Allgemeine Zeitung, Nr. 163, 11. Juni 1860.
(Schluß folgt.) Deutschland. Bayern. München, 10 Jun. Der Civilproceßentwurf, der Preußen. Köln, 8 Jun. Die "Köln. Ztg." machte bekanntlich
(Schluß folgt.) Deutſchland. Bayern. ꘉ München, 10 Jun. Der Civilproceßentwurf, der Preußen. ✸ Köln, 8 Jun. Die „Köln. Ztg.“ machte bekanntlich <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <cit> <quote> <p><pb facs="#f0002" n="2714"/><cb/> Palermitaner gar weh ums Herz als er erfuhr daß Garibaldi ein zweitesmal<lb/> zum Rückzug gezwungen worden ſey. Auch ich war’s müde geworden immer<lb/> nur Gerüchte zu hören, wie ſie eben unter der Stadtbevölkerung in Umlauf<lb/> waren, und beſchloß daher den Verſuch zu machen hinaus ins Lager Garibal-<lb/> di’s zu gelangen. Freunde belehrten mich über den Weg den ich einzuſchlagen<lb/> hätte, ein zweiſpänniger Wagen war bald zur Hand, ſo fuhr ich dann wohl-<lb/> gemuth auf die nach Catania führende Heerſtraße von Miſilmeri zu. Es wa<lb/> die am wenigſten bewachte, weil ſie von der See aus vollſtändig beſtrichen<lb/> werden konnte, und auf ihr kam ich denn wirklich, ohne von den vereinzelten<lb/> Poſten angehalten zu werden, hinaus ins Freie. In Salento, wo die Auf-<lb/> ſtändiſchen ihre erſte Vorhut ſtehen hatten, herſchte ſchon größere Wachſamkeit.<lb/> Dort erbot ſich von den Bewaffneten einer mich weiter zu geleiten, ein Aner-<lb/> bieten das mir außerordentlich willkommen war. So fuhr ich durchs Dorf.<lb/> Die Einwohner ſtürzten auf mich zu um mir die Hände zu küſſen. Sie ſeyen<lb/> alle bereit zu kämpfen, aber es fehle an Waffen; es hinderte ſie nicht ſich in<lb/> Hurrahs für Italien, Victor Emmanuel und Garibaldi zu vergnügen. Wir<lb/> mußten im Galopp fahren, um nur aus dem Ort hinauszukommen. Eine<lb/> halbe Stunde noch, und ich war in Miſilmeri, einem elendiglich ausſehenden<lb/> Platz, der den Namen Stadt beanſprucht.</p><lb/> <p>Dort auf dem Marktplatze ſaß auf der einen Seite das proviſoriſche<lb/> Executivcomit<hi rendition="#aq">é</hi>, auf der andern thronte Garibaldi’s Stabschef in primitiver<lb/> Einfachheit auf einigen Holzſtufen. Eben erhielten zwei amerikaniſche Offi-<lb/> ciere vom amerikaniſchen Dampfer „Iroquois“ aus den Händen des Oberſten<lb/> Sirtori Päſſe um ins Lager zu gehen. Ich ſchloß mich ihnen an, ein Officier<lb/> begleitete uns, und nun gieng’s ſelbander in kurzem Galopp die Höhen hinauf,<lb/> die zum Gebel Roſſo und zum Paß von Mezzagna ſühren. Die wenigen<lb/> Häuſer waren bald im Rücken, links lagen die Ruinen einer alten Burg, und<lb/> rings um uns ſtanden die Olive, der Weinſtock und Getreidefelder der ver-<lb/> ſchiedenſten Art trotz des felſigen Bodens in üppigſter Pracht. Der General<lb/> hatte ſein Lager gerade oberhalb der Burgruine auf einem ziemlich umfang-<lb/> reichen Plateau aufgeſchlagen. Zu ſeinen Füßen lag die ſchöne Ebene, begrenzt<lb/> durch die ins Cap Zaffarana auslaufende Höhenkette, während auf der ent-<lb/> gegengeſetzten Seite die Spitzen des Gebel Roſſo mit dem Paß von Mezzagna<lb/> jenſeits einer Bodenvertiefung auftauchten, welche letztere ſich wie ein aus-<lb/> gebranntet Krater anſah, und durch den ſtarken Regen der letzten Tage mit<lb/> Waſſer voll gefüllt war. Es iſt eben einer jener Punkte wo man gerne ſein<lb/> Zelt aufſchlägt, vorausgeſetzt daß man