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Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860.

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[Spaltenumbruch] Wie aufrichtig auch der Wille desselben zu Gunsten der Erhaltung des Frie-
dens seyn mag, man wird nicht daran glauben, eben wegen dieses Napoleoni-
schen Princips, das, wie alle Principien, nur unter der Bedingung existirt sich
in allen seinen Consequenzen zu entwickeln. Wenn der Friede, ein dauer-
haster Friede, aus der Zusammenkunft in Baden hervorgehen könnte, so würde
es das außerordentlichste Factum seyn dem wir noch beigewohnt hätten.

Italien.

Nach einem hartnäckigen Straßenkampf mit
Insurgentenhaufen die ums dreifache zahlreicher waren, und drei Stück
Geschütz mit sich führten, haben die königlichen Truppen Catania geräumt.
Aber erst nachdem sie die Insurgenten aus der Stadt vertrieben, und ihnen
ihre drei Kanonen abgenommen hatten. Die Stellung in Catania war zu
isolirt, als daß es rathsam hätte seyn können sie zu behaupten. Bei kaum
1800 Mann Besatzung zählt man 197 an Todten und Verwundeten, also
beiläusig 11 vom Hundert, während der Verlust der Aufständischen noch
das doppelte übersteigen soll, was vielleicht dafür zeugen dürfte daß das
Gefecht nicht so ganz unbedeutend war. Erst am Tage nach demselben ver-
ließ General Clary mit seinen Streitkräften Catania um sich auf Messina
zurückzuziehen. Die Kunde von der Räumung Palermo's, es versteht sich
durch diplomatische Intervention, wird der Allg. Zeitung über Genua und
Turin zugegangen seyn. Vorderhand enthalte ich mich also über dieses Er-
eigniß zu sprechen. Ich hosse indessen noch später darauf zurückzukommen.
Alle andern Städte sind ebenfalls geräumt worden. Nur Messina, Agosta
und Syracus werden noch besetzt bleiben. Das sicilianische Drama scheint
im Galopp seinem Finale entgegen zu eilen. -- Fortwährend langen Ver-
wundete von Palermo und Catania hier an, und gestern Abend wurden etwa
400 derselben mit der Eisenbahn nach Caserta in das dortige große Militär-
hospital befördert. Aber es muß wirklich empören wenn man die Neugierde
wahrnimmt mit welcher nicht nur das Proletariat, sondern auch der vor-
nehme Pöbel sich herbeidrängt um die Verwundeten, als seyen es Wundergeschöpfe
einer andern Welt, zu sehen, und die kalte Gleichgültigkeit mit der jedermann
sie anstarrt. Auch keine Spur von Mitleid oder von Theilnahme ist bei
irgendeinem dieser herzlosen Gaffer zu erblicken. Nicht einmal bei Weibern
und Mädchen, dem Anschein nach selbst den bessern Volksclassen angehörig,
die, wie sich schon von selbst versteht, bei einer solchen Scene kaum feh-
len dürfen. (Das ist ein schlimmes Zeichen für die Regierung; es be-
weist eben daß anch die Bevölkerung Neapels mit Garibaldi sym-
pathistrt.) -- Gestern ist der Commendatore de Martino, diesseitiger Ge-
schäftsträger am römischen Hof, in außerordentlicher Mission nach Paris
abgegangen. Er ist ein sehr geistreicher Mann, der im Ruf eines äußerst
gewandten Diplomaten steht. Hätten die Truppen, die überall brav zu
fechten verstanden, einen gescheidtern Führer gehabt, schwerlich hätte man
zu dieser Mission schreiten dürfen.

Heute sind wir im Fall Ihnen ein Actenstück mitzu-
theilen aus dem das Verhältniß Garibaldi's zu den mazzinistischen Grundsätzen
nur zu klar hervorschaut. Er spricht den Socialismus in einer Weise aus
die überraschen wird. Hier das Actenstück: Jos. Garibaldi, Haupt der
nationalen Kräfte auf Sicilien, vermöge der ihm übertragenen Macht be-
schließt: Art. 1. Von dem Lande der Cameraldomänen, das gemäß dem
Gesetz unter die Bürger der eigenen Gemeinde zu vertheilen ist, erhält eine
bestimmte Qnote, ohne Zutheilung, jeder der für das Vaterland gestritten hat.
Im Fall des Todes der Soldaten fällt dieses Recht an seine Erben. Art. 2.
Diese Quote, von der im Art. 1 die Rede war, soll gleich seyn denjenigen die
für die armen besitzlosen Familienhäupter bestimmt und die ihnen zugetheilt
werden. Wenn das Land einer Gemeinde so ausgedehnt ist daß es die Be-
dürfnisse der Bevölkerung überschreitet, so sollen die Soldaten und ihre Er-
ben die doppelte Quote ihrer Mittheilnehmer erhalten. Art. 3. Wenn die
Gemeinden nicht eigene Domänen besitzen, so sollen sie mit dem Land der
Staats- und Krondomänen ersetzt werden. Art. 4. Der Staatssecretär ist
beauftragt gegenwärtiges Decret zu vollziehen. Palermo, 2 Juni 1860.

