Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872.[Spaltenumbruch]
also würden beide Möglichkeiten foctbestehen. Haben wir aber auch die Klippen der Auch beim Sammeln der Inschriften ist manche Vorsicht und Rücksicht noth- [fremdsprachliches Material - 8 Wörter fehlen] trotz der nicht einmal fehlerlosen Accentsetzung u. a. von Villoison für alt gehalten [fremdsprachliches Material - 7 Wörter fehlen] Also Arbeit die Hülle und Fülle liegt einem Sammler und Herausgeber der Die Dipinti haben von allem Anfang an Beachtung gefunden, und sehr viele Ueber die Einrichtung und Ausstattung dieses Werkes verlieren wir kein Wer den trefflichen Plan des jetzt sichtbaren Pompei, welcher dem Werk Neueste Posten. : München, 13 Jan. Wie wir vernehmen, hat Se. Maj. der König München, 13 Jan. Nächste Woche soll die Beschwerde des Bischofs D München, 12 Jan. Ein Viertelstündchen Inquisitionsluft ist gar *) Im Sigl'schen "Vaterland" Nr. 7 vom 9 Jan. steht auf Seite 25 buchstäblich folgendes zu
lesen: Daß Dönniges ein Hauptfreimaurer war, brauchen wir nicht zu sagen. Da wir an eine göttliche Gerechtigkeit glauben, und da "nichts unreines," nämlich kein Frei- mam er u. dgl., in den Himmel eingehen kann, so sind wir der Meinung daß den Hrn. Dönniges zweifelsohne der Teufel geholt haben wird. Wir sind auch hierin mit dem Teufel völlig einverstanden, und wünschten nur daß er fleißiger an der Arbeit wäre. [Spaltenumbruch]
alſo würden beide Möglichkeiten foctbeſtehen. Haben wir aber auch die Klippen der Auch beim Sammeln der Inſchriften iſt manche Vorſicht und Rückſicht noth- [fremdsprachliches Material – 8 Wörter fehlen] trotz der nicht einmal fehlerloſen Accentſetzung u. a. von Villoiſon für alt gehalten [fremdsprachliches Material – 7 Wörter fehlen] Alſo Arbeit die Hülle und Fülle liegt einem Sammler und Herausgeber der Die Dipinti haben von allem Anfang an Beachtung gefunden, und ſehr viele Ueber die Einrichtung und Ausſtattung dieſes Werkes verlieren wir kein Wer den trefflichen Plan des jetzt ſichtbaren Pompeï, welcher dem Werk Neueſte Poſten. : München, 13 Jan. Wie wir vernehmen, hat Se. Maj. der König ᷅ München, 13 Jan. Nächſte Woche ſoll die Beſchwerde des Biſchofs Δ München, 12 Jan. Ein Viertelſtündchen Inquiſitionsluft iſt gar *) Im Sigl’ſchen „Vaterland“ Nr. 7 vom 9 Jan. ſteht auf Seite 25 buchſtäblich folgendes zu
leſen: Daß Dönniges ein Hauptfreimaurer war, brauchen wir nicht zu ſagen. Da wir an eine göttliche Gerechtigkeit glauben, und da „nichts unreines,“ nämlich kein Frei- mam er u. dgl., in den Himmel eingehen kann, ſo ſind wir der Meinung daß den Hrn. Dönniges zweifelsohne der Teufel geholt haben wird. Wir ſind auch hierin mit dem Teufel völlig einverſtanden, und wünſchten nur daß er fleißiger an der Arbeit wäre. <TEI> <text> <body> <div> <p> <floatingText> <body> <div type="jCulturalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0012" n="204"/><cb/> alſo würden beide Möglichkeiten foctbeſtehen. Haben wir aber auch die Klippen der<lb/> einzelnen Wortformen glücklich umſchifft, ſo paſſirt es uns leicht daß wir in dem<lb/> Sumpfe der Wortfügung und Redewendung ſtecken bleiben, wovon Nr. 1410 ein<lb/> gutes Beiſpiel liefert. Und wiederum kann der ſprachliche Sinn ganz unzweifelhaft<lb/> ſein, und wir dringen nur mit Mühe zum Verſtändniß des Sachlichen durch. Da-<lb/> bei ſind uns die Inſchriften ſelbſt, indem wir ſie unter einander vergleichen, von<lb/> weit größerem Nutzen als die alten Schriftſteller; umgekehrt dient gelegentlich eine<lb/> Inſchrift zur Verbeſſerung eines Schriftſtellertertes, wie aus Nr. 538 in der der Gla-<lb/> diatorenname Tetraites, ſtatt des handſchriftlichen Petraites, bei Petronius geſetzt<lb/> worden iſt. In einzelnen Fällen kann die Sache ganz ſo die Sprache aufklären wie<lb/> die Sprache die Schrift. Ob z. B. in Nr. 1136 <hi rendition="#aq">nongentum (tabernæ)</hi> Nominativ<lb/> oder Genitiv, iſt mehr eine archäologiſche als eine grammatiſche Frage.