Allgemeine Zeitung, Nr. 163, 11. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
ein; der Kanton Tessin wäre aber durch sie so gut wie vernichtet, während # Aus der Westschweiz, 8 Jun. Unsere französischen Nach- .. Geuf, 6 Jun. Bei den Planen welche der französische Chauvi- Großbritannien. London, 8 Jun. Die Staatsausgaben Englands haben sich seit dem Jahr 1844 von Die Petition der belgischen Runkelrübenzuckerfabricanten an die königl. "Daß eine solche Idee (der Einverleibung in Frankreich) unter den Belgiern ziemlich (In Londoner Kreisen hört man vielfach mit Bestimmtheit behaupten Da bis zur Stunde von den vermißten Fischerbarken bei Yarmouth jede Frankreich. Paris, 9 Jun. Am 5 fand im Hotel de Ville die erste Versammlung der "Societe de [Spaltenumbruch]
ein; der Kanton Teſſin wäre aber durch ſie ſo gut wie vernichtet, während □ Aus der Weſtſchweiz, 8 Jun. Unſere franzöſiſchen Nach- ‥ Geuf, 6 Jun. Bei den Planen welche der franzöſiſche Chauvi- Großbritannien. London, 8 Jun. Die Staatsausgaben Englands haben ſich ſeit dem Jahr 1844 von Die Petition der belgiſchen Runkelrübenzuckerfabricanten an die königl. „Daß eine ſolche Idee (der Einverleibung in Frankreich) unter den Belgiern ziemlich (In Londoner Kreiſen hört man vielfach mit Beſtimmtheit behaupten Da bis zur Stunde von den vermißten Fiſcherbarken bei Yarmouth jede Frankreich. Paris, 9 Jun. Am 5 fand im Hôtel de Ville die erſte Verſammlung der „Société de <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="2716"/><cb/> ein; der Kanton Teſſin wäre aber durch ſie ſo gut wie vernichtet, während<lb/> Graubünden nichts beſonderes dabei gewinnen würde. — Privatnachrichten<lb/> aus Palermo vom 2 d. zufolge befand ſich Oberſt v. Mechel mit ſeinen zwei<lb/> Söhnen an genanntem Tage unverletzt in dieſer Stadt. Ein anderer ſchwei-<lb/> zeriſcher Officier, Segiſſer, ward durch einen Schuß am Knie verwundet und<lb/> mußte nach Neapel transportirt werden. Oberſt v. Mechel commandirte<lb/> eine Brigade, während das früher von ihm befehligte Jägerbataillon unter<lb/> dem Commando eines Baslers, Namens H. Wieland, des Bruders des eid-<lb/> genöſſiſchen Oberſten Hans Wieland, ſtand. — Dem „National Suiſſe“ ver-<lb/> ſichert man daß der feierliche Einzug der aus Italien zurückkommenden Diviſion<lb/> Bazaine in Paris nur deßwegen unterblieb weil genaue polizeiliche Mitthei-<lb/> lungen keinen Zweifel über die Dispoſition der Pariſer Bevölkerung, nament-<lb/> lich derjenigen der Vorſtädte, laſſen konnten. Man hatte ſich entſchloſſen die<lb/> Soldaten mit dem Ruf „<hi rendition="#aq">Vive Garibaldi!</hi>“ zu begrüßen. Leicht begreiflich<lb/> daß ſolch ein Ruf dem eigentlichen Befreier Italiens in den Tuilerien unan-<lb/> genehm in die Ohren geklungen hätte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>□ <hi rendition="#b">Aus der Weſtſchweiz,</hi> 8 Jun.