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Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 17. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 14 Donnerstag, den 17. Januar
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(18. Fortsetzung)

"Es knüpften sich angenehme Er-
innerungen daran. Und vielleicht sei es
überhaupt angebracht, daß es aus dem
Hause käme. Und kurz und gut, sie wolle
nichts mehr damit zu schaffen haben. Und
deshalb sei ihr auch der geringe Preis recht
und --"

"Halt!" warf Morris ein, "was ist mit
dem Kostüm geschehen? Hat die Alte es im
Laden behalten?"

"Es hängt schon wohl verwahrt im
Schrank meines Büros," entgegnete Lund
befriedigt.

"Das ist recht," lobte Morris liebens-
würdig.

Es ist das Verdienst von Sänger. Als
nämlich unzweifelhaft für ihn feststand, daß
die Trödlerin nichts zu schaffen hatte mit
der Villa Malsen und ihren Fragwürdigkei-
ten, legitimierte er sich als Polizeibeamter.
Da brach natürlich das übliche Geplärr los:
sie sei so unschuldig wie ein Neugeborenes,
und so weiter. Nun, in dieser Angelegenheit
ist sie es bestimmt. So bestimmt, als im
übrigen ihr Gewissen als Aufkäuferin von
Dingen dunkler Herkunft nicht fleckenlos
sein wird. -- Sänger hat dann gleich das
Kostüm an sich genommen, die Frau be-
ruhigt und ihr eine entsprechende Entschädi-
gung zugesichert, die sie bereits bekommen
hat. -- Ueber die Tausendkronendame habe
ich übrigens in Erfahrung gebracht, daß sie
kurz vor der Demaskierung den Ball sehr
aufgeregt verlassen hat und im Auto davon-
gefahren ist. So berichtete mir ein Festgast,
dem sie zu seinem Kummer entwischt ist.
-- Das war meine Erzählung, nun kommt
die Ihre, ich brenne darauf!"

"Wie?" fragte Steinmann sich und die
anderen erstaunt. "Der überkecke Page war
also ein Dienstbote der Gräfin? Und rech-
nete sich am Ballabend zu den Gästen und
nicht zu den Domestiken? Wohl ein un-
verschämter Schabernack. der da der Gräfin
[Spaltenumbruch] gespielt wurde, ohne daß sie's ahnte? Da-
her das wenig Damenhafte! Wie -- und
Bloom hatte also mit jener irgend etwas
-- eine Liebschaft? Er, den man als Lieb-
haber der Malsen ausgab? Immer rätsel-
hafter!" Er schüttelte den langmähnigen
Kopf in ehrlicher Verwirrung.

Morris lächelte. "Sie sind noch nicht ganz
fertig, Lund. Sie müssen uns noch sagen,
ob die Untersuchung des Kostüms etwas er-
geben hat."

"Vorerst nichts," entgegnete der Assessor.
"An ihm selbst war nichts zu finden. Wenn
Sie noch einmal nachsehen wollen -- aber
jetzt, bitte, kommt Ihr Bericht!"

Der Ire griff, anstatt mit einer Rede zu
beginnen, in die äußere Rocktasche, und holte
einen kleinen Klumpen heraus, den er Lund
hinreichte.

"Braunes Wachs --? sagte er zweifelnd.

"Richtig," bestätigte Morris. "Gefunden
in der Havelocktasche des Kriminalschutz-
mannes Laurids."

Lund fuhr zurück. "Unmöglich!" rief er
aus. Dann faßte er sich schnell. "Und
wenn auch. Das beweist noch nichts gegen
den Mann."

"Das sage ich auch," stimmte Morris
bei. "Es beweist nichts gegen ihn. Aber
es ist immerhin merkwürdig. Es macht ihn
verdächtig. Im allgemeinen pflegen doch
Kriminaler braunes Wachs nicht mit sich
herumzutragen. Wachs von der gleichen
Farbe und Konsistenz, wie wir Spuren an
Schlüsseln fanden."

"Wie kommen Sie überhaupt zu diesem
Fund?"

