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Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Wahrheit und Dichtung seyn mag, ist hier nicht näher zu erörtern, doch ist
die Thatsache jedenfalls constatirt daß der Ruin der kärnthnischen Gewerke
für die dortige Bevölkerung von den unheilvollsten Folgen gewesen, und wenn
auch andere Factoren dabei in Rechnung kommen müssen, so genügt schon die-
ser Umstand allein um die Regierung zur Prüfung der von den Eisenindu-
striellen vorgebrachten Veschwerden zu veranlassen. Frhr. v. Bruck sah sich
jedoch nicht in der Lage hier Abhülfe zu schaffen, weil die Zollbegünstigungen
welche den "Gründern" nun einmal gewährt worden waren, ohne mit großen
Opfern verbundene Entschädigungen nicht zurückgenommen werden konnten,
und mußte daher jede Vorstellung der Eisengewerke um Abhülfe ablehnend
bescheiden. Die betreffenden Industriellen, welche von dem neuen Finanzlei-
ter erwarten was sein Vorgänger nicht bewilligen wollte, haben ihm bereits
verschiedene sehr beachtenswerthe Denlschriften eingereicht, und zwar hat der
"Verein der österreichischen Eisenindustrie" damit begonnen die Verhältnisse
des österreichischen Bergbaues klar und übersichtlich auseinanderzusetzen, um
daraus die dringende Nothwendigkeit einer Zollerhöhung zu folgern. Fast
noch bedeutsamer ist die Denkschrift welche die Klagenfurter Handelskammer
dem Finanzminister überreicht, indem dieselbe speciell auf die großen Nach-
theile hinweist die der Eisenindustrie Kärnthens durch die der lombardisch-
venetianischen Eisenbahngesellschaft gewährten Zollbegünstigungen erwachsen.
In den letzten Tagen haben auch die österreichischen Maschinenfabricanten
eine in ähnlichem Sinn abgefaßte Denkschrift an den Finanzminister über-
reicht, und die Regierung dürfte dieser im großartigen Maßstab angelegten
Agitation gegenüber einen schweren Stand haben die bisherige Zollpolitik
aufrecht zu erhalten. Die Börse hat wieder Muth gefaßt, und erwartet von
der Diplomatie daß sie die Dinge in Italien zu einem richtigen Abschluß
bringt.



Schweiz.

Vielleicht ist mancher Ihrer Leser, der das Project
einer Schweizerreise mit sich herumträgt, für die Nachricht verbunden daß vor
ganz kürzer Zeit Bern um ein neues Hotel sich bereichert hat. Dieß ist der
Berner Hof, unmittelbar neben der "Schanze" gelegen, deren berühmte Aus-
sicht nach den Bergen des Oberlands von der Terrasse des neuen Gasthofes
genossen werden kann. Das Hotel ist mit allem Comfort ausgestattet wie ihn
nur der verwöhnteste Reisende fordern kann, und die Preise wie in den andern
Schweizerhäusern ersten Rangs. Da das Hotel noch nicht in der letzten Aus-
gabe des großen Vormunds aller Reisenden, nämlich Bädekers, der eben nen
erschienen, angegeben ist, so mag diese Nachricht zur Ergänzung der Lücke
dienen.

In den Schweizer und auch in andern Blättern
sind in letzter Zeit so viele abenteuerliche Mittheilungen über den Proceß und
über die Person Perriers gemacht worden, daß ich glaube es wird Ihnen
angenehm seyn den wahren Sachverhalt kennen zu lernen. Es ist der fol-
gende. Gleich zu Anfang hatte Perrier verlangt gegen Caution auf freien
Fuß gesetzt zu werden. Dieses Gesuch wurde ihm abgeschlagen, offenbar aus
Aengstlichkeitsrücksichten gegen Frankreich. Man wollte dem Kaiser Napo-
leon zeigen daß die Schweiz keine Garibaldis aufkommen läßt, solange der
Weg der friedlichen Unterhandlungen nicht erschöpft ist. Nun befindet sich
aber Genf seit der eidgenössischen Occupation in einem durchaus anormalen
Zustand. Wie ich Ihnen schon früher schrieb, weiß nur Gott und der Oberst
Ziegler was die eidgenössischen Truppen hier thun. Da aber letzterer sehr
schweigsamer Natur ist, wird es vielleicht noch lange dauern ehe man etwas
genaueres darüber erfährt. Daß die Truppen nicht dazu bestimmt sind Sa-
voyen zu occupiren, hat sich wohl jetzt als sicher herausgestellt; daß die beiden
hier liegenden Bataillone die Bestimmung haben sollten den Angriff einer
französischen Südarmee etwa nach dem Beispiel ihrer Altvordern bei St.