eines hat. Nun iſt zwar das Wort<lb/> Zelt im Garibaldi’ſchen Wörterbuch nicht zu finden, doch muß ein volksthüm-<lb/> licher General ſich ab und zu den Gelüſten ſeiner Truppen fügen, und ſo gab<lb/> es denn auch hier Zelte, d. h. 4 Lanzen in den Boden geſteckt, darüber eine<lb/> Decke als Dach, darunter ein alter Sattel als Kopfkiſſen, ein Schafspelz als<lb/> Bett. Uebrigens gabs ja aller Arten Olivenbäume genug mit ihren Schatten-<lb/> dächern, daneben Maſſen von Steinen zu Kopfkiſſen, ja ſogar einen Mantel<lb/> oder eine Decke für den zehnten Mann etwa. Rings herum grasten frei die<lb/> Pferde.</p><lb/> <p>Als wir oben anlangten, war der General nicht zugegen. Er machte eben<lb/> einen ſeiner Morgenſpaziergänge, aber vor ſeinem Zelte ſtanden alle ſeine Ver-<lb/> trauten nebeneinander: Obriſt Türr, der Ungar, der immer dort iſt wo es Gefahr<lb/> gibt, obwohl er noch immer von der im vorjährigen Feldzug erhaltenen Arm-<lb/> wunde|zu leiden hat; der bekannte Oberſt Nino Bixio; Oberſt Carini, der tapferſte<lb/> der Sicilianer mit anderen Braven; unter ihnen Garibaldi’s junger Sohn, der bei<lb/> Calatafimi durchs Handgelenk geſchoſſen wurde, und der Sohn von Daniel<lb/> Manin, der eine Wunde im Schenkel erhalten hatte. Mit ihnen der Ex-Prieſter<lb/> Guzmaroli, ein Romagnole, der über Garibaldi mit enthuſiaſtiſcher Hingebung<lb/> wacht, und mehrere Guiden, zumeiſt aus guten Familien der Lombardei, die<lb/> eigentlich zu Pferd dienen ſollten, unter den dermaligen Umſtänden aber ſtets<lb/> zu Fuß in erſter Reihe fechten. Der Interefſanteſten einer war jedenfalls<lb/> der ſicilianiſche Mönch Frate Pantaleoni, luſtig wie nur ein Mönch des Mittel-<lb/> alters, aber voll Feuer und Patriotismus, und dabei tapfer wie nur irgend<lb/> einer. Noch ſtanden da andere Prieſter und Führer aus Palermo bei ihnen<lb/> im Kreis — geiſtliche Herren inmitten dieſer nichts weniger als katholiſchen<lb/> Armee, aber ſo ausgezeichnet in ihrer Haltung daß ſie, und durch ſie ihr Habit<lb/> ſelbſt, von den wildeſten Burſchen im Heer geehrt und reſpectirt wurden.</p><lb/> <p>Den Mittelpunkt dieſes Kreiſes, dem ſich nun zwei amerikaniſche und<lb/> drei engliſche Marine-Oſſiciere zugeſellten, bildete ein dampfender Keſſel voll<lb/> Kalbfleiſch, Zwiebel und Brühe, daneben ein Korb voll friſchen Brodes und<lb/> ein Faß Marſala-Wein. Das aß mit Gabel und Finger, das trank aus<lb/> Einem Zinnbecher, jeder einzelne werth einem Murillo als Modell zu dienen.<lb/> Im Hintergrund die ſicilianiſche Bergkette, ſchön wie die Berge Griechenlands.<lb/> Ein gar wunderſam ſchönes Bild!</p><lb/> <p>Bald kam auch Garibaldi heran, und empfieng ſeine fremden Gäſte mit<lb/> der ihm eigenthümlichen bezaubernden Einfachheit. Er war gleich bereit<lb/> Autographe zu verſchenken und alle an ihn gerichtete Fragen freundlich zu<lb/> beantworten. Erſt als die Gäſte ſich empfohlen, gieng er an ſeine Tagesge-<lb/> ſchäfte. Es handelte ſich in dieſem Augenblick um nichts geringeres als zu<lb/><cb/> entſcheiden ob noch in dieſer Nacht ein Handſtreich auf Palermo gewagt<lb/> werden ſolle. So viel ſtand außer Zweifel daß die Neapolitaner am Köder<lb/> angebiſſen hatten, daß ſie den Rückzug für eine Niederlage und die Zurück-<lb/> ſendung der Geſchütze für einen Beweis von Entmuthigung hielten. An eine<lb/> Flankenbewegung