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Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872.

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[Spaltenumbruch]

Pompei und seine Wandinschriften.
III.

* Es verlockt sehr in diesem pompejanischen Garten gemächlich spazieren zu
wandeln und dabei einen Strauß epigraphischer Blumen zu pflücken, durch den
sich dann alle mögliche classische Gelehrsamkeit ausduften ließe; wenigstens würde
diese kaum auf anmuthigere Weise an den Mann zu bringen sein. Daher gibt
Pompei nebst seinen Inschriften einen beliebten Gegenstand öffentlicher Vorträge
und gemeinverständlicher Aufsätze ab. Wir brauchen aber darum nicht zu fürch-
ten daß uns nichts zu thun übrig bliebe; denn statt nicht weniger Blumen, von
denen es sich nun erst herausgestellt hat daß sie keine wirklichen parietariae, daß
sie nicht sowohl auf den Mauern Pompei's als in irgendeinem modernen Treib-
haus, d. h. einem allzu hitzigen gelehrten Kopf, aufgeblüht sind, vermöchten wir
neue und echte einzubinden. Ganz im Gegentheil fürchten wir daß wir dessen
schwer ein Ende fänden. Wir widerstehen also der Versuchung jenen Inschriften
Auskunft über alle Besonderheiten des alten Lebens abzudringen. Wir schreiten
vorüber an ABC-Schützenübungen, Haushaltsnotizen, Andenken verliebter Stell-
dichein u. s. w., als wären sie von heut und gestern, vorüber an den rothen und
schwarzen Buchstaben, als ob sie uns einen Parlamentscandidaten empfehlen oder
uns zu einer Kunstreitervorstellung einlüden; die infelicia, uneum, tabescas,
suspendere, in cruce sigari@r
sind uns nur die versteinerten accidenti, mannag-
gia, si' ammazzato
u. s. w., die noch heute die italienische Luft durchschwirren;
darüber daß Venus, die Veherrscherin und Behüterin von Pompei, bald ehr-
furchtsvoll angerufen, bald Seelenverkäuferin gescholten und mit Prügeln bedroht
wird, wundern wir uns so wenig als über das ebenso wechselnde Benehmen der
heutigen Napoletaner gegen ihre Schutzheiligen; wir sehen die Arme des Y in
dem Worte PSYCE (Herz!) sich zu jenem Umriß fortsetzen der heute wie damals
der Sitz der menschlichen Gefühle vorstellt, und in dem Verse:

Scribenti mi dictat Amor mostratque Cupido

glauben wir Dante's

quando
Amor mi spira, noto; ed in quel modo
Ch'ei detta dentro, vo signisicando,

welches bei anderen Nationen*) sich zu dem Ausspruch verallgemeinert daß Liebe
allen Dichtens Ursprung sei.

Nein, wir wollen den fachlichen Werth der pompejanischen Wandinschriften,
den wir schon genügend hervorgehoben haben, nicht im Einzelnen auseinander-
setzen; wir wollen nur noch von ihrem Werth als des Gegenstandes geistiger Ar-
beit, von ihrem eigentlich wissenschaftlichen Werthe reden. Denn der Kern der
Wissenschaft -- dieß unterscheidet sie von der Gelehrsamkeit -- besteht nicht in dem
was wir wissen, sondern darin wie wir lernen (dieß ist besser im Fremdwort
"Disciplin" ausgedrückt). Sollte etwa das breit in den Weg gelegte Geschenk
des Zufalls, wenn es uns auch auf unserer Weiterwanderung noch so sehr fördert,
uns höher gelten als das mit unserer besten Kraft Erworbene? Ist nicht mit dem
größeren Verdienst auch der größere Genuß? Wenn darum der Herausgeber der
pompejanischen Dipinti und Graffiti, K. Zangemeister, am Schluß der Vorrede
meint: das Werk welches er in Angriff genommen habe sei oft so beschaffen, ut
inde laboris plus haurire mali sit, quam ex re decerpere fructus,
so halten
wir ihm zu seinem eigenen Trost entgegen daß die Forschung Selbstzweck ist, und
daß wir, mehr als aus irgendeiner Thatsache an sich, aus den Mitteln und Wegen
zur Feststellung dieser Thatsache Gewinn ziehen.

