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Allgemeine Zeitung, Nr. 163, 11. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] preußischen Farben doch die schwarz-roth-goldne Fahne unserm Herzen un-
endlich näher ist.

Zu dem Congres archeologique de France,
dessen Sitzungen bekanntlich vom 16 bis 23 oder 25 August in Dünkirchen
statthaben werden, haben sich jetzt bereits über 342 Alterthums-, Geschichts-
und Sprachforscher etc., wie wir einem Schreiben aus Dünkirchen entnehmen,
gemeldet. An deutsche Männer der Wissenschaft ist eine sehr freundliche
Einladung ergangen. Durch eine Verfügung der belgischen Regierung vom
23 Mai d. J. wird für diejenigen Gelehrten welche dem obengedachten Con-
greß beiwohnen werden, auf allen Eisenbahnlinien Belgiens eine Ermäßi-
gung von 50 Procent des gewöhnlichen Fahrpreises eintreten, falls sie sich
durch die vom Generalsecretariat des Congresses übermittelte Karte als Mit-
glied des Congresses ausweisen. Dieselbe Ermäßigung sindet auch auf den
französischen Eisenbahnlinien statt. Zu dem bereits übersandten Programm
ist den Eingeladenen noch eine Ergänzung hinsichtlich der zu verhandelnden
Fragen zugeschickt worden.

Oesterreich.

Wien hat einen tüchtigen Naturforscher
und einen ehrenhaften Mann, Bincenz Kollar, verloren. Er starb im 63sten
Jahre seines Lebens, und war nicht bloß unter seinen Fachgenossen, den Zoo-
logen, sondern auch in weiteren Kreisen als Vorstand und Custos des k. k. zoo-
logischen Hofcabinets bekannt. Die Stelle, welche er mit rühmlichem Eifer
und großer Gewissenhaftigkeit versah, wird unsere Naturforscher in Bewegung
setzen; denn dieser Posten verlangt nicht nur einen unantastbaren Charakter,
sondern auch einen Gelehrten der in seinem Fach auf der Höhe der Wissen-
schaft steht, und das kostbare Material das der kaiserliche Hof in dieser Samm-
lung besitzt auch zum Nutzen der Wissenschaft auszubeuten versteht. -- Die
von Ihnen jüngst gebrachte Nachricht daß die ethnographischen brasilischen
Sammlungen durch die vieljährige Haft nichts gelitten haben, erregte hier
eben so viel Verwunderung als Befriedigung. Man fragt nur warum nicht
das Local des Augartens, wo jetzt die "Novara"-Sammlung aufgestellt ist,
benutzt wurde, und hofft daß die betreffenden Hofbehörden, denen die einge-
packten Sammlungen unterstehen, jetzt wenigstens werden der Wissenschaft
und der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wien ist nicht so reich an
Sammlungen, daß es gleichgültig nach zwei oder drei Decennien dem Ver-
packungssystem von wissenschaftlichen Sammlungen zusehen könnte. -- Der
Vortrag des Prof. Weinhold, den dieser Gelehrte in der feierlichen Sitzung
der kaiserl. Akademie der Wissenschaften als ihr ordentliches Mitglied am
30 Mai gehalten hat, ist mit allgemeinem Beifall aufgenommen worden, so
auch die Nachricht daß eine von der Akademie ausgeschriebene Preisfrage ge-
nügend gelöst wurde. Der Preisträger ist Dr. Uiberweg, Docent in Bonn;
der Gegenstand der Frage: die Zeitfolge der Platonischen Dialoge.

Das Fronleichnamsfest zählt zu jenen imposanten
katholischen Festen bei welchen die Herrscher des österreichischen Kaiserhauses
ihre Ehrfurcht vor den Dienern der Kirche offen an den Tag legen, und dem
ersten Würdenträger derselben willig und gern den Vorrang einräumen. In
dem glänzenden Zuge, der alles in sich vereinigt was Oesterreich an Männern
von hervorragender Geburt und an höheren Militär- und Civilpersonen be-
sitzt, gehen der Kaiser und die Kaiserin entblößten Hauptes hinter dem Baldachin
des Erzbischofs. In den vier Zelten in welchen die Evangelien gelesen werden,
kniet das Kaiserpaar im Moment wo der Kirchenfürst den Segeusspruch er-
hebt fromm und gläubig nieder, und verrichtet seine Andacht vor den Tausenden
die herbeiströmen um Zeuge dieses Schauspiels zu seyn. Der Kaiser
ist seit dem vorjährigen Feldzug offenbar männlich kräftiger, aber auch ern-
ster geworden, während die im Schmuck jugendlicher Anmuth und Schön-
heit strahlende Kaiserin durch ihren Liebreiz die Menge bezaubert. Sie fuhr
in einem achtspännigen vergoldeten Wagen und trug ein goldgesticktes weißes
Atlaßkleid, das ihre majestätische Gestalt wunderbar hervorhob. In dem blon-
den Haar glänzte ein kostbares Diadem, das die an ein einfaches Wesen ge-
wohnte hohe Frau aber nur bei außerordentlichen Veranlassungen trägt und
man hält bei uns am Hofe überhaupt noch immer an jener bürgerlich-ehren-
haften Einfachheit fest welche dem Privatleben der kaiserl. Familie im allge-
meinen zur wahren Zierde gereicht. In der Reihe kostbarer Uniformen die
dem jugendlichen Monarchen zur Seite giengen, fehlten dießmal die malerischen
Trachten der Magnaten fast gänzlich, was von den Wienern, die ihre Vorliebe
für die stattlichen Magnaten nicht in Abrede stellen wollen, sehr stark vermißt
wurde. Auch die seit der Einführung der Gewerbefreiheit aufgelösten Zünfte
waren dießmal nicht vertreten, und ist somit, nachdem seit dem Jahr 1848
auch die bürgerlichen Schützen und Cavalleristen verschwunden, das bürgerliche
Element in dem Zuge nur noch durch den Gemeinderath vertreten. Die
heiterste Witterung begünstigte diese Feierlichkeit, welche um 11 Uhr ohne
allen Unfall zu Ende gieng, worauf sich der Kaiser wieder in der vorigen
Weise in die Hofburg zurückzog.

