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Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] und die Demonstrationen, deren Ziel er war, zu erzählen, und ihn an sein
vorjähriges Versprechen "dalle Alpi all' Adriatico" zu erinnern. Gestern
fand eine Demonstration in revolutionärem Sinn in Monza und Umge-
bung statt, zu deren Unterdrückung einige Compagnien Bersaglieri dorthin
gesendet werden mußten. -- Es heißt daß mit künftigem Jahr die Super-
taxe der Prädiale von 331/2 Procent aufgehoben werden soll.

Dänemark.

Der Besuch des Königs von
Schweden in Kronborg, welcher gestern erfolgt ist, wäre fast an einer zarten
Etikettenfrage gescheitert. Der dänische Minister des Auswärtigen mußte
über eine ihm in dieser Beziehung aus Stockholm zugegangene Note beim
König Vortrag halten. Die endliche Folge ist gewesen daß König Karl XV
in Kronborg ohne seine Gemahlin erscheint, und der diesseitige, sowie die Prin-
zen Friedrich und Christian, die ihrigen gleichfalls weder nach Kronborg brin-
gen noch nach Schoonen mitnehmen. -- Von der Grundgesetzfeier ist noch
nach zutragen daß bei der Abends im Tivoli gefeierten "Sexa" sehr stark in
eiderdänischem Sinn und gegen das Ministerium gesprochen wurde.
Rimestad, der Volksvertreter, machte die gesammtstaatlichen Bestrebungen
des gegenwärtigen Ministeriums möglichst lächerlich; der ihm folgende Can-
didat Paulsen nannte als Männer die sich um das Vaterland verdient ge-
macht haben, einerseits die der sogenannten älteren Schule: David und Ussing,
welche zuerst für eine Verfassung arbeiteten, und andererseits die der jün-
geren, unter denen die Berfassung geschrieben ward und in Wirksamkeit trat,
die Lehmann, Claussen, Tscherning; dann gieng er höhnend zu den Män-
nern der jetzt am Ruder befindlichen jüngsten Schule über, und fragte: "Was
will das gegenwärtige Ministerium? Kann einer von Ihnen mir sagen
was das Ministerium Hall Monrad will? Sie wollen sich nach den Um-
ständen richten; kann einer der Männer das Eidersystem durchführen --
und alles andere ist Wahnsinn -- so sollen auch sie einst mit Dankbarkeit er-
wähnt werden." (Bemerkenswerth ist es wie plötzlich die früher viel ge-
schmähten Herren der Rechten, Ussing und David, wieder zu Ehren gekom-
men sind. Schon die "politischen Briefe" hatten diesen Ton angeschlagen.)
Das in einem Blumengewinde schön angebrachte Reichswappen, erzählt
"Fädrelandet," enthielt die Instgnien Holsteins so wenig sichtbar daß man
den Hals emporstrecken müsse um sie zu bemerken. -- Der Prof. der Theolo-
gie Claussen, der bekannte Verfechter des Eiderdanismus und 1849 bis 1851
Minister, tritt in zwei dem "Fädrelandet" einverleibten Artikeln für die Rechte
der dänischen Sprache in Schleswig zunächst gegen Hansen-Grumby und
Thomsen-Oldensworth, mehr noch aber gegen eine von diesen beiden mehr
fach citirte Broschüre auf, die vor etwa zwei Jahren deutsch in Kopenha-
gen über die schleswigischen Sprachverhältnisse erschien, und als deren Ver-
fasser die genannten Abgeordneten "den gegenwärtigen Minister von Hol-
stein, Conferenzrath Raaslöff," bezeichneten. Allem Anschein nach ist es nun
dem Hrn. Professor hauptsächlich um eine Erklärung Raaslöffs, ob er die
Broschüre geschrieben habe, und dann um eine Agitation gegen dessen Ver-
bleiben im Ministerium zu thun. Denn schon jetzt bemerkt er stichelnd: daß
ein Mann der die Ansichten jener Broschüre wirklich hege, sich doch nicht als
Diener des Königs den gegenwärtigen Ministern hätte anschließen sollen.
Schon einmal hat Raaslöff (Febr. 1856) wegen seiner in Bezug auf die
schleswigische Sprachsache zu erkennen gegebenen Meinungen (es wurden
ihm gewisse Artikel der Berl. Ztg. zugeschrieben) aus dem Ministerium wei-
chen müssen; damals aber war er Minister über Schleswig selbst; jetzt diri-
girt er das den Dänen mehr gleichgültige Holstein.

Rußland und Polen.