</p><lb/> <p>Auch beim Sammeln der Inſchriften iſt manche Vorſicht und Rückſicht noth-<lb/> wendig. Scharfes Umherſpähen, damit nichts verborgen bleibe, verſteht ſich von<lb/> ſelbſt. Da jedoch oft Inſchriften von ganz gleichem oder ſehr ähnlichem Inhalt<lb/> nahe neben einander erſcheinen, ſo kann ein Unachtſamer leicht eine von dieſen In-<lb/> ſchriften entweder gar nicht oder doppelt abſchreiben. Ferner hüte man ſich mög-<lb/> lichſt — denn zweifelhaftes bleibt immer — verſchiedene Inſchriften zu einer ein-<lb/> zigen zu verbinden, oder andrerſeits eine Inſchrift in zwei oder mehrere aufzulöſen.<lb/> Endlich ſei einer Gefahr gedacht welche man hier nicht vermuthen ſollte, nämlich<lb/> der: Inſchriften als pompejaniſch anzuſehen welche es nicht ſind, d. h. welche nicht<lb/> einen alten Pompejaner, ſondern einen neuen Beſucher der Trümmerſtadt zum Ur-<lb/> heber haben. Daß der Anblick ſo zahlreicher Kritzeleien auf ſchon dazu disponirte<lb/> Fremde und Einheimiſche anſteckend wirkt, darf nicht wundernehmen; iſt uns doch<lb/> im kleinen Theater ſelbſt der Name des Herausgebers der „Pompejana“ zu Geſicht<lb/> gekommen. Wohl aber dürfte die Verwechslung ſolcher modernen Graffiti (beſon-<lb/> ders in den zuerſt ausgegrabenen Häuſern) mit den Graffiti des Alterthums be-<lb/> fremden. Allein der Unterſchied ſpringt keineswegs immer ſcharf in die Augen, und<lb/> ſogar Zangemeiſters wachſamem Blick iſt ein gewiſſer Vincenzo Mojorino oder ähn-<lb/> lich (Nr. 1592<hi rendition="#aq">a</hi>) in der ehrwürdigen Geſellſchaft der Holconier und Popidier hin-<lb/> durchgeſchlüpft. Weniger verzeihlich iſt es daß folgendes Dipinto, welches im vorigen<lb/> Jahrhundert ein Engländer auf einer Wand von Herculaneum angebracht hatte:</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <gap reason="fm" unit="words" quantity="8"/> </hi> </p> <p>trotz der nicht einmal fehlerloſen Accentſetzung u. a. von Villoiſon für alt gehalten<lb/> wurde. 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Allein der Werth<lb/> des darüber Veröffentlichten ſteht in keinem Verhältniß zur Maſſe desſelben, und<lb/> mögen ſelbſt die Fehler und Fehlgriffe der Vorgänger in gewiſſer Beziehung der<lb/> Genauigkeit und Sorgfalt des abſchließenden Werkes zu gute gekommen ſein, ſo<lb/> iſt doch dieſe Arbeit dadurch nicht vereinfacht und verkürzt worden, ſondern hat im<lb/> Gegentheil einen höchſt mühſeligen und oft verdrießlichen Zuwachs erhalten. Müh-<lb/> ſelig iſt es ſich durch eine weit verſtreute Literatur hindurchſchlagen zu müſſen, und<lb/> verdrießlich ſich mit Schwierigkeiten abzuquälen die nicht in der Sache ſelbſt, ſon-<lb/> dern in der Veſchaffenheit der Brillen liegen durch welche ſie betrachtet worden iſt.<lb/> Denn hätten die früheren Abſchriften bloß eine formelle Bedeutung, ſo würde man<lb/> ſie, wo ſie ſich dazugeeignet zeigen, als Trittſtufen benutzen und nach gethanem Dienſte<lb/> beiſeite legen. Aber ſie haben vielfach auch eine ſtoffliche Bedeutung, indem ent-<lb/> weder die Inſchriften ſelbſt gänzlich untergegangen oder ſtark beſchädigt und ver-<lb/> blichen ſind, ſo daß andere mehr und beſſer leſen konnten als wir; ja es empfiehlt<lb/> ſich im allgemeinen, da wo bis heute keine zweifelloſe Leſung erreicht worden iſt, die<lb/> Anmerkung der verſchiedenen Lesarten. Um nur wiederum ein Urtheil über die<lb/> Zuverläſſigkeit oder vielmehr über die Tranſcriptionsweiſe anderer, überhanpt für<lb/> ſolche Fälle in denen wir ſie nicht unmittelbar controliren können, zu gewinnen,<lb/> müſſen wir ſie an noch vorhandenen Inſchriften prüfen. Dabei iſt oft das ſchwie-<lb/> rigſte eine Inſchriftcopie mit einer anderen oder mit der Inſchrift ſelbſt zu identi-<lb/> ficiren, nicht nur wegen der außerordentlichen Abweichungen der Lesarten von einan-<lb/> der (ſo daß zuweilen ſo gut wie keine Aehnlichkeit beſteht), ſondern auch wegen des<lb/> veränderten Umfangs (durch Verſchmelzung nicht zuſammengehöriger Inſchriften),<lb/> hauptſächlich aber wegen Unterlaſſung der Fundortsangabe.