nach Miſilmeri ſchienen ſie nun gar nicht zu denken, denn<lb/> Kundſchafter berichteten daß ſie Piana ſtark beſetzt hielten. Aber ein Angriff<lb/> auf Palermo war keine Kleinigkeit trotz alle dem. Die beiden einander kreu-<lb/> zenden Hauptſtraßen der Stadt, die Via di Toledo und die Strada Maqueda,<lb/> waren gut vertheidigt. Sie b herrſchen die Stadt. Am wenigſten bewacht<lb/> war noch der untere Stadttheil, weil dieſer unter den Augen des Caſtells und<lb/> der Kriegsſchiffe liegt. Es gab dort nur einen ſchwachen Poſten zur Bewachung des<lb/> Thores. Hier wollte Garibaldi eindringen, und ſich Schritt vor Schritt den Weg<lb/> nach den höher gelegenen Stadtheilen erkämpfen. Das war der Plan den er<lb/> ſeinen Vertrauten mittheilte. Er wollte nicht den bequemeren Weg längs der<lb/> See einſchlagen, um unentdeckt ſo nahe als möglich an die Stadt hinanzu-<lb/> kommen; er bezeichnete die Porta di Termini als den geeignetſten Punkt für<lb/> einen concentrirten Angriff, und er erwartete viel von der Stadt, die ver-<lb/> ſprochen hatte ſich bei ſeinem Erſcheinen zu erheben.</p> </quote> </cit> <p>(Schluß folgt.)</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſchland.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Bayern</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>ꘉ <hi rendition="#b">München,</hi> 10 Jun.</dateline> <p>Der Civilproceßentwurf, der<lb/> auf die Trennung der Juſtiz von der Verwaltung und dem Inſtitut der No-<lb/> tariate baſirt, iſt Sr. Maj. dem König bereits vorgelegt worden, und wird<lb/> nun auch dem Staatsrath zur Begutachtung unterbreitet werden. — Von der<lb/> telegraphiſchen Nachricht welche die „Pfälzer Ztg.“ aus München gebracht,<lb/> daß nämlich ein Bundesbeobachtungscorps am Rhein aufgeſtellt werde, weiß<lb/> man hier auch heute noch nichts. — Heute fand die Nachfeier des Fronleich-<lb/> namsfeſtes durch Proceſſionen in den verſchiedenen Pfarrbezirken der Vor-<lb/> ſtädte ſtatt. — Der Berein für Ausbildung der Gewerke zählt nun 1043<lb/> Mitglieder, und um den Nachfragen zu genügen, will er ein jedem Gewerbs-<lb/> mann zugängliches fortlaufendes Werk von ſeinem Zweck entſprechenden<lb/> Zeichnungsvorlagen im Subſcriptionswege herausgeben. Gewiß ein ver-<lb/> dienſtliches Unternehmen. — Wie ich erſehe hat ſich in meine Angabe über die<lb/> Dauer der Urlaubsreiſe des Hrn. Miniſters des Innern ein Schreibfehler ein-<lb/> geſchlichen. Es ſoll „dreiwöchentlicher“ Urlaub heißen.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Preußen</hi>.</head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">✸ Köln,</hi> 8 Jun.</dateline> <p>Die „Köln. Ztg.“ machte bekanntlich<lb/> vor einigen Monaten einen höchſt komiſchen Mißgriff dadurch daß ſie, noch<lb/> faſt unmittelbar vor dem officiellen Eingeſtändniß der Gelüſte nach Savoyen<lb/> und Nizza, über diejenigen ſpottete welche die Exiſtenz eines auf dieſe ſchmäh-<lb/> liche Abtretung bezüglichen geheimen Vertrags behaupteten. Gütiger Gott,<lb/> dieſer Mann (Louis Napoleon nämlich) ſollte ein Eroberer ſeyn! So unge-<lb/> fähr waren ihre Worte, worauf dann die bekann ten „Kölniſchen“ Anſchauun-<lb/> gen mit behaglicher Breite auseinandergeſetzt wurden. Aber gebrannte Kin-<lb/> der ſcheuen das Feuer! Jetzt meldet ſie ſelbſt das Gerücht: der zweite De-<lb/> cember