Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 15. Januar 1872.Republik proclamiren zu lassen, ist zu schließen erlaubt daß der Präsident der Re- * Versailles, 11 Jan. Nationalversammlung, Hr. Jean Brunet, Rom, 11 Jan. Der König wird demnächst die Villa Ludovisi beziehen, Konstantinopel, 12 Jan. Die Regierung hat eine Anleihe von 15 Mill. Verschiedenes. Stuttgart, 12 Jan. Schon seit einiger Zeit spielte hier ein Conflict zwi- Republik proclamiren zu laſſen, iſt zu ſchließen erlaubt daß der Präſident der Re- * Verſailles, 11 Jan. Nationalverſammlung, Hr. Jean Brunet, ⵔ Rom, 11 Jan. Der König wird demnächſt die Villa Ludoviſi beziehen, Konſtantinopel, 12 Jan. Die Regierung hat eine Anleihe von 15 Mill. Verſchiedenes. Stuttgart, 12 Jan. Schon ſeit einiger Zeit ſpielte hier ein Conflict zwi- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="213"/> Republik proclamiren zu laſſen, iſt zu ſchließen erlaubt daß der Präſident der Re-<lb/> publik ſelbſt mit dem Gedanken umgehe dem Proviſorium ein Ende zu machen.<lb/> Einſtweilen mag es ſich freilich nur erſt um einen <hi rendition="#aq">ballon d’essai</hi> handeln. Daß<lb/> die proviſoriſchen Einrichtungen auf die öffentliche Stimmung drücken, läßt ſich<lb/> übrigens nicht verkennen. Deßhalb können die zahlreichen Enthaltungen bei den<lb/> Wahlen in Paris vorzugsweiſe nur aus der immer mehr ſich bahnbrechenden<lb/> Ueberzeugung des Publicums erklärt werden: daß die gegenwärtige Regierung und<lb/> Aſſembl<hi rendition="#aq">é</hi>e unfähig ſeien etwas erſpießliches zu ſchaffen. Es unterliegt ſogar kei-<lb/> nem Zweifel daß die 93,000 Stimmen welche Victor Hugo fand zu ſeiner Ernen-<lb/> nung hingereicht haben würden, wenn nicht ein großer Theil der Bourgeoſie ſich<lb/> durch die Ausſicht auf die unmittelbare Rückkehr der Regierung nach Paris hätte<lb/> verlocken laſſen. Wie es mit der Verheißung des Candidaten des Hrn. Thiers<lb/> ſteht, wiſſen Sie; unter dem Vorwande daß die Debatten über die finanziellen<lb/> Fragen nicht unterbrochen werden dürfen, hat Hr. Thiers die Vertagung des Ge-<lb/> ſetzvorſchlages Duch<hi rendition="#aq">â</hi>tel beantragen laſſen. Die Commiſſion unterſtützte ihn bei die-<lb/> ſer Gelegenheit. Ob der Vorſchlag ſchließlich votirt werden wird, läßt ſich bei<lb/> dem Hin- und Herſchwanken der Parteiſtellungen nicht ermeſſen. Was die Wahlen<lb/> in den Provinzen anbelangt, ſo ſuchen die Regierungsblätter vergebens die Bedeu-<lb/> tung derſelben abzuſchwächen oder gar abzuläugnen. Das Reſultat iſt ein Erfolg<lb/> des Radicalismus und Bonapartismus, für dieſen letztern um ſo wichtiger, als<lb/> ſich herausſtellte daß der Klerus anfängt imperialiſtiſche Sympathien kund zu<lb/> geben; denn es iſt erwieſen daß die bonapartiſtiſchen Candidaten ihre Ernennung<lb/> theilweiſe klerikalen Einflüſſen verdanken. Das Unterrichtsgeſetz des Hrn. Simon<lb/> und die Angelegenheit Littr<hi rendition="#aq">é</hi> haben die gründliche Feindſeligkeit des Cpiſkopats<lb/> gegen die gegenwärtige Ordnung der Dinge hervorgerufen. An ſchwarzen Punkten<lb/> am politiſchen Horizont des Hrn. Thiers und Frankreichs fehlt es nicht, und der<lb/> kleinſte iſt nicht die Thatſache daß man an der Möglichkeit des Empire nicht mehr<lb/> zweifelt, ſei es nun vor oder nach einer zweiten Auflage der Commune, während<lb/> man immer mehr daran zweifelt daß Hr. Thiers, trotz ſeiner unläugbaren Ge-<lb/> wandtheit und Thätigkeit, ſeiner Aufgabe gewachſen ſei. — Das Amtsblatt meldet<lb/> heute erſt daß Graf Arnim am 9 d. ſeine Beglaubigungsſchreiben als Botſchafter<lb/> Deutſchlands dem Präſidenten der Republik überreicht habe. Politiſche Kanne-<lb/> gießer legen dieſer Säumniß des Amtsblattes eine gewiſſe Wichtigkeit bei. Mit<lb/> Unrecht, es iſt nur Mangel an Lebensart und keine ſchlimme Meinung. Andrer-<lb/> ſeits ſind die Verſicherungen der Officiöſen in Berlin und in Paris: die Unterhal-<lb/> tungen zwiſchen dem Hrn. Thiers und dem Grafen Arnim, ſowie die zwiſchen dem<lb/> Fürſten Bismarck und dem franzöſiſchen Botſchafter ſeien ſehr cordiale geweſen, von<lb/> keiner Bedeutung, weil es ſich von ſelbſt verſteht daß die Wiederherſtellung regel-<lb/> mäßiger diplomatiſcher Beziehungen zwiſchen zwei Mächten nur in durchaus cour-<lb/> toiſer