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Allgemeine Zeitung, Nr. 164, 12. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Zwei neue Corveiten hat man in Danzig so eben in Angriff genommen, und
hoffentlich wird es dabei nicht sein Bewenden haben. Sollte man nicht von
dem Auferstehen der deutschen Flotte träumen dürfen?

Wie der "Staatsanzeiger" meldet, hat der Prinz-
Regent auf seiner Reise nach der Provinz Preußen in den an der Eisenbahn
gelegenen Garnisonsorten Gelegenheit genommen die königl. Truppen zu be-
sichtigen, und insbesondere den neu formirten combinirten Infanterie-Regi-
mentern eine vorzugsweise Aufmerksamkeit geschenkt. Der Prinz-Regent hat
die Truppen überall in einem sehr guten Zustand gefunden und denselben
seine Zufriedenheit und Anerkennung ausgesprochen. Auch über die Neubau-
ten der Festung Königsberg, welche der Prinz-Regent am 5 d. im Detail
besichtigte, sprach sich derselbe in hohem Grade beifällig aus.

Die aus der N. Hann. Ztg. auch in die Allg. Ztg. (s. Beil. Nr. 162)
übergegangenen "Enthüllungen über officiöse Preßzustände" werden heute
von der Preuß. Ztg. in sehr entschiedener Weise als lügnerisch zurückgewie-
sen: "Das wahre an der Sache ist daß besagter U. Schreiber eines wegen
demokratischer Ausschreitungen cassirten Militärs war, welcher letzterer an-
gesichts seiner reumüthigen Bekenntnisse begnadigt und bei der frühern Cen-
tralpreßstelle bis November 1858 verwendet wurde. Auch später wurde der
Principal des U. auf sein flehentliches Bitten noch eine Zeitlang beschäftigt.
U. begab sich eines Tags zu dem Director des litterarischen Bureau's, denun-
cirte jenen Herrn wegen Mittheilungen an den Leiter der officiösen hannove-
rischen Presse, welcher ebenfalls früher bei der ehemaligen preußischen Central-
preßstelle beschäftigt war, und brachte für seine Angabe schriftliche Beweise
bei. Der Denuncirte wurde darauf entlassen. Darin bestand die Verbindung
des vor einigen Tagen wegen Wechselfälschung verurtheilten U. mit dem Di-
rector des litterarischen Bureau's. Dieses eine Beispiel unter vielen andern
mag zeigen was dem officiellen Organ der hannoverischen Regierung aus
Berlin geschrieben und von welchen Leuten es geschrieben wird."

Die "Hamb. Nachr." meldeten: "Nicht nur Frankreich, sondern auch
England hat in Berlin sowohl wie in Wien erklären lassen daß es die schles-
wig-holsteinische Frage als eine europäische Angelegenheit betrachte, und darin
nur mit Zustimmung der Mächte des Londoner Protokolls vorgegangen wer-
den könne." Die Kreuzzeitung erklärt daß diese Notiz jeder Begründung
entbehrt.

Gegen den Polizeidirector Stieber soll nach verschiedenen Mittheilungen
ein neuer Proceß wegen Beleidigung des Justizministers eingeleitet seyn,
während die Staatsanwaltschaft gegen das Urtheil erster Instanz in dem be-
endeten Proceß Berufung eingelegt hat. Die Grundlage der neuen Anklage
bilden die Anklagen welche Dr. Stieber bei seiner Vertheidigung in jenem
Proceß gegen den Justizminister erhoben hat.

Der Landrath des Stallupöner Kreises und Mitglied des Abgeordneten-
hauses, Gamradt, welchem die erbetene Entlassung aus seinem Amt als Land-
rath bewilligt war, hat sich am 5 d. in einem Anfall von Schwermuth selbst
entleibt.

Oesterreich.