Jacob an der Birs aufzuhalten, dürfte ebenfalls sehr unwahrscheinlich seyn;
nicht weil wir auch nur einen Augenblick den Muth und die Aufopferungs-
fähigkeit des Schweizer Volks bezweifeln, sondern weil Zürich in Hrn. Dubs
seinen Stüßy gefunden hat, die Eidgenossenschaft aber noch nicht ihren Buben-
berg. Was thun also die Truppen hier? Vertheidigen sie Fazy gegen die
eigenen Zuaven? Vertheidigen sie die Eidgenossenschaft gegen Fazy?
Niemand kann dieß beantworten, und als einzige Ursache des Truppenauf-
gebots die Zweckess en anzunehmen zu denen sein Generalstab und sein
Oberst Ziegler eingeladen wird, scheint bei dem praktischen Sinn der Schwei-
zer auch nicht wahrscheinlich. Es ist natürlich daß aus dieser Geheimniß-
krämerei, besser vielleicht aus diesem "selbst nicht wissen was man will," ein
Zustand hervorgeht der speciell für den Kanton Genf eine große Unsicherheit
erzeugt. Oberst Ziegler, in Erwartung seine militärischen Talente ent-
wickeln zu können, entwickelt seine Polizeitalente. Seine Patrouillen nehmen
Verhaftungen vor, ohne Zuziehung der Kantonalbehörden, und ohne daß der
Belagerungszustand ausgesprochen ist; und speciell in dem Proceß Perrier
tritt die eigenthümliche Lage des Kantons deutlich hervor. Nach §. 23 des
Gesetzes über die Bundesstrafrechtspflege steht es einzig dem Untersuchungs-
[Spaltenumbruch] richter zu die Gefangenschaft eines Angeklagten zu überwachen, den Gefangen-
wärtern Befehle zu ertheilen etc., aber trotzdem hat die Militärbehörde von An-
fang an sich hier hineingemischt, Oberst Ziegler als Höchstcommandirender,
Oberst Letter als Platzcommandant, was vielen Genfern vielleicht neu seyn wird,
die gar nicht wissen daß wir einen Platzcommandanten haben. Als nun vor etwa
fünf Wochen die Untersuchung gegen Perrier geschlossen war, der Untersuchungs-
richter sich überzeugt hatte daß die Dimensionen, welche man dem Proceß ge-
geben, auf ein so geringes zusammenschrumpften daß ein Fallenlassen des-
selben das wünschbarste sey, als auch der Bundesrath diese Ansicht theilte,
nachdem man sich überzeugt es würden hundert Processe Perrier Frankreich
nicht zum Nachgeben in der Savoyer Frage bestimmen -- da wurde dem Ge-
fangenen insinuirt er möge seine Freilassung fordern, man werde sie ihm so-
fort bewilligen. Perrier wies diese Zumuthung zurück, da es offenbar war
daß man in diesem Fall die Sache einschlafen lassen werde. Der Gefangene
verlangte entweder vor die Assisen gestellt zu werden, oder ein arret de non-
lien
der Anklagekammer. Dieß war offenbar sein Recht. Krankheit des
Bundesanwalts verzögerte dessen Bericht an die Anklagekammer um drei
Wochen! Krankheit eines Mitglieds der Anklagekammer verzögerte den Ent-
scheid derselben bis auf diesen Tag! Gleichzeitig fuhr man aber fort den Ge-
fangenen hier mit gleicher, wo möglich noch größerer Schärfe zu behandeln.
Derselbe befindet sich bekanntlich nicht in dem gewöhnlichen Gefängniß, son-
dern in dem ehemaligen Hospital, das im gegenwärtigen Augenblick auch als Ca-
serne dient, und auf Befehl der Militärbehörden wurden, nach geschlossener
Untersuchung,
die Fenster außen mit Holzkasten umgeben. Dieser Umstand
führte den Zornausbruch Perriers herbei, der darin bestand einen Theil des
Mobiliars seiner Zelle zu zertrümmern, und löst den Widerspruch daß Perrier
das Gefängniß nicht verlassen wolle, andererseits dasselbe demolirt habe.
Inwieweit die obenerwähnten Verzögerungen in dem Proceßverfahren und
die strenge Behandlung darauf abzielen könnten Perrier zu dem Ent-
schluß zu treiben das von ihm verweigerte Gesuch um Freilassung einzu-
reichen, wollen wir dahingestellt seyn lassen. Thatsache ist nur: daß die
Untersuchung seit fünf Wochen geschlossen, und daß man den Gefangenen
noch immer in geheimer Haft hält, was, nach geschlossener Untersuchung,
eine durchaus unnütze, harte Maßregel ist, die in einem deutschen Staat nicht
vorkommen würde, weßhalb die Schweizer Zeitungen auch künftighin den
Mund nicht so voll nehmen möchten wenn sie von deutschen Rechtszuständen
sprechen wollen. Sobald der Proceß zu einem bestimmten Resultat ge-
diehen seyn wird, werde ich nicht ermangeln Ihnen weitere interessante
Details über denselben und die Stellung der hiesigen Parteien zu berichten,
die alle mehr oder minder darin figuriren.



