Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
macht um die berühmte Fronleichnamsprocession auszuführen, bei welcher Griechenland. B Athen, 2 Jun. Kammer und Senat haben in den letzten acht Handels- und Börsennachrichten. London. Ueber die Kauffahrteischifffahrt im J. 1859 ist eine amtliche sta-
Im Londoner Hafen betrug die eingelaufene Kauffahrteischifffahrt im vergauge- Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhofer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. [Spaltenumbruch]
macht um die berühmte Fronleichnamsproceſſion auszuführen, bei welcher Griechenland. Б Athen, 2 Jun. Kammer und Senat haben in den letzten acht Handels- und Börſennachrichten. London. Ueber die Kauffahrteiſchifffahrt im J. 1859 iſt eine amtliche ſta-
Im Londoner Hafen betrug die eingelaufene Kauffahrteiſchifffahrt im vergauge- Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhofer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0020" n="2780"/><cb/> macht um die berühmte Fronleichnamsproceſſion auszuführen, bei welcher<lb/> dieſes Jahr der Prinz von Carignan die Stelle des Großherzogs einnehmen<lb/> ſollte. Das Militär war ſchon in Reih und Glied aufgeſtellt, und die Muſik-<lb/> banden waren bereit aufzuſpielen, als plötzlich Gegenbefehl kam, und Militär<lb/> und Behörden wieder nach Hauſe marſchirten. Es begann leiſe vom Himmel<lb/> zu tröpfeln, aber wenn man eine halbe Stunde Geduld gehabt hätte, konnte<lb/> man die Proceſſion ohne Gefahr für den koſtbaren Kirchen- und Prieſter-<lb/> ſchmuck ausführen. Das Volk hatte ſich übrigens noch von keiner Seite ein-<lb/> gefunden. Ob bloß der Regen oder etwa wieder eine plötzlich aufgeſtiegene<lb/> Frage der kirchlichen Disciplin die Unterlaſſung dieſer jährlichen Feierlichkeit<lb/> bewirke, wiſſen wir noch nicht. Uebrigens iſt das officielle und nichtofficielle<lb/> Volk jetzt nur mit Sicilien und den Sammlungen für die Revolution be-<lb/> ſchäftigt, wozu es trotz aller Lobeserhebungen im Verhältniß zu dem in Florenz<lb/> ſteckenden Reichthum nur höchſt winzige Opfer bringt. „La Nazione“ kündigt<lb/> an daß neun Frauen das heilige Amt auf ſich genommen haben für Sicilien<lb/> ia der Stadt Beiträge zu ſammeln, und zu dieſer Rührung des Herzens<lb/> kommt für die Geber noch die Ausſicht auf die Ehre ihre Namen in dem offi-<lb/> ciöſen Blatt gedruckt zu ſehen. Wie das Municipium von Florenz hat auch<lb/> dasjenige von Lucca bewieſen daß mit dem Anfang des Geldes die Sympathie<lb/> für Sicilien aufhört. Der Bürgermeiſter von Lucca machte im dortigen Ge-<lb/> meinderath den Vorſchlag für den Aufſtand von Sicilien 5000 Lire zu<lb/> votiren, und fiel damit durch. In dieſem Sinn wenigſtens bewahren die<lb/> meiſten Gemeinden ihre toscaniſche Autonomie. — Den hier ſtehenden Sol-<lb/> daten wurde ſtreng verboten fich bei der am 4 Jun. in Sta. Croce abge-<lb/> haltenen Gedenkfeier des Tags von Curtatone zu betheiligen. Sie durften<lb/> während der Feier auch ihre Caſerne nicht verlaſſen. — Der Oberſt Graf<lb/> Fardella von Trapani iſt mit 50 Freiwilligen, 3000 