</dateline> <p>Unſere franzöſiſchen Nach-<lb/> barn ſtutzen ein wenig daß man auch außerhalb Frankreichs revidirte Land-<lb/> karten machen, und dabei Savoyen, Elſaß u. ſ. w. der Eidgenoſſenſchaft und<lb/> dem Oſten zutheilen kann. Ein weſtſchweizeriſches Blatt hat hinzugefügt:<lb/> „Wir haſſen die Franzoſen keineswegs; wir lieben ſie auſrichtig. Aber ge-<lb/> rade darum wünſchen wir daß die große Nation auf ihre wahre Nationalität<lb/> reducirt und dadurch in die Lage verſetzt werde ſich mehr mit ſich ſelbſt als<lb/> mit fremden Völkern zu beſchäftigen, und ſomit eine moraliſche Stärke zu er-<lb/> langen, welche eine Regiererei, wie die gegenwärtige, unmöglich macht.“<lb/> Hinſichtlich der „beruhigenden“ Moniteurnote welche die Schweiz und den<lb/> Savoyerconflict mit keinem Wort erwähnt, und nur mit den fürſtlichen<lb/> Alliirten tractiren will, iſt man hier allgemein der Meinung daß ſie im höch-<lb/> ſten Grade beunruhigen müßte, wären die Verhältniſſe nicht ſchon ſo weit<lb/> vorangerückt daß man das Geſchriebene und Gedruckte, ſo aus den Tuile-<lb/> rien kommt, wenig mehr beachtet. Die Zeit der Phraſen weicht allmählich<lb/> einer andern. — Die eidgenöſſiſche oder antifranzöſiſch geſinnte Oppoſition<lb/> im Kanton Waadt, welche vorzüglich in Vivis, Lauſanne und Nyon wohnt,<lb/> wird ſich zahlreich am Genfer Schützenfeſt betheiligen, zu welchem ſich ein<lb/> ſehr günſtiges Wetter einzuſtellen ſcheint. Aufſehen macht eine mit bekann-<lb/> ter Keckheit verbürgte Pariſer Correſpondenz in der Genfer Revue, wonach<lb/> eine von der preußiſchen Regierung influirte Polenverſchwörung in Paris<lb/> entdeckt worden wäre. Die Redaction ſelber meint: es könnte das nur eine<lb/> der wohlfeilen Jntriguen ſeyn, deren ſich der Bonapartismus bedient, um gegen<lb/> Deutſchland aufzuregen. Dem zweiten December iſt alles derartige bis zum<lb/> Abrechnungstag nachzuſehen; daß ſich aber deutſche Federn zur Handlangerei<lb/> der ſchamloſeſten Lügen erniedrigen, verdient ſchon jetzt vorgemerkt zu wer-<lb/> den. Das Gerücht vom Untergang einer mit Savoyarden angefüllten Barke<lb/> muß dahin berichtigt werden daß vier dem Tode des Ertrinkens nahe Per-<lb/> ſonen durch den Muth einiger Matroſen gerettet wurden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">‥ Geuf,</hi> 6 Jun.</dateline> <p>Bei den Planen welche der franzöſiſche Chauvi-<lb/> nismus gegen das Ausland zu ſchmieden ſcheint, iſt es von Wichtigkeit die<lb/> eigentliche Volksſtimmung in Frankreich kennen zu lernen. Von einem mit<lb/> den Verhältniſſen eben ſo genau bekannten wie zuverläſſigen Freund vernehm’<lb/> ich z. B. daß im Südoſten Frankreichs von einem Enthuſiasmus für etwaige<lb/> Eroberungsgelüſte der Regierung auch nicht die geringſte Spur zu entdecken<lb/> ſey. Im Gegentheil erkläre ſowohl in Marſeille wie in Lyon die geſammte<lb/> Geſchäftswelt, einſchließlich des Arbeiterſtandes, daß ſie einen neuen Krieg ver-<lb/> abſchenen würde, und daß ſie vielmehr das einzige Heil Frankreichs im<lb/> Frieden mit ſeinen Nachbarn erblicke. Die öffentliche Meinung äußere ſich<lb/> in dieſer Richtung trotz aller Machinationen der chauviniſtiſchen Agenten<lb/> immer entſchiedener und unverhohlener. In den beiden genannten großen<lb/> Städten ſoll überhaupt eine große Neigung zur Oppoſition