Allgemeine Zeitung, Nr. 159, 7. Juni 1860.nicht reif sey. "Wir werden ja selbst kaum fertig." soll einer Deputation Eine am Morgen des 12 Jun. an den Straßenecken von Palermo ange- Endlich wurde fast einstimmig der Herzog von Genua, der (seitdem ge- Damals hatten die Sicilianer bekanntlich den Oberbefehl an den Polen In Catania machten sich zum erstenmal die Folgen der Revolution für So erzählte uns ein Maler, der von einem Oberst den Auftrag erhielt Un bel fuggir tutta la vita onora. Auf die Sicilianer aber findet noch ganz besonders das prächtige Epi- Fuggire non e vergogna, E salvazione di vita: Se noi siam uccisi oggi, Chi difendra la patria domani! *) Die Sicilianer behaupten nun freilich: das Fersengeld das sie gegeben, Wie war es nur möglich daß die königlichen Truppen von Messina her Türkei. 𝝣 Pera, 25 Mai. Vorgestern wurde auf der hohen Pforte im Bei- *) Das steht kürzer und besser im Hudibras:
Who bravely fights, and runs away, May live to fight another day. nicht reif ſey. „Wir werden ja ſelbſt kaum fertig.“ ſoll einer Deputation Eine am Morgen des 12 Jun. an den Straßenecken von Palermo ange- Endlich wurde faſt einſtimmig der Herzog von Genua, der (ſeitdem ge- Damals hatten die Sicilianer bekanntlich den Oberbefehl an den Polen In Catania machten ſich zum erſtenmal die Folgen der Revolution für So erzählte uns ein Maler, der von einem Oberſt den Auftrag erhielt Un bel fuggir tutta la vita onora. Auf die Sicilianer aber findet noch ganz beſonders das prächtige Epi- Fuggire non è vergogna, É salvazione di vita: Se noi siam uccisi oggi, Chi difendrà la patria domani! *) Die Sicilianer behaupten nun freilich: das Ferſengeld das ſie gegeben, Wie war es nur möglich daß die königlichen Truppen von Meſſina her Türkei. 𝝣 Pera, 25 Mai. Vorgeſtern wurde auf der hohen Pforte im Bei- *) Das ſteht kürzer und beſſer im Hudibras:
Who bravely fights, and runs away, May live to fight another day. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0011" n="2655"/> nicht reif ſey. „Wir werden ja ſelbſt kaum fertig.“ ſoll einer Deputation<lb/> Baſtide geantwortet haben. Da regte ſich auch Louis Napoleon, der damals<lb/> noch in London ſich befand.</p><lb/> <p>Eine am Morgen des 12 Jun. an den Straßenecken von Palermo ange-<lb/> heftete anonyme Proclamation gieng alle Candidaten der Krone durch: der<lb/> neunjährige Sohn des Großherzogs von Toscana würde eine Regentſchaft<lb/> nöthig machen; würde ein Sohn von Karl Albert gewählt, ſo würde die ita-<lb/> lieniſche Unabhängigkeit und Ligue (der italieniſchen Fürſten) zerſchmelzen, die<lb/> Berfaſſung Italiens würde ſchlimmer als bisher; der Fürſt von Canino<lb/> „wäre der Gegenſtand der Eiferſucht der italieniſchen Patrioten;“ der Herzog<lb/> von Leuchtenberg wäre kein Italiener und ein Günſtling Rußlands. Bleibt<lb/> daher nur übrig — Louis Napoleon! Durch ſeine Lebenserfahrungen, durch<lb/> ſeine liberalen Vorgänge, ſeine militäriſche und andere Bildung, durch ſein<lb/> Bermögen biete er alle Bürgſchaften; mit keinem regierenden Hauſe ver-<lb/> wandt, werde er unabhängig ſeyn. 