Gewehren und Muni-<lb/> tion in großen Maſſen in Marſala gelandet. Aus dem hier angekommenen<lb/> officiellen Journal von Neapel leſen wir ſehr ſchön entwickelt wie man das<lb/> elektriſche Licht auch auf die Leuchtthürme anwenden kann, aber von Sicilien<lb/> findet man nicht einmal den Namen in dieſem friedlichen Blatt. — Aus<lb/> Perugia ſchreibt man daß nun ſo ziemlich alle auswärtigen Blätter, ſelbſt die<lb/> bedächtige „Gazzetta di Genova,“ verbannt ſind. Trotz aller Präventivcenſur<lb/> und dreifacher Reviſion iſt auch der inländiſche „Offervatore del Traſimeno“<lb/> ſtreng verwarnt worden, ja die „Gazzetta di Fuligno“ ſoll ſogar ſuspendirt<lb/> worden ſeyn, weil ſie von Sicilien geſprochen, was Sie wohl näher aus Rom<lb/> erfahren.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Griechenland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>Б <hi rendition="#b">Athen,</hi> 2 Jun.</dateline> <p>Kammer und Senat haben in den letzten acht<lb/> Tagen wirklich das unmögliche geleiſtet; alle miniſteriellen Vorlagen wurden<lb/> erledigt und angenommen, nur das Budget für 1861, zwar von der Kammer<lb/> votirt, konnte nicht mehr in den Senat gelangen. Es wird demnach in den<lb/> erſten Tagen der Herbſtſitzung vorgenommen werden. Der Schluß der Kam-<lb/> mer hat nicht ſtattgefunden ohne ſich mit einem Ereigniß zu verknüpfen. Der<lb/> Finanzminiſter Kumunduros ſuchte, in Folge eines kleinen Zerwürfniſſes<lb/> in der vorletzten Kammerſitzung, beim Miniſterpräſidenten um die Enthebung<lb/> von ſeinem Poſten nach. Die Veranlaſſung war folgende. Kriegsminiſter<lb/> Botzaris beſchäftigt ſich ſeit ſeinem Amtsantritt, alſo ſeit Jahr und Tag, mit<lb/> der Organiſation der Landwehr. Zu dieſem Zweck wurde ſchon im vorigen Herbſt<lb/> die Dienſtzeit des Militärs von vier Jahren auf drei herabgeſetzt, ſo daß die<lb/> ſeit einigen Monaten ausdienenden Soldaten ſchon die Verbindlichkeit mit<lb/> ſich nach Hauſe tragen Landwehrmänner zu ſeyn. Früher verſtand man in<lb/> Griechenland unter Landwehr freilich etwas ganz anderes. Die Palikaren-<lb/> häuptlinge ſammelten einen Haufen kriegs- und beuteluſtiger, aber arbeit-<lb/> ſcheuer Burſche um ſich, und zogen dahin wo einflußreichere Häuptlinge<lb/> ihnen größere Verſprechungen machten. Dieſer Landwehr gieng gewöhnlich<lb/> ein allgemeiner Schrecken vorher. Dem iſt aber heute nicht ſo. Da wir<lb/> keine Art irregulärer Truppen mehr beſitzen, ſo war es folgerichtig daß auch<lb/> die Landwehr aus dieſem Element beſtehe. Nur wer ſeine Militärpflichtig-<lb/> keit erfüllt hat und mit regelmäßigem Abſchied verſehen iſt, kann Landwehr-<lb/> mann ſeyn. Da nun ſchon eine Anzahl ſo geeigneter Individuen vorhanden<lb/> iſt, und täglich neue hinzukommen, ſo mußte der Finanzminiſter auch Sorge<lb/> tragen für ihre einſtige Bewaffnung. Zu dieſem Zweck verlangte er in der<lb/> vorletzten Kammerſitzung einen Credit von 200,000 Drachmen. Einige<lb/> Deputirte machten die Bemerkung daß man mit dieſer Summe die geſammte<lb/> Landwehr nicht bewaffnen könne, und glaubten daß es