</p><lb/> <p>Die Dipinti haben von allem Anfang an Beachtung gefunden, und ſehr viele<lb/> jetzt zerſtörte ſind uns in den verſchiedenen Ausgrabungsberichten erhalten, und in-<lb/> ſofern auch wirklich erhalten als in dieſen von Ungelehrten mechaniſch, aber gewiſ-<lb/> ſenhaft genommenen Abſchriften das Wahre weit deutlicher durchblickt, als in denen<lb/> anderer welche mehr verſtehen wollten als ſie konnten. Hingegen wurden die<lb/> Graffiti lange Zeit hindurch vernachläſſigt, und eine große Anzahl iſt uns ſpurlos<lb/> verloren gegangen. Schon 1792 und 1793 hatte Chr. Th. v. Murr, freilich mit<lb/> wenig Glück, eine Reihe von Graffiti herausgegeben; aber erſt faſt ein halbes<lb/> Jahrhundert ſpäter (1837) veranlaßte ein Engländer, Chr. Wordsworth, durch<lb/> eine kleine aber geſchickte Auswahl ſolcher, und wohl nicht am wenigſten durch die<lb/> hübſch geſchriebene Erläuterung dazu, daß man von nun an dieſen Inſchriften eine<lb/> regere Aufmerkſamkeit zuwandte. Leider war der einzige der in der Folgezeit mit<lb/> einer umfaſſenden Sammlung derſelben hervortrat, R. Garrucci (1854, 1856),<lb/> dieſem Unternehmen ſo wenig gewachſen, daß er mehr Schaden und Verwirrung<lb/> als Nutzen ſtiftete. Im Jahr 1865 erhielt Zangemeiſter, der gerade in Rom die<lb/> palatiniſchen Graffiti ſtudiert hatte, den Auftrag für das <hi rendition="#aq">Corpus inscriptionum<lb/> lalinarum</hi> der Berliner Akademie die pompejaniſchen Graffiti und Dipinti, welche<lb/> wegen ihrer Eigenart in einem beſondern Band erſcheinen ſollten, zu bearbeiten.<lb/> Er brachte vier Monate desſelben Jahres mit dem Abſchreiben der Inſchriften zu<lb/> Pompeï zu, und kehrte, als die Sammlung im Druck ſchon gefchloſſen war, 1868<lb/><cb/> auf kurze Zeit dahin zurück, um nicht nur das neu ans Tageslicht Getretene mit<lb/> aufzunehmen, ſondern auch das Alte nochmals zu vergleichen und Ueberſehenes<lb/> nachzutragen. Die Zahl der von Zangemeiſter veröffentlichten Inſchriften beträgt<lb/> nahe an 3000; dazu kommen noch in einer beſondern Abtheilung über 300 auf<lb/> Thongefäßen befindliche, von N. Schöne herausgegeben (mit 7 Tafeln).</p><lb/> <p>Ueber die Einrichtung und Ausſtattung dieſes Werkes verlieren wir kein<lb/> Wort. Bekanntlich hat Th. Mommſen, Meiſter wie er iſt, den Veröffentlichungen<lb/> aus welchen ſich das <hi rendition="#aq">C. I. L.</hi> zuſammenſetzt, den Grundriß vorgezeichnet, und in<lb/> ihnen entfaltet ſich etwas wie der Comfort jener großartigen Gaſthöfe in denen<lb/> jedes nur denkbare Bedürfniß vorgeſehen iſt. In vorliegendem Band iſt aus be-<lb/> ſonderer Rückſicht noch ein Beſonderes geſchehen. Freilich ſchien es auch faſt als<lb/> ob über dem Auf-und Ausbau dieſes Inſchriftengebäudes Zangemeiſter dazu kom-<lb/> men ſollte die Vorſchrift ſeines Lieblingsdichters zu erfüllen: <hi rendition="#aq">nonum prematur<lb/> in annum.