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Allgemeine Zeitung, Nr. 163, 11. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Palermitaner gar weh ums Herz als er erfuhr daß Garibaldi ein zweitesmal
zum Rückzug gezwungen worden sey. Auch ich war's müde geworden immer
nur Gerüchte zu hören, wie sie eben unter der Stadtbevölkerung in Umlauf
waren, und beschloß daher den Versuch zu machen hinaus ins Lager Garibal-
di's zu gelangen. Freunde belehrten mich über den Weg den ich einzuschlagen
hätte, ein zweispänniger Wagen war bald zur Hand, so fuhr ich dann wohl-
gemuth auf die nach Catania führende Heerstraße von Misilmeri zu. Es wa
die am wenigsten bewachte, weil sie von der See aus vollständig bestrichen
werden konnte, und auf ihr kam ich denn wirklich, ohne von den vereinzelten
Posten angehalten zu werden, hinaus ins Freie. In Salento, wo die Auf-
ständischen ihre erste Vorhut stehen hatten, herschte schon größere Wachsamkeit.
Dort erbot sich von den Bewaffneten einer mich weiter zu geleiten, ein Aner-
bieten das mir außerordentlich willkommen war. So fuhr ich durchs Dorf.
Die Einwohner stürzten auf mich zu um mir die Hände zu küssen. Sie seyen
alle bereit zu kämpfen, aber es fehle an Waffen; es hinderte sie nicht sich in
Hurrahs für Italien, Victor Emmanuel und Garibaldi zu vergnügen. Wir
mußten im Galopp fahren, um nur aus dem Ort hinauszukommen. Eine
halbe Stunde noch, und ich war in Misilmeri, einem elendiglich aussehenden
Platz, der den Namen Stadt beansprucht.

Dort auf dem Marktplatze saß auf der einen Seite das provisorische
Executivcomite, auf der andern thronte Garibaldi's Stabschef in primitiver
Einfachheit auf einigen Holzstufen. Eben erhielten zwei amerikanische Offi-
ciere vom amerikanischen Dampfer "Iroquois" aus den Händen des Obersten
Sirtori Pässe um ins Lager zu gehen. Ich schloß mich ihnen an, ein Officier
begleitete uns, und nun gieng's selbander in kurzem Galopp die Höhen hinauf,
die zum Gebel Rosso und zum Paß von Mezzagna sühren. Die wenigen
Häuser waren bald im Rücken, links lagen die Ruinen einer alten Burg, und
rings um uns standen die Olive, der Weinstock und Getreidefelder der ver-
schiedensten Art trotz des felsigen Bodens in üppigster Pracht. Der General
hatte sein Lager gerade oberhalb der Burgruine auf einem ziemlich umfang-
reichen Plateau aufgeschlagen. Zu seinen Füßen lag die schöne Ebene, begrenzt
durch die ins Cap Zaffarana auslaufende Höhenkette, während auf der ent-
gegengesetzten Seite die Spitzen des Gebel Rosso mit dem Paß von Mezzagna
jenseits einer Bodenvertiefung auftauchten, welche letztere sich wie ein aus-
gebranntet Krater ansah, und durch den starken Regen der letzten Tage mit
Wasser voll gefüllt war. Es ist eben einer jener Punkte wo man gerne sein
Zelt aufschlägt, vorausgesetzt daß man eines hat. Nun ist zwar das Wort
Zelt im Garibaldi'schen Wörterbuch nicht zu finden, doch muß ein volksthüm-
licher General sich ab und zu den Gelüsten seiner Truppen fügen, und so gab
es denn auch hier Zelte, d. h. 4 Lanzen in den Boden gesteckt, darüber eine
Decke als Dach, darunter ein alter Sattel als Kopfkissen, ein Schafspelz als
Bett. Uebrigens gabs ja aller Arten Olivenbäume genug mit ihren Schatten-
dächern, daneben Massen von Steinen zu Kopfkissen, ja sogar einen Mantel
oder eine Decke für den zehnten Mann etwa. Rings herum grasten frei die
Pferde.

Als wir oben anlangten, war der General nicht zugegen. Er machte eben
einen seiner Morgenspaziergänge, aber vor seinem Zelte standen alle seine Ver-
trauten nebeneinander: Obrist Türr, der Ungar, der immer dort ist wo es Gefahr
gibt, obwohl er noch immer von der im vorjährigen Feldzug erhaltenen Arm-
wunde|zu leiden hat; der bekannte Oberst Nino Bixio; Oberst Carini, der tapferste
der Sicilianer mit anderen Braven; unter ihnen Garibaldi's junger Sohn, der bei
Calatafimi durchs Handgelenk geschossen wurde, und der Sohn von Daniel
Manin, der eine Wunde im Schenkel erhalten hatte. Mit ihnen der Ex-Priester
Guzmaroli, ein Romagnole, der über Garibaldi mit enthusiastischer Hingebung
wacht, und mehrere Guiden, zumeist aus guten Familien der Lombardei, die
eigentlich zu Pferd dienen sollten, unter den dermaligen Umständen aber stets
zu Fuß in erster Reihe fechten. Der Interefsantesten einer war jedenfalls
der sicilianische Mönch Frate Pantaleoni, lustig wie nur ein Mönch des Mittel-
alters, aber voll Feuer und Patriotismus, und dabei tapfer wie nur irgend
einer. Noch standen da andere Priester und Führer aus Palermo bei ihnen
im Kreis -- geistliche Herren inmitten dieser nichts weniger als katholischen
Armee, aber so ausgezeichnet in ihrer Haltung daß sie, und durch sie ihr Habit
selbst, von den wildesten Burschen im Heer geehrt und respectirt wurden.