Ohne Zweifel machen die Wandinschriften und besonders die Graffiti den
schwierigsten Theil der römischen Inschriftenkunde aus. Die Schwierigkeit der
Lesung und Erklärung ist in der Gesetzlosigkeit dieser Gattung begründet, welche
sich vor allem in der Schrift äußert. Die Graffiti (und ebenso die Kohle-,
Röthel- und Kreide-Inschriften) sind meistens in einer Schriftart abgefaßt welche
im Alterthum noch auf Wachstafeln, kaum auf Stein oder in Büchern vorkommt,
aus welcher sich aber dann zu allgemeinerem Gebrauche die laufende Schrift des
Mittelalters entwickelte. Die Züge der älteren Pinsel-Inschriften sind die vier-
eckigen der Denkmäler-Inschriften, die der jüngeren aber nähern sich schon den
runden der Graffiti. Zangemeister bietet uns (auf Tafel 1) eine sorgfältige
Uebersicht der verschiedenen in den pompejanischen Wandinschriften erscheinenden
Buchstabenformen (mit ausführlichem Quellennachweis zu den selteneren), und
veranschaulicht uns so zum erstenmal auf urkundliche Weise den Uebergang der
lateinischen Geviertschrift in die laufende. Aus dem individuellen Charakter der
Graffiti folgt daß die Mannichfaltigkeit der Schrift hier eine ganz außerordent-
liche (sogar innerhalb eines und desselben Graffito oft sehr ansehnliche) ist. Nicht
nur in den einzelnen Buchstaben, deren manche sich so abändern daß sie sich selbst
ganz unähnlich, anderen aber dafür zum Verwechseln ähnlich werden, sondern
auch in der Aneinanderfügung derselben. Bald stehen sie keck auf festen Füßen
da, und gehen gar vor Behäbigkeit fast aus den Fugen; bald stolpern sie ängstlich
und hinfällig einher, hocken aufeinander, verwickeln sich ineinander; oder kühn
geschweift, wie Kometenschwänze, kreuzen sie fremde Schriftbahnen. Größe, Ab-
stand, Richtung, Zeilenlänge u. s. w., alles wechselt aufs willkürlichste. Die
Unvollkommenheit des Schreibwerkzeugs oder besondere Hindernisse im Stuck ma-
chen sich ebenfalls geltend; zuweilen erscheinen die Ränder tiefer Einritzungen
stark gesplittert. Dazu kommen noch alle die störenden Linien die von der Hand
des Schreibers selbst herrühren, entweder ganz unbeabsichtigte oder wenigstens
gedankenlose oder falsche Ansätze, nicht selten wirkliche Verbesserungen des einen
Buchstaben in den anderen. Welchen Fährlichkeiten ist aber nicht erst die fertige
Inschrift ausgesetzt! Mit welchen Versehrungen bedroht sie nicht die Mißgunst
der Leser und die Gleichgültigkeit anderer Wandschriftsteller, die Einflüsse der
Witterung und alle möglichen Stöße feindseligen Geschickes. Sie kann durchstri-
chen, ausgekratzt, entstellt, überschrieben werden; die Tünche kann sich abwetzen,
Sprünge erhalten, in ganzen Stücken abfallen. Dieser letztere Fall erzeugt Lücken.
Wie viel in denselben fehlt läßt sich besonders dann, wenn sie die erhaltene Ju-
[Spaltenumbruch] schrift an irgendeiner Seite begränzen, kaum ermessen, während in einer guten
monumentalen Inschrift man die Masse des Ausgefallenen ziemlich genau zu be-
rechnen vermag, und so eine sichere Grundlage für die wahrscheinliche Ergänzung
des Tertes gewinnt. Den Dipinti, obwohl sie durch die regelmäßigere Schrift
viel vor den Graffiti voraus haben, ist doch wiederum mancher Nachtheil eigen-
thümlich, wie der daß die Buchstaben ohne irgendeine wahrnehmbare Beschädi-
gung der Wand (also Spur einer Lücke) schwinden, oder der daß zwei sich deckende
Inschriften sich zu einer scheinbar einzigen vermischen, indem von der Ueberwei-
ßung der älteren, auf welche die jüngere gemalt ist, sich einzelne Theile abbröckeln.
Kurz, die Wandinschriften beider Classen machen Mühe genug. Zuerst müssen
die Augen scharf sein um alles zu erkennen was vorhanden ist, dann aber eigens
geübt um sofort das Wesentliche aus allem Beiwerk herauszuheben. Diese Uebung
wird durch eine gewisse Begabung gestützt und gefördert; denn auch bei ganz glei-
chen Anstrengungen eine Inschrift zu lesen, ist der eine nicht immer so glücklich
wie der andere. Die bei der Wissenschaft so verrufene Einbildungskraft, welche
allerdings gerade unter diesen Inschriften, ohne Beschränkung und Aufsicht, übel
genug gewirthschaftet hat, mag doch auch gutes schaffen. Manche der einzelnen
uns hier gestellten Aufgaben haben auch insofern wenig Aehnlichkeit mit einem
Rechenerempel, als sie nur in Unterbrechungen gelöst werden können, als nämlich
eine wiederholte Besichtigung erforderlich ist, sei es wegen der verschiedenen Be-
leuchtung des Gegenstandes, sei es wegen der verschiedenen Stimmung des Un-
tersuchers. Gibt es demnach einen bevorzugten Blick, der nicht nur schärfer, son-
dern schließlich auch richtiger sieht, ebensowohl für die Räthsel einer Inschrift als
für die Eigenthümlichkeit und die Bedeutung eines Menschenantlitzes, oder eines
Kunstwerkes, oder einer Landschaft, so stehen wir nicht an bei Zangemeister einen
solchen epigraphischen Blick in hohem Grade vorauszusetzen. Wie viel er zu lei-
sten hatte und geleistet hat, davon erhält schon einen Begriff wer nur die 47 dem
Werke beigegebenen Tafeln durchblättert, auf denen die merkwürdigsten (etwa
ein Drittel) der pompejanischen Wandinschriften, zumeist wahre Krikelkrakel, durch
den Steindruck wiedergegeben sind, der größte Theil nach Abzeichnungen, andere
nach Durchzeichnungen, Abdrücken oder Photographien.