</hi></p><lb/> <p>Wer den trefflichen Plan des jetzt ſichtbaren Pompeï, welcher dem Werk<lb/> angehängt iſt, betrachtet, und darauf das Forum, die verſchiedenen großen Tempel,<lb/> die Baſilika, die beiden Theater u. ſ. w. wahrnimmt, möchte |glauben daß das<lb/> Weſentliche gethan ſei. Der kleine Seitenplan aber wird ihn überzeugen daß der<lb/> noch zu hebende Schatz den ſchon gehobenen an Maſſe weit übertrifft. Ob auch<lb/> an Werth, läßt ſich nicht vorausſagen. Wir müſſen in Geduld Spatenſtich um<lb/> Spatenſtich abwarten; denn beſäßen wir auch eine Wünſchelruthe, die nur auf das<lb/> Köſtlichſte hinwieſe, der verſtändige Mann, der jetzt die Auferſtehung Pompeï’s<lb/> überwacht, würde ſchwerlich ihren Winken Folge leiſten. So bleiben uns nur Wün-<lb/> ſche, und um nicht mit vergeblichen zu enden, wünſchen wir: es möchte wiederum,<lb/> neben ſolchen Inſchriften die dem Vergnügungsplänkler ein offenes und verſtänd-<lb/> liches Willkommen bieten, und neben ſolchen die nur dem ſchweren und kunſtreichen<lb/> Angriff der Wiſſenſchaft ſich erſchließen, auch eine und die andere ans Licht geför-<lb/> dert werden an welcher der Scharfſinn ſich alle Zähne ausbeißt, damit doch etwas<lb/> räthſelhaftes an dieſen zweitauſendjährigen Mauern haften bleibe, und unſer<lb/> übermüthiges Jahrhundert nicht (mit dem Syrus im Heautontimorumenos) wähne:<lb/><hi rendition="#aq">Nil tam diſſicile est, quin quaerendo investigari possiet.</hi></p><lb/> <dateline><hi rendition="#g">December</hi> 1871.</dateline> <byline> <hi rendition="#g">Hugo Schuchardt.</hi> </byline> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Neueſte Poſten.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">: München,</hi> 13 Jan.</dateline> <p>Wie wir vernehmen, hat Se. Maj. der König<lb/> der Frau des in Rom verſtorbenen Geſandten v. Dönniges ein Condolenzſchreiben<lb/> zuſtellen laſſen. — Der k. Reichsrath und Präſident des proteſtantiſchen Ober-<lb/> conſiſtoriums, v. Harleß, hat von dem Deutſchen Kaiſer das Eiſerne Kreuz 2. Claſſe<lb/> erhalten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>᷅ <hi rendition="#b">München,</hi> 13 Jan.</dateline> <p>Nächſte Woche ſoll die Beſchwerde des Biſchofs<lb/> von Augsburg über Verfaſſungsverletzung (angeblich durch die Cultusminiſterial-<lb/> entſchließung vom 27 Febr. v. J. in der Meringer Angelegenheit begangen) in der<lb/> Abgeordnetenkammer zur Verhandlung kommen. Welche Antwort die Regierung<lb/> auf die von ultramontaner Seite gegen ſie erhobenen Anſchuldigungen geben wird,<lb/> iſt aus der geſtrigen Antwort des Miniſters v. Lutz auf die Rußwurm’ſche Inter-<lb/> pellation unſchwer zu entnehmen: gegenüber dem Verlangen daß Ausſprüche der<lb/> Hierarchie in kirchlichen Dingen eine abſolut bindende Norm für die Regierungen<lb/> in allem was nur entfernt die Kirche berührt, ſein ſollen, wird die Negierung einfach<lb/> auf ihrem durch die Erklärung vom 14 Oct. v. J. präciſirten Standpunkt beharren,<lb/> wonach ſie in das Gebiet der Gewiſſen einzugreifen ſich hütet, aber auf dem Gebiet wo<lb/> die kirchlichen Anordnungen auch weltliche Intereſſen berühren, ſich ihr eigenes Urtheil<lb/> nach Maßgabe der bürgerlichen Geſetze zu bilden und darnach zu handeln ſich vor-<lb/> behält. Treten die Ultramontanen in der Debatte nicht mit mehr Geſchick auf als<lb/> es geſtern Hr. Rußwurm in ſeiner Interpellation that, ſo wird ihr oratoriſcher<lb/> Erfolg ein ſehr ſchlechter ſein — und der iſt ja eigentlich das einzige was ſie mit<lb/> der Debatte bezwecken; denn eine Aenderung und reſp. Zurücknahme der Regierungs-<lb/> verfügungen in <hi rendition="#g">ihrem</hi> Sinne zu erwirken das hoffen die Klerikalen im Ernſt ſelbſt<lb/> nicht. Hätte Biſchof v. Dinkel die Stimmung der Reichsrathskammer als eine<lb/> ſeiner Beſchwerde günſtige erkannt, ſo würde er letztere ſicher nicht in die Abgeord-<lb/> netenkammer gebracht haben. Es geſchah weil die ultramontanen Koryphäen des<lb/> parlamentariſchen Feuerwerks in letzterer nicht verluſtig gehen wollten, welches ſie<lb/> ſehr nöthig haben um das ſinkende Vertrauen ihrer Anhänger wieder aufzurichten.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <dateline>Δ <hi rendition="#b">München,</hi> 12 Jan.