Den Mittelpunkt dieses Kreises, dem sich nun zwei amerikanische und
drei englische Marine-Ossiciere zugesellten, bildete ein dampfender Kessel voll
Kalbfleisch, Zwiebel und Brühe, daneben ein Korb voll frischen Brodes und
ein Faß Marsala-Wein. Das aß mit Gabel und Finger, das trank aus
Einem Zinnbecher, jeder einzelne werth einem Murillo als Modell zu dienen.
Im Hintergrund die sicilianische Bergkette, schön wie die Berge Griechenlands.
Ein gar wundersam schönes Bild!

Bald kam auch Garibaldi heran, und empfieng seine fremden Gäste mit
der ihm eigenthümlichen bezaubernden Einfachheit. Er war gleich bereit
Autographe zu verschenken und alle an ihn gerichtete Fragen freundlich zu
beantworten. Erst als die Gäste sich empfohlen, gieng er an seine Tagesge-
schäfte. Es handelte sich in diesem Augenblick um nichts geringeres als zu
[Spaltenumbruch] entscheiden ob noch in dieser Nacht ein Handstreich auf Palermo gewagt
werden solle. So viel stand außer Zweifel daß die Neapolitaner am Köder
angebissen hatten, daß sie den Rückzug für eine Niederlage und die Zurück-
sendung der Geschütze für einen Beweis von Entmuthigung hielten. An eine
Flankenbewegung nach Misilmeri schienen sie nun gar nicht zu denken, denn
Kundschafter berichteten daß sie Piana stark besetzt hielten. Aber ein Angriff
auf Palermo war keine Kleinigkeit trotz alle dem. Die beiden einander kreu-
zenden Hauptstraßen der Stadt, die Via di Toledo und die Strada Maqueda,
waren gut vertheidigt. Sie b herrschen die Stadt. Am wenigsten bewacht
war noch der untere Stadttheil, weil dieser unter den Augen des Castells und
der Kriegsschiffe liegt. Es gab dort nur einen schwachen Posten zur Bewachung des
Thores. Hier wollte Garibaldi eindringen, und sich Schritt vor Schritt den Weg
nach den höher gelegenen Stadtheilen erkämpfen. Das war der Plan den er
seinen Vertrauten mittheilte. Er wollte nicht den bequemeren Weg längs der
See einschlagen, um unentdeckt so nahe als möglich an die Stadt hinanzu-
kommen; er bezeichnete die Porta di Termini als den geeignetsten Punkt für
einen concentrirten Angriff, und er erwartete viel von der Stadt, die ver-
sprochen hatte sich bei seinem Erscheinen zu erheben.

(Schluß folgt.)



Deutschland.
Bayern.

Der Civilproceßentwurf, der
auf die Trennung der Justiz von der Verwaltung und dem Institut der No-
tariate basirt, ist Sr. Maj. dem König bereits vorgelegt worden, und wird
nun auch dem Staatsrath zur Begutachtung unterbreitet werden. -- Von der
telegraphischen Nachricht welche die "Pfälzer Ztg." aus München gebracht,
daß nämlich ein Bundesbeobachtungscorps am Rhein aufgestellt werde, weiß
man hier auch heute noch nichts. -- Heute fand die Nachfeier des Fronleich-
namsfestes durch Processionen in den verschiedenen Pfarrbezirken der Vor-
städte statt. -- Der Berein für Ausbildung der Gewerke zählt nun 1043
Mitglieder, und um den Nachfragen zu genügen, will er ein jedem Gewerbs-
mann zugängliches fortlaufendes Werk von seinem Zweck entsprechenden
Zeichnungsvorlagen im Subscriptionswege herausgeben. Gewiß ein ver-
dienstliches Unternehmen. -- Wie ich ersehe hat sich in meine Angabe über die
Dauer der Urlaubsreise des Hrn. Ministers des Innern ein Schreibfehler ein-
geschlichen. Es soll "dreiwöchentlicher" Urlaub heißen.

Preußen.

