Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 15. Januar 1924.Allgemeine Zeitung. Nr. 14 Dienstag, den 15. Januar 1924. MÜNCHENER STADTZEITUNG [Spaltenumbruch]
Das Wohlfahrtsamt München Das Wohlfahrtsamt München, nach dem Kriege Das Wohlfahrtsamt München umfaßt heute Klar war, daß der Massenverkehr in diesem Das Hauptamt im Rathaus leitet Die Bezirkswohlfahrtsämter mit Der Herbst 1923 brachte eine starke Belastungs- Beruflich tätig sind beim Vollzug der 1. Geschäftsabtellung, 2. Rechts- und Revi- Die Bezirkswohlfahrtsämter sind eingeteilt: 1. in die allgemeine Abteilung, in der insbeson- 2. in die Abteilung, für Armenpflege, 3. in die Abteilung für Kriegsbeschädigten- und Sollten die jetzigen stabilen Verhältnisse an- Artistenversammlung Während in Deutschland ausländischen Artisten Die versammelten Mitglieder der wurde mit Beifall auf- und einstimmig ange- nommen. Für die Gefallenen der Bayer. Vereinsbank. Samstag nachmittag wurde in der Halle der Zwischenfestsetzung der Ortslöhne. Das Bayer. Die Maul- und Klauenseuche ist bei verschiedenen Kleine Zeitung Vermählt: Dipl.-Ing. Gustav Heilmann und Gestorben: Steuerinspektor Georg Christoph Staatsrat Lang, der derzeitige stellver- Geburtstag. Dr. Seb. Schlittenbauer, Gestorben. Freifrau Ida v. Malfen, geb. Personalien. Der Rat a. d. St. am Landgerichte Zum Handelsrichter bei den Kammern für Aus den Parteien Deutsche Demokratische Partei. Der Kreis- Reichsgründungsfeier Die Jugendgruppe Isargau der Die Befreiungskämpfe brachten einen ungeheu- [Spaltenumbruch] Der Meister des jüngsten Tages 14 Warum sagt er mir das? -- fragte ich mich "Er ist freiwillig aus dem Leben geschieden." "So? Freiwillig?" rief der Ingenieur mit einer Er hob die Decke, die den Toten verhüllte, ein "Wie mit einer Peitsche in den Tod gehetzt," Ich hatte mich abgewendet. Ich konnte nicht "Sie meinen also," sagte ich nach einer Weile, "Was denn? Wovon sprechen Sie?" "Sie wissen vermutlich, daß das Bankhaus zu- "So? -- Sehen Sie, das hab ich nicht gewußt. "Als ich ins Zimmer kam," fuhr er nach einem Er ging im Zimmer auf und nieder und schüt- "Sonderbare Worte. -- Ich kannte ihn eigentlich "Fromm? Er war abergläubisch, wie die mei- "Sollte dennoch das sein letzter Gedanke ge- Ich sagte nichts, ich wußte nicht, wovon er "Nevermind," sagte er zu sich selbst mit einer Er nahm den Revolver vom Tisch und sah ihn "Wie kam er denn eigentlich zu dieser Waffe?" Der Ingenieur fuhr aus seinen Gedanken auf. "Zu diesem Revolver? Ja, er war sein Eigen- Er öffnete das Fenster und blickte hinaus. Ein Der Ingenieur schloß das Fenster und wandte "Er war kein Feigling. Nein, bei Gott, ein "Seinem Mörder?" "Gewiß. Seinem Mörder. Er ist in den Tod Er wies auf die Stelle an der Wand, in deren "Sie standen einander gegenüber," sagte er Mich überlief es kalt, als ich ihn mit solcher "Und wen" -- fragte ich beklommen, und wie- Der Ingenieur sah mich schweigend an, er sagte "Sind Sie denn noch immer da?" kam es plötz- Ich fuhr erschrocken herum. In der Türe stand Allgemeine Zeitung. Nr. 14 Dienstag, den 15. Januar 1924. MÜNCHENER STADTZEITUNG [Spaltenumbruch]
Das Wohlfahrtsamt München Das Wohlfahrtsamt München, nach dem Kriege Das Wohlfahrtsamt München umfaßt heute Klar war, daß der Maſſenverkehr in dieſem Das Hauptamt im Rathaus leitet Die Bezirkswohlfahrtsämter mit Der Herbſt 1923 brachte eine ſtarke Belaſtungs- Beruflich tätig ſind beim Vollzug der 1. Geſchäftsabtellung, 2. Rechts- und Revi- Die Bezirkswohlfahrtsämter ſind eingeteilt: 1. in die allgemeine Abteilung, in der insbeſon- 2. in die Abteilung, für Armenpflege, 3. in die Abteilung für Kriegsbeſchädigten- und Sollten die jetzigen ſtabilen Verhältniſſe an- Artiſtenverſammlung Während in Deutſchland ausländiſchen Artiſten Die verſammelten Mitglieder der wurde mit Beifall auf- und einſtimmig ange- nommen. Für die Gefallenen der Bayer. Vereinsbank. Samstag nachmittag wurde in der Halle der Zwiſchenfeſtſetzung der Ortslöhne. Das Bayer. Die Maul- und Klauenſeuche iſt bei verſchiedenen Kleine Zeitung Vermählt: Dipl.-Ing. Guſtav Heilmann und Geſtorben: Steuerinſpektor Georg Chriſtoph Staatsrat Lang, der derzeitige ſtellver- Geburtstag. Dr. Seb. Schlittenbauer, Geſtorben. Freifrau Ida v. Malfen, geb. Perſonalien. Der Rat a. d. St. am Landgerichte Zum Handelsrichter bei den Kammern für Aus den Parteien Deutſche Demokratiſche Partei. Der Kreis- Reichsgründungsfeier Die Jugendgruppe Iſargau der Die Befreiungskämpfe brachten einen ungeheu- [Spaltenumbruch] Der Meiſter des jüngſten Tages 14 Warum ſagt er mir das? — fragte ich mich „Er iſt freiwillig aus dem Leben geſchieden.“ „So? Freiwillig?“ rief der Ingenieur mit einer Er hob die Decke, die den Toten verhüllte, ein „Wie mit einer Peitſche in den Tod gehetzt,“ Ich hatte mich abgewendet. Ich konnte nicht „Sie meinen alſo,“ ſagte ich nach einer Weile, „Was denn? Wovon ſprechen Sie?“ „Sie wiſſen vermutlich, daß das Bankhaus zu- „So? — Sehen Sie, das hab ich nicht gewußt. „Als ich ins Zimmer kam,“ fuhr er nach einem Er ging im Zimmer auf und nieder und ſchüt- „Sonderbare Worte. — Ich kannte ihn eigentlich „Fromm? Er war abergläubiſch, wie die mei- „Sollte dennoch das ſein letzter Gedanke ge- Ich ſagte nichts, ich wußte nicht, wovon er „Nevermind,“ ſagte er zu ſich ſelbſt mit einer Er nahm den Revolver vom Tiſch und ſah ihn „Wie kam er denn eigentlich zu dieſer Waffe?“ Der Ingenieur fuhr aus ſeinen Gedanken auf. „Zu dieſem Revolver? Ja, er war ſein Eigen- Er öffnete das Fenſter und blickte hinaus. Ein Der Ingenieur ſchloß das Fenſter und wandte „Er war kein Feigling. Nein, bei Gott, ein „Seinem Mörder?“ „Gewiß. Seinem Mörder. Er iſt in den Tod Er wies auf die Stelle an der Wand, in deren „Sie ſtanden einander gegenüber,“ ſagte er Mich überlief es kalt, als ich ihn mit ſolcher „Und wen“ — fragte ich beklommen, und wie- Der Ingenieur ſah mich ſchweigend an, er ſagte „Sind Sie denn noch immer da?“ kam es plötz- Ich fuhr erſchrocken herum. In der Türe ſtand <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0004" n="Seite 4[4]"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung.</hi> Nr. 14 Dienstag, den 15. Januar 1924.