Die vierte Sitzung des Reichsraths, die gestern
stattgefunden, gestaltete sich gegen alles Erwarten zu einer großen und interessan-
ten Discussion, die volle vier Stunden in Anspruch nahm, und in welcher die
bedeutendsten Redner des Reichsraths das Wort ergriffen. Die Ostd. Post
gibt folgendes Resume der Verhandlung: Die Versammlung wurde mit der
Ansprache des Erzherzog-Präsidenten eröffnet, der die Umfrage stellte ob der
Reichsrath den ihm mitgetheilten Entwurf einer Grundbuchsordnung in einer
Plenarsitzung oder durch eine vorangehende Ueberweisung an ein Comite be-
rathen wolle. Nachdem letzteres mit Stimmeneinheit beschlossen wird, fordert
das Präsidium zur Wahl der Comitemitglieder auf. Graf Barkoczy erhebt
sich hierauf, um in einer langen Rede, welche die Kennzeichen großer Lebhaftig-
keit an sich trug, die Zweckmäßigkeit einer gleichmäßigen Grundbuchsordnung
für alle Kronländer in Abrede zu stellen. Er spricht die Ansicht aus daß dieser
Gegenstand den Landesvertretungen überlassen werden müsse. Er verlangt
daß dem Comite Instructionen in diesem Sinn gegeben werden. Speciell auf
Ungarn übergehend, bemerkt er daß die neue Grundbuchsordnung die Einheit
des Gutsbesitzstandes in so weit zerreiße als die Grundbuchführung eines Be-
sitzstandes eventuell verschiedenen Districten zufalle. Die in der jüngsten Zeit
durch die Regierung in Ungarn eingeführte Grundbuchführung geschehe in
deutscher Sprache, wahrscheinlich (sagt der Redner nicht ohne Bitterkeit) aus
Humanität gegen die vielen neuen Beamten, während man 1850 so viele Un-
garn entließ, ohne an die Humanität gedacht zu haben u. s. w. Graf
Nadasdy (Justizminister) antwortet hierauf in ausführlicher Weise. Er er-
klärt daß in allen jenen Comitaten und Districten wo die überwiegende Mehr-
heit ungarisch spricht die Grundbücher auch ungarisch geführt werden, daß
aber in jenen Gegenden wo andere Sprachelemente in der Majorität sind die
Grundbücher deutsch geführt werden. Er citirt ein Comitat wo über 100,000
Rumänen, 40,000 Slovaken und nur 28,000 Magyaren seyen, und bemerkt
daß es dort nicht angemessen wäre das Grundbuch in ungarischer Sprache an-
zulegen. Doch sey überall die gemessene Instruction gegeben jedermann, der
einen Auszug aus dem Grundbuch verlangt, denselben in der Sprache zu er-
theilen welche der Verlangende spricht, und in der er sich den Act erbittet. Bei
der Bemerkung daß die Grundbücher in den gemischten Comitaten mit vor-
[Spaltenumbruch] wiegend nicht ungarischer Bevölkerung deutsch geführt werden, wenden sich
viele Blicke auf die croatisch-slavonischen Reichsräthe, die aber während der
ganzen Discussion, ohne ihrerseits eine Bemerkung zu machen, ruhig zuhören.
Frhr. v. Salvotti spricht seinerseits in einem Sinn, der im Gegensatz zu
den Aeußerungen des Justizministers steht; wenn unser Gewährsmann die
Rede des Hrn. v. Salvotti richtig aufgefaßt hat, so war sie überwiegend
in dem Sinn des Grafen Barkoczy. Er sieht in der gleichartigen Grundbuch-
führung mannichfache Localschwierigkeiten, und er glaubt das Comite solle
darüber berathen wie weit die Verschiedenheiten zu berücksichtigen seyen. Hr.
v. Salvotti läßt bei dieser Gelegenheit ein Wort über die ungeheuern Kosten
fallen welche die Einführung des Grundbuchs in Ungarn etc. in Anspruch
nahm, und beziffert dieselben auf 9 Millionen Gulden. Der Justizminister
Graf Nadasdy berichtigt einige Bemerkungen des Vorredners. Nicht
9 Millionen, sondern etwas mehr als 3 Millionen seyen die bisher aufgelau-
fenen Kosten. Fürst Salm spricht sich gegen die Ertheilung von besondern
Instructionen an das Comite aus. Der ständige Reichsrath Frhr. v. Lich-
tenfels
setzt in einer längern Rede einen sehr wichtigen principiellen Gesichts-
punkt auseinander. Er beginnt seine Exposition mit der Bemerkung daß die
in Rede stehende Grundbuchsordnung bereits dem Monarchen zur Unterzeich-
nung vorgelegt war, daß aber Se. Majestät aus Rücksicht für den Reichsrath
letzterm das Gesetz zur Begutachtung übergeben wissen wollte; der Reichsrath
müsse nun seinerseits diese ihm gewordene Berücksichtigung ehren. Nach dieser
Einleitung hebt Frhr. v. Lichtenfels hervor wie die Einführung des Grund-
buchs auf bestimmten unverrückbaren Principien des bürgerlichen Gesetzbuchs
beruhe. Das Gesetzbuch aber müsse unter allen Umständen im ganzen Reich
gleiche Geltung haben. Graf Hartig ist der Meinung: es sey Pflicht die
Sprache zu achten, nicht bloß die der einen oder der andern Nationalität, son-
dern die Sprachen aller. Daraus ergibt sich aber daß man auch die Sprache
des Monarchen achten müsse, und diese sey die deutsche. Graf Hartig spricht
sich des weitern im Sinn der Reichseinheit aus. Der Vicepräsident und stän-
dige Reichsrath Hr. v. Szögyeny spricht einige kurze Worte im Sinn des
Grafen Barkoczy. Graf Szecsen spricht gleichfalls in der Richtung des
obigen; er bemerkt ironisch daß er den Justizminister Grafen v. Nadasdy be-
neide um die Leichtigkeit mit der er die Sprachverschiedeuheit behandle u. s. w.
Graf Clam Martinitz ist erstaunt daß man gelegentlich eines so materiellen
Gegenstandes wie die Grundbuchführung Veranlassung nehme eine Frage zu
discutiren welche so hoch stehe, und von so umfassender Wichtigkeit für die Mon-
archie sey daß sie in speciell ihr gewidmeten Verhandlungen erörtert werde.
Dr. Hein wünscht daß möglichst alle Kronländer, oder doch die wichtigsten
Elemente derselben, in dem Comite vertreten seyen, dann werde dasselbe in
der Lage seyn seine Aufgabe vollständig zu erfüllen. Die Rede des schlesischen
Vertreters ist gleichfalls im Sinn der Reichseinheit. Graf Apponyi spricht
einige wohlgemeinte Worte zur Vermittlung. Graf Almasy will daß man
aus der heutigen Discussion keine Consequenzen für die Zukunft Ungarns
ziehe. Hr. v. Toperczer weist darauf hin daß die Versammlung gleich vom
Anfang an die Einsetzung eines Comite's beschlossen, und die augenblickliche
Behandlung in der Plenarversammlung abgelehnt habe. Und nun sey man
diesem Beschluß untreu, und die Discussion in Pleno daure bereits seit zwei
Stunden fort. Er glaube die Versammlung habe hiezu kein Recht mehr, be-
vor das Comite seinen Bericht erstattet. Er schließe sich dem Antrag des
Fürsten Salm an, dem Comite keine Instruction zu geben. Der Erzherzog-
Präsident schließt hierauf die Debatte, und fordert zur Wahl der sieben Mit-
glieder des einzusetzenden Comite's auf. Die meisten Stimmen fallen auf die
beiden Hauptvertreter der in der heutigen Debatte einander entgegenstehenden
Meinungen: Graf Barkoczy und Frhr. v. Lichtenfels; ferner Ab[t] Eder, Dr.
Polanski, Dr. Strasser, Reichsrath Salvotti, Dr. Hein. Für den Entwurf
des neuen Vergleichsverfahrens, der in der heutigen Sitzung dem Reichsrath
gleichfalls übergeben wurde, werden folgende Herren als Comite gewählt:
Frhr. v. Erggelet, Trenkler, Frhr. v. Reyer, Philipp Schöller, Frhr. v. Lich-
tenfels, Hr. Maager, Hr. v. Toperczer.