Die "Köln. Ztg." machte bekanntlich
vor einigen Monaten einen höchst komischen Mißgriff dadurch daß sie, noch
fast unmittelbar vor dem officiellen Eingeständniß der Gelüste nach Savoyen
und Nizza, über diejenigen spottete welche die Existenz eines auf diese schmäh-
liche Abtretung bezüglichen geheimen Vertrags behaupteten. Gütiger Gott,
dieser Mann (Louis Napoleon nämlich) sollte ein Eroberer seyn! So unge-
fähr waren ihre Worte, worauf dann die bekann ten "Kölnischen" Anschauun-
gen mit behaglicher Breite auseinandergesetzt wurden. Aber gebrannte Kin-
der scheuen das Feuer! Jetzt meldet sie selbst das Gerücht: der zweite De-
cember beanspruche die Insel Sardinien für den Fall daß Sicilien an Pie-
mont komme. Sie setzt hinzu: man dürfe im Hinblick auf die Borgänge mit
Savoyen und Nizza das Gerücht, wenn es auch nur ein solches sey, nicht
unbeachtet lassen. Ja wohl! Wie gut wäre es gewesen wenn man nicht lei-
der so vieles schon unbeachtet gelassen hätte! Doch das ist vorbei. Jetzt
handelt es sich darum daß alle Deutschen die ihr Vaterland lieben in Ein-
tracht zusammenhalten; so wollen wir auch nicht mit der Kölnischen Zeitung
rechten, und nur wünschen daß die Einsicht welche sie endlich gewinnen mag,
bald anfange weniger "Kölnisch" zu seyn als bisher. Uebrigens findet man
in den andern kleinern hier erscheinenden Blättern gerade das Gegentheil
derjenigen eigenthümlichen Auffassung die in dem Artikel "Alle Welt wird
Kölnisch" im vorigen Sommer so selbstgefällig präconisirt wurde. -- Da
Köln in vielfachem Verkehr mit Belgien steht, so hat man hier öfters Gele-
genheit von dort etwas zu erfahren. Nach allen Nachrichten muß es dort
bereits, und namentlich in Lüttich, von bonapartistischen Emissären wimmeln,
die durch ihre Gespräche an allen öffentlichen Orten das Publicum mit dem
Gedanken an die Annexion vertraut machen. Hier merkt man noch nichts
von solchen Sendlingen der "Civilisation" -- aus dem einfachen Grunde
weil hier für sie gar keine Aussicht auf Erfolg vorhanden ist. Warum sollte
sich der zweite December auch die Mühe geben noch einmal ein Possenspiel,
wie in Nizza, in Scene zu setzen? ein Spiel welches sogar das Organ von
Palmerston, als mit falschen Karten und Würfeln gewonnen, bezeichnet!
In Belgien, das mehr als zuviel französisirt ist, läßt sich das Spiel möglicherweise
mit Beibehaltung des Scheins der Ehrlichkeit gewinnen -- denn allzuviel kann
man wohl nicht auf Belgien bauen; auf dem deutschen linken Rheinufer aber
würde man nicht einmal eine Komödie nach Art der in Nizza gespielten zu
Stande bringen. Wie ein rheinisches Blatt treffend sagt: Nicht einmal die
Statisten würden auf die Beine zu bringen seyn! Leider nur versteht die
preußische Regierung in keiner Weise den ächt deutschen, nicht specisisch oder
gar dynastisch preußischen, Sinn der Rheinländer zu behandeln. Sie
weiß es nicht, oder thut als wüßte sie nicht, daß bei aller Achtung vor den

[Spaltenumbruch] Palermitaner gar weh ums Herz als er erfuhr daß Garibaldi ein zweitesmal
zum Rückzug gezwungen worden ſey. Auch ich war’s müde geworden immer
nur Gerüchte zu hören, wie ſie eben unter der Stadtbevölkerung in Umlauf
waren, und beſchloß daher den Verſuch zu machen hinaus ins Lager Garibal-
di’s zu gelangen. Freunde belehrten mich über den Weg den ich einzuſchlagen
hätte, ein zweiſpänniger Wagen war bald zur Hand, ſo fuhr ich dann wohl-
gemuth auf die nach Catania führende Heerſtraße von Miſilmeri zu. Es wa
die am wenigſten bewachte, weil ſie von der See aus vollſtändig beſtrichen
werden konnte, und auf ihr kam ich denn wirklich, ohne von den vereinzelten
Poſten angehalten zu werden, hinaus ins Freie. In Salento, wo die Auf-
ſtändiſchen ihre erſte Vorhut ſtehen hatten, herſchte ſchon größere Wachſamkeit.
Dort erbot ſich von den Bewaffneten einer mich weiter zu geleiten, ein Aner-
bieten das mir außerordentlich willkommen war. So fuhr ich durchs Dorf.
Die Einwohner ſtürzten auf mich zu um mir die Hände zu küſſen. Sie ſeyen
alle bereit zu kämpfen, aber es fehle an Waffen; es hinderte ſie nicht ſich in
Hurrahs für Italien, Victor Emmanuel und Garibaldi zu vergnügen. Wir
mußten im Galopp fahren, um nur aus dem Ort hinauszukommen. Eine
halbe Stunde noch, und ich war in Miſilmeri, einem elendiglich ausſehenden
Platz, der den Namen Stadt beanſprucht.