Weiſe vollbracht werden kann. — Die Pariſer Tagespreſſe hat von dem<lb/> Wiedererſcheinen des „M<hi rendition="#aq">é</hi>morial Diplomatique“ nicht die entfernteſte Notiz ge-<lb/> nommen. Nur der „Conſtitutionnel“ hat es erwähnt, da der Director des<lb/> „M<hi rendition="#aq">é</hi>morial“ gleichzeitig ein Mitarbeiter jenes Blattes iſt. Die im vorigen Monat<lb/> ſuspendirten Blätter, „Rappel,“ „Pays“ und „Avenir lib<hi rendition="#aq">é</hi>ral,“ wiſſen noch immer<lb/> nicht ob und wann ſie von neuem erſcheinen dürfen. Nur mündlich und nicht officiell iſt<lb/> den Eigenthümern damals geſagt worden: die Suspendirung ſei eine zweimonatliche.<lb/> Die beiden erſtgenannten (bonaparſtitiſche) Blätter werden ſchwerlich vor dem<lb/> 1 Febr. begnadigt werden, da an dieſem Tage Hr. Rouher ſein Heil in der Ergän-<lb/> zungswahl von Corſica verſuchen wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Verſailles,</hi> 11 Jan.</dateline> <p><hi rendition="#g">Nationalverſammlung,</hi> Hr. <hi rendition="#g">Jean Brunet</hi>,<lb/> Abgeordneter von Paris, erhielt das Wort. Ich habe die Ehre, ſagt er, den Antrag<lb/> zu ſtellen daß die Nationalverſammlung erkläre: Frankreich lege ſeine Geſchicke in die<lb/> Hände Chriſti. (Allgemeines Erſtaunen, Unruhe links.) Dieſer Antrag charakteriſirt<lb/> ſich ſelbſt als ein dringlicher. Gott hat in ſeiner Gerechtigkeit Frankreich mit ſchrecklichen<lb/> Strafen heimgeſucht, weil dieſes Land, ehedem das Schwert des Herrn und des Erlöſers<lb/> der Völker, ſich von den Gottloſen, den Gauklern, Schönrednern und Kupplern ver-<lb/> führen ließ. (Gelächter links, Biſchof Dupanloup und andere Mitglieder der Rechten<lb/> klatſchen Beifall.) Es gilt unſer Land zum Glauben zurückzuführen. Darum ſtelle ich<lb/> folgenden Antrag: Art. 1. Frankreich widmet ſich, um von ſeinen Leiden zu geneſen<lb/> und zu neuem Leben aufzuerſtehen, gänzlich dem allmächtigen Gott und Chriſto, dem<lb/> Erlöſer. Art. 2. Zum Zeugniß ſeiner unerſchütterlichen Hingebung errichtet Frankreich<lb/> einen Tempel im Innern von Paris auf der Anhöhe welche nach dem König von Rom<lb/> benannt worden iſt (Trocadero). Art. 3. Dieſer Tempel Chriſti ſowie die Standarte<lb/> Frankreichs ſollen folgende Inſchrift tragen: „Gott beſchütze Frankreich; Chriſtus iſt der<lb/> Sieger, er herrſcht und befiehlt.“ (Eine Stimme: Wie auf unſern alten Münzen:<lb/><hi rendition="#aq">Christus vincit, regnat, imperat.</hi> Eine andere: Kehren wir zu den Rohſtoffen zurück!<lb/> Eine andere: Dieſer „Stoff“ hat auch ſein Intereſſe!) Die Dringlichkeit wird für den<lb/> Antrag des Hrn. Jean Brunet <hi rendition="#g">nicht</hi> anerkannt. Man nimmt die <hi rendition="#g">Steuerdebatte</hi><lb/> wieder auf. Hr. <hi rendition="#g">Deſeilligny</hi> bekämpft im Princip jede Beſteuerung der Rohſtoffe:<lb/> ſolange die Regierung nicht die von ihr projectirten Tarife vorlege, discutire man über-<lb/> dieß ins Blaue hinein. Hr. Thiers habe im Jahr 1870 treffend geſagt: eine Regierung<lb/> dürfe nicht alles ſelbſt in die Hand nehmen wollen, nicht darauf Anſpruch machen ein<lb/> beſſerer Militär als die Militärs, ein beſſerer Kaufmann als die Kaufleute zu ſein.<lb/> Hört man aber die betheiligten Intereſſen, ſo ergibt ſich daß von 60 Handelskammern<lb/> ſich nur 9 fur das Regierungsproject erklären, und von dieſen entfallen mehrere auf die<lb/> Normandie allein. Selbſt im Norddepartement ſpricht man ſich gegen den Regierungs-<lb/> vorſchlag aus, weil auch die dortigen Fabricanten ſeit dem neuen Handelsſyſtem expor-<lb/> tiren. Was den Commiſſionsantrag betrifft, ſo erklären ſich 22 Handelskammern dafür<lb/> und 38 dagegen. Mit welchem Recht will man Induſtrien die ſich zur Ausfuhrfähigkeit<lb/> emporgeſchwungen haben, nun plötzlich ſagen: „ihr dürft nicht fortbeſtehen!