</hi> </fw><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">MÜNCHENER STADTZEITUNG</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <cb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das Wohlfahrtsamt München</hi> </head><lb/> <p>Das Wohlfahrtsamt München, nach dem Kriege<lb/> geſchaffen iſt die Zuſammenfaſſung der alten<lb/> und neuen Fürſorgeeinrichtungen. Die jüngſten<lb/> Fürſorgezweige wurden in verſchiedenen Zentral-<lb/> ſtellen ausgebildet, die die im Frieden gewohnte<lb/> Zuſammenarbeit vielfach vermiſſen ließen. Der<lb/> Verwaltungsapparat war enorm. Mit ein und<lb/> derſelben Familie beſchäftigten ſich oft ohne Wiſ-<lb/> ſen voneinander die verſchiedenſten Fürſorge-<lb/> zweige, ſchickten ihre Erhebungs, und Fürſorge-<lb/> organe ins Haus, arbeiteten neben- oder gegen-<lb/> einander, gaben zwei- oder dreimal, ließen ſich von<lb/> den Schlauen und Gewiſſenloſen ausnutzen, an-<lb/> dere, die verſchämt beiſeite ſtanden, gingen da-<lb/> gegen leer aus. Die großen Städte, mit ihnen<lb/> auch München, gingen nun zur <hi rendition="#g">Zuſammen-<lb/> faſſung der verſchiedenen Fürſorge-<lb/> zweige in Wohlfahrtsämter</hi> über. Eine<lb/> völlig einheitliche Fürſorge war nach den beſtehen-<lb/> den Geſetzen und Vorſchriften nicht möglich. Hier<lb/> kann nur das Reich eingreifen, bei dem jetzt auch<lb/> die erſten Vorbereitungen für eine Vereinheit-<lb/> lichung getroffen werden.</p><lb/> <p>Das Wohlfahrtsamt München umfaßt heute<lb/> folgende <hi rendition="#g">Hauptfürſorgearten:</hi> Armen-<lb/> pflege, Stiftungsweſen, Kriegsbeſchädigten- und<lb/> Kriegshinterbliebenenfürſorge, Sozial- und Klein-<lb/> rentnerfürſorge, Minderbemitteltenfürſorge und<lb/> allgemeine Kriegsfolgenhilfe. Nicht einbezogen<lb/> ſind Jugendfürſorge und Erwerbsloſenfürſorge.</p><lb/> <p>Klar war, daß der Maſſenverkehr in dieſem<lb/> Amte bei der heutigen Maſſennot nicht in einem<lb/> auch noch ſo großen Gebäude ohne Nachteil für<lb/> Geſamtwohl, Staat und Hillfeſuchende bewältigt<lb/> werden konnte. Daher gliederte man das Wohl-<lb/> fahrtsamt in das <hi rendition="#g">Hauptwohlfahrtsamt<lb/> als Zentrale im Rathaus</hi> und in 11 <hi rendition="#g">Be-<lb/> zirkswohlfahrtsämter.</hi> Ein 12. Zweig-<lb/> amt dient zur Entlaſtung.</p><lb/> <p>Das <hi rendition="#g">Hauptamt im Rathaus</hi> leitet<lb/> das Ganze, ſtellt die Grundſätze der Fürſorge<lb/> auf, wacht über die Durchführung, entſcheidet in<lb/> beſonders ſchwierigen und koſtſpieligen Fällen, iſt<lb/> Beſchwerdeinſtanz gegen Entſcheidungen der<lb/> Außenſtellen, vermittelt den Verkehr mit den vor-<lb/> geſetzten Stellen und ſorgt für die Bereitſtellung<lb/> der erforderlichen Mittel. Ihm obliegt auch die<lb/> Aufnahme in die dem Referat unterſtehenden<lb/> 5 <hi rendition="#g">Anſtalten:</hi> St. Martinſpital, Gaſteigſpital,<lb/> Hl. Kreuzſpital, St. Joſefſpital und Hl. Geiſt-<lb/> ſpital mit über 2000 Betten, die Betreuung der<lb/> Pfründner in dieſen Anſtalten und die Ergän-<lb/> zungsfürſorge für Perſonen in anderen ſtädt. oder<lb/> privaten Anſtalten, die die Penſionspreiſe aus<lb/> eigenem nicht oder nicht ganz bezahlen können.<lb/> Schließlich wird auch eine Geſchäftsſtelle für<lb/> 24 <hi rendition="#g">Suppenanſtalten</hi> geführt, in denen täg-<lb/> lich 5000 Perſonen geſpeiſt werden.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Bezirkswohlfahrtsämter</hi> mit<lb/> ihren Ausſchüſſen arbeiten und entſcheiden dem-<lb/> nach in Normalfällen ſelbſtändig. Die Bedürf-<lb/> tigen des Bezirks eines Bezirkswohlfahrtsamtes<lb/> gehen nur bei dieſem aus und ein. Den Geſuch-<lb/> ſtellern werden die weiten Wege zu einer Zen-<lb/> trale erſpart. Das Verfahren iſt kurz und einfach.<lb/> Die Entſcheidung gründet ſich auf die eigenen<lb/> Wahrnehmungen der Entſcheidenden. <hi rendition="#g">München<lb/> darf ſich rühmen, mit dieſer Einrich-<lb/> tung bahnbrechend vorangegangen<lb/> zu ſein.</hi></p><lb/> <p>Der Herbſt 1923 brachte eine ſtarke Belaſtungs-<lb/> probe für das Wohlfahrtsamt und ſeine Zweig-<lb/> ämter, die beſtanden wurde. Ehrenamtliche und<lb/> berufliche Organe haben ſich in gleich anerken-<lb/> nungswerter Weiſe in die Bewältigung der Auf-<lb/> gabe geteilt. Der Vorwurf, das Wohlfahrtsamt<lb/> arbeite bureaukratiſch, iſt nicht gerechtfertigt. In<lb/> der Armenpflege liegen nach wie vor Prüfung der<lb/> Geſuche, Hausbeſuche, Entſcheidung der Geſuche<lb/> und Betreuung der Familien in den Händen<lb/> ehrenamtlicher Organe. In der übrigen Fürſorge<lb/> ſteht ihnen mindeſtens die Entſcheidung, alſo die<lb/> wichtigſte Befugnis der Fürſorge zu. In Aus-<lb/> ſchüſſen ſind vertreten neben Stadtrat und Armen-<lb/><cb/> rat die Geiſtlichkeit, alle möglichen privaten Wohl-<lb/> tätigkeitsorganiſationen, konfeſſionelle und pari-<lb/> tätiſche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie die<lb/> Sozial- und Kleinrentner uſw.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Beruflich tätig</hi> ſind beim Vollzug der<lb/> Fürſorge im Wohlfahrtsamt zur Zeit <hi rendition="#g">337 Per-<lb/> ſonen.</hi> Nach den ihm zugewieſenen Geſchäfts-<lb/> aufgaben gliedert ſich das Hauptwohlfahrtsamt in<lb/> folgende <hi rendition="#g">Abteilungen:</hi></p><lb/> <p>1. Geſchäftsabtellung, 2. Rechts- und Revi-<lb/> ſionsabteilung, 3. Abteilung für Stiftungen, Spi-<lb/> täler und Altersheime, 4. Zentrale der Fürſorge<lb/> für Kriegsbeſchädigte und Kriegshinterbliebene,<lb/> 5. Abteilung für Gebrechlichenfürſorge, 6. Abtei-<lb/> lung für Auswärtigen, und Wohnungsfürſorge,<lb/> 7. Zentralauskunftsſtelle für Wohlfahrtspflege,<lb/> 8. Geſchäftsſtelle für Suppenanſtalten.</p><lb/> <p>Die Bezirkswohlfahrtsämter ſind eingeteilt:</p><lb/> <p>1. in die allgemeine Abteilung, in der insbeſon-<lb/> dere die Fürſorge für die Sozialrentner, Klein-<lb/> rentner und für die Minderbemittelten durchge-<lb/> führt wird,</p><lb/> <p>2. in die Abteilung, für Armenpflege,</p><lb/> <p>3. in die Abteilung für Kriegsbeſchädigten- und<lb/> Kriegshinterbliebenenfürſorge. Angeſchloſſen iſt<lb/> eine Kaſſenſtelle und nach Bildung des Jugend-<lb/> amtes auch eine Abteilung für Jugendfürſorge.</p><lb/> <p>Sollten die jetzigen ſtabilen Verhältniſſe an-<lb/> dauern, wird alsbald mit einem <hi rendition="#g">Abbau des<lb/> Perſonals</hi> begonnen werden. <hi rendition="#g">Ehrenamt-<lb/> lich tätig</hi> ſind in der Armenpflege neben dem<lb/> Armenrat, der aus 117 geſetzlichen und gewähl-<lb/> ten Mitgliedern beſteht, insgeſamt <hi rendition="#g">1600 Di-<lb/> ſtriktsvorſteher„</hi> Armenpfleger und Armen-<lb/> pflegerinnen, in der übrigen Fürſorge ſind etwa<lb/> 150 ehrenamtliche Perſonen tätig.<lb/> (Fortſetzung folgt.