Dort auf dem Marktplatze ſaß auf der einen Seite das proviſoriſche
Executivcomité, auf der andern thronte Garibaldi’s Stabschef in primitiver
Einfachheit auf einigen Holzſtufen. Eben erhielten zwei amerikaniſche Offi-
ciere vom amerikaniſchen Dampfer „Iroquois“ aus den Händen des Oberſten
Sirtori Päſſe um ins Lager zu gehen. Ich ſchloß mich ihnen an, ein Officier
begleitete uns, und nun gieng’s ſelbander in kurzem Galopp die Höhen hinauf,
die zum Gebel Roſſo und zum Paß von Mezzagna ſühren. Die wenigen
Häuſer waren bald im Rücken, links lagen die Ruinen einer alten Burg, und
rings um uns ſtanden die Olive, der Weinſtock und Getreidefelder der ver-
ſchiedenſten Art trotz des felſigen Bodens in üppigſter Pracht. Der General
hatte ſein Lager gerade oberhalb der Burgruine auf einem ziemlich umfang-
reichen Plateau aufgeſchlagen. Zu ſeinen Füßen lag die ſchöne Ebene, begrenzt
durch die ins Cap Zaffarana auslaufende Höhenkette, während auf der ent-
gegengeſetzten Seite die Spitzen des Gebel Roſſo mit dem Paß von Mezzagna
jenſeits einer Bodenvertiefung auftauchten, welche letztere ſich wie ein aus-
gebranntet Krater anſah, und durch den ſtarken Regen der letzten Tage mit
Waſſer voll gefüllt war. Es iſt eben einer jener Punkte wo man gerne ſein
Zelt aufſchlägt, vorausgeſetzt daß man eines hat. Nun iſt zwar das Wort
Zelt im Garibaldi’ſchen Wörterbuch nicht zu finden, doch muß ein volksthüm-
licher General ſich ab und zu den Gelüſten ſeiner Truppen fügen, und ſo gab
es denn auch hier Zelte, d. h. 4 Lanzen in den Boden geſteckt, darüber eine
Decke als Dach, darunter ein alter Sattel als Kopfkiſſen, ein Schafspelz als
Bett. Uebrigens gabs ja aller Arten Olivenbäume genug mit ihren Schatten-
dächern, daneben Maſſen von Steinen zu Kopfkiſſen, ja ſogar einen Mantel
oder eine Decke für den zehnten Mann etwa. Rings herum grasten frei die
Pferde.

Als wir oben anlangten, war der General nicht zugegen. Er machte eben
einen ſeiner Morgenſpaziergänge, aber vor ſeinem Zelte ſtanden alle ſeine Ver-
trauten nebeneinander: Obriſt Türr, der Ungar, der immer dort iſt wo es Gefahr
gibt, obwohl er noch immer von der im vorjährigen Feldzug erhaltenen Arm-
wunde|zu leiden hat; der bekannte Oberſt Nino Bixio; Oberſt Carini, der tapferſte
der Sicilianer mit anderen Braven; unter ihnen Garibaldi’s junger Sohn, der bei
Calatafimi durchs Handgelenk geſchoſſen wurde, und der Sohn von Daniel
Manin, der eine Wunde im Schenkel erhalten hatte. Mit ihnen der Ex-Prieſter
Guzmaroli, ein Romagnole, der über Garibaldi mit enthuſiaſtiſcher Hingebung
wacht, und mehrere Guiden, zumeiſt aus guten Familien der Lombardei, die
eigentlich zu Pferd dienen ſollten, unter den dermaligen Umſtänden aber ſtets
zu Fuß in erſter Reihe fechten. Der Interefſanteſten einer war jedenfalls
der ſicilianiſche Mönch Frate Pantaleoni, luſtig wie nur ein Mönch des Mittel-
alters, aber voll Feuer und Patriotismus, und dabei tapfer wie nur irgend
einer. Noch ſtanden da andere Prieſter und Führer aus Palermo bei ihnen
im Kreis — geiſtliche Herren inmitten dieſer nichts weniger als katholiſchen
Armee, aber ſo ausgezeichnet in ihrer Haltung daß ſie, und durch ſie ihr Habit
ſelbſt, von den wildeſten Burſchen im Heer geehrt und reſpectirt wurden.

Den Mittelpunkt dieſes Kreiſes, dem ſich nun zwei amerikaniſche und
drei engliſche Marine-Oſſiciere zugeſellten, bildete ein dampfender Keſſel voll
Kalbfleiſch, Zwiebel und Brühe, daneben ein Korb voll friſchen Brodes und
ein Faß Marſala-Wein. Das aß mit Gabel und Finger, das trank aus
Einem Zinnbecher, jeder einzelne werth einem Murillo als Modell zu dienen.
Im Hintergrund die ſicilianiſche Bergkette, ſchön wie die Berge Griechenlands.
Ein gar wunderſam ſchönes Bild!