zweckdienlicher ſey ſo-<lb/> gleich eine Million Drachmen zu bewilligen, als noch einmal auf dieſen<lb/> Gegenſtand zurückzukommen. Als nun der Präſident den Kriegsminiſter<lb/> fragte ob er nichts dagegen einzuwenden habe, und dieſer erklärte daß ein ſo<lb/> großmüthiger Entſchluß der Kammer ihn um ſo mehr freue, wurde die<lb/> Million einſtimmig angenommen. Darüber erhob ſich der Finanzminiſter<lb/> Kumunduros, und machte der Kammer begreiflich daß man doch zuerſt ihn<lb/> fragen ſollte, ehe man über eine Million verfüge die nicht im Budget auf-<lb/> genommen ſey; allein ſeine Worte verhallten. Gereizt durch dieſen Vorgang<lb/><cb/> ſchrieb er ſein Entlaſſungsgeſuch, und überbrachte es dem Miniſterpräſiden-<lb/> ten, welcher indeß noch keinen officiellen Gebrauch davon gemacht zu haben<lb/> ſcheint, ſondern wohl die momentane Aufregung beruhigen wird. Indeß<lb/> glaubt man allgemein daß die Stunde gekommen iſt wo eine Ergänzung des<lb/> Miniſteriums, die Beſetzung des Miniſteriums des Aeußern ſowie die des<lb/> Cultus, ſtattfinden wird. Dadurch würde freilich wieder manche Sehnſucht<lb/> geſtillt und manche Hoffnung vereitelt. — Was Ihnen unterm 16 Mai von<lb/> Trieſt aus im Hauptblatt vom 20 Mai, die griechiſch-türkiſche Gränze be-<lb/> treffend, mitgetheilt worden, iſt für uns eine Neuigkeit; wir haben keine Kunde<lb/> von irgend andern Ruheſtörungen in Epirus und Theſſalien als denen welche<lb/> immerfort durch Räuber ſtattgefunden haben. Ebenſo verhält es ſich mit der<lb/> Nachricht die <hi rendition="#aq">de dato</hi> Marſeille 17 Mai in dem Beiblatt vom 20 Mai aufge-<lb/> nommen iſt, wo es heißt: „daß die Unruhen die in Theſſalien ausgebrochen<lb/> waren unterdrückt ſeyen. Die Regierung Griechenlands ſelbſt ließ die Führer<lb/> der Bewegung feſtnehmen.“ Die griechiſche Regierung hat leider in Theſſa-<lb/> lien nichts zu befehlen, denn ſolange es Gott gefällt gehört eben Theſſalien<lb/> noch der türkiſchen Herrſchaft an. Wir in Athen wiſſen weder von einer<lb/> Agitation und Ruheſtörung in Epirus, noch von der in Theſſalien; was<lb/> aber begründet iſt, iſt daß in dieſen wie gewiß auch in den übrigen Provinzen<lb/> der Türkei die größte Beſorgniß herrſcht. Nach Briefen aus Salonichi,<lb/> die ich geleſen, ſprechen die Türken unverhohlen die größte Furcht aus; ſie<lb/> ſprechen und prophezeien ſelbſt von dem Ende der türkiſchen Herrſchaft in<lb/> Europa. Die türkiſchen Truppen an der griechiſchen Gränze, ja in ganz<lb/> Theſſalien und Epirus, werden täglich vermehrt, nicht weil es Unruhen ge-<lb/> geben hat, ſondern um ſolche die ausbrechen könnten ſchnell zu unterdrücken.<lb/> — Ich habe ſchon in einem frühern Bericht der von dem Franzoſen Lenor-<lb/> mand, Sohn, begonnenen Ausgrabungen in Eleuſis berichtet, zu deren Be-<lb/> ſichtigung der franzöſiſche Admiral die königlichen Majeſtäten eingeladen hatte.