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Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] gebenheitsadressen nach Paris eilen! Wir werden unsere Savoyarden haben:
allein wird das Land, wird das Volk ohne Widerstand dem neuen Herrn sich
unterwerfen? Wir hoffen, wir glauben es nicht! Wir sind nicht seit gestern
erst ein freies Volk: wenn die Sansculottes von 1794 uns mit Füßen traten,
so wird der kaiserliche Gentleman nicht vergessen was man uns schuldig ist.
Zwei Königsdynastien Frankreichs die leider seine Luft verpestete, giengen von
Belgien aus. Unsere natürlichen Gränzen waren einst die Seine und die
Marne, wir denken nicht daran sie wieder zu haben: wir bitten nur daß man
uns in Ruhe lasse. Zwanzig Jahre hat uns Frankreich tyrannisirt. Wenn
es glaubt daß wir mit ihm sympathisiren weil wir seine Gesetzbücher haben,
und weil seine Sprache die bei uns vorherrschende der gebildeteren Classen ist --
so ist es sehr im Irrthum. Wenn die feinen Franzosen uns als eine Art von
Barbaren, vielleicht gar für Wilde (brutes) ansehen, so können sie sich jeden
Tag von solch einem Irrthum heilen. Ja in dem Sinn sind wir allerdings
Barbaren daß wir der französischen Propaganda die Thür verschließen. Man
wird nicht vergessen haben wie wir 1848 die französischen Socialisten em-
pfiengen.

Frankreich hat sich seit jener politischen Verirrung mit Kriegsruhm
bedeckt! Mag er ihm wohlbekommen, wir beneiden es nicht darum! Lasse
man dem kleinen Winkel Europa's der die Wiege der bürgerlichen Freiheit und
der Civilisation der Neuzeit ist, sein Selbstbestehen und seine Weiterentwick-
lung! Wird man es nicht thun, so werden wir handeln wie ein innig an
seiner Nationalität hängendes Volk handeln muß. Indessen möchte ich den
jetzigen Leitern des Staats den Rath geben sich dann nicht, wie früher König
Wilhelm, auf den zerbrochenen Stab derjenigen zu stützen die durch sie reich
geworden sind.



Zur Kennzeichnung der gegenwärtigen Lage der Christen
in der Türkei.

** Es gab eine Zeit wo es sich von selbst verstand daß die unter der
türkischen Herrschaft lebenden Christen den gröbsten Bedrückungen, den ärg-
sten Verfolgungen ausgesetzt waren, und daß sie einer Erlösung durch die christ-
lichen Mächte Europa's unaufhörlich entgegenseufzten. Seitdem aber das
Schwert des Propheten die blutgetränkten Saracenenschlachtfelder mit dem
Reliquenschrein vertauscht und im letztern den Platz seines Ruhmes gefun-
den hat, seitdem vollends die berühmten Hattischerifs, der von Gülhane und der
Hat Humayum, als Schutzwachen für die orientalische Christenheit ausgestellt
wurden, neigt man dazu von einem Extrem zum andern überzuspringen;
man findet in den Klagen über das auf den Christen lastende türkische Joch
lieber politische Tendenzlügen als Mahnungen ans Gewissen der europäischen
Christenheit. Nun, wer wüßte nicht daß in unserer Zeit die Tendenz die
Wahrheit beherrscht, daß der famose Krim-Tatar eine sehr zahlreiche Nachkom-
menschaft zählt, zerstreut nach allen vier Winden! Doch würde man irregehen,
wollte man in dem Exordium zur neuesten Kreuzzugspredigt dieselbe Freun-
desstimme heraushören. Mag es seyn daß der Panslavismus sein eigenes
Interesse darin findet wenn er die Leiden der christlichen Bevölkerungen von
Bosnien und Serbien, von Rumelien und Bulgarien in seinen öffentlichen
Organen mit allem Nachdruck verzeichnet: diese Leiden verlieren aber dadurch
weder ihre Wirklichkeit noch ihre Berechtigung gehört zu werden. Wenn
europäische Touristen aus dem Orient bei weitem mehr von der Achtung zu
berichten haben die der fränkische Hut mitten unter den Moslim genießt, oder
auch mehr von den Erfolgen fränkischer Gauner an den Höfen von Masr und
Stambul als von den Seufzern bedrückter christlicher Gemeinden, so hat dieß
zunächst darin seinen Grund daß die gewöhnlichen Zielpunkte orientalischer
Touristen am wenigsten dem mohammedanischen Uebermuth gegen die Chri-
sten preisgegeben sind; die wenigsten Reisenden schenken aber auch den Ver-
hältnissen der einheimischen Christen zur mohammedanischen Regierung ein
besonderes Augenmerk. Nichtsdestoweniger könnte noch heute ein Peter von
Amiens Stoff genug finden um christliche Ohren und Herzen zu erschüttern.
Ja, es scheint in der That als ob da und dort, wo nicht gerade demonstrations-
eifrige Kriegsschiffe vor Anker liegen, oder die christliche Bevölkerung dreifach
und vierfach überwiegt, der muselmanische Fanatismus wie zu einer letzten
Orgie erwacht sey, indem er eben so wenig das Blut wie das Gut seiner
Opfer achtet. Sollte diese Behauptung vortrefflich zu dem jüngsten diploma-
tischen Nothschrei aus dem Norden passen, so wird sie um so mißtrauischer
aufgenommen werden. Aber nicht auf gewagte Behauptungen, sondern auf
die Mittheilung einiger Thatsachen ist es hier abgesehen, die leider nur zu
verbürgt sind um Zweifel an ihrer Wahrheit zuzulassen.