Italien.

Wiewohl der "Monitor Toscano" über die
am 4 Jun. stattgefundene Gedenkfeier des Tags von Curtatone von allen
Seiten patriotische Berichte bringt, scheint es überall doch nicht so glatt her-
gegangen zu seyn, indem die Geistlichkeit auch bei dieser Gelegenheit sich hier
und da ziemlich schroff verhalten hat. So ließ in Prato z. B. der Capitular-
vicar Canonicus Pierallina es nicht zu daß bei der Feier im Dom eine Ge-
denkrede vom Advocaten L. Conti gehalten wurde, weil die darin enthaltenen
Gedanken ihm für den Ort nicht geeignet schienen. Der Canonicus Pieral-
lina scheint übrigens im Sinn der neuerlichen Befehle aus Rom gehandelt zu
haben; denn am 9 Jul. 1848 setzte er selbst den gefallenen Toscanern Denk-
schriften wie folgende: "Die Barbaren selbst (die Oesterreicher), indem sie
dieselben (die Toscaner) bewunderten, nannten sie Heroen." Abends wurde
in der dortigen Kirche der Misericordia ebenfalls ein Todtenamt für die Ge-
fallenen gefeiert, und der neue Redner Dr. Franceschini wurde ebenfalls aus
der Kirche verwiesen, worauf er vor der Kirchthür auf einem Stuhl seine
Rednergabe entwickelte. Das wunderliche dabei ist daß man die Regierung
des Einverständnisses mit der Geistlichkeit beschuldigt, und zugleich das Selbst-
lob ausspricht daß Toscana im ganzen Regno italico die reactionärste Pro-
vinz sey. Es versteht sich daß die mazzinistische Volkspartei in solchen Kla-
gen vorangeht. Ganz eben so heftig beschuldigt auch der "Contemporaneo"
die Regierung wegen der willkürlichen Wegführung des Cardinals Corsi nach
Turin, und spricht nur noch von der türkischen Regierung im Palazzo vecchio.
Die eigenthümlichen willkürlichen Maßregeln welche Republicaner und Re-
stauratoren gleich sehr erbittern, hat der immer auf seinem philologischen
Steckenpferd reitende "Contemparaneo" mit einem Adjectiv seiner Erfindung
bezeichnet, nämlich mit ricasolino, ricasolimente, was bei ihm identisch
mit großtürkisch ist. -- Der "Monitore" berichtet an der Spitze seiner
heutigen Nummer daß der piemontesische Divisionsgeneral Durando der
Marchesa Vartolommeo, welche eine der Sammlerinnen bei der Gedenkfeier
war, für Sicilien 100 Fr. zugeschickt habe, und sagt daß er noch andere ähn-
liche Opfer erwarte. Frauen haben auch in Kirchen anderer Städte bei der
officiellen Feier für Sicilien gesammelt.

Heute früh waren alle Vorbereitungen ge-

[Spaltenumbruch] Wahrheit und Dichtung ſeyn mag, iſt hier nicht näher zu erörtern, doch iſt
die Thatſache jedenfalls conſtatirt daß der Ruin der kärnthniſchen Gewerke
für die dortige Bevölkerung von den unheilvollſten Folgen geweſen, und wenn
auch andere Factoren dabei in Rechnung kommen müſſen, ſo genügt ſchon die-
ſer Umſtand allein um die Regierung zur Prüfung der von den Eiſenindu-
ſtriellen vorgebrachten Veſchwerden zu veranlaſſen. Frhr. v. Bruck ſah ſich
jedoch nicht in der Lage hier Abhülfe zu ſchaffen, weil die Zollbegünſtigungen
welche den „Gründern“ nun einmal gewährt worden waren, ohne mit großen
Opfern verbundene Entſchädigungen nicht zurückgenommen werden konnten,
und mußte daher jede Vorſtellung der Eiſengewerke um Abhülfe ablehnend
beſcheiden. Die betreffenden Induſtriellen, welche von dem neuen Finanzlei-
ter erwarten was ſein Vorgänger nicht bewilligen wollte, haben ihm bereits
verſchiedene ſehr beachtenswerthe Denlſchriften eingereicht, und zwar hat der
„Verein der öſterreichiſchen Eiſeninduſtrie“ damit begonnen die Verhältniſſe
des öſterreichiſchen Bergbaues klar und überſichtlich auseinanderzuſetzen, um
daraus die dringende Nothwendigkeit einer Zollerhöhung zu folgern. Faſt
noch bedeutſamer iſt die Denkſchrift welche die Klagenfurter Handelskammer
dem Finanzminiſter überreicht, indem dieſelbe ſpeciell auf die großen Nach-
theile hinweist die der Eiſeninduſtrie Kärnthens durch die der lombardiſch-
venetianiſchen Eiſenbahngeſellſchaft gewährten Zollbegünſtigungen erwachſen.
