Allgemeine Zeitung, Nr. 169, 17. Juni 1860.Sonntag Beilage zu Nr. 169 der Allg. Zeitung. 17 Junius 1860.Uebersicht. Zur Organisation der Kräfte. -- Das Schillerfest in Stuttgart. -- Neueste Posten. Augsburg. (Ausbleiben der norddeutschen Post.) -- Frankfurt. (Bundestagssitzung.) -- Hannover. (Die Reise des Königs nach Berlin. Dementi.) -- Wien. (Tagesbericht.) -- Triest. (Ver- mehrung des Geschwaders des Commodore Wüllerstorf und keine militärischen Offensivmaßregeln. Erzherzog Ferdinand Max. Freiwillige nach Ancona. General Lamoriciere.) -- Madrid. (Neue Conflicte mit den Mauren.) -- London. (Unterhausdebatten.) -- Paris. (Inhalt der Tagesblätter. Martino's Rückreise.) -- Turin. (Aus Neapel. Der Bischof von Piacenza.) Trebinje. (Ausbruch der Feindseligkeiten.) -- Handels- und Börsen- nachrichten. (Landshut: Schranne. Aus Niederbayern: Schifffahrts- verkehr. Wien: Starke Getreideinkäufe des Auslands, Bedeutung derselben für die Bahnen, sowie insbesondere für die Valuta.) Deutschland. (Wien: Schluß der Reichsrathssitzung vom 8 d.) -- Großbritannien. (London: Der Herzog von Brabant. Der "Great Eastern." Aus einer Pariser Correspondenz.) Telegraphische Berichte. Baden, 15 Jun.*) Die Könige sind um 3 Uhr hier an- Neapel, 12 Jun. (Ueber Genua.) Die Regierung or- Zur Organisation der Kräfte. h Die Zeit seit dem Sturz der zweiten französischen Republik ist zu Die von einem so begabten Gegner drohende Gefahr steigert sich somit Der Verlauf der Dinge in Italien ist ein fast unbegreiflich rascher, aber Zu diesen Maßuahmen materieller Natur gesellen sich die bekannten Schach- Ueber die Art wie das herbeizuführen ist, kann eigentlich kaum ein Zweifel Zum Glück ist es gerade der Punkt welcher dem dringendsten und wich- *) Diese und die folgende Depesche uns dem gestrigen Hanptblatt hier wiederholt.
Sonntag Beilage zu Nr. 169 der Allg. Zeitung. 17 Junius 1860.Ueberſicht. Zur Organiſation der Kräfte. — Das Schillerfeſt in Stuttgart. — Neueſte Poſten. Augsburg. (Ausbleiben der norddeutſchen Poſt.) — Frankfurt. (Bundestagsſitzung.) — Hannover. (Die Reiſe des Königs nach Berlin. Dementi.) — Wien. (Tagesbericht.) — Trieſt. (Ver- mehrung des Geſchwaders des Commodore Wüllerſtorf und keine militäriſchen Offenſivmaßregeln. Erzherzog Ferdinand Max. Freiwillige nach Ancona. General Lamoricière.) — Madrid. (Neue Conflicte mit den Mauren.) — London. (Unterhausdebatten.) — Paris. (Inhalt der Tagesblätter. Martino’s Rückreiſe.) — Turin. (Aus Neapel. Der Biſchof von Piacenza.) Trebinje. (Ausbruch der Feindſeligkeiten.) — Handels- und Börſen- nachrichten. (Landshut: Schranne. Aus Niederbayern: Schifffahrts- verkehr. Wien: Starke Getreideinkäufe des Auslands, Bedeutung derſelben für die Bahnen, ſowie insbeſondere für die Valuta.) Deutſchland. (Wien: Schluß der Reichsrathsſitzung vom 8 d.) — Großbritannien. (London: Der Herzog von Brabant. Der „Great Eaſtern.“ Aus einer Pariſer Correſpondenz.) Telegraphiſche Berichte. ⸫ Baden, 15 Jun.*) Die Könige ſind um 3 Uhr hier an- ⸫ Neapel, 12 Jun. (Ueber Genua.) Die Regierung or- Zur Organiſation der Kräfte. h Die Zeit ſeit dem Sturz der zweiten franzöſiſchen Republik iſt zu Die von einem ſo begabten Gegner drohende Gefahr ſteigert ſich ſomit Der Verlauf der Dinge in Italien iſt ein faſt unbegreiflich raſcher, aber Zu dieſen Maßuahmen materieller Natur geſellen ſich die bekannten Schach- Ueber die Art wie das herbeizuführen iſt, kann eigentlich kaum ein Zweifel Zum Glück iſt es gerade der Punkt welcher dem dringendſten und wich- *) Dieſe und die folgende Depeſche uns dem geſtrigen Hanptblatt hier wiederholt.