Die Osterr. Ztg. bedauert es keineswegs daß im gestrigen Reichsrath
ein Gegenstand der rein formeller Natur zu seyn schien, die Form eines
Principien- und sogar des Nationalitäts- und Sprachenstreits anzunehmen
drohte. "Das ist ja eben, sagt sie, der hohe Werth parlamentarischer Ver-
sammlungen daß sie ein Sicherheitsventil bilden, durch das der angehäufte
Druck gemildert wird; wenn man sich ausgesprochen hat, verständigt man sich
leichter. Der Erzherzog-Präsident hat der Discussion ganz freien ungehemm-
ten Lauf gelassen; er hat die vorgemerkten Mitglieder erst dann ersucht aufs
Wort zu verzichten, als bereits zwei Reichsräthe nichtdeutscher Nationalität
zum Abbrechen der aufregenden Reden ermahnt hatten, es wenig neues mehr
vorzubringen gab, und nur sterile Reden, gewürzt durch Bitterkeit, das Hin-
und Hersprechen verlängert hätten. Die Leitung war eben so tact-, als die
Debatte ernst und würdevoll, obwohl sie sehr animirt war. Feuer der Rede,
wissenschaftliche Bildung und persönliche Gefühle traten scharf hervor, aber
Anstand und Ernst beherrschte das Ganze. Es ist eine Feuerprobe die der
Reichsrath ablegte, und er hat sie glücklich bestanden." Der Antrag ein
Siebener-Comite ohne weitere Instructionen einzusetzen, wurde schließlich ein-
stimmig, auch von den Grafen Barkoczy und Szecsen, angenommen.

In dem Staatsvoranschlag für 1861, wie er dem verstärkten Reichsrath
vorgelegt worden ist, stellt sich der Etat des Ministeriums des Innern mit
elf Posten: Ceutralleitung 691,000 fl., geologische Reichsanstalt 37,800 fl.,

[Spaltenumbruch] Zwei neue Corveiten hat man in Danzig ſo eben in Angriff genommen, und
hoffentlich wird es dabei nicht ſein Bewenden haben. Sollte man nicht von
dem Auferſtehen der deutſchen Flotte träumen dürfen?

Wie der „Staatsanzeiger“ meldet, hat der Prinz-
Regent auf ſeiner Reiſe nach der Provinz Preußen in den an der Eiſenbahn
gelegenen Garniſonsorten Gelegenheit genommen die königl. Truppen zu be-
ſichtigen, und insbeſondere den neu formirten combinirten Infanterie-Regi-
mentern eine vorzugsweiſe Aufmerkſamkeit geſchenkt. Der Prinz-Regent hat
die Truppen überall in einem ſehr guten Zuſtand gefunden und denſelben
ſeine Zufriedenheit und Anerkennung ausgeſprochen. Auch über die Neubau-
ten der Feſtung Königsberg, welche der Prinz-Regent am 5 d. im Detail
beſichtigte, ſprach ſich derſelbe in hohem Grade beifällig aus.

Die aus der N. Hann. Ztg. auch in die Allg. Ztg. (ſ. Beil. Nr. 162)
übergegangenen „Enthüllungen über officiöſe Preßzuſtände“ werden heute
von der Preuß. Ztg. in ſehr entſchiedener Weiſe als lügneriſch zurückgewie-
ſen: „Das wahre an der Sache iſt daß beſagter U. Schreiber eines wegen
demokratiſcher Ausſchreitungen caſſirten Militärs war, welcher letzterer an-
geſichts ſeiner reumüthigen Bekenntniſſe begnadigt und bei der frühern Cen-
tralpreßſtelle bis November 1858 verwendet wurde. Auch ſpäter wurde der
Principal des U. auf ſein flehentliches Bitten noch eine Zeitlang beſchäftigt.
U. begab ſich eines Tags zu dem Director des litterariſchen Bureau’s, denun-
cirte jenen Herrn wegen Mittheilungen an den Leiter der officiöſen hannove-
riſchen Preſſe, welcher ebenfalls früher bei der ehemaligen preußiſchen Central-
preßſtelle beſchäftigt war, und brachte für ſeine Angabe ſchriftliche Beweiſe
bei. Der Denuncirte wurde darauf entlaſſen. Darin beſtand die Verbindung
des vor einigen Tagen wegen Wechſelfälſchung verurtheilten U. mit dem Di-
rector des litterariſchen Bureau’s. Dieſes eine Beiſpiel unter vielen andern
mag zeigen was dem officiellen Organ der hannoveriſchen Regierung aus
Berlin geſchrieben und von welchen Leuten es geſchrieben wird.“

Die „Hamb. Nachr.“ meldeten: „Nicht nur Frankreich, ſondern auch
England hat in Berlin ſowohl wie in Wien erklären laſſen daß es die ſchles-
wig-holſteiniſche Frage als eine europäiſche Angelegenheit betrachte, und darin
nur mit Zuſtimmung der Mächte des Londoner Protokolls vorgegangen wer-
den könne.“ Die Kreuzzeitung erklärt daß dieſe Notiz jeder Begründung
entbehrt.

Gegen den Polizeidirector Stieber ſoll nach verſchiedenen Mittheilungen
ein neuer Proceß wegen Beleidigung des Juſtizminiſters eingeleitet ſeyn,
während die Staatsanwaltſchaft gegen das Urtheil erſter Inſtanz in dem be-
endeten Proceß Berufung eingelegt hat. Die Grundlage der neuen Anklage
bilden die Anklagen welche Dr. Stieber bei ſeiner Vertheidigung in jenem
Proceß gegen den Juſtizminiſter erhoben hat.

Der Landrath des Stallupöner Kreiſes und Mitglied des Abgeordneten-
hauſes, Gamradt, welchem die erbetene Entlaſſung aus ſeinem Amt als Land-
rath bewilligt war, hat ſich am 5 d. in einem Anfall von Schwermuth ſelbſt
entleibt.

Oeſterreich.

Die vierte Sitzung des Reichsraths, die geſtern
ſtattgefunden, geſtaltete ſich gegen alles Erwarten zu einer großen und intereſſan-
ten Discuſſion, die volle vier Stunden in Anſpruch nahm, und in welcher die
bedeutendſten Redner des Reichsraths das Wort ergriffen. Die Oſtd. Poſt
gibt folgendes Reſumé der Verhandlung: Die Verſammlung wurde mit der
Anſprache des Erzherzog-Präſidenten eröffnet, der die Umfrage ſtellte ob der
Reichsrath den ihm mitgetheilten Entwurf einer Grundbuchsordnung in einer
Plenarſitzung oder durch eine vorangehende Ueberweiſung an ein Comité be-
rathen wolle. Nachdem letzteres mit Stimmeneinheit beſchloſſen wird, fordert
das Präſidium zur Wahl der Comitémitglieder auf. Graf Barkoczy erhebt
ſich hierauf, um in einer langen Rede, welche die Kennzeichen großer Lebhaftig-
keit an ſich trug, die Zweckmäßigkeit einer gleichmäßigen Grundbuchsordnung
für alle Kronländer in Abrede zu ſtellen. Er ſpricht die Anſicht aus daß dieſer
Gegenſtand den Landesvertretungen überlaſſen werden müſſe. Er verlangt
daß dem Comité Inſtructionen in dieſem Sinn gegeben werden. Speciell auf
Ungarn übergehend, bemerkt er daß die neue Grundbuchsordnung die Einheit
des Gutsbeſitzſtandes in ſo weit zerreiße als die Grundbuchführung eines Be-
ſitzſtandes eventuell verſchiedenen Diſtricten zufalle. Die in der jüngſten Zeit
durch die Regierung in Ungarn eingeführte Grundbuchführung geſchehe in
deutſcher Sprache, wahrſcheinlich (ſagt der Redner nicht ohne Bitterkeit) aus
Humanität gegen die vielen neuen Beamten, während man 1850 ſo viele Un-
garn entließ, ohne an die Humanität gedacht zu haben u. ſ. w. Graf
Nadasdy (Juſtizminiſter) antwortet hierauf in ausführlicher Weiſe. Er er-
klärt daß in allen jenen Comitaten und Diſtricten wo die überwiegende Mehr-
heit ungariſch ſpricht die Grundbücher auch ungariſch geführt werden, daß
aber in jenen Gegenden wo andere Sprachelemente in der Majorität ſind die
Grundbücher deutſch geführt werden. Er citirt ein Comitat wo über 100,000
Rumänen, 40,000 Slovaken und nur 28,000 Magyaren ſeyen, und bemerkt
daß es dort nicht angemeſſen wäre das Grundbuch in ungariſcher Sprache an-
zulegen. Doch ſey überall die gemeſſene Inſtruction gegeben jedermann, der
einen Auszug aus dem Grundbuch verlangt, denſelben in der Sprache zu er-
theilen welche der Verlangende ſpricht, und in der er ſich den Act erbittet. Bei
der Bemerkung daß die Grundbücher in den gemiſchten Comitaten mit vor-
[Spaltenumbruch] wiegend nicht ungariſcher Bevölkerung deutſch geführt werden, wenden ſich
viele Blicke auf die croatiſch-ſlavoniſchen Reichsräthe, die aber während der
ganzen Discuſſion, ohne ihrerſeits eine Bemerkung zu machen, ruhig zuhören.
Frhr. v. Salvotti ſpricht ſeinerſeits in einem Sinn, der im Gegenſatz zu
den Aeußerungen des Juſtizminiſters ſteht; wenn unſer Gewährsmann die
Rede des Hrn. v. Salvotti richtig aufgefaßt hat, ſo war ſie überwiegend
in dem Sinn des Grafen Barkoczy. Er ſieht in der gleichartigen Grundbuch-
führung mannichfache Localſchwierigkeiten, und er glaubt das Comité ſolle
darüber berathen wie weit die Verſchiedenheiten zu berückſichtigen ſeyen. Hr.
v. Salvotti läßt bei dieſer Gelegenheit ein Wort über die ungeheuern Koſten
fallen welche die Einführung des Grundbuchs in Ungarn ꝛc. in Anſpruch
nahm, und beziffert dieſelben auf 9 Millionen Gulden. Der Juſtizminiſter
Graf Nadasdy berichtigt einige Bemerkungen des Vorredners. Nicht
9 Millionen, ſondern etwas mehr als 3 Millionen ſeyen die bisher aufgelau-
fenen Koſten. Fürſt Salm ſpricht ſich gegen die Ertheilung von beſondern
Inſtructionen an das Comité aus. Der ſtändige Reichsrath Frhr. v. Lich-
tenfels
ſetzt in einer längern Rede einen ſehr wichtigen principiellen Geſichts-
punkt auseinander. Er beginnt ſeine Expoſition mit der Bemerkung daß die
in Rede ſtehende Grundbuchsordnung bereits dem Monarchen zur Unterzeich-
nung vorgelegt war, daß aber Se. Majeſtät aus Rückſicht für den Reichsrath
letzterm das Geſetz zur Begutachtung übergeben wiſſen wollte; der Reichsrath
müſſe nun ſeinerſeits dieſe ihm gewordene Berückſichtigung ehren. Nach dieſer
Einleitung hebt Frhr. v. Lichtenfels hervor wie die Einführung des Grund-
buchs auf beſtimmten unverrückbaren Principien des bürgerlichen Geſetzbuchs
beruhe. Das Geſetzbuch aber müſſe unter allen Umſtänden im ganzen Reich
gleiche Geltung haben. Graf Hartig iſt der Meinung: es ſey Pflicht die
Sprache zu achten, nicht bloß die der einen oder der andern Nationalität, ſon-
dern die Sprachen aller. Daraus ergibt ſich aber daß man auch die Sprache
des Monarchen achten müſſe, und dieſe ſey die deutſche. Graf Hartig ſpricht
ſich des weitern im Sinn der Reichseinheit aus. Der Vicepräſident und ſtän-
dige Reichsrath Hr. v. Szögyeny ſpricht einige kurze Worte im Sinn des
Grafen Barkoczy. Graf Szecſen ſpricht gleichfalls in der Richtung des
obigen; er bemerkt ironiſch daß er den Juſtizminiſter Grafen v. Nadasdy be-
neide um die Leichtigkeit mit der er die Sprachverſchiedeuheit behandle u. ſ. w.
Graf Clam Martinitz iſt erſtaunt daß man gelegentlich eines ſo materiellen
Gegenſtandes wie die Grundbuchführung Veranlaſſung nehme eine Frage zu
discutiren welche ſo hoch ſtehe, und von ſo umfaſſender Wichtigkeit für die Mon-
archie ſey daß ſie in ſpeciell ihr gewidmeten Verhandlungen erörtert werde.
Dr. Hein wünſcht daß möglichſt alle Kronländer, oder doch die wichtigſten
Elemente derſelben, in dem Comité vertreten ſeyen, dann werde dasſelbe in
der Lage ſeyn ſeine Aufgabe vollſtändig zu erfüllen. Die Rede des ſchleſiſchen
Vertreters iſt gleichfalls im Sinn der Reichseinheit. Graf Apponyi ſpricht
einige wohlgemeinte Worte zur Vermittlung. Graf Almaſy will daß man
aus der heutigen Discuſſion keine Conſequenzen für die Zukunft Ungarns
ziehe. Hr. v. Toperczer weist darauf hin daß die Verſammlung gleich vom
Anfang an die Einſetzung eines Comité’s beſchloſſen, und die augenblickliche
Behandlung in der Plenarverſammlung abgelehnt habe. Und nun ſey man
dieſem Beſchluß untreu, und die Discuſſion in Pleno daure bereits ſeit zwei
Stunden fort. Er glaube die Verſammlung habe hiezu kein Recht mehr, be-
vor das Comité ſeinen Bericht erſtattet. Er ſchließe ſich dem Antrag des
Fürſten Salm an, dem Comité keine Inſtruction zu geben. Der Erzherzog-
Präſident ſchließt hierauf die Debatte, und fordert zur Wahl der ſieben Mit-
glieder des einzuſetzenden Comité’s auf. Die meiſten Stimmen fallen auf die
beiden Hauptvertreter der in der heutigen Debatte einander entgegenſtehenden
Meinungen: Graf Barkoczy und Frhr. v. Lichtenfels; ferner Ab[t] Eder, Dr.
Polanski, Dr. Straſſer, Reichsrath Salvotti, Dr. Hein. Für den Entwurf
des neuen Vergleichsverfahrens, der in der heutigen Sitzung dem Reichsrath
gleichfalls übergeben wurde, werden folgende Herren als Comité gewählt:
Frhr. v. Erggelet, Trenkler, Frhr. v. Reyer, Philipp Schöller, Frhr. v. Lich-
tenfels, Hr. Maager, Hr. v. Toperczer.