Gewiß kennt mancher Leser den Namen der Hafenstadt Ladikijah, oder
Laodicea, unweit der nördlichen Ausläufer des Libanons gelegen, süd-
westlich von Antiochia und Aleppo. Es ist dieß nicht dasjenige Laodicea an
welches eines der sieben Sendschreiben im Buch der Offenbarung gerichtet ist.
Statt dieses alten Ruhmes besitzt es denjenigen dem ganzen heutigen Orient
den besten Tabak zu liefern. Ladikijah ist der Sitz eines Kaimakam, unter
welchem die Mudire stehen denen das Regiment in einzelnen kleineren zum
[Spaltenumbruch] District von Ladikijah gehörigen Bezirken anvertraut ist. Die christliche Be-
völkerung dieser Bezirke hat in neuester Zeit so grobe Unbilden von ihren
mohammedanischen Herren erfahren, daß sie die schwersten Anklagen gegen
dieselben nach Ladikijah brachten, wo sie jedoch durch monatelanges Harren,
Drängen und Fordern nichts anderes erreichten als die schnödeste Verhöhnung
des gepriesenen Hat Humayum. Am 25 Febr. 1859 setzten die consulari-
schen Agenten Frankreichs, Englands, Rußlands, Oesterreichs, Preußens und
Sardiniens, welche sämmtlich zu Ladikijah residiren, ein Actenstück auf über
die namentlich in den Bezirken von Marcab und Khuabi an den Christen
verübten Verbrechen; aber auch davon lag ein halbes Jahr später -- und
wahrscheinlich bis zu dieser Stunde -- noch nicht der geringste Erfolg vor-
nicht einmal den Schein einer Handhabung von Recht und Gerechtigkeit habe;
die türkischen Behörden zu gewinnen gesucht. Die Thatsachen, die im folgen-
den mitgetheilt werden, sind unmittelbar dem genannten von den Vertretern
der sechs europäischen Mächte unterschriebenen Actenstück entlehnt.

Als sich im Herbst des Jahres 1858 zu Safita türkische Truppen auf-
hielten um die Unterwerfung des Ismail Cheir Beg herbeizuführen, begaben
sich die dadurch zur Mitleidenheit gezogenen Christen mit aller ihrer Habe,
so weit sie sich fortbringen ließ, in die benachbarten Bezirke von Khuabi und
Marcab, und zwar brachten mehrere Familien einen beträchtlichen Theil
ihres Eigenthums in das zu Khuabi gehörige Dorf Bahrmin. Während sich
nun eines Sonntags die Einwohner dieses Dorfes in der Kirche befanden,
fielen plötzlich Flintenschüsse. Sie eilten aus der Kirche, und eine betagte
Wittwe kam ihnen mit der Nachricht entgegen daß sechs Nasairier (Anhänger
einer häretischen mohamedanischen Secte), verfolgt von einigen zwanzig Leu-
ten vom Hause Massa, in ihr Haus sich geflüchtet hatten, von wo aus sie mit
ihren Verfolgern ein mörderisches Gewehrfeuer unterhielten. In demselben
Augenblick kam ins Dorf Mahmud Agha, der Sohn des Mudir Achmed Agha
Abdelkader, begleitet von einem Trupp Reiter und Fußvolk. Die Christen
wandten sich fogleich klagend und bittend an ihn, worauf er ihnen befahl alle
ihre Habe aus ihren Häusern in die Kirche zu schaffen. Dieß war kaum ge-
schehen, sowohl mit der eigenen Habe der Bewohner von Bahrmin als auch
mit der denselben von ihren Nachbarn anvertrauten, so sprengte Mahmud
Agha die Kirchthür ein, und forderte seine Leute zu allgemeiner Plünderung
auf, ohne selbst den Kirchenschmuck und die Kirchengeräthschaften zu schonen. Nach
Vollzug dieser Plünderung raubten sie auch noch alles was in den Häusern
irdendwo zurückgeblieben war, und steckten darauf die sämmtlichen 23 Häuser
in Brand. Einer der wohlhabendsten Bewohner des Dorfes, Namens Yussuf
Sade, warf sich, als er sein ausgeplündertes Haus auch noch den Flammen
preisgegeben sah, flehentlich dem Agha zu Füßen. Die Antwort auf sein Flehen
war eine sofortige und so grausame Bastonnade, daß er darüber den Geist
aufgab. Von seinem Leichnam weg ergriff die ganze Einwohnerschaft die
Flucht. Einige von ihnen fielen noch unterwegs den Leuten des Agha in die
Hände, und retteten nichts als das nackte Leben.