<lb/> Heute kann ich ergänzend hinzufügen daß die franzöſiſchen Ausgrabungen<lb/> da ſtattgefunden wo ſchon im Jahr 1814 die Engländer gegraben, aber<lb/> nichts zu Tage gefördert haben. Der junge Lenormand war ſo glücklich bis<lb/> jetzt vier neue Tempel ganz in der Nähe des Tempels des Triptolemos zu<lb/> entdecken, und von ihrer Schuttdecke zu befreien. Die Regierung hat in An-<lb/> betracht des günſtigen Reſultats der Ausgrabungen vier Häuſer dort ange-<lb/> kauft zum Einreißen, um die Ausgrabungen noch weiter fortzuſetzen. — Aus<lb/> Kreta kommen ſchon wieder unangenehme Nachrichten. Der neue Gouver-<lb/> neur Ismail Paſcha verläugnet eben auch wieder den fanatiſchen Türken<lb/> nicht. Er verlangte daß ein gewiſſer Pſilakis, griechiſcher Unterthan, ein<lb/> geplagter Schullehrer, die Inſel verlaſſen ſolle. Der Mann weigerte ſich<lb/> dieſem unmotivirten Befehl Folge zu leiſten, und da der Paſcha drohte ihn<lb/> packen und in eine Barke bringen zu laſſen, wo ihn dann der Wind hintrei-<lb/> ben könne wohin er wolle, flüchtete ſich der Schullehrer in das griechiſche<lb/> Conſulat. Aber auch hier ſollte er nicht ſicher ſeyn. Ein Dolmetſcher mit<lb/> Kawaſſen kam an und wollte ihn mit Gewalt wegführen, welchem ſich der<lb/> griechiſche Generalconſul energiſch entgegenſetzte. Darauf ließ der Paſcha<lb/> dem Generalconſul mündlich ſagen daß er ſechs Tage lang jede Verbindung<lb/> mit dem Conſulat abbreche, und auf das Anſuchen des letztern um die ſchriſt-<lb/> liche Mittheilung dieſes Abbruchs antwortete der Paſcha verneinend. Der<lb/> griechiſche Generalconſul lud hierauf die Conſuln Englands, Rußlands und<lb/> Frankreichs zu einer Verſammlung, und trug die Angelegenheit vor. Die<lb/> drei Generalconſuln ertheilten ſeinem Benehmen ihre Zuſtimmung und tadel-<lb/> ten das des Paſcha. Dieſer reclamirte an ſeine Regierung in Koſtantinopel,<lb/> die ihm aber befahl ſogleich ſeine Beziehungen mit dem griechiſchen Conſul<lb/> wieder anzuknüpfen, und den Lehrer Pfilakis ſo lange unbehelligt zu laſſen<lb/> bis die Angelegenheit unterſucht iſt. Weſſen er angeklagt iſt, weiß man bis<lb/> jetzt nicht; ſo will es die türkiſche Juſtizpflege. Von Seiten der griechiſchen<lb/> Regierung iſt das Benehmen des Generalconſuls vollſtändig gebilligt und<lb/> belobt worden.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFinancialNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Handels- und Börſennachrichten.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline> <hi rendition="#b">London.</hi> </dateline> <p>Ueber die Kauffahrteiſchifffahrt im J. 1859 iſt eine amtliche ſta-<lb/> tiſtiſche Tabelle erſchienen. Am intereffanteſten darans iſt eine Vergleichung der brit-<lb/> tiſchen und ausländiſchen Fahrzeuge die im Küſten-, Colonial- oder auswärtigen<lb/> Handel in engliſchen Häfen eingelaufen ſind. Wir ſtellen vorerſt die Segelſchiffe zu-<lb/> ſammen. Von dieſen waren</p><lb/> <table> <row> <cell> <hi rendition="#et">Brittiſche</hi> </cell> <cell> <hi rendition="#et">Fremde</hi> </cell> </row><lb/> <row> <cell/> <cell>Fahrzeuge</cell> <cell>Tonnengehalt</cell> <cell>Fahrzeuge</cell> <cell>Tonnengehalt</cell> </row><lb/> <row> <cell>Küſtenhandel</cell> <cell>123,228</cell> <cell>9,300,084</cell> <cell>446</cell> <cell>71 554</cell> </row><lb/> <row> <cell>Colonialhandel</cell> <cell>4612</cell> <cell>1,803,808</cell> <cell>689</cell> <cell>387,396</cell> </row><lb/> <row> <cell>Ausw. Handel</cell> <cell>16,774</cell> <cell>2,841,501</cell> <cell>20,704</cell> <cell>3,876,581.