Die Oſterr. Ztg. bedauert es keineswegs daß im geſtrigen Reichsrath
ein Gegenſtand der rein formeller Natur zu ſeyn ſchien, die Form eines
Principien- und ſogar des Nationalitäts- und Sprachenſtreits anzunehmen
drohte. „Das iſt ja eben, ſagt ſie, der hohe Werth parlamentariſcher Ver-
ſammlungen daß ſie ein Sicherheitsventil bilden, durch das der angehäufte
Druck gemildert wird; wenn man ſich ausgeſprochen hat, verſtändigt man ſich
leichter. Der Erzherzog-Präſident hat der Discuſſion ganz freien ungehemm-
ten Lauf gelaſſen; er hat die vorgemerkten Mitglieder erſt dann erſucht aufs
Wort zu verzichten, als bereits zwei Reichsräthe nichtdeutſcher Nationalität
zum Abbrechen der aufregenden Reden ermahnt hatten, es wenig neues mehr
vorzubringen gab, und nur ſterile Reden, gewürzt durch Bitterkeit, das Hin-
und Herſprechen verlängert hätten. Die Leitung war eben ſo tact-, als die
Debatte ernſt und würdevoll, obwohl ſie ſehr animirt war. Feuer der Rede,
wiſſenſchaftliche Bildung und perſönliche Gefühle traten ſcharf hervor, aber
Anſtand und Ernſt beherrſchte das Ganze. Es iſt eine Feuerprobe die der
Reichsrath ablegte, und er hat ſie glücklich beſtanden.“ Der Antrag ein
Siebener-Comité ohne weitere Inſtructionen einzuſetzen, wurde ſchließlich ein-
ſtimmig, auch von den Grafen Barkoczy und Szécſen, angenommen.

In dem Staatsvoranſchlag für 1861, wie er dem verſtärkten Reichsrath
vorgelegt worden iſt, ſtellt ſich der Etat des Miniſteriums des Innern mit
elf Poſten: Ceutralleitung 691,000 fl., geologiſche Reichsanſtalt 37,800 fl.,