Sobald die Kunde von diesen Vorgängen zu Achmed Agha Abdelkader
gelangte, begab er sich selbst auf den Schauplatz des Gräuels, und äußerte
im Angesicht der noch lodernden Flammen seine lebhafte Freude an allem was
sein Sohn vollführt. Ja die fanatische Frechheit des Mudir und seiner Leute
gieng so weit, daß die letzteren die aus der Kirche geraubten priesterlichen Klei-
der anzogen und darin einen förmlichen Spottaufzug hielten.

Die Christen von Bahrmin, ohne Haus und Hof und bettelarm, brach-
ten nun ihre Weiber und Kinder in den Nachbardörfern unter, und kamen
nach Ladikijah um ihre Anklagen beim Kaimakam anzubringen. Trotz monate-
langen Aufenthalts erlangten sie nicht die geringste Genugthuung. Sie kamen
noch ein zweitesmal im erbarmungswürdigsten Zustand, und wandten sich
nun besonders an den dortigen griechischen Bischof. Auf die nachdrücklichen
Vorstellungen des letzteren ließ der Kaimakam den Mudir sammt seinem Sohn
zur Stadt kommen, um angeblich über sie im Medschlis Gericht zu halten;
auch versprach er den Wiederaufbau des niedergebrannten Dorfes und Ersatz
für die geübte Plünderung. Allein alle diese Zusagen und Versprechungen
erwiesen sich als leere Worte. Man hat allen Grund anzunehmen daß der
Kaimakam selbst von dem Raubgut seinen Antheil erhalten. Außerdem zäh-
len Abdelrazak Effendi, Mitglied des Medschlis, und der Musti von Ladikijah
zu fanatischen Gegnern der Christen.

Aber wir sind noch nicht zu Ende mit der Mittheilung der im Actenstück
verzeichneten Unthaten desselben Mahmud Agha. Als die Christen des Dorfs
Bamlke hörten was sich zu Bahrmin begeben, machte sich sogleich ihr Geist-
licher und ihr Scheikh, Namens Georgios Chahud, mit einem kleinen Gefolge
auf, und kamen nach Bahrmin. Dort machten sie Mahmud Agha und seinem
ihn begleitenden Freund Amin Effendi Vorstellungen, und baten um Rückgabe
des geplünderten Guts. Während dem Geistlichen mit frechen Schimpfreden
geantwortet wurde, ward der Scheikh ohne weiteres entkleidet und geknebelt.
Hierauf brach der Agha nach Bamlke selbst auf, indem er den Scheikh ge-
knebelt mit sich sührte. Hier vollzog er sammt seiner Rotte mannichfache Er-
pressungen und Mißhandlungen, und gab den Scheikh nur gegen ein Lösegeld

[Spaltenumbruch] gebenheitsadreſſen nach Paris eilen! Wir werden unſere Savoyarden haben:
allein wird das Land, wird das Volk ohne Widerſtand dem neuen Herrn ſich
unterwerfen? Wir hoffen, wir glauben es nicht! Wir ſind nicht ſeit geſtern
erſt ein freies Volk: wenn die Sansculottes von 1794 uns mit Füßen traten,
ſo wird der kaiſerliche Gentleman nicht vergeſſen was man uns ſchuldig iſt.
Zwei Königsdynaſtien Frankreichs die leider ſeine Luft verpeſtete, giengen von
Belgien aus. Unſere natürlichen Gränzen waren einſt die Seine und die
Marne, wir denken nicht daran ſie wieder zu haben: wir bitten nur daß man
uns in Ruhe laſſe. Zwanzig Jahre hat uns Frankreich tyranniſirt. Wenn
es glaubt daß wir mit ihm ſympathiſiren weil wir ſeine Geſetzbücher haben,
und weil ſeine Sprache die bei uns vorherrſchende der gebildeteren Claſſen iſt —
ſo iſt es ſehr im Irrthum. Wenn die feinen Franzoſen uns als eine Art von
Barbaren, vielleicht gar für Wilde (brutes) anſehen, ſo können ſie ſich jeden
Tag von ſolch einem Irrthum heilen. Ja in dem Sinn ſind wir allerdings
Barbaren daß wir der franzöſiſchen Propaganda die Thür verſchließen. Man
wird nicht vergeſſen haben wie wir 1848 die franzöſiſchen Socialiſten em-
pfiengen.

Frankreich hat ſich ſeit jener politiſchen Verirrung mit Kriegsruhm
bedeckt! Mag er ihm wohlbekommen, wir beneiden es nicht darum! Laſſe
man dem kleinen Winkel Europa’s der die Wiege der bürgerlichen Freiheit und
der Civiliſation der Neuzeit iſt, ſein Selbſtbeſtehen und ſeine Weiterentwick-
lung! Wird man es nicht thun, ſo werden wir handeln wie ein innig an
ſeiner Nationalität hängendes Volk handeln muß. Indeſſen möchte ich den
jetzigen Leitern des Staats den Rath geben ſich dann nicht, wie früher König
Wilhelm, auf den zerbrochenen Stab derjenigen zu ſtützen die durch ſie reich
geworden ſind.