Im Ministerium wird mit Ernst und regem Eifer
an der baldigen Einführung der Provincialverfassungen gearbeitet. Zunächst
dürfte das Tiroler Landesstatut, für welches die umfassendsten Vorarbeiten
[Spaltenumbruch] und Berathungsergebnisse vorliegen, zur Veröffentlichung gelangen. Dem
Landtag werden in allen innern Landesangelegenheiten umfassende Befugnisse
eingeräumt; ständischer Beirath zu allen Landesgesetzen, unabhängige Ver-
waltung des Landesvermögens, der Landesschuld und der Landesinstitute ohne
irgend welche Ingerenz der politischen Behörden, selbständige Wahl des Landes-
hauptmanns, unbeschränktes Petitionsrecht in Provincial und Reichsangelegen-
heiten, endlich volle Oeffentlichkeit der Verhandlungen werden die Hauptpunkte
der Magna charta Tirols bilden. Wichtig scheint die Stellung des Landes-
hauptmanns zu werden; denn selbst die Wahlen zum Landtag sollen, wie in
alter Zeit, von dem Landeshauptmann und den von ihm bestellten Organen
geleitet werden. Darin mag auch der Grund zu suchen seyn daß der erste
Landeshauptmann zum Vollzug dieser Functionen durch kaiserliche Ernennung
bestellt werden wird. Es verdient hervorgehoben zu werden daß die Befähigung
zu dieser Würde nicht an den Herrn- und Ritterstand geknüpft wird. Durch
diese Bestimmungen werden die Wünsche des Laades nach den Anträgen des
Landtagsausschusses in einem ausgedehnten Maße befriedigt. Nur über die
Zusammensetzung des Landtags selbst scheint noch keine desinitive Entscheidung
festgestellt zu seyn, da sich hierüber das Votum des Landtagsausschusses und
die in der Presse wie in den Petitionen der Handelskammern ausgesprochenen
Wünsche scharf gegenüberstehen.

Die Oester. Ztg. schreibt aus Anlaß der Wahl
der Budgetcommission: Im ganzen hat die Wahl gezeigt daß unter den ver-
schiedenen Parteischattirungen ein versöhnlicher Geist herrsche, und daß man
allseitig bemüht ist sich entgegenzukommen. Einstweilen zeigen sich besonders
zwei Gruppirungen, darin die eine mehr das bürgerlich-liberale Element um-
faßt, und deren Mitglieder ihre Besprechungen vornehmlich bei einem der
Reichsräthe in seiner Privatwohnung in der Kärnthnerstraße halten, während
die andere Gruppe, mehr aristokratischen Geistes, ihre Versammlungen im
Hotel Munsch hält, zu welchem Zweck sie daselbst ein ziemlich geräumiges
Local gemiethet hat. Die ungarischen Reichsräthe schließen sich zumeist dieser
Gruppe an, bilden jedoch auch unter sich eine Partei, welche, wie es scheint,
über ein gewisses Programm übereingekommen ist, durch welches ein Mini-
mum von autonomischen Rechten festgestellt wird, das sie ihrem Kronland
vorbehalten wissen wollen. Es sind durchwegs geist- und kenntnißreiche
Männer, und sie geben fortwährend Versicherungen ihrer Versöhnlichkeit und
ihrer Tendenz mit allen Theilen der Monarchie vereint zu stehen. Ob die
Statute für die Landesvertretungen dem Reichsrath vorgelegt werden, ist nicht
bekannt. Viele Mitglieder, namentlich der liberalen Richtung, erkennen es
jedoch als wünschenswerth an daß wenigstens die Grundsätze nach denen bei
deren Ausarbeitung vorgegangen wird, vor das Centralorgan gebracht wer-
den möchten, da ohnedieß auch die Richtigstellung des Budgets nur einen
vorübergehenden Charakter haben kann, solange nicht bekannt ist was Landes-
und was Reichsangelegenheit ist. Gewiß ist nur daß an diesen Statuten
emsig gearbeitet wird, und sollen hie und da Reichsräthe aus verschiedenen
Ländern eingeladen worden seyn ihren Rath zu ertheilen. Für den Lauf der
nächsten Tage wird also die Thätigkeit des Reichsraths zumeist auf die Comites
sich beschränken, und erst später in pleno die Discussion an Interesse ge-
winnen.