hervortreten, die<lb/> auch bei der Anweſenheit des Staatsoberhaupts in Lyon ſich in der Haltung<lb/> der Bevölkerung zu erkennen gab. Statt des von den Zeitungen gemeldeten<lb/> begeiſterten Empfangs des Kaiſers herrſchte vielmehr während der ganzen<lb/> Fahrt durch die Stadt eine ſtumme und gleichgültige Ruhe, die über die<lb/> Stimmung der Bevölkerung keinen Zweifel laſſen konnte. Nur vor dem<lb/> Stadthaus, wo die Claque gut vertheilt war, kam ein gewiſſer Schwung in<lb/> das „<hi rendition="#aq">vive l’empereur!</hi>“ Die politiſchen Induſtrieritter vom Orden des<lb/> heil. Chauvin werden natürlich einſtweilen nach der Volksſtimmung wenig<lb/> fragen, und, ſolange ſie die Hauptſtadt und die Armee für ſich haben, ihre<lb/> eigennützigen Plane keck verfolgen; iſt doch Savoyen und Nizza zu klein und<lb/> zu arm alle Anſprüche zu befriedigen. Dennoch ſind jene Symptome der<lb/> Volksſtimmung in Frankreich intereſſant genug. Hatte man ſich doch in<lb/> Europa allmählich daran gewöhnt anzunehmen daß es außer der chauvini-<lb/> ſtiſchen in Frankreich keine andere politiſche Meinung mehr gebe. — Groß-<lb/> fürſtin Helene von Rußland reist heute von Genf ab.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 8 Jun.</dateline> <p>Die Staatsausgaben Englands haben ſich ſeit dem Jahr 1844 von<lb/><cb/> 50,647,648 Pf. St. auf 63,679,674 Pf. St. gehoben. Am größten waren<lb/> ſie, von wegen des ruſſiſchen Kriegs, im J. 1855: nämlich 84,505,788 Pf. St.<lb/> Sie betrugen im J. 1856 78,113,035 Pf. St.; im J. 1857 66,019,958<lb/> Pf. St.; im J. 1858 60,684,898 Pf. St., und im J. 1859 63,679,684 Pf. St.<lb/> Die Nationalſchuld, die im J. 1859 um 14,851,091 Pf. St. größer war als<lb/> im J. 1844, koſtete an Intereſſen und Verwaltung im letztgenannten Jahre<lb/> doch viel mehr, nämlich 30,495,459 Pf. St. gegen 28,372,416 im J. 1859.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Die Petition der belgiſchen Runkelrübenzuckerfabricanten an die königl.<lb/> Regierung wird von <hi rendition="#g">Daily News</hi> — einem Blatt das wahrlich keine<lb/> Händel mit Frankreich ſucht — als eine Eingebung franzöſiſcher Agenten<lb/> und als ein neues Symptom bonapartiſtiſcher Wühlereien angeſehen. <hi rendition="#g">Daily<lb/> News</hi> vertraut übrigens dem Tact des Königs Leopold, der ſchon ſo manche<lb/> Gefahr beſchwor, und dem geſunden Patriotismus des belgiſchen Volkes.<lb/> Wenn auch einige „zuckerige Patrioten“ nichts höheres als ihren pecuniären<lb/> Gewinn kennen, ſo ſinde man im ganzen die Preſſe und öffentliche Meinung<lb/> Belgiens vom wackerſten Nationalſinn beſeelt. — Hiegegen höre man das bona-<lb/> partiſtiſche <hi rendition="#g">Chronicle:</hi></p><lb/> <cit> <quote>„Daß eine ſolche Idee (der Einverleibung in Frankreich) unter den Belgiern ziemlich<lb/> weit verbreitet iſt, läßt ſich nicht beſtreiten. Vor ein oder zwei Monaten erhielten wir ſelbſt<lb/> eine Mittheilung aus Brüſſel worin es hieß: der König ſey vor kurzem mit der Mei-<lb/> nung herausgeplatzt daß ſeine Unterthanen, falls die Frage zur Abſtimmung käme, ſich<lb/> zu Gunſten einer