſen Schwiegerſohn, Miniſter des Innern; Drakos (deſſen Sohn bei Sedan tödtlich ver- wundet worden war), Kriegsminiſter; Papamichalopulos, Finanzminiſter. Dieſe Herren ſind Anhänger Bulgaris, während die folgenden zur Partei Kum- munduros gehören: Bubulis, Marineminiſter, Notaras, für Cultus und Unterricht, und Dr. Agamemnon Metaxas (Deputirter von Cephalonien, ein in Heidelberg aus- gebildeter Juriſt), Juſtizminiſter. Obwohl von vornherein nicht vorauszuſehen iſt welche Politik das neue, aus dieſer Combination hervorgegangene Miniſterium wandeln wird, ſo herrſcht doch eine allgemeine Zufriedenheit über die Gewißheit daß nunmehr in der Kammer ſtatt vier Parteien nur deren zwei ſich gegenüber ſtehen werden, indem anzunehmen iſt daß Deligeorgis ſich jetzt mit Zaïmis verbin- den wird. So viel bis jetzt verlautet, ſteht es feſt daß das neue Miniſterium die Auf- löſung der Kammer in der Taſche hat, daß es aber davon erſt Gebrauch machen wird ſobald die Kammer offenſive Gelüſte gegen dasſelbe laut werden laſſen will. Nach andern wird die Negierung übermorgen, Montag, in der Kammer erſcheinen, verſchiedene Credite verlangen und ſodann die Auflöſung derſelben decretiren. (Dieſelbe iſt mittlerweile erfolgt. D. R.) — Dem König iſt von Seite des Königs von Spanien das goldene Vließ durch den ſpaniſchen Bevollmächtigten Gaspard verliehen worden. New-York, 10 Jan. Die Legislatur von Ohio hat Hr. John Sherman als Senator wiedergewählt. (T. N.) Calcutta, 9 Jan. General Bourchier telegraphirt vom 4 Januar: Weitere ſieben Meilen nach Oſten vorgerückt. Die Anhöhen ſind ſehr ſteil und Waſſer iſt rar, aber eine Anzahl von Looſchais kam mit Geflügel und Gemüſe ins Lager um Salz dagegen einzutauſchen. Sie ſind höflich und ſtill, und keines- wegs die Wilden für welche man ſie gehalten hat. (T. N.) Calcutta, 10 Jan. Der Vicekönig traf am Montag Morgen im Lager von Delhi ein. Er wurde vom ſtellvertretenden Gouverneur des Pendſchab, dem Maharadſchah Scindia und andern eingeborenen Häuptlingen empfangen. Eine Pa- rade mit 1500 Mann Truppen fand ſtatt. Darauf folgten Feldmanöver, welche jeden Tag wiederholt werden ſollen. Der König von Siam iſt in Calcutta einge- troffen. Die Woche wird mit Feſtlichkeiten hingehen. (T. N.) Induſtrie, Handel und Verkehr. Berlin, 12 Jan. Die Börſe begann heute feſt, wurde aber ſpäter durch Rea- liſationen etwas gedrückt, doch erſtreckte ſich dieß nur auf einzelne Papiere, und nur wenige waren im Curſe niedriger. Lebhaft waren wieder Papier- und Silberrente. Auch Fran- zoſen und Credit waren ziemlich belebt. Eiſenbahnen waren feſt, zum Theil höher, die Hauptdeviſen, auch Limburg-Lütticher und Vereinigte Schweizer in gutem Verkehr. Von Barken waren Maklerbanken beledt, auch Darmſtädter, Union, Mecktenburger, Prov. Dis- conto, Disconto belebt; ſehr belebt waren auch Gewerbebank Schuſter, welche ſtark in die Bewegung eingreifen und das Verſänmte nachholen zu wollen ſcheinen. Induſtriepapiere waren ſtill, aber feſt. Inländ. und deutſche Fonds lebhaft; Prioritäten feſt, öſterr. belebt, beſonders Kaſchau-Oderb., 3½, 4- und 4½proc. inländiſche zum Theil höher, ruſſ. ſtill. Breſt-Grajewo-Prior. 