In den letzten Tagen haben auch die öſterreichiſchen Maſchinenfabricanten
eine in ähnlichem Sinn abgefaßte Denkſchrift an den Finanzminiſter über-
reicht, und die Regierung dürfte dieſer im großartigen Maßſtab angelegten
Agitation gegenüber einen ſchweren Stand haben die bisherige Zollpolitik
aufrecht zu erhalten. Die Börſe hat wieder Muth gefaßt, und erwartet von
der Diplomatie daß ſie die Dinge in Italien zu einem richtigen Abſchluß
bringt.



Schweiz.

Vielleicht iſt mancher Ihrer Leſer, der das Project
einer Schweizerreiſe mit ſich herumträgt, für die Nachricht verbunden daß vor
ganz kürzer Zeit Bern um ein neues Hôtel ſich bereichert hat. Dieß iſt der
Berner Hof, unmittelbar neben der „Schanze“ gelegen, deren berühmte Aus-
ſicht nach den Bergen des Oberlands von der Terraſſe des neuen Gaſthofes
genoſſen werden kann. Das Hôtel iſt mit allem Comfort ausgeſtattet wie ihn
nur der verwöhnteſte Reiſende fordern kann, und die Preiſe wie in den andern
Schweizerhäuſern erſten Rangs. Da das Hôtel noch nicht in der letzten Aus-
gabe des großen Vormunds aller Reiſenden, nämlich Bädekers, der eben nen
erſchienen, angegeben iſt, ſo mag dieſe Nachricht zur Ergänzung der Lücke
dienen.

In den Schweizer und auch in andern Blättern
ſind in letzter Zeit ſo viele abenteuerliche Mittheilungen über den Proceß und
über die Perſon Perriers gemacht worden, daß ich glaube es wird Ihnen
angenehm ſeyn den wahren Sachverhalt kennen zu lernen. Es iſt der fol-
gende. Gleich zu Anfang hatte Perrier verlangt gegen Caution auf freien
Fuß geſetzt zu werden. Dieſes Geſuch wurde ihm abgeſchlagen, offenbar aus
Aengſtlichkeitsrückſichten gegen Frankreich. Man wollte dem Kaiſer Napo-
leon zeigen daß die Schweiz keine Garibaldis aufkommen läßt, ſolange der
Weg der friedlichen Unterhandlungen nicht erſchöpft iſt. Nun befindet ſich
aber Genf ſeit der eidgenöſſiſchen Occupation in einem durchaus anormalen
Zuſtand. Wie ich Ihnen ſchon früher ſchrieb, weiß nur Gott und der Oberſt
Ziegler was die eidgenöſſiſchen Truppen hier thun. Da aber letzterer ſehr
ſchweigſamer Natur iſt, wird es vielleicht noch lange dauern ehe man etwas
genaueres darüber erfährt. Daß die Truppen nicht dazu beſtimmt ſind Sa-
voyen zu occupiren, hat ſich wohl jetzt als ſicher herausgeſtellt; daß die beiden
hier liegenden Bataillone die Beſtimmung haben ſollten den Angriff einer
franzöſiſchen Südarmee etwa nach dem Beiſpiel ihrer Altvordern bei St.
Jacob an der Birs aufzuhalten, dürfte ebenfalls ſehr unwahrſcheinlich ſeyn;
nicht weil wir auch nur einen Augenblick den Muth und die Aufopferungs-
fähigkeit des Schweizer Volks bezweifeln, ſondern weil Zürich in Hrn. Dubs
ſeinen Stüßy gefunden hat, die Eidgenoſſenſchaft aber noch nicht ihren Buben-
berg. Was thun alſo die Truppen hier? Vertheidigen ſie Fazy gegen die
eigenen Zuaven? Vertheidigen ſie die Eidgenoſſenſchaft gegen Fazy?