Hat man eine Inschrift herausbuchstabirt, so gilt es sie wirklich zu lesen;
auf das Verständniß der Schrift folgt, oft nach einem ziemlichen Zwischenraum,
das Verständniß der Sprache. Dieses wird durch manche Laune und manchen
Irrthum der Schreibenden verdunkelt, z. B. durch ungewöhnliche Abkürzungen,
oder durch mangelnde oder falsche Worttrennung*), oder ein gewisser Suimilea,
welcher an einer Form iatromea nur schwachen Anhalt findet, gibt viel zu denken,
bis wir den Herrn zufälligerweise im Rücken sehen und ihn als Aemilius erkennen.
Oder es werden Buchstaben verwechselt, versetzt, ausgelassen u. s. w. Eine tiefer
eingreifende Störung aber verursacht der Gegensatz der Volks- zur Schriftsprache.
Eigenthümlichkeiten jener drängen sich massenhaft in die Schrift ein; indessen durch-
aus unbewußt. Denn man schrieb zwar wie man sprach: ama, onore, presta für
amat, honorem, praesta -- es sind dieß die Anfänge italienischer Schreibung --
aber man schrieb umgekehrt wie man sprach: Helpis, pariens, opscultat für Elpis,
paries, auscultat
(vgl. Oseus = Opscus). Ganz in dem gleichen dunkeln Drange
wie ihn die letzteren Formen verrathen, bessert der allbekannte Neupompejaner
Naffaele, Sonntags gesteigertem Fremdenbesuche zur Ehre, sein Italienisch auf. In
seiner heimischen Mundart enden alle Wörter (wenn nicht die letzte Sylbe den Ton
hat) in einem flüchtigen e; nur bemerkt er daß das Toscanische im Auslaut auch
die schöneren Vocale a, i, o liebt; folglich heißt es am Sonntag z. B. il solo tra-
monta molta rossi
oder quell' Americani e partita. Vergeblich würde übrigens
jemand versuchen aus jenen Schreibweisen die Grundzüge pompejanischer Sprech-
weise zu entwickeln. Denselben Versündigungen gegen die Rechtschreibung begeg-
nen wir an den verschiedensten Punkten des römischen Bodens. Es soll damit kei-
neswegs pompejanische oder campanische Sprachbesonderheit gelängnet werden;
gewiß klang schon damals die Sprache der Zwölftafeln anders in dem Munde der
Romanen (d. h. verrömerten Nichtlateiner) von Pompei und Mailand, Marseille
und Sevilla. Bildete man sich denn wohl heutzutag aus den von Schnitzern wim-
melnden Briefen eines sächsischen und eines hessischen Ackerknechtes nur eine ent-
fernte Vorstellung von dem Unterschiede zwischen der Rede beider Schreibenden?
Immerhin sind wir überzeugt daß, wenn etwa im Norden Italiens eine unterge-
gangene römische Stadt mit gleich vielen Wandinschriften, wie Pompei, wieder er-
stünde, ein gewisser sprachlicher Gegensatz hervortreten würde. Alle die bezeichne-
ten Uebelstände sind bei einem längeren fortlaufenden Terte, wie der Handschrift
eines alten Dichters, weniger hinderlich, fallen aber, wo es sich um so viele Bruch-
stücke und so viel lückenhaftes, im besten Fall um vereinzelte kurze Sätze handelt,
schwer ins Gewicht. Und zwar besonders nach einer Seite hin. Die beiden näm-
lich auf die Lesung einer Inschrift gerichteten Thätigkeiten, diejenige welche sich auf
die Schrift und diejenige welche sich auf die Sprache bezieht, verschmelzen oft völlig
mit einander; ja, diese arbeitet geradezu jener vor, so daß entweder die zahlreichen
Zusammenstellungen für eine Reihe von Buchstabenresten, deren jedem verschiedene
mögliche We the entsprechen, durch die Schranken der Sprache auf wenige oder
gar nur auf eine zurückgeführt werden, oder daß eine angestrengte Besichtigung
dasjenige dessen Vorhandensein zuerst nur durch eine sprachliche Erwägung wahr-
scheinlich gemacht wird als wirklich vorhanden bestätigt. Jedem aber wird es ein-
leuchten daß die Sprache mit um so geringerem Erfolge zur Feststellung der Schrift
herangezogen werden kann, je weiter ihre eigenen Schranken hinausgerückt sind.
Z. B. an der Stelle einer Inschrift an welcher sich Spuren von fünf Buchstaben
erhalten haben, könnte dem Zusammenhange nach entweder habeas oder parias ge-
standen haben; nun läßt sich bei genauerer Besichtigung der vierte Buchstabe als i
noch deutlich ermitteln; die eine Möglichkeit ist dadurch in einer classisch geschriebe-
nen Inschrift sofort beseitigt, und es bleibt nur die andere; in einem pompejani-
schen Graffito indessen würde habias für habeas durchaus nicht auffallen, und hier

*) Z. B. Fra Guittone: Cha trovare non sa, ne valer punto
Uomo d'amor non punto.

Berni: Amor primo trovo le rime e i versi.
*) Die Inschrift 2953-Taf. XLVIII, 6: C VIVI || ITALII || FRVNIS || CARVS-
SATI || ATVA
erklärt Zangemeister: Phrynis C. Vibi Itali (servus), Carus S.
Ati Atua (servns);
ließeu sich nicht zwei Punkte Preichen, so daß man läse:
C. Vivi Itale, fruniscarns satia tua? Das vorletzte Wort bleibt zwar dunkel;
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]uniscarus aber (vgl. sigarus Nr. 2082) ist nicht alterthümlicher als Prunis.

[Spaltenumbruch]

Pompeï und ſeine Wandinſchriften.
III.

* Es verlockt ſehr in dieſem pompejaniſchen Garten gemächlich ſpazieren zu
wandeln und dabei einen Strauß epigraphiſcher Blumen zu pflücken, durch den
ſich dann alle mögliche claſſiſche Gelehrſamkeit ausduften ließe; wenigſtens würde
dieſe kaum auf anmuthigere Weiſe an den Mann zu bringen ſein. Daher gibt
Pompeï nebſt ſeinen Inſchriften einen beliebten Gegenſtand öffentlicher Vorträge
und gemeinverſtändlicher Aufſätze ab. Wir brauchen aber darum nicht zu fürch-
ten daß uns nichts zu thun übrig bliebe; denn ſtatt nicht weniger Blumen, von
denen es ſich nun erſt herausgeſtellt hat daß ſie keine wirklichen parietariae, daß
ſie nicht ſowohl auf den Mauern Pompeï’s als in irgendeinem modernen Treib-
haus, d. h. einem allzu hitzigen gelehrten Kopf, aufgeblüht ſind, vermöchten wir
neue und echte einzubinden. Ganz im Gegentheil fürchten wir daß wir deſſen
ſchwer ein Ende fänden. Wir widerſtehen alſo der Verſuchung jenen Inſchriften
Auskunft über alle Beſonderheiten des alten Lebens abzudringen. Wir ſchreiten
vorüber an ABC-Schützenübungen, Haushaltsnotizen, Andenken verliebter Stell-
dichein u. ſ. w., als wären ſie von heut und geſtern, vorüber an den rothen und
ſchwarzen Buchſtaben, als ob ſie uns einen Parlamentscandidaten empfehlen oder
uns zu einer Kunſtreitervorſtellung einlüden; die infelicia, uneum, tabescas,
suspendere, in cruce ſigarir
ſind uns nur die verſteinerten accidenti, mannag-
gia, si’ ammazzato
u. ſ. w., die noch heute die italieniſche Luft durchſchwirren;
darüber daß Venus, die Veherrſcherin und Behüterin von Pompeï, bald ehr-
furchtsvoll angerufen, bald Seelenverkäuferin geſcholten und mit Prügeln bedroht
wird, wundern wir uns ſo wenig als über das ebenſo wechſelnde Benehmen der
heutigen Napoletaner gegen ihre Schutzheiligen; wir ſehen die Arme des Y in
dem Worte PSYCE (Herz!) ſich zu jenem Umriß fortſetzen der heute wie damals
der Sitz der menſchlichen Gefühle vorſtellt, und in dem Verſe:

Scribenti mi dictat Amor mostratque Cupido

glauben wir Dante’s

quando
Amor mi spira, noto; ed in quel modo
Ch’ei detta dentro, vo signiſicando,

welches bei anderen Nationen*) ſich zu dem Ausſpruch verallgemeinert daß Liebe
allen Dichtens Urſprung ſei.