Binnen kurzem ist die Veröffentlichung
des Statuts für die neue Staatshandelsbank zu erwarten, der ein sehr weiter
Wirkungskreis gegeben werden soll. Baron Stieglitz wird das Präsidium
derselben übernehmen, und das Grundcapital ist auf 15 Millionen festgesetzt.
-- Im vorigen Jahr erwartete man, gleich nach der Unterwerfung des öst-
lichen Kaukasus, daß der Fürst Bariatinski sofort einen entscheidenden Feldzug
gegen den noch unabhängigen Westen unternehmen werde. Nach den neuesten
Berichten aus dem Kaukasus muß die Lage aber noch nicht der Art seyn daß
sich der Erfolg eines solchen Schlags mit Sicherheit erwarten ließe; denn im
Mai haben die drei Corps vom Adagum, von der Laba und dem schapsuchi-
schen District wieder ihre gewöhnlichen Friedensexpeditionen unternommen,
und jedes von ihnen eine neue Festung gebaut, um so die großartige Festungs-
linie, durch welche die unabhängigen Völkerschaften immer enger eingeschnürt
werden, zu vervollständigen. Nur das schapsuchische Corps hatte bei der
Einnahme des 400 Höfe zählenden Auls Kabanizy ein Gefecht zu bestehen;
die beiden andern wurden nicht beunruhigt. Gleichzeitig hatte der in Abchasten
commandirende General Karganoff eine Schiffsexpedition gegen einige feind-
liche Uferstämme unternommen, wobei ein paar türkische Schmugglerschiffe
verbrannt und eines genommen wurde. -- Der russische Gesandte in Kon-
stantinopel, Fürst Labanoff, ist kürzlich mit dem Stanislausorden erster Classe
decorirt worden. -- Der Verkehr verspricht in diesem Jahr sich sehr günstig
[Spaltenumbruch] zu entwickeln. In der letzten Hälfte des Aprils sind allein in Samara für
41/2 Millionen Rubel Rohproducte auf der Wolga verschifft worden. -- Ein
Prager Brief in der "Akademie - Zeitung," der das Datum vom 1 Februar
trägt, enthält wieder eine lange Reihe von Beschwerden gegen die österreichi-
sche Verwaltung, und namentlich die Polizei, wegen Unterdrückung der tsche-
chischen Bestrebungen. Einen Hauptpunkt bildet die Nichtbestätigung der
Ernennung des bekannten Gelehrten Hanka als Ehrenmitglied der kaiserlichen
russischen Gesellschaft von Freunden der Sprachwissenschaft in Moskau. --
Ein Brief aus Tobolsk in der "Moskauer Zeitung" führt Klage darüber daß
das Spiel dort alle edleren Bestrebungen niederhalte. Von der Ausdehnung
dieser Leidenschaft gibt der Umstand einen Begriff daß Tobolsk jährlich über
2000, Omsk sogar fast 5000 R. für Spielkarten ausgibt.

Handels- und Börsennachrichten.

Bei der heutigen ersten Ziehung der zur Heim-
zahlung kommenden Obligationen des ersten fünfprocentigen Anlehens von 1855, im
Gesammtcapitalbetrag von 807,000 fl., wurden die folgenden Nummern gezogen:
54, 50, 79, 87, 55, 30, 43, 32, 78, 75, 86, 63, 100, 10, 56. Diese Zahlen
haben für alle Obligationen, sie mögen auf Namen oder nur auf den Inhaber lan-
ten, und ohne irgendeinen Unterschied der Capitalsgattung, deren rothgeschriebene
Katasternummer auf eine der gezogenen Zahlen sich endigt, Geltung. Vom 1 Oct.
d. Js. an werden für die betreffenden Capitalien keine Zinsen mehr bezahlt, die
baare Heimzahlung aber kann sogleich geschehen. Jedoch ist den Eigenthümern auch
die Wiederanlage bei dem vierprocentigen Eisenbahnanlehen mit und ohne Arro-
sirung bis auf weiteres freigestellt.

Die heutige Getreideschranne enthielt im ganzen
9248 Sch., wovon 7942 Sch. verkaust und 1306 Sch. eingesetzt wurden. Mittel-
preise: Weizen fl. 21 (gestiegen um 5 kr.), Korn fl. 13.15 (gestiegen um 15 kr.),
Gerste fl. 13.9 (gestiegen um 12 kr.), Haber fl. 8.5 (gestiegen um 6 kr.). Die Reste
bestunden in 356 Sch. Weizen, 204 Sch. Korn, 542 Sch. Gerste, 204 Sch. Haber.
Umsatzsumme fl. 129,241.

Der gestrige Schrannenstand betrug 2123 Sch.,
wovon 2054 Sch. verkauft und 69 Sch. aufgezogen wurden. Die Preise, mit Aus-
nahme von Gerste, gefallen. Mittelpreise: Weizen fl. 21.27 (gefallen um 27 kr),
Kern fl. 21 (gefallen um 41 kr.), Roggen fl. 14.38 (gefallen um 40 kr.), Gerste
fl. 14.53 (gestiegen um 13 kr.), Haber fl. 7.7 (gefallen um 10 kr.). Umsatzsumme
fl. 36,344.19.