Die Berathungen über den künftigen Organismus der protestantischen
Gemeinden in den dentsch-slavischen Provinzen sind nach der Oesterr. Ztg.
bereits zum Abschluß gekommen. Die Vorlage des dießfälligen Entwurfs an
das Ministerium des Cultus dürste im Laufe der nächsten Woche erfolgen.
Im Hinblick auf die jüngsten in Ungarn gemachten Erfahrungen dürfte es
wohl am zweckmäßigsten seyn den dießfälligen Entwurf vor endgültiger Ent-
scheidung über denselben der Oeffentlichkeit zu übergeben, und so auch der
Presse die Möglichkeit einer bescheidenen Begutachtung zu erschließen.

Die amtliche Prager Ztg. erwähnt eine kaiserliche Entschließung, durch
welche angeordnet ist daß für das der Statthalterei in Venedig dermal unter-
geordnete Verwaltungsgebiet im gesammten Geschäftsverkehr aller Behörden
fortan die Bezeichnung "lombardisch-venetianisches Königreich" gebraucht
werde.

Schweiz.

In der zu Mailand erscheinenden "Perseveranza"
macht der Ingenieur Salis, ein Graubündner, den Vorschlag vom Lukmanier
abzustehen, und dafür den Septimer zu durchbohren. "Der Lukmanier," sagt
er, "paßte zum frühern Piemont; man kannte schon damals bessere Ueber-
gänge, aber sie waren alle in den Händen Oesterreichs. Ein Hauptübelstand
des Lukmaniers ist daß er die Bahn zu viel über fremden (schweizerischen)
Boden zieht. Dieser Uebelstand fällt nicht nur weg, sondern schlägt zum ent-
sprechenden Vortheil der Lombardei um wenn man, statt Arona die Stadt
Como zum Ausgangspunkt nach der Schweiz annimmt, dem rechten User des
Comersees nachgeht, durch das Merathal nach Cleven gelangt, nach Osten
einbiegt, bei Castasegna auf schweizerisches Gebiet übergeht, den Septimer
durchbricht und durch das Oberhalbsiein nach Chur gelangt." Daß diese
Richtung der Lombardei große Vortheile bringen würde, leuchtet allerdings

[Spaltenumbruch] preußiſchen Farben doch die ſchwarz-roth-goldne Fahne unſerm Herzen un-
endlich näher iſt.

Zu dem Congrès archéologique de France,
deſſen Sitzungen bekanntlich vom 16 bis 23 oder 25 Auguſt in Dünkirchen
ſtatthaben werden, haben ſich jetzt bereits über 342 Alterthums-, Geſchichts-
und Sprachforſcher ꝛc., wie wir einem Schreiben aus Dünkirchen entnehmen,
gemeldet. An deutſche Männer der Wiſſenſchaft iſt eine ſehr freundliche
Einladung ergangen. Durch eine Verfügung der belgiſchen Regierung vom
23 Mai d. J. wird für diejenigen Gelehrten welche dem obengedachten Con-
greß beiwohnen werden, auf allen Eiſenbahnlinien Belgiens eine Ermäßi-
gung von 50 Procent des gewöhnlichen Fahrpreiſes eintreten, falls ſie ſich
durch die vom Generalſecretariat des Congreſſes übermittelte Karte als Mit-
glied des Congreſſes ausweiſen. Dieſelbe Ermäßigung ſindet auch auf den
franzöſiſchen Eiſenbahnlinien ſtatt. Zu dem bereits überſandten Programm
iſt den Eingeladenen noch eine Ergänzung hinſichtlich der zu verhandelnden
Fragen zugeſchickt worden.

Oeſterreich.

