Allgemeine Zeitung, Nr. 169, 17. Juni 1860.[Spaltenumbruch]
nennen: 1) Ernennung eines Generallieutenants des Bundes. Ein solcher Stell- 2) Ernennung von Commandeuren mit bezüglichem Generalstab Die Art wie sich die Vereine dabei zu betheiligen, wie sie die Regierungen Wir wissen daß eine solche Organisation dem deutschen Charakter im Er wird vielleicht nur einen Theil des Rheinlandes, jedenfalls nur dieses [Spaltenumbruch]
nennen: 1) Ernennung eines Generallieutenants des Bundes. Ein ſolcher Stell- 2) Ernennung von Commandeuren mit bezüglichem Generalſtab Die Art wie ſich die Vereine dabei zu betheiligen, wie ſie die Regierungen Wir wiſſen daß eine ſolche Organiſation dem deutſchen Charakter im Er wird vielleicht nur einen Theil des Rheinlandes, jedenfalls nur dieſes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0010" n="2822"/><cb/> nennen: 1) Ernennung eines Generallieutenants des Bundes. Ein ſolcher Stell-<lb/> verkreter des Bundesfeldherrn iſt in der Bundesverfaſſung vorgeſehen. Durch<lb/> die Ernennung eines Generallieutenants wird die ſo ſchwierige Bundesfeld-<lb/> herrnfrage vertagt, gleichwohl kann der Generallieutenant für die Entwicklung<lb/> der Bundeswehrkraft Sorge tragen, und jedenfalls viele Einrichtungen treffen<lb/> zu welchen der nur im Augenblick des unmittelbarſten Bedürfniſſes ernannte<lb/> Bundesfeldherr nicht mehr Zeit haben dürfte. Dem Bundesgenerallieutenant,<lb/> der mit dem Bundestag und der Bundesmilitärcommiſſion in unmittelbare<lb/> Beziehung zu treten hätte, würde ein entſprechender Generalſtab zuzugeſellen<lb/><hi rendition="#g">ſeyn;</hi> das Standquartier wäre ſelbſtredend Frankfurt am Main. Ihm unter-<lb/> ſtehen würden zunächſt nur die Truppen der Regierungen welche ſich dazu<lb/> bereit erklären.</p><lb/> <p>2) Ernennung von Commandeuren mit bezüglichem Generalſtab<lb/> für alle zuſammengeſetzten deutſchen Armeecorps. Ein ſolcher Armee-<lb/> corpscommandeur würde keine entſcheidenden Anordnungen zu treffen<lb/> haben, wohl aber ihm das Recht zu Vorſchlägen aller Art zuſtehen,<lb/> und andrerſeits würden die Contingente vor Einführung einer Anord-<lb/> nung ſtets das Gutachten des Corpscommandeurs einzuholen haben.<lb/> Das Ernennungsrecht zu dieſem Poſten würde den einzelnen Contin-<lb/> genten nach der Reihenfolge ihres Umfangs zufallen. Dem Armeecorps.<lb/> commandenr müßte namentlich das Recht der Wahl ſeines Stabes, das<lb/> der Inſpection, das des Vorſchlags zu Beſörderungen und das der Führung<lb/> im Fall der Concentration des Armeecorps zugeſtanden werden. 3) Formi-<lb/> rung der geſetzmäßigen Bundescontingente nach der wirklichen Größe der<lb/> Einwohneranzahl der Staaten. 4) Einreihung der Reſerve-Infanteriedivi-<lb/> ſion in die reindeutſchen Armeecorps. 5) Zuſammenziehung der letztern zu<lb/> großen Herbſtübungen und Inſpicirung während derſelben durch den Bun-<lb/> desgenerallieutenant. 6) Aufhebung der Contingentspflicht der Hanſeſtädte<lb/> und Verwendung ihres bezüglichen Militärbudgets zur Begründung einer<lb/> Bundesmarine, für die Ausbildung der Handelsmarine der reindeutſchen<lb/> Staaten und die Vertheidigung der Küſten. 