Dictator Jos. Garibaldi, der Staatssecretär Fr. Crispi.
-- Salvatori Capello
und Onofrio di Benedetto sind zu Quästoren der Stadt und des Districts
Palermo ernannt. Sie wählen die Assessoren der öffentlichen Sicherheit für
die Stadt, und die Delegaten für die Gemeinen des Districts. Der Gene-
ralintendant der nationalen Streitkräfte ist, bis weiteres bestimmt wird, Schatz-
meister und Cassier Siciliens. Alle Finanzangestellten hängen von ihm ab.
In einem andern Decret (denn Decrete regnet es in Sicilien) heißt es: Art. 1.
Für jeden der 24 Districte ist ein Governatore eingesetzt. Art. 4. Ausgeschlossen
aus dem civilen Rathe -- und sie können nicht werden Mitglieder des Muni-
cipal-Magistrats, nicht Gemeinderichter, nicht Agenten der öffentlichen Ver-
waltung -- sind: a) diejenigen die direct oder indirect die Wiedereinsetzung
der Bourbonen begünstigen; b) diejenigen die verwaltet haben oder noch ver-
walten öffentliche Aemter im Namen der illegitimen Macht, die gegenwärtig
noch Sicilien quält; c) diejenigen die sich öffentlich der Erlösung des Vater-
landes entgegensetzen.
" O heilige Rechtsgrundsätze! -- In Calabrien droht
[Spaltenumbruch] freilich Revolution; wenigstens beginnt man schon frech genug mit dem Spiel
der Proclamationen. Eine solche, unterschrieben von Ant. Garcea, einem
elfjährigen Galeerensträfling, datirt von Scilla, kommt von Malta. Die
Proclamation gleicht allen andern. Gott vertritt die Stelle eines Zeugen,
ebenso Europa. Die Bourbonen sind Tyrannen. Victor Emmanuel ist der
Stolz Italiens, neue Epoche des Vaterlandes, Aufstand, Muth etc.

Heute oder morgen erwartet man die formelle
Bekanntmachung der Abtretung Savoyens und Nizza's. Also auch dieses
Werk ist vollendet; man kann zu einem andern schreiten! In einer Bespre-
chung des Senats läßt sich das "Diritto" über den so bekannten und berühm-
ten Manzoni, der, wie es scheint, auch in die Abtretung einwilligte, aus:
"Auch der arme Manzoni, welcher alt an Jahren und jung in den parla-
mentarischen Dingen ist, wußte nicht was zu thun wäre." Wie es scheint,
war Manzoni von d'Azeglio beeinflußt. -- Ich muß auch heute wieder auf die
"Perseveranza" kommen. Ich habe schon in meinen letzten Correspondenzen
angedeutet wie leichtfertig und frech sie über Völker und Fürsten abhandelt,
und hiezu nun wieder einen Beweis. In der gestrigen Nummer gibt sie einen
Artikel: "Ärdimento ch'e prudenza" (Muth, der Klugheit ist). Will die
Perseveranza die Stelle eines italienischen Moniteur vertreten? Stolz tritt
die Matrone auf, erhebt ihre Stimme und -- Oesterreich ist zu Boden ge-
schmettert. Das ist ihr schon vollkommene Thatsache; sie emancipirt schon
die östlichen Völker, Ungarn, Böhmen und Deutsche reichen sich die Hand zum
Abschied. Neue Reiche entstehen auf den Rath der Perseveranza! "Was
würden z. B. die deutschen Tiroler verliern," sagt das Blatt, "wenn sie mit
Bayern vereinigt würden? Was wär' es wenn alle Deutschen in ein ger-
manisches Reich träten, sey es mit strenger unitarischer oder föderativer
Form?" -- Nach der "Turiner Ztg." Nr. 160 ist ein neuer Vertrag abge-
schlossen worden mit Hrn. Escoffier von Saint-Etienne über eine bedeutende
Lieferung gezogener Gewehre. Es sollen ferner bis zum nächsten Juli 80
Batterien Artillerie (?) mit einer entsprechenden Anzahl Kanonen und Wagen
vollendet seyn. -- General Roselli wurde in Folge der Desertionen in Dis-
ponibilität mit Besoldung versetzt. -- Die Eroberung Siciliens hält man hier
(Mailänder Zeitung) für den Prolog eines großen Drama's das auf dem Fest-
land spielen soll. Garibaldi werde Messina umgehen und direct auf das
Festland losschreiten, und zwar gerade auf Neapel zu. Gelingt der Streich,
so würde Messina mit der Dynastie fallen; sollte er fehlschlagen, so gibt ihm
Sicilien immerhin einen Rückhalt, und ist ihm die Basis für künftige Thaten.
-- In Syracus stellte am 25 Mai der englische Consul seine Fahne aus;
die Soldaten versuchten sie herunterzureißen, und bedrohten das Leben
der Frau und des Consuls selbst. Darauf erfolgte ein Protest, unterschrieben
von allen anwesenden Viceconsuln, an den commandirenden Marschall
Rodriguez. Derselbe antwortete in sehr gehaltenem Tone. So schreibt
"L'Cspero."