Wien hat einen tüchtigen Naturforſcher
und einen ehrenhaften Mann, Bincenz Kollar, verloren. Er ſtarb im 63ſten
Jahre ſeines Lebens, und war nicht bloß unter ſeinen Fachgenoſſen, den Zoo-
logen, ſondern auch in weiteren Kreiſen als Vorſtand und Cuſtos des k. k. zoo-
logiſchen Hofcabinets bekannt. Die Stelle, welche er mit rühmlichem Eifer
und großer Gewiſſenhaftigkeit verſah, wird unſere Naturforſcher in Bewegung
ſetzen; denn dieſer Poſten verlangt nicht nur einen unantaſtbaren Charakter,
ſondern auch einen Gelehrten der in ſeinem Fach auf der Höhe der Wiſſen-
ſchaft ſteht, und das koſtbare Material das der kaiſerliche Hof in dieſer Samm-
lung beſitzt auch zum Nutzen der Wiſſenſchaft auszubeuten verſteht. — Die
von Ihnen jüngſt gebrachte Nachricht daß die ethnographiſchen braſiliſchen
Sammlungen durch die vieljährige Haft nichts gelitten haben, erregte hier
eben ſo viel Verwunderung als Befriedigung. Man fragt nur warum nicht
das Local des Augartens, wo jetzt die „Novara“-Sammlung aufgeſtellt iſt,
benutzt wurde, und hofft daß die betreffenden Hofbehörden, denen die einge-
packten Sammlungen unterſtehen, jetzt wenigſtens werden der Wiſſenſchaft
und der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wien iſt nicht ſo reich an
Sammlungen, daß es gleichgültig nach zwei oder drei Decennien dem Ver-
packungsſyſtem von wiſſenſchaftlichen Sammlungen zuſehen könnte. — Der
Vortrag des Prof. Weinhold, den dieſer Gelehrte in der feierlichen Sitzung
der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften als ihr ordentliches Mitglied am
30 Mai gehalten hat, iſt mit allgemeinem Beifall aufgenommen worden, ſo
auch die Nachricht daß eine von der Akademie ausgeſchriebene Preisfrage ge-
nügend gelöst wurde. Der Preisträger iſt Dr. Uiberweg, Docent in Bonn;
der Gegenſtand der Frage: die Zeitfolge der Platoniſchen Dialoge.

Das Fronleichnamsfeſt zählt zu jenen impoſanten
katholiſchen Feſten bei welchen die Herrſcher des öſterreichiſchen Kaiſerhauſes
ihre Ehrfurcht vor den Dienern der Kirche offen an den Tag legen, und dem
erſten Würdenträger derſelben willig und gern den Vorrang einräumen. In
dem glänzenden Zuge, der alles in ſich vereinigt was Oeſterreich an Männern
von hervorragender Geburt und an höheren Militär- und Civilperſonen be-
ſitzt, gehen der Kaiſer und die Kaiſerin entblößten Hauptes hinter dem Baldachin
des Erzbiſchofs. In den vier Zelten in welchen die Evangelien geleſen werden,
kniet das Kaiſerpaar im Moment wo der Kirchenfürſt den Segeusſpruch er-
hebt fromm und gläubig nieder, und verrichtet ſeine Andacht vor den Tauſenden
die herbeiſtrömen um Zeuge dieſes Schauſpiels zu ſeyn. Der Kaiſer
iſt ſeit dem vorjährigen Feldzug offenbar männlich kräftiger, aber auch ern-
ſter geworden, während die im Schmuck jugendlicher Anmuth und Schön-
heit ſtrahlende Kaiſerin durch ihren Liebreiz die Menge bezaubert. Sie fuhr
in einem achtſpännigen vergoldeten Wagen und trug ein goldgeſticktes weißes
Atlaßkleid, das ihre majeſtätiſche Geſtalt wunderbar hervorhob. In dem blon-
den Haar glänzte ein koſtbares Diadem, das die an ein einfaches Weſen ge-
wohnte hohe Frau aber nur bei außerordentlichen Veranlaſſungen trägt und
man hält bei uns am Hofe überhaupt noch immer an jener bürgerlich-ehren-
haften Einfachheit feſt welche dem Privatleben der kaiſerl. Familie im allge-
meinen zur wahren Zierde gereicht. In der Reihe koſtbarer Uniformen die
dem jugendlichen Monarchen zur Seite giengen, fehlten dießmal die maleriſchen
Trachten der Magnaten faſt gänzlich, was von den Wienern, die ihre Vorliebe
für die ſtattlichen Magnaten nicht in Abrede ſtellen wollen, ſehr ſtark vermißt
wurde. Auch die ſeit der Einführung der Gewerbefreiheit aufgelösten Zünfte
waren dießmal nicht vertreten, und iſt ſomit, nachdem ſeit dem Jahr 1848
auch die bürgerlichen Schützen und Cavalleriſten verſchwunden, das bürgerliche
Element in dem Zuge nur noch durch den Gemeinderath vertreten. Die
heiterſte Witterung begünſtigte dieſe Feierlichkeit, welche um 11 Uhr ohne
allen Unfall zu Ende gieng, worauf ſich der Kaiſer wieder in der vorigen
Weiſe in die Hofburg zurückzog.