Nein, wir wollen den fachlichen Werth der pompejaniſchen Wandinſchriften,
den wir ſchon genügend hervorgehoben haben, nicht im Einzelnen auseinander-
ſetzen; wir wollen nur noch von ihrem Werth als des Gegenſtandes geiſtiger Ar-
beit, von ihrem eigentlich wiſſenſchaftlichen Werthe reden. Denn der Kern der
Wiſſenſchaft — dieß unterſcheidet ſie von der Gelehrſamkeit — beſteht nicht in dem
was wir wiſſen, ſondern darin wie wir lernen (dieß iſt beſſer im Fremdwort
„Diſciplin“ ausgedrückt). Sollte etwa das breit in den Weg gelegte Geſchenk
des Zufalls, wenn es uns auch auf unſerer Weiterwanderung noch ſo ſehr fördert,
uns höher gelten als das mit unſerer beſten Kraft Erworbene? Iſt nicht mit dem
größeren Verdienſt auch der größere Genuß? Wenn darum der Herausgeber der
pompejaniſchen Dipinti und Graffiti, K. Zangemeiſter, am Schluß der Vorrede
meint: das Werk welches er in Angriff genommen habe ſei oft ſo beſchaffen, ut
inde laboris plus haurire mali sit, quam ex re decerpere fructus,
ſo halten
wir ihm zu ſeinem eigenen Troſt entgegen daß die Forſchung Selbſtzweck iſt, und
daß wir, mehr als aus irgendeiner Thatſache an ſich, aus den Mitteln und Wegen
zur Feſtſtellung dieſer Thatſache Gewinn ziehen.

Ohne Zweifel machen die Wandinſchriften und beſonders die Graffiti den
ſchwierigſten Theil der römiſchen Inſchriftenkunde aus. Die Schwierigkeit der
Leſung und Erklärung iſt in der Geſetzloſigkeit dieſer Gattung begründet, welche
ſich vor allem in der Schrift äußert. Die Graffiti (und ebenſo die Kohle-,
Röthel- und Kreide-Inſchriften) ſind meiſtens in einer Schriftart abgefaßt welche
im Alterthum noch auf Wachstafeln, kaum auf Stein oder in Büchern vorkommt,
aus welcher ſich aber dann zu allgemeinerem Gebrauche die laufende Schrift des
Mittelalters entwickelte. Die Züge der älteren Pinſel-Inſchriften ſind die vier-
eckigen der Denkmäler-Inſchriften, die der jüngeren aber nähern ſich ſchon den
runden der Graffiti. Zangemeiſter bietet uns (auf Tafel 1) eine ſorgfältige
Ueberſicht der verſchiedenen in den pompejaniſchen Wandinſchriften erſcheinenden
Buchſtabenformen (mit ausführlichem Quellennachweis zu den ſelteneren), und
veranſchaulicht uns ſo zum erſtenmal auf urkundliche Weiſe den Uebergang der
lateiniſchen Geviertſchrift in die laufende. Aus dem individuellen Charakter der
Graffiti folgt daß die Mannichfaltigkeit der Schrift hier eine ganz außerordent-
liche (ſogar innerhalb eines und desſelben Graffito oft ſehr anſehnliche) iſt. Nicht
nur in den einzelnen Buchſtaben, deren manche ſich ſo abändern daß ſie ſich ſelbſt
ganz unähnlich, anderen aber dafür zum Verwechſeln ähnlich werden, ſondern
auch in der Aneinanderfügung derſelben. Bald ſtehen ſie keck auf feſten Füßen
da, und gehen gar vor Behäbigkeit faſt aus den Fugen; bald ſtolpern ſie ängſtlich
und hinfällig einher, hocken aufeinander, verwickeln ſich ineinander; oder kühn
geſchweift, wie Kometenſchwänze, kreuzen ſie fremde Schriftbahnen. Größe, Ab-
ſtand, Richtung, Zeilenlänge u. ſ. w., alles wechſelt aufs willkürlichſte. Die
Unvollkommenheit des Schreibwerkzeugs oder beſondere Hinderniſſe im Stuck ma-
chen ſich ebenfalls geltend; zuweilen erſcheinen die Ränder tiefer Einritzungen
ſtark geſplittert. Dazu kommen noch alle die ſtörenden Linien die von der Hand
des Schreibers ſelbſt herrühren, entweder ganz unbeabſichtigte oder wenigſtens
gedankenloſe oder falſche Anſätze, nicht ſelten wirkliche Verbeſſerungen des einen
Buchſtaben in den anderen. Welchen Fährlichkeiten iſt aber nicht erſt die fertige
Inſchrift ausgeſetzt! Mit welchen Verſehrungen bedroht ſie nicht die Mißgunſt
der Leſer und die Gleichgültigkeit anderer Wandſchriftſteller, die Einflüſſe der
Witterung und alle möglichen Stöße feindſeligen Geſchickes. Sie kann durchſtri-
chen, ausgekratzt, entſtellt, überſchrieben werden; die Tünche kann ſich abwetzen,
Sprünge erhalten, in ganzen Stücken abfallen. Dieſer letztere Fall erzeugt Lücken.
Wie viel in denſelben fehlt läßt ſich beſonders dann, wenn ſie die erhaltene Ju-
[Spaltenumbruch] ſchrift an irgendeiner Seite begränzen, kaum ermeſſen, während in einer guten
monumentalen Inſchrift man die Maſſe des Ausgefallenen ziemlich genau zu be-
rechnen vermag, und ſo eine ſichere Grundlage für die wahrſcheinliche Ergänzung
des Tertes gewinnt. Den Dipinti, obwohl ſie durch die regelmäßigere Schrift
viel vor den Graffiti voraus haben, iſt doch wiederum mancher Nachtheil eigen-
thümlich, wie der daß die Buchſtaben ohne irgendeine wahrnehmbare Beſchädi-
gung der Wand (alſo Spur einer Lücke) ſchwinden, oder der daß zwei ſich deckende
Inſchriften ſich zu einer ſcheinbar einzigen vermiſchen, indem von der Ueberwei-
ßung der älteren, auf welche die jüngere gemalt iſt, ſich einzelne Theile abbröckeln.
Kurz, die Wandinſchriften beider Claſſen machen Mühe genug. Zuerſt müſſen
die Augen ſcharf ſein um alles zu erkennen was vorhanden iſt, dann aber eigens
geübt um ſofort das Weſentliche aus allem Beiwerk herauszuheben. Dieſe Uebung
wird durch eine gewiſſe Begabung geſtützt und gefördert; denn auch bei ganz glei-
chen Anſtrengungen eine Inſchrift zu leſen, iſt der eine nicht immer ſo glücklich
wie der andere. Die bei der Wiſſenſchaft ſo verrufene Einbildungskraft, welche
allerdings gerade unter dieſen Inſchriften, ohne Beſchränkung und Aufſicht, übel
genug gewirthſchaftet hat, mag doch auch gutes ſchaffen. Manche der einzelnen
uns hier geſtellten Aufgaben haben auch inſofern wenig Aehnlichkeit mit einem
Rechenerempel, als ſie nur in Unterbrechungen gelöst werden können, als nämlich
eine wiederholte Beſichtigung erforderlich iſt, ſei es wegen der verſchiedenen Be-
leuchtung des Gegenſtandes, ſei es wegen der verſchiedenen Stimmung des Un-
terſuchers. Gibt es demnach einen bevorzugten Blick, der nicht nur ſchärfer, ſon-
dern ſchließlich auch richtiger ſieht, ebenſowohl für die Räthſel einer Inſchrift als
für die Eigenthümlichkeit und die Bedeutung eines Menſchenantlitzes, oder eines
Kunſtwerkes, oder einer Landſchaft, ſo ſtehen wir nicht an bei Zangemeiſter einen
ſolchen epigraphiſchen Blick in hohem Grade vorauszuſetzen. Wie viel er zu lei-
ſten hatte und geleiſtet hat, davon erhält ſchon einen Begriff wer nur die 47 dem
Werke beigegebenen Tafeln durchblättert, auf denen die merkwürdigſten (etwa
ein Drittel) der pompejaniſchen Wandinſchriften, zumeiſt wahre Krikelkrakel, durch
den Steindruck wiedergegeben ſind, der größte Theil nach Abzeichnungen, andere
nach Durchzeichnungen, Abdrücken oder Photographien.