Niemand kann dieß beantworten, und als einzige Urſache des Truppenauf-
gebots die Zweckeſſ en anzunehmen zu denen ſein Generalſtab und ſein
Oberſt Ziegler eingeladen wird, ſcheint bei dem praktiſchen Sinn der Schwei-
zer auch nicht wahrſcheinlich. Es iſt natürlich daß aus dieſer Geheimniß-
krämerei, beſſer vielleicht aus dieſem „ſelbſt nicht wiſſen was man will,“ ein
Zuſtand hervorgeht der ſpeciell für den Kanton Genf eine große Unſicherheit
erzeugt. Oberſt Ziegler, in Erwartung ſeine militäriſchen Talente ent-
wickeln zu können, entwickelt ſeine Polizeitalente. Seine Patrouillen nehmen
Verhaftungen vor, ohne Zuziehung der Kantonalbehörden, und ohne daß der
Belagerungszuſtand ausgeſprochen iſt; und ſpeciell in dem Proceß Perrier
tritt die eigenthümliche Lage des Kantons deutlich hervor. Nach §. 23 des
Geſetzes über die Bundesſtrafrechtspflege ſteht es einzig dem Unterſuchungs-
[Spaltenumbruch] richter zu die Gefangenſchaft eines Angeklagten zu überwachen, den Gefangen-
wärtern Befehle zu ertheilen ꝛc., aber trotzdem hat die Militärbehörde von An-
fang an ſich hier hineingemiſcht, Oberſt Ziegler als Höchſtcommandirender,
Oberſt Letter als Platzcommandant, was vielen Genfern vielleicht neu ſeyn wird,
die gar nicht wiſſen daß wir einen Platzcommandanten haben. Als nun vor etwa
fünf Wochen die Unterſuchung gegen Perrier geſchloſſen war, der Unterſuchungs-
richter ſich überzeugt hatte daß die Dimenſionen, welche man dem Proceß ge-
geben, auf ein ſo geringes zuſammenſchrumpften daß ein Fallenlaſſen des-
ſelben das wünſchbarſte ſey, als auch der Bundesrath dieſe Anſicht theilte,
nachdem man ſich überzeugt es würden hundert Proceſſe Perrier Frankreich
nicht zum Nachgeben in der Savoyer Frage beſtimmen — da wurde dem Ge-
fangenen inſinuirt er möge ſeine Freilaſſung fordern, man werde ſie ihm ſo-
fort bewilligen. Perrier wies dieſe Zumuthung zurück, da es offenbar war
daß man in dieſem Fall die Sache einſchlafen laſſen werde. Der Gefangene
verlangte entweder vor die Aſſiſen geſtellt zu werden, oder ein arrêt de non-
lien
der Anklagekammer. Dieß war offenbar ſein Recht. Krankheit des
Bundesanwalts verzögerte deſſen Bericht an die Anklagekammer um drei
Wochen! Krankheit eines Mitglieds der Anklagekammer verzögerte den Ent-
ſcheid derſelben bis auf dieſen Tag! Gleichzeitig fuhr man aber fort den Ge-
fangenen hier mit gleicher, wo möglich noch größerer Schärfe zu behandeln.
Derſelbe befindet ſich bekanntlich nicht in dem gewöhnlichen Gefängniß, ſon-
dern in dem ehemaligen Hoſpital, das im gegenwärtigen Augenblick auch als Ca-
ſerne dient, und auf Befehl der Militärbehörden wurden, nach geſchloſſener
Unterſuchung,
die Fenſter außen mit Holzkaſten umgeben. Dieſer Umſtand
führte den Zornausbruch Perriers herbei, der darin beſtand einen Theil des
Mobiliars ſeiner Zelle zu zertrümmern, und löst den Widerſpruch daß Perrier
das Gefängniß nicht verlaſſen wolle, andererſeits dasſelbe demolirt habe.
Inwieweit die obenerwähnten Verzögerungen in dem Proceßverfahren und
die ſtrenge Behandlung darauf abzielen könnten Perrier zu dem Ent-
ſchluß zu treiben das von ihm verweigerte Geſuch um Freilaſſung einzu-
reichen, wollen wir dahingeſtellt ſeyn laſſen. Thatſache iſt nur: daß die
Unterſuchung ſeit fünf Wochen geſchloſſen, und daß man den Gefangenen
noch immer in geheimer Haft hält, was, nach geſchloſſener Unterſuchung,
eine durchaus unnütze, harte Maßregel iſt, die in einem deutſchen Staat nicht
vorkommen würde, weßhalb die Schweizer Zeitungen auch künftighin den
Mund nicht ſo voll nehmen möchten wenn ſie von deutſchen Rechtszuſtänden
ſprechen wollen. Sobald der Proceß zu einem beſtimmten Reſultat ge-
diehen ſeyn wird, werde ich nicht ermangeln Ihnen weitere intereſſante
Details über denſelben und die Stellung der hieſigen Parteien zu berichten,
die alle mehr oder minder darin figuriren.



Italien.