ſolchen Einverleibung entſcheiden würden. Wenn wir das Factum<lb/> jetzt erwähnen, ſo geſchieht es weil die Frage von unſern Zeitgenoſſen in London<lb/> und Brüſſel zwanglos erörtert, und außerdem in den belgiſchen Kammern förmlich<lb/> vorgebracht wurde. Die Geſchichte von franzöſiſchem Agenteneinfluß iſt aber nichts<lb/> als eine Zeitungsente. Die Agenten welche mit der Einverleibungsidee Propaganda<lb/> machen, ſind Belgier, und die Gründe warum die Idee der Bevölkerung zuſagt,<lb/> ſind ebenfalls belgiſch. Einiges mag hierzu die Unpopularität (!) des Krouprin-<lb/> zen beitragen. Ein halber Oeſterreicher vermöge ſeiner Heirath und ein glühender<lb/> Ultramontaner (?), wie er iſt, wird der Herzog von Brabant von einem Gemein-<lb/> weſen das in ſeiner Loyalität gegen den König Leopold nie geſchwankt hat,<lb/> mit Mißtrauen und Abneigung betrachtet. Es gibt aber noch ſtärkere Gründe.<lb/> Die Belgier, die ein <hi rendition="#aq">par excellence</hi> gewerbfleißiges und handeltreibendes Bolk<lb/> ſind, blicken mit Neid auf die Anzeichen raſchen Fortſchritts und materieller<lb/> Wohlfahrt deren ſich die Unterthanen des Kaiſers Napoleon, Dank ſeiner weiſen Politik,<lb/> erfreuen; und da eine Idee zur andern führt, fangen ſie allmählich zu bedauern an daß<lb/> die Exiſtenz einer rein künſtlichen Gränze ihnen den Mitgenuß ſolcher Segnungen verbietet.<lb/> Dieſer Stimmung nun hat die Petition der belgiſchen Runkelrübenzuckerfabricanten<lb/> bezeichnenden Ausdruck geliehen. Ihre Bemerkungen athmen ſonder Zweifel einen<lb/> ſtarken und ſelbſt verwegenen Anſchlußgeiſt, aber ſie ſind nur der <hi rendition="#g">natürliche</hi><lb/> Ausdruck einer <hi rendition="#g">ſehr natürlichen</hi> Geſinnung. Sie ſind von keiner fremden Agen-<lb/> tur eingegeben, und rechtfertigen nicht den von M. H. de Brouckere in der Kam-<lb/> mer der Abgeordneten ausgeſprochenen Berdacht daß die Petition „nicht in Belgien<lb/> geſchrieben ſeyn könne“ u. ſ. w. Es iſt eine Infamie, die Verantwortlichkeit für<lb/> dieſen heimiſchen Vorfall auf einen Nachbar zu wälzen der ſeinem Charakter als<lb/> loyaler Alliirter ſtets getreu geblieben iſt. König Leopold ſelbſt iſt, wie wir oben<lb/> geſehen haben, Zeuge daß die Anſchlußſtimmung ſeiner Unterthanen kein exotiſches<lb/> Gewächs iſt. Aber kann Leopold <hi rendition="#aq">I</hi> nicht die Zollgränze zwiſchen Belgien und Frank-<lb/> reich aufheben? Dazu gehört keine Aenderung in der Territorialeintheilung der<lb/> Staaten u. ſ. w.“</quote> </cit><lb/> <p>(In Londoner Kreiſen hört man vielfach mit Beſtimmtheit behaupten<lb/> daß gewiſſe Leitartikel des Chronicle in <hi rendition="#g">Paris</hi> verfaßt, und in London<lb/> aus dem franzöſiſchen Original überſetzt, oder, gleich der Mehrzahl der moder-<lb/> nen engliſchen Komödien, nach dem Franzöſiſchen bearbeitet werden. Wie das<lb/> Chronicle bei ſeinen Artikeln, ſo hütet ſich auch der engliſche Theaterzettel die<lb/> fremde Quelle anzugeben.