Hat man eine Inſchrift herausbuchſtabirt, ſo gilt es ſie wirklich zu leſen;
auf das Verſtändniß der Schrift folgt, oft nach einem ziemlichen Zwiſchenraum,
das Verſtändniß der Sprache. Dieſes wird durch manche Laune und manchen
Irrthum der Schreibenden verdunkelt, z. B. durch ungewöhnliche Abkürzungen,
oder durch mangelnde oder falſche Worttrennung*), oder ein gewiſſer Suimilea,
welcher an einer Form iatromea nur ſchwachen Anhalt findet, gibt viel zu denken,
bis wir den Herrn zufälligerweiſe im Rücken ſehen und ihn als Aemilius erkennen.
Oder es werden Buchſtaben verwechſelt, verſetzt, ausgelaſſen u. ſ. w. Eine tiefer
eingreifende Störung aber verurſacht der Gegenſatz der Volks- zur Schriftſprache.
Eigenthümlichkeiten jener drängen ſich maſſenhaft in die Schrift ein; indeſſen durch-
aus unbewußt. Denn man ſchrieb zwar wie man ſprach: ama, onore, presta für
amat, honorem, præsta — es ſind dieß die Anfänge italieniſcher Schreibung —
aber man ſchrieb umgekehrt wie man ſprach: Helpis, pariens, opscultat für Elpis,
paries, auscultat
(vgl. Oseus = Opscus). Ganz in dem gleichen dunkeln Drange
wie ihn die letzteren Formen verrathen, beſſert der allbekannte Neupompejaner
Naffaele, Sonntags geſteigertem Fremdenbeſuche zur Ehre, ſein Italieniſch auf. In
ſeiner heimiſchen Mundart enden alle Wörter (wenn nicht die letzte Sylbe den Ton
hat) in einem flüchtigen e; nur bemerkt er daß das Toscaniſche im Auslaut auch
die ſchöneren Vocale a, i, o liebt; folglich heißt es am Sonntag z. B. il solo tra-
monta molta rossi
oder quell’ Americani è partita. Vergeblich würde übrigens
jemand verſuchen aus jenen Schreibweiſen die Grundzüge pompejaniſcher Sprech-
weiſe zu entwickeln. Denſelben Verſündigungen gegen die Rechtſchreibung begeg-
nen wir an den verſchiedenſten Punkten des römiſchen Bodens. Es ſoll damit kei-
neswegs pompejaniſche oder campaniſche Sprachbeſonderheit gelängnet werden;
gewiß klang ſchon damals die Sprache der Zwölftafeln anders in dem Munde der
Romanen (d. h. verrömerten Nichtlateiner) von Pompeï und Mailand, Marſeille
und Sevilla. Bildete man ſich denn wohl heutzutag aus den von Schnitzern wim-
melnden Briefen eines ſächſiſchen und eines heſſiſchen Ackerknechtes nur eine ent-
fernte Vorſtellung von dem Unterſchiede zwiſchen der Rede beider Schreibenden?
Immerhin ſind wir überzeugt daß, wenn etwa im Norden Italiens eine unterge-
gangene römiſche Stadt mit gleich vielen Wandinſchriften, wie Pompeï, wieder er-
ſtünde, ein gewiſſer ſprachlicher Gegenſatz hervortreten würde. Alle die bezeichne-
ten Uebelſtände ſind bei einem längeren fortlaufenden Terte, wie der Handſchrift
eines alten Dichters, weniger hinderlich, fallen aber, wo es ſich um ſo viele Bruch-
ſtücke und ſo viel lückenhaftes, im beſten Fall um vereinzelte kurze Sätze handelt,
ſchwer ins Gewicht. Und zwar beſonders nach einer Seite hin. Die beiden näm-
lich auf die Leſung einer Inſchrift gerichteten Thätigkeiten, diejenige welche ſich auf
die Schrift und diejenige welche ſich auf die Sprache bezieht, verſchmelzen oft völlig
mit einander; ja, dieſe arbeitet geradezu jener vor, ſo daß entweder die zahlreichen
Zuſammenſtellungen für eine Reihe von Buchſtabenreſten, deren jedem verſchiedene
mögliche We the entſprechen, durch die Schranken der Sprache auf wenige oder
gar nur auf eine zurückgeführt werden, oder daß eine angeſtrengte Beſichtigung
dasjenige deſſen Vorhandenſein zuerſt nur durch eine ſprachliche Erwägung wahr-
ſcheinlich gemacht wird als wirklich vorhanden beſtätigt. Jedem aber wird es ein-
leuchten daß die Sprache mit um ſo geringerem Erfolge zur Feſtſtellung der Schrift
herangezogen werden kann, je weiter ihre eigenen Schranken hinausgerückt ſind.
Z. B. an der Stelle einer Inſchrift an welcher ſich Spuren von fünf Buchſtaben
erhalten haben, könnte dem Zuſammenhange nach entweder habeas oder parias ge-
ſtanden haben; nun läßt ſich bei genauerer Beſichtigung der vierte Buchſtabe als i
noch deutlich ermitteln; die eine Möglichkeit iſt dadurch in einer claſſiſch geſchriebe-
nen Inſchrift ſofort beſeitigt, und es bleibt nur die andere; in einem pompejani-
ſchen Graffito indeſſen würde habias für habeas durchaus nicht auffallen, und hier

*) Z. B. Fra Guittone: Cha trovare non ſa, nè valer punto
Uomo d’amor non punto.

