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Allgemeine Zeitung, Nr. 160, 8. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] welches mehr als 200 Patrioten zur sechsmonatlichen Verbannung nach der
Insel Portoferrajo und zur Kerkerhaft verurtheilte, wörtlich sagte: "zu
warme Gefühle für das Vaterland hegen!"


Der Gouverneur der Provinz Chambery hat an die
Syndiken folgendes Rundschreiben erlassen:

Chambery, 30 Mai. "Mein Herr! Wir nahen dem glücklichen Augen-
blick unserer definitiven Einverleibung in Frankreich, das wird für ganz Savoyen
ein nationaler Festtag seyn, und um dem allgemeinen Wunsche zu entsprechen,
haben wir, der Gouverneur von Annecy und ich, es für schicklich gehalten solgende
Berfügungen zu treffen: 1) die Proclamation des Senatsconsults, welche die Ein-
verleibung Savoyens in Frankreich erklärt, soll in jeder Gemeinde sofort nach
ihrem Eintreffen bekannt gemacht werden. 2) Diese Bekanntmachung soll mit
der größtmöglichen Feierlichkeit geschehen und in allen Ortschaften durch Böller-
schüsse angezeigt werden. 3) Die französische Nationalfahne soll sofort auf allen
Gemeindehäusern aufgezogen werden. 4) Der erste Sonntag nach dieser Bekannt-
machung soll ein Nationalfesttag seyn. 5) Dieses ewig denkwürdige Fest soll früy
Morgens überall durch Böllerschüsse oder sonstige möglichst viel Eclat machende
Mittel verkündet werden etc."

Der Erzbischof richtete an den Klerus seiner Diöcese folgende Adresse:

Chambery, 28 Mai. Mein Herr, die Vereinigung von Savoyen mit Frank-
reich war lange Gegenstand einstimmiger Wünsche der Bevölkerung; jetzt wo sie
ausgesprochen werden soll, müssen wir Gott dafür danken; aber gleichzeitig muß
man den Schutz des Himmels für die Zukunft anrufen, und inbrünstig bitten daß
dieses wichtige Ereigniß günstig sey für Religion und Seelenheil. Wir fordern
Sie deßhalb auf, an dem Tag welchen die Localbehörde festsetzen wird, ein Tedeum
zu singen, gefolgt von Ertheilung des Segens mit dem "Domine salvum fac
Imperatorem nostrum Napoleonem"
und dem Gebet: "Quaesumus, omni-
potens Deus ut famulus tuus Napoleon, Imperator noster etc.
Sie
werden sich deßhalb mit dem Communalrath verständigen. Es würde den kano-
nischen Regeln widersprechen außerhalb der kirchlichen Ceremonien zu läuten, um
den Anschluß anzuzeigen, aber Sie können erlauben daß während des Tedeums so
feierlich als man wünscht geläutet werde. Ich bin mit aufrichtiger Ergebenheit etc.
+ Alexis, Erzbischof.

Unsere Italianissimi sind sehr unzufrieden daß viele
französische Officiere nach Venedig giengen, um diese Stadt zu sehen bevor sie
Italien verlassen. Marschall Vaillant hatte die Erlaubniß dazu ertheilt; der
österreichische Generalstab wurde in Kenntniß gesetzt und die französischen Offi-
ciere wurden im ganzen Venetianischen aufs beste aufgenommen. Man arbeitet
fortwährend an den Festungswerken von Verona, wo man Redouten nach dem
Muster jener von Sebastopol aufführt. Jeden Tag langen gezogene Kanonen
an, um die alten zu ersetzen. Auf die Befestigung Pola's verwendet Oester-
reich große Summen, und die Arbeiten werden beschleunigt. In Mailand
herrscht großer Enthusiasmus für Garibaldi, und schon klagt man über die
Unthätigkeit Cavours. Die Landbewohner leiden viel. Sie beklagen den
Verlust des österreichischen Systems, welches sehr milde war, jetzt sind sie von
Steuern erdrückt. (Ami de la Religion.)

Ionische Inseln.

Die Nachrichten aus Sicilien haben auf den joni-
schen Inseln eine bedeutende Aufregung hervorgerufen, und unter den zahlreichen
Unzufriedenen allerlei sanguinische Hoffnungen erzeugt, deren Verwirklichung
in das Reich der griechischen Träume gehört. Der Lord Obercommissär und
seine Trabanten halten scharfe Wacht, und jede Kundgebung von Unzufrieden-
heit, jede Aeußerung des Nationalgefühls wird sogleich unterdrückt und un-
nachsichtlich geahndet. Das Polizeisystem ist hier so gut ausgebildet als dieß
nur irgendwo in einem despotisch regierten Staat der Fall seyn kann, und da
man diejenigen genan kennt denen man eine Auflehnung gegen die englische
Herrschaft zutrauen darf, so werden sie sorgfältig überwacht und dadurch un-
schädlich gemacht. Der Lord Obercommissär regiert hier nicht viel besser als
ein türkischer Pascha, und seine Untergebenen verstehen es sehr gut die Rolle
der Kawassen zu spielen. Was die Jonier am meisten empört, ist die schroffe
Rücksichtslosigkeit und Verachtung mit der ihnen die Engländer bei jeder Ge-
legenheit begegnen. So hat man ihnen in der jüngsten Zeit, wo sie nach dem
Vorgang der Italiener das Nationalitätsprincip und das von der englischen
Presse so warm bevorwortete Recht der Selbstbestimmung geltend machen
wollten, die Entgegnung zugeschleudert sie hätten keine Nationalität, sondern
seyen ein zusammengewürfeltes Gefindel, das es sich zur Ehre anrechnen
müsse wenn sich ein Engländer mit ihm befassen möge. (Fr. Postztg.)