Heute 9 Uhr Morgens reiste Marschall Vaillant
nach Frankreich ab, wird aber, wie es heißt, früher noch Florenz und Turin
besuchen. Die Nationalgarde bildete Spalier von der Villa Reale, wo er
wohnte, bis zur Eisenbahnstation der Porta Nuova. Es wohnten der Abreise
eine Menge von Personen bei; doch war der Pöbel und das weibliche Geschlecht,
wie es immer der Fall ist wenn es eine Demonstration gilt, am meisten dabei
vertreten. Gestern um 1 Uhr machte der hiesige Podesta mit seinen Assessoren
dem Marschall den Abschiedsbesuch, und überreichte demselben eine Adresse.
Zu gleicher Zeit wurde er auch gebeten ein artistisches Album anzuneh-
men, welches jetzt in der Arbeit begriffen ist, und dem Marschall gleich
nach seiner Beendigung zugeschickt werden soll. Es enthält alle Epi-
soden des vorjährigen Krieges in Kunstblättern mit begleitendem Text.
-- Der Marschall hat, wie ich Ihnen schon schrieb, die vorige Woche Ve-
nedig besucht, und die hiesige Tagspresse ermangelte nicht diese Reise zu ihrem
Zweck auszubeuten. Wie die dortigen Blätter melden, wurde er sowohl in
Verona als Venedig mit allen militärischen Ehren empfangen, aber dieß hin-
dert unsere Blätter nicht die Reise des Marschalls nach Venedig als eine
Oesterreich feindliche Demonstration ihren stupiden Lesern darzustellen, die
alles für bare Münze annehmen, es mag noch so augenscheinlich dumm seyn;
es genügt daß es gegen Oesterreich ist. So läßt sich der Koryphäe der hie-
sigen Lügenblätter, der Pungolo, über diese Reise aus Venedig schreiben
daß der Marschall binnen einigen Stunden über 2000 Visitenkarten erhielt, und
daß bei seinem Spaziergang auf dem Marcusplatz und längs der Riva dei
Schiavoni er von einer Masse Menschen umringt wurde, die ihn an die
Worte seines Kaisers "von den Alpen bis zur Adria" erinnerten, und wie
dieselben im Herzen der Venetianer wie ein heiliges Versprechen eingeprägt
wären. Die Venetianer Damen, sagt der Pungolo, verehrten demselben
Bouquets und Blumenkronen, und um alles zu sagen, auch Briefchen (?), in
welchen die Hoffnungen der Venetianer mit rührenden Worten ausgedrückt
waren. -- Der Pungolo spricht nun die sichere Hoffnung aus: der Marschall
werde, in Paris angekommen, nicht ermapgeln dem Kaiser seine Aufnahme

[Spaltenumbruch] Wie aufrichtig auch der Wille desſelben zu Gunſten der Erhaltung des Frie-
dens ſeyn mag, man wird nicht daran glauben, eben wegen dieſes Napoleoni-
ſchen Princips, das, wie alle Principien, nur unter der Bedingung exiſtirt ſich
in allen ſeinen Conſequenzen zu entwickeln. Wenn der Friede, ein dauer-
haſter Friede, aus der Zuſammenkunft in Baden hervorgehen könnte, ſo würde
es das außerordentlichſte Factum ſeyn dem wir noch beigewohnt hätten.

Italien.