Wiewohl der „Monitor Toscano“ über die
am 4 Jun. ſtattgefundene Gedenkfeier des Tags von Curtatone von allen
Seiten patriotiſche Berichte bringt, ſcheint es überall doch nicht ſo glatt her-
gegangen zu ſeyn, indem die Geiſtlichkeit auch bei dieſer Gelegenheit ſich hier
und da ziemlich ſchroff verhalten hat. So ließ in Prato z. B. der Capitular-
vicar Canonicus Pierallina es nicht zu daß bei der Feier im Dom eine Ge-
denkrede vom Advocaten L. Conti gehalten wurde, weil die darin enthaltenen
Gedanken ihm für den Ort nicht geeignet ſchienen. Der Canonicus Pieral-
lina ſcheint übrigens im Sinn der neuerlichen Befehle aus Rom gehandelt zu
haben; denn am 9 Jul. 1848 ſetzte er ſelbſt den gefallenen Toscanern Denk-
ſchriften wie folgende: „Die Barbaren ſelbſt (die Oeſterreicher), indem ſie
dieſelben (die Toscaner) bewunderten, nannten ſie Heroen.“ Abends wurde
in der dortigen Kirche der Miſericordia ebenfalls ein Todtenamt für die Ge-
fallenen gefeiert, und der neue Redner Dr. Franceschini wurde ebenfalls aus
der Kirche verwieſen, worauf er vor der Kirchthür auf einem Stuhl ſeine
Rednergabe entwickelte. Das wunderliche dabei iſt daß man die Regierung
des Einverſtändniſſes mit der Geiſtlichkeit beſchuldigt, und zugleich das Selbſt-
lob ausſpricht daß Toscana im ganzen Regno italico die reactionärſte Pro-
vinz ſey. Es verſteht ſich daß die mazziniſtiſche Volkspartei in ſolchen Kla-
gen vorangeht. Ganz eben ſo heftig beſchuldigt auch der „Contemporaneo“
die Regierung wegen der willkürlichen Wegführung des Cardinals Corſi nach
Turin, und ſpricht nur noch von der türkiſchen Regierung im Palazzo vecchio.
Die eigenthümlichen willkürlichen Maßregeln welche Republicaner und Re-
ſtauratoren gleich ſehr erbittern, hat der immer auf ſeinem philologiſchen
Steckenpferd reitende „Contemparaneo“ mit einem Adjectiv ſeiner Erfindung
bezeichnet, nämlich mit ricasolino, ricasolimente, was bei ihm identiſch
mit großtürkiſch iſt. — Der „Monitore“ berichtet an der Spitze ſeiner
heutigen Nummer daß der piemonteſiſche Diviſionsgeneral Durando der
Marcheſa Vartolommeo, welche eine der Sammlerinnen bei der Gedenkfeier
war, für Sicilien 100 Fr. zugeſchickt habe, und ſagt daß er noch andere ähn-
liche Opfer erwarte. Frauen haben auch in Kirchen anderer Städte bei der
officiellen Feier für Sicilien geſammelt.

Heute früh waren alle Vorbereitungen ge-

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[2779/0019] Wahrheit und Dichtung ſeyn mag, iſt hier nicht näher zu erörtern, doch iſt die Thatſache jedenfalls conſtatirt daß der Ruin der kärnthniſchen Gewerke für die dortige Bevölkerung von den unheilvollſten Folgen geweſen, und wenn auch andere Factoren dabei in Rechnung kommen müſſen, ſo genügt ſchon die- ſer Umſtand allein um die Regierung zur Prüfung der von den Eiſenindu- ſtriellen vorgebrachten Veſchwerden zu veranlaſſen. Frhr. v. Bruck ſah ſich jedoch nicht in der Lage hier Abhülfe zu ſchaffen, weil die Zollbegünſtigungen welche den „Gründern“ nun einmal gewährt worden waren, ohne mit großen Opfern verbundene Entſchädigungen nicht zurückgenommen werden konnten, und mußte daher jede Vorſtellung der Eiſengewerke um Abhülfe ablehnend beſcheiden. Die betreffenden Induſtriellen, welche von dem neuen Finanzlei- ter erwarten was ſein Vorgänger nicht bewilligen wollte, haben ihm bereits verſchiedene ſehr beachtenswerthe Denlſchriften eingereicht, und zwar hat der „Verein der öſterreichiſchen Eiſeninduſtrie“ damit begonnen die Verhältniſſe des öſterreichiſchen Bergbaues klar und überſichtlich auseinanderzuſetzen, um daraus die dringende Nothwendigkeit einer Zollerhöhung zu folgern. Faſt noch bedeutſamer iſt die Denkſchrift welche die Klagenfurter Handelskammer dem Finanzminiſter überreicht, indem dieſelbe ſpeciell auf die großen Nach- theile hinweist die der Eiſeninduſtrie Kärnthens durch die der lombardiſch- venetianiſchen Eiſenbahngeſellſchaft gewährten Zollbegünſtigungen erwachſen. In den letzten Tagen haben auch die öſterreichiſchen Maſchinenfabricanten eine in ähnlichem Sinn abgefaßte Denkſchrift an den Finanzminiſter über- reicht, und die