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Da bis zur Stunde von den vermißten Fiſcherbarken bei Yarmouth jede<lb/> weitere Kunde fehlt, muß man wohl jede Hoffnung aufgeben daß die eine<lb/> oder andere in benachbarten Häfen geborgen iſt. Der Jammer an der dortigen<lb/> Küſte iſt namenlos. Man bedenke daß Yarmouth allein 130 Männer,<lb/> darunter viele Familienväter, vermißt, und daß ihre Angehörigen dem größten<lb/> Elend preisgegeben ſind. Selbſt die mit dem Leben davonkamen, ſollen von<lb/> dem furchtbaren Schlag ſo gelähmt ſeyn daß keiner in die See hinaus will.<lb/> Hier wird die Mildthätigkeit raſch eingreifen müſſen, um die armen Leute<lb/> vom Verhungern zu retten. Peinlich iſt es dabei noch zu erfahren daß wenig-<lb/> ſtens <hi rendition="#g">eine</hi> Barke mit einem Duzend Leute hätte gerettet werden können.<lb/> Aber unter der Bemannung des Rettungsboots war ein langwieriger Streit<lb/> über deſſen Führung entſtanden, und darüber gieng das gefährdete Fahrzeng<lb/> in Stücke.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 9 Jun.</dateline> <p>Am 5 fand im H<hi rendition="#aq">ô</hi>tel de Ville die erſte Verſammlung der „<hi rendition="#aq">Société de<lb/> statistique de Paris</hi>“ unter dem Vorſitz des Hrn. Mich. Chevalier ſtatt.<lb/> Wir entnehmen folgendes der vom <hi rendition="#g">Moniteur</hi> reproducirten Rede des<lb/> Präſidenten. Hr. Mich. Chevalier nimmt zum Thema ſeiner Rede die Worte:<lb/> „Kenne dich ſelbſt.“ Sich ſelbſt zu kennen iſt für ein Volk eben ſo nothwen-<lb/> dig als für ein Individuum, und das beſte Mittel hiezu bietet die Statiſtik.<lb/> „Eine gut gemachte Statiſtik iſt wie ein unparteiiſcher Zeuge erhaben über<lb/> jeder Einſchüchterung wie über jeder Verführung, den man mit Vertrauen und<lb/> Nutzen befragen kann wenn man ſich über die verſchiedenen Punkte des<lb/> Standes der Civiliſation aufklären will... Werfen Sie die Augen auf das<lb/> Schauſpiel welches Europa in dieſem Augenblick bietet; Sie werden ſtannen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2716/0004]
ein; der Kanton Teſſin wäre aber durch ſie ſo gut wie vernichtet, während
Graubünden nichts beſonderes dabei gewinnen würde. — Privatnachrichten
aus Palermo vom 2 d. zufolge befand ſich Oberſt v. Mechel mit ſeinen zwei
Söhnen an genanntem Tage unverletzt in dieſer Stadt. Ein anderer ſchwei-
zeriſcher Officier, Segiſſer, ward durch einen Schuß am Knie verwundet und
mußte nach Neapel transportirt werden. Oberſt v. Mechel commandirte
eine Brigade, während das früher von ihm befehligte Jägerbataillon unter
dem Commando eines Baslers, Namens H. Wieland, des Bruders des eid-
genöſſiſchen Oberſten Hans Wieland, ſtand. — Dem „National Suiſſe“ ver-
ſichert man daß der feierliche Einzug der aus Italien zurückkommenden Diviſion
Bazaine in Paris nur deßwegen unterblieb weil genaue polizeiliche Mitthei-
lungen keinen Zweifel über die Dispoſition der Pariſer Bevölkerung, nament-
lich derjenigen der Vorſtädte, laſſen konnten. Man hatte ſich entſchloſſen die
Soldaten mit dem Ruf „Vive Garibaldi!“ zu begrüßen. Leicht begreiflich
daß ſolch ein Ruf dem eigentlichen Befreier Italiens in den Tuilerien unan-
genehm in die Ohren geklungen hätte.