Im Miniſterium wird mit Ernſt und regem Eifer
an der baldigen Einführung der Provincialverfaſſungen gearbeitet. Zunächſt
dürfte das Tiroler Landesſtatut, für welches die umfaſſendſten Vorarbeiten
[Spaltenumbruch] und Berathungsergebniſſe vorliegen, zur Veröffentlichung gelangen. Dem
Landtag werden in allen innern Landesangelegenheiten umfaſſende Befugniſſe
eingeräumt; ſtändiſcher Beirath zu allen Landesgeſetzen, unabhängige Ver-
waltung des Landesvermögens, der Landesſchuld und der Landesinſtitute ohne
irgend welche Ingerenz der politiſchen Behörden, ſelbſtändige Wahl des Landes-
hauptmanns, unbeſchränktes Petitionsrecht in Provincial und Reichsangelegen-
heiten, endlich volle Oeffentlichkeit der Verhandlungen werden die Hauptpunkte
der Magna charta Tirols bilden. Wichtig ſcheint die Stellung des Landes-
hauptmanns zu werden; denn ſelbſt die Wahlen zum Landtag ſollen, wie in
alter Zeit, von dem Landeshauptmann und den von ihm beſtellten Organen
geleitet werden. Darin mag auch der Grund zu ſuchen ſeyn daß der erſte
Landeshauptmann zum Vollzug dieſer Functionen durch kaiſerliche Ernennung
beſtellt werden wird. Es verdient hervorgehoben zu werden daß die Befähigung
zu dieſer Würde nicht an den Herrn- und Ritterſtand geknüpft wird. Durch
dieſe Beſtimmungen werden die Wünſche des Laades nach den Anträgen des
Landtagsausſchuſſes in einem ausgedehnten Maße befriedigt. Nur über die
Zuſammenſetzung des Landtags ſelbſt ſcheint noch keine deſinitive Entſcheidung
feſtgeſtellt zu ſeyn, da ſich hierüber das Votum des Landtagsausſchuſſes und
die in der Preſſe wie in den Petitionen der Handelskammern ausgeſprochenen
Wünſche ſcharf gegenüberſtehen.

Die Oeſter. Ztg. ſchreibt aus Anlaß der Wahl
der Budgetcommiſſion: Im ganzen hat die Wahl gezeigt daß unter den ver-
ſchiedenen Parteiſchattirungen ein verſöhnlicher Geiſt herrſche, und daß man
allſeitig bemüht iſt ſich entgegenzukommen. Einſtweilen zeigen ſich beſonders
zwei Gruppirungen, darin die eine mehr das bürgerlich-liberale Element um-
faßt, und deren Mitglieder ihre Beſprechungen vornehmlich bei einem der
Reichsräthe in ſeiner Privatwohnung in der Kärnthnerſtraße halten, während
die andere Gruppe, mehr ariſtokratiſchen Geiſtes, ihre Verſammlungen im
Hôtel Munſch hält, zu welchem Zweck ſie daſelbſt ein ziemlich geräumiges
Local gemiethet hat. Die ungariſchen Reichsräthe ſchließen ſich zumeiſt dieſer
Gruppe an, bilden jedoch auch unter ſich eine Partei, welche, wie es ſcheint,
über ein gewiſſes Programm übereingekommen iſt, durch welches ein Mini-
mum von autonomiſchen Rechten feſtgeſtellt wird, das ſie ihrem Kronland
vorbehalten wiſſen wollen. Es ſind durchwegs geiſt- und kenntnißreiche
Männer, und ſie geben fortwährend Verſicherungen ihrer Verſöhnlichkeit und
ihrer Tendenz mit allen Theilen der Monarchie vereint zu ſtehen. Ob die
Statute für die Landesvertretungen dem Reichsrath vorgelegt werden, iſt nicht
bekannt. Viele Mitglieder, namentlich der liberalen Richtung, erkennen es
jedoch als wünſchenswerth an daß wenigſtens die Grundſätze nach denen bei
deren Ausarbeitung vorgegangen wird, vor das Centralorgan gebracht wer-
den möchten, da ohnedieß auch die Richtigſtellung des Budgets nur einen
vorübergehenden Charakter haben kann, ſolange nicht bekannt iſt was Landes-
und was Reichsangelegenheit iſt. Gewiß iſt nur daß an dieſen Statuten
emſig gearbeitet wird, und ſollen hie und da Reichsräthe aus verſchiedenen
Ländern eingeladen worden ſeyn ihren Rath zu ertheilen. Für den Lauf der
nächſten Tage wird alſo die Thätigkeit des Reichsraths zumeiſt auf die Comités
ſich beſchränken, und erſt ſpäter in pleno die Discuſſion an Intereſſe ge-
winnen.