Berni: Amor primo trovo le rime e i versi.
*) Die Inſchrift 2953-Taf. XLVIII, 6: C VIVI || ITALII || FRVNIS || CARVS-
SATI || ATVA
erklärt Zangemeiſter: Phrynis C. Vibi Itali (servus), Carus S.
Ati Atua (servns);
ließeu ſich nicht zwei Punkte Preichen, ſo daß man läſe:
C. Vivi Itale, fruniscarns satia tua? Das vorletzte Wort bleibt zwar dunkel;
[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]uniscarus aber (vgl. ſigarus Nr. 2082) iſt nicht alterthümlicher als Prunis.
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&#x017F;tark ge&#x017F;plittert. Dazu kommen noch alle die &#x017F;törenden Linien die von der Hand<lb/>
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Buch&#x017F;taben in den anderen. Welchen Fährlichkeiten i&#x017F;t aber nicht er&#x017F;t die fertige<lb/>
In&#x017F;chrift ausge&#x017F;etzt! Mit welchen Ver&#x017F;ehrungen bedroht &#x017F;ie nicht die Mißgun&#x017F;t<lb/>
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Sprünge erhalten, in ganzen Stücken abfallen. Die&#x017F;er letztere Fall erzeugt Lücken.<lb/>
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[203/0011] Pompeï und ſeine Wandinſchriften. III. * Es verlockt ſehr in dieſem pompejaniſchen Garten gemächlich ſpazieren zu wandeln und dabei einen Strauß epigraphiſcher Blumen zu pflücken, durch den ſich dann alle mögliche claſſiſche Gelehrſamkeit ausduften ließe; wenigſtens würde dieſe kaum auf anmuthigere Weiſe an den Mann zu bringen ſein. Daher gibt Pompeï nebſt ſeinen Inſchriften einen beliebten Gegenſtand öffentlicher Vorträge und gemeinverſtändlicher Aufſätze ab. Wir brauchen aber darum nicht zu fürch- ten daß uns nichts zu thun übrig bliebe; denn ſtatt nicht weniger Blumen, von denen es ſich nun erſt herausgeſtellt hat daß ſie keine wirklichen parietariae, daß ſie nicht ſowohl auf den Mauern Pompeï’s als in irgendeinem modernen Treib- haus, d. h. einem allzu hitzigen gelehrten Kopf, aufgeblüht ſind, vermöchten wir neue und echte einzubinden. Ganz im Gegentheil fürchten wir daß wir deſſen ſchwer ein Ende fänden. Wir widerſtehen alſo der Verſuchung jenen Inſchriften Auskunft über alle Beſonderheiten des alten Lebens abzudringen. Wir ſchreiten vorüber an ABC-Schützenübungen, Haushaltsnotizen, Andenken verliebter Stell- dichein u. ſ. w., als wären ſie von heut und geſtern, vorüber an den rothen und ſchwarzen Buchſtaben, als ob ſie uns einen Parlamentscandidaten empfehlen oder uns zu einer Kunſtreitervorſtellung einlüden; die infelicia, uneum, tabescas, suspendere, in cruce ſigarir ſind uns nur die verſteinerten accidenti, mannag- gia, si’ ammazzato u. ſ. w., die noch heute die italieniſche Luft durchſchwirren; darüber daß Venus, die Veherrſcherin und Behüterin von Pompeï, bald ehr- furchtsvoll angerufen, bald Seelenverkäuferin geſcholten und mit Prügeln bedroht wird, wundern wir uns ſo wenig als über das ebenſo wechſelnde Benehmen der heutigen Napoletaner gegen ihre Schutzheiligen; wir ſehen die Arme des Y in dem Worte PSYCE (Herz!) ſich zu jenem Umriß fortſetzen der heute wie damals der Sitz der menſchlichen Gefühle vorſtellt, und in dem Verſe: Scribenti mi dictat Amor mostratque Cupido glauben wir Dante’s quando Amor mi spira, noto; ed in quel modo Ch’ei detta dentro, vo signiſicando, welches bei anderen Nationen *) ſich zu dem Ausſpruch verallgemeinert daß Liebe allen Dichtens Urſprung ſei. Nein, wir wollen den fachlichen Werth der pompejaniſchen Wandinſchriften, den wir ſchon genügend hervorgehoben haben, nicht im Einzelnen auseinander- ſetzen; wir wollen nur noch von ihrem Werth als des Gegenſtandes geiſtiger Ar- beit, von ihrem eigentlich wiſſenſchaftlichen Werthe reden. Denn der Kern der Wiſſenſchaft — dieß unterſcheidet ſie von der Gelehrſamkeit — beſteht nicht in dem was wir wiſſen, ſondern darin wie wir lernen (dieß iſt beſſer im Fremdwort „Diſciplin“ ausgedrückt). Sollte etwa das breit in den Weg gelegte Geſchenk des Zufalls, wenn es uns auch auf unſerer Weiterwanderung noch ſo ſehr fördert, uns höher gelten als das mit unſerer beſten Kraft Erworbene? Iſt nicht mit dem größeren Verdienſt auch der größere Genuß? Wenn darum der Herausgeber der pompejaniſchen Dipinti und Graffiti, K. Zangemeiſter, am Schluß der Vorrede meint: das Werk welches er in Angriff genommen habe ſei oft ſo beſchaffen, ut inde laboris plus haurire mali sit, quam ex re decerpere fructus, ſo halten wir ihm zu ſeinem eigenen Troſt entgegen daß die Forſchung Selbſtzweck iſt, und daß wir, mehr als aus irgendeiner Thatſache an ſich, aus den Mitteln und Wegen zur Feſtſtellung dieſer Thatſache Gewinn ziehen. Ohne Zweifel machen die Wandinſchriften und beſonders die Graffiti den ſchwierigſten Theil der römiſchen Inſchriftenkunde aus. Die Schwierigkeit der Leſung und Erklärung iſt in der Geſetzloſigkeit dieſer Gattung begründet, welche ſich vor allem in der Schrift äußert. Die Graffiti (und ebenſo die Kohle-, Röthel- und