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[2733/0005] Zwei neue Corveiten hat man in Danzig ſo eben in Angriff genommen, und hoffentlich wird es dabei nicht ſein Bewenden haben. Sollte man nicht von dem Auferſtehen der deutſchen Flotte träumen dürfen? Berlin, 10 Jun. Wie der „Staatsanzeiger“ meldet, hat der Prinz- Regent auf ſeiner Reiſe nach der Provinz Preußen in den an der Eiſenbahn gelegenen Garniſonsorten Gelegenheit genommen die königl. Truppen zu be- ſichtigen, und insbeſondere den neu formirten combinirten Infanterie-Regi- mentern eine vorzugsweiſe Aufmerkſamkeit geſchenkt. Der Prinz-Regent hat die Truppen überall in einem ſehr guten Zuſtand gefunden und denſelben ſeine Zufriedenheit und Anerkennung ausgeſprochen. Auch über die Neubau- ten der Feſtung Königsberg, welche der Prinz-Regent am 5 d. im Detail beſichtigte, ſprach ſich derſelbe in hohem Grade beifällig aus. Die aus der N. Hann. Ztg. auch in die Allg. Ztg. (ſ. Beil. Nr. 162) übergegangenen „Enthüllungen über officiöſe Preßzuſtände“ werden heute von der Preuß. Ztg. in ſehr entſchiedener Weiſe als lügneriſch zurückgewie- ſen: „Das wahre an der Sache iſt daß beſagter U. Schreiber eines wegen demokratiſcher Ausſchreitungen caſſirten Militärs war, welcher letzterer an- geſichts ſeiner reumüthigen Bekenntniſſe begnadigt und bei der frühern Cen- tralpreßſtelle bis November 1858 verwendet wurde. Auch ſpäter wurde der Principal des U. auf ſein flehentliches Bitten noch eine Zeitlang beſchäftigt. U. begab ſich eines Tags zu dem Director des litterariſchen Bureau’s, denun- cirte jenen Herrn wegen Mittheilungen an den Leiter der officiöſen hannove- riſchen Preſſe, welcher ebenfalls früher bei der ehemaligen preußiſchen Central- preßſtelle beſchäftigt war, und brachte für ſeine Angabe ſchriftliche Beweiſe bei. Der Denuncirte wurde darauf entlaſſen. Darin beſtand die Verbindung des vor einigen Tagen wegen Wechſelfälſchung verurtheilten U. mit dem Di- rector des litterariſchen Bureau’s. Dieſes eine Beiſpiel unter vielen andern mag zeigen was dem officiellen Organ der hannoveriſchen Regierung aus Berlin geſchrieben und von welchen Leuten es geſchrieben wird.“ Die „Hamb. Nachr.“ meldeten: „Nicht nur Frankreich, ſondern auch England hat in Berlin ſowohl wie in Wien erklären laſſen daß es die ſchles- wig-holſteiniſche Frage als eine europäiſche Angelegenheit betrachte, und darin nur mit Zuſtimmung der Mächte des Londoner Protokolls vorgegangen wer- den könne.“ Die Kreuzzeitung erklärt daß dieſe Notiz jeder Begründung entbehrt. Gegen den Polizeidirector Stieber ſoll nach verſchiedenen Mittheilungen ein neuer Proceß wegen Beleidigung des Juſtizminiſters eingeleitet ſeyn, während die Staatsanwaltſchaft gegen das Urtheil erſter Inſtanz in dem be- endeten Proceß Berufung eingelegt hat. Die Grundlage der neuen Anklage bilden die Anklagen welche Dr. Stieber bei ſeiner Vertheidigung in jenem Proceß gegen den Juſtizminiſter erhoben hat. Der Landrath des Stallupöner Kreiſes und Mitglied des Abgeordneten- hauſes, Gamradt, welchem die erbetene Entlaſſung aus ſeinem Amt als Land- rath bewilligt war, hat ſich am 5 d. in einem Anfall von Schwermuth ſelbſt entleibt. Oeſterreich. Wien, 9 Jun. Die vierte Sitzung des Reichsraths, die geſtern ſtattgefunden, geſtaltete ſich gegen alles Erwarten zu einer großen und intereſſan- ten Discuſſion, die volle vier Stunden in Anſpruch nahm, und in welcher die bedeutendſten Redner des Reichsraths das Wort ergriffen. Die Oſtd. Poſt gibt folgendes Reſumé der Verhandlung: Die Verſammlung wurde mit der Anſprache des Erzherzog-Präſidenten eröffnet, der die Umfrage ſtellte ob der Reichsrath den ihm mitgetheilten Entwurf einer Grundbuchsordnung in einer Plenarſitzung oder durch eine vorangehende Ueberweiſung an ein Comité be- rathen wolle. Nachdem letzteres mit Stimmeneinheit beſchloſſen wird, fordert das Präſidium zur Wahl der Comitémitglieder auf. Graf Barkoczy erhebt ſich hierauf, um in einer langen Rede, welche die Kennzeichen großer Lebhaftig- keit an ſich trug, die Zweckmäßigkeit einer gleichmäßigen Grundbuchsordnung für alle Kronländer in Abrede zu ſtellen. Er ſpricht die Anſicht aus daß dieſer Gegenſtand den Landesvertretungen überlaſſen werden müſſe. Er verlangt daß dem Comité Inſtructionen in dieſem Sinn gegeben werden. Speciell auf Ungarn übergehend, bemerkt er daß die neue Grundbuchsordnung die Einheit des Gutsbeſitzſtandes in ſo weit zerreiße als die Grundbuchführung eines Be- ſitzſtandes eventuell verſchiedenen Diſtricten zufalle. Die in der jüngſten Zeit durch die Regierung in Ungarn eingeführte Grundbuchführung geſchehe in deutſcher Sprache, wahrſcheinlich (ſagt der Redner nicht ohne Bitterkeit) aus Humanität gegen die vielen neuen Beamten, während man 1850 ſo viele Un- garn entließ, ohne an die Humanität gedacht zu haben u. ſ. w. Graf Nadasdy (Juſtizminiſter) antwortet hierauf in ausführlicher Weiſe. Er er- klärt daß in allen jenen Comitaten und Diſtricten wo die überwiegende Mehr- heit ungariſch ſpricht die Grundbücher auch ungariſch geführt werden, daß aber in jenen Gegenden wo andere Sprachelemente in der Majorität ſind die Grundbücher deutſch geführt werden. Er citirt ein Comitat wo über 100,000 Rumänen, 40,000 Slovaken und nur 28,000 Magyaren ſeyen, und bemerkt daß es dort nicht angemeſſen wäre das Grundbuch in ungariſcher Sprache an- zulegen. Doch ſey überall die gemeſſene Inſtruction gegeben jedermann, der einen Auszug aus dem Grundbuch verlangt, denſelben in der Sprache zu er- theilen welche der Verlangende ſpricht, und in der er ſich den Act erbittet. Bei der Bemerkung daß die Grundbücher in den gemiſchten Comitaten mit vor- wiegend nicht ungariſcher Bevölkerung deutſch geführt werden, wenden ſich viele Blicke auf die croatiſch-ſlavoniſchen Reichsräthe, die aber während der ganzen Discuſſion, ohne ihrerſeits eine Bemerkung zu machen, ruhig zuhören. Frhr. v. Salvotti ſpricht