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Artiſtenverſammlung</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#b">Während in Deutſchland ausländiſchen</hi> Artiſten<lb/> gern Gaſtrecht geboten wird, machen unſere Va-<lb/> rietee- und Kleinkunſt-Leute im Auslande die<lb/> merkwürdigſten Erfahrungen. Die Dinge ſind ſo<lb/> ſchlimm, daß der Bezirk Süddeutſchland der „In-<lb/> ternationalen Artiſtenloge“ zu ihrer Klärung eine<lb/> Verſammlung einberief. <hi rendition="#g">Foſſil,</hi> der Bezirksvor-<lb/> ſitzende, gab das einleitende Referat, in dem ge-<lb/> ſagt wurde, mit welchen Schikanen man den deut-<lb/> ſchen Artiſten Auslandsgaſtſpiele vereckeln Schwie-<lb/> rigkeiten bei der Einreiſe, bürokratiſche Wider-<lb/> ſtände während des Aufenthaltes und ſchließlich<lb/> — Ausweiſungen! In England beſtehe ein Be-<lb/> ſchluß der dortigen Organiſation, nach dem bis<lb/> fünf Jahre nach dem Kriege kein Artiſt der Mit-<lb/> telmächte im Inſellande auftreten dürfe. Am em-<lb/> pörendſten aber iſt die Feindſeligkeit, ale deutſche<lb/> Artiſten neuerdings in Oeſterreich finden. Darum<lb/> ſollte kein deutſcher Artiſt mehr nach Oeſterreich<lb/> oder den feindlich geſinnten Ländern abſchließen<lb/> und Deutſchland ſollte endlich auch wie dieſe Län-<lb/> der, eine Zentralfremdenpolizeiſtelle — wie ſie<lb/> Bayern ſchon hat — ſchaffen, die die Einreiſeve-<lb/> willigung den Artiſten nur in Fühlungnahme mit<lb/> der Organiſaton gibt. Schließlich ſchlug Herr <hi rendition="#g">Foſ-<lb/> ſil</hi> die Annahme folgender Entſchließung vor:<lb/><floatingText><body><div n="1"><p><hi rendition="#g">Die verſammelten Mitglieder der<lb/> Intern. Artiſtenloge nehmen mit<lb/> Entrüſtung Kenntnis von dem Ver-<lb/> halten einiger ausländiſcher Arti-<lb/> ſtenorganiſationen und Auslands-<lb/> behörden deutſchen Artiſten gegen-<lb/> über. Die Mitgliedſchaft erwartet<lb/> daß die deutſchen Behörden die Ein-<lb/> reiſe- und Aufenthaltsgenehmig-<lb/> ung den öſterreichiſchen und Schwei-<lb/> zer Artiſten nur dann erteilt, wenn<lb/> die Intern. Artiſtenloge vor der Ein-<lb/> reiſe die Erklärung abgegeben hat,<lb/> daß vom Standpunkt des Arbeits-<lb/> marktes Bedenken nicht beſtehen.<lb/> Bisher geſchieht bis zu einem ge-<lb/> wiſſen Grade dieſes Zuſammen-<lb/> wirken von Polizel und Artiſtenloge<lb/> in Bayern, ſpeziell in München.<lb/> Dieſe Gepflogenheit ſoll anerkannt<lb/> werden, muß aber feſte Formen an-<lb/><cb/> nehmen u. ſich über ganz Bayern und<lb/> das ganze Reich ausdehnen. Von der<lb/> Preſſe erwarten die Mitglieder,<lb/> daß ſie die Beſtrebungen der Ar-<lb/> tiſtenloge durch Aufklärungsarti-<lb/> kel in allen Ländern unterſtützt. Die<lb/> Mitglieder der Artiſtenloge for-<lb/> dern ferner die Spitzenverbände der<lb/> Gewerkſchaften in allen Ländern<lb/> auf, Kollektivverträge, Verſtändi-<lb/> gungs- und Verſöhnungsverhand-<lb/> lungen einzuleiten.</hi></p></div></body></floatingText> Dieſe Entſchließung<lb/> wurde mit Beifall auf- und einſtimmig ange-<lb/> nommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Für die Gefallenen der Bayer. Vereinsbank.</hi> </head><lb/> <p>Samstag nachmittag wurde in der Halle der<lb/> „Bayer. Vereinsbank“ vor der von Prof. Riemer-<lb/> ſchmid geſchaffenen bronzenen Gedenktafel der im<lb/> Weltkrieg gefallenen Beamten der Bank in ein-<lb/> drucksvoller Feier gedacht. Zwei Offiziere mit<lb/> entblößtem Säbel flankierten als Ehrenwache die<lb/> Gedenktafel. Mit getragener Muſik begann die<lb/> Feier. Dann hielt Geheimrat <hi rendition="#g">Pöhlmann</hi> als<lb/> erſter Direktor der Bank die Gedächtnisrede. Die<lb/> Erinnerungstafel, ſo ſagte er, möge auch für die<lb/> Lebenden eine Erinnerungstafel ſein: die er-<lb/> hebende Erinnerung an die Opfer, die gebracht<lb/> worden ſeien. Und ſeine Opferfähigkeit ſei der<lb/> Maßſtab für die Daſeins- und Entwicklungs-<lb/> berechtigung eines Volkes. Möge dieſe Gedenk-<lb/> tafel ein Kleinod dieſes Hauſes ſein, den Dahin-<lb/> gegangenen zum Dank, den Lebenden zur Mah-<lb/> nung, den Kommenden zum Vorbild. Unter den<lb/> Klängen des „Guten Kameraden“ legte Geheim-<lb/> rat Pöhlmann einen Lorbeerkranz nieder. Für<lb/> die auswärtigen Zweigſtellen weihte Geheimrat<lb/><hi rendition="#g">Hilcken-Würzburg,</hi> für den Betriebsrat<lb/> Herr Schreiber Kranz und Nachruf. Ein Weihe-<lb/> ſpruch, von Eugen <hi rendition="#g">Roth</hi> und Muſik (Klavier Frl.<lb/> Edenhofer, Geige Herr Igl, der auch „Die Ver-<lb/> borgenheit“ von Hugo Wolf geſungen hatte) be-<lb/> ſchloſſen die Feier.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Zwiſchenfeſtſetzung der Ortslöhne.</hi> </head><lb/> <p>Das Bayer.<lb/> Oberverſicherungsamt München hat die Ortslöhne<lb/> (ortsübliche Tagesentgelte gewöhnlicher Tagarbei-<lb/> ter) für den Stadtbezirk München mit Wirkung<lb/> vom 1. Januar 1924 ab bis zur nächſten allge-<lb/> meinen Feſtſetzung, wie folgt, feſtgeſetzt: männliche<lb/> über 21 Jahre 2,10 M, von 16—21 Jahre 1,65 M.,<lb/> unter 16 Jahren 1,05 M; weibliche über 21 Jahre<lb/> 1,35 M, von 16—21 Jahren 1,05 M, unter 16 Jah-<lb/> ren 0,75 M.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p><hi rendition="#b">Die Maul- und Klauenſeuche</hi> iſt bei verſchiedenen<lb/> Landwirten in Kirchſtockach, Gemeinde Brunnthal,<lb/> und in Großhadern erloſchen. Da auch die Des-<lb/> infektion ordnungsgemäß durchgeführt worden iſt,<lb/> hat das Bezirksamt <hi rendition="#g">München</hi> die ſämtlichen<lb/><hi rendition="#g">Schutzmaßnahmen aufgehoben.</hi> Damit<lb/> iſt der Bezirk München-Land wieder frei von<lb/> Maul- und Klauenſeuche.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Kleine Zeitung</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Vermählt:</hi> </head><lb/> <p>Dipl.-Ing. Guſtav <hi rendition="#g">Heilmann</hi> und<lb/> Frau Wally geb. Kiefer; Georg <hi rendition="#g">Engl</hi> und Frau<lb/> Centa verw. Stemmer; Bernhard <hi rendition="#g">Rupperport</hi><lb/> und Frau Betty.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Geſtorben:</hi> </head><lb/> <p>Steuerinſpektor Georg Chriſtoph<lb/><hi rendition="#g">Brunn;</hi> Wilh. <hi rendition="#g">Helfer;</hi> Buchdruckereibeſitzer<lb/> Wilh. <hi rendition="#g">Heppes;</hi> Kaufmann Heinr. <hi rendition="#g">Wenger;</hi><lb/> Rechnungsoberinſpektorsgattin Anna <hi rendition="#g">Strößen-<lb/> reuther</hi> geb. Lotter; Sami <hi rendition="#g">Günzburger,</hi><lb/> Augsburg; Sophie <hi rendition="#g">Gräff,</hi> ehem. Weißwaren-<lb/> geſchäftsinhaberin.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p><hi rendition="#g">Staatsrat Lang,</hi> der derzeitige ſtellver-<lb/> tretende Leiter des Landwirtſchaftsminiſteriums,<lb/> glitt, wie wir mit Bedauern vernehmen, infolge<lb/> Glatteiſes aus und zog ſich eine <hi rendition="#g">nicht uner-<lb/> hebliche Armverletzung</hi> zu.