"Als ich gestern von Ihnen fortging, hing
im Vorraum der Havelock von Laurids.
Ich erkannte ihn an seiner gelben verschos-
senen Farbe. Der Raum war leer, nun, und
da -- bekanntermaßen heiligt der Zweck die
Mittel -- erlaubte ich mir eine schnelle Re-
[Spaltenumbruch] vision der Manteltaschen dieser mir verdäch-
tigen Persönlichkeit."

Steinmann hatte einen Gedanken auf den
er stolz war. "War es eigentlich schlau,
Frank, dem Mann das Wachs wegzuneh-
men? Wenn er den Verlust bemerkt?"

Morris spottete gutmütig: "Du machst
dich, Rupert! Ganz entschieden! Aber zu
deinem Schmerz muß ich dir gestehen, daß
ich daran selbst gedacht habe. Ich habe von
einem größeren Klumpen nur dies bißchen
losgelöst. Solche Verminderung wird ihm
keineswegs auffallen."

"Das hätte ich nicht geglaubt -- von dem
hätt' ich es nicht geglaubt!" murmelte der
Assessor. "Freilich: jetzt beginnt mir sein
großer Eifer in der ganzen Fälschungsange-
legenheit verdächtig vorzukommen. Er
drängte sich förmlich zum Dienst, in gerade
dieser Sache. Auffällig: denn sonst war er
-- obwohl ein begabter Bursch -- immer
reichlich bequem. Das schien mir früher sein
einziger Fehler: Mangel an Diensteifer.
Wahrhaftig, sein gänzlich anderes Verhal-
ten in der Fälscheraffäre erscheint mir jetzt
recht bedenklich. -- Morris, ich fürchte, Sie
treffen mit Ihrem Mißtrauen doch nicht
daneben."

"Wenn dem so ist," sagte der Ire, "dann
ja keine Uebereilung! Der Mann muß in
dem Glauben gelassen werden, durch nichts
unsere finstere Fürsorge wachgerufen zu
haben. Beschäftigen Sie ihn nach wie vor,
nur niemals in unserer Sache. -- Uebri-
gens," fügte er nach einer kleinen Pause
hinzu, "darin werden Sie mir wohl ohne
Vorbehalt zustimmen, daß wir es in der
Person von Laurids keineswegs mit dem
Haupt der Bande, sondern mit einem Kom-
plicen zu tun haben."

"Das glaube ich auch" pflichtete Lund
bei. "Wir vermuten ja den Anführer mit
gutem Grund unter den Mitgliedern der
ersten Gesellschaft."

"Ich vergaß vorhin," sagte Morris, "weil
Sie so sehr auf meine Geschichte drängten,
Sie zu fragen, ob Sie nach den Erhebungen
des Kriminalschutzmannes Sänger schon
etwas gegen die Gräfin Malsen und ihr
Haus unternommen haben. Hoffentlich
nicht."

[Spaltenumbruch]

"Nein," erklärte der Assessor, "ich wollte
mich erst mit Ihnen besprechen."

"Gut," meinte Morris. "Und ich schlage
vor, auch fürs erste weder gegen die Her-
rin noch gegen die Zofe vorzugehen. -- Wie
Sie am Anfang unseres Gesprächs wohl be-
merkt haben, wollte ich einen Namen nen-
nen, dessen Träger mir in letzter Zeit mehr
und mehr belastet vorkommt. Ich will aber
den Namen weiter für mich behalten, um
keinen von Ihnen befangen zu machen, und
freie Urteilskraft nicht zu hemmen. -- Ich
schlage überhaupt die Taktik des Sichum-
stellens vor. Nur so werden wir der gerie-
benen Gesellschaft beikommen. Deshalb auch
keine Schritte gegen die Villa Malsen! Ab-
warten, ruhig im Hinterhalt liegen! Grei-
fen wir zu früh zu, so greifen wir womög-
lich ins Leere."

"Aber wie lange sollen wir denn noch
warten," rief der lebhafte Steinmann un-
geduldig.

"Ich denke, gar nicht mehr lange," ent-
gegnete der Freund. "Doch müssen wir
äußerst vorsichtig sein. Niemand darf er-
fahren -- ich muß es nochmal betonen --
daß die Polizeibehörde davon überzeugt ist,
in Blooms Tod keinen Selbstmord, sondern
Mord vor sich zu haben. Wir müssen die
Täter im Glauben ihrer unerschütterten
Sicherheit lassen. Nur so können wir sie
packen."