Die Berathungen über den künftigen Organismus der proteſtantiſchen
Gemeinden in den dentſch-ſlaviſchen Provinzen ſind nach der Oeſterr. Ztg.
bereits zum Abſchluß gekommen. Die Vorlage des dießfälligen Entwurfs an
das Miniſterium des Cultus dürſte im Laufe der nächſten Woche erfolgen.
Im Hinblick auf die jüngſten in Ungarn gemachten Erfahrungen dürfte es
wohl am zweckmäßigſten ſeyn den dießfälligen Entwurf vor endgültiger Ent-
ſcheidung über denſelben der Oeffentlichkeit zu übergeben, und ſo auch der
Preſſe die Möglichkeit einer beſcheidenen Begutachtung zu erſchließen.

Die amtliche Prager Ztg. erwähnt eine kaiſerliche Entſchließung, durch
welche angeordnet iſt daß für das der Statthalterei in Venedig dermal unter-
geordnete Verwaltungsgebiet im geſammten Geſchäftsverkehr aller Behörden
fortan die Bezeichnung „lombardiſch-venetianiſches Königreich“ gebraucht
werde.

Schweiz.

In der zu Mailand erſcheinenden „Perſeveranza“
macht der Ingenieur Salis, ein Graubündner, den Vorſchlag vom Lukmanier
abzuſtehen, und dafür den Septimer zu durchbohren. „Der Lukmanier,“ ſagt
er, „paßte zum frühern Piemont; man kannte ſchon damals beſſere Ueber-
gänge, aber ſie waren alle in den Händen Oeſterreichs. Ein Hauptübelſtand
des Lukmaniers iſt daß er die Bahn zu viel über fremden (ſchweizeriſchen)
Boden zieht. Dieſer Uebelſtand fällt nicht nur weg, ſondern ſchlägt zum ent-
ſprechenden Vortheil der Lombardei um wenn man, ſtatt Arona die Stadt
Como zum Ausgangspunkt nach der Schweiz annimmt, dem rechten Uſer des
Comerſees nachgeht, durch das Merathal nach Cleven gelangt, nach Oſten
einbiegt, bei Caſtaſegna auf ſchweizeriſches Gebiet übergeht, den Septimer
durchbricht und durch das Oberhalbſiein nach Chur gelangt.“ Daß dieſe
Richtung der Lombardei große Vortheile bringen würde, leuchtet allerdings