beanſpruche die Inſel Sardinien für den Fall daß Sicilien an Pie-<lb/> mont komme. Sie ſetzt hinzu: man dürfe im Hinblick auf die Borgänge mit<lb/> Savoyen und Nizza das Gerücht, wenn es auch nur ein ſolches ſey, nicht<lb/> unbeachtet laſſen. Ja wohl! Wie gut wäre es geweſen wenn man nicht lei-<lb/> der ſo vieles ſchon unbeachtet gelaſſen hätte! Doch das iſt vorbei. Jetzt<lb/> handelt es ſich darum daß alle Deutſchen die ihr Vaterland lieben in Ein-<lb/> tracht zuſammenhalten; ſo wollen wir auch nicht mit der Kölniſchen Zeitung<lb/> rechten, und nur wünſchen daß die Einſicht welche ſie endlich gewinnen mag,<lb/> bald anfange weniger „Kölniſch“ zu ſeyn als bisher. Uebrigens findet man<lb/> in den andern kleinern hier erſcheinenden Blättern gerade das Gegentheil<lb/> derjenigen eigenthümlichen Auffaſſung die in dem Artikel „Alle Welt wird<lb/> Kölniſch“ im vorigen Sommer ſo ſelbſtgefällig präconiſirt wurde. — Da<lb/> Köln in vielfachem Verkehr mit Belgien ſteht, ſo hat man hier öfters Gele-<lb/> genheit von dort etwas zu erfahren. Nach allen Nachrichten muß es dort<lb/> bereits, und namentlich in Lüttich, von bonapartiſtiſchen Emiſſären wimmeln,<lb/> die durch ihre Geſpräche an allen öffentlichen Orten das Publicum mit dem<lb/> Gedanken an die Annexion vertraut machen. Hier merkt man noch nichts<lb/> von ſolchen Sendlingen der „Civiliſation“ — aus dem einfachen Grunde<lb/> weil hier für ſie gar keine Ausſicht auf Erfolg vorhanden iſt. Warum ſollte<lb/> ſich der zweite December auch die Mühe geben noch einmal ein Poſſenſpiel,<lb/> wie in Nizza, in Scene zu ſetzen? ein Spiel welches ſogar das Organ von<lb/> Palmerſton, als mit falſchen Karten und Würfeln gewonnen, bezeichnet!<lb/> In Belgien, das mehr als zuviel franzöſiſirt iſt, läßt ſich das Spiel möglicherweiſe<lb/> mit Beibehaltung des Scheins der Ehrlichkeit gewinnen — denn allzuviel kann<lb/> man wohl nicht auf Belgien bauen; auf dem deutſchen linken Rheinufer aber<lb/> würde man nicht einmal eine Komödie nach Art der in Nizza geſpielten zu<lb/> Stande bringen. Wie ein rheiniſches Blatt treffend ſagt: Nicht einmal die<lb/> Statiſten würden auf die Beine zu bringen ſeyn! Leider nur verſteht die<lb/> preußiſche Regierung in keiner Weiſe den ächt deutſchen, nicht ſpeciſiſch oder<lb/> gar dynaſtiſch preußiſchen, Sinn der Rheinländer zu behandeln. Sie<lb/> weiß es nicht, oder thut als wüßte ſie nicht, daß bei aller Achtung vor den<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2714/0002]
Palermitaner gar weh ums Herz als er erfuhr daß Garibaldi ein zweitesmal
zum Rückzug gezwungen worden ſey. Auch ich war’s müde geworden immer
nur Gerüchte zu hören, wie ſie eben unter der Stadtbevölkerung in Umlauf
waren, und beſchloß daher den Verſuch zu machen hinaus ins Lager Garibal-
di’s zu gelangen. Freunde belehrten mich über den Weg den ich einzuſchlagen
hätte, ein zweiſpänniger Wagen war bald zur Hand, ſo fuhr ich dann wohl-
gemuth auf die nach Catania führende Heerſtraße von Miſilmeri zu. Es wa
die am wenigſten bewachte, weil ſie von der See aus vollſtändig beſtrichen
werden konnte, und auf ihr kam ich denn wirklich, ohne von den vereinzelten
Poſten angehalten zu werden, hinaus ins Freie. In Salento, wo die Auf-
ſtändiſchen ihre erſte Vorhut ſtehen hatten, herſchte ſchon größere Wachſamkeit.
