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Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 18. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 15 Freitag, den 18. Januar


Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(19. Fortsetzung)

[Spaltenumbruch]

Es entstand eine Pause, in der die Män-
ner vor sich hinsannen. Dann meinte Lund:
"Er wird heute nachmittag beerdigt. Der
Unglückliche gibt uns noch über sein Grab
hinaus eine harte Nuß zu knacken. War er
mitschuldig oder unschuldig, und wer ist sein
Mörder? Hierin sehen wir nicht klarer als
in der Mordnacht, Verhör und alles andere
haben ja nichts ergeben."

Morris ging im Atelier gleichmäßig hin
und her, was er immer tat, wenn ein Ge-
danke ihn stark beschäftigte.

"Ich glaube," äußerte er, "wir brauchen
nur Ihren Laurids energisch zu behandeln,
dann würden wir wohl einige Klarheit be-
kommen. Einige -- nicht die ganze, deshalb
müssen wir uns diesen Weg noch versagen.
So viel wissen wir doch immerhin, daß
Blooms Tod im Zusammenhang steht mit
den Fälschern. Die Fingerabdrücke auf der
Waffe und auf manchen der falschen Scheine
ergaben ja einwandfrei die gleiche Person."
Er blieb stehen und wandte sich an den
Freund: "Du hast recht, Rupert, es ist so:
das Netz zieht sich unmerklich, aber unauf-
haltsam zusammen. Ich bin eigentlich über-
zeugt, nur um mich greifen zu brauchen --
und schon hätte ich den Hauptkerl gepackt!"

"Der Ansicht sind auch andere Leute,"
lächelte Lund und zog plötzlich einen Brief
hervor.

"Was haben Sie denn da wieder?" fragte
der unentwegt neugierige Maler.

"Ja," freute sich der Assessor, "etwas,
das Sie zu allermeist angeht. Ein Schrei-
ben, das sich eingehend mit Ihnen beschäf-
tigt, Steinmann."

"Nun, geben Sie uns keine Rätsel auf!"
rief der Ungeduldige. "Damit sind wir schon
reichlich versehen."

Lund entschloß sich. "Wie Ihnen bekannt
ist, laufen bei der Polizei das ganze Jahr
hindurch anonyme Zuschriften ein, und nun
[Spaltenumbruch] gar anläßlich eines solchen Falles wie den,
der uns jetzt beschäftigt."

"Ach," machte Morris gleichgültig, "und
so einen Wisch haben Sie da in der Hand?
Auf solche Schreibereien werden Sie doch
nicht den geringsten Wert legen?"

"Im allgemeinen: nein," bekannte der
Assessor. "Dieser Brief ist aber zum minde-
sten originell. Ich will ihn vorlesen. Hören
Sie: An die verehrliche Polizeidirektion,
Kopenhagen, zu Händen von Herrn Assessor
Doktor Lund. -- Sehr geehrter Herr! Ge-
statten Sie mir, Ihnen in der viel genann-
ten Fälscheraffäre einen Wink zu geben, der
für Sie -- man darf sagen: von höchster
Wichtigkeit ist. Vorerst, um Ihnen zu zei-
gen, daß ich in manches eingeweiht bin, will
ich verraten, daß mir bekannt ist, mit wessen
Beistand Sie die schwierigen Untersuchungen
führen. Sie werden unterstützt von dem
neunmalweisen Ausländer Frank Morris,
dessen rechte Hand der Kunstmaler Rupert
Steinmann ist. Gegen diesen wendet sich
mein Brief."

"Fabelhaft!" rief Steinmann. Er war
erblaßt. "Woher weiß der Schreiber, der
Schmierer --!"

Morris sprang an die Seite Lunds.
"Weiter, weiter," stieß er hervor.

Der Assessor las: "Gegen diesen wendet
sich mein Brief. Glauben Sie mir, Sie
werden ungeheuerlich hintergangen. Der
Kunstmaler ist einer der Fälscher, die Sie
suchen."

Der Maler rannte auf Lund los. "Was
-- was ist --" stammelte er. Er blieb keu-
chend stehen und konnte nicht weiter sprechen.