Zur Kennzeichnung der gegenwärtigen Lage der Chriſten
in der Türkei.

** Es gab eine Zeit wo es ſich von ſelbſt verſtand daß die unter der
türkiſchen Herrſchaft lebenden Chriſten den gröbſten Bedrückungen, den ärg-
ſten Verfolgungen ausgeſetzt waren, und daß ſie einer Erlöſung durch die chriſt-
lichen Mächte Europa’s unaufhörlich entgegenſeufzten. Seitdem aber das
Schwert des Propheten die blutgetränkten Saracenenſchlachtfelder mit dem
Reliquenſchrein vertauſcht und im letztern den Platz ſeines Ruhmes gefun-
den hat, ſeitdem vollends die berühmten Hattiſcherifs, der von Gülhane und der
Hat Humayum, als Schutzwachen für die orientaliſche Chriſtenheit ausgeſtellt
wurden, neigt man dazu von einem Extrem zum andern überzuſpringen;
man findet in den Klagen über das auf den Chriſten laſtende türkiſche Joch
lieber politiſche Tendenzlügen als Mahnungen ans Gewiſſen der europäiſchen
Chriſtenheit. Nun, wer wüßte nicht daß in unſerer Zeit die Tendenz die
Wahrheit beherrſcht, daß der famoſe Krim-Tatar eine ſehr zahlreiche Nachkom-
menſchaft zählt, zerſtreut nach allen vier Winden! Doch würde man irregehen,
wollte man in dem Exordium zur neueſten Kreuzzugspredigt dieſelbe Freun-
desſtimme heraushören. Mag es ſeyn daß der Panſlavismus ſein eigenes
Intereſſe darin findet wenn er die Leiden der chriſtlichen Bevölkerungen von
Bosnien und Serbien, von Rumelien und Bulgarien in ſeinen öffentlichen
Organen mit allem Nachdruck verzeichnet: dieſe Leiden verlieren aber dadurch
weder ihre Wirklichkeit noch ihre Berechtigung gehört zu werden. Wenn
europäiſche Touriſten aus dem Orient bei weitem mehr von der Achtung zu
berichten haben die der fränkiſche Hut mitten unter den Moslim genießt, oder
auch mehr von den Erfolgen fränkiſcher Gauner an den Höfen von Masr und
Stambul als von den Seufzern bedrückter chriſtlicher Gemeinden, ſo hat dieß
zunächſt darin ſeinen Grund daß die gewöhnlichen Zielpunkte orientaliſcher
Touriſten am wenigſten dem mohammedaniſchen Uebermuth gegen die Chri-
ſten preisgegeben ſind; die wenigſten Reiſenden ſchenken aber auch den Ver-
hältniſſen der einheimiſchen Chriſten zur mohammedaniſchen Regierung ein
beſonderes Augenmerk. Nichtsdeſtoweniger könnte noch heute ein Peter von
Amiens Stoff genug finden um chriſtliche Ohren und Herzen zu erſchüttern.
Ja, es ſcheint in der That als ob da und dort, wo nicht gerade demonſtrations-
eifrige Kriegsſchiffe vor Anker liegen, oder die chriſtliche Bevölkerung dreifach
und vierfach überwiegt, der muſelmaniſche Fanatismus wie zu einer letzten
Orgie erwacht ſey, indem er eben ſo wenig das Blut wie das Gut ſeiner
Opfer achtet. Sollte dieſe Behauptung vortrefflich zu dem jüngſten diploma-
tiſchen Nothſchrei aus dem Norden paſſen, ſo wird ſie um ſo mißtrauiſcher
aufgenommen werden. Aber nicht auf gewagte Behauptungen, ſondern auf
die Mittheilung einiger Thatſachen iſt es hier abgeſehen, die leider nur zu
verbürgt ſind um Zweifel an ihrer Wahrheit zuzulaſſen.

Gewiß kennt mancher Leſer den Namen der Hafenſtadt Ladikijah, oder
Laodicea, unweit der nördlichen Ausläufer des Libanons gelegen, ſüd-
weſtlich von Antiochia und Aleppo. Es iſt dieß nicht dasjenige Laodicea an
welches eines der ſieben Sendſchreiben im Buch der Offenbarung gerichtet iſt.
Statt dieſes alten Ruhmes beſitzt es denjenigen dem ganzen heutigen Orient
den beſten Tabak zu liefern. Ladikijah iſt der Sitz eines Kaimakam, unter
welchem die Mudire ſtehen denen das Regiment in einzelnen kleineren zum
[Spaltenumbruch] Diſtrict von Ladikijah gehörigen Bezirken anvertraut iſt. Die chriſtliche Be-
völkerung dieſer Bezirke hat in neueſter Zeit ſo grobe Unbilden von ihren
mohammedaniſchen Herren erfahren, daß ſie die ſchwerſten Anklagen gegen
dieſelben nach Ladikijah brachten, wo ſie jedoch durch monatelanges Harren,
Drängen und Fordern nichts anderes erreichten als die ſchnödeſte Verhöhnung
des geprieſenen Hat Humayum. Am 25 Febr. 1859 ſetzten die conſulari-
ſchen Agenten Frankreichs, Englands, Rußlands, Oeſterreichs, Preußens und
Sardiniens, welche ſämmtlich zu Ladikijah reſidiren, ein Actenſtück auf über
die namentlich in den Bezirken von Marcab und Khuabi an den Chriſten
verübten Verbrechen; aber auch davon lag ein halbes Jahr ſpäter — und
wahrſcheinlich bis zu dieſer Stunde — noch nicht der geringſte Erfolg vor-
nicht einmal den Schein einer Handhabung von Recht und Gerechtigkeit habe;
die türkiſchen Behörden zu gewinnen geſucht. Die Thatſachen, die im folgen-
den mitgetheilt werden, ſind unmittelbar dem genannten von den Vertretern
der ſechs europäiſchen Mächte unterſchriebenen Actenſtück entlehnt.