Dort erbot ſich von den Bewaffneten einer mich weiter zu geleiten, ein Aner-
bieten das mir außerordentlich willkommen war. So fuhr ich durchs Dorf.
Die Einwohner ſtürzten auf mich zu um mir die Hände zu küſſen. Sie ſeyen
alle bereit zu kämpfen, aber es fehle an Waffen; es hinderte ſie nicht ſich in
Hurrahs für Italien, Victor Emmanuel und Garibaldi zu vergnügen. Wir
mußten im Galopp fahren, um nur aus dem Ort hinauszukommen. Eine
halbe Stunde noch, und ich war in Miſilmeri, einem elendiglich ausſehenden
Platz, der den Namen Stadt beanſprucht.
Dort auf dem Marktplatze ſaß auf der einen Seite das proviſoriſche
Executivcomité, auf der andern thronte Garibaldi’s Stabschef in primitiver
Einfachheit auf einigen Holzſtufen. Eben erhielten zwei amerikaniſche Offi-
ciere vom amerikaniſchen Dampfer „Iroquois“ aus den Händen des Oberſten
Sirtori Päſſe um ins Lager zu gehen. Ich ſchloß mich ihnen an, ein Officier
begleitete uns, und nun gieng’s ſelbander in kurzem Galopp die Höhen hinauf,
die zum Gebel Roſſo und zum Paß von Mezzagna ſühren. Die wenigen
Häuſer waren bald im Rücken, links lagen die Ruinen einer alten Burg, und
rings um uns ſtanden die Olive, der Weinſtock und Getreidefelder der ver-
ſchiedenſten Art trotz des felſigen Bodens in üppigſter Pracht. Der General
hatte ſein Lager gerade oberhalb der Burgruine auf einem ziemlich umfang-
reichen Plateau aufgeſchlagen. Zu ſeinen Füßen lag die ſchöne Ebene, begrenzt
durch die ins Cap Zaffarana auslaufende Höhenkette, während auf der ent-
gegengeſetzten Seite die Spitzen des Gebel Roſſo mit dem Paß von Mezzagna
jenſeits einer Bodenvertiefung auftauchten, welche letztere ſich wie ein aus-
gebranntet Krater anſah, und durch den ſtarken Regen der letzten Tage mit
Waſſer voll gefüllt war. Es iſt eben einer jener Punkte wo man gerne ſein
Zelt aufſchlägt, vorausgeſetzt daß man eines hat. Nun iſt zwar das Wort
Zelt im Garibaldi’ſchen Wörterbuch nicht zu finden, doch muß ein volksthüm-
licher General ſich ab und zu den Gelüſten ſeiner Truppen fügen, und ſo gab
es denn auch hier Zelte, d. h. 4 Lanzen in den Boden geſteckt, darüber eine
Decke als Dach, darunter ein alter Sattel als Kopfkiſſen, ein Schafspelz als
Bett. Uebrigens gabs ja aller Arten Olivenbäume genug mit ihren Schatten-
dächern, daneben Maſſen von Steinen zu Kopfkiſſen, ja ſogar einen Mantel
oder eine Decke für den zehnten Mann etwa. Rings herum grasten frei die
Pferde.
Als wir oben anlangten, war der General nicht zugegen. Er machte eben
einen ſeiner Morgenſpaziergänge, aber vor ſeinem Zelte ſtanden alle ſeine Ver-
trauten nebeneinander: Obriſt Türr, der Ungar, der immer dort iſt wo es Gefahr
gibt, obwohl er noch immer von der im vorjährigen Feldzug erhaltenen Arm-
wunde|zu leiden hat; der bekannte Oberſt Nino Bixio; Oberſt Carini, der tapferſte
der Sicilianer mit anderen Braven; unter ihnen Garibaldi’s junger Sohn, der bei
Calatafimi durchs Handgelenk geſchoſſen wurde, und der Sohn von Daniel
Manin, der eine Wunde im Schenkel erhalten hatte. Mit ihnen der Ex-Prieſter
Guzmaroli, ein Romagnole, der über Garibaldi mit enthuſiaſtiſcher Hingebung
wacht, und mehrere Guiden, zumeiſt aus guten Familien der Lombardei, die
eigentlich zu Pferd dienen ſollten, unter den dermaligen Umſtänden aber ſtets
zu Fuß in erſter Reihe fechten. Der Interefſanteſten einer war jedenfalls
der ſicilianiſche Mönch Frate Pantaleoni, luſtig wie nur ein Mönch des Mittel-
alters, aber voll Feuer und Patriotismus, und dabei tapfer wie nur irgend
einer. Noch ſtanden da andere Prieſter und Führer aus Palermo bei ihnen
im Kreis — geiſtliche Herren inmitten dieſer nichts weniger als katholiſchen
Armee, aber ſo ausgezeichnet in ihrer Haltung daß ſie, und durch ſie ihr Habit
ſelbſt, von den wildeſten Burſchen im Heer geehrt und reſpectirt wurden.