Nach einem hartnäckigen Straßenkampf mit
Inſurgentenhaufen die ums dreifache zahlreicher waren, und drei Stück
Geſchütz mit ſich führten, haben die königlichen Truppen Catania geräumt.
Aber erſt nachdem ſie die Inſurgenten aus der Stadt vertrieben, und ihnen
ihre drei Kanonen abgenommen hatten. Die Stellung in Catania war zu
iſolirt, als daß es rathſam hätte ſeyn können ſie zu behaupten. Bei kaum
1800 Mann Beſatzung zählt man 197 an Todten und Verwundeten, alſo
beiläuſig 11 vom Hundert, während der Verluſt der Aufſtändiſchen noch
das doppelte überſteigen ſoll, was vielleicht dafür zeugen dürfte daß das
Gefecht nicht ſo ganz unbedeutend war. Erſt am Tage nach demſelben ver-
ließ General Clary mit ſeinen Streitkräften Catania um ſich auf Meſſina
zurückzuziehen. Die Kunde von der Räumung Palermo’s, es verſteht ſich
durch diplomatiſche Intervention, wird der Allg. Zeitung über Genua und
Turin zugegangen ſeyn. Vorderhand enthalte ich mich alſo über dieſes Er-
eigniß zu ſprechen. Ich hoſſe indeſſen noch ſpäter darauf zurückzukommen.
Alle andern Städte ſind ebenfalls geräumt worden. Nur Meſſina, Agoſta
und Syracus werden noch beſetzt bleiben. Das ſicilianiſche Drama ſcheint
im Galopp ſeinem Finale entgegen zu eilen. — Fortwährend langen Ver-
wundete von Paleꝛmo und Catania hier an, und geſtern Abend wurden etwa
400 derſelben mit der Eiſenbahn nach Caſerta in das dortige große Militär-
hoſpital befördert. Aber es muß wirklich empören wenn man die Neugierde
wahrnimmt mit welcher nicht nur das Proletariat, ſondern auch der vor-
nehme Pöbel ſich herbeidrängt um die Verwundeten, als ſeyen es Wundergeſchöpfe
einer andern Welt, zu ſehen, und die kalte Gleichgültigkeit mit der jedermann
ſie anſtarrt. Auch keine Spur von Mitleid oder von Theilnahme iſt bei
irgendeinem dieſer herzloſen Gaffer zu erblicken. Nicht einmal bei Weibern
und Mädchen, dem Anſchein nach ſelbſt den beſſern Volksclaſſen angehörig,
die, wie ſich ſchon von ſelbſt verſteht, bei einer ſolchen Scene kaum feh-
len dürfen. (Das iſt ein ſchlimmes Zeichen für die Regierung; es be-
weist eben daß anch die Bevölkerung Neapels mit Garibaldi ſym-
pathiſtrt.) — Geſtern iſt der Commendatore de Martino, dieſſeitiger Ge-
ſchäftsträger am römiſchen Hof, in außerordentlicher Miſſion nach Paris
abgegangen. Er iſt ein ſehr geiſtreicher Mann, der im Ruf eines äußerſt
gewandten Diplomaten ſteht. Hätten die Truppen, die überall brav zu
fechten verſtanden, einen geſcheidtern Führer gehabt, ſchwerlich hätte man
zu dieſer Miſſion ſchreiten dürfen.

Heute ſind wir im Fall Ihnen ein Actenſtück mitzu-
theilen aus dem das Verhältniß Garibaldi’s zu den mazziniſtiſchen Grundſätzen
nur zu klar hervorſchaut. Er ſpricht den Socialismus in einer Weiſe aus
die überraſchen wird. Hier das Actenſtück: Joſ. Garibaldi, Haupt der
nationalen Kräfte auf Sicilien, vermöge der ihm übertragenen Macht be-
ſchließt: Art. 1. Von dem Lande der Cameraldomänen, das gemäß dem
Geſetz unter die Bürger der eigenen Gemeinde zu vertheilen iſt, erhält eine
beſtimmte Qnote, ohne Zutheilung, jeder der für das Vaterland geſtritten hat.
Im Fall des Todes der Soldaten fällt dieſes Recht an ſeine Erben. Art. 2.
Dieſe Quote, von der im Art. 1 die Rede war, ſoll gleich ſeyn denjenigen die
für die armen beſitzloſen Familienhäupter beſtimmt und die ihnen zugetheilt
werden. Wenn das Land einer Gemeinde ſo ausgedehnt iſt daß es die Be-
dürfniſſe der Bevölkerung überſchreitet, ſo ſollen die Soldaten und ihre Er-
ben die doppelte Quote ihrer Mittheilnehmer erhalten. Art. 3. Wenn die
Gemeinden nicht eigene Domänen beſitzen, ſo ſollen ſie mit dem Land der
Staats- und Krondomänen erſetzt werden. Art. 4. Der Staatsſecretär iſt
beauftragt gegenwärtiges Decret zu vollziehen. Palermo, 2 Juni 1860.