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Helfferich, der ein Jahr nach<lb/> der Schlacht Catania beſuchte, ſchreibt:</p><lb/> <p>In Catania machten ſich zum erſtenmal die Folgen der Revolution für<lb/> das Auge bemerkbar: in den höher gelegenen Theilen der Stadt ſah man es<lb/> den Häuſern an daß ſie mit ſtürmender Hand genommen werden mußten.<lb/> Hier hatte Filangieri ſeinen dritten Lorbeerkranz gepflückt, und ſeinem König<lb/> eine rebelliſche Stadt erobert die als bedeutender Handelsplatz ſehr eifrigen<lb/> Antheil an dem Aufſtand nahm, und ziemlich ſchwer wog in der Wagſchale<lb/> des Befreinngskampfes. Gleich zu Anfang, als der Courier aus Palermo<lb/> die Nachricht brachte die Verfaſſung von 1812 ſey proclamirt, hatte das Mi-<lb/> litär ohne eigentliche Veranlaſſung von der Schießwaffe Gebrauch gemacht,<lb/> wobei der auch als Cicerone bekannte Gaſtwirth zur Krone, Ab<hi rendition="#aq">á</hi>te, das Leben<lb/> verlor. Eine Kugel traf ihn während er mit einem Freund über die Straße<lb/> gieng. Nach dem Abzug des Militärs wußten die Catanier durch einige<lb/> zwanzig Kanonen die neapolitaniſchen Kriegsſchiffe, ſo oft ſie ſich dem Hafen<lb/> näherten, in Reſpect zu erhalten. Als Taormina gefallen war, verſuchte<lb/> Mieroſlawski in Catania ſich zu halten. Ungefähr 6 Miglien davon waren<lb/> gute Befeſtigungen angelegt, hinter denen jedoch die Hauſen Bewaffneter aus<lb/> den Gebirgen nicht lange Stand hielten. Die Armee der Sicilianer zog ſich<lb/> aus allen Stellungen zurück, bei weitem die meiſten, nicht um Catania zu<lb/> halten, ſondern um davonzulaufen, oder die Straße nach Palermo zu er-<lb/> reichen. Von der Aetnaſeite war die Stadt durch ſehr feſte gemanerte Bar-<lb/> ricaden vertheidigt; die Schweizer nahmen die erſte derſelben. Nun ſollten<lb/> auch die neapolitaniſchen Truppen dran; dieſe wurden jedoch wiederholt zu-<lb/> rückgeſchlagen, und es blieb zuletzt nichts übrig als die Schweizer, die bereits<lb/> in Biwacht lagen, zu holen, die dann auch mit dem Bajonnett der Sache ein<lb/> raſches Ende machten.</p><lb/> <p>So erzählte uns ein Maler, der von einem Oberſt den Auftrag erhielt<lb/> die Scene zu malen. Der Bericht den Filangieri an ſeinen König ſandte,<lb/> und den ich der Vergleichung wegen nachlas, lautet allerdings anders: der<lb/> neapolitaniſchen Tapferkeit wird darin das größte Lob geſpendet. Doch heißt<lb/> es auch hier zuletzt, das vierte Schweizerregiment habe die Barricaden ge-<lb/> nommen. Gegen 60 Kanonen ſollen dem Sieger in die Hände gefallen ſeyn.<lb/> Hört man die Sicilianer vom erſten bis zum letzten, ſo wären die neapolita-<lb/> niſchen Truppen niemals mit ihnen fertig geworden, und die Unterwerfung<lb/> der Inſel lediglich das Werk der Schweizer. Und dennoch, ſo oft ich einen<lb/> fragte was er denn gethan als es zum Schlagen kam, ward mir regelmäßig<lb/> die Antwort: „Tags zuvor hatten wir uns geflüchtet!“ Von der unaus-<lb/> löſchlichen Schmach die in dem naiven Bekenntniß lag, ſchienen die guten<lb/> Leute gar keine Ahnung zu haben. 