Türkei.

Unsere Nachrichten aus Bagdad reichen
bis 25 April; sie melden daß die Bevölkerung der Stadt sich mit dem neuen
Muschir Mustapha Pascha unzufrieden zeige, da er den ganzen Tag nichts
thue als beten, alle Angelegenheiten seinem Stellvertreter und dem Rath über-
lasse, die eingebornen Beamten vor die Thüre setze und an ihre Stellen seine
Günstlinge ernenne die sich nur mit dem Fett des Volks mästen wollen. Seit
der Abreise Omer Pascha's, sagt der Briefsteller, erhebt die fanatische Partei
wieder kühn ihr Haupt, und läßt ihren Groll besonders an den Rayas aus,
welche auf alle Weise mißhandelt werden. So ist unter andern kürzlich ein
französischer Schützling, ein ehrbarer und friedlicher Mann, durchgeprügelt
worden, weil er während des Ramadans auf der Straße seine Cigarette ge-
raucht hatte. -- Der Bruder und andere Verwandte Omer Pascha's sind am
[Spaltenumbruch] 7 d. mit 60 schönen dem Ex-Serdar Ekrem gehörenden Pferden abgereist.
Der berühmte Schech Farhan, Oberhaupt des großen Stammes Schammar-
Dscherba, gibt ihnen das Geleite. -- Die Diebe welche dem Venetianer Dr.
Nani seine sämmtlichen Ersparnisse geraubt haben, sind in Persien aufgegrif-
fen worden. Es fragt sich nur ob Dr. Nani sein Eigenthum wieder erhält,
oder ob es, wie schon oft der Fall gewesen, nur in andere Hände geräth, und
die ursprünglichen Diebe sich damit die Freiheit erkaufen. -- Am 5 d. erfolgte
hier in Damaskus, wie gewöhnlich, die Abreise des Pascha's welcher die Pilger
nach Mekka zu geleiten hat. Die Anzahl der Wallfahrer die zugleich türkische
Unterthanen sind, ist heuer sehr klein; überhaupt hat sie, wie man bemerken
konnte, seit dem Krimkrieg bedeutend abgenommen. Indeß nehmen etwa tau-
send fremde Pilgrime, meist Perser, Daghestaner und Indier an der heurigen
Wallfahrt Theil. In Ermangelung einer größern Anzahl Pilger findet der
fromme Moslim jedoch seinen Trost in dem heiligen Oel, den Pechfackeln und der
Fahne des Propheten, die, mit Militärmusik, unter Voraustritt der vornehm-
sten Ulemas etc., in Procession in der Stadt herumgetragen werden, nicht auf
einmal, sondern an verschiedenen Tagen. Die Pilger selbst treten ihre Reise
erst 4 bis 5 Tage nach dem Pascha-Führer an, damit dieser mittlerweile die
nöthigen Vorkehrungen für die Sicherheit der Karawane treffen kann. -- Frhr.
Nath. v. Rothschild ist von Jerusalem, Tiberias und Saffet am 2 d. hier eingetrof-
fen. Während seines Aufenthalts hatte er Gelegenheit die interessantesten Orte
und Persönlichkeiten der Stadt zu besuchen, und ist namentlich von Abdel Kader aufs
freundlichste empfangen worden. Die hiesigen Israeliten haben ihm zu Ehren
im Hause des Hrn. Raphael Levi ein großes Fest veranstaltet. Er ist am 8 d.
nach Baalbek und Beyrut abgereist, wo er bereits am 13ten eingetroffen ist.
-- Seit dem 10ten d. M. befinden sich auch der Graf von Paris und der
Herzog von Chartres hier, welche unter belgischem Schutz als HH. v. Veil-
lers reisen. Ihr Gefolge ist ziemlich zahlreich; darunter befinden sich na-
mentlich der Marquis v. Beauvoir, Hr. Maurain, der Arzt le Clerc, Hr.
v. Segur etc. Die erlauchten Reisenden wollten nicht in der Stadt selbst
wohnen, obgleich der belgische Consul ihnen sein Haus zur Verfügung ge-
stellt hatte; sie zogen es vor in einem Garten außerhalb der Stadt unter
Zelten zu bleiben. Der Seriasker hat ihnen gleich nach ihrer Ankunft eine
Ehrenwache zugetheilt, bestehend aus 4 Ordonnanzunterofficieren und eini-
gen Soldaten, und am folgenden Tage persönlich seine Aufwartung gemacht.
Vom französischen Consul haben sie nicht den geringsten Dienst angenommen,
die Anerbietungen des griechischen dagegen lehnten sie nicht ab.



Neueste Posten.