</cell> </row><lb/> <row> <cell/> <cell/> <cell>Dampfſchiffe</cell> <cell/> <cell/> </row> <row> <cell>Küſtenhandel</cell> <cell>30,021</cell> <cell>7,245,073</cell> <cell>—</cell> <cell>—</cell> </row><lb/> <row> <cell>Colonialhandel</cell> <cell>747</cell> <cell>173,020</cell> <cell>—</cell> <cell>—</cell> </row><lb/> <row> <cell>Ausw. Handel</cell> <cell>5642</cell> <cell>1,838,730</cell> <cell>1253</cell> <cell>391,523.</cell> </row> </table><lb/> <p>Im Londoner Hafen betrug die eingelaufene Kauffahrteiſchifffahrt im vergauge-<lb/> nen Jahr 5,934,996 Tonnen, im Hafen von Liverpool 3,915,714 Tonnen. Wenn<lb/> man den Geſammtgehalt ein- und ausgelaufener Segel- und Dampfkauffahrer, die<lb/> mit Ladung oder in Ballaft alle Häfen des Vereinigten Königreichs beſuchten, zu-<lb/> ſammenrechnet, ſo erhält man 13,311,843 Tonnen brittiſcher und 9,592,416 Ton-<lb/> nen fremder Schifffahrt, was gegen das Jahr 1858 einer Zunahme um 420,438<lb/> Tonnen brittiſcher und 173,840 Tonnen fremder Schifffahrt gleichkommt.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jEditorialStaff" n="1"> <p>Verantwortliche Redaction: <hi rendition="#aq">Dr.</hi> G. <hi rendition="#g">Kolb.</hi> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> A. J. <hi rendition="#g">Altenhofer.</hi> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> H. <hi rendition="#g">Orges.</hi></p> </div><lb/> <div type="imprint" n="1"> <p>Verlag der J. G. <hi rendition="#g">Cotta’</hi>ſchen Buchhandlung.</p> </div><lb/> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [2780/0020]
macht um die berühmte Fronleichnamsproceſſion auszuführen, bei welcher
dieſes Jahr der Prinz von Carignan die Stelle des Großherzogs einnehmen
ſollte. Das Militär war ſchon in Reih und Glied aufgeſtellt, und die Muſik-
banden waren bereit aufzuſpielen, als plötzlich Gegenbefehl kam, und Militär
und Behörden wieder nach Hauſe marſchirten. Es begann leiſe vom Himmel
zu tröpfeln, aber wenn man eine halbe Stunde Geduld gehabt hätte, konnte
man die Proceſſion ohne Gefahr für den koſtbaren Kirchen- und Prieſter-
ſchmuck ausführen. Das Volk hatte ſich übrigens noch von keiner Seite ein-
gefunden. Ob bloß der Regen oder etwa wieder eine plötzlich aufgeſtiegene
Frage der kirchlichen Disciplin die Unterlaſſung dieſer jährlichen Feierlichkeit
bewirke, wiſſen wir noch nicht. Uebrigens iſt das officielle und nichtofficielle
Volk jetzt nur mit Sicilien und den Sammlungen für die Revolution be-
ſchäftigt, wozu es trotz aller Lobeserhebungen im Verhältniß zu dem in Florenz
ſteckenden Reichthum nur höchſt winzige Opfer bringt. „La Nazione“ kündigt
an daß neun Frauen das heilige Amt auf ſich genommen haben für Sicilien
ia der Stadt Beiträge zu ſammeln, und zu dieſer Rührung des Herzens