Regierung dürfte dieſer im großartigen Maßſtab angelegten Agitation gegenüber einen ſchweren Stand haben die bisherige Zollpolitik aufrecht zu erhalten. Die Börſe hat wieder Muth gefaßt, und erwartet von der Diplomatie daß ſie die Dinge in Italien zu einem richtigen Abſchluß bringt. Schweiz. * Bern, im Jun. Vielleicht iſt mancher Ihrer Leſer, der das Project einer Schweizerreiſe mit ſich herumträgt, für die Nachricht verbunden daß vor ganz kürzer Zeit Bern um ein neues Hôtel ſich bereichert hat. Dieß iſt der Berner Hof, unmittelbar neben der „Schanze“ gelegen, deren berühmte Aus- ſicht nach den Bergen des Oberlands von der Terraſſe des neuen Gaſthofes genoſſen werden kann. Das Hôtel iſt mit allem Comfort ausgeſtattet wie ihn nur der verwöhnteſte Reiſende fordern kann, und die Preiſe wie in den andern Schweizerhäuſern erſten Rangs. Da das Hôtel noch nicht in der letzten Aus- gabe des großen Vormunds aller Reiſenden, nämlich Bädekers, der eben nen erſchienen, angegeben iſt, ſo mag dieſe Nachricht zur Ergänzung der Lücke dienen. .... Genf, 7 Jun. In den Schweizer und auch in andern Blättern ſind in letzter Zeit ſo viele abenteuerliche Mittheilungen über den Proceß und über die Perſon Perriers gemacht worden, daß ich glaube es wird Ihnen angenehm ſeyn den wahren Sachverhalt kennen zu lernen. Es iſt der fol- gende. Gleich zu Anfang hatte Perrier verlangt gegen Caution auf freien Fuß geſetzt zu werden. Dieſes Geſuch wurde ihm abgeſchlagen, offenbar aus Aengſtlichkeitsrückſichten gegen Frankreich. Man wollte dem Kaiſer Napo- leon zeigen daß die Schweiz keine Garibaldis aufkommen läßt, ſolange der Weg der friedlichen Unterhandlungen nicht erſchöpft iſt. Nun befindet ſich aber Genf ſeit der eidgenöſſiſchen Occupation in einem durchaus anormalen Zuſtand. Wie ich Ihnen ſchon früher ſchrieb, weiß nur Gott und der Oberſt Ziegler was die eidgenöſſiſchen Truppen hier thun. Da aber letzterer ſehr ſchweigſamer Natur iſt, wird es vielleicht noch lange dauern ehe man etwas genaueres darüber erfährt. Daß die Truppen nicht dazu beſtimmt ſind Sa- voyen zu occupiren, hat ſich wohl jetzt als ſicher herausgeſtellt; daß die beiden hier liegenden Bataillone die Beſtimmung haben ſollten den Angriff einer franzöſiſchen Südarmee etwa nach dem Beiſpiel ihrer Altvordern bei St. Jacob an der Birs aufzuhalten, dürfte ebenfalls ſehr unwahrſcheinlich ſeyn; nicht weil wir auch nur einen Augenblick den Muth und die Aufopferungs- fähigkeit des Schweizer Volks bezweifeln, ſondern weil Zürich in Hrn. Dubs ſeinen Stüßy gefunden hat, die Eidgenoſſenſchaft aber noch nicht ihren Buben- berg. Was thun alſo die Truppen hier? Vertheidigen ſie Fazy gegen die eigenen Zuaven? Vertheidigen ſie die Eidgenoſſenſchaft gegen Fazy? Niemand kann dieß beantworten, und als einzige Urſache des Truppenauf- gebots die Zweckeſſ en anzunehmen zu denen ſein Generalſtab und ſein Oberſt Ziegler eingeladen wird, ſcheint bei dem praktiſchen Sinn der Schwei- zer auch nicht wahrſcheinlich. Es iſt natürlich daß aus dieſer Geheimniß- krämerei, beſſer vielleicht aus dieſem „ſelbſt nicht wiſſen was man will,“ ein Zuſtand hervorgeht der ſpeciell für den Kanton Genf eine große Unſicherheit erzeugt. Oberſt Ziegler, in Erwartung ſeine militäriſchen Talente ent- wickeln zu können, entwickelt ſeine Polizeitalente. Seine Patrouillen nehmen Verhaftungen vor, ohne Zuziehung der Kantonalbehörden, und ohne daß der Belagerungszuſtand ausgeſprochen iſt; und ſpeciell in dem Proceß Perrier tritt die eigenthümliche Lage des Kantons deutlich hervor. Nach §. 