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Geburtstag.</hi> </head><lb/> <p>Dr. Seb. <hi rendition="#g">Schlittenbauer,</hi><lb/> Generalſekretär des Bayeriſchen Bauernvereins,<lb/> feiert am 21. Januar das Feſt des 50 jährigen<lb/> Geburtstages. — Am 14. Januar vollendete Ober-<lb/> lehrer und Bezirksſchulrat a. D. Anton <hi rendition="#g">Stau-<lb/> ber-Kemnath</hi> ſein 70. Lebensjahr.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Geſtorben.</hi> </head><lb/> <p>Freifrau Ida v. <hi rendition="#g">Malfen,</hi> geb.<lb/> Gräfin Butler, die aus München ſtammende Witwe<lb/> des 1891 geſtorbenen Hofmarſchalls des Prinzen<lb/> Ludwig von Bayern Kämmerers Frhrn. Albert<lb/> v. Malſen, iſt auf Schloß Marzoll bei Reichenhall<lb/> im 86. Lebensjahre entſchlafen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#b">Perſonalien.</hi> </head><lb/> <p>Der Rat a. d. St. am Landgerichte<lb/> München <hi rendition="#aq">I</hi> Th. <hi rendition="#g">Werner</hi> wurde in den Stand<lb/> dieſes Gerichtes eingerückt; der Rat am Ober-<lb/> landesgericht München Joſef <hi rendition="#g">Haiſermann,</hi><lb/> ſtellvertretendes Mitglied der Diſziplinarkammer<lb/> München für richterliche Beamte, zum Mitglied<lb/> und der Rat am Oberlandesgerichte München<lb/> Lorenz <hi rendition="#g">Gerſtlauer</hi> zum ſtellvertretenden Mit-<lb/> glied der Diſziplinarkammer München für richter-<lb/> liche Beamte ernannt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p>Zum Handelsrichter bei den Kammern für<lb/> Handelsſachen am Landgerichte München <hi rendition="#aq">I</hi> Han-<lb/> delsrichter Dr. Max <hi rendition="#g">Jodlbauer,</hi> Kommerzien-<lb/> rat; Valentin <hi rendition="#g">Walter,</hi> Kaufmann und Kom-<lb/> merzienrat, wiederernannt.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Aus den Parteien</hi> </head><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b">Deutſche Demokratiſche Partei.</hi> </head><lb/> <p>Der Kreis-<lb/> verband München hält <hi rendition="#g">Dienstag</hi> den 15. Ja-<lb/> nuar, abends ½8 Uhr, im Kreuzbräu, Brunn-<lb/> ſtraße 7 (Saal 2), ſeine <hi rendition="#g">ordentliche Jah-<lb/> reshauptverſammlung</hi> ab. Nach Erle-<lb/> digung der geſchäftlichen Angelegenheiten (Jah-<lb/> resbericht uſw.) wird der Vorſitzende der demo-<lb/> kratiſch Stadtratsfraktion, Stadtrat K. <hi rendition="#g">Hübſch,</hi><lb/> über <hi rendition="#g">„Die Tätigkeit der demokrati-<lb/> ſchen Stadtratsfraktion im Mün-<lb/> chener Rathaus“</hi> ſprechen. Zutritt nur ge-<lb/> gen Mitgliedsausweis.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Reichsgründungsfeier</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#g">Die Jugendgruppe Iſargau der<lb/> Deutſchen Volkspartei</hi> hielt am Mon-<lb/> tag abend im Mathildenſaal eine gut beſuchte<lb/> ſchlichte Reichsgründungsfeier ab. Nach einer<lb/> warmherzigen Begrüßungsanſprache des Vorſitzen-<lb/> den cand. jur. <hi rendition="#g">Trampler,</hi> die eine ſtimmungs-<lb/> volle Ehrung der gefallenen Helden einſchloß, hielt<lb/> General Exz. Karl v. <hi rendition="#g">Schoch</hi> die in den ewigen<lb/> Befreiungskampf Deutſchlands zurückführende<lb/> Feſtrede. Von Armenien über das römiſche Kaiſer-<lb/> tum bis zu Bismarck erhebt ſich das Geſpenſt der<lb/> deutſchen Zwietracht. Köſtliche Provinzen gingen<lb/> im Laufe der Jahrhunderte verloren: das Elſaß,<lb/> die Niederlande, die Schweiz, Konfeſſioneller<lb/> Hader zerriß das deutſche Volk.</p><lb/> <cit> <quote>Die Befreiungskämpfe brachten einen ungeheu-<lb/> ren ſeeliſchen Aufſchwung, politiſch aber nur die<lb/> Enttäuſchung des Deutſchen Bundes. Auch 1848<lb/> ſchuf keine reale Löſung. Doch ſchon war der neue<lb/> Siegfried geboren, der Mann von „Blut und<lb/> Eiſen“, der Mann der weiſen Mäßigung von 1866:<lb/><hi rendition="#g">Bismarck!</hi> Der Reichsſchöpfer kannte die <hi rendition="#g">leben</hi>-<lb/> digen Kräfte ſeiner Zeit, darum konnte er das<lb/> neue Deutſche Reich ſchaffen, die Spannungen<lb/> löſen, das Volk zu einer lebendigen Einheit zu-<lb/> ſammenſchmieden: Nimmer ſcheidet uns der<lb/> Main! Einheitsgedanke und Föderalismus ſchmol-<lb/> zen in ſeinem Reichsbau zu einem mächtigen<lb/> Werk zuſammen.<lb/> Was könnten wir ihm heute ſagen? Nichts<lb/> anderes als: Meiſter, es ging über unſere Kraft!<lb/> Und er würde das richtige Wort finden im inner-<lb/> politiſchen Streit, im Kampfe gegen einen über-<lb/> triebenen Unitarismus und Zentralismus. Wenn<lb/> wir aber rufen: Zurück zu Bismarck! — Dann<lb/> müſſen wir uns mit allen Kräften gegen die von<lb/> Frankreich betriebene Zerſchlagung Preußens<lb/> wehren. Das muß auch denen geſagt werden, die<lb/> ſeit Jahren den Ruf erſchallen laſſen: Los von<lb/> Preußen, los von Berlin!<lb/> Mit der Mahnung des greiſen Alten vom Sach-<lb/> ſenwalde, <hi rendition="#g">einig zu ſein</hi> und über dem Partei-<lb/> geiſt den <hi rendition="#g">nationalen Gedanken</hi> vor<lb/> Europa leuchten zu laſſen, auszuhalten in jeder<lb/> Bedrängnis, und dem Bekenntnis <hi rendition="#g">zu einem<lb/> mächtigen Deutſchen Reich</hi> ſchloß der<lb/> Redner des Abends ſeine packenden Ausführun-<lb/> gen, an die ſich das „Deutſchlandlied“ auſchloß.</quote> </cit><lb/> <cb/> </div> </div> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Meiſter des jüngſten Tages</hi> </head><lb/> <argument> <p>14<lb/><hi rendition="#b">Roman</hi></p> </argument><lb/> <byline> <hi rendition="#b">von <hi rendition="#g">Leo Perutz</hi></hi> </byline><lb/> <p>Warum ſagt er mir das? — fragte ich mich<lb/> verwundert und beunruhigt. — Warum ſieht er<lb/> mich ſo ſonderbar an? Gibt er mir etwa am<lb/> Ende die Schuld an Eugen Biſchoffs Selbſtmord?<lb/> Und ich ſagte leiſe:</p><lb/> <p>„Er iſt freiwillig aus dem Leben geſchieden.“</p><lb/> <p>„So? Freiwillig?“ rief der Ingenieur mit einer<lb/> Heftigkeit, die mich erſchreckte. „Sind Sie deſſen<lb/> ganz gewiß? Ich will Ihnen etwas ſagen, Baron:<lb/> Ich war der Erſte hier im Zimmer. Die Türe<lb/> war von innen verſperrt, ich habe das Fenſter<lb/> eingeſchlagen, da liegen noch die Scherben. Ich<lb/> habe ſein Geſicht geſehen, ich war der erſte, der<lb/> ſein Geſicht geſehen hat. Und ich ſage Ihnen:<lb/> das Entſetzen, das die Geſichter jener Fünfhundert<lb/> am Munhofluß verzerrt hat, die im Dunkeln den<lb/> Hügel hinaufliefen und wußten, daß ſie im näch-<lb/> ſten Augenblick den Draht berühren würden, —<lb/> dieſes Entſetzen war nichts gegen den Ausdruck<lb/> auf Eugen Biſchoffs Geſicht. Er hat Angſt ge-<lb/> habt, irrſinnige Angſt vor etwas, was uns<lb/> verborgen iſt. Und vor dieſer Angſt hat er ſich zu<lb/> dem Revolver geflüchtet. Wie in ein Aſyl. Frei-<lb/> willig aus dem Leben geſchieden? Nein! Baron.