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Alle Maßnahmen um die Wehrkräfte des Landes auf den äußerſten<lb/> Grad anzuſpannen welche die Organiſation irgend geſtattet, welche einzuhalten<lb/> die innere Politik des zweiten Decembers zwingt, werden mit raſtloſer Um-<lb/> ſicht getroffen. Wir haben jüngſt erwähnt in welch ausgiebiger Weiſe das<lb/> Führercorps der Armee vermehrt wird, und wie durch eine Art Krimper-<lb/> ſyſtem, ohne das ſtehende Heer auffällig zu vergrößern, die Mittel geſchaffen<lb/> werden dasſelbe in kürzeſter Zeit außerordentlich zu verſtärken. Die Waffen-<lb/> und Bekleidungsfabriken des Landes ſind in einer aufs äußerſte angeſpannten<lb/> Thäthigkeit. Seit der Landung Gatibaldi’s in Sicilien muß beiſpielsweiſe die<lb/><cb/> große Militärſchuhfabrik in der Rue Rochechonart in Paris um 15,000 Paar<lb/> Schuhe monatlich mehr liefern. Die ſämmtlichen Oſtfeſtungen haben den<lb/> Befehl erhalten ſich bis zum Herbſt vollſtändig zu verproviantiren. Frank-<lb/> reich iſt arm an Pferden, und die Vermehrung des Pferde-Etats auf den<lb/> Kriegsfuß war ſtets ein ſchwieriges und zeitraubendes Unternehmen. Dieſe<lb/> Vermehrung wird aber dießmal ſehr erleichtert werden, da die ganze ita-<lb/> lieniſche Armee noch nicht bemobiliſirt iſt, ſondern ſelbſt ihre Colonnenpferde<lb/> beſitzt, oder nur auf Rückgabe an die Dörfer abgegeben hat. Wie wir erfah-<lb/> ren, haben zudem die Präfecten neuerdings eine ſpecificirte Ueberſicht der mili-<lb/> täriſchbrauchbaren Pferde des Landes einreichen müſſen. Nach allen Vorberei-<lb/> tungen zu ſchließen, wird das Lager von Ch<hi rendition="#aq">â</hi>lons von abwechſelnden Abthei-<lb/> lungen belegt, und dieſe bei Zumarſch und Abmarſch längs der bezüg-<lb/> lichen Eiſenbahnen echelonnirt werden. 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Jede erfolgreiche Action ſetzt Organiſation der Kräfte, der moraliſchen<lb/> wie der materiellen, voraus, denn nur dadurch können ſie zur vollen Wirk-<lb/> ſamkeit gelangen daß ſie ſich gliedern und gegenſeitig ſtärken und tragen, daß<lb/> ſie ſich einigen über das Ziel, einigen über die Mittel zu ſeiner Erreichung.<lb/> Eine wirkſame Organiſation darf alſo weder die deutſchen Regierungen noch<lb/> das deutſche Volk unter ſich entzweien, ebenſowenig letzteres mit den erſteren.<lb/> Der Prinz-Regent von Preußen ſagte in ſeiner denkwürdigen Thronrede vom<lb/> 23 Mai: „Wenn auch Meinungsverſchiedenheiten über gewichtige Fragen ſtatt-<lb/> finden, in <hi rendition="#g">einem</hi> Gefühl find — ich ſpreche es mit hoher Genugthuung<lb/> aus — alle deutſchen Stämme mit mir und dem preußiſchen Volk einig, in<lb/> der unerſchütterlichen Treue für das gemeinſame Vaterland und in der leben-<lb/> digen Ueberzengung daß die Unabhängigkeit und die Integrität des vaterlän-<lb/> diſchen Bodens Güter find, vor deren Bedeutung alle inneren Fragen und<lb/> Gegenſätze weit zurücktreten.“ Dieſe Worte haben unzweifelhaft ein Echo<lb/> im Herzen aller wahren Deutſchen gefunden. 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Als ſolche concrete Mittel würden wir zunächſt<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Sonntag Beilage zu Nr. 169 der Allg. Zeitung. 17 Junius 1860.