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Was wahr daran iſt, wage ich nicht zu ent-<lb/> ſcheiden, und wird ſich überhaupt ſchwer ermitteln laſſen; dagegen leidet es<lb/> nicht den mindeſten Zweifel daß die neapolitaniſchen Truppen ihren Sieges-<lb/> lauf durch Plünderung und Diebereien aller Art bezeichneten. In Catania<lb/> währte die Plünderung mehrere Tage, und ſelbſt die in ihrer Art einzige<lb/> Kunſtſammlung des Prinzen Ignazio Biscari blieb nicht verſchont. Der<lb/> Obergeneral, um ſeine Verwendung angegangen, mußte ſich ſelbſt ins Mittel<lb/> legen, und befehlen daß die bereits nach einem Kriegsdampfſchiff geſchleppten<lb/> Baſen und Bronzen wieder ihrem rechtmäßigen Beſitzer zurückgegeben wur-<lb/> den. ... Nach einer Aeußerung des ſehr unterrichteten Aufſehers über das<lb/> Theater von Taormina hätte der Beſitzer des Muſeums nichts beſſeres ver-<lb/> dient, da derjenige der die Sammlung anlegte, einen ganz vortrefflichen<lb/> Marmortorſo des Jupiter aus einer Zelle des Theaters von Taormina ent-<lb/> wenden, und ausſprengen ließ: derſelbe ſey in dem griechiſchen Theater von<lb/> Catania ausgegraben worden. ...</p><lb/> <p>Wie war es nur möglich daß die königlichen Truppen von Meſſina her<lb/> in ganz ungewöhnlich kurzer Friſt nach Catania marſchirten, da doch, wie ich<lb/> nun mit eigenen Augen mich überzeugt habe, Taormina und die nächſtgelege-<lb/> nen Berge ſo vortreffliche Poſitionen darbieten daß fünfhundert tüchtige<lb/> Schützen eine ganze Armee tage-, wenn nicht wochenlang aufhalten können?<lb/> Mit dieſer Frage richtete ich mich an meine Begleiter, von denen ich, wie<lb/> gewöhnlich, im Verlauf des Geſprächs zu hören bekam: ſie haben ſich den<lb/> Tag vor der Ankunft der Reapolitaner auf die Beine gemacht. Ueber den<lb/> Hergang des Gefechts erfuhr ich folgendes: In Taormina commandirte einer<lb/> der vielen Revolutionsoberſten, die vom Kriegshandwerk wenig oder gar nichts<lb/> verſtanden, und das <hi rendition="#aq">fuggire</hi> für die erſte Eigenſchaft eines guten Feldherrn<lb/> hielten. Derſelbe hatte wiederholt an die proviſoriſche Regierung in Palermo<lb/> geſchrieben, er habe zwölftauſend Mann unter ſeinen Befehlen, und werde<lb/> den Poſten unter allen Umſtänden halten. Wie Filangieri jedoch mit ſeinen<lb/> zwanzigtauſend Mann herankam, waren die Sicilianer auf fünfhundert zu-<lb/> ſammengeſchmolzen, und unter dieſen befand ſich ein großer Theil halbreifer<lb/> Jungen, die mit vielem Behagen ihre Soldatenlöhnung verzehrten. Führer<lb/> und Truppe verſchwanden ſchon nach den erſten Schüſſen, und glaubten es<lb/> dem Vaterlande ſchuldig zu ſeyn ihr theures Leben in Sicherheit zu bringen.<lb/> Verrath ſoll dabei im Spiel geweſen ſeyn. Aber noch ein weit größeres Uebel<lb/> kam zu Tage. Unter den Kämpfern für die ſiciliſche Unabhängigkeit befanden<lb/> ſich eine Menge Uebelthäter, denen die Revolution die Kerkerthüren geöffnet<lb/> hatte. Andere waren zwar keine beſtraften Verbrecher, jedoch nur darum<lb/> nicht weil ſie ſich den Nachforſchungen der Polizei zu entziehen wußten, oder<lb/> erſt durch den Krieg zu ſolchen geworden waren. Nur die wenigſten wußten<lb/> wofür ſie eigentlich die Waffen trugen, jedenfalls kam bei den meiſten der<lb/> Haß gegen die Neapolitaner faſt ganz allein, die Liebe zur Freiheit kaum noch<lb/> merkbar in Betracht. Je mehr ſich der Kampf in die Länge zog, deſto un-<lb/> verhohlener und frecher traten die böſen Lüſte und Begierden hervor. Der<lb/> Bodenſatz unter den Vaterlandsvertheidigern, der die beſte Sache herabwür-<lb/> digen und verderben mußte, gieng zuletzt in der Niederträchtigkeit ſo weit die<lb/> Franzoſen und Polen, welche Gut und Blut für die ſiciliſche Freiheit ein-<lb/> ſetzten, zu überfallen und auszuplündern. Einige derſelben die ſich zur Wehre<lb/> ſetzten, wurden ſogar ermordet. Und mit ſolchen Scheuſalen ſollten die Aus-<lb/> wärtigen unter einer und derſelben Fahne dienen! Die Franzoſen nament-<lb/> lich, wenigſtens die beſſeren unter ihnen, hatten längſt ſchon das Treiben ſo<lb/> ſatt, daß nur die Stimme der Ehre ſie zurückzuhalten vermochte. Bei Taor-<lb/> mina trat noch ein beſonderer Unſtern hinzu. War es Zufall, war es Ver-<lb/> rath, daß gerade in dem Augenblick wo die Neapolitaner anrückten, die fran-<lb/> zöſiſche Legion, in kleine Abtheilungen zerſtreut und auf meiſt verlornen<lb/> Poſten, nichts auszurichten vermochte? Selbſt in dieſer durchaus ungünſti-<lb/> gen Stellung ließen es die Einzelnen an heldenmäßigem Widerſtand nicht<lb/> fehlen. Auf der Fahrſtraße die ſich am Meer hinzieht, war, nachdem die<lb/> Sicilianer bereits das Weite geſucht hatten, ein Fähnlein von ſechzehn Fran-<lb/> zoſen zurückgeblieben. Dieſe Braven hielten die Uebermacht auf, ſolange ſie<lb/> Munition hatten, und als die letzte Patrone verſchoſſen war, ſtürzten ſie ſich<lb/> mit gefälltem Bajonnett auf ihre Gegner, und fanden alle einen ruhmvollen<lb/> Tod. Drei andere Franzoſen lagen krank im Spital. Wie dieſe hörten die<lb/> königlichen Truppen ſtehen ſchon vor einem der Stadtthore, kleideten ſie ſich<lb/> an, nahmen ihre Flinten und ſchoſſen, bis auch ſie von der Uebermacht er-<lb/> drückt wurden.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>&#x1D763; <hi rendition="#b">Pera,</hi> 25 Mai.</dateline><lb/> <p>Vorgeſtern wurde auf der hohen Pforte im Bei-<lb/> ſeyn der Miniſter und ſämmtlicher hohen Beamten ein kaiſerl. Irade verleſen,<lb/> welcher, in den kräftigſten Ausdrücken, ſtrenge Sparſamkeit in allen Zweigen<lb/> der Verwaltung predigt. Für alle außerordentlichen Ausgaben ſoll künftighin<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [2655/0011]
nicht reif ſey. „Wir werden ja ſelbſt kaum fertig.“ ſoll einer Deputation
Baſtide geantwortet haben. Da regte ſich auch Louis Napoleon, der damals
noch in London ſich befand.
Eine am Morgen des 12 Jun. an den Straßenecken von Palermo ange-
heftete anonyme Proclamation gieng alle Candidaten der Krone durch: der
neunjährige Sohn des Großherzogs von Toscana würde eine Regentſchaft
nöthig machen; würde ein Sohn von Karl Albert gewählt, ſo würde die ita-
lieniſche Unabhängigkeit und Ligue (der italieniſchen Fürſten) zerſchmelzen, die
Berfaſſung Italiens würde ſchlimmer als bisher; der Fürſt von Canino
„wäre der Gegenſtand der Eiferſucht der italieniſchen Patrioten;“ der Herzog
von Leuchtenberg wäre kein Italiener und ein Günſtling Rußlands. Bleibt
daher nur übrig — Louis Napoleon! Durch ſeine Lebenserfahrungen, durch
ſeine liberalen Vorgänge, ſeine militäriſche und andere Bildung, durch ſein
Bermögen biete er alle Bürgſchaften; mit keinem regierenden Hauſe ver-
wandt, werde er unabhängig ſeyn. Dieſe von London ausgegangene Pro-
clamation machte einige Tage von ſich reden, aber nicht mehr. (Und nun iſt
dieſer Napoleon zur Vermittelung von dem König von Neapel aufge-
rufen.)
Endlich wurde faſt einſtimmig der Herzog von Genua, der (ſeitdem ge-
ſtorbene) zweite Sohn Karl Alberts gewählt. Als ſpäter eine zweite Deputa-
tion in Paris erſchien um Hülfe zu flehen, ließ ſie der erſte Präſident Napo-
leon gar nicht vor.
Damals hatten die Sicilianer bekanntlich den Oberbefehl an den Polen
Mieroſlawski übergeben. Der Hauptkampf fand bei Catania ſtatt. Reuchlin
gibt einen ausführlichen Bericht darüber, nach dem den Schweizern das Ver-
dienſt zukam die Sache entſchieden zu haben. Helfferich, der ein Jahr nach
der Schlacht Catania beſuchte, ſchreibt:
In Catania machten ſich zum erſtenmal die Folgen der Revolution für
das Auge bemerkbar: in den höher gelegenen Theilen der Stadt ſah man es
den Häuſern an daß ſie mit ſtürmender Hand genommen werden mußten.
Hier hatte Filangieri ſeinen dritten Lorbeerkranz gepflückt, und ſeinem König
eine rebelliſche Stadt erobert die als bedeutender Handelsplatz ſehr eifrigen
Antheil an dem Aufſtand nahm, und ziemlich ſchwer wog in der Wagſchale
des Befreinngskampfes. Gleich zu Anfang, als der Courier aus Palermo
die Nachricht brachte die Verfaſſung von 1812 ſey proclamirt, hatte das Mi-
litär ohne eigentliche Veranlaſſung von der Schießwaffe Gebrauch gemacht,
wobei der auch als Cicerone bekannte Gaſtwirth zur Krone, Abáte, das Leben
verlor. Eine Kugel traf ihn während er mit einem Freund über die Straße
gieng. Nach dem Abzug des Militärs wußten die Catanier durch einige
zwanzig Kanonen die neapolitaniſchen Kriegsſchiffe, ſo oft ſie ſich dem Hafen
näherten, in Reſpect zu erhalten. Als Taormina gefallen war, verſuchte
Mieroſlawski in Catania ſich zu halten. Ungefähr 6 Miglien davon waren
gute Befeſtigungen angelegt, hinter denen jedoch die Hauſen Bewaffneter aus
den Gebirgen nicht lange Stand hielten. Die Armee der Sicilianer zog ſich
aus allen Stellungen zurück, bei weitem die meiſten, nicht um Catania zu
halten, ſondern um davonzulaufen, oder die Straße nach Palermo zu er-
reichen. Von der Aetnaſeite war die Stadt durch ſehr feſte gemanerte Bar-
ricaden vertheidigt; die Schweizer nahmen die erſte derſelben. Nun ſollten
auch die neapolitaniſchen Truppen dran; dieſe wurden jedoch wiederholt zu-
rückgeſchlagen, und es blieb zuletzt nichts übrig als die Schweizer, die bereits
in Biwacht lagen, zu holen, die dann auch mit dem Bajonnett der Sache ein
raſches Ende machten.
So erzählte uns ein Maler, der von einem Oberſt den Auftrag erhielt
die Scene zu malen. Der Bericht den Filangieri an ſeinen König ſandte,
und den ich der Vergleichung wegen nachlas, lautet allerdings anders: der
neapolitaniſchen Tapferkeit wird darin das größte Lob geſpendet. Doch heißt
es auch hier zuletzt, das vierte Schweizerregiment habe die Barricaden ge-
nommen. Gegen 60 Kanonen ſollen dem Sieger in die Hände gefallen ſeyn.
Hört man die Sicilianer vom erſten bis zum letzten, ſo wären die neapolita-
niſchen Truppen niemals mit ihnen fertig geworden, und die Unterwerfung
der Inſel lediglich das Werk der Schweizer. Und dennoch, ſo oft ich einen
fragte was er denn gethan als es zum Schlagen kam, ward mir regelmäßig
die Antwort: „Tags zuvor hatten wir uns geflüchtet!“ Von der unaus-
löſchlichen Schmach die in dem naiven Bekenntniß lag, ſchienen die guten
Leute gar keine Ahnung zu haben. Der Wahlſpruch des Süditalieners, dem
in dieſem Punkt allein die Kölniſchen „Funken“ den Vorrang ſtreitig machen,
war und iſt und wird noch eine geraume Zeit bleiben:
Un bel fuggir tutta la vita onora.
Auf die Sicilianer aber findet noch ganz beſonders das prächtige Epi-
gramm eine Anwendung:
Fuggire non è vergogna,
É salvazione di vita:
Se noi siam uccisi oggi,
Chi difendrà la patria domani! *)
Die Sicilianer behaupten nun freilich: das Ferſengeld das ſie gegeben,
habe der König von Neapel mit 6 Millionen Ducaten bezahlt, und die geprie-
ſenen Siege des Principe di Satriano ſeyen weiter nichts als ebenſo viele
gelungene Beſtechungsverſuche. Was wahr daran iſt, wage ich nicht zu ent-
ſcheiden, und wird ſich überhaupt ſchwer ermitteln laſſen; dagegen leidet es
nicht den mindeſten Zweifel daß die neapolitaniſchen Truppen ihren Sieges-
lauf durch Plünderung und Diebereien aller Art bezeichneten. In Catania
währte die Plünderung mehrere Tage, und ſelbſt die in ihrer Art einzige
Kunſtſammlung des Prinzen Ignazio Biscari blieb nicht verſchont. Der
Obergeneral, um ſeine Verwendung angegangen, mußte ſich ſelbſt ins Mittel
legen, und befehlen daß die bereits nach einem Kriegsdampfſchiff geſchleppten
Baſen und Bronzen wieder ihrem rechtmäßigen Beſitzer zurückgegeben wur-
den. ... Nach einer Aeußerung des ſehr unterrichteten Aufſehers über das
Theater von Taormina hätte der Beſitzer des Muſeums nichts beſſeres ver-
dient, da derjenige der die Sammlung anlegte, einen ganz vortrefflichen
Marmortorſo des Jupiter aus einer Zelle des Theaters von Taormina ent-
wenden, und ausſprengen ließ: derſelbe ſey in dem griechiſchen Theater von
Catania ausgegraben worden. ...
Wie war es nur möglich daß die königlichen Truppen von Meſſina her
in ganz ungewöhnlich kurzer Friſt nach Catania marſchirten, da doch, wie ich
nun mit eigenen Augen mich überzeugt habe, Taormina und die nächſtgelege-
nen Berge ſo vortreffliche Poſitionen darbieten daß fünfhundert tüchtige
Schützen eine ganze Armee tage-, wenn nicht wochenlang aufhalten können?
Mit dieſer Frage richtete ich mich an meine Begleiter, von denen ich, wie
gewöhnlich, im Verlauf des Geſprächs zu hören bekam: ſie haben ſich den
Tag vor der Ankunft der Reapolitaner auf die Beine gemacht. Ueber den
Hergang des Gefechts erfuhr ich folgendes: In Taormina commandirte einer
der vielen Revolutionsoberſten, die vom Kriegshandwerk wenig oder gar nichts
verſtanden, und das fuggire für die erſte Eigenſchaft eines guten Feldherrn
hielten. Derſelbe hatte wiederholt an die proviſoriſche Regierung in Palermo
geſchrieben, er habe zwölftauſend Mann unter ſeinen Befehlen, und werde
den Poſten unter allen Umſtänden halten. Wie Filangieri jedoch mit ſeinen
zwanzigtauſend Mann herankam, waren die Sicilianer auf fünfhundert zu-
ſammengeſchmolzen, und unter dieſen befand ſich ein großer Theil halbreifer
Jungen, die mit vielem Behagen ihre Soldatenlöhnung verzehrten. Führer
und Truppe verſchwanden ſchon nach den erſten Schüſſen, und glaubten es
dem Vaterlande ſchuldig zu ſeyn ihr theures Leben in Sicherheit zu bringen.