kommt für die Geber noch die Ausſicht auf die Ehre ihre Namen in dem offi-
ciöſen Blatt gedruckt zu ſehen. Wie das Municipium von Florenz hat auch
dasjenige von Lucca bewieſen daß mit dem Anfang des Geldes die Sympathie
für Sicilien aufhört. Der Bürgermeiſter von Lucca machte im dortigen Ge-
meinderath den Vorſchlag für den Aufſtand von Sicilien 5000 Lire zu
votiren, und fiel damit durch. In dieſem Sinn wenigſtens bewahren die
meiſten Gemeinden ihre toscaniſche Autonomie. — Den hier ſtehenden Sol-
daten wurde ſtreng verboten fich bei der am 4 Jun. in Sta. Croce abge-
haltenen Gedenkfeier des Tags von Curtatone zu betheiligen. Sie durften
während der Feier auch ihre Caſerne nicht verlaſſen. — Der Oberſt Graf
Fardella von Trapani iſt mit 50 Freiwilligen, 3000 Gewehren und Muni-
tion in großen Maſſen in Marſala gelandet. Aus dem hier angekommenen
officiellen Journal von Neapel leſen wir ſehr ſchön entwickelt wie man das
elektriſche Licht auch auf die Leuchtthürme anwenden kann, aber von Sicilien
findet man nicht einmal den Namen in dieſem friedlichen Blatt. — Aus
Perugia ſchreibt man daß nun ſo ziemlich alle auswärtigen Blätter, ſelbſt die
bedächtige „Gazzetta di Genova,“ verbannt ſind. Trotz aller Präventivcenſur
und dreifacher Reviſion iſt auch der inländiſche „Offervatore del Traſimeno“
ſtreng verwarnt worden, ja die „Gazzetta di Fuligno“ ſoll ſogar ſuspendirt
worden ſeyn, weil ſie von Sicilien geſprochen, was Sie wohl näher aus Rom
erfahren.
Griechenland.
Б Athen, 2 Jun. Kammer und Senat haben in den letzten acht
Tagen wirklich das unmögliche geleiſtet; alle miniſteriellen Vorlagen wurden
erledigt und angenommen, nur das Budget für 1861, zwar von der Kammer
votirt, konnte nicht mehr in den Senat gelangen. Es wird demnach in den
erſten Tagen der Herbſtſitzung vorgenommen werden. Der Schluß der Kam-
mer hat nicht ſtattgefunden ohne ſich mit einem Ereigniß zu verknüpfen. Der
Finanzminiſter Kumunduros ſuchte, in Folge eines kleinen Zerwürfniſſes
in der vorletzten Kammerſitzung, beim Miniſterpräſidenten um die Enthebung
von ſeinem Poſten nach. Die Veranlaſſung war folgende. Kriegsminiſter
Botzaris beſchäftigt ſich ſeit ſeinem Amtsantritt, alſo ſeit Jahr und Tag, mit
der Organiſation der Landwehr. Zu dieſem Zweck wurde ſchon im vorigen Herbſt
die Dienſtzeit des Militärs von vier Jahren auf drei herabgeſetzt, ſo daß die
ſeit einigen Monaten ausdienenden Soldaten ſchon die Verbindlichkeit mit
ſich nach Hauſe tragen Landwehrmänner zu ſeyn. Früher verſtand man in
Griechenland unter Landwehr freilich etwas ganz anderes. Die Palikaren-
häuptlinge ſammelten einen Haufen kriegs- und beuteluſtiger, aber arbeit-
ſcheuer Burſche um ſich, und zogen dahin wo einflußreichere Häuptlinge
ihnen größere Verſprechungen machten. Dieſer Landwehr gieng gewöhnlich
ein allgemeiner Schrecken vorher. Dem iſt aber heute nicht ſo. Da wir
keine Art irregulärer Truppen mehr beſitzen, ſo war es folgerichtig daß auch
die Landwehr aus dieſem Element beſtehe. Nur wer ſeine Militärpflichtig-
keit erfüllt hat und mit regelmäßigem Abſchied verſehen iſt, kann Landwehr-