<lb/> Eugen Biſchoff iſt in den Tod gehetzt worden.“</p><lb/> <p>Er hob die Decke, die den Toten verhüllte, ein<lb/> wenig in die Höhe und blickte ihm in das ſtarre<lb/> Geſicht.</p><lb/> <p>„Wie mit einer Peitſche in den Tod gehetzt,“<lb/> ſagte er dann mit einer Ergriffenheit in der<lb/><cb/> Stimme, die gar nicht ſeinem ſonſtigen Weſen<lb/> entſprach.</p><lb/> <p>Ich hatte mich abgewendet. Ich konnte nicht<lb/> hinſehen.</p><lb/> <p>„Sie meinen alſo,“ ſagte ich nach einer Weile,<lb/> und die Kehle war mir wie zugeſchnürt, das<lb/> Sprechen machte mir Mühe. „Wenn ich Sie recht<lb/> verſtehe, meinen Sie alſo, daß er es erfahren<lb/> hat, — daß es ihm auf irgendeine Art zu Ohren<lb/> gekommen iſt —“</p><lb/> <p>„Was denn? Wovon ſprechen Sie?“</p><lb/> <p>„Sie wiſſen vermutlich, daß das Bankhaus zu-<lb/> ſammengebrochen iſt, dem er ſein Vermögen an-<lb/> vertraut hat?“</p><lb/> <p>„So? — Sehen Sie, das hab ich nicht gewußt.<lb/> Das höre ich jetzt zum erſtenmal. — Nein, Baron,<lb/> das iſt es nicht geweſen. Die Angſt, die in ſeinem<lb/> Geſichte ſtand, die war von anderer Art. Geld?<lb/> Nein. Um Geld iſt es hier nicht gegangen. Sie<lb/> müßten ſein Geſicht geſehen haben, erklären läßt<lb/> ſich das nicht.“</p><lb/> <p>„Als ich ins Zimmer kam,“ fuhr er nach einem<lb/> Augenblick des Schweigens fort, „da hat er noch<lb/> ſprechen können. Es waren nur ein paar Worte<lb/> ich habe ſie verſtanden, obwohl ſie mehr gehaucht<lb/> als geſprochen waren. — Sehr ſonderbare Worte.<lb/> Freilich, im Munde eines Sterbenden —“</p><lb/> <p>Er ging im Zimmer auf und nieder und ſchüt-<lb/> telte den Kopf.</p><lb/> <p>„Sonderbare Worte. — Ich kannte ihn eigentlich<lb/> ſo wenig. So wenig weiß einer vom anderen. Sie<lb/> kannten ihn beſſer oder zumindeſt länger: Sagen<lb/> Sie mir, wie war ſein Verhältnis zur Religion?<lb/> Ich meine zur Kirche. Hielten Sie ihn für<lb/> fromm?“</p><lb/> <cb/> <p>„Fromm? Er war abergläubiſch, wie die mei-<lb/> ſten Schauſpieler. In Kleinigkeiten abergläubiſch.<lb/> Frömmigkeit im Sinne der Kirche hab ich niemals<lb/> an ihm wahrgenommen.“</p><lb/> <p>„Sollte dennoch das ſein letzter Gedanke ge-<lb/> weſen ſein? Dieſes Märchen für gläubige Kin-<lb/> der?“ fragte der Ingenieur und ſah mich unver-<lb/> wandt an.</p><lb/> <p>Ich ſagte nichts, ich wußte nicht, wovon er<lb/> ſprach. Er erwartete wohl auch keine Antwort.</p><lb/> <p>„<hi rendition="#aq">Nevermind,</hi>“ ſagte er zu ſich ſelbſt mit einer<lb/> leichten Handbewegung. „Auch eines von den<lb/> Dingen, denen wir nie auf den Grund kommen<lb/> werden.“</p><lb/> <p>Er nahm den Revolver vom Tiſch und ſah ihn<lb/> an mit einem Blick, der erkennen ließ, daß er an<lb/> etwas anderes dachte. Dann legte er ihn wieder<lb/> aus der Hand.</p><lb/> <p>„Wie kam er denn eigentlich zu dieſer Waffe?“<lb/> fragte ich. „War ſie ſein Eigentum?“</p><lb/> <p>Der Ingenieur fuhr aus ſeinen Gedanken auf.</p><lb/> <p>„Zu dieſem Revolver? Ja, er war ſein Eigen-<lb/> tum. Er hat ihn immer bei ſich getragen, ſagt<lb/> Felix. Wenn er des Nachts nach Hauſe ging, mußte<lb/> er über Felder und an Bauplätzen vorbei. Viel<lb/> lichtſcheues Geſindel. Er hatte Furcht vor nächt-<lb/> lichen Begegnungen. — Das war eben das Ver-<lb/> hängnisvolle, daß er den Revolver ſchußfertig bei<lb/> ſich trug. Ein Sprung aus dem Fenſter — das<lb/> wäre in dieſem Fall weiter nicht ſchlimm geweſen.<lb/> Eine Sehnenzerrung, eine leichte Verſtauchung,<lb/> und vielleicht nicht einmal das.“</p><lb/> <p>Er öffnete das Fenſter und blickte hinaus. Ein<lb/> paar Sekunden lang ſtand er ſo, und der Wind<lb/> ſchüttelte und bauſchte die Fenſtergardinen. Drau-<lb/><cb/> ßen rauſchten die Kaſtanienbäume. Die Papiere<lb/> auf dem Schreibtiſche flatterten in die Höhe, und<lb/> ein verwelktes Kaſtanienblatt, das ſich ins Zim-<lb/> mer verirrt hatte, huſchte lautlos über den Fuß-<lb/> boden.</p><lb/> <p>Der Ingenieur ſchloß das Fenſter und wandte<lb/> ſich wieder mir zu:</p><lb/> <p>„Er war kein Feigling. Nein, bei Gott, ein<lb/> Feigling war er nicht. Er hat es ſeinem Mörder<lb/> nicht leicht gemacht.“</p><lb/> <p>„Seinem Mörder?“</p><lb/> <p>„Gewiß. Seinem Mörder. Er iſt in den Tod<lb/> gejagt worden. Sehen Sie, hier ſtand er, und<lb/> dort ſtand der andere.“</p><lb/> <p>Er wies auf die Stelle an der Wand, in deren<lb/> Betrachtung vertieft ich ihn bei meinem Eintritt<lb/> ins Zimmer angetroffen hatte.</p><lb/> <p>„Sie ſtanden einander gegenüber,“ ſagte er<lb/> langſam und ſah mich dabei an. „Aug’ in Aug’<lb/> ſtanden ſie, wie bei einem Duell.“</p><lb/> <p>Mich überlief es kalt, als ich ihn mit ſolcher<lb/> Sicherheit, als wäre er dabei geweſen, von der<lb/> Sache ſprechen hörte.</p><lb/> <p>„Und wen“ — fragte ich beklommen, und wie-<lb/> derum verſpürte ich das Würgen im Hals —,<lb/> „wen halten Sie für den Mörder?“</p><lb/> <p>Der Ingenieur ſah mich ſchweigend an, er ſagte<lb/> kein Wort, hob langſam die Schultern und ließ ſie<lb/> wieder ſinken.</p><lb/> <p>„Sind Sie denn noch immer da?“ kam es plötz-<lb/> lich von der Türe her. „Warum gehen Sie denn<lb/> nicht?“</p><lb/> <p>Ich fuhr erſchrocken herum. In der Türe ſtand<lb/> Doktor Gorski und ſein Blick galt mir.<lb/> (Fortſetzung folgt.)</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [Seite 4[4]/0004]
Allgemeine Zeitung. Nr. 14 Dienstag, den 15. Januar 1924.
MÜNCHENER STADTZEITUNG
Das Wohlfahrtsamt München
Das Wohlfahrtsamt München, nach dem Kriege
geſchaffen iſt die Zuſammenfaſſung der alten
und neuen Fürſorgeeinrichtungen. Die jüngſten
Fürſorgezweige wurden in verſchiedenen Zentral-
ſtellen ausgebildet, die die im Frieden gewohnte
Zuſammenarbeit vielfach vermiſſen ließen. Der
Verwaltungsapparat war enorm. Mit ein und
derſelben Familie beſchäftigten ſich oft ohne Wiſ-
ſen voneinander die verſchiedenſten Fürſorge-
zweige, ſchickten ihre Erhebungs, und Fürſorge-
organe ins Haus, arbeiteten neben- oder gegen-
einander, gaben zwei- oder dreimal, ließen ſich von
den Schlauen und Gewiſſenloſen ausnutzen, an-
dere, die verſchämt beiſeite ſtanden, gingen da-
gegen leer aus. Die großen Städte, mit ihnen
auch München, gingen nun zur Zuſammen-
faſſung der verſchiedenen Fürſorge-
zweige in Wohlfahrtsämter über. Eine
völlig einheitliche Fürſorge war nach den beſtehen-
den Geſetzen und Vorſchriften nicht möglich. Hier
kann nur das Reich eingreifen, bei dem jetzt auch
die erſten Vorbereitungen für eine Vereinheit-
lichung getroffen werden.