Dictator Joſ. Garibaldi, der Staatsſecretär Fr. Criſpi.
— Salvatori Capello
und Onofrio di Benedetto ſind zu Quäſtoren der Stadt und des Diſtricts
Palermo ernannt. Sie wählen die Aſſeſſoren der öffentlichen Sicherheit für
die Stadt, und die Delegaten für die Gemeinen des Diſtricts. Der Gene-
ralintendant der nationalen Streitkräfte iſt, bis weiteres beſtimmt wird, Schatz-
meiſter und Caſſier Siciliens. Alle Finanzangeſtellten hängen von ihm ab.
In einem andern Decret (denn Decrete regnet es in Sicilien) heißt es: Art. 1.
Für jeden der 24 Diſtricte iſt ein Governatore eingeſetzt. Art. 4. Ausgeſchloſſen
aus dem civilen Rathe — und ſie können nicht werden Mitglieder des Muni-
cipal-Magiſtrats, nicht Gemeinderichter, nicht Agenten der öffentlichen Ver-
waltung — ſind: a) diejenigen die direct oder indirect die Wiedereinſetzung
der Bourbonen begünſtigen; b) diejenigen die verwaltet haben oder noch ver-
walten öffentliche Aemter im Namen der illegitimen Macht, die gegenwärtig
noch Sicilien quält; c) diejenigen die ſich öffentlich der Erlöſung des Vater-
landes entgegenſetzen.
“ O heilige Rechtsgrundſätze! — In Calabrien droht
[Spaltenumbruch] freilich Revolution; wenigſtens beginnt man ſchon frech genug mit dem Spiel
der Proclamationen. Eine ſolche, unterſchrieben von Ant. Garcea, einem
elfjährigen Galeerenſträfling, datirt von Scilla, kommt von Malta. Die
Proclamation gleicht allen andern. Gott vertritt die Stelle eines Zeugen,
ebenſo Europa. Die Bourbonen ſind Tyrannen. Victor Emmanuel iſt der
Stolz Italiens, neue Epoche des Vaterlandes, Aufſtand, Muth ꝛc.

Heute oder morgen erwartet man die formelle
Bekanntmachung der Abtretung Savoyens und Nizza’s. Alſo auch dieſes
Werk iſt vollendet; man kann zu einem andern ſchreiten! In einer Beſpre-
chung des Senats läßt ſich das „Diritto“ über den ſo bekannten und berühm-
ten Manzoni, der, wie es ſcheint, auch in die Abtretung einwilligte, aus:
„Auch der arme Manzoni, welcher alt an Jahren und jung in den parla-
mentariſchen Dingen iſt, wußte nicht was zu thun wäre.“ Wie es ſcheint,
war Manzoni von d’Azeglio beeinflußt. — Ich muß auch heute wieder auf die
„Perſeveranza“ kommen. Ich habe ſchon in meinen letzten Correſpondenzen
angedeutet wie leichtfertig und frech ſie über Völker und Fürſten abhandelt,
und hiezu nun wieder einen Beweis. In der geſtrigen Nummer gibt ſie einen
Artikel: „Ärdimento ch’è prudenza“ (Muth, der Klugheit iſt). Will die
Perſeveranza die Stelle eines italieniſchen Moniteur vertreten? Stolz tritt
die Matrone auf, erhebt ihre Stimme und — Oeſterreich iſt zu Boden ge-
ſchmettert. Das iſt ihr ſchon vollkommene Thatſache; ſie emancipirt ſchon
die öſtlichen Völker, Ungarn, Böhmen und Deutſche reichen ſich die Hand zum
Abſchied. Neue Reiche entſtehen auf den Rath der Perſeveranza! „Was
würden z. B. die deutſchen Tiroler verliern,“ ſagt das Blatt, „wenn ſie mit
Bayern vereinigt würden? Was wär’ es wenn alle Deutſchen in ein ger-
maniſches Reich träten, ſey es mit ſtrenger unitariſcher oder föderativer
Form?“ — Nach der „Turiner Ztg.“ Nr. 160 iſt ein neuer Vertrag abge-
ſchloſſen worden mit Hrn. Escoffier von Saint-Etienne über eine bedeutende
Lieferung gezogener Gewehre. Es ſollen ferner bis zum nächſten Juli 80
Batterien Artillerie (?) mit einer entſprechenden Anzahl Kanonen und Wagen
vollendet ſeyn. — General Roſelli wurde in Folge der Deſertionen in Dis-
ponibilität mit Beſoldung verſetzt. — Die Eroberung Siciliens hält man hier
(Mailänder Zeitung) für den Prolog eines großen Drama’s das auf dem Feſt-
land ſpielen ſoll. Garibaldi werde Meſſina umgehen und direct auf das
Feſtland losſchreiten, und zwar gerade auf Neapel zu. Gelingt der Streich,
ſo würde Meſſina mit der Dynaſtie fallen; ſollte er fehlſchlagen, ſo gibt ihm
Sicilien immerhin einen Rückhalt, und iſt ihm die Baſis für künftige Thaten.
— In Syracus ſtellte am 25 Mai der engliſche Conſul ſeine Fahne aus;
die Soldaten verſuchten ſie herunterzureißen, und bedrohten das Leben
der Frau und des Conſuls ſelbſt. Darauf erfolgte ein Proteſt, unterſchrieben
von allen anweſenden Viceconſuln, an den commandirenden Marſchall
Rodriguez. Derſelbe antwortete in ſehr gehaltenem Tone. So ſchreibt
„L’Cſpero.“