Verrath ſoll dabei im Spiel geweſen ſeyn. Aber noch ein weit größeres Uebel
kam zu Tage. Unter den Kämpfern für die ſiciliſche Unabhängigkeit befanden
ſich eine Menge Uebelthäter, denen die Revolution die Kerkerthüren geöffnet
hatte. Andere waren zwar keine beſtraften Verbrecher, jedoch nur darum
nicht weil ſie ſich den Nachforſchungen der Polizei zu entziehen wußten, oder
erſt durch den Krieg zu ſolchen geworden waren. Nur die wenigſten wußten
wofür ſie eigentlich die Waffen trugen, jedenfalls kam bei den meiſten der
Haß gegen die Neapolitaner faſt ganz allein, die Liebe zur Freiheit kaum noch
merkbar in Betracht. Je mehr ſich der Kampf in die Länge zog, deſto un-
verhohlener und frecher traten die böſen Lüſte und Begierden hervor. Der
Bodenſatz unter den Vaterlandsvertheidigern, der die beſte Sache herabwür-
digen und verderben mußte, gieng zuletzt in der Niederträchtigkeit ſo weit die
Franzoſen und Polen, welche Gut und Blut für die ſiciliſche Freiheit ein-
ſetzten, zu überfallen und auszuplündern. Einige derſelben die ſich zur Wehre
ſetzten, wurden ſogar ermordet. Und mit ſolchen Scheuſalen ſollten die Aus-
wärtigen unter einer und derſelben Fahne dienen! Die Franzoſen nament-
lich, wenigſtens die beſſeren unter ihnen, hatten längſt ſchon das Treiben ſo
ſatt, daß nur die Stimme der Ehre ſie zurückzuhalten vermochte. Bei Taor-
mina trat noch ein beſonderer Unſtern hinzu. War es Zufall, war es Ver-
rath, daß gerade in dem Augenblick wo die Neapolitaner anrückten, die fran-
zöſiſche Legion, in kleine Abtheilungen zerſtreut und auf meiſt verlornen
Poſten, nichts auszurichten vermochte? Selbſt in dieſer durchaus ungünſti-
gen Stellung ließen es die Einzelnen an heldenmäßigem Widerſtand nicht
fehlen. Auf der Fahrſtraße die ſich am Meer hinzieht, war, nachdem die
Sicilianer bereits das Weite geſucht hatten, ein Fähnlein von ſechzehn Fran-
zoſen zurückgeblieben. Dieſe Braven hielten die Uebermacht auf, ſolange ſie
Munition hatten, und als die letzte Patrone verſchoſſen war, ſtürzten ſie ſich
mit gefälltem Bajonnett auf ihre Gegner, und fanden alle einen ruhmvollen
Tod. Drei andere Franzoſen lagen krank im Spital. Wie dieſe hörten die
königlichen Truppen ſtehen ſchon vor einem der Stadtthore, kleideten ſie ſich
an, nahmen ihre Flinten und ſchoſſen, bis auch ſie von der Uebermacht er-
drückt wurden.
Türkei.
𝝣 Pera, 25 Mai.
Vorgeſtern wurde auf der hohen Pforte im Bei-
ſeyn der Miniſter und ſämmtlicher hohen Beamten ein kaiſerl. Irade verleſen,
welcher, in den kräftigſten Ausdrücken, ſtrenge Sparſamkeit in allen Zweigen
der Verwaltung predigt. Für alle außerordentlichen Ausgaben ſoll künftighin
*) Das ſteht kürzer und beſſer im Hudibras:
Who bravely fights, and runs away,
May live to fight another day.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2021-01-12T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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