Bald kam auch Garibaldi heran, und empfieng ſeine fremden Gäſte mit
der ihm eigenthümlichen bezaubernden Einfachheit. Er war gleich bereit
Autographe zu verſchenken und alle an ihn gerichtete Fragen freundlich zu
beantworten. Erſt als die Gäſte ſich empfohlen, gieng er an ſeine Tagesge-
ſchäfte. Es handelte ſich in dieſem Augenblick um nichts geringeres als zu
[Spaltenumbruch] entſcheiden ob noch in dieſer Nacht ein Handſtreich auf Palermo gewagt
werden ſolle. So viel ſtand außer Zweifel daß die Neapolitaner am Köder
angebiſſen hatten, daß ſie den Rückzug für eine Niederlage und die Zurück-
ſendung der Geſchütze für einen Beweis von Entmuthigung hielten. An eine
Flankenbewegung nach Miſilmeri ſchienen ſie nun gar nicht zu denken, denn
Kundſchafter berichteten daß ſie Piana ſtark beſetzt hielten. Aber ein Angriff
auf Palermo war keine Kleinigkeit trotz alle dem. Die beiden einander kreu-
zenden Hauptſtraßen der Stadt, die Via di Toledo und die Strada Maqueda,
waren gut vertheidigt. Sie b herrſchen die Stadt. Am wenigſten bewacht
war noch der untere Stadttheil, weil dieſer unter den Augen des Caſtells und
der Kriegsſchiffe liegt. Es gab dort nur einen ſchwachen Poſten zur Bewachung des
Thores. Hier wollte Garibaldi eindringen, und ſich Schritt vor Schritt den Weg
nach den höher gelegenen Stadtheilen erkämpfen. Das war der Plan den er
ſeinen Vertrauten mittheilte. Er wollte nicht den bequemeren Weg längs der
See einſchlagen, um unentdeckt ſo nahe als möglich an die Stadt hinanzu-
kommen; er bezeichnete die Porta di Termini als den geeignetſten Punkt für
einen concentrirten Angriff, und er erwartete viel von der Stadt, die ver-
ſprochen hatte ſich bei ſeinem Erſcheinen zu erheben.

(Schluß folgt.)



Deutſchland.
Bayern.

Der Civilproceßentwurf, der
auf die Trennung der Juſtiz von der Verwaltung und dem Inſtitut der No-
tariate baſirt, iſt Sr. Maj. dem König bereits vorgelegt worden, und wird
nun auch dem Staatsrath zur Begutachtung unterbreitet werden. — Von der
telegraphiſchen Nachricht welche die „Pfälzer Ztg.“ aus München gebracht,
daß nämlich ein Bundesbeobachtungscorps am Rhein aufgeſtellt werde, weiß
man hier auch heute noch nichts. — Heute fand die Nachfeier des Fronleich-
namsfeſtes durch Proceſſionen in den verſchiedenen Pfarrbezirken der Vor-
ſtädte ſtatt. — Der Berein für Ausbildung der Gewerke zählt nun 1043
Mitglieder, und um den Nachfragen zu genügen, will er ein jedem Gewerbs-
mann zugängliches fortlaufendes Werk von ſeinem Zweck entſprechenden
Zeichnungsvorlagen im Subſcriptionswege herausgeben. Gewiß ein ver-
dienſtliches Unternehmen. — Wie ich erſehe hat ſich in meine Angabe über die
Dauer der Urlaubsreiſe des Hrn. Miniſters des Innern ein Schreibfehler ein-
geſchlichen. Es ſoll „dreiwöchentlicher“ Urlaub heißen.

Preußen.

Die „Köln. Ztg.“ machte bekanntlich
vor einigen Monaten einen höchſt komiſchen Mißgriff dadurch daß ſie, noch
faſt unmittelbar vor dem officiellen Eingeſtändniß der Gelüſte nach Savoyen
und Nizza, über diejenigen ſpottete welche die Exiſtenz eines auf dieſe ſchmäh-
liche Abtretung bezüglichen geheimen Vertrags behaupteten. Gütiger Gott,
dieſer Mann (Louis Napoleon nämlich) ſollte ein Eroberer ſeyn! So unge-
fähr waren ihre Worte, worauf dann die bekann ten „Kölniſchen“ Anſchauun-
gen mit behaglicher Breite auseinandergeſetzt wurden. Aber gebrannte Kin-
der ſcheuen das Feuer! Jetzt meldet ſie ſelbſt das Gerücht: der zweite De-
cember beanſpruche die Inſel Sardinien für den Fall daß Sicilien an Pie-
mont komme. Sie ſetzt hinzu: man dürfe im Hinblick auf die Borgänge mit
Savoyen und Nizza das Gerücht, wenn es auch nur ein ſolches ſey, nicht
unbeachtet laſſen. Ja wohl! Wie gut wäre es geweſen wenn man nicht lei-
der ſo vieles ſchon unbeachtet gelaſſen hätte! Doch das iſt vorbei. Jetzt
handelt es ſich darum daß alle Deutſchen die ihr Vaterland lieben in Ein-
tracht zuſammenhalten; ſo wollen wir auch nicht mit der Kölniſchen Zeitung
rechten, und nur wünſchen daß die Einſicht welche ſie endlich gewinnen mag,
bald anfange weniger „Kölniſch“ zu ſeyn als bisher. Uebrigens findet man
in den andern kleinern hier erſcheinenden Blättern gerade das Gegentheil
derjenigen eigenthümlichen Auffaſſung die in dem Artikel „Alle Welt wird
Kölniſch“ im vorigen Sommer ſo ſelbſtgefällig präconiſirt wurde. — Da
Köln in vielfachem Verkehr mit Belgien ſteht, ſo hat man hier öfters Gele-
genheit von dort etwas zu erfahren. Nach allen Nachrichten muß es dort
bereits, und namentlich in Lüttich, von bonapartiſtiſchen Emiſſären wimmeln,
die durch ihre Geſpräche an allen öffentlichen Orten das Publicum mit dem
Gedanken an die Annexion vertraut machen. Hier merkt man noch nichts
von ſolchen Sendlingen der „Civiliſation“ — aus dem einfachen Grunde
weil hier für ſie gar keine Ausſicht auf Erfolg vorhanden iſt. Warum ſollte
ſich der zweite December auch die Mühe geben noch einmal ein Poſſenſpiel,
wie in Nizza, in Scene zu ſetzen? ein Spiel welches ſogar das Organ von
Palmerſton, als mit falſchen Karten und Würfeln gewonnen, bezeichnet!
In Belgien, das mehr als zuviel franzöſiſirt iſt, läßt ſich das Spiel möglicherweiſe
mit Beibehaltung des Scheins der Ehrlichkeit gewinnen — denn allzuviel kann
man wohl nicht auf Belgien bauen; auf dem deutſchen linken Rheinufer aber
würde man nicht einmal eine Komödie nach Art der in Nizza geſpielten zu
Stande bringen. Wie ein rheiniſches Blatt treffend ſagt: Nicht einmal die
Statiſten würden auf die Beine zu bringen ſeyn! Leider nur verſteht die
preußiſche Regierung in keiner Weiſe den ächt deutſchen, nicht ſpeciſiſch oder
gar dynaſtiſch preußiſchen, Sinn der Rheinländer zu behandeln. Sie
weiß es nicht, oder thut als wüßte ſie nicht, daß bei aller Achtung vor den

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[2714/0002] Palermitaner gar weh ums Herz als er erfuhr daß Garibaldi ein zweitesmal zum Rückzug gezwungen worden ſey. Auch ich war’s müde geworden immer nur Gerüchte zu hören, wie ſie eben unter der Stadtbevölkerung in Umlauf waren, und beſchloß daher den Verſuch zu machen hinaus ins Lager Garibal- di’s zu gelangen. Freunde belehrten mich über den Weg den ich einzuſchlagen hätte, ein zweiſpänniger Wagen war bald zur Hand, ſo fuhr ich dann wohl- gemuth auf die nach Catania führende Heerſtraße von Miſilmeri zu. Es wa die am wenigſten bewachte, weil ſie von der See aus vollſtändig beſtrichen werden konnte, und auf ihr kam ich denn wirklich, ohne von den vereinzelten Poſten angehalten zu werden, hinaus ins Freie. In Salento, wo die Auf- ſtändiſchen ihre erſte Vorhut ſtehen hatten, herſchte ſchon größere Wachſamkeit. Dort erbot ſich von den Bewaffneten einer mich weiter zu geleiten, ein Aner- bieten das mir außerordentlich willkommen war. So fuhr ich durchs Dorf. Die Einwohner ſtürzten auf mich zu um mir die Hände zu küſſen. Sie ſeyen alle bereit zu kämpfen, aber es fehle an Waffen; es hinderte ſie nicht ſich in Hurrahs für Italien, Victor Emmanuel und Garibaldi zu vergnügen. Wir mußten im Galopp fahren, um nur aus dem Ort hinauszukommen. Eine halbe Stunde noch, und ich war in Miſilmeri, einem elendiglich ausſehenden Platz, der den Namen Stadt beanſprucht. Dort auf dem Marktplatze ſaß auf der einen Seite das proviſoriſche Executivcomité, auf der andern thronte Garibaldi’s Stabschef in primitiver Einfachheit auf einigen Holzſtufen. Eben erhielten zwei amerikaniſche Offi- ciere vom amerikaniſchen Dampfer „Iroquois“ aus den Händen des Oberſten Sirtori Päſſe um ins Lager zu gehen. Ich ſchloß mich ihnen an, ein Officier begleitete uns, und nun gieng’s ſelbander in kurzem Galopp die Höhen hinauf, die zum Gebel Roſſo und zum Paß von Mezzagna ſühren. Die wenigen Häuſer waren bald im Rücken, links lagen die Ruinen einer alten Burg, und rings um uns ſtanden die Olive, der Weinſtock und Getreidefelder der ver- ſchiedenſten Art trotz des felſigen Bodens in üppigſter Pracht. Der General hatte ſein Lager gerade oberhalb der Burgruine auf einem ziemlich umfang- reichen Plateau aufgeſchlagen. Zu ſeinen Füßen lag die ſchöne Ebene, begrenzt durch die ins Cap Zaffarana auslaufende Höhenkette, während auf der ent- gegengeſetzten Seite die Spitzen des Gebel Roſſo mit dem Paß von Mezzagna jenſeits einer Bodenvertiefung auftauchten, welche letztere ſich wie ein aus- gebranntet Krater anſah, und durch den ſtarken Regen der letzten Tage mit Waſſer voll gefüllt war. Es iſt eben einer jener Punkte wo man gerne ſein Zelt aufſchlägt, vorausgeſetzt daß man eines hat. Nun iſt zwar das Wort Zelt im Garibaldi’ſchen Wörterbuch nicht zu finden, doch muß ein volksthüm- licher General ſich ab und zu den Gelüſten ſeiner Truppen fügen, und ſo gab es denn auch hier Zelte, d. h. 4 Lanzen in den Boden geſteckt, darüber eine Decke als Dach, darunter ein alter Sattel als Kopfkiſſen, ein Schafspelz als Bett. Uebrigens gabs ja aller Arten Olivenbäume genug mit ihren Schatten- dächern, daneben Maſſen von Steinen zu Kopfkiſſen, ja ſogar einen Mantel oder eine Decke für den zehnten Mann etwa. Rings herum grasten frei die Pferde. Als wir oben anlangten, war der General nicht zugegen. Er machte eben einen ſeiner Morgenſpaziergänge, aber vor ſeinem Zelte ſtanden alle ſeine Ver- trauten nebeneinander: Obriſt Türr, der Ungar, der immer dort iſt wo es Gefahr gibt, obwohl er noch immer von der im vorjährigen Feldzug erhaltenen Arm- wunde|zu leiden hat; der bekannte Oberſt Nino Bixio; Oberſt Carini, der tapferſte