Heute 9 Uhr Morgens reiste Marſchall Vaillant
nach Frankreich ab, wird aber, wie es heißt, früher noch Florenz und Turin
beſuchen. Die Nationalgarde bildete Spalier von der Villa Reale, wo er
wohnte, bis zur Eiſenbahnſtation der Porta Nuova. Es wohnten der Abreiſe
eine Menge von Perſonen bei; doch war der Pöbel und das weibliche Geſchlecht,
wie es immer der Fall iſt wenn es eine Demonſtration gilt, am meiſten dabei
vertreten. Geſtern um 1 Uhr machte der hieſige Podeſtà mit ſeinen Aſſeſſoren
dem Marſchall den Abſchiedsbeſuch, und überreichte demſelben eine Adreſſe.
Zu gleicher Zeit wurde er auch gebeten ein artiſtiſches Album anzuneh-
men, welches jetzt in der Arbeit begriffen iſt, und dem Marſchall gleich
nach ſeiner Beendigung zugeſchickt werden ſoll. Es enthält alle Epi-
ſoden des vorjährigen Krieges in Kunſtblättern mit begleitendem Text.
— Der Marſchall hat, wie ich Ihnen ſchon ſchrieb, die vorige Woche Ve-
nedig beſucht, und die hieſige Tagspreſſe ermangelte nicht dieſe Reiſe zu ihrem
Zweck auszubeuten. Wie die dortigen Blätter melden, wurde er ſowohl in
Verona als Venedig mit allen militäriſchen Ehren empfangen, aber dieß hin-
dert unſere Blätter nicht die Reiſe des Marſchalls nach Venedig als eine
Oeſterreich feindliche Demonſtration ihren ſtupiden Leſern darzuſtellen, die
alles für bare Münze annehmen, es mag noch ſo augenſcheinlich dumm ſeyn;
es genügt daß es gegen Oeſterreich iſt. So läßt ſich der Koryphäe der hie-
ſigen Lügenblätter, der Pungolo, über dieſe Reiſe aus Venedig ſchreiben
daß der Marſchall binnen einigen Stunden über 2000 Viſitenkarten erhielt, und
daß bei ſeinem Spaziergang auf dem Marcusplatz und längs der Riva dei
Schiavoni er von einer Maſſe Menſchen umringt wurde, die ihn an die
Worte ſeines Kaiſers „von den Alpen bis zur Adria“ erinnerten, und wie
dieſelben im Herzen der Venetianer wie ein heiliges Verſprechen eingeprägt
wären. Die Venetianer Damen, ſagt der Pungolo, verehrten demſelben
Bouquets und Blumenkronen, und um alles zu ſagen, auch Briefchen (?), in
welchen die Hoffnungen der Venetianer mit rührenden Worten ausgedrückt
waren. — Der Pungolo ſpricht nun die ſichere Hoffnung aus: der Marſchall
werde, in Paris angekommen, nicht ermapgeln dem Kaiſer ſeine Aufnahme

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[2803/0007] Wie aufrichtig auch der Wille desſelben zu Gunſten der Erhaltung des Frie- dens ſeyn mag, man wird nicht daran glauben, eben wegen dieſes Napoleoni- ſchen Princips, das, wie alle Principien, nur unter der Bedingung exiſtirt ſich in allen ſeinen Conſequenzen zu entwickeln. Wenn der Friede, ein dauer- haſter Friede, aus der Zuſammenkunft in Baden hervorgehen könnte, ſo würde es das außerordentlichſte Factum ſeyn dem wir noch beigewohnt hätten. Italien. # Neapel, 8 Jun. Nach einem hartnäckigen Straßenkampf mit Inſurgentenhaufen die ums dreifache zahlreicher waren, und drei Stück Geſchütz mit ſich führten, haben die königlichen Truppen Catania geräumt. Aber erſt nachdem ſie die Inſurgenten aus der Stadt vertrieben, und ihnen ihre drei Kanonen abgenommen hatten. Die Stellung in Catania war zu iſolirt, als daß es rathſam hätte ſeyn können ſie zu behaupten. Bei kaum 1800 Mann Beſatzung zählt man 197 an Todten und Verwundeten, alſo beiläuſig 11 vom Hundert, während der Verluſt der Aufſtändiſchen noch das doppelte überſteigen ſoll, was vielleicht dafür zeugen dürfte daß das Gefecht nicht ſo ganz unbedeutend war. Erſt am Tage nach demſelben ver- ließ General Clary mit ſeinen Streitkräften Catania um ſich auf Meſſina zurückzuziehen. Die Kunde von der Räumung Palermo’s, es verſteht ſich durch diplomatiſche Intervention, wird der Allg. Zeitung über Genua und Turin zugegangen ſeyn. Vorderhand enthalte ich mich alſo über dieſes Er- eigniß zu ſprechen. Ich hoſſe indeſſen noch ſpäter darauf zurückzukommen. Alle andern Städte ſind ebenfalls geräumt worden. Nur Meſſina, Agoſta und Syracus werden noch beſetzt bleiben. Das ſicilianiſche Drama ſcheint im Galopp ſeinem Finale entgegen zu eilen. — Fortwährend langen Ver- wundete von Paleꝛmo und Catania hier an, und geſtern Abend wurden etwa 400 derſelben mit der Eiſenbahn nach Caſerta in das dortige große Militär- hoſpital befördert. Aber es muß wirklich empören wenn man die Neugierde wahrnimmt mit welcher nicht nur das Proletariat, ſondern auch der vor- nehme Pöbel ſich herbeidrängt um die Verwundeten, als ſeyen es Wundergeſchöpfe einer andern Welt, zu ſehen, und die kalte Gleichgültigkeit mit der jedermann ſie anſtarrt. Auch keine Spur von Mitleid oder von Theilnahme iſt bei irgendeinem dieſer herzloſen Gaffer zu erblicken. Nicht einmal bei Weibern und Mädchen, dem Anſchein nach ſelbſt den beſſern Volksclaſſen angehörig, die, wie ſich ſchon von ſelbſt verſteht, bei einer ſolchen Scene kaum feh- len dürfen. (Das iſt ein ſchlimmes Zeichen für die Regierung; es be- weist eben daß anch die Bevölkerung Neapels mit Garibaldi ſym- pathiſtrt.) — Geſtern iſt der Commendatore de Martino, dieſſeitiger Ge- ſchäftsträger am römiſchen Hof, in außerordentlicher Miſſion nach Paris abgegangen. Er iſt ein ſehr geiſtreicher Mann, der im Ruf eines äußerſt gewandten Diplomaten ſteht. Hätten die Truppen, die überall brav zu fechten verſtanden, einen geſcheidtern Führer gehabt, ſchwerlich hätte man zu dieſer Miſſion ſchreiten dürfen. × Turin, 11 Jun. Heute ſind wir im Fall Ihnen ein Actenſtück mitzu- theilen aus dem das Verhältniß Garibaldi’s zu den mazziniſtiſchen Grundſätzen nur zu klar hervorſchaut. Er ſpricht den Socialismus in einer Weiſe aus die überraſchen wird. Hier das Actenſtück: Joſ. Garibaldi, Haupt der nationalen Kräfte auf Sicilien, vermöge der ihm übertragenen Macht be- ſchließt: Art. 1. Von dem Lande der Cameraldomänen, das gemäß dem Geſetz unter die Bürger der eigenen Gemeinde zu vertheilen iſt, erhält eine beſtimmte Qnote, ohne Zutheilung, jeder der für das Vaterland geſtritten hat. Im Fall des Todes der Soldaten fällt dieſes Recht an ſeine Erben. Art. 2. Dieſe Quote, von der im Art. 1 die Rede war, ſoll gleich ſeyn denjenigen die für die armen beſitzloſen Familienhäupter beſtimmt und die ihnen zugetheilt werden. Wenn das Land einer Gemeinde ſo ausgedehnt iſt daß es die Be- dürfniſſe der Bevölkerung überſchreitet, ſo ſollen die Soldaten und ihre Er- ben die doppelte Quote ihrer Mittheilnehmer erhalten. Art. 3. Wenn die Gemeinden nicht eigene Domänen beſitzen, ſo ſollen ſie mit dem Land der Staats- und Krondomänen erſetzt werden. Art. 4. Der Staatsſecretär iſt beauftragt gegenwärtiges Decret zu vollziehen. Palermo, 2 Juni 1860. Dictator Joſ. Garibaldi, der Staatsſecretär Fr. Criſpi. — Salvatori Capello und Onofrio di Benedetto ſind zu Quäſtoren der Stadt und des Diſtricts Palermo ernannt. Sie wählen die Aſſeſſoren der öffentlichen Sicherheit für die Stadt, und die Delegaten für die Gemeinen des Diſtricts. Der Gene- ralintendant der nationalen Streitkräfte iſt, bis weiteres beſtimmt wird, Schatz- meiſter und Caſſier Siciliens. Alle Finanzangeſtellten hängen von ihm ab. In einem andern Decret (denn Decrete regnet es in Sicilien) heißt es: Art. 1. Für jeden der 24 Diſtricte iſt ein Governatore eingeſetzt. Art. 4. Ausgeſchloſſen aus dem civilen Rathe — und ſie können nicht werden Mitglieder des Muni- cipal-Magiſtrats, nicht Gemeinderichter, nicht Agenten der öffentlichen Ver- waltung — ſind: a) diejenigen die direct oder indirect die Wiedereinſetzung der Bourbonen begünſtigen; b) diejenigen die verwaltet haben oder noch ver- walten öffentliche Aemter im Namen der illegitimen Macht, die gegenwärtig noch Sicilien quält; c) diejenigen die ſich öffentlich der Erlöſung des Vater- landes entgegenſetzen.