Der Assessor fuhr fort zu lesen: "Ich kann
Ihnen noch mehr verraten. Durchstöbern Sie
die Werkstatt dieses Herrn Steinmann, die
angeblich nur zum Bildermalen dient. Sie
werden sicherlich Ueberraschendes ans Licht
ziehen. -- Sie können sich nicht dazu ent-
schließen? Sie nehmen dies alles für eine
[Spaltenumbruch] Mystifikation? Ich meine, der Nachweis,
den ich Ihnen am Anfang des Briefes über
meine Vertrautheit mit der Sache geliefert
habe, sollte Sie stutzig machen. Noch ein-
mal: suchen Sie ein bißchen. Welchen Wert
hätte es für mich, Sie zu narren? Ich
könnte mich, weil ich ja nicht weiß, ob Sie
meinen Rat befolgen, nicht einmal über den
gelungenen Streich ergötzen. -- Einer der
Sie aufrichtig fördern will."

Lund faltete den Brief zusammen. Stein-
mann -- dauernd erblaßt -- vermochte noch
immer nicht zu reden. Aber Morris rief
sofort: "Rupert, deine Schlüssel! Die zum
Schreibtisch, zu den Kommoden und Schrän-
ken!"

"Ja, wollen Sie denn wirklich --" staunte
der Assessor.

"Vorwärts!" schüttelte Morris den er-
starrten Steinmann. "Aufsperren!"

Der Maler erholte sich endlich. "Das ist
unglaublich -- unglaublich --" murmelte er
ein über das andere Mal, während er die
Schlüssel hervorsuchte und an die verschie-
denen Möbel verteilte.

Morris revidierte den Schreibitsch. Lund
ging kopfschüttelnd zum Schrank im Schlaf-
zimmer, Steinmann selbst machte sich an
einer Kommode im Atelier zu schaffen. Eine
Weile suchten und kramten die drei Männer
schweigend.

Plötzlich stieß der Maler einen Schrei aus,
der mehr erschrocken als erstaunt klang --
hielt inne und stand wie angedonnert vor
seiner Schublade. Die beiden anderen eilten
hinzu.

In einem untersten Fache lagen zwischen
buntem Tand und zwischen Tüchern -- halb
von ihnen überdeckt -- merkwürdige Gerät-
schaften, Handwerkszeug und Platten.
Steinmann wollte alles herausreißen.

Morris packte ihn bei den Händen. "Lang-
sam!" schrie er, und befahl dem sich Auf-
richtenden: "Ein paar Lederhandschuhe!
Einen Bogen Packpapier!"

Während alle drei stumm blieben vor
Erregung, brachte der Maler das Ge-
wünschte. Morris hatte seine Ruhe wieder.
Indes er die Handschuhe überstreifte, sagte
er: "Siehst du, Rupert, daß deine Bemer-
kung von neulich so bald praktisch verwertet
würde, hättest du auch nicht geglaubt." Dann
[Spaltenumbruch] holte er vorsichtig, indem er sie möglichst
wenig berührte, die Gegenstände aus der
Kommode, legte sie auf das große Papier
am Boden und hüllte sie behutsam ein. Er
wandte sich an Lund: "Sie werden das
Material genau so daktyloskopisch unter-
suchen lassen wie neulich den Revolver."

Lund nickte, er war immer noch sprachlos.

Dann setzten sich die drei wie auf Verab-
redung nieder, und jeder war froh um seinen
Stuhl. Morris ergriff als erster das Wort:
"Wann haben Sie den Brief erhalten? Ist
er handgeschrieben?"

"Heute morgen erst -- Maschinenschrift --"

"Ich glaube, Herr Assessor, Sie haben den
Brief ein wenig leicht genommen."

"Aber, Morris, Sie sagten vorhin doch
selbst, daß anonyme Schreibereien --"

"Ja, lieber Lund, bevor ich den Inhalt
kennengelernt hatte! Der aber hätte Ihnen
doch gleich verdächtig in die Nase steigen
müssen."

"Ja, ich -- es ist unglaublich -- wie er-
klären Sie --" stotterte Lund. Er wußte
nicht, was er von der eben gemachten Ent-
deckung halten sollte.

Morris kam ihm zu Hilfe: "Das ist schon
das Frechste, was die Burschen sich bisher
geleistet haben. -- Rupert, du Schwerver-
brecher, sitz' nicht so entgeistert da!"