</dateline> <p>Ein Viertelſtündchen Inquiſitionsluft iſt gar<lb/> keine ſchlechte Abwechſelung für den der die Atmoſphäre des hieſigen Landtags-<lb/> ſaales längere Zeit zu genießen hat. Und nicht wenig ketzerrichterlich wehte es<lb/> einen an als heute Vormittag Hr. Antonius Rußwurm, Pfarrer von Theuern bei<lb/> Amberg, vortrat, um jenen (<hi rendition="#aq">istum</hi>) Miniſter, in deſſen Departement Sacrilegien<lb/> einſchlagen, ins Gebet zu nehmen. Den Eingang bildete ein kleines Todtengericht<lb/> über den verſtorbenen Melber Zunner, zwar nicht ſo grauſam wie das jüngſt vom<lb/> „Vaterland“ über Hrn. v. Dönniges gehaltene,<note place="foot" n="*)">Im Sigl’ſchen „Vaterland“ Nr. 7 vom 9 Jan. ſteht auf Seite 25 buchſtäblich folgendes zu<lb/> leſen: Daß Dönniges ein Hauptfreimaurer war, brauchen wir nicht zu ſagen. Da wir<lb/> an eine göttliche Gerechtigkeit glauben, und da „nichts unreines,“ nämlich kein Frei-<lb/> mam er u. dgl., in den Himmel eingehen kann, ſo ſind wir der Meinung daß den<lb/> Hrn. Dönniges zweifelsohne der Teufel geholt haben wird. Wir ſind auch hierin mit<lb/> dem Teufel völlig einverſtanden, und wünſchten nur daß er fleißiger an der Arbeit wäre.</note> aber immerhin ſtreng genug.<lb/> Zunner habe ſich aus der katholiſchen Kirche ſelbſt ausgeſchloſſen, und ſich jeden<lb/> Anſpruches auf ihre Gnadenmittel begeben. Warum? Weil er gegen die Decrete<lb/> des vaticaniſchen Concils Oppoſition machte. <hi rendition="#aq">Quod erat demonstrandum.</hi> Ein<lb/> unwillkürliches „Hm!“ links vom Todtenrichter veranlaßte denſelben zu der ener-<lb/> giſchen Weiſung: Jch bitte mich nicht zu unterbrechen! Wenn ihn ſchon ein ganz<lb/> leiſes Summen „unterbrichi,“ wie reizbar müſſen die Nerven des ſonſt ſo robuſt<lb/> ausſehenden Mannes geworden ſein! Die Fibration des Jnterpellationsmanu-<lb/> ſcripts und ſein ſtellenweiſe kurzer Athem gab in der That zu erkennen daß ein<lb/> fürchterliches Ereigniß vorliegt. Päpſte, Kaiſer, Könige, Völker und Regierungen<lb/> haben die Beſchlüſe von ſo und ſo viel Concilien ſchon ignorirt, modiſicirt und<lb/> total verworfen, ohne aufzuhören katholiſch zu ſein; ſelbſt in neueſter Zeit haben<lb/> auf Freiers Füßen oder zu Gevatter ſtehende bayeriſche Staatsbürger ſich ihren<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </p> </div> </body> </text> </TEI> [204/0012]
alſo würden beide Möglichkeiten foctbeſtehen. Haben wir aber auch die Klippen der
einzelnen Wortformen glücklich umſchifft, ſo paſſirt es uns leicht daß wir in dem
Sumpfe der Wortfügung und Redewendung ſtecken bleiben, wovon Nr. 1410 ein
gutes Beiſpiel liefert. Und wiederum kann der ſprachliche Sinn ganz unzweifelhaft
ſein, und wir dringen nur mit Mühe zum Verſtändniß des Sachlichen durch. Da-
bei ſind uns die Inſchriften ſelbſt, indem wir ſie unter einander vergleichen, von
weit größerem Nutzen als die alten Schriftſteller; umgekehrt dient gelegentlich eine
Inſchrift zur Verbeſſerung eines Schriftſtellertertes, wie aus Nr. 538 in der der Gla-
diatorenname Tetraites, ſtatt des handſchriftlichen Petraites, bei Petronius geſetzt
worden iſt. In einzelnen Fällen kann die Sache ganz ſo die Sprache aufklären wie
die Sprache die Schrift. Ob z. B. in Nr. 1136 nongentum (tabernæ) Nominativ
oder Genitiv, iſt mehr eine archäologiſche als eine grammatiſche Frage.
Auch beim Sammeln der Inſchriften iſt manche Vorſicht und Rückſicht noth-
wendig. Scharfes Umherſpähen, damit nichts verborgen bleibe, verſteht ſich von
ſelbſt. Da jedoch oft Inſchriften von ganz gleichem oder ſehr ähnlichem Inhalt
nahe neben einander erſcheinen, ſo kann ein Unachtſamer leicht eine von dieſen In-
ſchriften entweder gar nicht oder doppelt abſchreiben. Ferner hüte man ſich mög-
lichſt — denn zweifelhaftes bleibt immer — verſchiedene Inſchriften zu einer ein-
zigen zu verbinden, oder andrerſeits eine Inſchrift in zwei oder mehrere aufzulöſen.