Ueberſicht.
Zur Organiſation der Kräfte. — Das Schillerfeſt in Stuttgart. —
Neueſte Poſten. Augsburg. (Ausbleiben der norddeutſchen
Poſt.) — Frankfurt. (Bundestagsſitzung.) — Hannover. (Die Reiſe des
Königs nach Berlin. Dementi.) — Wien. (Tagesbericht.) — Trieſt. (Ver-
mehrung des Geſchwaders des Commodore Wüllerſtorf und keine militäriſchen
Offenſivmaßregeln. Erzherzog Ferdinand Max. Freiwillige nach Ancona.
General Lamoricière.) — Madrid. (Neue Conflicte mit den Mauren.) —
London. (Unterhausdebatten.) — Paris. (Inhalt der Tagesblätter.
Martino’s Rückreiſe.) — Turin. (Aus Neapel. Der Biſchof von Piacenza.)
Trebinje. (Ausbruch der Feindſeligkeiten.) — Handels- und Börſen-
nachrichten. (Landshut: Schranne. Aus Niederbayern: Schifffahrts-
verkehr. Wien: Starke Getreideinkäufe des Auslands, Bedeutung derſelben
für die Bahnen, ſowie insbeſondere für die Valuta.)
Deutſchland. (Wien: Schluß der Reichsrathsſitzung vom 8 d.) —
Großbritannien. (London: Der Herzog von Brabant. Der „Great Eaſtern.“
Aus einer Pariſer Correſpondenz.)
Telegraphiſche Berichte.
⸫ Baden, 15 Jun. *)
Die Könige ſind um 3 Uhr hier an-
gekommen; hierauf gegenſeitige Beſuche. Eine vorläufige Fürſten-
beſprechung ergab eine erfreuliche Uebereinſtimmung in allen die Bezie-
hungen Deutſchlands zum Ausland betreffenden Fragen. Um 7 Uhr
Abends traf Kaiſer Napoleon in Civilkleidung ein; einige Franzoſen
riefen ihr Vive l’Empereur.
⸫ Neapel, 12 Jun.
(Ueber Genua.)
Die Regierung or-
ganiſirt militäriſche (?) Manifeſtationen im conſtitutionellen Sinn. —
Meſſina, 10 Jun. Ein geheimes Comité druckt Bulletins, und
correſpondirt mit Garibaldi. Officiere deſertiren. Die Inſurrection
Calabriens wird widerſprochen.
Weitere Depeſchen ſ. neueſte Poſten.
Zur Organiſation der Kräfte.
h Die Zeit ſeit dem Sturz der zweiten franzöſiſchen Republik iſt zu
kurz, um ſelbſt aus dem ſchwächſten Gedächtniß die Erinnerungen an die Art
und Weiſe zu verwiſchen wie der Staatsſtreich vorbereitet und durchgeführt
wurde. Obgleich Louis Napoleon, von dem Augenblick an wo ihm die Er-
innerung des franzöſiſchen Volkes an den großen Namen den er trug die
Präſidentſchaft ſpielend in den Schoß warf, unabläſſig an dem einen Ziel ar-
beitete ſich zum unumſchränkten Herrn des Landes zu machen, ſo überraſchte
doch der Staatsſtreich die meiſten wie ein Blitz aus heiterm Himmel. Mit
einer ſehr geringen Machtvollkommenheit, unter den argwöhniſchen Augen
von Millionen, umringt von einer mächtigen wohlorganiſirten Oppoſition,
hat er gleichwohl dieſes Ziel in unglaublich kurzer Zeit erreicht. Er hat es
erreicht durch eine vollſtändige Gleichgültigkeit gegen die Art der Mittel welche
er anwendete, durch ſyſtematiſche Ausbeutung der Schwächen der menſchlichen
Natur und eine ſo unübertroffene Verſtellungskunſt, daß ſelbſt die von ihm
Bedrohteſten ſich noch am Vorabend des Staatsſtreichs in tiefſter Sicherheit
wähnten.