Als ſich im Herbſt des Jahres 1858 zu Safita türkiſche Truppen auf-
hielten um die Unterwerfung des Ismail Cheir Beg herbeizuführen, begaben
ſich die dadurch zur Mitleidenheit gezogenen Chriſten mit aller ihrer Habe,
ſo weit ſie ſich fortbringen ließ, in die benachbarten Bezirke von Khuabi und
Marcab, und zwar brachten mehrere Familien einen beträchtlichen Theil
ihres Eigenthums in das zu Khuabi gehörige Dorf Bahrmin. Während ſich
nun eines Sonntags die Einwohner dieſes Dorfes in der Kirche befanden,
fielen plötzlich Flintenſchüſſe. Sie eilten aus der Kirche, und eine betagte
Wittwe kam ihnen mit der Nachricht entgegen daß ſechs Naſairier (Anhänger
einer häretiſchen mohamedaniſchen Secte), verfolgt von einigen zwanzig Leu-
ten vom Hauſe Maſſa, in ihr Haus ſich geflüchtet hatten, von wo aus ſie mit
ihren Verfolgern ein mörderiſches Gewehrfeuer unterhielten. In demſelben
Augenblick kam ins Dorf Mahmud Agha, der Sohn des Mudir Achmed Agha
Abdelkader, begleitet von einem Trupp Reiter und Fußvolk. Die Chriſten
wandten ſich fogleich klagend und bittend an ihn, worauf er ihnen befahl alle
ihre Habe aus ihren Häuſern in die Kirche zu ſchaffen. Dieß war kaum ge-
ſchehen, ſowohl mit der eigenen Habe der Bewohner von Bahrmin als auch
mit der denſelben von ihren Nachbarn anvertrauten, ſo ſprengte Mahmud
Agha die Kirchthür ein, und forderte ſeine Leute zu allgemeiner Plünderung
auf, ohne ſelbſt den Kirchenſchmuck und die Kirchengeräthſchaften zu ſchonen. Nach
Vollzug dieſer Plünderung raubten ſie auch noch alles was in den Häuſern
irdendwo zurückgeblieben war, und ſteckten darauf die ſämmtlichen 23 Häuſer
in Brand. Einer der wohlhabendſten Bewohner des Dorfes, Namens Yuſſuf
Sade, warf ſich, als er ſein ausgeplündertes Haus auch noch den Flammen
preisgegeben ſah, flehentlich dem Agha zu Füßen. Die Antwort auf ſein Flehen
war eine ſofortige und ſo grauſame Baſtonnade, daß er darüber den Geiſt
aufgab. Von ſeinem Leichnam weg ergriff die ganze Einwohnerſchaft die
Flucht. Einige von ihnen fielen noch unterwegs den Leuten des Agha in die
Hände, und retteten nichts als das nackte Leben.

Sobald die Kunde von dieſen Vorgängen zu Achmed Agha Abdelkader
gelangte, begab er ſich ſelbſt auf den Schauplatz des Gräuels, und äußerte
im Angeſicht der noch lodernden Flammen ſeine lebhafte Freude an allem was
ſein Sohn vollführt. Ja die fanatiſche Frechheit des Mudir und ſeiner Leute
gieng ſo weit, daß die letzteren die aus der Kirche geraubten prieſterlichen Klei-
der anzogen und darin einen förmlichen Spottaufzug hielten.

Die Chriſten von Bahrmin, ohne Haus und Hof und bettelarm, brach-
ten nun ihre Weiber und Kinder in den Nachbardörfern unter, und kamen
nach Ladikijah um ihre Anklagen beim Kaimakam anzubringen. Trotz monate-
langen Aufenthalts erlangten ſie nicht die geringſte Genugthuung. Sie kamen
noch ein zweitesmal im erbarmungswürdigſten Zuſtand, und wandten ſich
nun beſonders an den dortigen griechiſchen Biſchof. Auf die nachdrücklichen
Vorſtellungen des letzteren ließ der Kaimakam den Mudir ſammt ſeinem Sohn
zur Stadt kommen, um angeblich über ſie im Medſchlis Gericht zu halten;
auch verſprach er den Wiederaufbau des niedergebrannten Dorfes und Erſatz
für die geübte Plünderung. Allein alle dieſe Zuſagen und Verſprechungen
erwieſen ſich als leere Worte. Man hat allen Grund anzunehmen daß der
Kaimakam ſelbſt von dem Raubgut ſeinen Antheil erhalten. Außerdem zäh-
len Abdelrazak Effendi, Mitglied des Medſchlis, und der Muſti von Ladikijah
zu fanatiſchen Gegnern der Chriſten.