Das Wohlfahrtsamt München umfaßt heute
folgende Hauptfürſorgearten: Armen-
pflege, Stiftungsweſen, Kriegsbeſchädigten- und
Kriegshinterbliebenenfürſorge, Sozial- und Klein-
rentnerfürſorge, Minderbemitteltenfürſorge und
allgemeine Kriegsfolgenhilfe. Nicht einbezogen
ſind Jugendfürſorge und Erwerbsloſenfürſorge.
Klar war, daß der Maſſenverkehr in dieſem
Amte bei der heutigen Maſſennot nicht in einem
auch noch ſo großen Gebäude ohne Nachteil für
Geſamtwohl, Staat und Hillfeſuchende bewältigt
werden konnte. Daher gliederte man das Wohl-
fahrtsamt in das Hauptwohlfahrtsamt
als Zentrale im Rathaus und in 11 Be-
zirkswohlfahrtsämter. Ein 12. Zweig-
amt dient zur Entlaſtung.
Das Hauptamt im Rathaus leitet
das Ganze, ſtellt die Grundſätze der Fürſorge
auf, wacht über die Durchführung, entſcheidet in
beſonders ſchwierigen und koſtſpieligen Fällen, iſt
Beſchwerdeinſtanz gegen Entſcheidungen der
Außenſtellen, vermittelt den Verkehr mit den vor-
geſetzten Stellen und ſorgt für die Bereitſtellung
der erforderlichen Mittel. Ihm obliegt auch die
Aufnahme in die dem Referat unterſtehenden
5 Anſtalten: St. Martinſpital, Gaſteigſpital,
Hl. Kreuzſpital, St. Joſefſpital und Hl. Geiſt-
ſpital mit über 2000 Betten, die Betreuung der
Pfründner in dieſen Anſtalten und die Ergän-
zungsfürſorge für Perſonen in anderen ſtädt. oder
privaten Anſtalten, die die Penſionspreiſe aus
eigenem nicht oder nicht ganz bezahlen können.
Schließlich wird auch eine Geſchäftsſtelle für
24 Suppenanſtalten geführt, in denen täg-
lich 5000 Perſonen geſpeiſt werden.
Die Bezirkswohlfahrtsämter mit
ihren Ausſchüſſen arbeiten und entſcheiden dem-
nach in Normalfällen ſelbſtändig. Die Bedürf-
tigen des Bezirks eines Bezirkswohlfahrtsamtes
gehen nur bei dieſem aus und ein. Den Geſuch-
ſtellern werden die weiten Wege zu einer Zen-
trale erſpart. Das Verfahren iſt kurz und einfach.
Die Entſcheidung gründet ſich auf die eigenen
Wahrnehmungen der Entſcheidenden. München
darf ſich rühmen, mit dieſer Einrich-
tung bahnbrechend vorangegangen
zu ſein.
Der Herbſt 1923 brachte eine ſtarke Belaſtungs-
probe für das Wohlfahrtsamt und ſeine Zweig-
ämter, die beſtanden wurde. Ehrenamtliche und
berufliche Organe haben ſich in gleich anerken-
nungswerter Weiſe in die Bewältigung der Auf-
gabe geteilt. Der Vorwurf, das Wohlfahrtsamt
arbeite bureaukratiſch, iſt nicht gerechtfertigt. In
der Armenpflege liegen nach wie vor Prüfung der
Geſuche, Hausbeſuche, Entſcheidung der Geſuche
und Betreuung der Familien in den Händen
ehrenamtlicher Organe. In der übrigen Fürſorge
ſteht ihnen mindeſtens die Entſcheidung, alſo die
wichtigſte Befugnis der Fürſorge zu. In Aus-
ſchüſſen ſind vertreten neben Stadtrat und Armen-
rat die Geiſtlichkeit, alle möglichen privaten Wohl-
tätigkeitsorganiſationen, konfeſſionelle und pari-
tätiſche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie die
Sozial- und Kleinrentner uſw.
Beruflich tätig ſind beim Vollzug der
Fürſorge im Wohlfahrtsamt zur Zeit 337 Per-
ſonen. Nach den ihm zugewieſenen Geſchäfts-
aufgaben gliedert ſich das Hauptwohlfahrtsamt in
folgende Abteilungen:
1. Geſchäftsabtellung, 2. Rechts- und Revi-
ſionsabteilung, 3. Abteilung für Stiftungen, Spi-
täler und Altersheime, 4. Zentrale der Fürſorge
für Kriegsbeſchädigte und Kriegshinterbliebene,
5. Abteilung für Gebrechlichenfürſorge, 6. Abtei-
lung für Auswärtigen, und Wohnungsfürſorge,
7. Zentralauskunftsſtelle für Wohlfahrtspflege,
8. Geſchäftsſtelle für Suppenanſtalten.
Die Bezirkswohlfahrtsämter ſind eingeteilt:
1. in die allgemeine Abteilung, in der insbeſon-
dere die Fürſorge für die Sozialrentner, Klein-
rentner und für die Minderbemittelten durchge-
führt wird,
2. in die Abteilung, für Armenpflege,
3. in die Abteilung für Kriegsbeſchädigten- und
Kriegshinterbliebenenfürſorge. Angeſchloſſen iſt
eine Kaſſenſtelle und nach Bildung des Jugend-
amtes auch eine Abteilung für Jugendfürſorge.
Sollten die jetzigen ſtabilen Verhältniſſe an-
dauern, wird alsbald mit einem Abbau des
Perſonals begonnen werden. Ehrenamt-
lich tätig ſind in der Armenpflege neben dem
Armenrat, der aus 117 geſetzlichen und gewähl-
ten Mitgliedern beſteht, insgeſamt 1600 Di-
ſtriktsvorſteher„ Armenpfleger und Armen-
pflegerinnen, in der übrigen Fürſorge ſind etwa
150 ehrenamtliche Perſonen tätig.
(Fortſetzung folgt.)
Artiſtenverſammlung
Während in Deutſchland ausländiſchen Artiſten
gern Gaſtrecht geboten wird, machen unſere Va-
rietee- und Kleinkunſt-Leute im Auslande die
merkwürdigſten Erfahrungen. Die Dinge ſind ſo
ſchlimm, daß der Bezirk Süddeutſchland der „In-
ternationalen Artiſtenloge“ zu ihrer Klärung eine
Verſammlung einberief. Foſſil, der Bezirksvor-
ſitzende, gab das einleitende Referat, in dem ge-
ſagt wurde, mit welchen Schikanen man den deut-
ſchen Artiſten Auslandsgaſtſpiele vereckeln Schwie-
rigkeiten bei der Einreiſe, bürokratiſche Wider-
ſtände während des Aufenthaltes und ſchließlich
— Ausweiſungen! In England beſtehe ein Be-
ſchluß der dortigen Organiſation, nach dem bis
fünf Jahre nach dem Kriege kein Artiſt der Mit-
telmächte im Inſellande auftreten dürfe. Am em-
pörendſten aber iſt die Feindſeligkeit, ale deutſche
Artiſten neuerdings in Oeſterreich finden. Darum
ſollte kein deutſcher Artiſt mehr nach Oeſterreich
oder den feindlich geſinnten Ländern abſchließen
und Deutſchland ſollte endlich auch wie dieſe Län-
der, eine Zentralfremdenpolizeiſtelle — wie ſie
Bayern ſchon hat — ſchaffen, die die Einreiſeve-
willigung den Artiſten nur in Fühlungnahme mit
der Organiſaton gibt. Schließlich ſchlug Herr Foſ-
ſil die Annahme folgender Entſchließung vor:
Die verſammelten Mitglieder der
Intern. Artiſtenloge nehmen mit
Entrüſtung Kenntnis von dem Ver-
halten einiger ausländiſcher Arti-
ſtenorganiſationen und Auslands-
behörden deutſchen Artiſten gegen-
über. Die Mitgliedſchaft erwartet
daß die deutſchen Behörden die Ein-
reiſe- und Aufenthaltsgenehmig-
ung den öſterreichiſchen und Schwei-
zer Artiſten nur dann erteilt, wenn
die Intern. Artiſtenloge vor der Ein-
reiſe die Erklärung abgegeben hat,
daß vom Standpunkt des Arbeits-
marktes Bedenken nicht beſtehen.