Kreide-Inſchriften) ſind meiſtens in einer Schriftart abgefaßt welche im Alterthum noch auf Wachstafeln, kaum auf Stein oder in Büchern vorkommt, aus welcher ſich aber dann zu allgemeinerem Gebrauche die laufende Schrift des Mittelalters entwickelte. Die Züge der älteren Pinſel-Inſchriften ſind die vier- eckigen der Denkmäler-Inſchriften, die der jüngeren aber nähern ſich ſchon den runden der Graffiti. Zangemeiſter bietet uns (auf Tafel 1) eine ſorgfältige Ueberſicht der verſchiedenen in den pompejaniſchen Wandinſchriften erſcheinenden Buchſtabenformen (mit ausführlichem Quellennachweis zu den ſelteneren), und veranſchaulicht uns ſo zum erſtenmal auf urkundliche Weiſe den Uebergang der lateiniſchen Geviertſchrift in die laufende. Aus dem individuellen Charakter der Graffiti folgt daß die Mannichfaltigkeit der Schrift hier eine ganz außerordent- liche (ſogar innerhalb eines und desſelben Graffito oft ſehr anſehnliche) iſt. Nicht nur in den einzelnen Buchſtaben, deren manche ſich ſo abändern daß ſie ſich ſelbſt ganz unähnlich, anderen aber dafür zum Verwechſeln ähnlich werden, ſondern auch in der Aneinanderfügung derſelben. Bald ſtehen ſie keck auf feſten Füßen da, und gehen gar vor Behäbigkeit faſt aus den Fugen; bald ſtolpern ſie ängſtlich und hinfällig einher, hocken aufeinander, verwickeln ſich ineinander; oder kühn geſchweift, wie Kometenſchwänze, kreuzen ſie fremde Schriftbahnen. Größe, Ab- ſtand, Richtung, Zeilenlänge u. ſ. w., alles wechſelt aufs willkürlichſte. Die Unvollkommenheit des Schreibwerkzeugs oder beſondere Hinderniſſe im Stuck ma- chen ſich ebenfalls geltend; zuweilen erſcheinen die Ränder tiefer Einritzungen ſtark geſplittert. Dazu kommen noch alle die ſtörenden Linien die von der Hand des Schreibers ſelbſt herrühren, entweder ganz unbeabſichtigte oder wenigſtens gedankenloſe oder falſche Anſätze, nicht ſelten wirkliche Verbeſſerungen des einen Buchſtaben in den anderen. Welchen Fährlichkeiten iſt aber nicht erſt die fertige Inſchrift ausgeſetzt! Mit welchen Verſehrungen bedroht ſie nicht die Mißgunſt der Leſer und die Gleichgültigkeit anderer Wandſchriftſteller, die Einflüſſe der Witterung und alle möglichen Stöße feindſeligen Geſchickes. Sie kann durchſtri- chen, ausgekratzt, entſtellt, überſchrieben werden; die Tünche kann ſich abwetzen, Sprünge erhalten, in ganzen Stücken abfallen. Dieſer letztere Fall erzeugt Lücken. Wie viel in denſelben fehlt läßt ſich beſonders dann, wenn ſie die erhaltene Ju- ſchrift an irgendeiner Seite begränzen, kaum ermeſſen, während in einer guten monumentalen Inſchrift man die Maſſe des Ausgefallenen ziemlich genau zu be- rechnen vermag, und ſo eine ſichere Grundlage für die wahrſcheinliche Ergänzung des Tertes gewinnt. Den Dipinti, obwohl ſie durch die regelmäßigere Schrift viel vor den Graffiti voraus haben, iſt doch wiederum mancher Nachtheil eigen- thümlich, wie der daß die Buchſtaben ohne irgendeine wahrnehmbare Beſchädi- gung der Wand (alſo Spur einer Lücke) ſchwinden, oder der daß zwei ſich deckende Inſchriften ſich zu einer ſcheinbar einzigen vermiſchen, indem von der Ueberwei- ßung der älteren, auf welche die jüngere gemalt iſt, ſich einzelne Theile abbröckeln. Kurz, die Wandinſchriften beider Claſſen machen Mühe genug. Zuerſt müſſen die Augen ſcharf ſein um alles zu erkennen was vorhanden iſt, dann aber eigens geübt um ſofort das Weſentliche aus allem Beiwerk herauszuheben. Dieſe Uebung wird durch eine gewiſſe Begabung geſtützt und gefördert; denn auch bei ganz glei- chen Anſtrengungen eine Inſchrift zu leſen, iſt der eine nicht immer ſo glücklich wie der andere. Die bei der Wiſſenſchaft ſo verrufene Einbildungskraft, welche allerdings gerade unter dieſen Inſchriften, ohne Beſchränkung und Aufſicht, übel genug gewirthſchaftet hat, mag doch auch gutes ſchaffen. Manche der einzelnen uns hier geſtellten Aufgaben haben auch inſofern wenig Aehnlichkeit mit einem Rechenerempel, als ſie nur in Unterbrechungen gelöst werden können, als nämlich eine wiederholte Beſichtigung erforderlich iſt, ſei es wegen der verſchiedenen Be- leuchtung des Gegenſtandes, ſei es wegen der verſchiedenen Stimmung des Un- terſuchers. Gibt es demnach einen bevorzugten Blick, der nicht nur ſchärfer, ſon- dern ſchließlich auch richtiger ſieht, ebenſowohl für die Räthſel einer Inſchrift als für die Eigenthümlichkeit und die Bedeutung eines Menſchenantlitzes, oder eines Kunſtwerkes, oder einer Landſchaft, ſo ſtehen wir nicht an bei Zangemeiſter einen ſolchen epigraphiſchen Blick in hohem Grade vorauszuſetzen. Wie viel er zu lei- ſten hatte und geleiſtet hat, davon erhält ſchon einen Begriff wer nur die 47 dem Werke beigegebenen Tafeln durchblättert, auf denen die merkwürdigſten (etwa ein Drittel) der pompejaniſchen Wandinſchriften, zumeiſt wahre Krikelkrakel, durch den Steindruck wiedergegeben ſind, der größte Theil nach Abzeichnungen, andere nach