Aber wir ſind noch nicht zu Ende mit der Mittheilung der im Actenſtück
verzeichneten Unthaten desſelben Mahmud Agha. Als die Chriſten des Dorfs
Bamlke hörten was ſich zu Bahrmin begeben, machte ſich ſogleich ihr Geiſt-
licher und ihr Scheikh, Namens Georgios Chahud, mit einem kleinen Gefolge
auf, und kamen nach Bahrmin. Dort machten ſie Mahmud Agha und ſeinem
ihn begleitenden Freund Amin Effendi Vorſtellungen, und baten um Rückgabe
des geplünderten Guts. Während dem Geiſtlichen mit frechen Schimpfreden
geantwortet wurde, ward der Scheikh ohne weiteres entkleidet und geknebelt.
Hierauf brach der Agha nach Bamlke ſelbſt auf, indem er den Scheikh ge-
knebelt mit ſich ſührte. Hier vollzog er ſammt ſeiner Rotte mannichfache Er-
preſſungen und Mißhandlungen, und gab den Scheikh nur gegen ein Löſegeld

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[2770/0010] gebenheitsadreſſen nach Paris eilen! Wir werden unſere Savoyarden haben: allein wird das Land, wird das Volk ohne Widerſtand dem neuen Herrn ſich unterwerfen? Wir hoffen, wir glauben es nicht! Wir ſind nicht ſeit geſtern erſt ein freies Volk: wenn die Sansculottes von 1794 uns mit Füßen traten, ſo wird der kaiſerliche Gentleman nicht vergeſſen was man uns ſchuldig iſt. Zwei Königsdynaſtien Frankreichs die leider ſeine Luft verpeſtete, giengen von Belgien aus. Unſere natürlichen Gränzen waren einſt die Seine und die Marne, wir denken nicht daran ſie wieder zu haben: wir bitten nur daß man uns in Ruhe laſſe. Zwanzig Jahre hat uns Frankreich tyranniſirt. Wenn es glaubt daß wir mit ihm ſympathiſiren weil wir ſeine Geſetzbücher haben, und weil ſeine Sprache die bei uns vorherrſchende der gebildeteren Claſſen iſt — ſo iſt es ſehr im Irrthum. Wenn die feinen Franzoſen uns als eine Art von Barbaren, vielleicht gar für Wilde (brutes) anſehen, ſo können ſie ſich jeden Tag von ſolch einem Irrthum heilen. Ja in dem Sinn ſind wir allerdings Barbaren daß wir der franzöſiſchen Propaganda die Thür verſchließen. Man wird nicht vergeſſen haben wie wir 1848 die franzöſiſchen Socialiſten em- pfiengen. Frankreich hat ſich ſeit jener politiſchen Verirrung mit Kriegsruhm bedeckt! Mag er ihm wohlbekommen, wir beneiden es nicht darum! Laſſe man dem kleinen Winkel Europa’s der die Wiege der bürgerlichen Freiheit und der Civiliſation der Neuzeit iſt, ſein Selbſtbeſtehen und ſeine Weiterentwick- lung! Wird man es nicht thun, ſo werden wir handeln wie ein innig an ſeiner Nationalität hängendes Volk handeln muß. Indeſſen möchte ich den jetzigen Leitern des Staats den Rath geben ſich dann nicht, wie früher König Wilhelm, auf den zerbrochenen Stab derjenigen zu ſtützen die durch ſie reich geworden ſind. Zur Kennzeichnung der gegenwärtigen Lage der Chriſten in der Türkei. ** Es gab eine Zeit wo es ſich von ſelbſt verſtand daß die unter der türkiſchen Herrſchaft lebenden Chriſten den gröbſten Bedrückungen, den ärg- ſten Verfolgungen ausgeſetzt waren, und daß ſie einer Erlöſung durch die chriſt- lichen Mächte Europa’s unaufhörlich entgegenſeufzten. Seitdem aber das Schwert des Propheten die blutgetränkten Saracenenſchlachtfelder mit dem Reliquenſchrein vertauſcht und im letztern den Platz ſeines Ruhmes gefun- den hat, ſeitdem vollends die berühmten Hattiſcherifs, der von Gülhane und der Hat Humayum, als Schutzwachen für die orientaliſche Chriſtenheit ausgeſtellt wurden, neigt man dazu von einem Extrem zum andern überzuſpringen; man findet in den Klagen über das auf den Chriſten laſtende türkiſche Joch lieber politiſche Tendenzlügen als Mahnungen ans Gewiſſen der europäiſchen Chriſtenheit. Nun, wer wüßte nicht daß in unſerer Zeit die Tendenz die Wahrheit beherrſcht, daß der famoſe Krim-Tatar eine ſehr zahlreiche Nachkom- menſchaft zählt, zerſtreut nach allen vier Winden! Doch würde man irregehen, wollte man in dem Exordium zur neueſten Kreuzzugspredigt dieſelbe Freun- desſtimme heraushören. Mag es ſeyn daß der