der Sicilianer mit anderen Braven; unter ihnen Garibaldi’s junger Sohn, der bei Calatafimi durchs Handgelenk geſchoſſen wurde, und der Sohn von Daniel Manin, der eine Wunde im Schenkel erhalten hatte. Mit ihnen der Ex-Prieſter Guzmaroli, ein Romagnole, der über Garibaldi mit enthuſiaſtiſcher Hingebung wacht, und mehrere Guiden, zumeiſt aus guten Familien der Lombardei, die eigentlich zu Pferd dienen ſollten, unter den dermaligen Umſtänden aber ſtets zu Fuß in erſter Reihe fechten. Der Interefſanteſten einer war jedenfalls der ſicilianiſche Mönch Frate Pantaleoni, luſtig wie nur ein Mönch des Mittel- alters, aber voll Feuer und Patriotismus, und dabei tapfer wie nur irgend einer. Noch ſtanden da andere Prieſter und Führer aus Palermo bei ihnen im Kreis — geiſtliche Herren inmitten dieſer nichts weniger als katholiſchen Armee, aber ſo ausgezeichnet in ihrer Haltung daß ſie, und durch ſie ihr Habit ſelbſt, von den wildeſten Burſchen im Heer geehrt und reſpectirt wurden. Den Mittelpunkt dieſes Kreiſes, dem ſich nun zwei amerikaniſche und drei engliſche Marine-Oſſiciere zugeſellten, bildete ein dampfender Keſſel voll Kalbfleiſch, Zwiebel und Brühe, daneben ein Korb voll friſchen Brodes und ein Faß Marſala-Wein. Das aß mit Gabel und Finger, das trank aus Einem Zinnbecher, jeder einzelne werth einem Murillo als Modell zu dienen. Im Hintergrund die ſicilianiſche Bergkette, ſchön wie die Berge Griechenlands. Ein gar wunderſam ſchönes Bild! Bald kam auch Garibaldi heran, und empfieng ſeine fremden Gäſte mit der ihm eigenthümlichen bezaubernden Einfachheit. Er war gleich bereit Autographe zu verſchenken und alle an ihn gerichtete Fragen freundlich zu beantworten. Erſt als die Gäſte ſich empfohlen, gieng er an ſeine Tagesge- ſchäfte. Es handelte ſich in dieſem Augenblick um nichts geringeres als zu entſcheiden ob noch in dieſer Nacht ein Handſtreich auf Palermo gewagt werden ſolle. So viel ſtand außer Zweifel daß die Neapolitaner am Köder angebiſſen hatten, daß ſie den Rückzug für eine Niederlage und die Zurück- ſendung der Geſchütze für einen Beweis von Entmuthigung hielten. An eine Flankenbewegung nach Miſilmeri ſchienen ſie nun gar nicht zu denken, denn Kundſchafter berichteten daß ſie Piana ſtark beſetzt hielten. Aber ein Angriff auf Palermo war keine Kleinigkeit trotz alle dem. Die beiden einander kreu- zenden Hauptſtraßen der Stadt, die Via di Toledo und die Strada Maqueda, waren gut vertheidigt. Sie b herrſchen die Stadt. Am wenigſten bewacht war noch der untere Stadttheil, weil dieſer unter den Augen des Caſtells und der Kriegsſchiffe liegt. Es gab dort nur einen ſchwachen Poſten zur Bewachung des Thores. Hier wollte Garibaldi eindringen, und ſich Schritt vor Schritt den Weg nach den höher gelegenen Stadtheilen erkämpfen. Das war der Plan den er ſeinen Vertrauten mittheilte. Er wollte nicht den bequemeren Weg längs der See einſchlagen, um unentdeckt ſo nahe als möglich an die Stadt hinanzu- kommen; er bezeichnete die Porta di Termini als den geeignetſten Punkt für einen concentrirten Angriff, und er erwartete viel von der Stadt, die ver- ſprochen hatte ſich bei ſeinem Erſcheinen zu erheben. (Schluß folgt.) Deutſchland. Bayern. ꘉ München, 10 Jun. Der Civilproceßentwurf, der auf die Trennung der Juſtiz von der Verwaltung und dem Inſtitut der No- tariate baſirt, iſt Sr. Maj. dem König bereits vorgelegt worden, und wird nun auch dem Staatsrath zur Begutachtung unterbreitet werden. — Von der telegraphiſchen Nachricht welche die „Pfälzer Ztg.