+ Zur Berichtigung einer in Nr. 145 der
Allg. Ztg. verfrüht veröffentlichten Angabe über die Frequenz im gegen-
wärtigen Sommerhalbjahr an der hiesigen Universität kann nach nunmehr
völlig beendigter Inscription aus zuverlässiger Quelle folgendes bemerkt
werden: Im vergangenen Wintersemester befanden sich hier 1209, im
Sommer 1859 dagegen 1162 Studierende sämmtlicher fünf Facultäten.
Gegenwärtig sind deren 1199 wirklich immatriculirt, wozu noch fünfzehn bis
zwanzig kommen dürften, deren Aufnahme wegen ungenügender Erfüllung
der Vorbedingungen bisher beanstandet werden mußte. Daraus ergibt sich,
und zwar trotz verschiedener Verhältnisse, welche ungünstig auf die Frequenz
der Studierenden wirken müssen -- z. B. die gegen sonst viel größere Strenge
bei der Einberufung zum Militärdienst, das Verbleiben der meisten Theologen
auf den Lyceen -- also nicht bloß keine auffallende Minderung, sondern im
Gegentheil eine Mehrung der Gesammtzahl, welche als eine um so erfreu-
lichere erscheinen muß, da sie vornehmlich durch die Zunahme des Fremden-
besuchs herbeigeführt worden ist.

Weiteren Nachrichten aus Darmstadt zu-
folge sollte der Besuch JJ. MM. des Königs und der Königin in der Pfalz
noch etwas früher als anfänglich beabsichtigt erfolgen, indem dieselben schon
morgen, am 9 d., nach Speyer sich begeben wollten. Da der Prinz-Regent
von Preußen erst am 11 zu Baden-Baden eintreffen wird, so wird auch die
Abreise Sr. Maj. des Königs Max dahin um etliche Tage später erfolgen,
die nun zu dem Ausflug nach der Pfalz benützt werden. Morgen früh wird
Se. Maj. König Ludwig, der gestern Abend wieder hier eingetroffen ist, eben
dahin zu mehrmonatlichem Aufenthalt abreisen. -- Der feierlichen Fron-
leichnamsprocession, bei welcher der in Folge seines mehrwöchentlichen Auf-
enthalts in der wohlthätigen Gebirgsluft von Reichenhall sichtlich wieder nach
seiner schweren Erkrankung erstarkte Erzbischof Gregor von München-Freising
selbst das Allerheiligste trug, wohnten außer dem Prinzen Luitpold, der die
Stelle Sr. Maj. des Königs vertrat, und dem Prinzen Adalbert, auch die
sämmtlichen HH. Minister, die Staatsräthe im ordentlichen Dienst, die Ge-
neralität, dann Deputationen aller Ministerien, der Kreisregierung, der
übrigen höchsten Gerichts- und Verwaltungsbehörden, der Universität, der
Akademie der bildenden Künste, der beiden städtischen Collegien, die beiden
HH. Bürgermeister der Hauptstadt an der Spitze u. s. w., bei. Eine un-
geheure Menge von Fremden aus der Nähe und Ferne war hieher geströmt.
Das Wetter begünstigte sie.



Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges.
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.

[Spaltenumbruch] welches mehr als 200 Patrioten zur ſechsmonatlichen Verbannung nach der
Inſel Portoferrajo und zur Kerkerhaft verurtheilte, wörtlich ſagte: „zu
warme Gefühle für das Vaterland hegen!“


Der Gouverneur der Provinz Chambery hat an die
Syndiken folgendes Rundſchreiben erlaſſen:

Chambery, 30 Mai. „Mein Herr! Wir nahen dem glücklichen Augen-
blick unſerer definitiven Einverleibung in Frankreich, das wird für ganz Savoyen
ein nationaler Feſttag ſeyn, und um dem allgemeinen Wunſche zu entſprechen,
haben wir, der Gouverneur von Annecy und ich, es für ſchicklich gehalten ſolgende
Berfügungen zu treffen: 1) die Proclamation des Senatsconſults, welche die Ein-
verleibung Savoyens in Frankreich erklärt, ſoll in jeder Gemeinde ſofort nach
ihrem Eintreffen bekannt gemacht werden. 2) Dieſe Bekanntmachung ſoll mit
der größtmöglichen Feierlichkeit geſchehen und in allen Ortſchaften durch Böller-
ſchüſſe angezeigt werden. 3) Die franzöſiſche Nationalfahne ſoll ſofort auf allen
Gemeindehäuſern aufgezogen werden. 4) Der erſte Sonntag nach dieſer Bekannt-
machung ſoll ein Nationalfeſttag ſeyn. 5) Dieſes ewig denkwürdige Feſt ſoll früy
Morgens überall durch Böllerſchüſſe oder ſonſtige möglichſt viel Eclat machende
Mittel verkündet werden ꝛc.“

Der Erzbiſchof richtete an den Klerus ſeiner Diöceſe folgende Adreſſe:

Chambery, 28 Mai. Mein Herr, die Vereinigung von Savoyen mit Frank-
reich war lange Gegenſtand einſtimmiger Wünſche der Bevölkerung; jetzt wo ſie
ausgeſprochen werden ſoll, müſſen wir Gott dafür danken; aber gleichzeitig muß
man den Schutz des Himmels für die Zukunft anrufen, und inbrünſtig bitten daß
dieſes wichtige Ereigniß günſtig ſey für Religion und Seelenheil. Wir fordern
Sie deßhalb auf, an dem Tag welchen die Localbehörde feſtſetzen wird, ein Tedeum
zu ſingen, gefolgt von Ertheilung des Segens mit dem „Domine salvum fac
Imperatorem nostrum Napoleonem“
und dem Gebet: „Quaesumus, omni-
potens Deus ut famulus tuus Napoleon, Imperator noster etc.
Sie
werden ſich deßhalb mit dem Communalrath verſtändigen. Es würde den kano-
niſchen Regeln widerſprechen außerhalb der kirchlichen Ceremonien zu läuten, um
den Anſchluß anzuzeigen, aber Sie können erlauben daß während des Tedeums ſo
feierlich als man wünſcht geläutet werde. Ich bin mit aufrichtiger Ergebenheit ꝛc.
† Alexis, Erzbiſchof.