“ Redner<lb/> macht den Gegenvorſchlag eines Stempels von 1 pro 1000 für den geſammten Handels-<lb/> umſatz; da er den letztern auf 100 Milliarden veranſchlagt, ſo würde dieſe Steuer, wie<lb/> er meint, 100 Millionen ergeben. Dieſer Vorſchlag ſei bereits der Regierung unter-<lb/> breitet worden; der Finanzminiſter habe geſagt: er ſei ſinnreich, aber er gefalle ihm<lb/> nicht (Heiterkeit), und damit ſei er begraben worden. Gleichwohl würde er in der<lb/> geſammten Handelswelt, in Marſeille wie in Havre und Amiens, beifällig aufgenommen<lb/> und jedenfalls einer Steuer vorgezogen werden die jede Concurrenz mit dem Ausland<lb/> unmöglich mache. (Beifall.) Hr. <hi rendition="#g">Clapier</hi> erklärt ſich ebenfalls gegen das Regierungs-<lb/> project und proponirt dagegen eine Steuer von 3 Procent auf die verarbeiteten Stoffe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>ⵔ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 11 Jan.</dateline> <p>Der König wird demnächſt die Villa Ludoviſi beziehen,<lb/> die er dem Principe Piombino für den monatlichen Miethpfennig von 5000 Lire<lb/> abgemiethet hat. Im Quirinal muß erſt eine für ihn paſſende Zimmerflucht herge-<lb/><cb/> richtet werden, was Zeit koſtet, vielleicht ſo viel Zeit daß darüber der Kronprinz, der<lb/> ſchon jetzt im Quirinal wohnt, König wird. Das Geſchäft über den Ankauf des<lb/> Caſtel Pvrziano (eigentlich Porcellino) für Rechnung der Civilliſte iſt zwiſchen dem<lb/> Finanzminiſter und dem bisherigen Eigenthümer, dem Duca Grazioli, zu Stande<lb/> gekommen. Letzterer erhält fünfthalb Millionen Lire. Da der König durch<lb/> dieſen Ankauf einen mit den nöthigen Jagdgründen ausgeſtatteten Landſitz in der<lb/> Nähe von Rom bekommen hat, ſo iſt es für paſſend befunden worden die der<lb/> ſavoyiſchen Königsfamilie gehörige Villa bei Frascati, La Rufinella genannt, zu<lb/> veräußern. Der Principe Lancellotti hat ſie für 300,000 Lire an ſich gebracht.<lb/> Während der Ankauf des Caſtel Porziano allgemein gebilligt wird, da der König,<lb/> in allen Theilen der Halbinſel mit Villen und Gütern überreich verſehen, noth-<lb/> wendiger Weiſe ein Jagdſchloß bei Rom brauchte, ſo findet dagegen die Veräußerung<lb/> der Rufinella keinen Beifall. Gerade mehrere der Monarchie ergebene Blätter<lb/> ſprechen ihren Tadel aus, indem ſie denſelben wohlweislich gegen die Beamten der<lb/> königlichen Hausverwaltung richten, während es doch in die Augen ſpringt daß<lb/> die Beamten nicht ohne höheren Befehl gehandelt haben können. Die Rufinella,<lb/> durch ihre zum Theil nach dem Berliner Muſeum verbrachten Antiquitäten be-<lb/> rühmt, gehörte einſt der Königin Chriſtine, Wittwe des Königs Karl Felix, und<lb/> wurde von derſelben den Jeſuiten vermacht, jedoch unter der Bedingung daß, falls<lb/> bei ihrem Tode der Orden nicht exiſtirte, das Haus Savoyen an deſſen Stelle treten<lb/> ſollte. Es traf ſich daß, als die Königin ſtarb, die Geſellſchaft Jeſu, wenn auch<lb/> zu Recht beſtehend, doch thatſächlich aus Rom vertrieben war, und die Vertreter<lb/> des ſavoyiſchen Hauſes drangen mit der Behauptung durch daß die im Teſtament<lb/> vorgeſehene Bedingung eingetreten ſei. Die ſavoyiſche Dynaſtie legte damals<lb/> einen Werth auf den Beſitz, nicht um ſeines materiellen, ſondern um ſeines hiſto-<lb/> riſchen und archäologiſchen Werthes halber. Aber es ſcheint daß heutzutage die<lb/> Dynaſtie zu reich trägt an ihrer gegenwärtigen Herrlichkeit, als daß ſie für ſolch<lb/> alten Plunder Intereſſe und Geld übrig hätte. — Die Commiſſion „der Fünf-<lb/> zehn,“ d. h. der fünfzehn Abgeordneten welche die verſchiedenartigen Projecte des<lb/> Finanzminiſters Sella zu prüfen hat, iſt ſeit zwei Tagen verſammelt. Im ganzen<lb/> hat ſie den miniſteriellen Entwürfen eine günſtige Stimmung entgegengebracht.<lb/> Den meiſten Widerſtand ſetzt ſie der projectiven Steuer auf die Gewebe ent-<lb/> gegen. Namentlich die Beſtimmung des Geſetzentwurfs welche den Steueragen-<lb/> ten das Recht gibt zu jeder Zeit in die Häuſer zu dringen und die darin befindlichen<lb/> Webſtühle zu controliren, wird völlig unannehmbar befunden. — Aus Florenz<lb/> gehen mir Mittheilungen zu welche die ökonomiſche Lage der Stadt als verhältniß-<lb/> mäßig günſtig darſtellen. Der Ausfall im Ertrag der Verzehrsabgabe (<hi rendition="#aq">dazio con-<lb/> sumo</hi>) betraf für das abgelaufene Jahr nur 28,000 Lire. Allerdings befinden ſich<lb/> noch mehrere der größten Adminiſtrationen, namentlich die der Finanzen und des<lb/> Kriegs, beinahe vollſtändig in der alten Hauptſtadt, und es wird die Zahl der einſt-<lb/> weilen noch dort wohnenden, aber auch zur Ueberſiedelung nach Rom beſtimmten<lb/> Beamten und ihrer Angehörigen auf etwa 12,000 geſchätzt. Die letzten dieſer<lb/> Nachzügler werden Florenz nicht vor zwei Jahren verlaſſen, und dann erſt wird<lb/> ſich zeigen wie das gänzlich enthauptete Florenz weiter zu leben vermag.