Panſlavismus ſein eigenes Intereſſe darin findet wenn er die Leiden der chriſtlichen Bevölkerungen von Bosnien und Serbien, von Rumelien und Bulgarien in ſeinen öffentlichen Organen mit allem Nachdruck verzeichnet: dieſe Leiden verlieren aber dadurch weder ihre Wirklichkeit noch ihre Berechtigung gehört zu werden. Wenn europäiſche Touriſten aus dem Orient bei weitem mehr von der Achtung zu berichten haben die der fränkiſche Hut mitten unter den Moslim genießt, oder auch mehr von den Erfolgen fränkiſcher Gauner an den Höfen von Masr und Stambul als von den Seufzern bedrückter chriſtlicher Gemeinden, ſo hat dieß zunächſt darin ſeinen Grund daß die gewöhnlichen Zielpunkte orientaliſcher Touriſten am wenigſten dem mohammedaniſchen Uebermuth gegen die Chri- ſten preisgegeben ſind; die wenigſten Reiſenden ſchenken aber auch den Ver- hältniſſen der einheimiſchen Chriſten zur mohammedaniſchen Regierung ein beſonderes Augenmerk. Nichtsdeſtoweniger könnte noch heute ein Peter von Amiens Stoff genug finden um chriſtliche Ohren und Herzen zu erſchüttern. Ja, es ſcheint in der That als ob da und dort, wo nicht gerade demonſtrations- eifrige Kriegsſchiffe vor Anker liegen, oder die chriſtliche Bevölkerung dreifach und vierfach überwiegt, der muſelmaniſche Fanatismus wie zu einer letzten Orgie erwacht ſey, indem er eben ſo wenig das Blut wie das Gut ſeiner Opfer achtet. Sollte dieſe Behauptung vortrefflich zu dem jüngſten diploma- tiſchen Nothſchrei aus dem Norden paſſen, ſo wird ſie um ſo mißtrauiſcher aufgenommen werden. Aber nicht auf gewagte Behauptungen, ſondern auf die Mittheilung einiger Thatſachen iſt es hier abgeſehen, die leider nur zu verbürgt ſind um Zweifel an ihrer Wahrheit zuzulaſſen. Gewiß kennt mancher Leſer den Namen der Hafenſtadt Ladikijah, oder Laodicea, unweit der nördlichen Ausläufer des Libanons gelegen, ſüd- weſtlich von Antiochia und Aleppo. Es iſt dieß nicht dasjenige Laodicea an welches eines der ſieben Sendſchreiben im Buch der Offenbarung gerichtet iſt. Statt dieſes alten Ruhmes beſitzt es denjenigen dem ganzen heutigen Orient den beſten Tabak zu liefern. Ladikijah iſt der Sitz eines Kaimakam, unter welchem die Mudire ſtehen denen das Regiment in einzelnen kleineren zum Diſtrict von Ladikijah gehörigen Bezirken anvertraut iſt. Die chriſtliche Be- völkerung dieſer Bezirke hat in neueſter Zeit ſo grobe Unbilden von ihren mohammedaniſchen Herren erfahren, daß ſie die ſchwerſten Anklagen gegen dieſelben nach Ladikijah brachten, wo ſie jedoch durch monatelanges Harren, Drängen und Fordern nichts anderes erreichten als die ſchnödeſte Verhöhnung des geprieſenen Hat Humayum. Am 25 Febr. 1859 ſetzten die conſulari- ſchen Agenten Frankreichs, Englands, Rußlands, Oeſterreichs, Preußens und Sardiniens, welche ſämmtlich zu Ladikijah reſidiren, ein Actenſtück auf über die namentlich in den Bezirken von Marcab und Khuabi an den Chriſten verübten Verbrechen; aber auch davon lag ein halbes Jahr ſpäter — und wahrſcheinlich bis zu dieſer Stunde — noch nicht der geringſte Erfolg vor- nicht einmal den Schein einer Handhabung von Recht und Gerechtigkeit habe; die türkiſchen Behörden zu gewinnen geſucht. Die Thatſachen, die im folgen- den mitgetheilt werden, ſind unmittelbar dem genannten von den Vertretern der ſechs europäiſchen Mächte unterſchriebenen Actenſtück entlehnt. Als ſich im Herbſt des Jahres 1858 zu Safita türkiſche Truppen auf- hielten um die Unterwerfung des Ismail Cheir Beg herbeizuführen, begaben ſich die dadurch zur Mitleidenheit gezogenen Chriſten mit aller ihrer Habe, ſo weit ſie ſich fortbringen ließ, in die benachbarten Bezirke von Khuabi und Marcab, und zwar brachten mehrere Familien einen beträchtlichen Theil ihres Eigenthums in das zu Khuabi gehörige Dorf Bahrmin. Während ſich nun eines Sonntags die Einwohner dieſes Dorfes in der Kirche befanden, fielen plötzlich Flintenſchüſſe. Sie eilten aus der Kirche, und eine