Steinmann reckte sich in seinem Sessel.

"Habt ihr das merkwürdige Gefühl, wie
sich mehr und mehr ein Netz zusammen-
zuziehen scheint, indes die Fische darin noch
ahnungslos für sich und im Dunkeln für uns
bleiben? Das ist ein großer prickelnder
Nervenreiz."

"Du willst wohl den Rahm von der Milch
abschöpfen," neckte Morris. "Wir arbeiten
im Schweiß unseres Angesichtes, und du
genießest Nervenreize. Sage uns lieber --
ich habe dich gestern nicht mehr darüber ge-
sprochen -- ob es dir gelungen ist, sämtliche
Vornamen der männlichen Ballteilnehmer,
die auf deiner Liste standen, zu ermitteln?"

"Jawohl," nickte der Maler. "Ich habe sie
alle festgestellt."

"Nun, und wer heißt Alfred?"

"Keiner außer Bloom," entgegnete Stein-
mann.

Fortsetzung folgt



[irrelevantes Material]
„AZ am Abend“ Nr. 14 Donnerstag, den 17. Januar
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(18. Fortſetzung)

„Es knüpften ſich angenehme Er-
innerungen daran. Und vielleicht ſei es
überhaupt angebracht, daß es aus dem
Hauſe käme. Und kurz und gut, ſie wolle
nichts mehr damit zu ſchaffen haben. Und
deshalb ſei ihr auch der geringe Preis recht
und —“

„Halt!“ warf Morris ein, „was iſt mit
dem Koſtüm geſchehen? Hat die Alte es im
Laden behalten?“

„Es hängt ſchon wohl verwahrt im
Schrank meines Büros,“ entgegnete Lund
befriedigt.

„Das iſt recht,“ lobte Morris liebens-
würdig.

Es iſt das Verdienſt von Sänger. Als
nämlich unzweifelhaft für ihn feſtſtand, daß
die Trödlerin nichts zu ſchaffen hatte mit
der Villa Malſen und ihren Fragwürdigkei-
ten, legitimierte er ſich als Polizeibeamter.
Da brach natürlich das übliche Geplärr los:
ſie ſei ſo unſchuldig wie ein Neugeborenes,
und ſo weiter. Nun, in dieſer Angelegenheit
iſt ſie es beſtimmt. So beſtimmt, als im
übrigen ihr Gewiſſen als Aufkäuferin von
Dingen dunkler Herkunft nicht fleckenlos
ſein wird. — Sänger hat dann gleich das
Koſtüm an ſich genommen, die Frau be-
ruhigt und ihr eine entſprechende Entſchädi-
gung zugeſichert, die ſie bereits bekommen
hat. — Ueber die Tauſendkronendame habe
ich übrigens in Erfahrung gebracht, daß ſie
kurz vor der Demaskierung den Ball ſehr
aufgeregt verlaſſen hat und im Auto davon-
gefahren iſt. So berichtete mir ein Feſtgaſt,
dem ſie zu ſeinem Kummer entwiſcht iſt.
— Das war meine Erzählung, nun kommt
die Ihre, ich brenne darauf!“

„Wie?“ fragte Steinmann ſich und die
anderen erſtaunt. „Der überkecke Page war
alſo ein Dienſtbote der Gräfin? Und rech-
nete ſich am Ballabend zu den Gäſten und
nicht zu den Domeſtiken? Wohl ein un-
verſchämter Schabernack. der da der Gräfin
[Spaltenumbruch] geſpielt wurde, ohne daß ſie’s ahnte? Da-
her das wenig Damenhafte! Wie — und
Bloom hatte alſo mit jener irgend etwas
— eine Liebſchaft? Er, den man als Lieb-
haber der Malſen ausgab? Immer rätſel-
hafter!“ Er ſchüttelte den langmähnigen
Kopf in ehrlicher Verwirrung.

Morris lächelte. „Sie ſind noch nicht ganz
fertig, Lund. Sie müſſen uns noch ſagen,
ob die Unterſuchung des Koſtüms etwas er-
geben hat.“

„Vorerſt nichts,“ entgegnete der Aſſeſſor.
„An ihm ſelbſt war nichts zu finden. Wenn
Sie noch einmal nachſehen wollen — aber
jetzt, bitte, kommt Ihr Bericht!“

Der Ire griff, anſtatt mit einer Rede zu
beginnen, in die äußere Rocktaſche, und holte
einen kleinen Klumpen heraus, den er Lund
hinreichte.

„Braunes Wachs —? ſagte er zweifelnd.

„Richtig,“ beſtätigte Morris. „Gefunden
in der Havelocktaſche des Kriminalſchutz-
mannes Laurids.“

Lund fuhr zurück. „Unmöglich!“ rief er
aus. Dann faßte er ſich ſchnell. „Und
wenn auch. Das beweiſt noch nichts gegen
den Mann.“

„Das ſage ich auch,“ ſtimmte Morris
bei. „Es beweiſt nichts gegen ihn. Aber
es iſt immerhin merkwürdig. Es macht ihn
verdächtig. Im allgemeinen pflegen doch
Kriminaler braunes Wachs nicht mit ſich
herumzutragen. Wachs von der gleichen
Farbe und Konſiſtenz, wie wir Spuren an
Schlüſſeln fanden.“

„Wie kommen Sie überhaupt zu dieſem
Fund?“

„Als ich geſtern von Ihnen fortging, hing
im Vorraum der Havelock von Laurids.
Ich erkannte ihn an ſeiner gelben verſchoſ-
ſenen Farbe. Der Raum war leer, nun, und
da — bekanntermaßen heiligt der Zweck die
Mittel — erlaubte ich mir eine ſchnelle Re-
[Spaltenumbruch] viſion der Manteltaſchen dieſer mir verdäch-
tigen Perſönlichkeit.“

Steinmann hatte einen Gedanken auf den
er ſtolz war. „War es eigentlich ſchlau,
Frank, dem Mann das Wachs wegzuneh-
men? Wenn er den Verluſt bemerkt?“

Morris ſpottete gutmütig: „Du machſt
dich, Rupert! Ganz entſchieden! Aber zu
deinem Schmerz muß ich dir geſtehen, daß
ich daran ſelbſt gedacht habe. Ich habe von
einem größeren Klumpen nur dies bißchen
losgelöſt. Solche Verminderung wird ihm
keineswegs auffallen.“

„Das hätte ich nicht geglaubt — von dem
hätt’ ich es nicht geglaubt!“ murmelte der
Aſſeſſor. „Freilich: jetzt beginnt mir ſein
großer Eifer in der ganzen Fälſchungsange-
legenheit verdächtig vorzukommen. Er
drängte ſich förmlich zum Dienſt, in gerade
dieſer Sache. Auffällig: denn ſonſt war er
— obwohl ein begabter Burſch — immer
reichlich bequem. Das ſchien mir früher ſein
einziger Fehler: Mangel an Dienſteifer.
Wahrhaftig, ſein gänzlich anderes Verhal-
ten in der Fälſcheraffäre erſcheint mir jetzt
recht bedenklich. — Morris, ich fürchte, Sie
treffen mit Ihrem Mißtrauen doch nicht
daneben.“

„Wenn dem ſo iſt,“ ſagte der Ire, „dann
ja keine Uebereilung! Der Mann muß in
dem Glauben gelaſſen werden, durch nichts
unſere finſtere Fürſorge wachgerufen zu
haben. Beſchäftigen Sie ihn nach wie vor,
nur niemals in unſerer Sache. — Uebri-
gens,“ fügte er nach einer kleinen Pauſe
hinzu, „darin werden Sie mir wohl ohne
Vorbehalt zuſtimmen, daß wir es in der
Perſon von Laurids keineswegs mit dem
Haupt der Bande, ſondern mit einem Kom-
plicen zu tun haben.“

„Das glaube ich auch“ pflichtete Lund
bei. „Wir vermuten ja den Anführer mit
gutem Grund unter den Mitgliedern der
erſten Geſellſchaft.“

„Ich vergaß vorhin,“ ſagte Morris, „weil
Sie ſo ſehr auf meine Geſchichte drängten,
Sie zu fragen, ob Sie nach den Erhebungen
des Kriminalſchutzmannes Sänger ſchon
etwas gegen die Gräfin Malſen und ihr
Haus unternommen haben. Hoffentlich
nicht.“

[Spaltenumbruch]

„Nein,“ erklärte der Aſſeſſor, „ich wollte
mich erſt mit Ihnen beſprechen.“

„Gut,“ meinte Morris. „Und ich ſchlage
vor, auch fürs erſte weder gegen die Her-
rin noch gegen die Zofe vorzugehen. — Wie
Sie am Anfang unſeres Geſprächs wohl be-
merkt haben, wollte ich einen Namen nen-
nen, deſſen Träger mir in letzter Zeit mehr
und mehr belaſtet vorkommt. Ich will aber
den Namen weiter für mich behalten, um
keinen von Ihnen befangen zu machen, und
freie Urteilskraft nicht zu hemmen. — Ich
ſchlage überhaupt die Taktik des Sichum-
ſtellens vor. Nur ſo werden wir der gerie-
benen Geſellſchaft beikommen. Deshalb auch
keine Schritte gegen die Villa Malſen! Ab-
warten, ruhig im Hinterhalt liegen! Grei-
fen wir zu früh zu, ſo greifen wir womög-
lich ins Leere.“

„Aber wie lange ſollen wir denn noch
warten,“ rief der lebhafte Steinmann un-
geduldig.

„Ich denke, gar nicht mehr lange,“ ent-
gegnete der Freund. „Doch müſſen wir
äußerſt vorſichtig ſein. Niemand darf er-
fahren — ich muß es nochmal betonen —
daß die Polizeibehörde davon überzeugt iſt,
in Blooms Tod keinen Selbſtmord, ſondern
Mord vor ſich zu haben. Wir müſſen die
Täter im Glauben ihrer unerſchütterten
Sicherheit laſſen. Nur ſo können wir ſie
packen.“

Steinmann reckte ſich in ſeinem Seſſel.

„Habt ihr das merkwürdige Gefühl, wie
ſich mehr und mehr ein Netz zuſammen-
zuziehen ſcheint, indes die Fiſche darin noch
ahnungslos für ſich und im Dunkeln für uns
bleiben? Das iſt ein großer prickelnder
Nervenreiz.“

„Du willſt wohl den Rahm von der Milch
abſchöpfen,“ neckte Morris. „Wir arbeiten
im Schweiß unſeres Angeſichtes, und du
genießeſt Nervenreize. Sage uns lieber —
ich habe dich geſtern nicht mehr darüber ge-
ſprochen — ob es dir gelungen iſt, ſämtliche
Vornamen der männlichen Ballteilnehmer,
die auf deiner Liſte ſtanden, zu ermitteln?“

„Jawohl,“ nickte der Maler. „Ich habe ſie
alle feſtgeſtellt.“

„Nun, und wer heißt Alfred?“

„Keiner außer Bloom,“ entgegnete Stein-
mann.