“ O heilige Rechtsgrundſätze! — In Calabrien droht freilich Revolution; wenigſtens beginnt man ſchon frech genug mit dem Spiel der Proclamationen. Eine ſolche, unterſchrieben von Ant. Garcea, einem elfjährigen Galeerenſträfling, datirt von Scilla, kommt von Malta. Die Proclamation gleicht allen andern. Gott vertritt die Stelle eines Zeugen, ebenſo Europa. Die Bourbonen ſind Tyrannen. Victor Emmanuel iſt der Stolz Italiens, neue Epoche des Vaterlandes, Aufſtand, Muth ꝛc. × Turin, 12 Jun. Heute oder morgen erwartet man die formelle Bekanntmachung der Abtretung Savoyens und Nizza’s. Alſo auch dieſes Werk iſt vollendet; man kann zu einem andern ſchreiten! In einer Beſpre- chung des Senats läßt ſich das „Diritto“ über den ſo bekannten und berühm- ten Manzoni, der, wie es ſcheint, auch in die Abtretung einwilligte, aus: „Auch der arme Manzoni, welcher alt an Jahren und jung in den parla- mentariſchen Dingen iſt, wußte nicht was zu thun wäre.“ Wie es ſcheint, war Manzoni von d’Azeglio beeinflußt. — Ich muß auch heute wieder auf die „Perſeveranza“ kommen. Ich habe ſchon in meinen letzten Correſpondenzen angedeutet wie leichtfertig und frech ſie über Völker und Fürſten abhandelt, und hiezu nun wieder einen Beweis. In der geſtrigen Nummer gibt ſie einen Artikel: „Ärdimento ch’è prudenza“ (Muth, der Klugheit iſt). Will die Perſeveranza die Stelle eines italieniſchen Moniteur vertreten? Stolz tritt die Matrone auf, erhebt ihre Stimme und — Oeſterreich iſt zu Boden ge- ſchmettert. Das iſt ihr ſchon vollkommene Thatſache; ſie emancipirt ſchon die öſtlichen Völker, Ungarn, Böhmen und Deutſche reichen ſich die Hand zum Abſchied. Neue Reiche entſtehen auf den Rath der Perſeveranza! „Was würden z. B. die deutſchen Tiroler verliern,“ ſagt das Blatt, „wenn ſie mit Bayern vereinigt würden? Was wär’ es wenn alle Deutſchen in ein ger- maniſches Reich träten, ſey es mit ſtrenger unitariſcher oder föderativer Form?“ — Nach der „Turiner Ztg.“ Nr. 160 iſt ein neuer Vertrag abge- ſchloſſen worden mit Hrn. Escoffier von Saint-Etienne über eine bedeutende Lieferung gezogener Gewehre. Es ſollen ferner bis zum nächſten Juli 80 Batterien Artillerie (?) mit einer entſprechenden Anzahl Kanonen und Wagen vollendet ſeyn. — General Roſelli wurde in Folge der Deſertionen in Dis- ponibilität mit Beſoldung verſetzt. — Die Eroberung Siciliens hält man hier (Mailänder Zeitung) für den Prolog eines großen Drama’s das auf dem Feſt- land ſpielen ſoll. Garibaldi werde Meſſina umgehen und direct auf das Feſtland losſchreiten, und zwar gerade auf Neapel zu. Gelingt der Streich, ſo würde Meſſina mit der Dynaſtie fallen; ſollte er fehlſchlagen, ſo gibt ihm Sicilien immerhin einen Rückhalt, und iſt ihm die Baſis für künftige Thaten. — In Syracus ſtellte am 25 Mai der engliſche Conſul ſeine Fahne aus; die Soldaten verſuchten ſie herunterzureißen, und bedrohten das Leben der Frau und des Conſuls ſelbſt. Darauf erfolgte ein Proteſt, unterſchrieben von allen anweſenden Viceconſuln, an den commandirenden Marſchall Rodriguez. Derſelbe antwortete in ſehr gehaltenem Tone. So ſchreibt „L’Cſpero.“ ɱ Mailand, 12 Jun. Heute 9 Uhr Morgens reiste Marſchall Vaillant nach Frankreich ab, wird aber, wie es heißt, früher noch Florenz und Turin beſuchen. Die Nationalgarde bildete Spalier von der Villa Reale, wo er wohnte, bis zur Eiſenbahnſtation der Porta Nuova. Es wohnten der Abreiſe eine Menge von Perſonen bei; doch war der Pöbel und das weibliche Geſchlecht, wie es immer der Fall iſt wenn es eine Demonſtration gilt, am meiſten dabei vertreten. Geſtern um 1 Uhr machte der hieſige Podeſtà mit ſeinen Aſſeſſoren dem Marſchall den Abſchiedsbeſuch, und überreichte demſelben eine Adreſſe. Zu gleicher Zeit wurde er auch gebeten ein artiſtiſches Album anzuneh- men, welches jetzt in der Arbeit begriffen iſt, und dem Marſchall gleich nach ſeiner Beendigung zugeſchickt werden ſoll. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 168, 16. Juni 1860, S. 2803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine168_1860/7>, abgerufen am 21.11.2024.