Die Rente war nach dem Abschneiden des Coupons
unter 67 gegangen, und sie sollte sich nach der Logik der Zustände erst auf 65 hal-
ten. Allein jedes Nationalfest muß durch eine Hausse gefeiert werden, wäre sie
auch nur von 50 Cent. Die großen Speculanten benützen jedesmal diese Gelegen-
heit um ihre Waare vortheilhaft abzusetzen. Dem Publicum wurde ins Gedächtniß
zurückgerufen daß zur Feier der Zusammenkunft in Cherbourg der Credit mobilier
die Rente von 68 auf 75 getrieben hat, und man wollte den kleinen Speculanten einreden
das Einverleibungsfest in Verbindung mit der Zusammenkunft in Baden-Baden könne nicht
weniger werth seyn. Da es auch hieß die Engländer seyen in Castellamare noch nicht
gesehen worden, und da die Körnerpreise welche in der vorigen Woche um 8 Fr.
gestiegen waren, um 2 Fr. sanken, preßte man die Rente glücklich bis auf 68. 50.
Zu diesem Curs erschien ein Herr der unter den Wechselagenten ist was der Con-
stitutionnel und die Patrie unter den Journalen, und verlangte Rente zu 68. 60.
Damit zeigte er jedoch den verständigen und des Platzes kundigen Speculanten daß
es Zeit sey zu verkaufen. Obiger Herr kaufte und verleitete andere dazu bis 68. 70.
Dann aber verpuffte das Feuerwerk. Die Bahnactien waren davon kaum berührt
worden. Sie blieben noch flauer als gewöhnlich. Man ist darauf gespannt ob ihre
Einnahmen im Vergleich mit den vorjährigen, nach dem Aufhören der Militärtransporte,
sich bessern. Morgen bleibt die Börse geschlossen. Das Einverleibungsfest muß sich mit
seinem Rentencurs von 68. 55 begnügeu, obschon noch heute die Lieferungsforderung von
7.500 Fr. Rente und verschiedenen Actien afficirt wurde als wenn das Papier nicht leicht
zu sinden wäre. Was immer für beschönigende Lügen und abwickelnde Broschüren
aus Anlaß von Baden-Baden in Umlauf gesetzt werden mögen, wird man einen bessern
Curs als 69 für die Rente nicht erschwindeln können. Alles was Geschäft heißt, lebt von Tag
zu Tag ou vivote. Nicht bloß das Vertrauen fehlt, auch jede Lust, jeder Schwung ist
abhanden gekommen. Ungeachtet alles Abläugnens sind die Ernteaussichten schlecht.
Die Preise von Mehl und Körnern steigen. Trotz des angeblichen Ueberflusses an
Capitalien fürchtet man die bevorstehenden Anforderungen an den Geldmarkt. Un-
geachtet des glücklich vollbrachten Anschlusses vernimmt man mit Besorgniß das
Gerücht von einer französischen Truppenconcentration an der schweizerischen Gränze.
Die Speculation betrachtet die Zusammenkunft in Baden-Baden als den Aus-
gangspunkt neuer Wirrnisse,
und sie hält die Hausse für unmöglicher
als je.

Neueste Posten.

In Folge eines gestern in Pillnitz ein-
gegangenen Einladungsschreibens des Prinz-Regenten von Preußen hat
unser König den Entschluß gefaßt sich zu der Fürstenzusammenkunft nach
Baden-Baden zu begeben, und ist heute Abend ein Viertel auf 7 Uhr mit dem
Postzug der Leipziger Bahn dahin abgereist. Wie man hier wissen will, wäre
für Se. Majestät die in dem Einladungsschreiben enthaltene Mittheilung daß
die Souveräne sämmtlicher übrigen Mittelstaaten in Baden-Badeu versam-
melt seyn würden, entscheidend gewesen. Begleitet ist der König nur von
seinem Oberstallmeister, General v. Engel. Das hier umlaufende Gerücht,
auch Hr. v. Seebach begleite den König, ist unbegründet. Derselbe befindet sich
noch in Wien, wohin er sich von hier in Privatangelegenheiten begeben.
Dagegen hat sich in Folge telegraphischer Benachrichtigung der k. Gesandte
in München, Frhr. v. Bose, zum Empfang seines Monarchen nach Baden-
Baden begeben.



Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kold. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges.

Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung.

[Spaltenumbruch] und die Demonſtrationen, deren Ziel er war, zu erzählen, und ihn an ſein
vorjähriges Verſprechen „dalle Alpi all’ Adriatico“ zu erinnern. Geſtern
fand eine Demonſtration in revolutionärem Sinn in Monza und Umge-
bung ſtatt, zu deren Unterdrückung einige Compagnien Berſaglieri dorthin
geſendet werden mußten. — Es heißt daß mit künftigem Jahr die Super-
taxe der Prädiale von 33½ Procent aufgehoben werden ſoll.

Dänemark.