23 des Geſetzes über die Bundesſtrafrechtspflege ſteht es einzig dem Unterſuchungs- richter zu die Gefangenſchaft eines Angeklagten zu überwachen, den Gefangen- wärtern Befehle zu ertheilen ꝛc., aber trotzdem hat die Militärbehörde von An- fang an ſich hier hineingemiſcht, Oberſt Ziegler als Höchſtcommandirender, Oberſt Letter als Platzcommandant, was vielen Genfern vielleicht neu ſeyn wird, die gar nicht wiſſen daß wir einen Platzcommandanten haben. Als nun vor etwa fünf Wochen die Unterſuchung gegen Perrier geſchloſſen war, der Unterſuchungs- richter ſich überzeugt hatte daß die Dimenſionen, welche man dem Proceß ge- geben, auf ein ſo geringes zuſammenſchrumpften daß ein Fallenlaſſen des- ſelben das wünſchbarſte ſey, als auch der Bundesrath dieſe Anſicht theilte, nachdem man ſich überzeugt es würden hundert Proceſſe Perrier Frankreich nicht zum Nachgeben in der Savoyer Frage beſtimmen — da wurde dem Ge- fangenen inſinuirt er möge ſeine Freilaſſung fordern, man werde ſie ihm ſo- fort bewilligen. Perrier wies dieſe Zumuthung zurück, da es offenbar war daß man in dieſem Fall die Sache einſchlafen laſſen werde. Der Gefangene verlangte entweder vor die Aſſiſen geſtellt zu werden, oder ein arrêt de non- lien der Anklagekammer. Dieß war offenbar ſein Recht. Krankheit des Bundesanwalts verzögerte deſſen Bericht an die Anklagekammer um drei Wochen! Krankheit eines Mitglieds der Anklagekammer verzögerte den Ent- ſcheid derſelben bis auf dieſen Tag! Gleichzeitig fuhr man aber fort den Ge- fangenen hier mit gleicher, wo möglich noch größerer Schärfe zu behandeln. Derſelbe befindet ſich bekanntlich nicht in dem gewöhnlichen Gefängniß, ſon- dern in dem ehemaligen Hoſpital, das im gegenwärtigen Augenblick auch als Ca- ſerne dient, und auf Befehl der Militärbehörden wurden, nach geſchloſſener Unterſuchung, die Fenſter außen mit Holzkaſten umgeben. Dieſer Umſtand führte den Zornausbruch Perriers herbei, der darin beſtand einen Theil des Mobiliars ſeiner Zelle zu zertrümmern, und löst den Widerſpruch daß Perrier das Gefängniß nicht verlaſſen wolle, andererſeits dasſelbe demolirt habe. Inwieweit die obenerwähnten Verzögerungen in dem Proceßverfahren und die ſtrenge Behandlung darauf abzielen könnten Perrier zu dem Ent- ſchluß zu treiben das von ihm verweigerte Geſuch um Freilaſſung einzu- reichen, wollen wir dahingeſtellt ſeyn laſſen. 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So ließ in Prato z. B. der Capitular- vicar Canonicus Pierallina es nicht zu daß bei der Feier im Dom eine Ge- denkrede vom Advocaten L. Conti gehalten wurde, weil die darin enthaltenen Gedanken ihm für den Ort nicht geeignet ſchienen. Der Canonicus Pieral- lina ſcheint übrigens im Sinn der neuerlichen Befehle aus Rom gehandelt zu haben; denn am 9 Jul. 1848 ſetzte er ſelbſt den gefallenen Toscanern Denk- ſchriften wie folgende: „Die Barbaren ſelbſt (die Oeſterreicher), indem ſie dieſelben (die Toscaner) bewunderten, nannten ſie Heroen.“ Abends wurde in der dortigen Kirche der Miſericordia ebenfalls ein Todtenamt für die Ge- fallenen gefeiert, und der neue Redner Dr. Franceschini wurde ebenfalls aus der Kirche verwieſen, worauf er vor der Kirchthür auf einem Stuhl ſeine Rednergabe entwickelte. Das wunderliche dabei iſt daß man die Regierung des Einverſtändniſſes mit der Geiſtlichkeit beſchuldigt, und zugleich das Selbſt- lob ausſpricht daß Toscana im ganzen Regno italico die reactionärſte Pro- vinz ſey. Es verſteht ſich daß die mazziniſtiſche Volkspartei in ſolchen Kla- gen vorangeht. Ganz eben ſo heftig beſchuldigt auch der „Contemporaneo“ die Regierung wegen der willkürlichen Wegführung des Cardinals Corſi nach Turin, und ſpricht nur noch von der türkiſchen Regierung im Palazzo vecchio. Die eigenthümlichen willkürlichen Maßregeln welche Republicaner und Re- ſtauratoren gleich ſehr erbittern, hat der immer auf ſeinem philologiſchen Steckenpferd reitende „Contemparaneo“ mit einem Adjectiv ſeiner Erfindung bezeichnet, nämlich mit ricasolino, ricasolimente, was bei ihm identiſch mit großtürkiſch iſt. — Der „Monitore“ berichtet an der Spitze ſeiner heutigen Nummer daß der piemonteſiſche Diviſionsgeneral Durando der Marcheſa Vartolommeo, welche eine der Sammlerinnen bei der Gedenkfeier war, für Sicilien 100 Fr. zugeſchickt habe, und ſagt daß er noch andere ähn- liche Opfer erwarte. Frauen haben auch in Kirchen anderer Städte bei der officiellen Feier für Sicilien geſammelt. ᔕ Florenz, 7 Jun. Heute früh waren alle Vorbereitungen ge-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860, S. 2779. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine166_1860/19>, abgerufen am 21.11.2024.