Den Mittelpunkt dieſes Kreiſes, dem ſich nun zwei amerikaniſche und
drei engliſche Marine-Oſſiciere zugeſellten, bildete ein dampfender Keſſel voll
Kalbfleiſch, Zwiebel und Brühe, daneben ein Korb voll friſchen Brodes und
ein Faß Marſala-Wein. Das aß mit Gabel und Finger, das trank aus
Einem Zinnbecher, jeder einzelne werth einem Murillo als Modell zu dienen.
Im Hintergrund die ſicilianiſche Bergkette, ſchön wie die Berge Griechenlands.
Ein gar wunderſam ſchönes Bild!
Bald kam auch Garibaldi heran, und empfieng ſeine fremden Gäſte mit
der ihm eigenthümlichen bezaubernden Einfachheit. Er war gleich bereit
Autographe zu verſchenken und alle an ihn gerichtete Fragen freundlich zu
beantworten. Erſt als die Gäſte ſich empfohlen, gieng er an ſeine Tagesge-
ſchäfte. Es handelte ſich in dieſem Augenblick um nichts geringeres als zu
entſcheiden ob noch in dieſer Nacht ein Handſtreich auf Palermo gewagt
werden ſolle. So viel ſtand außer Zweifel daß die Neapolitaner am Köder
angebiſſen hatten, daß ſie den Rückzug für eine Niederlage und die Zurück-
ſendung der Geſchütze für einen Beweis von Entmuthigung hielten. An eine
Flankenbewegung nach Miſilmeri ſchienen ſie nun gar nicht zu denken, denn
Kundſchafter berichteten daß ſie Piana ſtark beſetzt hielten. Aber ein Angriff
auf Palermo war keine Kleinigkeit trotz alle dem. Die beiden einander kreu-
zenden Hauptſtraßen der Stadt, die Via di Toledo und die Strada Maqueda,
waren gut vertheidigt. Sie b herrſchen die Stadt. Am wenigſten bewacht
war noch der untere Stadttheil, weil dieſer unter den Augen des Caſtells und
der Kriegsſchiffe liegt. Es gab dort nur einen ſchwachen Poſten zur Bewachung des
Thores. Hier wollte Garibaldi eindringen, und ſich Schritt vor Schritt den Weg
nach den höher gelegenen Stadtheilen erkämpfen. Das war der Plan den er
ſeinen Vertrauten mittheilte. Er wollte nicht den bequemeren Weg längs der
See einſchlagen, um unentdeckt ſo nahe als möglich an die Stadt hinanzu-
kommen; er bezeichnete die Porta di Termini als den geeignetſten Punkt für
einen concentrirten Angriff, und er erwartete viel von der Stadt, die ver-
ſprochen hatte ſich bei ſeinem Erſcheinen zu erheben.
(Schluß folgt.)
Deutſchland.
Bayern.
ꘉ München, 10 Jun. Der Civilproceßentwurf, der
auf die Trennung der Juſtiz von der Verwaltung und dem Inſtitut der No-
tariate baſirt, iſt Sr. Maj. dem König bereits vorgelegt worden, und wird
nun auch dem Staatsrath zur Begutachtung unterbreitet werden. — Von der
telegraphiſchen Nachricht welche die „Pfälzer Ztg.“ aus München gebracht,
daß nämlich ein Bundesbeobachtungscorps am Rhein aufgeſtellt werde, weiß
man hier auch heute noch nichts. — Heute fand die Nachfeier des Fronleich-
namsfeſtes durch Proceſſionen in den verſchiedenen Pfarrbezirken der Vor-
ſtädte ſtatt. — Der Berein für Ausbildung der Gewerke zählt nun 1043
Mitglieder, und um den Nachfragen zu genügen, will er ein jedem Gewerbs-
mann zugängliches fortlaufendes Werk von ſeinem Zweck entſprechenden
Zeichnungsvorlagen im Subſcriptionswege herausgeben. Gewiß ein ver-
dienſtliches Unternehmen. — Wie ich erſehe hat ſich in meine Angabe über die
Dauer der Urlaubsreiſe des Hrn. Miniſters des Innern ein Schreibfehler ein-
geſchlichen. Es ſoll „dreiwöchentlicher“ Urlaub heißen.