Der Assessor ermannte sich. "Sie meinen,
das Ganze ist eine Tat, um -- um --"

"Gewiß," fiel Morris ein, "um Verwir-
rung anzurichten und unsere Nachforschun-
gen auf tote Geleise zu lenken. Die Verwir-
rung zum mindesten wäre ihnen geglückt,
ahnten wir nicht schon, daß die Gauner
ebenso geschickte Einbrecher sind, wie sie
geschickte Fälscher sind. -- Es ist wirklich ein
fabelhafter Beweis für den Glauben an
ihre absolute Ueberlegenheit. Jetzt ist die
Hauptsache: bewahren wir ihnen diesen
Glauben."

"Wie meinen Sie?" fragte Lund ver-
ständnislos.

"Ich meine die Taktik des Sichdumm-
stellens --"

"Aber selbstverständlich," pflichtete Lund
plötzlich erleuchtet bei. "Sie wird ja nicht
schwer fallen."

(Fortsetzung folgt)

[irrelevantes Material]
„AZ am Abend“ Nr. 15 Freitag, den 18. Januar


Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN

(19. Fortſetzung)

[Spaltenumbruch]

Es entſtand eine Pauſe, in der die Män-
ner vor ſich hinſannen. Dann meinte Lund:
„Er wird heute nachmittag beerdigt. Der
Unglückliche gibt uns noch über ſein Grab
hinaus eine harte Nuß zu knacken. War er
mitſchuldig oder unſchuldig, und wer iſt ſein
Mörder? Hierin ſehen wir nicht klarer als
in der Mordnacht, Verhör und alles andere
haben ja nichts ergeben.“

Morris ging im Atelier gleichmäßig hin
und her, was er immer tat, wenn ein Ge-
danke ihn ſtark beſchäftigte.

„Ich glaube,“ äußerte er, „wir brauchen
nur Ihren Laurids energiſch zu behandeln,
dann würden wir wohl einige Klarheit be-
kommen. Einige — nicht die ganze, deshalb
müſſen wir uns dieſen Weg noch verſagen.
So viel wiſſen wir doch immerhin, daß
Blooms Tod im Zuſammenhang ſteht mit
den Fälſchern. Die Fingerabdrücke auf der
Waffe und auf manchen der falſchen Scheine
ergaben ja einwandfrei die gleiche Perſon.“
Er blieb ſtehen und wandte ſich an den
Freund: „Du haſt recht, Rupert, es iſt ſo:
das Netz zieht ſich unmerklich, aber unauf-
haltſam zuſammen. Ich bin eigentlich über-
zeugt, nur um mich greifen zu brauchen —
und ſchon hätte ich den Hauptkerl gepackt!“

„Der Anſicht ſind auch andere Leute,“
lächelte Lund und zog plötzlich einen Brief
hervor.

„Was haben Sie denn da wieder?“ fragte
der unentwegt neugierige Maler.

„Ja,“ freute ſich der Aſſeſſor, „etwas,
das Sie zu allermeiſt angeht. Ein Schrei-
ben, das ſich eingehend mit Ihnen beſchäf-
tigt, Steinmann.“

„Nun, geben Sie uns keine Rätſel auf!“
rief der Ungeduldige. „Damit ſind wir ſchon
reichlich verſehen.“

Lund entſchloß ſich. „Wie Ihnen bekannt
iſt, laufen bei der Polizei das ganze Jahr
hindurch anonyme Zuſchriften ein, und nun
[Spaltenumbruch] gar anläßlich eines ſolchen Falles wie den,
der uns jetzt beſchäftigt.“

„Ach,“ machte Morris gleichgültig, „und
ſo einen Wiſch haben Sie da in der Hand?
Auf ſolche Schreibereien werden Sie doch
nicht den geringſten Wert legen?“

„Im allgemeinen: nein,“ bekannte der
Aſſeſſor. „Dieſer Brief iſt aber zum minde-
ſten originell. Ich will ihn vorleſen. Hören
Sie: An die verehrliche Polizeidirektion,
Kopenhagen, zu Händen von Herrn Aſſeſſor
Doktor Lund. — Sehr geehrter Herr! Ge-
ſtatten Sie mir, Ihnen in der viel genann-
ten Fälſcheraffäre einen Wink zu geben, der
für Sie — man darf ſagen: von höchſter
Wichtigkeit iſt. Vorerſt, um Ihnen zu zei-
gen, daß ich in manches eingeweiht bin, will
ich verraten, daß mir bekannt iſt, mit weſſen
Beiſtand Sie die ſchwierigen Unterſuchungen
führen. Sie werden unterſtützt von dem
neunmalweiſen Ausländer Frank Morris,
deſſen rechte Hand der Kunſtmaler Rupert
Steinmann iſt. Gegen dieſen wendet ſich
mein Brief.“

„Fabelhaft!“ rief Steinmann. Er war
erblaßt. „Woher weiß der Schreiber, der
Schmierer —!“

Morris ſprang an die Seite Lunds.
„Weiter, weiter,“ ſtieß er hervor.

Der Aſſeſſor las: „Gegen dieſen wendet
ſich mein Brief. Glauben Sie mir, Sie
werden ungeheuerlich hintergangen. Der
Kunſtmaler iſt einer der Fälſcher, die Sie
ſuchen.“

Der Maler rannte auf Lund los. „Was
— was iſt —“ ſtammelte er. Er blieb keu-
chend ſtehen und konnte nicht weiter ſprechen.

Der Aſſeſſor fuhr fort zu leſen: „Ich kann
Ihnen noch mehr verraten. Durchſtöbern Sie
die Werkſtatt dieſes Herrn Steinmann, die
angeblich nur zum Bildermalen dient. Sie
werden ſicherlich Ueberraſchendes ans Licht
ziehen. — Sie können ſich nicht dazu ent-
ſchließen? Sie nehmen dies alles für eine
[Spaltenumbruch] Myſtifikation? Ich meine, der Nachweis,
den ich Ihnen am Anfang des Briefes über
meine Vertrautheit mit der Sache geliefert
habe, ſollte Sie ſtutzig machen. Noch ein-
mal: ſuchen Sie ein bißchen. Welchen Wert
hätte es für mich, Sie zu narren? Ich
könnte mich, weil ich ja nicht weiß, ob Sie
meinen Rat befolgen, nicht einmal über den
gelungenen Streich ergötzen. — Einer der
Sie aufrichtig fördern will.“

Lund faltete den Brief zuſammen. Stein-
mann — dauernd erblaßt — vermochte noch
immer nicht zu reden. Aber Morris rief
ſofort: „Rupert, deine Schlüſſel! Die zum
Schreibtiſch, zu den Kommoden und Schrän-
ken!“

„Ja, wollen Sie denn wirklich —“ ſtaunte
der Aſſeſſor.

„Vorwärts!“ ſchüttelte Morris den er-
ſtarrten Steinmann. „Aufſperren!“

Der Maler erholte ſich endlich. „Das iſt
unglaublich — unglaublich —“ murmelte er
ein über das andere Mal, während er die
Schlüſſel hervorſuchte und an die verſchie-
denen Möbel verteilte.

Morris revidierte den Schreibitſch. Lund
ging kopfſchüttelnd zum Schrank im Schlaf-
zimmer, Steinmann ſelbſt machte ſich an
einer Kommode im Atelier zu ſchaffen. Eine
Weile ſuchten und kramten die drei Männer
ſchweigend.

Plötzlich ſtieß der Maler einen Schrei aus,
der mehr erſchrocken als erſtaunt klang —
hielt inne und ſtand wie angedonnert vor
ſeiner Schublade. Die beiden anderen eilten
hinzu.

In einem unterſten Fache lagen zwiſchen
buntem Tand und zwiſchen Tüchern — halb
von ihnen überdeckt — merkwürdige Gerät-
ſchaften, Handwerkszeug und Platten.
Steinmann wollte alles herausreißen.

Morris packte ihn bei den Händen. „Lang-
ſam!“ ſchrie er, und befahl dem ſich Auf-
richtenden: „Ein paar Lederhandſchuhe!
Einen Bogen Packpapier!“

Während alle drei ſtumm blieben vor
Erregung, brachte der Maler das Ge-
wünſchte. Morris hatte ſeine Ruhe wieder.
Indes er die Handſchuhe überſtreifte, ſagte
er: „Siehſt du, Rupert, daß deine Bemer-
kung von neulich ſo bald praktiſch verwertet
würde, hätteſt du auch nicht geglaubt.“ Dann
[Spaltenumbruch] holte er vorſichtig, indem er ſie möglichſt
wenig berührte, die Gegenſtände aus der
Kommode, legte ſie auf das große Papier
am Boden und hüllte ſie behutſam ein. Er
wandte ſich an Lund: „Sie werden das
Material genau ſo daktyloſkopiſch unter-
ſuchen laſſen wie neulich den Revolver.“

Lund nickte, er war immer noch ſprachlos.

Dann ſetzten ſich die drei wie auf Verab-
redung nieder, und jeder war froh um ſeinen
Stuhl. Morris ergriff als erſter das Wort:
„Wann haben Sie den Brief erhalten? Iſt
er handgeſchrieben?“

„Heute morgen erſt — Maſchinenſchrift —“

„Ich glaube, Herr Aſſeſſor, Sie haben den
Brief ein wenig leicht genommen.“

„Aber, Morris, Sie ſagten vorhin doch
ſelbſt, daß anonyme Schreibereien —“

„Ja, lieber Lund, bevor ich den Inhalt
kennengelernt hatte! Der aber hätte Ihnen
doch gleich verdächtig in die Naſe ſteigen
müſſen.“

„Ja, ich — es iſt unglaublich — wie er-
klären Sie —“ ſtotterte Lund. Er wußte
nicht, was er von der eben gemachten Ent-
deckung halten ſollte.

Morris kam ihm zu Hilfe: „Das iſt ſchon
das Frechſte, was die Burſchen ſich bisher
geleiſtet haben. — Rupert, du Schwerver-
brecher, ſitz’ nicht ſo entgeiſtert da!“

Der Aſſeſſor ermannte ſich. „Sie meinen,
das Ganze iſt eine Tat, um — um —“

„Gewiß,“ fiel Morris ein, „um Verwir-
rung anzurichten und unſere Nachforſchun-
gen auf tote Geleiſe zu lenken. Die Verwir-
rung zum mindeſten wäre ihnen geglückt,
ahnten wir nicht ſchon, daß die Gauner
ebenſo geſchickte Einbrecher ſind, wie ſie
geſchickte Fälſcher ſind. — Es iſt wirklich ein
fabelhafter Beweis für den Glauben an
ihre abſolute Ueberlegenheit. Jetzt iſt die
Hauptſache: bewahren wir ihnen dieſen
Glauben.“

„Wie meinen Sie?“ fragte Lund ver-
ſtändnislos.

„Ich meine die Taktik des Sichdumm-
ſtellens —“

„Aber ſelbſtverſtändlich,“ pflichtete Lund
plötzlich erleuchtet bei. „Sie wird ja nicht
ſchwer fallen.“

(Fortſetzung folgt)