Unſere Italianiſſimi ſind ſehr unzufrieden daß viele
franzöſiſche Officiere nach Venedig giengen, um dieſe Stadt zu ſehen bevor ſie
Italien verlaſſen. Marſchall Vaillant hatte die Erlaubniß dazu ertheilt; der
öſterreichiſche Generalſtab wurde in Kenntniß geſetzt und die franzöſiſchen Offi-
ciere wurden im ganzen Venetianiſchen aufs beſte aufgenommen. Man arbeitet
fortwährend an den Feſtungswerken von Verona, wo man Redouten nach dem
Muſter jener von Sebaſtopol aufführt. Jeden Tag langen gezogene Kanonen
an, um die alten zu erſetzen. Auf die Befeſtigung Pola’s verwendet Oeſter-
reich große Summen, und die Arbeiten werden beſchleunigt. In Mailand
herrſcht großer Enthuſiasmus für Garibaldi, und ſchon klagt man über die
Unthätigkeit Cavours. Die Landbewohner leiden viel. Sie beklagen den
Verluſt des öſterreichiſchen Syſtems, welches ſehr milde war, jetzt ſind ſie von
Steuern erdrückt. (Ami de la Religion.)

Ioniſche Inſeln.

Die Nachrichten aus Sicilien haben auf den joni-
ſchen Inſeln eine bedeutende Aufregung hervorgerufen, und unter den zahlreichen
Unzufriedenen allerlei ſanguiniſche Hoffnungen erzeugt, deren Verwirklichung
in das Reich der griechiſchen Träume gehört. Der Lord Obercommiſſär und
ſeine Trabanten halten ſcharfe Wacht, und jede Kundgebung von Unzufrieden-
heit, jede Aeußerung des Nationalgefühls wird ſogleich unterdrückt und un-
nachſichtlich geahndet. Das Polizeiſyſtem iſt hier ſo gut ausgebildet als dieß
nur irgendwo in einem deſpotiſch regierten Staat der Fall ſeyn kann, und da
man diejenigen genan kennt denen man eine Auflehnung gegen die engliſche
Herrſchaft zutrauen darf, ſo werden ſie ſorgfältig überwacht und dadurch un-
ſchädlich gemacht. Der Lord Obercommiſſär regiert hier nicht viel beſſer als
ein türkiſcher Paſcha, und ſeine Untergebenen verſtehen es ſehr gut die Rolle
der Kawaſſen zu ſpielen. Was die Jonier am meiſten empört, iſt die ſchroffe
Rückſichtsloſigkeit und Verachtung mit der ihnen die Engländer bei jeder Ge-
legenheit begegnen. So hat man ihnen in der jüngſten Zeit, wo ſie nach dem
Vorgang der Italiener das Nationalitätsprincip und das von der engliſchen
Preſſe ſo warm bevorwortete Recht der Selbſtbeſtimmung geltend machen
wollten, die Entgegnung zugeſchleudert ſie hätten keine Nationalität, ſondern
ſeyen ein zuſammengewürfeltes Gefindel, das es ſich zur Ehre anrechnen
müſſe wenn ſich ein Engländer mit ihm befaſſen möge. (Fr. Poſtztg.)

Türkei.

Unſere Nachrichten aus Bagdad reichen
bis 25 April; ſie melden daß die Bevölkerung der Stadt ſich mit dem neuen
Muſchir Muſtapha Paſcha unzufrieden zeige, da er den ganzen Tag nichts
thue als beten, alle Angelegenheiten ſeinem Stellvertreter und dem Rath über-
laſſe, die eingebornen Beamten vor die Thüre ſetze und an ihre Stellen ſeine
Günſtlinge ernenne die ſich nur mit dem Fett des Volks mäſten wollen. Seit
der Abreiſe Omer Paſcha’s, ſagt der Briefſteller, erhebt die fanatiſche Partei
wieder kühn ihr Haupt, und läßt ihren Groll beſonders an den Rayas aus,
welche auf alle Weiſe mißhandelt werden. So iſt unter andern kürzlich ein
franzöſiſcher Schützling, ein ehrbarer und friedlicher Mann, durchgeprügelt
worden, weil er während des Ramadans auf der Straße ſeine Cigarette ge-
raucht hatte. — Der Bruder und andere Verwandte Omer Paſcha’s ſind am
[Spaltenumbruch] 7 d. mit 60 ſchönen dem Ex-Serdar Ekrem gehörenden Pferden abgereist.
Der berühmte Schech Farhan, Oberhaupt des großen Stammes Schammar-
Dſcherba, gibt ihnen das Geleite. — Die Diebe welche dem Venetianer Dr.
Nani ſeine ſämmtlichen Erſparniſſe geraubt haben, ſind in Perſien aufgegrif-
fen worden. Es fragt ſich nur ob Dr. Nani ſein Eigenthum wieder erhält,
oder ob es, wie ſchon oft der Fall geweſen, nur in andere Hände geräth, und
die urſprünglichen Diebe ſich damit die Freiheit erkaufen. — Am 5 d. erfolgte
hier in Damaskus, wie gewöhnlich, die Abreiſe des Paſcha’s welcher die Pilger
nach Mekka zu geleiten hat. Die Anzahl der Wallfahrer die zugleich türkiſche
Unterthanen ſind, iſt heuer ſehr klein; überhaupt hat ſie, wie man bemerken
konnte, ſeit dem Krimkrieg bedeutend abgenommen. Indeß nehmen etwa tau-
ſend fremde Pilgrime, meiſt Perſer, Dagheſtaner und Indier an der heurigen
Wallfahrt Theil. In Ermangelung einer größern Anzahl Pilger findet der
fromme Moslim jedoch ſeinen Troſt in dem heiligen Oel, den Pechfackeln und der
Fahne des Propheten, die, mit Militärmuſik, unter Voraustritt der vornehm-
ſten Ulemas ꝛc., in Proceſſion in der Stadt herumgetragen werden, nicht auf
einmal, ſondern an verſchiedenen Tagen. Die Pilger ſelbſt treten ihre Reiſe
erſt 4 bis 5 Tage nach dem Paſcha-Führer an, damit dieſer mittlerweile die
nöthigen Vorkehrungen für die Sicherheit der Karawane treffen kann. — Frhr.
Nath. v. Rothſchild iſt von Jeruſalem, Tiberias und Saffet am 2 d. hier eingetrof-
fen. Während ſeines Aufenthalts hatte er Gelegenheit die intereſſanteſten Orte
und Perſönlichkeiten der Stadt zu beſuchen, und iſt namentlich von Abdel Kader aufs
freundlichſte empfangen worden. Die hieſigen Iſraeliten haben ihm zu Ehren
im Hauſe des Hrn. Raphael Levi ein großes Feſt veranſtaltet. Er iſt am 8 d.
nach Baalbek und Beyrut abgereist, wo er bereits am 13ten eingetroffen iſt.
— Seit dem 10ten d. M. befinden ſich auch der Graf von Paris und der
Herzog von Chartres hier, welche unter belgiſchem Schutz als HH. v. Veil-
lers reiſen. Ihr Gefolge iſt ziemlich zahlreich; darunter befinden ſich na-
mentlich der Marquis v. Beauvoir, Hr. Maurain, der Arzt le Clerc, Hr.
v. Segur ꝛc. Die erlauchten Reiſenden wollten nicht in der Stadt ſelbſt
wohnen, obgleich der belgiſche Conſul ihnen ſein Haus zur Verfügung ge-
ſtellt hatte; ſie zogen es vor in einem Garten außerhalb der Stadt unter
Zelten zu bleiben. Der Seriasker hat ihnen gleich nach ihrer Ankunft eine
Ehrenwache zugetheilt, beſtehend aus 4 Ordonnanzunterofficieren und eini-
gen Soldaten, und am folgenden Tage perſönlich ſeine Aufwartung gemacht.
Vom franzöſiſchen Conſul haben ſie nicht den geringſten Dienſt angenommen,
die Anerbietungen des griechiſchen dagegen lehnten ſie nicht ab.



Neueſte Poſten.

+ Zur Berichtigung einer in Nr. 145 der
Allg. Ztg. verfrüht veröffentlichten Angabe über die Frequenz im gegen-
wärtigen Sommerhalbjahr an der hieſigen Univerſität kann nach nunmehr
völlig beendigter Inſcription aus zuverläſſiger Quelle folgendes bemerkt
werden: Im vergangenen Winterſemeſter befanden ſich hier 1209, im
Sommer 1859 dagegen 1162 Studierende ſämmtlicher fünf Facultäten.
Gegenwärtig ſind deren 1199 wirklich immatriculirt, wozu noch fünfzehn bis
zwanzig kommen dürften, deren Aufnahme wegen ungenügender Erfüllung
der Vorbedingungen bisher beanſtandet werden mußte. Daraus ergibt ſich,
und zwar trotz verſchiedener Verhältniſſe, welche ungünſtig auf die Frequenz
der Studierenden wirken müſſen — z. B. die gegen ſonſt viel größere Strenge
bei der Einberufung zum Militärdienſt, das Verbleiben der meiſten Theologen
auf den Lyceen — alſo nicht bloß keine auffallende Minderung, ſondern im
Gegentheil eine Mehrung der Geſammtzahl, welche als eine um ſo erfreu-
lichere erſcheinen muß, da ſie vornehmlich durch die Zunahme des Fremden-
beſuchs herbeigeführt worden iſt.

Weiteren Nachrichten aus Darmſtadt zu-
folge ſollte der Beſuch JJ. MM. des Königs und der Königin in der Pfalz
noch etwas früher als anfänglich beabſichtigt erfolgen, indem dieſelben ſchon
morgen, am 9 d., nach Speyer ſich begeben wollten. Da der Prinz-Regent
von Preußen erſt am 11 zu Baden-Baden eintreffen wird, ſo wird auch die
Abreiſe Sr. Maj. des Königs Max dahin um etliche Tage ſpäter erfolgen,
die nun zu dem Ausflug nach der Pfalz benützt werden. Morgen früh wird
Se. Maj. König Ludwig, der geſtern Abend wieder hier eingetroffen iſt, eben
dahin zu mehrmonatlichem Aufenthalt abreiſen. — Der feierlichen Fron-
leichnamsproceſſion, bei welcher der in Folge ſeines mehrwöchentlichen Auf-
enthalts in der wohlthätigen Gebirgsluft von Reichenhall ſichtlich wieder nach
ſeiner ſchweren Erkrankung erſtarkte Erzbiſchof Gregor von München-Freiſing
ſelbſt das Allerheiligſte trug, wohnten außer dem Prinzen Luitpold, der die
Stelle Sr. Maj. des Königs vertrat, und dem Prinzen Adalbert, auch die
ſämmtlichen HH. Miniſter, die Staatsräthe im ordentlichen Dienſt, die Ge-
neralität, dann Deputationen aller Miniſterien, der Kreisregierung, der
übrigen höchſten Gerichts- und Verwaltungsbehörden, der Univerſität, der
Akademie der bildenden Künſte, der beiden ſtädtiſchen Collegien, die beiden
HH. Bürgermeiſter der Hauptſtadt an der Spitze u. ſ. w., bei. Eine un-
geheure Menge von Fremden aus der Nähe und Ferne war hieher geſtrömt.
Das Wetter begünſtigte ſie.



Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.
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[2672/0008] welches mehr als 200 Patrioten zur ſechsmonatlichen Verbannung nach der Inſel Portoferrajo und zur Kerkerhaft verurtheilte, wörtlich ſagte: „zu warme Gefühle für das Vaterland hegen!“ Chambery.Der Gouverneur der Provinz Chambery hat an die Syndiken folgendes Rundſchreiben erlaſſen: Chambery, 30 Mai. „Mein Herr! Wir nahen dem glücklichen Augen- blick unſerer definitiven Einverleibung in Frankreich, das wird für ganz Savoyen ein nationaler Feſttag ſeyn, und um dem allgemeinen Wunſche zu entſprechen, haben wir, der Gouverneur von Annecy und ich, es für ſchicklich gehalten ſolgende Berfügungen zu treffen: 1) die Proclamation des Senatsconſults, welche die Ein- verleibung Savoyens in Frankreich erklärt, ſoll in jeder Gemeinde ſofort nach ihrem Eintreffen bekannt gemacht werden. 2) Dieſe Bekanntmachung ſoll mit der größtmöglichen Feierlichkeit geſchehen und in allen Ortſchaften durch Böller- ſchüſſe angezeigt werden. 3) Die franzöſiſche Nationalfahne ſoll ſofort auf allen Gemeindehäuſern aufgezogen werden. 4) Der erſte Sonntag nach dieſer Bekannt- machung ſoll ein Nationalfeſttag ſeyn. 5) Dieſes ewig denkwürdige Feſt ſoll früy Morgens überall durch Böllerſchüſſe oder ſonſtige möglichſt viel Eclat machende Mittel verkündet werden ꝛc.“ Der Erzbiſchof richtete an den Klerus ſeiner Diöceſe folgende Adreſſe: Chambery, 28 Mai. Mein Herr, die Vereinigung von Savoyen mit Frank- reich war lange Gegenſtand einſtimmiger Wünſche der Bevölkerung; jetzt wo ſie ausgeſprochen werden ſoll, müſſen wir Gott dafür danken; aber gleichzeitig muß man den Schutz des Himmels für die Zukunft anrufen, und inbrünſtig bitten daß dieſes wichtige Ereigniß günſtig ſey für Religion und Seelenheil. Wir fordern Sie deßhalb auf, an dem Tag welchen die Localbehörde feſtſetzen wird, ein Tedeum zu ſingen, gefolgt von Ertheilung des Segens mit dem „Domine salvum fac Imperatorem nostrum Napoleonem“ und dem Gebet: „Quaesumus, omni- potens Deus ut famulus tuus Napoleon, Imperator noster etc. Sie werden ſich deßhalb mit dem Communalrath verſtändigen. Es würde den kano- niſchen Regeln widerſprechen außerhalb der kirchlichen Ceremonien zu läuten, um den Anſchluß anzuzeigen, aber Sie können erlauben daß während des Tedeums ſo feierlich als man wünſcht geläutet werde. Ich bin mit aufrichtiger Ergebenheit ꝛc. † Alexis, Erzbiſchof. Mailand, 2 Jun.Unſere Italianiſſimi ſind ſehr unzufrieden daß viele franzöſiſche Officiere nach Venedig giengen, um dieſe Stadt zu ſehen bevor ſie Italien verlaſſen. Marſchall Vaillant hatte die Erlaubniß dazu ertheilt; der öſterreichiſche Generalſtab wurde in Kenntniß geſetzt und die franzöſiſchen Offi- ciere wurden im ganzen Venetianiſchen aufs beſte aufgenommen. Man arbeitet fortwährend an den Feſtungswerken von Verona, wo man Redouten nach dem Muſter jener von Sebaſtopol aufführt. Jeden Tag langen gezogene Kanonen an, um die alten zu erſetzen. Auf die Befeſtigung Pola’s verwendet Oeſter- reich große Summen, und die Arbeiten werden beſchleunigt. In Mailand herrſcht großer Enthuſiasmus für Garibaldi, und ſchon klagt man über die Unthätigkeit Cavours. Die Landbewohner leiden viel. Sie beklagen den Verluſt des öſterreichiſchen Syſtems, welches ſehr milde war, jetzt ſind ſie von Steuern erdrückt. (Ami de la Religion.) Ioniſche Inſeln. Korfu, 19 Mai.Die Nachrichten aus Sicilien haben auf den joni- ſchen Inſeln eine bedeutende Aufregung hervorgerufen, und unter den zahlreichen Unzufriedenen allerlei ſanguiniſche Hoffnungen erzeugt, deren Verwirklichung in das Reich der griechiſchen Träume gehört. Der Lord Obercommiſſär und ſeine Trabanten halten ſcharfe Wacht, und jede Kundgebung von Unzufrieden- heit, jede Aeußerung des Nationalgefühls wird ſogleich unterdrückt und un- nachſichtlich geahndet. Das Polizeiſyſtem iſt hier ſo gut ausgebildet als dieß nur irgendwo in einem deſpotiſch regierten Staat der Fall ſeyn kann, und da man diejenigen genan kennt denen man eine Auflehnung gegen die engliſche Herrſchaft zutrauen darf, ſo werden ſie ſorgfältig überwacht und dadurch un- ſchädlich gemacht. Der Lord Obercommiſſär regiert hier nicht viel beſſer als ein türkiſcher Paſcha, und ſeine Untergebenen verſtehen es ſehr gut die Rolle der Kawaſſen zu ſpielen. Was die Jonier am meiſten empört, iſt die ſchroffe Rückſichtsloſigkeit und Verachtung mit der ihnen die Engländer bei jeder Ge- legenheit begegnen. So hat man ihnen in der jüngſten Zeit, wo ſie nach dem Vorgang der Italiener das Nationalitätsprincip und das von der engliſchen Preſſe ſo warm bevorwortete Recht der Selbſtbeſtimmung geltend machen wollten, die Entgegnung zugeſchleudert ſie hätten keine Nationalität, ſondern ſeyen ein zuſammengewürfeltes Gefindel, das es ſich zur Ehre anrechnen müſſe wenn ſich ein Engländer mit ihm befaſſen möge. (Fr. Poſtztg.) Türkei. * Damaskus, 17 Mai.Unſere Nachrichten aus Bagdad reichen bis 25 April; ſie melden daß die Bevölkerung der Stadt ſich mit dem neuen Muſchir Muſtapha Paſcha unzufrieden zeige, da er den ganzen Tag nichts thue als beten, alle Angelegenheiten ſeinem Stellvertreter und dem Rath über- laſſe, die eingebornen Beamten vor die Thüre ſetze und an ihre Stellen ſeine Günſtlinge ernenne die ſich nur mit dem Fett des Volks mäſten wollen. Seit der Abreiſe Omer Paſcha’s, ſagt der Briefſteller, erhebt die fanatiſche Partei wieder kühn ihr Haupt, und läßt ihren Groll beſonders an den Rayas aus, welche auf alle Weiſe mißhandelt werden. So iſt unter andern kürzlich ein franzöſiſcher Schützling, ein ehrbarer und friedlicher Mann, durchgeprügelt worden, weil er während des Ramadans auf der Straße ſeine Cigarette ge- raucht hatte. — Der Bruder und andere Verwandte Omer Paſcha’s ſind am 7 d. mit 60 ſchönen dem Ex-Serdar Ekrem gehörenden Pferden abgereist. Der berühmte Schech Farhan, Oberhaupt des großen Stammes Schammar- Dſcherba, gibt ihnen das Geleite. — Die Diebe welche dem Venetianer Dr. Nani ſeine ſämmtlichen Erſparniſſe geraubt haben, ſind in Perſien aufgegrif- fen worden. Es fragt ſich nur ob Dr. Nani ſein Eigenthum wieder erhält, oder ob es, wie ſchon oft der Fall geweſen, nur in andere Hände geräth, und die urſprünglichen Diebe ſich damit die Freiheit erkaufen. — Am 5 d. erfolgte hier in Damaskus, wie gewöhnlich, die Abreiſe des Paſcha’s welcher die Pilger nach Mekka zu geleiten hat. Die Anzahl der Wallfahrer die zugleich türkiſche Unterthanen ſind, iſt heuer ſehr klein; überhaupt hat ſie, wie man bemerken konnte, ſeit dem Krimkrieg bedeutend abgenommen. Indeß nehmen etwa tau- ſend fremde Pilgrime, meiſt Perſer, Dagheſtaner und Indier an der heurigen Wallfahrt Theil. In Ermangelung einer größern Anzahl Pilger findet der fromme Moslim jedoch ſeinen Troſt in dem heiligen Oel, den Pechfackeln und der Fahne des Propheten, die, mit Militärmuſik, unter Voraustritt der vornehm- ſten Ulemas ꝛc., in Proceſſion in der Stadt herumgetragen werden, nicht auf einmal, ſondern an verſchiedenen Tagen. Die Pilger ſelbſt treten ihre Reiſe erſt 4 bis 5 Tage nach dem Paſcha-Führer an, damit dieſer mittlerweile die nöthigen Vorkehrungen für die Sicherheit der Karawane treffen kann. — Frhr. Nath. v. Rothſchild iſt von Jeruſalem, Tiberias und Saffet am 2 d. hier eingetrof- fen. Während ſeines Aufenthalts hatte er Gelegenheit die intereſſanteſten Orte und Perſönlichkeiten der Stadt zu beſuchen, und iſt namentlich von Abdel Kader aufs freundlichſte empfangen worden. Die hieſigen Iſraeliten haben ihm zu Ehren im Hauſe des Hrn. Raphael Levi ein großes Feſt veranſtaltet. Er iſt am 8 d. nach Baalbek und Beyrut abgereist, wo er bereits am 13ten eingetroffen iſt. — Seit dem 10ten d. M. befinden ſich auch der Graf von Paris und der Herzog von Chartres hier, welche unter belgiſchem Schutz als HH. v. Veil- lers reiſen. Ihr Gefolge iſt ziemlich zahlreich; darunter befinden ſich na- mentlich der Marquis v. Beauvoir, Hr. Maurain, der Arzt le Clerc, Hr. v. Segur ꝛc. Die erlauchten Reiſenden wollten nicht in der Stadt ſelbſt wohnen, obgleich der belgiſche Conſul ihnen ſein Haus zur Verfügung ge- ſtellt hatte; ſie zogen es vor in einem Garten außerhalb der Stadt unter Zelten zu bleiben. Der Seriasker hat ihnen gleich nach ihrer Ankunft eine Ehrenwache zugetheilt, beſtehend aus 4 Ordonnanzunterofficieren und eini- gen Soldaten, und am folgenden Tage perſönlich ſeine Aufwartung gemacht. Vom franzöſiſchen Conſul haben ſie nicht den geringſten Dienſt angenommen, die Anerbietungen des griechiſchen dagegen lehnten ſie nicht ab. Neueſte Poſten. München, 6 Jun.+ Zur Berichtigung einer in Nr. 145 der Allg. Ztg. verfrüht veröffentlichten Angabe über die Frequenz im gegen- wärtigen Sommerhalbjahr an der hieſigen Univerſität kann nach nunmehr völlig beendigter Inſcription aus zuverläſſiger Quelle folgendes bemerkt werden: Im vergangenen Winterſemeſter befanden ſich hier 1209, im Sommer 1859 dagegen 1162 Studierende ſämmtlicher fünf Facultäten. Gegenwärtig ſind deren 1199 wirklich immatriculirt, wozu noch fünfzehn bis zwanzig kommen dürften, deren Aufnahme wegen ungenügender Erfüllung der Vorbedingungen bisher beanſtandet werden mußte. Daraus ergibt ſich, und zwar trotz verſchiedener Verhältniſſe, welche ungünſtig auf die Frequenz der Studierenden wirken müſſen — z. B. die gegen ſonſt viel größere Strenge bei der Einberufung zum Militärdienſt, das Verbleiben der meiſten Theologen auf den Lyceen — alſo nicht bloß keine auffallende Minderung, ſondern im Gegentheil eine Mehrung der Geſammtzahl, welche als eine um ſo erfreu- lichere erſcheinen muß, da ſie vornehmlich durch die Zunahme des Fremden- beſuchs herbeigeführt worden iſt. ʘ München, 7 Jun.Weiteren Nachrichten aus Darmſtadt zu- folge ſollte der Beſuch JJ. MM. des Königs und der Königin in der Pfalz noch etwas früher als anfänglich beabſichtigt erfolgen, indem dieſelben ſchon morgen, am 9 d., nach Speyer ſich begeben wollten. Da der Prinz-Regent von Preußen erſt am 11 zu Baden-Baden eintreffen wird, ſo wird auch die Abreiſe Sr. Maj. des Königs Max dahin um etliche Tage ſpäter erfolgen, die nun zu dem Ausflug nach der Pfalz benützt werden. Morgen früh wird Se. Maj. König Ludwig, der geſtern Abend wieder hier eingetroffen iſt, eben dahin zu mehrmonatlichem Aufenthalt abreiſen. — Der feierlichen Fron- leichnamsproceſſion, bei welcher der in Folge ſeines mehrwöchentlichen Auf- enthalts in der wohlthätigen Gebirgsluft von Reichenhall ſichtlich wieder nach ſeiner ſchweren Erkrankung erſtarkte Erzbiſchof Gregor von München-Freiſing ſelbſt das Allerheiligſte trug, wohnten außer dem Prinzen Luitpold, der die Stelle Sr. Maj. des Königs vertrat, und dem Prinzen Adalbert, auch die ſämmtlichen HH. Miniſter, die Staatsräthe im ordentlichen Dienſt, die Ge- neralität, dann Deputationen aller Miniſterien, der Kreisregierung, der übrigen höchſten Gerichts- und Verwaltungsbehörden, der Univerſität, der Akademie der bildenden Künſte, der beiden ſtädtiſchen Collegien, die beiden HH. Bürgermeiſter der Hauptſtadt an der Spitze u. ſ. w., bei. Eine un- geheure Menge von Fremden aus der Nähe und Ferne war hieher geſtrömt. Das Wetter begünſtigte ſie. Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-02-11T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 160, 8. Juni 1860, S. 2672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine160_1860/8>, abgerufen am 21.11.2024.