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 12 Jan.</dateline> <p>Die Regierung hat eine Anleihe von 15 Mill.<lb/> Fr. mit der auſtro-osmaniſchen Bank abgeſchloſſen. Der Vertrag wurde heute<lb/> unterzeichnet; die Bedingungen ſind noch unbekannt. (T. N.)</p> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Verſchiedenes.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Stuttgart,</hi> 12 Jan.</dateline> <p>Schon ſeit einiger Zeit ſpielte hier ein <hi rendition="#g">Conflict zwi-<lb/> ſchen den Buchdruckerei-Inhabern und ihren Setzern,</hi> der ſich ſeit kurzem<lb/> noch auf andere Buchdruckerei-Angehörige, namentlich die in den Buchdruckereien für<lb/> Illuſtrationen ſehr zahlreichen <hi rendition="#g">Maſchinenmeiſter</hi>, ausgedehnt hat. (Die Hallber-<lb/> ger’ſche und die Schönlein’ſche Buchdruckerei, die Verleger illuſtrirter Zeitſchriften und<lb/> Werke, haben allein etwa 50 Maſchinenmeiſter, weil bei den feineren Holzſchnitt-Drucken<lb/> faſt jede Maſchine ihren eigenen Maſchinenmeiſter bedarf.) Dieſer Conflict iſt jetzt ſo<lb/> weit gediehen, daß ohne Zweifel morgen Abend faſt alle Setzer und Maſchinenmeiſter der<lb/> hieſigen Buchdruckereien — im ganzen etwa 400 — die Arbeit einſtellen werden. Früher<lb/> herrſchte im allgemeinen ein ſehr freundliches Verhältniß zwiſchen den Principalen und<lb/> den Arbeitern der hieſigen Buchdruckereien, zumal da etwa die Hälfte der zahlreichen Ar-<lb/> beiter verheirathete und meiſt ſolide Leute ſind. Seit der vor drei Jahren eingetretenen<lb/> Erhöhung der Arbeitslöhne ſcheint einige Spannung eingetreten zu ſein, denn wenn die<lb/> Principale damals im allgemeinen auch den Forderungen der Gehülfen willfahrten, ſo<lb/> ſcheinen dieſe eben doch wohl am meiſten, veranlaßt durch auswärtige Hetzer, in der<lb/> Form mit Mitteln durchgeſetzt worden zu ſein welche einige der Buchdruckerei-Inhaber<lb/> verletzten, ſelbſt wenn ſie bei dem veränderten Geldwerthe die materielle Berechtigung<lb/> der Forderungen anerkennen mußten. Dadurch veranlaßt, hat ſich ein Principal-Verein<lb/> gebildet, welcher beabſichtigte bei Wiederkehr ſolcher Forderungen vereint aufzutreten.<lb/> Daß dieſe Wiederkehr kommen <hi rendition="#g">mußte,</hi> kann nicht wundernehmen, da ſeit dem letzten<lb/> Krieg der Geldwerth abermals geſunken, und alles noch viel theurer geworden iſt als vor<lb/> 3 Jahren. Die Eigenthümer der beiden Buchdruckereien der Cotta’ſchen Buchhandlung und<lb/> von Cotta’s Erben hatten deßhalb aus freien Stücken, noch ehe wirkliche Forderungen an<lb/> ſie herantraten, ſich mit ihren Arbeitern verſtändigt und den Tarif erhöht. Die übrigen<lb/> Buchdruckerei-Inhaber aber gaben ſich nun gegenſeitig das Wort nur gemeinſam zu<lb/> handeln und bei einer gewiſſen Conventionalſtrafe nichts <hi rendition="#g">allein</hi> zu verwilligen was nicht<lb/> von allen gutgeheißen werde. Da aber die von den Arbeitern geforderten 20 Procent<lb/> Erhöhung nicht geradezu abzuweiſen waren, zumal in letzter Zeit die Arbeitslöhne in<lb/> allen hieſigen Geſchäften aufgebeſſert wurden, ſo geſtand man im Princip 15 Procent<lb/> Aufſchlag zu, und der Unterſchied von 5 Procent hätte auch wahrſcheinlich zu keinem<lb/> Bruch geführt wenn nicht die Tarifberechnung nach der Behauptung der Gehülfen ſo<lb/> geſtellt wäre, daß, trotz ſcheinbaren 15procentigen Lohnaufſchlags, doch in Wirklichkeit<lb/> eher weniger als mehr als bisher bezahlt werden würde. Darum war die Verſtändigung<lb/> dießmal ſchwer, da gegenſeitiges Mißtrauen überall vorherrſchte. Auch die Vermittlung des<lb/> Oberbürgermeiſters und des Gewerbevereinsvorſtandes führte nicht zum Ziele. Es ſcheint<lb/> überhaupt jetzt daß weniger mehr die Lohnfrage, als vielmehr die Forderungder Principale<lb/> an die Gehülfen, aus dem allgemeinen deutſchen Arbeiterverband auszutreten, und die Wei-<lb/> gerung der Gehülfen dieß zu thun den Hauptſtein des Anſtoßes bildet. Die Arbeiter haben<lb/> außerdem eine andere Forderung erhoben, indem ſie gleichzeitig (außer der vor drei Jahren<lb/> gewährten) eine weitere Herabſetzung der Arbeitszeit (auf 10 Stunden) verlangten. Da<lb/> die Arbeiter ordnungsmäßig gekündigt haben und mit Geldmitteln auf einige Wochen<lb/> hinlänglich verſehen ſind, ſo wird morgen Abends in allen Buchdruckereien (außer den<lb/> beiden Cotta’s) die Arbeit eingeſtellt werden. Doch ſoll es einigen Druckereien gelungen<lb/> ſein ſich theils durch erzieltes Abkommen mit einigen verheiratheten älteren Arbeitern<lb/> mittelſt Erhöhung eines Wochenfixums, theils durch Beizug einiger auswärtigen Arbeiter,<lb/> eine kleinere Zahl von Arbeitern zu ſichern. (Karlsr. Z.)</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [213/0005]
Republik proclamiren zu laſſen, iſt zu ſchließen erlaubt daß der Präſident der Re-
publik ſelbſt mit dem Gedanken umgehe dem Proviſorium ein Ende zu machen.
Einſtweilen mag es ſich freilich nur erſt um einen ballon d’essai handeln. Daß
die proviſoriſchen Einrichtungen auf die öffentliche Stimmung drücken, läßt ſich
übrigens nicht verkennen. Deßhalb können die zahlreichen Enthaltungen bei den
Wahlen in Paris vorzugsweiſe nur aus der immer mehr ſich bahnbrechenden
Ueberzeugung des Publicums erklärt werden: daß die gegenwärtige Regierung und
Aſſemblée unfähig ſeien etwas erſpießliches zu ſchaffen. Es unterliegt ſogar kei-
nem Zweifel daß die 93,000 Stimmen welche Victor Hugo fand zu ſeiner Ernen-
nung hingereicht haben würden, wenn nicht ein großer Theil der Bourgeoſie ſich
durch die Ausſicht auf die unmittelbare Rückkehr der Regierung nach Paris hätte
verlocken laſſen. Wie es mit der Verheißung des Candidaten des Hrn. Thiers
ſteht, wiſſen Sie; unter dem Vorwande daß die Debatten über die finanziellen
Fragen nicht unterbrochen werden dürfen, hat Hr. Thiers die Vertagung des Ge-
ſetzvorſchlages Duchâtel beantragen laſſen. Die Commiſſion unterſtützte ihn bei die-
ſer Gelegenheit. Ob der Vorſchlag ſchließlich votirt werden wird, läßt ſich bei
dem Hin- und Herſchwanken der Parteiſtellungen nicht ermeſſen. Was die Wahlen
in den Provinzen anbelangt, ſo ſuchen die Regierungsblätter vergebens die Bedeu-
tung derſelben abzuſchwächen oder gar abzuläugnen. Das Reſultat iſt ein Erfolg
des Radicalismus und Bonapartismus, für dieſen letztern um ſo wichtiger, als
ſich herausſtellte daß der Klerus anfängt imperialiſtiſche Sympathien kund zu
geben; denn es iſt erwieſen daß die bonapartiſtiſchen Candidaten ihre Ernennung
theilweiſe klerikalen Einflüſſen verdanken. Das Unterrichtsgeſetz des Hrn. Simon
und die Angelegenheit Littré haben die gründliche Feindſeligkeit des Cpiſkopats
gegen die gegenwärtige Ordnung der Dinge hervorgerufen. An ſchwarzen Punkten
am politiſchen Horizont des Hrn. Thiers und Frankreichs fehlt es nicht, und der
kleinſte iſt nicht die Thatſache daß man an der Möglichkeit des Empire nicht mehr
zweifelt, ſei es nun vor oder nach einer zweiten Auflage der Commune, während
man immer mehr daran zweifelt daß Hr. Thiers, trotz ſeiner unläugbaren Ge-
wandtheit und Thätigkeit, ſeiner Aufgabe gewachſen ſei. — Das Amtsblatt meldet
heute erſt daß Graf Arnim am 9 d. ſeine Beglaubigungsſchreiben als Botſchafter
Deutſchlands dem Präſidenten der Republik überreicht habe. Politiſche Kanne-
gießer legen dieſer Säumniß des Amtsblattes eine gewiſſe Wichtigkeit bei. Mit
Unrecht, es iſt nur Mangel an Lebensart und keine ſchlimme Meinung. Andrer-
ſeits ſind die Verſicherungen der Officiöſen in Berlin und in Paris: die Unterhal-
tungen zwiſchen dem Hrn. Thiers und dem Grafen Arnim, ſowie die zwiſchen dem
Fürſten Bismarck und dem franzöſiſchen Botſchafter ſeien ſehr cordiale geweſen, von
keiner Bedeutung, weil es ſich von ſelbſt verſteht daß die Wiederherſtellung regel-
mäßiger diplomatiſcher Beziehungen zwiſchen zwei Mächten nur in durchaus cour-
toiſer Weiſe vollbracht werden kann. — Die Pariſer Tagespreſſe hat von dem
Wiedererſcheinen des „Mémorial Diplomatique“ nicht die entfernteſte Notiz ge-
nommen. Nur der „Conſtitutionnel“ hat es erwähnt, da der Director des
„Mémorial“ gleichzeitig ein Mitarbeiter jenes Blattes iſt. Die im vorigen Monat
ſuspendirten Blätter, „Rappel,“ „Pays“ und „Avenir libéral,“ wiſſen noch immer
nicht ob und wann ſie von neuem erſcheinen dürfen. Nur mündlich und nicht officiell iſt
den Eigenthümern damals geſagt worden: die Suspendirung ſei eine zweimonatliche.
Die beiden erſtgenannten (bonaparſtitiſche) Blätter werden ſchwerlich vor dem
1 Febr. begnadigt werden, da an dieſem Tage Hr. Rouher ſein Heil in der Ergän-
zungswahl von Corſica verſuchen wird.
* Verſailles, 11 Jan. Nationalverſammlung, Hr. Jean Brunet,
Abgeordneter von Paris, erhielt das Wort. Ich habe die Ehre, ſagt er, den Antrag
zu ſtellen daß die Nationalverſammlung erkläre: Frankreich lege ſeine Geſchicke in die
Hände Chriſti. (Allgemeines Erſtaunen, Unruhe links.) Dieſer Antrag charakteriſirt
ſich ſelbſt als ein dringlicher. Gott hat in ſeiner Gerechtigkeit Frankreich mit ſchrecklichen
Strafen heimgeſucht, weil dieſes Land, ehedem das Schwert des Herrn und des Erlöſers
der Völker, ſich von den Gottloſen, den Gauklern, Schönrednern und Kupplern ver-
führen ließ. (Gelächter links, Biſchof Dupanloup und andere Mitglieder der Rechten
klatſchen Beifall.) Es gilt unſer Land zum Glauben zurückzuführen. Darum ſtelle ich
folgenden Antrag: Art. 1. Frankreich widmet ſich, um von ſeinen Leiden zu geneſen
und zu neuem Leben aufzuerſtehen, gänzlich dem allmächtigen Gott und Chriſto, dem
Erlöſer. Art. 2. Zum Zeugniß ſeiner unerſchütterlichen Hingebung errichtet Frankreich
einen Tempel im Innern von Paris auf der Anhöhe welche nach dem König von Rom
benannt worden iſt (Trocadero). Art. 3. Dieſer Tempel Chriſti ſowie die Standarte
Frankreichs ſollen folgende Inſchrift tragen: „Gott beſchütze Frankreich; Chriſtus iſt der
Sieger, er herrſcht und befiehlt.“ (Eine Stimme: Wie auf unſern alten Münzen:
Christus vincit, regnat, imperat. Eine andere: Kehren wir zu den Rohſtoffen zurück!
Eine andere: Dieſer „Stoff“ hat auch ſein Intereſſe!) Die Dringlichkeit wird für den
Antrag des Hrn. Jean Brunet nicht anerkannt. Man nimmt die Steuerdebatte
wieder auf. Hr. Deſeilligny bekämpft im Princip jede Beſteuerung der Rohſtoffe:
ſolange die Regierung nicht die von ihr projectirten Tarife vorlege, discutire man über-
dieß ins Blaue hinein. Hr. Thiers habe im Jahr 1870 treffend geſagt: eine Regierung
dürfe nicht alles ſelbſt in die Hand nehmen wollen, nicht darauf Anſpruch machen ein
beſſerer Militär als die Militärs, ein beſſerer Kaufmann als die Kaufleute zu ſein.
Hört man aber die betheiligten Intereſſen, ſo ergibt ſich daß von 60 Handelskammern
ſich nur 9 fur das Regierungsproject erklären, und von dieſen entfallen mehrere auf die
Normandie allein. Selbſt im Norddepartement ſpricht man ſich gegen den Regierungs-
vorſchlag aus, weil auch die dortigen Fabricanten ſeit dem neuen Handelsſyſtem expor-
tiren. Was den Commiſſionsantrag betrifft, ſo erklären ſich 22 Handelskammern dafür
und 38 dagegen. Mit welchem Recht will man Induſtrien die ſich zur Ausfuhrfähigkeit
emporgeſchwungen haben, nun plötzlich ſagen: „ihr dürft nicht fortbeſtehen!“ Redner
macht den Gegenvorſchlag eines Stempels von 1 pro 1000 für den geſammten Handels-
umſatz; da er den letztern auf 100 Milliarden veranſchlagt, ſo würde dieſe Steuer, wie
er meint, 100 Millionen ergeben. Dieſer Vorſchlag ſei bereits der Regierung unter-
breitet worden; der Finanzminiſter habe geſagt: er ſei ſinnreich, aber er gefalle ihm
nicht (Heiterkeit), und damit ſei er begraben worden. Gleichwohl würde er in der
geſammten Handelswelt, in Marſeille wie in Havre und Amiens, beifällig aufgenommen
und jedenfalls einer Steuer vorgezogen werden die jede Concurrenz mit dem Ausland
unmöglich mache. (Beifall.) Hr. Clapier erklärt ſich ebenfalls gegen das Regierungs-
project und proponirt dagegen eine Steuer von 3 Procent auf die verarbeiteten Stoffe.
ⵔ Rom, 11 Jan. Der König wird demnächſt die Villa Ludoviſi beziehen,
die er dem Principe Piombino für den monatlichen Miethpfennig von 5000 Lire
abgemiethet hat. Im Quirinal muß erſt eine für ihn paſſende Zimmerflucht herge-
richtet werden, was Zeit koſtet, vielleicht ſo viel Zeit daß darüber der Kronprinz, der
ſchon jetzt im Quirinal wohnt, König wird. Das Geſchäft über den Ankauf des
Caſtel Pvrziano (eigentlich Porcellino) für Rechnung der Civilliſte iſt zwiſchen dem
Finanzminiſter und dem bisherigen Eigenthümer, dem Duca Grazioli, zu Stande
gekommen. Letzterer erhält fünfthalb Millionen Lire. Da der König durch
dieſen Ankauf einen mit den nöthigen Jagdgründen ausgeſtatteten Landſitz in der
Nähe von Rom bekommen hat, ſo iſt es für paſſend befunden worden die der
ſavoyiſchen Königsfamilie gehörige Villa bei Frascati, La Rufinella genannt, zu
veräußern. Der Principe Lancellotti hat ſie für 300,000 Lire an ſich gebracht.
Während der Ankauf des Caſtel Porziano allgemein gebilligt wird, da der König,
in allen Theilen der Halbinſel mit Villen und Gütern überreich verſehen, noth-
wendiger Weiſe ein Jagdſchloß bei Rom brauchte, ſo findet dagegen die Veräußerung
der Rufinella keinen Beifall. Gerade mehrere der Monarchie ergebene Blätter
ſprechen ihren Tadel aus, indem ſie denſelben wohlweislich gegen die Beamten der
königlichen Hausverwaltung richten, während es doch in die Augen ſpringt daß
die Beamten nicht ohne höheren Befehl gehandelt haben können. Die Rufinella,
durch ihre zum Theil nach dem Berliner Muſeum verbrachten Antiquitäten be-
rühmt, gehörte einſt der Königin Chriſtine, Wittwe des Königs Karl Felix, und
wurde von derſelben den Jeſuiten vermacht, jedoch unter der Bedingung daß, falls
bei ihrem Tode der Orden nicht exiſtirte, das Haus Savoyen an deſſen Stelle treten
ſollte. Es traf ſich daß, als die Königin ſtarb, die Geſellſchaft Jeſu, wenn auch
zu Recht beſtehend, doch thatſächlich aus Rom vertrieben war, und die Vertreter
des ſavoyiſchen Hauſes drangen mit der Behauptung durch daß die im Teſtament
vorgeſehene Bedingung eingetreten ſei. Die ſavoyiſche Dynaſtie legte damals
einen Werth auf den Beſitz, nicht um ſeines materiellen, ſondern um ſeines hiſto-
riſchen und archäologiſchen Werthes halber. Aber es ſcheint daß heutzutage die
Dynaſtie zu reich trägt an ihrer gegenwärtigen Herrlichkeit, als daß ſie für ſolch
alten Plunder Intereſſe und Geld übrig hätte. — Die Commiſſion „der Fünf-
zehn,“ d. h. der fünfzehn Abgeordneten welche die verſchiedenartigen Projecte des
Finanzminiſters Sella zu prüfen hat, iſt ſeit zwei Tagen verſammelt. Im ganzen
hat ſie den miniſteriellen Entwürfen eine günſtige Stimmung entgegengebracht.
Den meiſten Widerſtand ſetzt ſie der projectiven Steuer auf die Gewebe ent-
gegen. Namentlich die Beſtimmung des Geſetzentwurfs welche den Steueragen-
ten das Recht gibt zu jeder Zeit in die Häuſer zu dringen und die darin befindlichen
Webſtühle zu controliren, wird völlig unannehmbar befunden. — Aus Florenz
gehen mir Mittheilungen zu welche die ökonomiſche Lage der Stadt als verhältniß-
mäßig günſtig darſtellen. Der Ausfall im Ertrag der Verzehrsabgabe (dazio con-
sumo) betraf für das abgelaufene Jahr nur 28,000 Lire. Allerdings befinden ſich
noch mehrere der größten Adminiſtrationen, namentlich die der Finanzen und des
Kriegs, beinahe vollſtändig in der alten Hauptſtadt, und es wird die Zahl der einſt-
weilen noch dort wohnenden, aber auch zur Ueberſiedelung nach Rom beſtimmten
Beamten und ihrer Angehörigen auf etwa 12,000 geſchätzt. Die letzten dieſer
Nachzügler werden Florenz nicht vor zwei Jahren verlaſſen, und dann erſt wird
ſich zeigen wie das gänzlich enthauptete Florenz weiter zu leben vermag.
Konſtantinopel, 12 Jan. Die Regierung hat eine Anleihe von 15 Mill.
Fr. mit der auſtro-osmaniſchen Bank abgeſchloſſen. Der Vertrag wurde heute
unterzeichnet; die Bedingungen ſind noch unbekannt. (T. N.)
Verſchiedenes.
Stuttgart, 12 Jan. Schon ſeit einiger Zeit ſpielte hier ein Conflict zwi-
ſchen den Buchdruckerei-Inhabern und ihren Setzern, der ſich ſeit kurzem
noch auf andere Buchdruckerei-Angehörige, namentlich die in den Buchdruckereien für
Illuſtrationen ſehr zahlreichen Maſchinenmeiſter, ausgedehnt hat. (Die Hallber-
ger’ſche und die Schönlein’ſche Buchdruckerei, die Verleger illuſtrirter Zeitſchriften und
Werke, haben allein etwa 50 Maſchinenmeiſter, weil bei den feineren Holzſchnitt-Drucken
faſt jede Maſchine ihren eigenen Maſchinenmeiſter bedarf.) Dieſer Conflict iſt jetzt ſo
weit gediehen, daß ohne Zweifel morgen Abend faſt alle Setzer und Maſchinenmeiſter der
hieſigen Buchdruckereien — im ganzen etwa 400 — die Arbeit einſtellen werden. Früher
herrſchte im allgemeinen ein ſehr freundliches Verhältniß zwiſchen den Principalen und
den Arbeitern der hieſigen Buchdruckereien, zumal da etwa die Hälfte der zahlreichen Ar-
beiter verheirathete und meiſt ſolide Leute ſind. Seit der vor drei Jahren eingetretenen
Erhöhung der Arbeitslöhne ſcheint einige Spannung eingetreten zu ſein, denn wenn die
Principale damals im allgemeinen auch den Forderungen der Gehülfen willfahrten, ſo
ſcheinen dieſe eben doch wohl am meiſten, veranlaßt durch auswärtige Hetzer, in der
Form mit Mitteln durchgeſetzt worden zu ſein welche einige der Buchdruckerei-Inhaber
verletzten, ſelbſt wenn ſie bei dem veränderten Geldwerthe die materielle Berechtigung
der Forderungen anerkennen mußten. Dadurch veranlaßt, hat ſich ein Principal-Verein
gebildet, welcher beabſichtigte bei Wiederkehr ſolcher Forderungen vereint aufzutreten.
Daß dieſe Wiederkehr kommen mußte, kann nicht wundernehmen, da ſeit dem letzten
Krieg der Geldwerth abermals geſunken, und alles noch viel theurer geworden iſt als vor
3 Jahren. Die Eigenthümer der beiden Buchdruckereien der Cotta’ſchen Buchhandlung und
von Cotta’s Erben hatten deßhalb aus freien Stücken, noch ehe wirkliche Forderungen an
ſie herantraten, ſich mit ihren Arbeitern verſtändigt und den Tarif erhöht. Die übrigen
Buchdruckerei-Inhaber aber gaben ſich nun gegenſeitig das Wort nur gemeinſam zu
handeln und bei einer gewiſſen Conventionalſtrafe nichts allein zu verwilligen was nicht
von allen gutgeheißen werde. Da aber die von den Arbeitern geforderten 20 Procent
Erhöhung nicht geradezu abzuweiſen waren, zumal in letzter Zeit die Arbeitslöhne in
allen hieſigen Geſchäften aufgebeſſert wurden, ſo geſtand man im Princip 15 Procent
Aufſchlag zu, und der Unterſchied von 5 Procent hätte auch wahrſcheinlich zu keinem
Bruch geführt wenn nicht die Tarifberechnung nach der Behauptung der Gehülfen ſo
geſtellt wäre, daß, trotz ſcheinbaren 15procentigen Lohnaufſchlags, doch in Wirklichkeit
eher weniger als mehr als bisher bezahlt werden würde. Darum war die Verſtändigung
dießmal ſchwer, da gegenſeitiges Mißtrauen überall vorherrſchte. Auch die Vermittlung des
Oberbürgermeiſters und des Gewerbevereinsvorſtandes führte nicht zum Ziele. Es ſcheint
überhaupt jetzt daß weniger mehr die Lohnfrage, als vielmehr die Forderungder Principale
an die Gehülfen, aus dem allgemeinen deutſchen Arbeiterverband auszutreten, und die Wei-
gerung der Gehülfen dieß zu thun den Hauptſtein des Anſtoßes bildet. Die Arbeiter haben
außerdem eine andere Forderung erhoben, indem ſie gleichzeitig (außer der vor drei Jahren
gewährten) eine weitere Herabſetzung der Arbeitszeit (auf 10 Stunden) verlangten. Da
die Arbeiter ordnungsmäßig gekündigt haben und mit Geldmitteln auf einige Wochen
hinlänglich verſehen ſind, ſo wird morgen Abends in allen Buchdruckereien (außer den
beiden Cotta’s) die Arbeit eingeſtellt werden. Doch ſoll es einigen Druckereien gelungen
ſein ſich theils durch erzieltes Abkommen mit einigen verheiratheten älteren Arbeitern
mittelſt Erhöhung eines Wochenfixums, theils durch Beizug einiger auswärtigen Arbeiter,
eine kleinere Zahl von Arbeitern zu ſichern. (Karlsr. Z.)
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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