Fortſetzung folgt



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[Seite 12[12]/0012] „AZ am Abend“ Nr. 14 Donnerstag, den 17. Januar Dreifaches Gaunerspiel EIN BANKNOTENROMAN (18. Fortſetzung) von A. M. FREY „Es knüpften ſich angenehme Er- innerungen daran. Und vielleicht ſei es überhaupt angebracht, daß es aus dem Hauſe käme. Und kurz und gut, ſie wolle nichts mehr damit zu ſchaffen haben. Und deshalb ſei ihr auch der geringe Preis recht und —“ „Halt!“ warf Morris ein, „was iſt mit dem Koſtüm geſchehen? Hat die Alte es im Laden behalten?“ „Es hängt ſchon wohl verwahrt im Schrank meines Büros,“ entgegnete Lund befriedigt. „Das iſt recht,“ lobte Morris liebens- würdig. Es iſt das Verdienſt von Sänger. Als nämlich unzweifelhaft für ihn feſtſtand, daß die Trödlerin nichts zu ſchaffen hatte mit der Villa Malſen und ihren Fragwürdigkei- ten, legitimierte er ſich als Polizeibeamter. Da brach natürlich das übliche Geplärr los: ſie ſei ſo unſchuldig wie ein Neugeborenes, und ſo weiter. Nun, in dieſer Angelegenheit iſt ſie es beſtimmt. So beſtimmt, als im übrigen ihr Gewiſſen als Aufkäuferin von Dingen dunkler Herkunft nicht fleckenlos ſein wird. — Sänger hat dann gleich das Koſtüm an ſich genommen, die Frau be- ruhigt und ihr eine entſprechende Entſchädi- gung zugeſichert, die ſie bereits bekommen hat. — Ueber die Tauſendkronendame habe ich übrigens in Erfahrung gebracht, daß ſie kurz vor der Demaskierung den Ball ſehr aufgeregt verlaſſen hat und im Auto davon- gefahren iſt. So berichtete mir ein Feſtgaſt, dem ſie zu ſeinem Kummer entwiſcht iſt. — Das war meine Erzählung, nun kommt die Ihre, ich brenne darauf!“ „Wie?“ fragte Steinmann ſich und die anderen erſtaunt. „Der überkecke Page war alſo ein Dienſtbote der Gräfin? Und rech- nete ſich am Ballabend zu den Gäſten und nicht zu den Domeſtiken? Wohl ein un- verſchämter Schabernack. der da der Gräfin geſpielt wurde, ohne daß ſie’s ahnte? Da- her das wenig Damenhafte! Wie — und Bloom hatte alſo mit jener irgend etwas — eine Liebſchaft? Er, den man als Lieb- haber der Malſen ausgab? Immer rätſel- hafter!“ Er ſchüttelte den langmähnigen Kopf in ehrlicher Verwirrung. Morris lächelte. „Sie ſind noch nicht ganz fertig, Lund. Sie müſſen uns noch ſagen, ob die Unterſuchung des Koſtüms etwas er- geben hat.“ „Vorerſt nichts,“ entgegnete der Aſſeſſor. „An ihm ſelbſt war nichts zu finden. Wenn Sie noch einmal nachſehen wollen — aber jetzt, bitte, kommt Ihr Bericht!“ Der Ire griff, anſtatt mit einer Rede zu beginnen, in die äußere Rocktaſche, und holte einen kleinen Klumpen heraus, den er Lund hinreichte. „Braunes Wachs —? ſagte er zweifelnd. „Richtig,“ beſtätigte Morris. „Gefunden in der Havelocktaſche des Kriminalſchutz- mannes Laurids.“ Lund fuhr zurück. „Unmöglich!“ rief er aus. Dann faßte er ſich ſchnell. „Und wenn auch. Das beweiſt noch nichts gegen den Mann.“ „Das ſage ich auch,“ ſtimmte Morris bei. „Es beweiſt nichts gegen ihn. Aber es iſt immerhin merkwürdig. Es macht ihn verdächtig. Im allgemeinen pflegen doch Kriminaler braunes Wachs nicht mit ſich herumzutragen. Wachs von der gleichen Farbe und Konſiſtenz, wie wir Spuren an Schlüſſeln fanden.“ „Wie kommen Sie überhaupt zu dieſem Fund?“ „Als ich geſtern von Ihnen fortging, hing im Vorraum der Havelock von Laurids. Ich erkannte ihn an ſeiner gelben verſchoſ- ſenen Farbe. Der Raum war leer, nun, und da — bekanntermaßen heiligt der Zweck die Mittel — erlaubte ich mir eine ſchnelle Re- viſion der Manteltaſchen dieſer mir verdäch- tigen Perſönlichkeit.“ Steinmann hatte einen Gedanken auf den er ſtolz war. „War es eigentlich ſchlau, Frank, dem Mann das Wachs wegzuneh- men? Wenn er den Verluſt bemerkt?