ſeinerſeits in einem Sinn, der im Gegenſatz zu den Aeußerungen des Juſtizminiſters ſteht; wenn unſer Gewährsmann die Rede des Hrn. v. Salvotti richtig aufgefaßt hat, ſo war ſie überwiegend in dem Sinn des Grafen Barkoczy. Er ſieht in der gleichartigen Grundbuch- führung mannichfache Localſchwierigkeiten, und er glaubt das Comité ſolle darüber berathen wie weit die Verſchiedenheiten zu berückſichtigen ſeyen. Hr. v. Salvotti läßt bei dieſer Gelegenheit ein Wort über die ungeheuern Koſten fallen welche die Einführung des Grundbuchs in Ungarn ꝛc. in Anſpruch nahm, und beziffert dieſelben auf 9 Millionen Gulden. Der Juſtizminiſter Graf Nadasdy berichtigt einige Bemerkungen des Vorredners. Nicht 9 Millionen, ſondern etwas mehr als 3 Millionen ſeyen die bisher aufgelau- fenen Koſten. Fürſt Salm ſpricht ſich gegen die Ertheilung von beſondern Inſtructionen an das Comité aus. Der ſtändige Reichsrath Frhr. v. Lich- tenfels ſetzt in einer längern Rede einen ſehr wichtigen principiellen Geſichts- punkt auseinander. Er beginnt ſeine Expoſition mit der Bemerkung daß die in Rede ſtehende Grundbuchsordnung bereits dem Monarchen zur Unterzeich- nung vorgelegt war, daß aber Se. Majeſtät aus Rückſicht für den Reichsrath letzterm das Geſetz zur Begutachtung übergeben wiſſen wollte; der Reichsrath müſſe nun ſeinerſeits dieſe ihm gewordene Berückſichtigung ehren. Nach dieſer Einleitung hebt Frhr. v. Lichtenfels hervor wie die Einführung des Grund- buchs auf beſtimmten unverrückbaren Principien des bürgerlichen Geſetzbuchs beruhe. Das Geſetzbuch aber müſſe unter allen Umſtänden im ganzen Reich gleiche Geltung haben. Graf Hartig iſt der Meinung: es ſey Pflicht die Sprache zu achten, nicht bloß die der einen oder der andern Nationalität, ſon- dern die Sprachen aller. Daraus ergibt ſich aber daß man auch die Sprache des Monarchen achten müſſe, und dieſe ſey die deutſche. Graf Hartig ſpricht ſich des weitern im Sinn der Reichseinheit aus. Der Vicepräſident und ſtän- dige Reichsrath Hr. v. Szögyeny ſpricht einige kurze Worte im Sinn des Grafen Barkoczy. Graf Szecſen ſpricht gleichfalls in der Richtung des obigen; er bemerkt ironiſch daß er den Juſtizminiſter Grafen v. Nadasdy be- neide um die Leichtigkeit mit der er die Sprachverſchiedeuheit behandle u. ſ. w. Graf Clam Martinitz iſt erſtaunt daß man gelegentlich eines ſo materiellen Gegenſtandes wie die Grundbuchführung Veranlaſſung nehme eine Frage zu discutiren welche ſo hoch ſtehe, und von ſo umfaſſender Wichtigkeit für die Mon- archie ſey daß ſie in ſpeciell ihr gewidmeten Verhandlungen erörtert werde. Dr. Hein wünſcht daß möglichſt alle Kronländer, oder doch die wichtigſten Elemente derſelben, in dem Comité vertreten ſeyen, dann werde dasſelbe in der Lage ſeyn ſeine Aufgabe vollſtändig zu erfüllen. Die Rede des ſchleſiſchen Vertreters iſt gleichfalls im Sinn der Reichseinheit. Graf Apponyi ſpricht einige wohlgemeinte Worte zur Vermittlung. Graf Almaſy will daß man aus der heutigen Discuſſion keine Conſequenzen für die Zukunft Ungarns ziehe. Hr. v. Toperczer weist darauf hin daß die Verſammlung gleich vom Anfang an die Einſetzung eines Comité’s beſchloſſen, und die augenblickliche Behandlung in der Plenarverſammlung abgelehnt habe. Und nun ſey man dieſem Beſchluß untreu, und die Discuſſion in Pleno daure bereits ſeit zwei Stunden fort. Er glaube die Verſammlung habe hiezu kein Recht mehr, be- vor das Comité ſeinen Bericht erſtattet. Er ſchließe ſich dem Antrag des Fürſten Salm an, dem Comité keine Inſtruction zu geben. Der Erzherzog- Präſident ſchließt hierauf die Debatte, und fordert zur Wahl der ſieben Mit- glieder des einzuſetzenden Comité’s auf. Die meiſten Stimmen fallen auf die beiden Hauptvertreter der in der heutigen Debatte einander entgegenſtehenden Meinungen: Graf Barkoczy und Frhr. v. Lichtenfels; ferner Abt Eder, Dr. Polanski, Dr. Straſſer, Reichsrath Salvotti, Dr. Hein. Für den Entwurf des neuen Vergleichsverfahrens, der in der heutigen Sitzung dem Reichsrath gleichfalls übergeben wurde, werden folgende Herren als Comité gewählt: Frhr. v. Erggelet, Trenkler, Frhr. v. Reyer, Philipp Schöller, Frhr. v. Lich- tenfels, Hr. Maager, Hr. v. Toperczer. Die Oſterr. Ztg. bedauert es keineswegs daß im geſtrigen Reichsrath ein Gegenſtand der rein formeller Natur zu ſeyn ſchien, die Form eines Principien- und ſogar des Nationalitäts- und Sprachenſtreits anzunehmen drohte. „Das iſt ja eben, ſagt ſie, der hohe Werth parlamentariſcher Ver- ſammlungen daß ſie ein Sicherheitsventil bilden, durch das der angehäufte Druck gemildert wird; wenn man ſich ausgeſprochen hat, verſtändigt man ſich leichter. Der Erzherzog-Präſident hat der Discuſſion ganz freien ungehemm- ten Lauf gelaſſen; er hat die vorgemerkten Mitglieder erſt dann erſucht aufs Wort zu verzichten, als bereits zwei Reichsräthe nichtdeutſcher Nationalität zum Abbrechen der aufregenden Reden ermahnt hatten, es wenig neues mehr vorzubringen gab, und nur ſterile Reden, gewürzt durch Bitterkeit, das Hin- und Herſprechen verlängert hätten. Die Leitung war eben ſo tact-, als die Debatte ernſt und würdevoll, obwohl ſie ſehr animirt war. Feuer der Rede, wiſſenſchaftliche Bildung und perſönliche Gefühle traten ſcharf hervor, aber Anſtand und Ernſt beherrſchte das Ganze. Es iſt eine Feuerprobe die der Reichsrath ablegte, und er hat ſie glücklich beſtanden.“ Der Antrag ein Siebener-Comité ohne weitere Inſtructionen einzuſetzen, wurde ſchließlich ein- ſtimmig, auch von den Grafen Barkoczy und Szécſen, angenommen. In dem Staatsvoranſchlag für 1861, wie er dem verſtärkten Reichsrath vorgelegt worden iſt, ſtellt ſich der Etat des Miniſteriums des Innern mit elf Poſten: Ceutralleitung 691,000 fl., geologiſche Reichsanſtalt 37,800 fl.,

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 164, 12. Juni 1860, S. 2733. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine164_1860/5>, abgerufen am 03.12.2024.