Endlich ſei einer Gefahr gedacht welche man hier nicht vermuthen ſollte, nämlich
der: Inſchriften als pompejaniſch anzuſehen welche es nicht ſind, d. h. welche nicht
einen alten Pompejaner, ſondern einen neuen Beſucher der Trümmerſtadt zum Ur-
heber haben. Daß der Anblick ſo zahlreicher Kritzeleien auf ſchon dazu disponirte
Fremde und Einheimiſche anſteckend wirkt, darf nicht wundernehmen; iſt uns doch
im kleinen Theater ſelbſt der Name des Herausgebers der „Pompejana“ zu Geſicht
gekommen. Wohl aber dürfte die Verwechslung ſolcher modernen Graffiti (beſon-
ders in den zuerſt ausgegrabenen Häuſern) mit den Graffiti des Alterthums be-
fremden. Allein der Unterſchied ſpringt keineswegs immer ſcharf in die Augen, und
ſogar Zangemeiſters wachſamem Blick iſt ein gewiſſer Vincenzo Mojorino oder ähn-
lich (Nr. 1592a) in der ehrwürdigen Geſellſchaft der Holconier und Popidier hin-
durchgeſchlüpft. Weniger verzeihlich iſt es daß folgendes Dipinto, welches im vorigen
Jahrhundert ein Engländer auf einer Wand von Herculaneum angebracht hatte:
________
trotz der nicht einmal fehlerloſen Accentſetzung u. a. von Villoiſon für alt gehalten
wurde. Es ſoll dieſes Citat aus dem Curipides ſchon 1743 gefunden worden ſein;
ſtammte es aus ſpäterer Zeit, ſo könnte man darin einen ähnlichen Vorwurf erblicken
gegen „die vielen Hände“ welche die Wände des ausgegrabenen Theaters von Hercu-
aneum beſchmiert hatten, wie in dem bekannten Graffito des Palatin enthalten iſt:
_______
Alſo Arbeit die Hülle und Fülle liegt einem Sammler und Herausgeber der
pompejaniſchen Wandinſchriften ob. Aber, wird man fragen, iſt nicht ein großer
Theil der Arbeit ſchon von andern gethan? Allerdings würde ein erſter Verſuch
nicht von ſolchem Erfolge gekrönt ſein; ein allmählicher Fortſchritt hat darauf vor-
bereitet. Seit geraumer Zeit haben ſich manche mit dieſem Gegenſtand beſchäf-
tigt, obwohl keiner daran dachte ihn vollſtändig zu erſchöpfen. Allein der Werth
des darüber Veröffentlichten ſteht in keinem Verhältniß zur Maſſe desſelben, und
mögen ſelbſt die Fehler und Fehlgriffe der Vorgänger in gewiſſer Beziehung der
Genauigkeit und Sorgfalt des abſchließenden Werkes zu gute gekommen ſein, ſo
iſt doch dieſe Arbeit dadurch nicht vereinfacht und verkürzt worden, ſondern hat im
Gegentheil einen höchſt mühſeligen und oft verdrießlichen Zuwachs erhalten. Müh-
ſelig iſt es ſich durch eine weit verſtreute Literatur hindurchſchlagen zu müſſen, und
verdrießlich ſich mit Schwierigkeiten abzuquälen die nicht in der Sache ſelbſt, ſon-
dern in der Veſchaffenheit der Brillen liegen durch welche ſie betrachtet worden iſt.
Denn hätten die früheren Abſchriften bloß eine formelle Bedeutung, ſo würde man
ſie, wo ſie ſich dazugeeignet zeigen, als Trittſtufen benutzen und nach gethanem Dienſte
beiſeite legen. Aber ſie haben vielfach auch eine ſtoffliche Bedeutung, indem ent-
weder die Inſchriften ſelbſt gänzlich untergegangen oder ſtark beſchädigt und ver-
blichen ſind, ſo daß andere mehr und beſſer leſen konnten als wir; ja es empfiehlt
ſich im allgemeinen, da wo bis heute keine zweifelloſe Leſung erreicht worden iſt, die
Anmerkung der verſchiedenen Lesarten. Um nur wiederum ein Urtheil über die
Zuverläſſigkeit oder vielmehr über die Tranſcriptionsweiſe anderer, überhanpt für
ſolche Fälle in denen wir ſie nicht unmittelbar controliren können, zu gewinnen,
müſſen wir ſie an noch vorhandenen Inſchriften prüfen. Dabei iſt oft das ſchwie-
rigſte eine Inſchriftcopie mit einer anderen oder mit der Inſchrift ſelbſt zu identi-
ficiren, nicht nur wegen der außerordentlichen Abweichungen der Lesarten von einan-
der (ſo daß zuweilen ſo gut wie keine Aehnlichkeit beſteht), ſondern auch wegen des
veränderten Umfangs (durch Verſchmelzung nicht zuſammengehöriger Inſchriften),
hauptſächlich aber wegen Unterlaſſung der Fundortsangabe.