“ aus München gebracht, daß nämlich ein Bundesbeobachtungscorps am Rhein aufgeſtellt werde, weiß man hier auch heute noch nichts. — Heute fand die Nachfeier des Fronleich- namsfeſtes durch Proceſſionen in den verſchiedenen Pfarrbezirken der Vor- ſtädte ſtatt. — Der Berein für Ausbildung der Gewerke zählt nun 1043 Mitglieder, und um den Nachfragen zu genügen, will er ein jedem Gewerbs- mann zugängliches fortlaufendes Werk von ſeinem Zweck entſprechenden Zeichnungsvorlagen im Subſcriptionswege herausgeben. Gewiß ein ver- dienſtliches Unternehmen. — Wie ich erſehe hat ſich in meine Angabe über die Dauer der Urlaubsreiſe des Hrn. Miniſters des Innern ein Schreibfehler ein- geſchlichen. Es ſoll „dreiwöchentlicher“ Urlaub heißen. Preußen. ✸ Köln, 8 Jun. Die „Köln. Ztg.“ machte bekanntlich vor einigen Monaten einen höchſt komiſchen Mißgriff dadurch daß ſie, noch faſt unmittelbar vor dem officiellen Eingeſtändniß der Gelüſte nach Savoyen und Nizza, über diejenigen ſpottete welche die Exiſtenz eines auf dieſe ſchmäh- liche Abtretung bezüglichen geheimen Vertrags behaupteten. Gütiger Gott, dieſer Mann (Louis Napoleon nämlich) ſollte ein Eroberer ſeyn! So unge- fähr waren ihre Worte, worauf dann die bekann ten „Kölniſchen“ Anſchauun- gen mit behaglicher Breite auseinandergeſetzt wurden. Aber gebrannte Kin- der ſcheuen das Feuer! Jetzt meldet ſie ſelbſt das Gerücht: der zweite De- cember beanſpruche die Inſel Sardinien für den Fall daß Sicilien an Pie- mont komme. Sie ſetzt hinzu: man dürfe im Hinblick auf die Borgänge mit Savoyen und Nizza das Gerücht, wenn es auch nur ein ſolches ſey, nicht unbeachtet laſſen. Ja wohl! Wie gut wäre es geweſen wenn man nicht lei- der ſo vieles ſchon unbeachtet gelaſſen hätte! Doch das iſt vorbei. Jetzt handelt es ſich darum daß alle Deutſchen die ihr Vaterland lieben in Ein- tracht zuſammenhalten; ſo wollen wir auch nicht mit der Kölniſchen Zeitung rechten, und nur wünſchen daß die Einſicht welche ſie endlich gewinnen mag, bald anfange weniger „Kölniſch“ zu ſeyn als bisher. Uebrigens findet man in den andern kleinern hier erſcheinenden Blättern gerade das Gegentheil derjenigen eigenthümlichen Auffaſſung die in dem Artikel „Alle Welt wird Kölniſch“ im vorigen Sommer ſo ſelbſtgefällig präconiſirt wurde. — Da Köln in vielfachem Verkehr mit Belgien ſteht, ſo hat man hier öfters Gele- genheit von dort etwas zu erfahren. Nach allen Nachrichten muß es dort bereits, und namentlich in Lüttich, von bonapartiſtiſchen Emiſſären wimmeln, die durch ihre Geſpräche an allen öffentlichen Orten das Publicum mit dem Gedanken an die Annexion vertraut machen. Hier merkt man noch nichts von ſolchen Sendlingen der „Civiliſation“ — aus dem einfachen Grunde weil hier für ſie gar keine Ausſicht auf Erfolg vorhanden iſt. Warum ſollte ſich der zweite December auch die Mühe geben noch einmal ein Poſſenſpiel, wie in Nizza, in Scene zu ſetzen? ein Spiel welches ſogar das Organ von Palmerſton, als mit falſchen Karten und Würfeln gewonnen, bezeichnet! In Belgien, das mehr als zuviel franzöſiſirt iſt, läßt ſich das Spiel möglicherweiſe mit Beibehaltung des Scheins der Ehrlichkeit gewinnen — denn allzuviel kann man wohl nicht auf Belgien bauen; auf dem deutſchen linken Rheinufer aber würde man nicht einmal eine Komödie nach Art der in Nizza geſpielten zu Stande bringen. Wie ein rheiniſches Blatt treffend ſagt: Nicht einmal die Statiſten würden auf die Beine zu bringen ſeyn! Leider nur verſteht die preußiſche Regierung in keiner Weiſe den ächt deutſchen, nicht ſpeciſiſch oder gar dynaſtiſch preußiſchen, Sinn der Rheinländer zu behandeln. Sie weiß es nicht, oder thut als wüßte ſie nicht, daß bei aller Achtung vor den

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 163, 11. Juni 1860, S. 2714. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine163_1860/2>, abgerufen am 03.12.2024.