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[2715/0003] preußiſchen Farben doch die ſchwarz-roth-goldne Fahne unſerm Herzen un- endlich näher iſt. ≏ Berlin, 8 Jun. Zu dem Congrès archéologique de France, deſſen Sitzungen bekanntlich vom 16 bis 23 oder 25 Auguſt in Dünkirchen ſtatthaben werden, haben ſich jetzt bereits über 342 Alterthums-, Geſchichts- und Sprachforſcher ꝛc., wie wir einem Schreiben aus Dünkirchen entnehmen, gemeldet. An deutſche Männer der Wiſſenſchaft iſt eine ſehr freundliche Einladung ergangen. Durch eine Verfügung der belgiſchen Regierung vom 23 Mai d. J. wird für diejenigen Gelehrten welche dem obengedachten Con- greß beiwohnen werden, auf allen Eiſenbahnlinien Belgiens eine Ermäßi- gung von 50 Procent des gewöhnlichen Fahrpreiſes eintreten, falls ſie ſich durch die vom Generalſecretariat des Congreſſes übermittelte Karte als Mit- glied des Congreſſes ausweiſen. Dieſelbe Ermäßigung ſindet auch auf den franzöſiſchen Eiſenbahnlinien ſtatt. Zu dem bereits überſandten Programm iſt den Eingeladenen noch eine Ergänzung hinſichtlich der zu verhandelnden Fragen zugeſchickt worden. Oeſterreich.  Wien, 7 Jun. Wien hat einen tüchtigen Naturforſcher und einen ehrenhaften Mann, Bincenz Kollar, verloren. Er ſtarb im 63ſten Jahre ſeines Lebens, und war nicht bloß unter ſeinen Fachgenoſſen, den Zoo- logen, ſondern auch in weiteren Kreiſen als Vorſtand und Cuſtos des k. k. zoo- logiſchen Hofcabinets bekannt. Die Stelle, welche er mit rühmlichem Eifer und großer Gewiſſenhaftigkeit verſah, wird unſere Naturforſcher in Bewegung ſetzen; denn dieſer Poſten verlangt nicht nur einen unantaſtbaren Charakter, ſondern auch einen Gelehrten der in ſeinem Fach auf der Höhe der Wiſſen- ſchaft ſteht, und das koſtbare Material das der kaiſerliche Hof in dieſer Samm- lung beſitzt auch zum Nutzen der Wiſſenſchaft auszubeuten verſteht. — Die von Ihnen jüngſt gebrachte Nachricht daß die ethnographiſchen braſiliſchen Sammlungen durch die vieljährige Haft nichts gelitten haben, erregte hier eben ſo viel Verwunderung als Befriedigung. Man fragt nur warum nicht das Local des Augartens, wo jetzt die „Novara“-Sammlung aufgeſtellt iſt, benutzt wurde, und hofft daß die betreffenden Hofbehörden, denen die einge- packten Sammlungen unterſtehen, jetzt wenigſtens werden der Wiſſenſchaft und der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wien iſt nicht ſo reich an Sammlungen, daß es gleichgültig nach zwei oder drei Decennien dem Ver- packungsſyſtem von wiſſenſchaftlichen Sammlungen zuſehen könnte. — Der Vortrag des Prof. Weinhold, den dieſer Gelehrte in der feierlichen Sitzung der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften als ihr ordentliches Mitglied am 30 Mai gehalten hat, iſt mit allgemeinem Beifall aufgenommen worden, ſo auch die Nachricht daß eine von der Akademie ausgeſchriebene Preisfrage ge- nügend gelöst wurde. Der Preisträger iſt Dr. Uiberweg, Docent in Bonn; der Gegenſtand der Frage: die Zeitfolge der Platoniſchen Dialoge. ∆ Wien, 7 Jun. Das Fronleichnamsfeſt zählt zu jenen impoſanten katholiſchen Feſten bei welchen die Herrſcher des öſterreichiſchen Kaiſerhauſes ihre Ehrfurcht vor den Dienern der Kirche offen an den Tag legen, und dem erſten Würdenträger derſelben willig und gern den Vorrang einräumen. 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In dem blon- den Haar glänzte ein koſtbares Diadem, das die an ein einfaches Weſen ge- wohnte hohe Frau aber nur bei außerordentlichen Veranlaſſungen trägt und man hält bei uns am Hofe überhaupt noch immer an jener bürgerlich-ehren- haften Einfachheit feſt welche dem Privatleben der kaiſerl. Familie im allge- meinen zur wahren Zierde gereicht. In der Reihe koſtbarer Uniformen die dem jugendlichen Monarchen zur Seite giengen, fehlten dießmal die maleriſchen Trachten der Magnaten faſt gänzlich, was von den Wienern, die ihre Vorliebe für die ſtattlichen Magnaten nicht in Abrede ſtellen wollen, ſehr ſtark vermißt wurde. Auch die ſeit der Einführung der Gewerbefreiheit aufgelösten Zünfte waren dießmal nicht vertreten, und iſt ſomit, nachdem ſeit dem Jahr 1848 auch die bürgerlichen Schützen und Cavalleriſten verſchwunden, das bürgerliche Element in dem Zuge nur noch durch den Gemeinderath vertreten. Die heiterſte Witterung begünſtigte dieſe Feierlichkeit, welche um 11 Uhr ohne allen Unfall zu Ende gieng, worauf ſich der Kaiſer wieder in der vorigen Weiſe in die Hofburg zurückzog. | Wien, 7 Jun. Im Miniſterium wird mit Ernſt und regem Eifer an der baldigen Einführung der Provincialverfaſſungen gearbeitet. Zunächſt dürfte das Tiroler Landesſtatut, für welches die umfaſſendſten Vorarbeiten und Berathungsergebniſſe vorliegen, zur Veröffentlichung gelangen. Dem Landtag werden in allen innern Landesangelegenheiten umfaſſende Befugniſſe eingeräumt; ſtändiſcher Beirath zu allen Landesgeſetzen, unabhängige Ver- waltung des Landesvermögens, der Landesſchuld und der Landesinſtitute ohne irgend welche Ingerenz der politiſchen Behörden, ſelbſtändige Wahl des Landes- hauptmanns, unbeſchränktes