80½ bezahlt und Geld. Der Erſcheinungstag der 4½proc. Boden- Credit-Pfandbriefe iſt heute. Wien, 12 Jan. Die dem Reichsrath vorzulegende Regierungsvorlage betreffs Abänderung des §. 14 der Statuten der Nationalbank beftimmt daß jener Betrag, um welgen die Summe der umlaufenden Noten 200 Mill. Gulden überſteigt, in Silber oder Gold gemünzt, oder in Barren vorhanden ſein müſſe, und daß ebenſo jener Betrag um welchen die umlaufenden Noten zuzüglich der in der Nationalbank befindlichen fremden Gel- der den vorhandenen Baarvorrath überſteigen, mit escomptirten oder beliehenen Eſſecten oder mit Wechſeln auf auswärtige Plätze gedeckt ſein müſſe. (T. N.) London, 12 Jan. Unſere Actienbanken haben ihre Dividenden erklärt, und zwar: die London and Weſtminſter 9% pr. halbes Jahr, mit einem Saldo von 1700 Pfd. Sterl.; die Union 10% mit einem Saldo von 31,949 Pf. St.; die Alliance 2½% mit einem Saldo von 8375 Pf. St., und die United Discount Corporation 4½% mit einem Saldo von 4310 Pf. St. Fondsbörſe matt, zumal für Spanier, wegen der wieder- auftauchenden Frage der Conponbeſteuerung; Notirung wich ¼. Telegraphiſche Curs- und Handelsberichte. (*) Lindan, 13 Jan. Die Stimmung iſt anhaltend flan. Hoch prima ungari- ſcher Weizen etwas belebter. Tendenz: weichend. Prima ungariſcher Weizen 36—36¾. feinſte Sorten 37—37½. (*) Berlin, 13 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht) Roggen per Jan. 56½. per Januar-Februar 56⅜, per April-Mai 56½, per Mai-Juni 56¾. — Weizen per Jan. 79, per April-Mai 80½ — Rüböl per Jan. 27[FORMEL], per April-Mai 28⅙. — Spiritus per Jan. 23.11, per April-Mai 23.25. Wetter: Froſt. (*) Köln, 13 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen matt, hieſiger loco 9, fremder loco 8.5, per März 8.4, per Mai 8.6½, per Juli 8.8½. Roggen matt. loco 6.7½, per März 6.20½, per Mai 5.25, per Juli 5.27. Wetter: klar. (*) Hamburg, 13 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht.) Weizen loco feſt, auf Termine mait, per Jan.-Febr. 160, per Febr.-März 163, per April-Mai 165. Roggen loco feſt, auf Termine matt, per Jan.-Febr. 112½, per Febr.-März 113, April-Mai 114. Hafer ruhig. Gerſte ruhig. * London, 13 Jan. Eröffnungscurſe. 3proc. Cenſols 92¾, 1882er Amerikaner 92⅛, Türken 50 ex, Spanier 31[FORMEL]. * Liverpool, 13 Jan. Anfangsbericht. Muthmaßlicher Umſatz 30,000 B., Tendenz- theurer. Tagesimport 4000 B. * Paris, 13 Jan. Eröſſnungscurſe. 3proc. Rente 56.40, 5proc. Anl. 91.45, öſterr.-franz. Staatsbahn 902, Lombarden —, 5proc. ital. Anl. 68.40, Türken 51 10. Feſt. * Paris, 13 Jan. Schlußcurſe. 5proc. Anl. 91.22, 4½proc. Rente 81.25, 3proc. Rente 56.35, Credit nonveau 515, Staatsbahn —, Lombarden 482, 5proc. Italiener 68.30, 1882er Amerikaner 106.12, Spanier 32¼, Türken 51.40, Pariſer Anleihe 255, Crédit foncier 937. Wechſel: Frankfurt 215½, London 25.56. Goldagio per Mille 7. Unentſchieden, (*) Paris, 13 Jan. Productenmarkt. (Schlußbericht.) Mehl 8 Marken per Jan 80, per März-April 82, per Mai-Aug. fehlt. Tendenz: matt. Rüböl per Jan. 106.50, vom März-April 106, vom Mai-Aug. 105. Zucker 69.25. Tendenz: ſtill.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1872/13>, abgerufen am 03.12.2024.