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[12/0012] „AZ am Abend“ Nr. 15 Freitag, den 18. Januar Dreifaches Gaunerspiel EIN BANKNOTENROMAN von A. M. FREY (19. Fortſetzung) Es entſtand eine Pauſe, in der die Män- ner vor ſich hinſannen. Dann meinte Lund: „Er wird heute nachmittag beerdigt. Der Unglückliche gibt uns noch über ſein Grab hinaus eine harte Nuß zu knacken. War er mitſchuldig oder unſchuldig, und wer iſt ſein Mörder? Hierin ſehen wir nicht klarer als in der Mordnacht, Verhör und alles andere haben ja nichts ergeben.“ Morris ging im Atelier gleichmäßig hin und her, was er immer tat, wenn ein Ge- danke ihn ſtark beſchäftigte. „Ich glaube,“ äußerte er, „wir brauchen nur Ihren Laurids energiſch zu behandeln, dann würden wir wohl einige Klarheit be- kommen. Einige — nicht die ganze, deshalb müſſen wir uns dieſen Weg noch verſagen. So viel wiſſen wir doch immerhin, daß Blooms Tod im Zuſammenhang ſteht mit den Fälſchern. Die Fingerabdrücke auf der Waffe und auf manchen der falſchen Scheine ergaben ja einwandfrei die gleiche Perſon.“ Er blieb ſtehen und wandte ſich an den Freund: „Du haſt recht, Rupert, es iſt ſo: das Netz zieht ſich unmerklich, aber unauf- haltſam zuſammen. Ich bin eigentlich über- zeugt, nur um mich greifen zu brauchen — und ſchon hätte ich den Hauptkerl gepackt!“ „Der Anſicht ſind auch andere Leute,“ lächelte Lund und zog plötzlich einen Brief hervor. „Was haben Sie denn da wieder?“ fragte der unentwegt neugierige Maler. „Ja,“ freute ſich der Aſſeſſor, „etwas, das Sie zu allermeiſt angeht. Ein Schrei- ben, das ſich eingehend mit Ihnen beſchäf- tigt, Steinmann.“ „Nun, geben Sie uns keine Rätſel auf!“ rief der Ungeduldige. „Damit ſind wir ſchon reichlich verſehen.“ Lund entſchloß ſich. „Wie Ihnen bekannt iſt, laufen bei der Polizei das ganze Jahr hindurch anonyme Zuſchriften ein, und nun gar anläßlich eines ſolchen Falles wie den, der uns jetzt beſchäftigt.“ „Ach,“ machte Morris gleichgültig, „und ſo einen Wiſch haben Sie da in der Hand? Auf ſolche Schreibereien werden Sie doch nicht den geringſten Wert legen?“ „Im allgemeinen: nein,“ bekannte der Aſſeſſor. „Dieſer Brief iſt aber zum minde- ſten originell. Ich will ihn vorleſen. Hören Sie: An die verehrliche Polizeidirektion, Kopenhagen, zu Händen von Herrn Aſſeſſor Doktor Lund. — Sehr geehrter Herr! Ge- ſtatten Sie mir, Ihnen in der viel genann- ten Fälſcheraffäre einen Wink zu geben, der für Sie — man darf ſagen: von höchſter Wichtigkeit iſt. Vorerſt, um Ihnen zu zei- gen, daß ich in manches eingeweiht bin, will ich verraten, daß mir bekannt iſt, mit weſſen Beiſtand Sie die ſchwierigen Unterſuchungen führen. Sie werden unterſtützt von dem neunmalweiſen Ausländer Frank Morris, deſſen rechte Hand der Kunſtmaler Rupert Steinmann iſt. Gegen dieſen wendet ſich mein Brief.“ „Fabelhaft!“ rief Steinmann. Er war erblaßt. „Woher weiß der Schreiber, der Schmierer —!“ Morris ſprang an die Seite Lunds. „Weiter, weiter,“ ſtieß er hervor. Der Aſſeſſor las: „Gegen dieſen wendet ſich mein Brief. Glauben Sie mir, Sie werden ungeheuerlich hintergangen. Der Kunſtmaler iſt einer der Fälſcher, die Sie ſuchen.“ Der Maler rannte auf Lund los. „Was — was iſt —“ ſtammelte er. Er blieb keu- chend ſtehen und konnte nicht weiter ſprechen. Der Aſſeſſor fuhr fort zu leſen: „Ich kann Ihnen noch mehr verraten. Durchſtöbern Sie die Werkſtatt dieſes Herrn Steinmann, die angeblich nur zum Bildermalen dient. Sie werden ſicherlich Ueberraſchendes ans Licht ziehen. — Sie können ſich nicht dazu ent- ſchließen? Sie nehmen dies alles für eine Myſtifikation? Ich meine, der Nachweis, den ich Ihnen am Anfang des Briefes über meine Vertrautheit mit der Sache geliefert habe, ſollte Sie ſtutzig machen. Noch ein- mal: ſuchen Sie ein bißchen. Welchen Wert hätte es für mich, Sie zu narren? Ich könnte mich, weil ich ja nicht weiß, ob Sie meinen Rat befolgen, nicht einmal über den gelungenen Streich ergötzen. — Einer der Sie aufrichtig fördern will.“ Lund faltete den Brief zuſammen. Stein- mann — dauernd erblaßt — vermochte noch immer nicht zu reden. Aber Morris rief ſofort: „Rupert, deine Schlüſſel! Die zum Schreibtiſch, zu den Kommoden und Schrän- ken!“ „Ja, wollen Sie denn wirklich —“ ſtaunte der Aſſeſſor. „Vorwärts!“ ſchüttelte Morris den er- ſtarrten Steinmann. „Aufſperren!“ Der Maler erholte ſich endlich. „Das iſt unglaublich — unglaublich —“ murmelte er ein über das andere Mal, während er die Schlüſſel hervorſuchte und an die verſchie- denen Möbel verteilte. Morris revidierte den Schreibitſch. Lund ging kopfſchüttelnd zum Schrank im Schlaf- zimmer, Steinmann ſelbſt machte ſich an einer Kommode im Atelier zu ſchaffen. Eine Weile ſuchten und kramten die drei Männer ſchweigend. Plötzlich ſtieß der Maler einen Schrei aus, der mehr erſchrocken als erſtaunt klang — hielt inne und ſtand wie angedonnert vor ſeiner Schublade. Die beiden anderen eilten hinzu. In einem unterſten Fache lagen zwiſchen buntem Tand und zwiſchen Tüchern — halb von ihnen überdeckt — merkwürdige Gerät- ſchaften, Handwerkszeug und Platten. Steinmann wollte alles herausreißen. Morris packte ihn bei den Händen. „Lang- ſam!“ ſchrie er, und befahl dem ſich Auf- richtenden: „Ein paar Lederhandſchuhe! Einen Bogen Packpapier!“ Während alle drei ſtumm blieben vor Erregung, brachte der Maler das Ge- wünſchte. Morris hatte ſeine Ruhe wieder. Indes er die Handſchuhe überſtreifte, ſagte er: „Siehſt du, Rupert, daß deine Bemer- kung von neulich ſo bald praktiſch verwertet würde, hätteſt du auch nicht geglaubt.“ Dann holte er vorſichtig, indem er ſie möglichſt wenig berührte, die Gegenſtände aus der Kommode, legte ſie auf das große Papier am Boden und hüllte ſie behutſam ein. Er wandte ſich an Lund: „Sie werden das Material genau ſo daktyloſkopiſch unter- ſuchen laſſen wie neulich den Revolver.“ Lund nickte, er war immer noch ſprachlos. Dann ſetzten ſich die drei wie auf Verab- redung nieder, und jeder war froh um ſeinen Stuhl. Morris ergriff als erſter das Wort: „Wann haben Sie den Brief erhalten? Iſt er handgeſchrieben?“ „Heute morgen erſt — Maſchinenſchrift —“ „Ich glaube, Herr Aſſeſſor, Sie haben den Brief ein wenig leicht genommen.“ „Aber, Morris, Sie ſagten vorhin doch ſelbſt, daß anonyme Schreibereien —“ „Ja, lieber Lund, bevor ich den Inhalt kennengelernt hatte! Der aber hätte Ihnen doch gleich verdächtig in die Naſe ſteigen müſſen.“ „Ja, ich — es iſt unglaublich — wie er- klären Sie —“ ſtotterte Lund. Er wußte nicht, was er von der eben gemachten Ent- deckung halten ſollte. Morris kam ihm zu Hilfe: „Das iſt ſchon das Frechſte, was die Burſchen ſich bisher geleiſtet haben. — Rupert, du Schwerver- brecher, ſitz’ nicht ſo entgeiſtert da!“ Der Aſſeſſor ermannte ſich. „Sie meinen, das Ganze iſt eine Tat, um — um —“ „Gewiß,“ fiel Morris ein, „um Verwir- rung anzurichten und unſere Nachforſchun- gen auf tote Geleiſe zu lenken. Die Verwir- rung zum mindeſten wäre ihnen geglückt, ahnten wir nicht ſchon, daß die Gauner ebenſo geſchickte Einbrecher ſind, wie ſie geſchickte Fälſcher ſind. — Es iſt wirklich ein fabelhafter Beweis für den Glauben an ihre abſolute Ueberlegenheit. Jetzt iſt die Hauptſache: bewahren wir ihnen dieſen Glauben.“ „Wie meinen Sie?“ fragte Lund ver- ſtändnislos. „Ich meine die Taktik des Sichdumm- ſtellens —“ „Aber ſelbſtverſtändlich,“ pflichtete Lund plötzlich erleuchtet bei. „Sie wird ja nicht ſchwer fallen.“ (Fortſetzung folgt) _

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 15, 18. Januar 1929, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine15_1929/12>, abgerufen am 23.11.2024.