Preußen.
✸ Köln, 8 Jun. Die „Köln. Ztg.“ machte bekanntlich
vor einigen Monaten einen höchſt komiſchen Mißgriff dadurch daß ſie, noch
faſt unmittelbar vor dem officiellen Eingeſtändniß der Gelüſte nach Savoyen
und Nizza, über diejenigen ſpottete welche die Exiſtenz eines auf dieſe ſchmäh-
liche Abtretung bezüglichen geheimen Vertrags behaupteten. Gütiger Gott,
dieſer Mann (Louis Napoleon nämlich) ſollte ein Eroberer ſeyn! So unge-
fähr waren ihre Worte, worauf dann die bekann ten „Kölniſchen“ Anſchauun-
gen mit behaglicher Breite auseinandergeſetzt wurden. Aber gebrannte Kin-
der ſcheuen das Feuer! Jetzt meldet ſie ſelbſt das Gerücht: der zweite De-
cember beanſpruche die Inſel Sardinien für den Fall daß Sicilien an Pie-
mont komme. Sie ſetzt hinzu: man dürfe im Hinblick auf die Borgänge mit
Savoyen und Nizza das Gerücht, wenn es auch nur ein ſolches ſey, nicht
unbeachtet laſſen. Ja wohl! Wie gut wäre es geweſen wenn man nicht lei-
der ſo vieles ſchon unbeachtet gelaſſen hätte! Doch das iſt vorbei. Jetzt
handelt es ſich darum daß alle Deutſchen die ihr Vaterland lieben in Ein-
tracht zuſammenhalten; ſo wollen wir auch nicht mit der Kölniſchen Zeitung
rechten, und nur wünſchen daß die Einſicht welche ſie endlich gewinnen mag,
bald anfange weniger „Kölniſch“ zu ſeyn als bisher. Uebrigens findet man
in den andern kleinern hier erſcheinenden Blättern gerade das Gegentheil
derjenigen eigenthümlichen Auffaſſung die in dem Artikel „Alle Welt wird
Kölniſch“ im vorigen Sommer ſo ſelbſtgefällig präconiſirt wurde. — Da
Köln in vielfachem Verkehr mit Belgien ſteht, ſo hat man hier öfters Gele-
genheit von dort etwas zu erfahren. Nach allen Nachrichten muß es dort
bereits, und namentlich in Lüttich, von bonapartiſtiſchen Emiſſären wimmeln,
die durch ihre Geſpräche an allen öffentlichen Orten das Publicum mit dem
Gedanken an die Annexion vertraut machen. Hier merkt man noch nichts
von ſolchen Sendlingen der „Civiliſation“ — aus dem einfachen Grunde
weil hier für ſie gar keine Ausſicht auf Erfolg vorhanden iſt. Warum ſollte
ſich der zweite December auch die Mühe geben noch einmal ein Poſſenſpiel,
wie in Nizza, in Scene zu ſetzen? ein Spiel welches ſogar das Organ von
Palmerſton, als mit falſchen Karten und Würfeln gewonnen, bezeichnet!
In Belgien, das mehr als zuviel franzöſiſirt iſt, läßt ſich das Spiel möglicherweiſe
mit Beibehaltung des Scheins der Ehrlichkeit gewinnen — denn allzuviel kann
man wohl nicht auf Belgien bauen; auf dem deutſchen linken Rheinufer aber
würde man nicht einmal eine Komödie nach Art der in Nizza geſpielten zu
Stande bringen. Wie ein rheiniſches Blatt treffend ſagt: Nicht einmal die
Statiſten würden auf die Beine zu bringen ſeyn! Leider nur verſteht die
preußiſche Regierung in keiner Weiſe den ächt deutſchen, nicht ſpeciſiſch oder
gar dynaſtiſch preußiſchen, Sinn der Rheinländer zu behandeln. Sie
weiß es nicht, oder thut als wüßte ſie nicht, daß bei aller Achtung vor den
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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