Die von einem ſo begabten Gegner drohende Gefahr ſteigert ſich ſomit
ins ungeheure wenn zu jenen perſönlichen Anlagen ſich eine faſt unbegränzte
Machtvollkommenheit über alle Kräfte einer ſo centraliſirten, ſo geſchloſſenen
und ſo großen Macht wie Frankreich geſellt. Wir haben wiederholt nach-
gewieſen daß der ganze Gang der innern und äußeren Politik des zweiten
Decembers nothwendig zuletzt zu einem Krieg gegen Deutſchland führen muß,
und es iſt unzweifelhaft daß in dieſem Augenblick dazu, mit all der Umſicht,
der Energie und der Verſtellung welche Louis Napoleon kennzeichnen, die
Vorbereitungen getroffen werden, und wahrſcheinlich der Kampf unmittelbar
beginnen wird wenn die letzte legitime Regierung in Italien geſtürzt iſt, und
die Kräfte der ganzen Halbinſel gegen Oeſterreich concentrirt werden können.
Der Verlauf der Dinge in Italien iſt ein faſt unbegreiflich raſcher, aber
gleichwohl bleiben die innern Vorbereitungen in Frankreich nicht dahinter zu-
rück. Alle Maßnahmen um die Wehrkräfte des Landes auf den äußerſten
Grad anzuſpannen welche die Organiſation irgend geſtattet, welche einzuhalten
die innere Politik des zweiten Decembers zwingt, werden mit raſtloſer Um-
ſicht getroffen. Wir haben jüngſt erwähnt in welch ausgiebiger Weiſe das
Führercorps der Armee vermehrt wird, und wie durch eine Art Krimper-
ſyſtem, ohne das ſtehende Heer auffällig zu vergrößern, die Mittel geſchaffen
werden dasſelbe in kürzeſter Zeit außerordentlich zu verſtärken. Die Waffen-
und Bekleidungsfabriken des Landes ſind in einer aufs äußerſte angeſpannten
Thäthigkeit. Seit der Landung Gatibaldi’s in Sicilien muß beiſpielsweiſe die
große Militärſchuhfabrik in der Rue Rochechonart in Paris um 15,000 Paar
Schuhe monatlich mehr liefern. Die ſämmtlichen Oſtfeſtungen haben den
Befehl erhalten ſich bis zum Herbſt vollſtändig zu verproviantiren. Frank-
reich iſt arm an Pferden, und die Vermehrung des Pferde-Etats auf den
Kriegsfuß war ſtets ein ſchwieriges und zeitraubendes Unternehmen. Dieſe
Vermehrung wird aber dießmal ſehr erleichtert werden, da die ganze ita-
lieniſche Armee noch nicht bemobiliſirt iſt, ſondern ſelbſt ihre Colonnenpferde
beſitzt, oder nur auf Rückgabe an die Dörfer abgegeben hat. Wie wir erfah-
ren, haben zudem die Präfecten neuerdings eine ſpecificirte Ueberſicht der mili-
täriſchbrauchbaren Pferde des Landes einreichen müſſen. Nach allen Vorberei-
tungen zu ſchließen, wird das Lager von Châlons von abwechſelnden Abthei-
lungen belegt, und dieſe bei Zumarſch und Abmarſch längs der bezüg-
lichen Eiſenbahnen echelonnirt werden. Concentrationen von Armeen finden
gegenwärtig, beim Gebrauch der Eiſenbahnen, nicht auf einzelnen Punkten,
ſondern in weit ausgeſtreckten Linien längs den Bahnen ſtatt, entziehen ſich
alſo leichter dem beobachtenden Auge.