Petitionsrecht in Provincial und Reichsangelegen- heiten, endlich volle Oeffentlichkeit der Verhandlungen werden die Hauptpunkte der Magna charta Tirols bilden. Wichtig ſcheint die Stellung des Landes- hauptmanns zu werden; denn ſelbſt die Wahlen zum Landtag ſollen, wie in alter Zeit, von dem Landeshauptmann und den von ihm beſtellten Organen geleitet werden. Darin mag auch der Grund zu ſuchen ſeyn daß der erſte Landeshauptmann zum Vollzug dieſer Functionen durch kaiſerliche Ernennung beſtellt werden wird. Es verdient hervorgehoben zu werden daß die Befähigung zu dieſer Würde nicht an den Herrn- und Ritterſtand geknüpft wird. Durch dieſe Beſtimmungen werden die Wünſche des Laades nach den Anträgen des Landtagsausſchuſſes in einem ausgedehnten Maße befriedigt. Nur über die Zuſammenſetzung des Landtags ſelbſt ſcheint noch keine deſinitive Entſcheidung feſtgeſtellt zu ſeyn, da ſich hierüber das Votum des Landtagsausſchuſſes und die in der Preſſe wie in den Petitionen der Handelskammern ausgeſprochenen Wünſche ſcharf gegenüberſtehen. Wien, 8 Jun. Die Oeſter. Ztg. ſchreibt aus Anlaß der Wahl der Budgetcommiſſion: Im ganzen hat die Wahl gezeigt daß unter den ver- ſchiedenen Parteiſchattirungen ein verſöhnlicher Geiſt herrſche, und daß man allſeitig bemüht iſt ſich entgegenzukommen. Einſtweilen zeigen ſich beſonders zwei Gruppirungen, darin die eine mehr das bürgerlich-liberale Element um- faßt, und deren Mitglieder ihre Beſprechungen vornehmlich bei einem der Reichsräthe in ſeiner Privatwohnung in der Kärnthnerſtraße halten, während die andere Gruppe, mehr ariſtokratiſchen Geiſtes, ihre Verſammlungen im Hôtel Munſch hält, zu welchem Zweck ſie daſelbſt ein ziemlich geräumiges Local gemiethet hat. Die ungariſchen Reichsräthe ſchließen ſich zumeiſt dieſer Gruppe an, bilden jedoch auch unter ſich eine Partei, welche, wie es ſcheint, über ein gewiſſes Programm übereingekommen iſt, durch welches ein Mini- mum von autonomiſchen Rechten feſtgeſtellt wird, das ſie ihrem Kronland vorbehalten wiſſen wollen. Es ſind durchwegs geiſt- und kenntnißreiche Männer, und ſie geben fortwährend Verſicherungen ihrer Verſöhnlichkeit und ihrer Tendenz mit allen Theilen der Monarchie vereint zu ſtehen. Ob die Statute für die Landesvertretungen dem Reichsrath vorgelegt werden, iſt nicht bekannt. Viele Mitglieder, namentlich der liberalen Richtung, erkennen es jedoch als wünſchenswerth an daß wenigſtens die Grundſätze nach denen bei deren Ausarbeitung vorgegangen wird, vor das Centralorgan gebracht wer- den möchten, da ohnedieß auch die Richtigſtellung des Budgets nur einen vorübergehenden Charakter haben kann, ſolange nicht bekannt iſt was Landes- und was Reichsangelegenheit iſt. Gewiß iſt nur daß an dieſen Statuten emſig gearbeitet wird, und ſollen hie und da Reichsräthe aus verſchiedenen Ländern eingeladen worden ſeyn ihren Rath zu ertheilen. Für den Lauf der nächſten Tage wird alſo die Thätigkeit des Reichsraths zumeiſt auf die Comités ſich beſchränken, und erſt ſpäter in pleno die Discuſſion an Intereſſe ge- winnen. Die Berathungen über den künftigen Organismus der proteſtantiſchen Gemeinden in den dentſch-ſlaviſchen Provinzen ſind nach der Oeſterr. Ztg. bereits zum Abſchluß gekommen. Die Vorlage des dießfälligen Entwurfs an das Miniſterium des Cultus dürſte im Laufe der nächſten Woche erfolgen. Im Hinblick auf die jüngſten in Ungarn gemachten Erfahrungen dürfte es wohl am zweckmäßigſten ſeyn den dießfälligen Entwurf vor endgültiger Ent- ſcheidung über denſelben der Oeffentlichkeit zu übergeben, und ſo auch der Preſſe die Möglichkeit einer beſcheidenen Begutachtung zu erſchließen. Die amtliche Prager Ztg. erwähnt eine kaiſerliche Entſchließung, durch welche angeordnet iſt daß für das der Statthalterei in Venedig dermal unter- geordnete Verwaltungsgebiet im geſammten Geſchäftsverkehr aller Behörden fortan die Bezeichnung „lombardiſch-venetianiſches Königreich“ gebraucht werde. Schweiz. ⊕ Bern, 9 Jun. In der zu Mailand erſcheinenden „Perſeveranza“ macht der Ingenieur Salis, ein Graubündner, den Vorſchlag vom Lukmanier abzuſtehen, und dafür den Septimer zu durchbohren. „Der Lukmanier,“ ſagt er, „paßte zum frühern Piemont; man kannte ſchon damals beſſere Ueber- gänge, aber ſie waren alle in den Händen Oeſterreichs. Ein Hauptübelſtand des Lukmaniers iſt daß er die Bahn zu viel über fremden (ſchweizeriſchen) Boden zieht. Dieſer Uebelſtand fällt nicht nur weg, ſondern ſchlägt zum ent- ſprechenden Vortheil der Lombardei um wenn man, ſtatt Arona die Stadt Como zum Ausgangspunkt nach der Schweiz annimmt, dem rechten Uſer des Comerſees nachgeht, durch das Merathal nach Cleven gelangt, nach Oſten einbiegt, bei Caſtaſegna auf ſchweizeriſches Gebiet übergeht, den Septimer durchbricht und durch das Oberhalbſiein nach Chur gelangt.“ Daß dieſe Richtung der Lombardei große Vortheile bringen würde, leuchtet allerdings

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 163, 11. Juni 1860, S. 2715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine163_1860/3>, abgerufen am 01.06.2024.