mann ſeyn. Da nun ſchon eine Anzahl ſo geeigneter Individuen vorhanden
iſt, und täglich neue hinzukommen, ſo mußte der Finanzminiſter auch Sorge
tragen für ihre einſtige Bewaffnung. Zu dieſem Zweck verlangte er in der
vorletzten Kammerſitzung einen Credit von 200,000 Drachmen. Einige
Deputirte machten die Bemerkung daß man mit dieſer Summe die geſammte
Landwehr nicht bewaffnen könne, und glaubten daß es zweckdienlicher ſey ſo-
gleich eine Million Drachmen zu bewilligen, als noch einmal auf dieſen
Gegenſtand zurückzukommen. Als nun der Präſident den Kriegsminiſter
fragte ob er nichts dagegen einzuwenden habe, und dieſer erklärte daß ein ſo
großmüthiger Entſchluß der Kammer ihn um ſo mehr freue, wurde die
Million einſtimmig angenommen. Darüber erhob ſich der Finanzminiſter
Kumunduros, und machte der Kammer begreiflich daß man doch zuerſt ihn
fragen ſollte, ehe man über eine Million verfüge die nicht im Budget auf-
genommen ſey; allein ſeine Worte verhallten. Gereizt durch dieſen Vorgang
ſchrieb er ſein Entlaſſungsgeſuch, und überbrachte es dem Miniſterpräſiden-
ten, welcher indeß noch keinen officiellen Gebrauch davon gemacht zu haben
ſcheint, ſondern wohl die momentane Aufregung beruhigen wird. Indeß
glaubt man allgemein daß die Stunde gekommen iſt wo eine Ergänzung des
Miniſteriums, die Beſetzung des Miniſteriums des Aeußern ſowie die des
Cultus, ſtattfinden wird. Dadurch würde freilich wieder manche Sehnſucht
geſtillt und manche Hoffnung vereitelt. — Was Ihnen unterm 16 Mai von
Trieſt aus im Hauptblatt vom 20 Mai, die griechiſch-türkiſche Gränze be-
treffend, mitgetheilt worden, iſt für uns eine Neuigkeit; wir haben keine Kunde
von irgend andern Ruheſtörungen in Epirus und Theſſalien als denen welche
immerfort durch Räuber ſtattgefunden haben. Ebenſo verhält es ſich mit der
Nachricht die de dato Marſeille 17 Mai in dem Beiblatt vom 20 Mai aufge-
nommen iſt, wo es heißt: „daß die Unruhen die in Theſſalien ausgebrochen
waren unterdrückt ſeyen. Die Regierung Griechenlands ſelbſt ließ die Führer
der Bewegung feſtnehmen.“ Die griechiſche Regierung hat leider in Theſſa-
lien nichts zu befehlen, denn ſolange es Gott gefällt gehört eben Theſſalien
noch der türkiſchen Herrſchaft an. Wir in Athen wiſſen weder von einer
Agitation und Ruheſtörung in Epirus, noch von der in Theſſalien; was
aber begründet iſt, iſt daß in dieſen wie gewiß auch in den übrigen Provinzen
der Türkei die größte Beſorgniß herrſcht. Nach Briefen aus Salonichi,
die ich geleſen, ſprechen die Türken unverhohlen die größte Furcht aus; ſie
ſprechen und prophezeien ſelbſt von dem Ende der türkiſchen Herrſchaft in
Europa. Die türkiſchen Truppen an der griechiſchen Gränze, ja in ganz
Theſſalien und Epirus, werden täglich vermehrt, nicht weil es Unruhen ge-
geben hat, ſondern um ſolche die ausbrechen könnten ſchnell zu unterdrücken.
— Ich habe ſchon in einem frühern Bericht der von dem Franzoſen Lenor-
mand, Sohn, begonnenen Ausgrabungen in Eleuſis berichtet, zu deren Be-
ſichtigung der franzöſiſche Admiral die königlichen Majeſtäten eingeladen hatte.