Zu dieſen Maßuahmen materieller Natur geſellen ſich die bekannten Schach-
züge in der Preſſe. Die Frage der natürlichen Gränzen, der Eroberung des
Rheinlandes, der Correction der Karte von Europa werden in ihr ſyſtematiſch
„lancirt,“ dann natürlich gelegentlich wieder desavonirt. Das erſtere um die
Geiſter, die öffentliche Meinung in Frankreich vorzubereiten, das letztere um
das leichtgläubige Ausland zu bethören. Die einmal in beſtimmter Richtung
in Bewegung geſetzte öffentliche Meinung Frankreichs bleibt aber darin, ob
Herr Mocquard Verwarnungen erläßt oder nicht, ob der Moniteur desa-
vouirt oder nicht, und Vertrauen predigt oder nicht. So wird täglich Frank-
reich materiell und moraliſch mehr vorbereitet zu dem Kampf um die vollſtän-
dige Wiedereroberung der Gränzen des erſten Kaiſerreichs, in wenigen Mo-
naten wird nichts den zweiten December an dem letzten Schritt zur Ausfüh-
rung der Idées napoléoniennes verhindern als ſein Wille, wenn Deutſchland
nicht nut verdoppelter Umſicht alle Kräfte zum Widerſtand vorbereitet und
zuſammenfaßt. Dazu iſt das innigſte Zuſammengehen der deutſchen Regie-
rungen und des deutſchen Volks nothig; der Enthuſiasmus, die Opferbereit-
willigkeit des Volks muß die Thatkraft der erſteren aufs äußerſte auſpannen,
die Maßregeln der erſteren müſſen den lebendigſten Anklang in letzterem
finden.
Ueber die Art wie das herbeizuführen iſt, kann eigentlich kaum ein Zweifel
ſeyn. Jede erfolgreiche Action ſetzt Organiſation der Kräfte, der moraliſchen
wie der materiellen, voraus, denn nur dadurch können ſie zur vollen Wirk-
ſamkeit gelangen daß ſie ſich gliedern und gegenſeitig ſtärken und tragen, daß
ſie ſich einigen über das Ziel, einigen über die Mittel zu ſeiner Erreichung.
Eine wirkſame Organiſation darf alſo weder die deutſchen Regierungen noch
das deutſche Volk unter ſich entzweien, ebenſowenig letzteres mit den erſteren.
Der Prinz-Regent von Preußen ſagte in ſeiner denkwürdigen Thronrede vom
23 Mai: „Wenn auch Meinungsverſchiedenheiten über gewichtige Fragen ſtatt-
finden, in einem Gefühl find — ich ſpreche es mit hoher Genugthuung
aus — alle deutſchen Stämme mit mir und dem preußiſchen Volk einig, in
der unerſchütterlichen Treue für das gemeinſame Vaterland und in der leben-
digen Ueberzengung daß die Unabhängigkeit und die Integrität des vaterlän-
diſchen Bodens Güter find, vor deren Bedeutung alle inneren Fragen und
Gegenſätze weit zurücktreten.“ Dieſe Worte haben unzweifelhaft ein Echo
im Herzen aller wahren Deutſchen gefunden. Ja, in dieſem Punkt ſind wir
alle einig!
Zum Glück iſt es gerade der Punkt welcher dem dringendſten und wich-
tigſten Bedürfniß unſeres großen Vaterlandes entſpricht. Wenn man alſo
bei der Organiſation der Kräfte zum Ziel ſetzt daß ſie ſich einen und ver-
einen ſollen zum Zweck der Vertheidigung, der Wahrung und Förderung
der Unabhängigkeit des deutſchen Vaterlands und des deutſchen Volks, ſo kann
man gewiß ſeyn daß fich in dieſem Ziel alle deutſchen Regierungen und das
ganze deutſche Volk in allen ſeinen Stämmen begegnen. Damit wäre das
Programm gegeben für „die Wehrvereine,“ in denen fich die Kräfte
local zu verbinden hätten; es iſt das einzige Programm bei welchem man auf
alle rechnen kann, das einzige dem zuzuſtimmen Pflicht eines jeden, dem fich
entgegenzuſetzen identiſch mit Vaterlandsverrath, mit Rheinbündlerei iſt.
Ueber die Mittel wie dieſes Ziel zu erreichen, dürfte die Einigung nicht minder
leicht ſeyn. Dieſe Mittel müſſen zunächſt durchaus concreter Natur ſeyn,
denn nur dann kann man ſie ſofort in Angriff nehmen, und dadurch verhin-
dern daß die zu Doctrinen ſo geneigten Deutſchen ihre Kraft in nutzlo-
ſen oder wenigſtens unzeitgemäßen Streitigkeiten vergeuden. Die ſofortige
Verwirklichung und Wirkſamkeit hat aber noch den großen Vortheil daß da-
durch der Wille zu neuen Anſtrengungen wächst, den ſelbſt der geringſte Er-
folg leicht verzehnfacht. Als ſolche concrete Mittel würden wir zunächſt
*) Dieſe und die folgende Depeſche uns dem geſtrigen Hanptblatt hier wiederholt.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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