Der Beſuch des Königs von
Schweden in Kronborg, welcher geſtern erfolgt iſt, wäre faſt an einer zarten
Etikettenfrage geſcheitert. Der däniſche Miniſter des Auswärtigen mußte
über eine ihm in dieſer Beziehung aus Stockholm zugegangene Note beim
König Vortrag halten. Die endliche Folge iſt geweſen daß König Karl XV
in Kronborg ohne ſeine Gemahlin erſcheint, und der dieſſeitige, ſowie die Prin-
zen Friedrich und Chriſtian, die ihrigen gleichfalls weder nach Kronborg brin-
gen noch nach Schoonen mitnehmen. — Von der Grundgeſetzfeier iſt noch
nach zutragen daß bei der Abends im Tivoli gefeierten „Sexa“ ſehr ſtark in
eiderdäniſchem Sinn und gegen das Miniſterium geſprochen wurde.
Rimeſtad, der Volksvertreter, machte die geſammtſtaatlichen Beſtrebungen
des gegenwärtigen Miniſteriums möglichſt lächerlich; der ihm folgende Can-
didat Paulſen nannte als Männer die ſich um das Vaterland verdient ge-
macht haben, einerſeits die der ſogenannten älteren Schule: David und Uſſing,
welche zuerſt für eine Verfaſſung arbeiteten, und andererſeits die der jün-
geren, unter denen die Berfaſſung geſchrieben ward und in Wirkſamkeit trat,
die Lehmann, Clauſſen, Tſcherning; dann gieng er höhnend zu den Män-
nern der jetzt am Ruder befindlichen jüngſten Schule über, und fragte: „Was
will das gegenwärtige Miniſterium? Kann einer von Ihnen mir ſagen
was das Miniſterium Hall Monrad will? Sie wollen ſich nach den Um-
ſtänden richten; kann einer der Männer das Eiderſyſtem durchführen —
und alles andere iſt Wahnſinn — ſo ſollen auch ſie einſt mit Dankbarkeit er-
wähnt werden.“ (Bemerkenswerth iſt es wie plötzlich die früher viel ge-
ſchmähten Herren der Rechten, Uſſing und David, wieder zu Ehren gekom-
men ſind. Schon die „politiſchen Briefe“ hatten dieſen Ton angeſchlagen.)
Das in einem Blumengewinde ſchön angebrachte Reichswappen, erzählt
„Fädrelandet,“ enthielt die Inſtgnien Holſteins ſo wenig ſichtbar daß man
den Hals emporſtrecken müſſe um ſie zu bemerken. — Der Prof. der Theolo-
gie Clauſſen, der bekannte Verfechter des Eiderdanismus und 1849 bis 1851
Miniſter, tritt in zwei dem „Fädrelandet“ einverleibten Artikeln für die Rechte
der däniſchen Sprache in Schleswig zunächſt gegen Hanſen-Grumby und
Thomſen-Oldensworth, mehr noch aber gegen eine von dieſen beiden mehr
fach citirte Broſchüre auf, die vor etwa zwei Jahren deutſch in Kopenha-
gen über die ſchleswigiſchen Sprachverhältniſſe erſchien, und als deren Ver-
faſſer die genannten Abgeordneten „den gegenwärtigen Miniſter von Hol-
ſtein, Conferenzrath Raaslöff,“ bezeichneten. Allem Anſchein nach iſt es nun
dem Hrn. Profeſſor hauptſächlich um eine Erklärung Raaslöffs, ob er die
Broſchüre geſchrieben habe, und dann um eine Agitation gegen deſſen Ver-
bleiben im Miniſterium zu thun. Denn ſchon jetzt bemerkt er ſtichelnd: daß
ein Mann der die Anſichten jener Broſchüre wirklich hege, ſich doch nicht als
Diener des Königs den gegenwärtigen Miniſtern hätte anſchließen ſollen.
Schon einmal hat Raaslöff (Febr. 1856) wegen ſeiner in Bezug auf die
ſchleswigiſche Sprachſache zu erkennen gegebenen Meinungen (es wurden
ihm gewiſſe Artikel der Berl. Ztg. zugeſchrieben) aus dem Miniſterium wei-
chen müſſen; damals aber war er Miniſter über Schleswig ſelbſt; jetzt diri-
girt er das den Dänen mehr gleichgültige Holſtein.

Rußland und Polen.

Binnen kurzem iſt die Veröffentlichung
des Statuts für die neue Staatshandelsbank zu erwarten, der ein ſehr weiter
Wirkungskreis gegeben werden ſoll. Baron Stieglitz wird das Präſidium
derſelben übernehmen, und das Grundcapital iſt auf 15 Millionen feſtgeſetzt.
— Im vorigen Jahr erwartete man, gleich nach der Unterwerfung des öſt-
lichen Kaukaſus, daß der Fürſt Bariatinski ſofort einen entſcheidenden Feldzug
gegen den noch unabhängigen Weſten unternehmen werde. Nach den neueſten
Berichten aus dem Kaukaſus muß die Lage aber noch nicht der Art ſeyn daß
ſich der Erfolg eines ſolchen Schlags mit Sicherheit erwarten ließe; denn im
Mai haben die drei Corps vom Adagum, von der Laba und dem ſchapſuchi-
ſchen Diſtrict wieder ihre gewöhnlichen Friedensexpeditionen unternommen,
und jedes von ihnen eine neue Feſtung gebaut, um ſo die großartige Feſtungs-
linie, durch welche die unabhängigen Völkerſchaften immer enger eingeſchnürt
werden, zu vervollſtändigen. Nur das ſchapſuchiſche Corps hatte bei der
Einnahme des 400 Höfe zählenden Auls Kabanizy ein Gefecht zu beſtehen;
die beiden andern wurden nicht beunruhigt. Gleichzeitig hatte der in Abchaſten
commandirende General Karganoff eine Schiffsexpedition gegen einige feind-
liche Uferſtämme unternommen, wobei ein paar türkiſche Schmugglerſchiffe
verbrannt und eines genommen wurde. — Der ruſſiſche Geſandte in Kon-
ſtantinopel, Fürſt Labanoff, iſt kürzlich mit dem Stanislausorden erſter Claſſe
decorirt worden. — Der Verkehr verſpricht in dieſem Jahr ſich ſehr günſtig
[Spaltenumbruch] zu entwickeln. In der letzten Hälfte des Aprils ſind allein in Samara für
4½ Millionen Rubel Rohproducte auf der Wolga verſchifft worden. — Ein
Prager Brief in der „Akademie - Zeitung,“ der das Datum vom 1 Februar
trägt, enthält wieder eine lange Reihe von Beſchwerden gegen die öſterreichi-
ſche Verwaltung, und namentlich die Polizei, wegen Unterdrückung der tſche-
chiſchen Beſtrebungen. Einen Hauptpunkt bildet die Nichtbeſtätigung der
Ernennung des bekannten Gelehrten Hanka als Ehrenmitglied der kaiſerlichen
ruſſiſchen Geſellſchaft von Freunden der Sprachwiſſenſchaft in Moskau. —
Ein Brief aus Tobolsk in der „Moskauer Zeitung“ führt Klage darüber daß
das Spiel dort alle edleren Beſtrebungen niederhalte. Von der Ausdehnung
dieſer Leidenſchaft gibt der Umſtand einen Begriff daß Tobolsk jährlich über
2000, Omsk ſogar faſt 5000 R. für Spielkarten ausgibt.

Handels- und Börſennachrichten.

Bei der heutigen erſten Ziehung der zur Heim-
zahlung kommenden Obligationen des erſten fünfprocentigen Anlehens von 1855, im
Geſammtcapitalbetrag von 807,000 fl., wurden die folgenden Nummern gezogen:
54, 50, 79, 87, 55, 30, 43, 32, 78, 75, 86, 63, 100, 10, 56. Dieſe Zahlen
haben für alle Obligationen, ſie mögen auf Namen oder nur auf den Inhaber lan-
ten, und ohne irgendeinen Unterſchied der Capitalsgattung, deren rothgeſchriebene
Kataſternummer auf eine der gezogenen Zahlen ſich endigt, Geltung. Vom 1 Oct.
d. Js. an werden für die betreffenden Capitalien keine Zinſen mehr bezahlt, die
baare Heimzahlung aber kann ſogleich geſchehen. Jedoch iſt den Eigenthümern auch
die Wiederanlage bei dem vierprocentigen Eiſenbahnanlehen mit und ohne Arro-
ſirung bis auf weiteres freigeſtellt.

Die heutige Getreideſchranne enthielt im ganzen
9248 Sch., wovon 7942 Sch. verkauſt und 1306 Sch. eingeſetzt wurden. Mittel-
preiſe: Weizen fl. 21 (geſtiegen um 5 kr.), Korn fl. 13.15 (geſtiegen um 15 kr.),
Gerſte fl. 13.9 (geſtiegen um 12 kr.), Haber fl. 8.5 (geſtiegen um 6 kr.). Die Reſte
beſtunden in 356 Sch. Weizen, 204 Sch. Korn, 542 Sch. Gerſte, 204 Sch. Haber.
Umſatzſumme fl. 129,241.

Der geſtrige Schrannenſtand betrug 2123 Sch.,
wovon 2054 Sch. verkauft und 69 Sch. aufgezogen wurden. Die Preiſe, mit Aus-
nahme von Gerſte, gefallen. Mittelpreiſe: Weizen fl. 21.27 (gefallen um 27 kr),
Kern fl. 21 (gefallen um 41 kr.), Roggen fl. 14.38 (gefallen um 40 kr.), Gerſte
fl. 14.53 (geſtiegen um 13 kr.), Haber fl. 7.7 (gefallen um 10 kr.). Umſatzſumme
fl. 36,344.19.

Die Rente war nach dem Abſchneiden des Coupons
unter 67 gegangen, und ſie ſollte ſich nach der Logik der Zuſtände erſt auf 65 hal-
ten. Allein jedes Nationalfeſt muß durch eine Hauſſe gefeiert werden, wäre ſie
auch nur von 50 Cent. Die großen Speculanten benützen jedesmal dieſe Gelegen-
heit um ihre Waare vortheilhaft abzuſetzen. Dem Publicum wurde ins Gedächtniß
zurückgerufen daß zur Feier der Zuſammenkunft in Cherbourg der Crédit mobilier
die Rente von 68 auf 75 getrieben hat, und man wollte den kleinen Speculanten einreden
das Einverleibungsfeſt in Verbindung mit der Zuſammenkunft in Baden-Baden könne nicht
weniger werth ſeyn. Da es auch hieß die Engländer ſeyen in Caſtellamare noch nicht
geſehen worden, und da die Körnerpreiſe welche in der vorigen Woche um 8 Fr.
geſtiegen waren, um 2 Fr. ſanken, preßte man die Rente glücklich bis auf 68. 50.
Zu dieſem Curs erſchien ein Herr der unter den Wechſelagenten iſt was der Con-
ſtitutionnel und die Patrie unter den Journalen, und verlangte Rente zu 68. 60.
Damit zeigte er jedoch den verſtändigen und des Platzes kundigen Speculanten daß
es Zeit ſey zu verkaufen. Obiger Herr kaufte und verleitete andere dazu bis 68. 70.
Dann aber verpuffte das Feuerwerk. Die Bahnactien waren davon kaum berührt
worden. Sie blieben noch flauer als gewöhnlich. Man iſt darauf geſpannt ob ihre
Einnahmen im Vergleich mit den vorjährigen, nach dem Aufhören der Militärtransporte,
ſich beſſern. Morgen bleibt die Börſe geſchloſſen. Das Einverleibungsfeſt muß ſich mit
ſeinem Rentencurs von 68. 55 begnügeu, obſchon noch heute die Lieferungsforderung von
7.500 Fr. Rente und verſchiedenen Actien afficirt wurde als wenn das Papier nicht leicht
zu ſinden wäre. Was immer für beſchönigende Lügen und abwickelnde Broſchüren
aus Anlaß von Baden-Baden in Umlauf geſetzt werden mögen, wird man einen beſſern
Curs als 69 für die Rente nicht erſchwindeln können. Alles was Geſchäft heißt, lebt von Tag
zu Tag ou vivote. Nicht bloß das Vertrauen fehlt, auch jede Luſt, jeder Schwung iſt
abhanden gekommen. Ungeachtet alles Abläugnens ſind die Ernteausſichten ſchlecht.
Die Preiſe von Mehl und Körnern ſteigen. Trotz des angeblichen Ueberfluſſes an
Capitalien fürchtet man die bevorſtehenden Anforderungen an den Geldmarkt. Un-
geachtet des glücklich vollbrachten Anſchluſſes vernimmt man mit Beſorgniß das
Gerücht von einer franzöſiſchen Truppenconcentration an der ſchweizeriſchen Gränze.
Die Speculation betrachtet die Zuſammenkunft in Baden-Baden als den Aus-
gangspunkt neuer Wirrniſſe,
und ſie hält die Hauſſe für unmöglicher
als je.

Neueſte Poſten.

In Folge eines geſtern in Pillnitz ein-
gegangenen Einladungsſchreibens des Prinz-Regenten von Preußen hat
unſer König den Entſchluß gefaßt ſich zu der Fürſtenzuſammenkunft nach
Baden-Baden zu begeben, und iſt heute Abend ein Viertel auf 7 Uhr mit dem
Poſtzug der Leipziger Bahn dahin abgereist. Wie man hier wiſſen will, wäre
für Se. Majeſtät die in dem Einladungsſchreiben enthaltene Mittheilung daß
die Souveräne ſämmtlicher übrigen Mittelſtaaten in Baden-Badeu verſam-
melt ſeyn würden, entſcheidend geweſen. Begleitet iſt der König nur von
ſeinem Oberſtallmeiſter, General v. Engel. Das hier umlaufende Gerücht,
auch Hr. v. Seebach begleite den König, iſt unbegründet. Derſelbe befindet ſich
noch in Wien, wohin er ſich von hier in Privatangelegenheiten begeben.
Dagegen hat ſich in Folge telegraphiſcher Benachrichtigung der k. Geſandte
in München, Frhr. v. Boſe, zum Empfang ſeines Monarchen nach Baden-
Baden begeben.



Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kold. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges.

Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.

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[2804/0008] und die Demonſtrationen, deren Ziel er war, zu erzählen, und ihn an ſein vorjähriges Verſprechen „dalle Alpi all’ Adriatico“ zu erinnern. Geſtern fand eine Demonſtration in revolutionärem Sinn in Monza und Umge- bung ſtatt, zu deren Unterdrückung einige Compagnien Berſaglieri dorthin geſendet werden mußten. — Es heißt daß mit künftigem Jahr die Super- taxe der Prädiale von 33½ Procent aufgehoben werden ſoll. Dänemark. × Aus Dänemark, 11 Jun. Der Beſuch des Königs von Schweden in Kronborg, welcher geſtern erfolgt iſt, wäre faſt an einer zarten Etikettenfrage geſcheitert. Der däniſche Miniſter des Auswärtigen mußte über eine ihm in dieſer Beziehung aus Stockholm zugegangene Note beim König Vortrag halten. 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Rimeſtad, der Volksvertreter, machte die geſammtſtaatlichen Beſtrebungen des gegenwärtigen Miniſteriums möglichſt lächerlich; der ihm folgende Can- didat Paulſen nannte als Männer die ſich um das Vaterland verdient ge- macht haben, einerſeits die der ſogenannten älteren Schule: David und Uſſing, welche zuerſt für eine Verfaſſung arbeiteten, und andererſeits die der jün- geren, unter denen die Berfaſſung geſchrieben ward und in Wirkſamkeit trat, die Lehmann, Clauſſen, Tſcherning; dann gieng er höhnend zu den Män- nern der jetzt am Ruder befindlichen jüngſten Schule über, und fragte: „Was will das gegenwärtige Miniſterium? Kann einer von Ihnen mir ſagen was das Miniſterium Hall Monrad will? Sie wollen ſich nach den Um- ſtänden richten; kann einer der Männer das Eiderſyſtem durchführen — und alles andere iſt Wahnſinn — ſo ſollen auch ſie einſt mit Dankbarkeit er- wähnt werden.“ (Bemerkenswerth iſt es wie plötzlich die früher viel ge- ſchmähten Herren der Rechten, Uſſing und David, wieder zu Ehren gekom- men ſind. Schon die „politiſchen Briefe“ hatten dieſen Ton angeſchlagen.) Das in einem Blumengewinde ſchön angebrachte Reichswappen, erzählt „Fädrelandet,“ enthielt die Inſtgnien Holſteins ſo wenig ſichtbar daß man den Hals emporſtrecken müſſe um ſie zu bemerken. — Der Prof. der Theolo- gie Clauſſen, der bekannte Verfechter des Eiderdanismus und 1849 bis 1851 Miniſter, tritt in zwei dem „Fädrelandet“ einverleibten Artikeln für die Rechte der däniſchen Sprache in Schleswig zunächſt gegen Hanſen-Grumby und Thomſen-Oldensworth, mehr noch aber gegen eine von dieſen beiden mehr fach citirte Broſchüre auf, die vor etwa zwei Jahren deutſch in Kopenha- gen über die ſchleswigiſchen Sprachverhältniſſe erſchien, und als deren Ver- faſſer die genannten Abgeordneten „den gegenwärtigen Miniſter von Hol- ſtein, Conferenzrath Raaslöff,“ bezeichneten. Allem Anſchein nach iſt es nun dem Hrn. Profeſſor hauptſächlich um eine Erklärung Raaslöffs, ob er die Broſchüre geſchrieben habe, und dann um eine Agitation gegen deſſen Ver- bleiben im Miniſterium zu thun. Denn ſchon jetzt bemerkt er ſtichelnd: daß ein Mann der die Anſichten jener Broſchüre wirklich hege, ſich doch nicht als Diener des Königs den gegenwärtigen Miniſtern hätte anſchließen ſollen. Schon einmal hat Raaslöff (Febr. 1856) wegen ſeiner in Bezug auf die ſchleswigiſche Sprachſache zu erkennen gegebenen Meinungen (es wurden ihm gewiſſe Artikel der Berl. Ztg. zugeſchrieben) aus dem Miniſterium wei- chen müſſen; damals aber war er Miniſter über Schleswig ſelbſt; jetzt diri- girt er das den Dänen mehr gleichgültige Holſtein. Rußland und Polen. ⚲ St. Petersburg, 9 Jun. Binnen kurzem iſt die Veröffentlichung des Statuts für die neue Staatshandelsbank zu erwarten, der ein ſehr weiter Wirkungskreis gegeben werden ſoll. Baron Stieglitz wird das Präſidium derſelben übernehmen, und das Grundcapital iſt auf 15 Millionen feſtgeſetzt. — Im vorigen Jahr erwartete man, gleich nach der Unterwerfung des öſt- lichen Kaukaſus, daß der Fürſt Bariatinski ſofort einen entſcheidenden Feldzug gegen den noch unabhängigen Weſten unternehmen werde. Nach den neueſten Berichten aus dem Kaukaſus muß die Lage aber noch nicht der Art ſeyn daß ſich der Erfolg eines ſolchen Schlags mit Sicherheit erwarten ließe; denn im Mai haben die drei Corps vom Adagum, von der Laba und dem ſchapſuchi- ſchen Diſtrict wieder ihre gewöhnlichen Friedensexpeditionen unternommen, und jedes von ihnen eine neue Feſtung gebaut, um ſo die großartige Feſtungs- linie, durch welche die unabhängigen Völkerſchaften immer enger eingeſchnürt werden, zu vervollſtändigen. Nur das ſchapſuchiſche Corps hatte bei der Einnahme des 400 Höfe zählenden Auls Kabanizy ein Gefecht zu beſtehen; die beiden andern wurden nicht beunruhigt. Gleichzeitig hatte der in Abchaſten commandirende General Karganoff eine Schiffsexpedition gegen einige feind- liche Uferſtämme unternommen, wobei ein paar türkiſche Schmugglerſchiffe verbrannt und eines genommen wurde. — Der ruſſiſche Geſandte in Kon- ſtantinopel, Fürſt Labanoff, iſt kürzlich mit dem Stanislausorden erſter Claſſe decorirt worden. — Der Verkehr verſpricht in dieſem Jahr ſich ſehr günſtig zu entwickeln. In der letzten Hälfte des Aprils ſind allein in Samara für 4½ Millionen Rubel Rohproducte auf der Wolga verſchifft worden. — Ein Prager Brief in der „Akademie - Zeitung,“ der das Datum vom 1 Februar trägt, enthält wieder eine lange Reihe von Beſchwerden gegen die öſterreichi- ſche Verwaltung, und namentlich die Polizei, wegen Unterdrückung der tſche- chiſchen Beſtrebungen. Einen Hauptpunkt bildet die Nichtbeſtätigung der Ernennung des bekannten Gelehrten Hanka als Ehrenmitglied der kaiſerlichen ruſſiſchen Geſellſchaft von Freunden der Sprachwiſſenſchaft in Moskau. — Ein Brief aus Tobolsk in der „Moskauer Zeitung“ führt Klage darüber daß das Spiel dort alle edleren Beſtrebungen niederhalte. Von der Ausdehnung dieſer Leidenſchaft gibt der Umſtand einen Begriff daß Tobolsk jährlich über 2000, Omsk ſogar faſt 5000 R. für Spielkarten ausgibt. Handels- und Börſennachrichten. = München, 15 Jun. Bei der heutigen erſten Ziehung der zur Heim- zahlung kommenden Obligationen des erſten fünfprocentigen Anlehens von 1855, im Geſammtcapitalbetrag von 807,000 fl., wurden die folgenden Nummern gezogen: 54, 50, 79, 87, 55, 30, 43, 32, 78, 75, 86, 63, 100, 10, 56. Dieſe Zahlen haben für alle Obligationen, ſie mögen auf Namen oder nur auf den Inhaber lan- ten, und ohne irgendeinen Unterſchied der Capitalsgattung, deren rothgeſchriebene Kataſternummer auf eine der gezogenen Zahlen ſich endigt, Geltung. Vom 1 Oct. d. Js. an werden für die betreffenden Capitalien keine Zinſen mehr bezahlt, die baare Heimzahlung aber kann ſogleich geſchehen. Jedoch iſt den Eigenthümern auch die Wiederanlage bei dem vierprocentigen Eiſenbahnanlehen mit und ohne Arro- ſirung bis auf weiteres freigeſtellt. * München, 15 Jun. Die heutige Getreideſchranne enthielt im ganzen 9248 Sch., wovon 7942 Sch. verkauſt und 1306 Sch. eingeſetzt wurden. Mittel- preiſe: Weizen fl. 21 (geſtiegen um 5 kr.), Korn fl. 13.15 (geſtiegen um 15 kr.), Gerſte fl. 13.9 (geſtiegen um 12 kr.), Haber fl. 8.5 (geſtiegen um 6 kr.). Die Reſte beſtunden in 356 Sch. Weizen, 204 Sch. Korn, 542 Sch. Gerſte, 204 Sch. Haber. Umſatzſumme fl. 129,241. * Augsburg, 16 Jun. Der geſtrige Schrannenſtand betrug 2123 Sch., wovon 2054 Sch. verkauft und 69 Sch. aufgezogen wurden. Die Preiſe, mit Aus- nahme von Gerſte, gefallen. Mittelpreiſe: Weizen fl. 21.27 (gefallen um 27 kr), Kern fl. 21 (gefallen um 41 kr.), Roggen fl. 14.38 (gefallen um 40 kr.), Gerſte fl. 14.53 (geſtiegen um 13 kr.), Haber fl. 7.7 (gefallen um 10 kr.). Umſatzſumme fl. 36,344.19. &#x1F755; Paris, 13 Jun. Die Rente war nach dem Abſchneiden des Coupons unter 67 gegangen, und ſie ſollte ſich nach der Logik der Zuſtände erſt auf 65 hal- ten. Allein jedes Nationalfeſt muß durch eine Hauſſe gefeiert werden, wäre ſie auch nur von 50 Cent. Die großen Speculanten benützen jedesmal dieſe Gelegen- heit um ihre Waare vortheilhaft abzuſetzen. Dem Publicum wurde ins Gedächtniß zurückgerufen daß zur Feier der Zuſammenkunft in Cherbourg der Crédit mobilier die Rente von 68 auf 75 getrieben hat, und man wollte den kleinen Speculanten einreden das Einverleibungsfeſt in Verbindung mit der Zuſammenkunft in Baden-Baden könne nicht weniger werth ſeyn. Da es auch hieß die Engländer ſeyen in Caſtellamare noch nicht geſehen worden, und da die Körnerpreiſe welche in der vorigen Woche um 8 Fr. geſtiegen waren, um 2 Fr. ſanken, preßte man die Rente glücklich bis auf 68. 50. Zu dieſem Curs erſchien ein Herr der unter den Wechſelagenten iſt was der Con- ſtitutionnel und die Patrie unter den Journalen, und verlangte Rente zu 68. 60. Damit zeigte er jedoch den verſtändigen und des Platzes kundigen Speculanten daß es Zeit ſey zu verkaufen. Obiger Herr kaufte und verleitete andere dazu bis 68. 70. Dann aber verpuffte das Feuerwerk. Die Bahnactien waren davon kaum berührt worden. Sie blieben noch flauer als gewöhnlich. Man iſt darauf geſpannt ob ihre Einnahmen im Vergleich mit den vorjährigen, nach dem Aufhören der Militärtransporte, ſich beſſern. Morgen bleibt die Börſe geſchloſſen. Das Einverleibungsfeſt muß ſich mit ſeinem Rentencurs von 68. 55 begnügeu, obſchon noch heute die Lieferungsforderung von 7.500 Fr. Rente und verſchiedenen Actien afficirt wurde als wenn das Papier nicht leicht zu ſinden wäre. Was immer für beſchönigende Lügen und abwickelnde Broſchüren aus Anlaß von Baden-Baden in Umlauf geſetzt werden mögen, wird man einen beſſern Curs als 69 für die Rente nicht erſchwindeln können. Alles was Geſchäft heißt, lebt von Tag zu Tag ou vivote. Nicht bloß das Vertrauen fehlt, auch jede Luſt, jeder Schwung iſt abhanden gekommen. Ungeachtet alles Abläugnens ſind die Ernteausſichten ſchlecht. Die Preiſe von Mehl und Körnern ſteigen. Trotz des angeblichen Ueberfluſſes an Capitalien fürchtet man die bevorſtehenden Anforderungen an den Geldmarkt. Un- geachtet des glücklich vollbrachten Anſchluſſes vernimmt man mit Beſorgniß das Gerücht von einer franzöſiſchen Truppenconcentration an der ſchweizeriſchen Gränze. Die Speculation betrachtet die Zuſammenkunft in Baden-Baden als den Aus- gangspunkt neuer Wirrniſſe, und ſie hält die Hauſſe für unmöglicher als je. Neueſte Poſten. †* Dresden, 14 Jun. In Folge eines geſtern in Pillnitz ein- gegangenen Einladungsſchreibens des Prinz-Regenten von Preußen hat unſer König den Entſchluß gefaßt ſich zu der Fürſtenzuſammenkunft nach Baden-Baden zu begeben, und iſt heute Abend ein Viertel auf 7 Uhr mit dem Poſtzug der Leipziger Bahn dahin abgereist. Wie man hier wiſſen will, wäre für Se. Majeſtät die in dem Einladungsſchreiben enthaltene Mittheilung daß die Souveräne ſämmtlicher übrigen Mittelſtaaten in Baden-Badeu verſam- melt ſeyn würden, entſcheidend geweſen. Begleitet iſt der König nur von ſeinem Oberſtallmeiſter, General v. Engel. Das hier umlaufende Gerücht, auch Hr. v. Seebach begleite den König, iſt unbegründet. Derſelbe befindet ſich noch in Wien, wohin er ſich von hier in Privatangelegenheiten begeben. Dagegen hat ſich in Folge telegraphiſcher Benachrichtigung der k. Geſandte in München, Frhr. v. Boſe, zum Empfang ſeines Monarchen nach Baden- Baden begeben. Verantwortliche Redaction: Dr. G. Kold. Dr. A. J. Altenhöfer. Dr. H. Orges. Verlag der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860, S. 2804. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine168_1860/8>, abgerufen am 21.11.2024.