Bisher geſchieht bis zu einem ge-
wiſſen Grade dieſes Zuſammen-
wirken von Polizel und Artiſtenloge
in Bayern, ſpeziell in München.
Dieſe Gepflogenheit ſoll anerkannt
werden, muß aber feſte Formen an-
nehmen u. ſich über ganz Bayern und
das ganze Reich ausdehnen. Von der
Preſſe erwarten die Mitglieder,
daß ſie die Beſtrebungen der Ar-
tiſtenloge durch Aufklärungsarti-
kel in allen Ländern unterſtützt. Die
Mitglieder der Artiſtenloge for-
dern ferner die Spitzenverbände der
Gewerkſchaften in allen Ländern
auf, Kollektivverträge, Verſtändi-
gungs- und Verſöhnungsverhand-
lungen einzuleiten.
Dieſe Entſchließung
wurde mit Beifall auf- und einſtimmig ange-
nommen.
Für die Gefallenen der Bayer. Vereinsbank.
Samstag nachmittag wurde in der Halle der
„Bayer. Vereinsbank“ vor der von Prof. Riemer-
ſchmid geſchaffenen bronzenen Gedenktafel der im
Weltkrieg gefallenen Beamten der Bank in ein-
drucksvoller Feier gedacht. Zwei Offiziere mit
entblößtem Säbel flankierten als Ehrenwache die
Gedenktafel. Mit getragener Muſik begann die
Feier. Dann hielt Geheimrat Pöhlmann als
erſter Direktor der Bank die Gedächtnisrede. Die
Erinnerungstafel, ſo ſagte er, möge auch für die
Lebenden eine Erinnerungstafel ſein: die er-
hebende Erinnerung an die Opfer, die gebracht
worden ſeien. Und ſeine Opferfähigkeit ſei der
Maßſtab für die Daſeins- und Entwicklungs-
berechtigung eines Volkes. Möge dieſe Gedenk-
tafel ein Kleinod dieſes Hauſes ſein, den Dahin-
gegangenen zum Dank, den Lebenden zur Mah-
nung, den Kommenden zum Vorbild. Unter den
Klängen des „Guten Kameraden“ legte Geheim-
rat Pöhlmann einen Lorbeerkranz nieder. Für
die auswärtigen Zweigſtellen weihte Geheimrat
Hilcken-Würzburg, für den Betriebsrat
Herr Schreiber Kranz und Nachruf. Ein Weihe-
ſpruch, von Eugen Roth und Muſik (Klavier Frl.
Edenhofer, Geige Herr Igl, der auch „Die Ver-
borgenheit“ von Hugo Wolf geſungen hatte) be-
ſchloſſen die Feier.
Zwiſchenfeſtſetzung der Ortslöhne.
Das Bayer.
Oberverſicherungsamt München hat die Ortslöhne
(ortsübliche Tagesentgelte gewöhnlicher Tagarbei-
ter) für den Stadtbezirk München mit Wirkung
vom 1. Januar 1924 ab bis zur nächſten allge-
meinen Feſtſetzung, wie folgt, feſtgeſetzt: männliche
über 21 Jahre 2,10 M, von 16—21 Jahre 1,65 M.,
unter 16 Jahren 1,05 M; weibliche über 21 Jahre
1,35 M, von 16—21 Jahren 1,05 M, unter 16 Jah-
ren 0,75 M.
Die Maul- und Klauenſeuche iſt bei verſchiedenen
Landwirten in Kirchſtockach, Gemeinde Brunnthal,
und in Großhadern erloſchen. Da auch die Des-
infektion ordnungsgemäß durchgeführt worden iſt,
hat das Bezirksamt München die ſämtlichen
Schutzmaßnahmen aufgehoben. Damit
iſt der Bezirk München-Land wieder frei von
Maul- und Klauenſeuche.
Kleine Zeitung
Vermählt:
Dipl.-Ing. Guſtav Heilmann und
Frau Wally geb. Kiefer; Georg Engl und Frau
Centa verw. Stemmer; Bernhard Rupperport
und Frau Betty.
Geſtorben:
Steuerinſpektor Georg Chriſtoph
Brunn; Wilh. Helfer; Buchdruckereibeſitzer
Wilh. Heppes; Kaufmann Heinr. Wenger;
Rechnungsoberinſpektorsgattin Anna Strößen-
reuther geb. Lotter; Sami Günzburger,
Augsburg; Sophie Gräff, ehem. Weißwaren-
geſchäftsinhaberin.
Staatsrat Lang, der derzeitige ſtellver-
tretende Leiter des Landwirtſchaftsminiſteriums,
glitt, wie wir mit Bedauern vernehmen, infolge
Glatteiſes aus und zog ſich eine nicht uner-
hebliche Armverletzung zu.
Geburtstag.
Dr. Seb. Schlittenbauer,
Generalſekretär des Bayeriſchen Bauernvereins,
feiert am 21. Januar das Feſt des 50 jährigen
Geburtstages. — Am 14. Januar vollendete Ober-
lehrer und Bezirksſchulrat a. D. Anton Stau-
ber-Kemnath ſein 70. Lebensjahr.
Geſtorben.
Freifrau Ida v. Malfen, geb.
Gräfin Butler, die aus München ſtammende Witwe
des 1891 geſtorbenen Hofmarſchalls des Prinzen
Ludwig von Bayern Kämmerers Frhrn. Albert
v. Malſen, iſt auf Schloß Marzoll bei Reichenhall
im 86. Lebensjahre entſchlafen.
Perſonalien.
Der Rat a. d. St. am Landgerichte
München I Th. Werner wurde in den Stand
dieſes Gerichtes eingerückt; der Rat am Ober-
landesgericht München Joſef Haiſermann,
ſtellvertretendes Mitglied der Diſziplinarkammer
München für richterliche Beamte, zum Mitglied
und der Rat am Oberlandesgerichte München
Lorenz Gerſtlauer zum ſtellvertretenden Mit-
glied der Diſziplinarkammer München für richter-
liche Beamte ernannt.
Zum Handelsrichter bei den Kammern für
Handelsſachen am Landgerichte München I Han-
delsrichter Dr. Max Jodlbauer, Kommerzien-
rat; Valentin Walter, Kaufmann und Kom-
merzienrat, wiederernannt.
Aus den Parteien
Deutſche Demokratiſche Partei.
Der Kreis-
verband München hält Dienstag den 15. Ja-
nuar, abends ½8 Uhr, im Kreuzbräu, Brunn-
ſtraße 7 (Saal 2), ſeine ordentliche Jah-
reshauptverſammlung ab. Nach Erle-
digung der geſchäftlichen Angelegenheiten (Jah-
resbericht uſw.) wird der Vorſitzende der demo-
kratiſch Stadtratsfraktion, Stadtrat K. Hübſch,
über „Die Tätigkeit der demokrati-
ſchen Stadtratsfraktion im Mün-
chener Rathaus“ ſprechen. Zutritt nur ge-
gen Mitgliedsausweis.
Reichsgründungsfeier
Die Jugendgruppe Iſargau der
Deutſchen Volkspartei hielt am Mon-
tag abend im Mathildenſaal eine gut beſuchte
ſchlichte Reichsgründungsfeier ab. Nach einer
warmherzigen Begrüßungsanſprache des Vorſitzen-
den cand. jur. Trampler, die eine ſtimmungs-
volle Ehrung der gefallenen Helden einſchloß, hielt
General Exz. Karl v. Schoch die in den ewigen
Befreiungskampf Deutſchlands zurückführende
Feſtrede. Von Armenien über das römiſche Kaiſer-
tum bis zu Bismarck erhebt ſich das Geſpenſt der
deutſchen Zwietracht. Köſtliche Provinzen gingen
im Laufe der Jahrhunderte verloren: das Elſaß,
die Niederlande, die Schweiz, Konfeſſioneller
Hader zerriß das deutſche Volk.
Die Befreiungskämpfe brachten einen ungeheu-
ren ſeeliſchen Aufſchwung, politiſch aber nur die
Enttäuſchung des Deutſchen Bundes. Auch 1848
ſchuf keine reale Löſung. Doch ſchon war der neue
Siegfried geboren, der Mann von „Blut und
Eiſen“, der Mann der weiſen Mäßigung von 1866:
Bismarck! Der Reichsſchöpfer kannte die leben-
digen Kräfte ſeiner Zeit, darum konnte er das
neue Deutſche Reich ſchaffen, die Spannungen
löſen, das Volk zu einer lebendigen Einheit zu-
ſammenſchmieden: Nimmer ſcheidet uns der
Main! Einheitsgedanke und Föderalismus ſchmol-
zen in ſeinem Reichsbau zu einem mächtigen
Werk zuſammen.