□ Aus der Weſtſchweiz, 8 Jun. Unſere franzöſiſchen Nach-
barn ſtutzen ein wenig daß man auch außerhalb Frankreichs revidirte Land-
karten machen, und dabei Savoyen, Elſaß u. ſ. w. der Eidgenoſſenſchaft und
dem Oſten zutheilen kann. Ein weſtſchweizeriſches Blatt hat hinzugefügt:
„Wir haſſen die Franzoſen keineswegs; wir lieben ſie auſrichtig. Aber ge-
rade darum wünſchen wir daß die große Nation auf ihre wahre Nationalität
reducirt und dadurch in die Lage verſetzt werde ſich mehr mit ſich ſelbſt als
mit fremden Völkern zu beſchäftigen, und ſomit eine moraliſche Stärke zu er-
langen, welche eine Regiererei, wie die gegenwärtige, unmöglich macht.“
Hinſichtlich der „beruhigenden“ Moniteurnote welche die Schweiz und den
Savoyerconflict mit keinem Wort erwähnt, und nur mit den fürſtlichen
Alliirten tractiren will, iſt man hier allgemein der Meinung daß ſie im höch-
ſten Grade beunruhigen müßte, wären die Verhältniſſe nicht ſchon ſo weit
vorangerückt daß man das Geſchriebene und Gedruckte, ſo aus den Tuile-
rien kommt, wenig mehr beachtet. Die Zeit der Phraſen weicht allmählich
einer andern. — Die eidgenöſſiſche oder antifranzöſiſch geſinnte Oppoſition
im Kanton Waadt, welche vorzüglich in Vivis, Lauſanne und Nyon wohnt,
wird ſich zahlreich am Genfer Schützenfeſt betheiligen, zu welchem ſich ein
ſehr günſtiges Wetter einzuſtellen ſcheint. Aufſehen macht eine mit bekann-
ter Keckheit verbürgte Pariſer Correſpondenz in der Genfer Revue, wonach
eine von der preußiſchen Regierung influirte Polenverſchwörung in Paris
entdeckt worden wäre. Die Redaction ſelber meint: es könnte das nur eine
der wohlfeilen Jntriguen ſeyn, deren ſich der Bonapartismus bedient, um gegen
Deutſchland aufzuregen. Dem zweiten December iſt alles derartige bis zum
Abrechnungstag nachzuſehen; daß ſich aber deutſche Federn zur Handlangerei
der ſchamloſeſten Lügen erniedrigen, verdient ſchon jetzt vorgemerkt zu wer-
den. Das Gerücht vom Untergang einer mit Savoyarden angefüllten Barke
muß dahin berichtigt werden daß vier dem Tode des Ertrinkens nahe Per-
ſonen durch den Muth einiger Matroſen gerettet wurden.
‥ Geuf, 6 Jun. Bei den Planen welche der franzöſiſche Chauvi-
nismus gegen das Ausland zu ſchmieden ſcheint, iſt es von Wichtigkeit die
eigentliche Volksſtimmung in Frankreich kennen zu lernen. Von einem mit
den Verhältniſſen eben ſo genau bekannten wie zuverläſſigen Freund vernehm’
ich z. B. daß im Südoſten Frankreichs von einem Enthuſiasmus für etwaige
Eroberungsgelüſte der Regierung auch nicht die geringſte Spur zu entdecken
ſey. Im Gegentheil erkläre ſowohl in Marſeille wie in Lyon die geſammte
Geſchäftswelt, einſchließlich des Arbeiterſtandes, daß ſie einen neuen Krieg ver-
abſchenen würde, und daß ſie vielmehr das einzige Heil Frankreichs im
Frieden mit ſeinen Nachbarn erblicke. Die öffentliche Meinung äußere ſich
in dieſer Richtung trotz aller Machinationen der chauviniſtiſchen Agenten
immer entſchiedener und unverhohlener. In den beiden genannten großen
Städten ſoll überhaupt eine große Neigung zur Oppoſition hervortreten, die
auch bei der Anweſenheit des Staatsoberhaupts in Lyon ſich in der Haltung
der Bevölkerung zu erkennen gab. Statt des von den Zeitungen gemeldeten
begeiſterten Empfangs des Kaiſers herrſchte vielmehr während der ganzen
Fahrt durch die Stadt eine ſtumme und gleichgültige Ruhe, die über die
Stimmung der Bevölkerung keinen Zweifel laſſen konnte. Nur vor dem
Stadthaus, wo die Claque gut vertheilt war, kam ein gewiſſer Schwung in
das „vive l’empereur!“ Die politiſchen Induſtrieritter vom Orden des
heil. Chauvin werden natürlich einſtweilen nach der Volksſtimmung wenig
fragen, und, ſolange ſie die Hauptſtadt und die Armee für ſich haben, ihre
eigennützigen Plane keck verfolgen; iſt doch Savoyen und Nizza zu klein und
zu arm alle Anſprüche zu befriedigen. Dennoch ſind jene Symptome der
Volksſtimmung in Frankreich intereſſant genug. Hatte man ſich doch in
Europa allmählich daran gewöhnt anzunehmen daß es außer der chauvini-
ſtiſchen in Frankreich keine andere politiſche Meinung mehr gebe. — Groß-
fürſtin Helene von Rußland reist heute von Genf ab.
Großbritannien.
London, 8 Jun. Die Staatsausgaben Englands haben ſich ſeit dem Jahr 1844 von
50,647,648 Pf. St. auf 63,679,674 Pf. St. gehoben. Am größten waren
ſie, von wegen des ruſſiſchen Kriegs, im J. 1855: nämlich 84,505,788 Pf. St.
Sie betrugen im J. 1856 78,113,035 Pf. St.; im J. 1857 66,019,958
Pf. St.; im J. 1858 60,684,898 Pf. St., und im J. 1859 63,679,684 Pf. St.
Die Nationalſchuld, die im J. 1859 um 14,851,091 Pf. St. größer war als
im J. 1844, koſtete an Intereſſen und Verwaltung im letztgenannten Jahre
doch viel mehr, nämlich 30,495,459 Pf. St. gegen 28,372,416 im J. 1859.
Die Petition der belgiſchen Runkelrübenzuckerfabricanten an die königl.
Regierung wird von Daily News — einem Blatt das wahrlich keine
Händel mit Frankreich ſucht — als eine Eingebung franzöſiſcher Agenten
und als ein neues Symptom bonapartiſtiſcher Wühlereien angeſehen. Daily
News vertraut übrigens dem Tact des Königs Leopold, der ſchon ſo manche
Gefahr beſchwor, und dem geſunden Patriotismus des belgiſchen Volkes.
Wenn auch einige „zuckerige Patrioten“ nichts höheres als ihren pecuniären
Gewinn kennen, ſo ſinde man im ganzen die Preſſe und öffentliche Meinung
Belgiens vom wackerſten Nationalſinn beſeelt. — Hiegegen höre man das bona-
partiſtiſche Chronicle:
„Daß eine ſolche Idee (der Einverleibung in Frankreich) unter den Belgiern ziemlich
weit verbreitet iſt, läßt ſich nicht beſtreiten. Vor ein oder zwei Monaten erhielten wir ſelbſt
eine Mittheilung aus Brüſſel worin es hieß: der König ſey vor kurzem mit der Mei-
nung herausgeplatzt daß ſeine Unterthanen, falls die Frage zur Abſtimmung käme, ſich
zu Gunſten einer ſolchen Einverleibung entſcheiden würden. Wenn wir das Factum
jetzt erwähnen, ſo geſchieht es weil die Frage von unſern Zeitgenoſſen in London
und Brüſſel zwanglos erörtert, und außerdem in den belgiſchen Kammern förmlich
vorgebracht wurde. Die Geſchichte von franzöſiſchem Agenteneinfluß iſt aber nichts
als eine Zeitungsente. Die Agenten welche mit der Einverleibungsidee Propaganda
machen, ſind Belgier, und die Gründe warum die Idee der Bevölkerung zuſagt,
ſind ebenfalls belgiſch. Einiges mag hierzu die Unpopularität (!) des Krouprin-
zen beitragen. Ein halber Oeſterreicher vermöge ſeiner Heirath und ein glühender
Ultramontaner (?), wie er iſt, wird der Herzog von Brabant von einem Gemein-
weſen das in ſeiner Loyalität gegen den König Leopold nie geſchwankt hat,
mit Mißtrauen und Abneigung betrachtet. Es gibt aber noch ſtärkere Gründe.
Die Belgier, die ein par excellence gewerbfleißiges und handeltreibendes Bolk
ſind, blicken mit Neid auf die Anzeichen raſchen Fortſchritts und materieller
Wohlfahrt deren ſich die Unterthanen des Kaiſers Napoleon, Dank ſeiner weiſen Politik,
erfreuen; und da eine Idee zur andern führt, fangen ſie allmählich zu bedauern an daß
die Exiſtenz einer rein künſtlichen Gränze ihnen den Mitgenuß ſolcher Segnungen verbietet.