betagte Wittwe kam ihnen mit der Nachricht entgegen daß ſechs Naſairier (Anhänger einer häretiſchen mohamedaniſchen Secte), verfolgt von einigen zwanzig Leu- ten vom Hauſe Maſſa, in ihr Haus ſich geflüchtet hatten, von wo aus ſie mit ihren Verfolgern ein mörderiſches Gewehrfeuer unterhielten. In demſelben Augenblick kam ins Dorf Mahmud Agha, der Sohn des Mudir Achmed Agha Abdelkader, begleitet von einem Trupp Reiter und Fußvolk. Die Chriſten wandten ſich fogleich klagend und bittend an ihn, worauf er ihnen befahl alle ihre Habe aus ihren Häuſern in die Kirche zu ſchaffen. Dieß war kaum ge- ſchehen, ſowohl mit der eigenen Habe der Bewohner von Bahrmin als auch mit der denſelben von ihren Nachbarn anvertrauten, ſo ſprengte Mahmud Agha die Kirchthür ein, und forderte ſeine Leute zu allgemeiner Plünderung auf, ohne ſelbſt den Kirchenſchmuck und die Kirchengeräthſchaften zu ſchonen. Nach Vollzug dieſer Plünderung raubten ſie auch noch alles was in den Häuſern irdendwo zurückgeblieben war, und ſteckten darauf die ſämmtlichen 23 Häuſer in Brand. Einer der wohlhabendſten Bewohner des Dorfes, Namens Yuſſuf Sade, warf ſich, als er ſein ausgeplündertes Haus auch noch den Flammen preisgegeben ſah, flehentlich dem Agha zu Füßen. Die Antwort auf ſein Flehen war eine ſofortige und ſo grauſame Baſtonnade, daß er darüber den Geiſt aufgab. Von ſeinem Leichnam weg ergriff die ganze Einwohnerſchaft die Flucht. Einige von ihnen fielen noch unterwegs den Leuten des Agha in die Hände, und retteten nichts als das nackte Leben. Sobald die Kunde von dieſen Vorgängen zu Achmed Agha Abdelkader gelangte, begab er ſich ſelbſt auf den Schauplatz des Gräuels, und äußerte im Angeſicht der noch lodernden Flammen ſeine lebhafte Freude an allem was ſein Sohn vollführt. Ja die fanatiſche Frechheit des Mudir und ſeiner Leute gieng ſo weit, daß die letzteren die aus der Kirche geraubten prieſterlichen Klei- der anzogen und darin einen förmlichen Spottaufzug hielten. Die Chriſten von Bahrmin, ohne Haus und Hof und bettelarm, brach- ten nun ihre Weiber und Kinder in den Nachbardörfern unter, und kamen nach Ladikijah um ihre Anklagen beim Kaimakam anzubringen. Trotz monate- langen Aufenthalts erlangten ſie nicht die geringſte Genugthuung. Sie kamen noch ein zweitesmal im erbarmungswürdigſten Zuſtand, und wandten ſich nun beſonders an den dortigen griechiſchen Biſchof. Auf die nachdrücklichen Vorſtellungen des letzteren ließ der Kaimakam den Mudir ſammt ſeinem Sohn zur Stadt kommen, um angeblich über ſie im Medſchlis Gericht zu halten; auch verſprach er den Wiederaufbau des niedergebrannten Dorfes und Erſatz für die geübte Plünderung. Allein alle dieſe Zuſagen und Verſprechungen erwieſen ſich als leere Worte. Man hat allen Grund anzunehmen daß der Kaimakam ſelbſt von dem Raubgut ſeinen Antheil erhalten. Außerdem zäh- len Abdelrazak Effendi, Mitglied des Medſchlis, und der Muſti von Ladikijah zu fanatiſchen Gegnern der Chriſten. Aber wir ſind noch nicht zu Ende mit der Mittheilung der im Actenſtück verzeichneten Unthaten desſelben Mahmud Agha. Als die Chriſten des Dorfs Bamlke hörten was ſich zu Bahrmin begeben, machte ſich ſogleich ihr Geiſt- licher und ihr Scheikh, Namens Georgios Chahud, mit einem kleinen Gefolge auf, und kamen nach Bahrmin. Dort machten ſie Mahmud Agha und ſeinem ihn begleitenden Freund Amin Effendi Vorſtellungen, und baten um Rückgabe des geplünderten Guts. Während dem Geiſtlichen mit frechen Schimpfreden geantwortet wurde, ward der Scheikh ohne weiteres entkleidet und geknebelt. Hierauf brach der Agha nach Bamlke ſelbſt auf, indem er den Scheikh ge- knebelt mit ſich ſührte. Hier vollzog er ſammt ſeiner Rotte mannichfache Er- preſſungen und Mißhandlungen, und gab den Scheikh nur gegen ein Löſegeld

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860, S. 2770. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine166_1860/10>, abgerufen am 23.11.2024.