Heute kann ich ergänzend hinzufügen daß die franzöſiſchen Ausgrabungen
da ſtattgefunden wo ſchon im Jahr 1814 die Engländer gegraben, aber
nichts zu Tage gefördert haben. Der junge Lenormand war ſo glücklich bis
jetzt vier neue Tempel ganz in der Nähe des Tempels des Triptolemos zu
entdecken, und von ihrer Schuttdecke zu befreien. Die Regierung hat in An-
betracht des günſtigen Reſultats der Ausgrabungen vier Häuſer dort ange-
kauft zum Einreißen, um die Ausgrabungen noch weiter fortzuſetzen. — Aus
Kreta kommen ſchon wieder unangenehme Nachrichten. Der neue Gouver-
neur Ismail Paſcha verläugnet eben auch wieder den fanatiſchen Türken
nicht. Er verlangte daß ein gewiſſer Pſilakis, griechiſcher Unterthan, ein
geplagter Schullehrer, die Inſel verlaſſen ſolle. Der Mann weigerte ſich
dieſem unmotivirten Befehl Folge zu leiſten, und da der Paſcha drohte ihn
packen und in eine Barke bringen zu laſſen, wo ihn dann der Wind hintrei-
ben könne wohin er wolle, flüchtete ſich der Schullehrer in das griechiſche
Conſulat. Aber auch hier ſollte er nicht ſicher ſeyn. Ein Dolmetſcher mit
Kawaſſen kam an und wollte ihn mit Gewalt wegführen, welchem ſich der
griechiſche Generalconſul energiſch entgegenſetzte. Darauf ließ der Paſcha
dem Generalconſul mündlich ſagen daß er ſechs Tage lang jede Verbindung
mit dem Conſulat abbreche, und auf das Anſuchen des letztern um die ſchriſt-
liche Mittheilung dieſes Abbruchs antwortete der Paſcha verneinend. Der
griechiſche Generalconſul lud hierauf die Conſuln Englands, Rußlands und
Frankreichs zu einer Verſammlung, und trug die Angelegenheit vor. Die
drei Generalconſuln ertheilten ſeinem Benehmen ihre Zuſtimmung und tadel-
ten das des Paſcha. Dieſer reclamirte an ſeine Regierung in Koſtantinopel,
die ihm aber befahl ſogleich ſeine Beziehungen mit dem griechiſchen Conſul
wieder anzuknüpfen, und den Lehrer Pfilakis ſo lange unbehelligt zu laſſen
bis die Angelegenheit unterſucht iſt. Weſſen er angeklagt iſt, weiß man bis
jetzt nicht; ſo will es die türkiſche Juſtizpflege. Von Seiten der griechiſchen
Regierung iſt das Benehmen des Generalconſuls vollſtändig gebilligt und
belobt worden.
Handels- und Börſennachrichten.
London. Ueber die Kauffahrteiſchifffahrt im J. 1859 iſt eine amtliche ſta-
tiſtiſche Tabelle erſchienen. Am intereffanteſten darans iſt eine Vergleichung der brit-
tiſchen und ausländiſchen Fahrzeuge die im Küſten-, Colonial- oder auswärtigen
Handel in engliſchen Häfen eingelaufen ſind. Wir ſtellen vorerſt die Segelſchiffe zu-
ſammen. Von dieſen waren
Brittiſche Fremde
Fahrzeuge Tonnengehalt Fahrzeuge Tonnengehalt
Küſtenhandel 123,228 9,300,084 446 71 554
Colonialhandel 4612 1,803,808 689 387,396
Ausw. Handel 16,774 2,841,501 20,704 3,876,581.
Dampfſchiffe
Küſtenhandel 30,021 7,245,073 — —
Colonialhandel 747 173,020 — —
Ausw. Handel 5642 1,838,730 1253 391,523.
Im Londoner Hafen betrug die eingelaufene Kauffahrteiſchifffahrt im vergauge-
nen Jahr 5,934,996 Tonnen, im Hafen von Liverpool 3,915,714 Tonnen. Wenn
man den Geſammtgehalt ein- und ausgelaufener Segel- und Dampfkauffahrer, die
mit Ladung oder in Ballaft alle Häfen des Vereinigten Königreichs beſuchten, zu-
ſammenrechnet, ſo erhält man 13,311,843 Tonnen brittiſcher und 9,592,416 Ton-
nen fremder Schifffahrt, was gegen das Jahr 1858 einer Zunahme um 420,438
Tonnen brittiſcher und 173,840 Tonnen fremder Schifffahrt gleichkommt.
Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kolb. Dr. A. J. Altenhofer. Dr. H. Orges.
Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |