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Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] scheinlich das Gelingen der Badener Intrigue durch eine Hausse feiern. Denn
l'empire c'est la paix.

Seit den letzten officiellen "friedlichen" Kund-
gebungen hat man in den wichtigsten finanziellen Kreisen gerade das Gegen-
theil dessen gethan was man von oben erwartet hatte. Man hat sich nämlich
an der Börse während der vorigen Woche vorzugsweise der "Baisse" zuge-
wendet, und man fragt sich warum der Credit mobilier und die Caisse Mires
plötzlich ihre Haussegelüste bei Seite gelassen, und wieder in das Lager getre-
ten welches vom Mißtrauen Nutzen zu ziehen sucht. Alle Welt ist der Au-
sicht daß Frankreich in der allernächsten Zeit keinen Krieg beginnen werde;
allein daß man jedwede Kriegsidee bei Seite gelegt -- daran will niemand
glauben. Bei Hof und in dessen Umgebung ist man überaus mißgestimmt.
Die diplomatischen Schwierigkeiten thürmen sich lawinenartig auf, und Frank-
reich hat in diesem Augenblick gar keinen Bundesgenossen. Es befindet sich
zwar mit Rußland auf einem innigen vertraulichen Fuß; allein es wird mit
Bestimmtheit versichert daß ein Schutz- und Trutzbündniß nicht existire. Was
die innern Zustände Frankreichs betrisst, so erscheinen diese seit einiger Zeit
weit weniger der "prosperite" angemessen als vor zwei Jahren. Der
englisch-franzöfische Handelsvertrag und die neuen Zollreformen erzeugen eine
sehr fühlbare Ebbe im Staatsschatz. Eine Anleihe ist unvermeidlich, da man
auch Piemont Entschädigungssummen zu bieten hat. Dem Minister sind diese
Woche bedenkliche Nachrichten in Betreff des Standes der Ernte zugekommen.
In fast allen Departements sind die Preise der Lebensmittel gestiegen. Den
Kammern soll noch vor ihrer Trennung eine "finanzielle" Eröffnung gemacht
werden. Gerüchtsweise erwähne ich Ihnen daß seit einigen Tagen von dem
Rücktritt Thouvenels die Rede ist. Ungegründet ist die in einigen Kreisen
verbreitete Nachricht als stehe eine baldige Ersetzung Billaults durch Pietri zu
gewärtigen.

Der bedenklichen Lage gegenüber welche
den verbrecherischen Streich Garibaldi's geschaffen hat, hielten wir es
für ange messen zu schweigen und den Ereignissen ihr beredsames Wort zu
lassen. Wir sind nichtsdestoweniger weit entfernt uns vor dem Erfolge zu
verneigen, wir betrachten ihn vielmehr als ein großes Unglück für Italien
selber, und als die nothwendige Consequenz des Benehmens des Grafen v. Ca-
vour, welcher, die Präliminarien von Villafranca mißachtend, zu einem
Bündniß mit den revolutionären Leidenschaften und Männern seine Zuflucht
nahm um seine ehrgeizigen Plane zu verwirklichen. Daß die von Maz ni reprä-
sentirte Revolution das letzte Wort in diesem strafbaren Bündniß haben
wird, scheint uns keinem Zweifel zu unterliegen, denn die Logik der Thatsachen
hat ihre unvermeidlichen Consequenzen. Darum bedauern wir es auch daß
der König von Neapel bei seiner Thronbesteigung diese Gelegenheit nicht er-
griffen hat um die öffentliche Meinung zu gewinnen. Wir wissen sehr gut
daß seine Zugeständnisse die Revolution nicht befriedigt haben würden, denn
die Revolution läßt sich nie befriedigen; aber der junge Monarch hätte da-
durch die Regierungen Europa's moralisch zu einer Einmischung gezwun-
gen, und Garibaldi den Vorwand zu seinem Streich genommen. Heute ist
es sehr spät, und wir glauben nicht an eine Intervention Frankreichs oder
einer andern Macht zu Gunsten des Königs in Sicilien, der Heil nur von der
Hingebung und Tapferkeit seiner Truppen zu erwarten hat. Beruhigender
ist die Lage Roms. Täglich wird es der Revolution schwieriger dieses letzte
Bollwerk der Ordnung zu zertrümmern. Der Kaiser Napoleon hat erwirkt
daß Piemont sich jedem Angriff gegen die Kirchenstaaten widersetzt, und er ist
entschlossen seine Armee nicht aus den Kirchenstaaten zurückzuziehen. Was
überdieß die Organisation der römischen Armee betrifft, so hat unsere Re-
gierung mit Genugthuung erfahren daß sie unter der Leitung des wackern
Generals Lamoriciere in dem besten Fortgang begriffen ist. -- Am 15 Jun.
wird S. M. der Kaiser Napoleon III nach Baden-Baden abreisen um dem Prinz-
Regenten von Preußen den ihm angekündigten Besuch abzustatten. Wir be-
halten uns vor in unserm nächsten Schreiben auf dieses wichtige Ereigniß
zurückzukommen.

Da es heißt: der Prinz-Regent habe die Zusam-
menkunft erst angenommen nachdem Hr. v. Schleinitz die zustimmende Mei-
nung des Londoner Cabinets eingeholt hatte, hegt man wohl in allen deut-
schen Gauen die unerschütterliche Ueberzeugung daß der Zauber, die Ueber-
redung, die Verführung welche in der Macht des Kaisers liegen sollen, an
den hochherzigen deutschen Gesinnungen des Prinz-Regenten und seines Hrn.
Ministers nicht rütteln werden. Gestatten Sie mir hier einige Pariser An-
sichten über die Zusammenkunft wiederzugeben. Die Opinion nationale
sagt: die Conferenz in Baden-Baden wird Preußen stärken und innerhalb
gewisser Schranken (dans une certaine mesure) den Erfolg seiner deutschen
Politik sichern, während die Enquete in der Türkei die Bevölkerungen auf-
regt und Berwicklungen hervorruft. In Paris hält man in allen politischen,
auch ministeriellen Kreisen die Zusammenkunft in Baden-Baden für die logi-
sche Fortsetzung des morgigen ersten Anschlußfestes. Diese Ansicht wird auch
von der englischen Gesellschaft in Paris getheilt, welche sich sehr beunruhigt
[Spaltenumbruch] zeigt, da sie sich der Beforgniß hingibt es sey darauf abgezielt in Deutschland
Mißtrauen zu stiften, und England zu isoliren. Rußland soll nach engli-
schen Angaben die Zusammenkunft glücklich durchgesetzt haben, nachdem sich
der Kaiser hierüber mit der Kaiserin-Mutter, Schwester des Prinz-Regenten,
in Lyon unterhalten hatte. In einem Salon in Faubourg St. Honore wollte
man wissen der Kaiser habe der erlauchten Wittwe des Kaisers Nikolaus ins-
besondere folgendes ans Herz gelegt: "Sagen Sie Ihrem Bruder daß auch
ich mich für die deutsche Einheit interessire, und daß ich für Preußen thun
will was ich für Piemont that und noch thun werde. Ohne Zweifel werden
dergleichen Gerüchte und Besorgnisse auch in die englische Presse übergehen,
wohl auch unter die englischen Staatsmänner gerathen." Um ihre Widerle-
gung und Beseitigung zu veranlassen, braucht man sie eben bloß zu veröffent-
lichen. Hoffentlich wird Baden Baden auch den Engländern wenigstens auf
einige Zeit Beruhigung gewähren. Es heißt Abends: eine ans auswärtige
Ministerium gelangte Depesche bestätige daß die Engländer ein Fort bei Pa-
lermo besetzten.

Italien.

Ein Decret des Dictators Garibaldi, das von Alcamo 19 Mai
datirt ist, trifft folgende Anordnungen: "In jeder Gemeinde Siciliens ist
die Behörde angewiesen den Stand der öffentlichen Cassen zu untersuchen,
und sich der vorgefundenen Summen zu versichern. Die Mahlsteuer so wie
jede seit dem 15 Mai 1849 von der bourbonischen Herrschaft auferlegte
Steuer ist aufgehoben. Die Aufhebung aller Einfuhrsteuer auf Cerealien,
Weizen, Kartoffeln und alle Arten von Hülsenfrüchten tritt wieder in Kraft.
Die Verwaltung der zum Staatsdomanium gehörigen Güter wird wieder
nach den Decreten vom 5 Aug. und 2 Sept. 1848 geregelt. Den Erbpäch-
tern und Pächtern der Staatsgüter ist untersagt den Pachtzins der bourbo-
nischen Regierung oder sonst einem unrechtmäßigen Besitzer zu bezahlen.
Jede Bezahlung die von heute an geschieht wird nicht anerkannt werden.
Läust Betrug mit unter, so wird der Pächter als Hochverräther und mit einer
Geldsumme im dreifachen Werth der betreffenden Summe bestraft werden.
In den von den feindlichen Streitkräften besetzten Gemeinden ist jeder Bür-
ger verpflichtet der bourbonischen Regierung die Bezahlung der Steuern zu
verweigern, welche von heute an der Nation gehören."

Wie in Toscana, hielten die jetzigen Machthaber
bei der maßgebenden Verstimmung der Geistlichkeit auch in der Romagna für
nöthig die kirchliche Feier des Festes der Einführung der Verfassung anzu-
drohen. Der Bologneser "Monitore" vom 9 v. M. machte zu dem Ende
folgendes bekannt: "Viele sind der Meinung nächsten Sonntag, wo das
Nationalfest der Verfassung feierlich begangen werden soll, würden Priester
zu geistlichen Functionen gerufen werden, die dessen ungeachtet den Vollzug
des religiösen Ceremoniells, das auch einen Theil der patriotischen Feier bildet,
ablehnen würden. Wir haben eine ganz andere Vorstellung von dem guten
Sinn und der Einsicht des Klerus, welcher, sollte er auch taub seyn können
für die Stimme der Vaterlandsliebe, doch in keiner Weise die der Pflicht ver-
gessen kann, indem er allein die gesetzliche vom Volk sich selbst erwählte Re-
gierung mißachtete, und indem er dadurch bewiese sich den Gesetzen nicht
unterwerfen zu wollen, denen jeder Bürger Achtung schuldet. In keinem Fall
kann indeß die Regierung rückwärts gehen, wird auch gewiß nicht zulassen
daß irgendwer die Gesetze des Staats verunglimpft. Wir wurden jüngst ver-
anlaßt daran zu erinnern daß Art. 268 des jetzt geltenden Strafgesetzbuches
den Fall behandelt wo die Diener der Religion sich solcher Handlungen schul-
dig machen welche die Unzufriedenheit gegen die Gesetze wachrufen, oder die
durch strafbare Verweigerung ihres eigenen Amts öffentlich die Gewissen be-
unruhigen. Er bestimmt dafür nicht allein die Strafe von drei Monaten bis
zu zwei Jahren Haft, sondern auch eine Geldbuße, die bis auf 2000 Lire
ausgedehnt werden kann. Diese Strafe, die beim Eintreten des vom Gesetz
vorausgesehenen Falls unfehlbar vollzogen werden müßte, ist, wir wollen es
hinzufügen, persönlich, und trifft nur den Einzelnen der sich schuldig macht,
nicht die Körperschaft welcher er zugehört. Der Ertrag der Strafe würde für
Werke der Wohlthätigkeit verwendet, vielleicht auch solchen Geistlichen zu
gute kommen die deßhalb leiden müßten weil sie wußten dem Kaiser zu geben
was des Kaisers und Gott was Gottes ist. Doch wir hoffen -- wir wieder-
holen es -- daß die Regierung nicht gezwungen werden wird zu solchen äußer-
sten Mitteln zu greifen; denn wir vertrauen daß der ganze Klerus sich einen
klaren Begriff machen will von den Pflichten des Priesters und des Bürgers,
und daß er sich erinnern wird daß Gott selbst es ist der den eingesetzten Obrig-
keiten zu gehorchen verordnete, weil, wie der Apostel schrieb, die Gewalten,
die da sind, von Gott geordnet sind, und wer ihnen widersteht, dem Willen
Gottes selbst widersteht." Doch diese Hoffnungen, Rathschläge und Drohun-
gen wurden vereitelt, wie der Bologneser "Monitore" vom 14 v. M. mit
dem Geständniß bezeugt: "Alla gioja dimostrata dai cittadini per questa
sollennita mal rispose il clero.
" Um indessen nicht durch Einziehung aller
schuldigen und strafbaren Landgeistlichen in ein Wespennest zu greifen und
das Volk noch mehr aufzureizen, glaubte die Regierung zunächst ihrer eignen

[Spaltenumbruch] ſcheinlich das Gelingen der Badener Intrigue durch eine Hauſſe feiern. Denn
l’empire c’est la paix.

Seit den letzten officiellen „friedlichen“ Kund-
gebungen hat man in den wichtigſten finanziellen Kreiſen gerade das Gegen-
theil deſſen gethan was man von oben erwartet hatte. Man hat ſich nämlich
an der Börſe während der vorigen Woche vorzugsweiſe der „Baiſſe“ zuge-
wendet, und man fragt ſich warum der Crédit mobilier und die Caiſſe Mirès
plötzlich ihre Hauſſegelüſte bei Seite gelaſſen, und wieder in das Lager getre-
ten welches vom Mißtrauen Nutzen zu ziehen ſucht. Alle Welt iſt der Au-
ſicht daß Frankreich in der allernächſten Zeit keinen Krieg beginnen werde;
allein daß man jedwede Kriegsidee bei Seite gelegt — daran will niemand
glauben. Bei Hof und in deſſen Umgebung iſt man überaus mißgeſtimmt.
Die diplomatiſchen Schwierigkeiten thürmen ſich lawinenartig auf, und Frank-
reich hat in dieſem Augenblick gar keinen Bundesgenoſſen. Es befindet ſich
zwar mit Rußland auf einem innigen vertraulichen Fuß; allein es wird mit
Beſtimmtheit verſichert daß ein Schutz- und Trutzbündniß nicht exiſtire. Was
die innern Zuſtände Frankreichs betriſſt, ſo erſcheinen dieſe ſeit einiger Zeit
weit weniger der „prospérité“ angemeſſen als vor zwei Jahren. Der
engliſch-franzöfiſche Handelsvertrag und die neuen Zollreformen erzeugen eine
ſehr fühlbare Ebbe im Staatsſchatz. Eine Anleihe iſt unvermeidlich, da man
auch Piemont Entſchädigungsſummen zu bieten hat. Dem Miniſter ſind dieſe
Woche bedenkliche Nachrichten in Betreff des Standes der Ernte zugekommen.
In faſt allen Departements ſind die Preiſe der Lebensmittel geſtiegen. Den
Kammern ſoll noch vor ihrer Trennung eine „finanzielle“ Eröffnung gemacht
werden. Gerüchtsweiſe erwähne ich Ihnen daß ſeit einigen Tagen von dem
Rücktritt Thouvenels die Rede iſt. Ungegründet iſt die in einigen Kreiſen
verbreitete Nachricht als ſtehe eine baldige Erſetzung Billaults durch Pietri zu
gewärtigen.

Der bedenklichen Lage gegenüber welche
den verbrecheriſchen Streich Garibaldi’s geſchaffen hat, hielten wir es
für ange meſſen zu ſchweigen und den Ereigniſſen ihr beredſames Wort zu
laſſen. Wir ſind nichtsdeſtoweniger weit entfernt uns vor dem Erfolge zu
verneigen, wir betrachten ihn vielmehr als ein großes Unglück für Italien
ſelber, und als die nothwendige Conſequenz des Benehmens des Grafen v. Ca-
vour, welcher, die Präliminarien von Villafranca mißachtend, zu einem
Bündniß mit den revolutionären Leidenſchaften und Männern ſeine Zuflucht
nahm um ſeine ehrgeizigen Plane zu verwirklichen. Daß die von Maz ni reprä-
ſentirte Revolution das letzte Wort in dieſem ſtrafbaren Bündniß haben
wird, ſcheint uns keinem Zweifel zu unterliegen, denn die Logik der Thatſachen
hat ihre unvermeidlichen Conſequenzen. Darum bedauern wir es auch daß
der König von Neapel bei ſeiner Thronbeſteigung dieſe Gelegenheit nicht er-
griffen hat um die öffentliche Meinung zu gewinnen. Wir wiſſen ſehr gut
daß ſeine Zugeſtändniſſe die Revolution nicht befriedigt haben würden, denn
die Revolution läßt ſich nie befriedigen; aber der junge Monarch hätte da-
durch die Regierungen Europa’s moraliſch zu einer Einmiſchung gezwun-
gen, und Garibaldi den Vorwand zu ſeinem Streich genommen. Heute iſt
es ſehr ſpät, und wir glauben nicht an eine Intervention Frankreichs oder
einer andern Macht zu Gunſten des Königs in Sicilien, der Heil nur von der
Hingebung und Tapferkeit ſeiner Truppen zu erwarten hat. Beruhigender
iſt die Lage Roms. Täglich wird es der Revolution ſchwieriger dieſes letzte
Bollwerk der Ordnung zu zertrümmern. Der Kaiſer Napoleon hat erwirkt
daß Piemont ſich jedem Angriff gegen die Kirchenſtaaten widerſetzt, und er iſt
entſchloſſen ſeine Armee nicht aus den Kirchenſtaaten zurückzuziehen. Was
überdieß die Organiſation der römiſchen Armee betrifft, ſo hat unſere Re-
gierung mit Genugthuung erfahren daß ſie unter der Leitung des wackern
Generals Lamoricière in dem beſten Fortgang begriffen iſt. — Am 15 Jun.
wird S. M. der Kaiſer Napoleon III nach Baden-Baden abreiſen um dem Prinz-
Regenten von Preußen den ihm angekündigten Beſuch abzuſtatten. Wir be-
halten uns vor in unſerm nächſten Schreiben auf dieſes wichtige Ereigniß
zurückzukommen.

Da es heißt: der Prinz-Regent habe die Zuſam-
menkunft erſt angenommen nachdem Hr. v. Schleinitz die zuſtimmende Mei-
nung des Londoner Cabinets eingeholt hatte, hegt man wohl in allen deut-
ſchen Gauen die unerſchütterliche Ueberzeugung daß der Zauber, die Ueber-
redung, die Verführung welche in der Macht des Kaiſers liegen ſollen, an
den hochherzigen deutſchen Geſinnungen des Prinz-Regenten und ſeines Hrn.
Miniſters nicht rütteln werden. Geſtatten Sie mir hier einige Pariſer An-
ſichten über die Zuſammenkunft wiederzugeben. Die Opinion nationale
ſagt: die Conferenz in Baden-Baden wird Preußen ſtärken und innerhalb
gewiſſer Schranken (dans une certaine mesure) den Erfolg ſeiner deutſchen
Politik ſichern, während die Enquête in der Türkei die Bevölkerungen auf-
regt und Berwicklungen hervorruft. In Paris hält man in allen politiſchen,
auch miniſteriellen Kreiſen die Zuſammenkunft in Baden-Baden für die logi-
ſche Fortſetzung des morgigen erſten Anſchlußfeſtes. Dieſe Anſicht wird auch
von der engliſchen Geſellſchaft in Paris getheilt, welche ſich ſehr beunruhigt
[Spaltenumbruch] zeigt, da ſie ſich der Beforgniß hingibt es ſey darauf abgezielt in Deutſchland
Mißtrauen zu ſtiften, und England zu iſoliren. Rußland ſoll nach engli-
ſchen Angaben die Zuſammenkunft glücklich durchgeſetzt haben, nachdem ſich
der Kaiſer hierüber mit der Kaiſerin-Mutter, Schweſter des Prinz-Regenten,
in Lyon unterhalten hatte. In einem Salon in Faubourg St. Honoré wollte
man wiſſen der Kaiſer habe der erlauchten Wittwe des Kaiſers Nikolaus ins-
beſondere folgendes ans Herz gelegt: „Sagen Sie Ihrem Bruder daß auch
ich mich für die deutſche Einheit intereſſire, und daß ich für Preußen thun
will was ich für Piemont that und noch thun werde. Ohne Zweifel werden
dergleichen Gerüchte und Beſorgniſſe auch in die engliſche Preſſe übergehen,
wohl auch unter die engliſchen Staatsmänner gerathen.“ Um ihre Widerle-
gung und Beſeitigung zu veranlaſſen, braucht man ſie eben bloß zu veröffent-
lichen. Hoffentlich wird Baden Baden auch den Engländern wenigſtens auf
einige Zeit Beruhigung gewähren. Es heißt Abends: eine ans auswärtige
Miniſterium gelangte Depeſche beſtätige daß die Engländer ein Fort bei Pa-
lermo beſetzten.

Italien.

Ein Decret des Dictators Garibaldi, das von Alcamo 19 Mai
datirt iſt, trifft folgende Anordnungen: „In jeder Gemeinde Siciliens iſt
die Behörde angewieſen den Stand der öffentlichen Caſſen zu unterſuchen,
und ſich der vorgefundenen Summen zu verſichern. Die Mahlſteuer ſo wie
jede ſeit dem 15 Mai 1849 von der bourboniſchen Herrſchaft auferlegte
Steuer iſt aufgehoben. Die Aufhebung aller Einfuhrſteuer auf Cerealien,
Weizen, Kartoffeln und alle Arten von Hülſenfrüchten tritt wieder in Kraft.
Die Verwaltung der zum Staatsdomanium gehörigen Güter wird wieder
nach den Decreten vom 5 Aug. und 2 Sept. 1848 geregelt. Den Erbpäch-
tern und Pächtern der Staatsgüter iſt unterſagt den Pachtzins der bourbo-
niſchen Regierung oder ſonſt einem unrechtmäßigen Beſitzer zu bezahlen.
Jede Bezahlung die von heute an geſchieht wird nicht anerkannt werden.
Läuſt Betrug mit unter, ſo wird der Pächter als Hochverräther und mit einer
Geldſumme im dreifachen Werth der betreffenden Summe beſtraft werden.
In den von den feindlichen Streitkräften beſetzten Gemeinden iſt jeder Bür-
ger verpflichtet der bourboniſchen Regierung die Bezahlung der Steuern zu
verweigern, welche von heute an der Nation gehören.“

Wie in Toscana, hielten die jetzigen Machthaber
bei der maßgebenden Verſtimmung der Geiſtlichkeit auch in der Romagna für
nöthig die kirchliche Feier des Feſtes der Einführung der Verfaſſung anzu-
drohen. Der Bologneſer „Monitore“ vom 9 v. M. machte zu dem Ende
folgendes bekannt: „Viele ſind der Meinung nächſten Sonntag, wo das
Nationalfeſt der Verfaſſung feierlich begangen werden ſoll, würden Prieſter
zu geiſtlichen Functionen gerufen werden, die deſſen ungeachtet den Vollzug
des religiöſen Ceremoniells, das auch einen Theil der patriotiſchen Feier bildet,
ablehnen würden. Wir haben eine ganz andere Vorſtellung von dem guten
Sinn und der Einſicht des Klerus, welcher, ſollte er auch taub ſeyn können
für die Stimme der Vaterlandsliebe, doch in keiner Weiſe die der Pflicht ver-
geſſen kann, indem er allein die geſetzliche vom Volk ſich ſelbſt erwählte Re-
gierung mißachtete, und indem er dadurch bewieſe ſich den Geſetzen nicht
unterwerfen zu wollen, denen jeder Bürger Achtung ſchuldet. In keinem Fall
kann indeß die Regierung rückwärts gehen, wird auch gewiß nicht zulaſſen
daß irgendwer die Geſetze des Staats verunglimpft. Wir wurden jüngſt ver-
anlaßt daran zu erinnern daß Art. 268 des jetzt geltenden Strafgeſetzbuches
den Fall behandelt wo die Diener der Religion ſich ſolcher Handlungen ſchul-
dig machen welche die Unzufriedenheit gegen die Geſetze wachrufen, oder die
durch ſtrafbare Verweigerung ihres eigenen Amts öffentlich die Gewiſſen be-
unruhigen. Er beſtimmt dafür nicht allein die Strafe von drei Monaten bis
zu zwei Jahren Haft, ſondern auch eine Geldbuße, die bis auf 2000 Lire
ausgedehnt werden kann. Dieſe Strafe, die beim Eintreten des vom Geſetz
vorausgeſehenen Falls unfehlbar vollzogen werden müßte, iſt, wir wollen es
hinzufügen, perſönlich, und trifft nur den Einzelnen der ſich ſchuldig macht,
nicht die Körperſchaft welcher er zugehört. Der Ertrag der Strafe würde für
Werke der Wohlthätigkeit verwendet, vielleicht auch ſolchen Geiſtlichen zu
gute kommen die deßhalb leiden müßten weil ſie wußten dem Kaiſer zu geben
was des Kaiſers und Gott was Gottes iſt. Doch wir hoffen — wir wieder-
holen es — daß die Regierung nicht gezwungen werden wird zu ſolchen äußer-
ſten Mitteln zu greifen; denn wir vertrauen daß der ganze Klerus ſich einen
klaren Begriff machen will von den Pflichten des Prieſters und des Bürgers,
und daß er ſich erinnern wird daß Gott ſelbſt es iſt der den eingeſetzten Obrig-
keiten zu gehorchen verordnete, weil, wie der Apoſtel ſchrieb, die Gewalten,
die da ſind, von Gott geordnet ſind, und wer ihnen widerſteht, dem Willen
Gottes ſelbſt widerſteht.“ Doch dieſe Hoffnungen, Rathſchläge und Drohun-
gen wurden vereitelt, wie der Bologneſer „Monitore“ vom 14 v. M. mit
dem Geſtändniß bezeugt: „Alla gioja dimostrata dai cittadini per questa
sollennità mal rispose il clero.
“ Um indeſſen nicht durch Einziehung aller
ſchuldigen und ſtrafbaren Landgeiſtlichen in ein Weſpenneſt zu greifen und
das Volk noch mehr aufzureizen, glaubte die Regierung zunächſt ihrer eignen

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[2767/0007] ſcheinlich das Gelingen der Badener Intrigue durch eine Hauſſe feiern. Denn l’empire c’est la paix. ≐ Paris, 11 Jun. Seit den letzten officiellen „friedlichen“ Kund- gebungen hat man in den wichtigſten finanziellen Kreiſen gerade das Gegen- theil deſſen gethan was man von oben erwartet hatte. Man hat ſich nämlich an der Börſe während der vorigen Woche vorzugsweiſe der „Baiſſe“ zuge- wendet, und man fragt ſich warum der Crédit mobilier und die Caiſſe Mirès plötzlich ihre Hauſſegelüſte bei Seite gelaſſen, und wieder in das Lager getre- ten welches vom Mißtrauen Nutzen zu ziehen ſucht. Alle Welt iſt der Au- ſicht daß Frankreich in der allernächſten Zeit keinen Krieg beginnen werde; allein daß man jedwede Kriegsidee bei Seite gelegt — daran will niemand glauben. Bei Hof und in deſſen Umgebung iſt man überaus mißgeſtimmt. Die diplomatiſchen Schwierigkeiten thürmen ſich lawinenartig auf, und Frank- reich hat in dieſem Augenblick gar keinen Bundesgenoſſen. Es befindet ſich zwar mit Rußland auf einem innigen vertraulichen Fuß; allein es wird mit Beſtimmtheit verſichert daß ein Schutz- und Trutzbündniß nicht exiſtire. Was die innern Zuſtände Frankreichs betriſſt, ſo erſcheinen dieſe ſeit einiger Zeit weit weniger der „prospérité“ angemeſſen als vor zwei Jahren. Der engliſch-franzöfiſche Handelsvertrag und die neuen Zollreformen erzeugen eine ſehr fühlbare Ebbe im Staatsſchatz. Eine Anleihe iſt unvermeidlich, da man auch Piemont Entſchädigungsſummen zu bieten hat. Dem Miniſter ſind dieſe Woche bedenkliche Nachrichten in Betreff des Standes der Ernte zugekommen. In faſt allen Departements ſind die Preiſe der Lebensmittel geſtiegen. Den Kammern ſoll noch vor ihrer Trennung eine „finanzielle“ Eröffnung gemacht werden. Gerüchtsweiſe erwähne ich Ihnen daß ſeit einigen Tagen von dem Rücktritt Thouvenels die Rede iſt. Ungegründet iſt die in einigen Kreiſen verbreitete Nachricht als ſtehe eine baldige Erſetzung Billaults durch Pietri zu gewärtigen. ☩ Paris, 12 Jun. Der bedenklichen Lage gegenüber welche den verbrecheriſchen Streich Garibaldi’s geſchaffen hat, hielten wir es für ange meſſen zu ſchweigen und den Ereigniſſen ihr beredſames Wort zu laſſen. Wir ſind nichtsdeſtoweniger weit entfernt uns vor dem Erfolge zu verneigen, wir betrachten ihn vielmehr als ein großes Unglück für Italien ſelber, und als die nothwendige Conſequenz des Benehmens des Grafen v. Ca- vour, welcher, die Präliminarien von Villafranca mißachtend, zu einem Bündniß mit den revolutionären Leidenſchaften und Männern ſeine Zuflucht nahm um ſeine ehrgeizigen Plane zu verwirklichen. Daß die von Maz ni reprä- ſentirte Revolution das letzte Wort in dieſem ſtrafbaren Bündniß haben wird, ſcheint uns keinem Zweifel zu unterliegen, denn die Logik der Thatſachen hat ihre unvermeidlichen Conſequenzen. Darum bedauern wir es auch daß der König von Neapel bei ſeiner Thronbeſteigung dieſe Gelegenheit nicht er- griffen hat um die öffentliche Meinung zu gewinnen. Wir wiſſen ſehr gut daß ſeine Zugeſtändniſſe die Revolution nicht befriedigt haben würden, denn die Revolution läßt ſich nie befriedigen; aber der junge Monarch hätte da- durch die Regierungen Europa’s moraliſch zu einer Einmiſchung gezwun- gen, und Garibaldi den Vorwand zu ſeinem Streich genommen. Heute iſt es ſehr ſpät, und wir glauben nicht an eine Intervention Frankreichs oder einer andern Macht zu Gunſten des Königs in Sicilien, der Heil nur von der Hingebung und Tapferkeit ſeiner Truppen zu erwarten hat. Beruhigender iſt die Lage Roms. Täglich wird es der Revolution ſchwieriger dieſes letzte Bollwerk der Ordnung zu zertrümmern. Der Kaiſer Napoleon hat erwirkt daß Piemont ſich jedem Angriff gegen die Kirchenſtaaten widerſetzt, und er iſt entſchloſſen ſeine Armee nicht aus den Kirchenſtaaten zurückzuziehen. Was überdieß die Organiſation der römiſchen Armee betrifft, ſo hat unſere Re- gierung mit Genugthuung erfahren daß ſie unter der Leitung des wackern Generals Lamoricière in dem beſten Fortgang begriffen iſt. — Am 15 Jun. wird S. M. der Kaiſer Napoleon III nach Baden-Baden abreiſen um dem Prinz- Regenten von Preußen den ihm angekündigten Beſuch abzuſtatten. Wir be- halten uns vor in unſerm nächſten Schreiben auf dieſes wichtige Ereigniß zurückzukommen. . Paris, 12 Jun. Da es heißt: der Prinz-Regent habe die Zuſam- menkunft erſt angenommen nachdem Hr. v. Schleinitz die zuſtimmende Mei- nung des Londoner Cabinets eingeholt hatte, hegt man wohl in allen deut- ſchen Gauen die unerſchütterliche Ueberzeugung daß der Zauber, die Ueber- redung, die Verführung welche in der Macht des Kaiſers liegen ſollen, an den hochherzigen deutſchen Geſinnungen des Prinz-Regenten und ſeines Hrn. Miniſters nicht rütteln werden. Geſtatten Sie mir hier einige Pariſer An- ſichten über die Zuſammenkunft wiederzugeben. Die Opinion nationale ſagt: die Conferenz in Baden-Baden wird Preußen ſtärken und innerhalb gewiſſer Schranken (dans une certaine mesure) den Erfolg ſeiner deutſchen Politik ſichern, während die Enquête in der Türkei die Bevölkerungen auf- regt und Berwicklungen hervorruft. In Paris hält man in allen politiſchen, auch miniſteriellen Kreiſen die Zuſammenkunft in Baden-Baden für die logi- ſche Fortſetzung des morgigen erſten Anſchlußfeſtes. Dieſe Anſicht wird auch von der engliſchen Geſellſchaft in Paris getheilt, welche ſich ſehr beunruhigt zeigt, da ſie ſich der Beforgniß hingibt es ſey darauf abgezielt in Deutſchland Mißtrauen zu ſtiften, und England zu iſoliren. Rußland ſoll nach engli- ſchen Angaben die Zuſammenkunft glücklich durchgeſetzt haben, nachdem ſich der Kaiſer hierüber mit der Kaiſerin-Mutter, Schweſter des Prinz-Regenten, in Lyon unterhalten hatte. In einem Salon in Faubourg St. Honoré wollte man wiſſen der Kaiſer habe der erlauchten Wittwe des Kaiſers Nikolaus ins- beſondere folgendes ans Herz gelegt: „Sagen Sie Ihrem Bruder daß auch ich mich für die deutſche Einheit intereſſire, und daß ich für Preußen thun will was ich für Piemont that und noch thun werde. Ohne Zweifel werden dergleichen Gerüchte und Beſorgniſſe auch in die engliſche Preſſe übergehen, wohl auch unter die engliſchen Staatsmänner gerathen.“ Um ihre Widerle- gung und Beſeitigung zu veranlaſſen, braucht man ſie eben bloß zu veröffent- lichen. Hoffentlich wird Baden Baden auch den Engländern wenigſtens auf einige Zeit Beruhigung gewähren. Es heißt Abends: eine ans auswärtige Miniſterium gelangte Depeſche beſtätige daß die Engländer ein Fort bei Pa- lermo beſetzten. Italien. Ein Decret des Dictators Garibaldi, das von Alcamo 19 Mai datirt iſt, trifft folgende Anordnungen: „In jeder Gemeinde Siciliens iſt die Behörde angewieſen den Stand der öffentlichen Caſſen zu unterſuchen, und ſich der vorgefundenen Summen zu verſichern. Die Mahlſteuer ſo wie jede ſeit dem 15 Mai 1849 von der bourboniſchen Herrſchaft auferlegte Steuer iſt aufgehoben. Die Aufhebung aller Einfuhrſteuer auf Cerealien, Weizen, Kartoffeln und alle Arten von Hülſenfrüchten tritt wieder in Kraft. Die Verwaltung der zum Staatsdomanium gehörigen Güter wird wieder nach den Decreten vom 5 Aug. und 2 Sept. 1848 geregelt. Den Erbpäch- tern und Pächtern der Staatsgüter iſt unterſagt den Pachtzins der bourbo- niſchen Regierung oder ſonſt einem unrechtmäßigen Beſitzer zu bezahlen. Jede Bezahlung die von heute an geſchieht wird nicht anerkannt werden. Läuſt Betrug mit unter, ſo wird der Pächter als Hochverräther und mit einer Geldſumme im dreifachen Werth der betreffenden Summe beſtraft werden. In den von den feindlichen Streitkräften beſetzten Gemeinden iſt jeder Bür- ger verpflichtet der bourboniſchen Regierung die Bezahlung der Steuern zu verweigern, welche von heute an der Nation gehören.“ = Rom, 5 Jun. Wie in Toscana, hielten die jetzigen Machthaber bei der maßgebenden Verſtimmung der Geiſtlichkeit auch in der Romagna für nöthig die kirchliche Feier des Feſtes der Einführung der Verfaſſung anzu- drohen. Der Bologneſer „Monitore“ vom 9 v. M. machte zu dem Ende folgendes bekannt: „Viele ſind der Meinung nächſten Sonntag, wo das Nationalfeſt der Verfaſſung feierlich begangen werden ſoll, würden Prieſter zu geiſtlichen Functionen gerufen werden, die deſſen ungeachtet den Vollzug des religiöſen Ceremoniells, das auch einen Theil der patriotiſchen Feier bildet, ablehnen würden. Wir haben eine ganz andere Vorſtellung von dem guten Sinn und der Einſicht des Klerus, welcher, ſollte er auch taub ſeyn können für die Stimme der Vaterlandsliebe, doch in keiner Weiſe die der Pflicht ver- geſſen kann, indem er allein die geſetzliche vom Volk ſich ſelbſt erwählte Re- gierung mißachtete, und indem er dadurch bewieſe ſich den Geſetzen nicht unterwerfen zu wollen, denen jeder Bürger Achtung ſchuldet. In keinem Fall kann indeß die Regierung rückwärts gehen, wird auch gewiß nicht zulaſſen daß irgendwer die Geſetze des Staats verunglimpft. Wir wurden jüngſt ver- anlaßt daran zu erinnern daß Art. 268 des jetzt geltenden Strafgeſetzbuches den Fall behandelt wo die Diener der Religion ſich ſolcher Handlungen ſchul- dig machen welche die Unzufriedenheit gegen die Geſetze wachrufen, oder die durch ſtrafbare Verweigerung ihres eigenen Amts öffentlich die Gewiſſen be- unruhigen. Er beſtimmt dafür nicht allein die Strafe von drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft, ſondern auch eine Geldbuße, die bis auf 2000 Lire ausgedehnt werden kann. Dieſe Strafe, die beim Eintreten des vom Geſetz vorausgeſehenen Falls unfehlbar vollzogen werden müßte, iſt, wir wollen es hinzufügen, perſönlich, und trifft nur den Einzelnen der ſich ſchuldig macht, nicht die Körperſchaft welcher er zugehört. Der Ertrag der Strafe würde für Werke der Wohlthätigkeit verwendet, vielleicht auch ſolchen Geiſtlichen zu gute kommen die deßhalb leiden müßten weil ſie wußten dem Kaiſer zu geben was des Kaiſers und Gott was Gottes iſt. Doch wir hoffen — wir wieder- holen es — daß die Regierung nicht gezwungen werden wird zu ſolchen äußer- ſten Mitteln zu greifen; denn wir vertrauen daß der ganze Klerus ſich einen klaren Begriff machen will von den Pflichten des Prieſters und des Bürgers, und daß er ſich erinnern wird daß Gott ſelbſt es iſt der den eingeſetzten Obrig- keiten zu gehorchen verordnete, weil, wie der Apoſtel ſchrieb, die Gewalten, die da ſind, von Gott geordnet ſind, und wer ihnen widerſteht, dem Willen Gottes ſelbſt widerſteht.“ Doch dieſe Hoffnungen, Rathſchläge und Drohun- gen wurden vereitelt, wie der Bologneſer „Monitore“ vom 14 v. M. mit dem Geſtändniß bezeugt: „Alla gioja dimostrata dai cittadini per questa sollennità mal rispose il clero.“ Um indeſſen nicht durch Einziehung aller ſchuldigen und ſtrafbaren Landgeiſtlichen in ein Weſpenneſt zu greifen und das Volk noch mehr aufzureizen, glaubte die Regierung zunächſt ihrer eignen

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 166, 14. Juni 1860, S. 2767. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine166_1860/7>, abgerufen am 13.06.2024.