“ Morris ſpottete gutmütig: „Du machſt dich, Rupert! Ganz entſchieden! Aber zu deinem Schmerz muß ich dir geſtehen, daß ich daran ſelbſt gedacht habe. Ich habe von einem größeren Klumpen nur dies bißchen losgelöſt. Solche Verminderung wird ihm keineswegs auffallen.“ „Das hätte ich nicht geglaubt — von dem hätt’ ich es nicht geglaubt!“ murmelte der Aſſeſſor. „Freilich: jetzt beginnt mir ſein großer Eifer in der ganzen Fälſchungsange- legenheit verdächtig vorzukommen. Er drängte ſich förmlich zum Dienſt, in gerade dieſer Sache. Auffällig: denn ſonſt war er — obwohl ein begabter Burſch — immer reichlich bequem. Das ſchien mir früher ſein einziger Fehler: Mangel an Dienſteifer. Wahrhaftig, ſein gänzlich anderes Verhal- ten in der Fälſcheraffäre erſcheint mir jetzt recht bedenklich. — Morris, ich fürchte, Sie treffen mit Ihrem Mißtrauen doch nicht daneben.“ „Wenn dem ſo iſt,“ ſagte der Ire, „dann ja keine Uebereilung! Der Mann muß in dem Glauben gelaſſen werden, durch nichts unſere finſtere Fürſorge wachgerufen zu haben. Beſchäftigen Sie ihn nach wie vor, nur niemals in unſerer Sache. — Uebri- gens,“ fügte er nach einer kleinen Pauſe hinzu, „darin werden Sie mir wohl ohne Vorbehalt zuſtimmen, daß wir es in der Perſon von Laurids keineswegs mit dem Haupt der Bande, ſondern mit einem Kom- plicen zu tun haben.“ „Das glaube ich auch“ pflichtete Lund bei. „Wir vermuten ja den Anführer mit gutem Grund unter den Mitgliedern der erſten Geſellſchaft.“ „Ich vergaß vorhin,“ ſagte Morris, „weil Sie ſo ſehr auf meine Geſchichte drängten, Sie zu fragen, ob Sie nach den Erhebungen des Kriminalſchutzmannes Sänger ſchon etwas gegen die Gräfin Malſen und ihr Haus unternommen haben. Hoffentlich nicht.“ „Nein,“ erklärte der Aſſeſſor, „ich wollte mich erſt mit Ihnen beſprechen.“ „Gut,“ meinte Morris. „Und ich ſchlage vor, auch fürs erſte weder gegen die Her- rin noch gegen die Zofe vorzugehen. — Wie Sie am Anfang unſeres Geſprächs wohl be- merkt haben, wollte ich einen Namen nen- nen, deſſen Träger mir in letzter Zeit mehr und mehr belaſtet vorkommt. Ich will aber den Namen weiter für mich behalten, um keinen von Ihnen befangen zu machen, und freie Urteilskraft nicht zu hemmen. — Ich ſchlage überhaupt die Taktik des Sichum- ſtellens vor. Nur ſo werden wir der gerie- benen Geſellſchaft beikommen. Deshalb auch keine Schritte gegen die Villa Malſen! Ab- warten, ruhig im Hinterhalt liegen! Grei- fen wir zu früh zu, ſo greifen wir womög- lich ins Leere.“ „Aber wie lange ſollen wir denn noch warten,“ rief der lebhafte Steinmann un- geduldig. „Ich denke, gar nicht mehr lange,“ ent- gegnete der Freund. „Doch müſſen wir äußerſt vorſichtig ſein. Niemand darf er- fahren — ich muß es nochmal betonen — daß die Polizeibehörde davon überzeugt iſt, in Blooms Tod keinen Selbſtmord, ſondern Mord vor ſich zu haben. Wir müſſen die Täter im Glauben ihrer unerſchütterten Sicherheit laſſen. Nur ſo können wir ſie packen.“ Steinmann reckte ſich in ſeinem Seſſel. „Habt ihr das merkwürdige Gefühl, wie ſich mehr und mehr ein Netz zuſammen- zuziehen ſcheint, indes die Fiſche darin noch ahnungslos für ſich und im Dunkeln für uns bleiben? Das iſt ein großer prickelnder Nervenreiz.“ „Du willſt wohl den Rahm von der Milch abſchöpfen,“ neckte Morris. „Wir arbeiten im Schweiß unſeres Angeſichtes, und du genießeſt Nervenreize. Sage uns lieber — ich habe dich geſtern nicht mehr darüber ge- ſprochen — ob es dir gelungen iſt, ſämtliche Vornamen der männlichen Ballteilnehmer, die auf deiner Liſte ſtanden, zu ermitteln?“ „Jawohl,“ nickte der Maler. „Ich habe ſie alle feſtgeſtellt.“ „Nun, und wer heißt Alfred?“ „Keiner außer Bloom,“ entgegnete Stein- mann. 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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 14, 17. Januar 1929, S. Seite 12[12]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine14_1929/12>, abgerufen am 21.11.2024.