Durchzeichnungen, Abdrücken oder Photographien. Hat man eine Inſchrift herausbuchſtabirt, ſo gilt es ſie wirklich zu leſen; auf das Verſtändniß der Schrift folgt, oft nach einem ziemlichen Zwiſchenraum, das Verſtändniß der Sprache. Dieſes wird durch manche Laune und manchen Irrthum der Schreibenden verdunkelt, z. B. durch ungewöhnliche Abkürzungen, oder durch mangelnde oder falſche Worttrennung *), oder ein gewiſſer Suimilea, welcher an einer Form iatromea nur ſchwachen Anhalt findet, gibt viel zu denken, bis wir den Herrn zufälligerweiſe im Rücken ſehen und ihn als Aemilius erkennen. Oder es werden Buchſtaben verwechſelt, verſetzt, ausgelaſſen u. ſ. w. Eine tiefer eingreifende Störung aber verurſacht der Gegenſatz der Volks- zur Schriftſprache. Eigenthümlichkeiten jener drängen ſich maſſenhaft in die Schrift ein; indeſſen durch- aus unbewußt. Denn man ſchrieb zwar wie man ſprach: ama, onore, presta für amat, honorem, præsta — es ſind dieß die Anfänge italieniſcher Schreibung — aber man ſchrieb umgekehrt wie man ſprach: Helpis, pariens, opscultat für Elpis, paries, auscultat (vgl. Oseus = Opscus). Ganz in dem gleichen dunkeln Drange wie ihn die letzteren Formen verrathen, beſſert der allbekannte Neupompejaner Naffaele, Sonntags geſteigertem Fremdenbeſuche zur Ehre, ſein Italieniſch auf. In ſeiner heimiſchen Mundart enden alle Wörter (wenn nicht die letzte Sylbe den Ton hat) in einem flüchtigen e; nur bemerkt er daß das Toscaniſche im Auslaut auch die ſchöneren Vocale a, i, o liebt; folglich heißt es am Sonntag z. B. il solo tra- monta molta rossi oder quell’ Americani è partita. Vergeblich würde übrigens jemand verſuchen aus jenen Schreibweiſen die Grundzüge pompejaniſcher Sprech- weiſe zu entwickeln. Denſelben Verſündigungen gegen die Rechtſchreibung begeg- nen wir an den verſchiedenſten Punkten des römiſchen Bodens. Es ſoll damit kei- neswegs pompejaniſche oder campaniſche Sprachbeſonderheit gelängnet werden; gewiß klang ſchon damals die Sprache der Zwölftafeln anders in dem Munde der Romanen (d. h. verrömerten Nichtlateiner) von Pompeï und Mailand, Marſeille und Sevilla. Bildete man ſich denn wohl heutzutag aus den von Schnitzern wim- melnden Briefen eines ſächſiſchen und eines heſſiſchen Ackerknechtes nur eine ent- fernte Vorſtellung von dem Unterſchiede zwiſchen der Rede beider Schreibenden? Immerhin ſind wir überzeugt daß, wenn etwa im Norden Italiens eine unterge- gangene römiſche Stadt mit gleich vielen Wandinſchriften, wie Pompeï, wieder er- ſtünde, ein gewiſſer ſprachlicher Gegenſatz hervortreten würde. Alle die bezeichne- ten Uebelſtände ſind bei einem längeren fortlaufenden Terte, wie der Handſchrift eines alten Dichters, weniger hinderlich, fallen aber, wo es ſich um ſo viele Bruch- ſtücke und ſo viel lückenhaftes, im beſten Fall um vereinzelte kurze Sätze handelt, ſchwer ins Gewicht. Und zwar beſonders nach einer Seite hin. Die beiden näm- lich auf die Leſung einer Inſchrift gerichteten Thätigkeiten, diejenige welche ſich auf die Schrift und diejenige welche ſich auf die Sprache bezieht, verſchmelzen oft völlig mit einander; ja, dieſe arbeitet geradezu jener vor, ſo daß entweder die zahlreichen Zuſammenſtellungen für eine Reihe von Buchſtabenreſten, deren jedem verſchiedene mögliche We the entſprechen, durch die Schranken der Sprache auf wenige oder gar nur auf eine zurückgeführt werden, oder daß eine angeſtrengte Beſichtigung dasjenige deſſen Vorhandenſein zuerſt nur durch eine ſprachliche Erwägung wahr- ſcheinlich gemacht wird als wirklich vorhanden beſtätigt. Jedem aber wird es ein- leuchten daß die Sprache mit um ſo geringerem Erfolge zur Feſtſtellung der Schrift herangezogen werden kann, je weiter ihre eigenen Schranken hinausgerückt ſind. Z. B. an der Stelle einer Inſchrift an welcher ſich Spuren von fünf Buchſtaben erhalten haben, könnte dem Zuſammenhange nach entweder habeas oder parias ge- ſtanden haben; nun läßt ſich bei genauerer Beſichtigung der vierte Buchſtabe als i noch deutlich ermitteln; die eine Möglichkeit iſt dadurch in einer claſſiſch geſchriebe- nen Inſchrift ſofort beſeitigt, und es bleibt nur die andere; in einem pompejani- ſchen Graffito indeſſen würde habias für habeas durchaus nicht auffallen, und hier *) Z. B. Fra Guittone: Cha trovare non ſa, nè valer punto Uomo d’amor non punto. Berni: Amor primo trovo le rime e i versi. *) Die Inſchrift 2953-Taf. XLVIII, 6: C VIVI || ITALII || FRVNIS || CARVS- SATI || ATVA erklärt Zangemeiſter: Phrynis C. Vibi Itali (servus), Carus S. Ati Atua (servns); ließeu ſich nicht zwei Punkte Preichen, ſo daß man läſe: C. Vivi Itale, fruniscarns satia tua? Das vorletzte Wort bleibt zwar dunkel; _uniscarus aber (vgl. ſigarus Nr. 2082) iſt nicht alterthümlicher als Prunis.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 14. Januar 1872, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1872/11>, abgerufen am 21.11.2024.