Was könnten wir ihm heute ſagen? Nichts
anderes als: Meiſter, es ging über unſere Kraft!
Und er würde das richtige Wort finden im inner-
politiſchen Streit, im Kampfe gegen einen über-
triebenen Unitarismus und Zentralismus. Wenn
wir aber rufen: Zurück zu Bismarck! — Dann
müſſen wir uns mit allen Kräften gegen die von
Frankreich betriebene Zerſchlagung Preußens
wehren. Das muß auch denen geſagt werden, die
ſeit Jahren den Ruf erſchallen laſſen: Los von
Preußen, los von Berlin!
Mit der Mahnung des greiſen Alten vom Sach-
ſenwalde, einig zu ſein und über dem Partei-
geiſt den nationalen Gedanken vor
Europa leuchten zu laſſen, auszuhalten in jeder
Bedrängnis, und dem Bekenntnis zu einem
mächtigen Deutſchen Reich ſchloß der
Redner des Abends ſeine packenden Ausführun-
gen, an die ſich das „Deutſchlandlied“ auſchloß.
Der Meiſter des jüngſten Tages
14
Roman
von Leo Perutz
Warum ſagt er mir das? — fragte ich mich
verwundert und beunruhigt. — Warum ſieht er
mich ſo ſonderbar an? Gibt er mir etwa am
Ende die Schuld an Eugen Biſchoffs Selbſtmord?
Und ich ſagte leiſe:
„Er iſt freiwillig aus dem Leben geſchieden.“
„So? Freiwillig?“ rief der Ingenieur mit einer
Heftigkeit, die mich erſchreckte. „Sind Sie deſſen
ganz gewiß? Ich will Ihnen etwas ſagen, Baron:
Ich war der Erſte hier im Zimmer. Die Türe
war von innen verſperrt, ich habe das Fenſter
eingeſchlagen, da liegen noch die Scherben. Ich
habe ſein Geſicht geſehen, ich war der erſte, der
ſein Geſicht geſehen hat. Und ich ſage Ihnen:
das Entſetzen, das die Geſichter jener Fünfhundert
am Munhofluß verzerrt hat, die im Dunkeln den
Hügel hinaufliefen und wußten, daß ſie im näch-
ſten Augenblick den Draht berühren würden, —
dieſes Entſetzen war nichts gegen den Ausdruck
auf Eugen Biſchoffs Geſicht. Er hat Angſt ge-
habt, irrſinnige Angſt vor etwas, was uns
verborgen iſt. Und vor dieſer Angſt hat er ſich zu
dem Revolver geflüchtet. Wie in ein Aſyl. Frei-
willig aus dem Leben geſchieden? Nein! Baron.
Eugen Biſchoff iſt in den Tod gehetzt worden.“
Er hob die Decke, die den Toten verhüllte, ein
wenig in die Höhe und blickte ihm in das ſtarre
Geſicht.
„Wie mit einer Peitſche in den Tod gehetzt,“
ſagte er dann mit einer Ergriffenheit in der
Stimme, die gar nicht ſeinem ſonſtigen Weſen
entſprach.
Ich hatte mich abgewendet. Ich konnte nicht
hinſehen.
„Sie meinen alſo,“ ſagte ich nach einer Weile,
und die Kehle war mir wie zugeſchnürt, das
Sprechen machte mir Mühe. „Wenn ich Sie recht
verſtehe, meinen Sie alſo, daß er es erfahren
hat, — daß es ihm auf irgendeine Art zu Ohren
gekommen iſt —“
„Was denn? Wovon ſprechen Sie?“
„Sie wiſſen vermutlich, daß das Bankhaus zu-
ſammengebrochen iſt, dem er ſein Vermögen an-
vertraut hat?“
„So? — Sehen Sie, das hab ich nicht gewußt.
Das höre ich jetzt zum erſtenmal. — Nein, Baron,
das iſt es nicht geweſen. Die Angſt, die in ſeinem
Geſichte ſtand, die war von anderer Art. Geld?
Nein. Um Geld iſt es hier nicht gegangen. Sie
müßten ſein Geſicht geſehen haben, erklären läßt
ſich das nicht.“
„Als ich ins Zimmer kam,“ fuhr er nach einem
Augenblick des Schweigens fort, „da hat er noch
ſprechen können. Es waren nur ein paar Worte
ich habe ſie verſtanden, obwohl ſie mehr gehaucht
als geſprochen waren. — Sehr ſonderbare Worte.
Freilich, im Munde eines Sterbenden —“
Er ging im Zimmer auf und nieder und ſchüt-
telte den Kopf.
„Sonderbare Worte. — Ich kannte ihn eigentlich
ſo wenig. So wenig weiß einer vom anderen. Sie
kannten ihn beſſer oder zumindeſt länger: Sagen
Sie mir, wie war ſein Verhältnis zur Religion?
Ich meine zur Kirche. Hielten Sie ihn für
fromm?“
„Fromm? Er war abergläubiſch, wie die mei-
ſten Schauſpieler. In Kleinigkeiten abergläubiſch.
Frömmigkeit im Sinne der Kirche hab ich niemals
an ihm wahrgenommen.“
„Sollte dennoch das ſein letzter Gedanke ge-
weſen ſein? Dieſes Märchen für gläubige Kin-
der?“ fragte der Ingenieur und ſah mich unver-
wandt an.
Ich ſagte nichts, ich wußte nicht, wovon er
ſprach. Er erwartete wohl auch keine Antwort.
„Nevermind,“ ſagte er zu ſich ſelbſt mit einer
leichten Handbewegung. „Auch eines von den
Dingen, denen wir nie auf den Grund kommen
werden.“
Er nahm den Revolver vom Tiſch und ſah ihn
an mit einem Blick, der erkennen ließ, daß er an
etwas anderes dachte. Dann legte er ihn wieder
aus der Hand.
„Wie kam er denn eigentlich zu dieſer Waffe?“
fragte ich. „War ſie ſein Eigentum?“
Der Ingenieur fuhr aus ſeinen Gedanken auf.
„Zu dieſem Revolver? Ja, er war ſein Eigen-
tum. Er hat ihn immer bei ſich getragen, ſagt
Felix. Wenn er des Nachts nach Hauſe ging, mußte
er über Felder und an Bauplätzen vorbei. Viel
lichtſcheues Geſindel. Er hatte Furcht vor nächt-
lichen Begegnungen. — Das war eben das Ver-
hängnisvolle, daß er den Revolver ſchußfertig bei
ſich trug. Ein Sprung aus dem Fenſter — das
wäre in dieſem Fall weiter nicht ſchlimm geweſen.
Eine Sehnenzerrung, eine leichte Verſtauchung,
und vielleicht nicht einmal das.“
Er öffnete das Fenſter und blickte hinaus. Ein
paar Sekunden lang ſtand er ſo, und der Wind
ſchüttelte und bauſchte die Fenſtergardinen. Drau-
ßen rauſchten die Kaſtanienbäume. Die Papiere
auf dem Schreibtiſche flatterten in die Höhe, und
ein verwelktes Kaſtanienblatt, das ſich ins Zim-
mer verirrt hatte, huſchte lautlos über den Fuß-
boden.
Der Ingenieur ſchloß das Fenſter und wandte
ſich wieder mir zu:
„Er war kein Feigling. Nein, bei Gott, ein
Feigling war er nicht. Er hat es ſeinem Mörder
nicht leicht gemacht.“
„Seinem Mörder?“
„Gewiß. Seinem Mörder. Er iſt in den Tod
gejagt worden. Sehen Sie, hier ſtand er, und
dort ſtand der andere.“
Er wies auf die Stelle an der Wand, in deren
Betrachtung vertieft ich ihn bei meinem Eintritt
ins Zimmer angetroffen hatte.
„Sie ſtanden einander gegenüber,“ ſagte er
langſam und ſah mich dabei an. „Aug’ in Aug’
ſtanden ſie, wie bei einem Duell.“
Mich überlief es kalt, als ich ihn mit ſolcher
Sicherheit, als wäre er dabei geweſen, von der
Sache ſprechen hörte.
„Und wen“ — fragte ich beklommen, und wie-
derum verſpürte ich das Würgen im Hals —,
„wen halten Sie für den Mörder?“
Der Ingenieur ſah mich ſchweigend an, er ſagte
kein Wort, hob langſam die Schultern und ließ ſie
wieder ſinken.
„Sind Sie denn noch immer da?“ kam es plötz-
lich von der Türe her. „Warum gehen Sie denn
nicht?“
Ich fuhr erſchrocken herum. In der Türe ſtand
Doktor Gorski und ſein Blick galt mir.
(Fortſetzung folgt.)
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(2022-12-19T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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