Die Dipinti haben von allem Anfang an Beachtung gefunden, und ſehr viele
jetzt zerſtörte ſind uns in den verſchiedenen Ausgrabungsberichten erhalten, und in-
ſofern auch wirklich erhalten als in dieſen von Ungelehrten mechaniſch, aber gewiſ-
ſenhaft genommenen Abſchriften das Wahre weit deutlicher durchblickt, als in denen
anderer welche mehr verſtehen wollten als ſie konnten. Hingegen wurden die
Graffiti lange Zeit hindurch vernachläſſigt, und eine große Anzahl iſt uns ſpurlos
verloren gegangen. Schon 1792 und 1793 hatte Chr. Th. v. Murr, freilich mit
wenig Glück, eine Reihe von Graffiti herausgegeben; aber erſt faſt ein halbes
Jahrhundert ſpäter (1837) veranlaßte ein Engländer, Chr. Wordsworth, durch
eine kleine aber geſchickte Auswahl ſolcher, und wohl nicht am wenigſten durch die
hübſch geſchriebene Erläuterung dazu, daß man von nun an dieſen Inſchriften eine
regere Aufmerkſamkeit zuwandte. Leider war der einzige der in der Folgezeit mit
einer umfaſſenden Sammlung derſelben hervortrat, R. Garrucci (1854, 1856),
dieſem Unternehmen ſo wenig gewachſen, daß er mehr Schaden und Verwirrung
als Nutzen ſtiftete. Im Jahr 1865 erhielt Zangemeiſter, der gerade in Rom die
palatiniſchen Graffiti ſtudiert hatte, den Auftrag für das Corpus inscriptionum
lalinarum der Berliner Akademie die pompejaniſchen Graffiti und Dipinti, welche
wegen ihrer Eigenart in einem beſondern Band erſcheinen ſollten, zu bearbeiten.
Er brachte vier Monate desſelben Jahres mit dem Abſchreiben der Inſchriften zu
Pompeï zu, und kehrte, als die Sammlung im Druck ſchon gefchloſſen war, 1868
auf kurze Zeit dahin zurück, um nicht nur das neu ans Tageslicht Getretene mit
aufzunehmen, ſondern auch das Alte nochmals zu vergleichen und Ueberſehenes
nachzutragen. Die Zahl der von Zangemeiſter veröffentlichten Inſchriften beträgt
nahe an 3000; dazu kommen noch in einer beſondern Abtheilung über 300 auf
Thongefäßen befindliche, von N. Schöne herausgegeben (mit 7 Tafeln).
Ueber die Einrichtung und Ausſtattung dieſes Werkes verlieren wir kein
Wort. Bekanntlich hat Th. Mommſen, Meiſter wie er iſt, den Veröffentlichungen
aus welchen ſich das C. I. L. zuſammenſetzt, den Grundriß vorgezeichnet, und in
ihnen entfaltet ſich etwas wie der Comfort jener großartigen Gaſthöfe in denen
jedes nur denkbare Bedürfniß vorgeſehen iſt. In vorliegendem Band iſt aus be-
ſonderer Rückſicht noch ein Beſonderes geſchehen. Freilich ſchien es auch faſt als
ob über dem Auf-und Ausbau dieſes Inſchriftengebäudes Zangemeiſter dazu kom-
men ſollte die Vorſchrift ſeines Lieblingsdichters zu erfüllen: nonum prematur
in annum.
Wer den trefflichen Plan des jetzt ſichtbaren Pompeï, welcher dem Werk
angehängt iſt, betrachtet, und darauf das Forum, die verſchiedenen großen Tempel,
die Baſilika, die beiden Theater u. ſ. w. wahrnimmt, möchte |glauben daß das
Weſentliche gethan ſei. Der kleine Seitenplan aber wird ihn überzeugen daß der
noch zu hebende Schatz den ſchon gehobenen an Maſſe weit übertrifft. Ob auch
an Werth, läßt ſich nicht vorausſagen. Wir müſſen in Geduld Spatenſtich um
Spatenſtich abwarten; denn beſäßen wir auch eine Wünſchelruthe, die nur auf das
Köſtlichſte hinwieſe, der verſtändige Mann, der jetzt die Auferſtehung Pompeï’s
überwacht, würde ſchwerlich ihren Winken Folge leiſten. So bleiben uns nur Wün-
ſche, und um nicht mit vergeblichen zu enden, wünſchen wir: es möchte wiederum,
neben ſolchen Inſchriften die dem Vergnügungsplänkler ein offenes und verſtänd-
liches Willkommen bieten, und neben ſolchen die nur dem ſchweren und kunſtreichen
Angriff der Wiſſenſchaft ſich erſchließen, auch eine und die andere ans Licht geför-
dert werden an welcher der Scharfſinn ſich alle Zähne ausbeißt, damit doch etwas
räthſelhaftes an dieſen zweitauſendjährigen Mauern haften bleibe, und unſer
übermüthiges Jahrhundert nicht (mit dem Syrus im Heautontimorumenos) wähne:
Nil tam diſſicile est, quin quaerendo investigari possiet.
December 1871. Hugo Schuchardt.
Neueſte Poſten.
: München, 13 Jan. Wie wir vernehmen, hat Se. Maj. der König
der Frau des in Rom verſtorbenen Geſandten v. Dönniges ein Condolenzſchreiben
zuſtellen laſſen. — Der k. Reichsrath und Präſident des proteſtantiſchen Ober-
conſiſtoriums, v. Harleß, hat von dem Deutſchen Kaiſer das Eiſerne Kreuz 2. Claſſe
erhalten.
᷅ München, 13 Jan. Nächſte Woche ſoll die Beſchwerde des Biſchofs
von Augsburg über Verfaſſungsverletzung (angeblich durch die Cultusminiſterial-
entſchließung vom 27 Febr. v. J. in der Meringer Angelegenheit begangen) in der
Abgeordnetenkammer zur Verhandlung kommen. Welche Antwort die Regierung
auf die von ultramontaner Seite gegen ſie erhobenen Anſchuldigungen geben wird,
iſt aus der geſtrigen Antwort des Miniſters v. Lutz auf die Rußwurm’ſche Inter-
pellation unſchwer zu entnehmen: gegenüber dem Verlangen daß Ausſprüche der
Hierarchie in kirchlichen Dingen eine abſolut bindende Norm für die Regierungen
in allem was nur entfernt die Kirche berührt, ſein ſollen, wird die Negierung einfach
auf ihrem durch die Erklärung vom 14 Oct. v. J. präciſirten Standpunkt beharren,
wonach ſie in das Gebiet der Gewiſſen einzugreifen ſich hütet, aber auf dem Gebiet wo
die kirchlichen Anordnungen auch weltliche Intereſſen berühren, ſich ihr eigenes Urtheil
nach Maßgabe der bürgerlichen Geſetze zu bilden und darnach zu handeln ſich vor-
behält. Treten die Ultramontanen in der Debatte nicht mit mehr Geſchick auf als
es geſtern Hr. Rußwurm in ſeiner Interpellation that, ſo wird ihr oratoriſcher
Erfolg ein ſehr ſchlechter ſein — und der iſt ja eigentlich das einzige was ſie mit
der Debatte bezwecken; denn eine Aenderung und reſp. Zurücknahme der Regierungs-
verfügungen in ihrem Sinne zu erwirken das hoffen die Klerikalen im Ernſt ſelbſt
nicht. Hätte Biſchof v. Dinkel die Stimmung der Reichsrathskammer als eine
ſeiner Beſchwerde günſtige erkannt, ſo würde er letztere ſicher nicht in die Abgeord-
netenkammer gebracht haben. Es geſchah weil die ultramontanen Koryphäen des
parlamentariſchen Feuerwerks in letzterer nicht verluſtig gehen wollten, welches ſie
ſehr nöthig haben um das ſinkende Vertrauen ihrer Anhänger wieder aufzurichten.
Δ München, 12 Jan. Ein Viertelſtündchen Inquiſitionsluft iſt gar
keine ſchlechte Abwechſelung für den der die Atmoſphäre des hieſigen Landtags-
ſaales längere Zeit zu genießen hat. Und nicht wenig ketzerrichterlich wehte es
einen an als heute Vormittag Hr. Antonius Rußwurm, Pfarrer von Theuern bei
Amberg, vortrat, um jenen (istum) Miniſter, in deſſen Departement Sacrilegien
einſchlagen, ins Gebet zu nehmen. Den Eingang bildete ein kleines Todtengericht
über den verſtorbenen Melber Zunner, zwar nicht ſo grauſam wie das jüngſt vom
„Vaterland“ über Hrn. v. Dönniges gehaltene, *) aber immerhin ſtreng genug.
Zunner habe ſich aus der katholiſchen Kirche ſelbſt ausgeſchloſſen, und ſich jeden
Anſpruches auf ihre Gnadenmittel begeben. Warum? Weil er gegen die Decrete
des vaticaniſchen Concils Oppoſition machte. Quod erat demonstrandum. Ein
unwillkürliches „Hm!“ links vom Todtenrichter veranlaßte denſelben zu der ener-
giſchen Weiſung: Jch bitte mich nicht zu unterbrechen! Wenn ihn ſchon ein ganz
leiſes Summen „unterbrichi,“ wie reizbar müſſen die Nerven des ſonſt ſo robuſt
ausſehenden Mannes geworden ſein! Die Fibration des Jnterpellationsmanu-
ſcripts und ſein ſtellenweiſe kurzer Athem gab in der That zu erkennen daß ein
fürchterliches Ereigniß vorliegt. Päpſte, Kaiſer, Könige, Völker und Regierungen
haben die Beſchlüſe von ſo und ſo viel Concilien ſchon ignorirt, modiſicirt und
total verworfen, ohne aufzuhören katholiſch zu ſein; ſelbſt in neueſter Zeit haben
auf Freiers Füßen oder zu Gevatter ſtehende bayeriſche Staatsbürger ſich ihren
*) Im Sigl’ſchen „Vaterland“ Nr. 7 vom 9 Jan. ſteht auf Seite 25 buchſtäblich folgendes zu
leſen: Daß Dönniges ein Hauptfreimaurer war, brauchen wir nicht zu ſagen. Da wir
an eine göttliche Gerechtigkeit glauben, und da „nichts unreines,“ nämlich kein Frei-
mam er u. dgl., in den Himmel eingehen kann, ſo ſind wir der Meinung daß den
Hrn. Dönniges zweifelsohne der Teufel geholt haben wird. Wir ſind auch hierin mit
dem Teufel völlig einverſtanden, und wünſchten nur daß er fleißiger an der Arbeit wäre.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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