Dieſer Stimmung nun hat die Petition der belgiſchen Runkelrübenzuckerfabricanten
bezeichnenden Ausdruck geliehen. Ihre Bemerkungen athmen ſonder Zweifel einen
ſtarken und ſelbſt verwegenen Anſchlußgeiſt, aber ſie ſind nur der natürliche
Ausdruck einer ſehr natürlichen Geſinnung. Sie ſind von keiner fremden Agen-
tur eingegeben, und rechtfertigen nicht den von M. H. de Brouckere in der Kam-
mer der Abgeordneten ausgeſprochenen Berdacht daß die Petition „nicht in Belgien
geſchrieben ſeyn könne“ u. ſ. w. Es iſt eine Infamie, die Verantwortlichkeit für
dieſen heimiſchen Vorfall auf einen Nachbar zu wälzen der ſeinem Charakter als
loyaler Alliirter ſtets getreu geblieben iſt. König Leopold ſelbſt iſt, wie wir oben
geſehen haben, Zeuge daß die Anſchlußſtimmung ſeiner Unterthanen kein exotiſches
Gewächs iſt. Aber kann Leopold I nicht die Zollgränze zwiſchen Belgien und Frank-
reich aufheben? Dazu gehört keine Aenderung in der Territorialeintheilung der
Staaten u. ſ. w.“
(In Londoner Kreiſen hört man vielfach mit Beſtimmtheit behaupten
daß gewiſſe Leitartikel des Chronicle in Paris verfaßt, und in London
aus dem franzöſiſchen Original überſetzt, oder, gleich der Mehrzahl der moder-
nen engliſchen Komödien, nach dem Franzöſiſchen bearbeitet werden. Wie das
Chronicle bei ſeinen Artikeln, ſo hütet ſich auch der engliſche Theaterzettel die
fremde Quelle anzugeben.)
Da bis zur Stunde von den vermißten Fiſcherbarken bei Yarmouth jede
weitere Kunde fehlt, muß man wohl jede Hoffnung aufgeben daß die eine
oder andere in benachbarten Häfen geborgen iſt. Der Jammer an der dortigen
Küſte iſt namenlos. Man bedenke daß Yarmouth allein 130 Männer,
darunter viele Familienväter, vermißt, und daß ihre Angehörigen dem größten
Elend preisgegeben ſind. Selbſt die mit dem Leben davonkamen, ſollen von
dem furchtbaren Schlag ſo gelähmt ſeyn daß keiner in die See hinaus will.
Hier wird die Mildthätigkeit raſch eingreifen müſſen, um die armen Leute
vom Verhungern zu retten. Peinlich iſt es dabei noch zu erfahren daß wenig-
ſtens eine Barke mit einem Duzend Leute hätte gerettet werden können.
Aber unter der Bemannung des Rettungsboots war ein langwieriger Streit
über deſſen Führung entſtanden, und darüber gieng das gefährdete Fahrzeng
in Stücke.
Frankreich.
Paris, 9 Jun. Am 5 fand im Hôtel de Ville die erſte Verſammlung der „Société de
statistique de Paris“ unter dem Vorſitz des Hrn. Mich. Chevalier ſtatt.
Wir entnehmen folgendes der vom Moniteur reproducirten Rede des
Präſidenten. Hr. Mich. Chevalier nimmt zum Thema ſeiner Rede die Worte:
„Kenne dich ſelbſt.“ Sich ſelbſt zu kennen iſt für ein Volk eben ſo nothwen-
dig als für ein Individuum, und das beſte Mittel hiezu bietet die Statiſtik.
„Eine gut gemachte Statiſtik iſt wie ein unparteiiſcher Zeuge erhaben über
jeder Einſchüchterung wie über jeder Verführung, den man mit Vertrauen und
Nutzen befragen kann wenn man ſich über die verſchiedenen Punkte des
Standes der Civiliſation aufklären will... Werfen Sie die Augen auf das
Schauſpiel welches Europa in dieſem Augenblick bietet; Sie werden ſtannen
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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