7) Directe und indirecte Ver-<lb/> ſtärkung der Bundesfeſtungen. (Die Erweiterung von Mainz, die Er-<lb/> bauung des Forts bei Kehl, von Küſtenbefeſtigungen namentlich an den<lb/> Flußmündungen der Nordſeeküſte, Anlegung eines verſchanzten Lagers im<lb/> ſüdlichen Theile Badens, die Erbauung einer Eiſenbahn von Bruchſal nach<lb/> Germersheim.) 8) Die Legung von permanenten Telegraphenlinien wo die-<lb/> ſelben nützlich ſeyn können, Errichtung eines Bundesheertelegraphencorps mit<lb/> entſprechender Ausrüſtung zur Legung proviſoriſcher Telegraphendräthe. 9)<lb/> Legung von Doppelgeleiſen auf allen Bahnſtrecken, wo erſichtlich dieſelben<lb/> zum Zweck der unausgeſetzten Förderung großer Transporte nothwendig<lb/> werden dürften. Ausbildung eines militäriſchen Eiſenbahnperſonals um<lb/> dem erhöhten Bedürfniß nach einem ſolchen bei plötzlichen großen Militär-<lb/> transporten entſprechen zu können. 10) Ausarbeitung von allgemeinen Vor-<lb/> ſchriften für das Bundesheer in Betreff des Verpflegs-, des Sanitäts- und<lb/> des Verkehrsweſens ꝛc., wo ſolche Beſtimmungen fehlen. Anfertigung von<lb/> Ueberſichten über die Productionskraft der deutſchen und der etwa disponiblen<lb/> fremden Waffenfabriken, des vorhandenen Pferdebeſtandes, der ſonſtigen<lb/> Ausrüſtungs- und Unterhaltsbedürfniſſe der Truppen u. ſ. w. Wir könn-<lb/> ten die Zahl dieſer Maßnahmen zur Förderung der Widerſtandskraft Deutſch-<lb/> lands und zur Wahrung ſeiner Unabhängigkeit noch vielfach vermehren; die<lb/> vorliegenden, deren Zweckmäßigkeit und Wirkſamkeit auch ohne weitern<lb/> Nachweis ſelbſt dem militäriſchen Laien klar ſeyn werden, dürſten genügen<lb/> um zu zeigen daß ſchwerlich irgendeine Gegend unſeres großen Vaterlan-<lb/> des, nirgends ein Stamm des deutſchen Volks gefunden werden dürfte<lb/> der nicht locale Vorwürfe, unmittelbar vorliegende concrete Ziele in dieſer<lb/> Beziehung ins Auge faſſen und verfolgen könnte. Man werfe uns nicht ein daß<lb/> dieſe Maßnahmen zum Theil viel zu fachlich um allgemeines Intereſſe zu er-<lb/> regen. Wir würden wenigſtens darauf erwiedern daß nur in dieſem concreten<lb/> Gebiet überhaupt eine erfolgreiche gemeinſame nachhaltige Vereinsthätigkeit<lb/> möglich iſt, daß die Wirkſamkeit aller jener Maßnahmen mit geringer Mühe<lb/> für das allgemeine Verſtändniß nachgewieſen werden kann, daß, wenn das<lb/> deutſche Volk nicht unmittelbar für ihre Verwirklichung ſorgt, dieſelben trotz<lb/> ihrer Bedeutſamkeit unausgeführt bleiben werden, wie ſie ſeit 1816 unausge-<lb/> führt geblieben ſind. Ueberall wird man das allgemeine Vertrauen genießende<lb/> Fachmänner finden, welche die concreten Ziele aufzufinden und zu behandeln<lb/> im Stande ſind, und die Mittel anzugeben vermögen wie ſie zu fördern.</p><lb/> <p>Die Art wie ſich die Vereine dabei zu betheiligen, wie ſie die Regierungen<lb/> darin zu unterſtützen hätten, dürfte für den Augenblick etwa folgende ſeyn. Alle<lb/> Vereine ſtehen unter einem Generalausſchuß, der aus etwa 15, 18 ꝛc. Männern<lb/> zu bilden wäre deren Vaterlandsliebe über jeden Zweifel erhaben iſt. Man<lb/> wird leicht 5 bis 6 Männer je in Preußen, in Oeſterreich und in den rein-<lb/> deutſchen Staaten zu nennen vermögen die das allgemeine Vertrauen im höch-<lb/> ſten Grade genießen. Dieſen Männern ſind alle Vorſchläge zu Maßnahmen<lb/> der obenerwähnten Art zu unterbreiten, dieſelben werden außerdem Preisauf-<lb/> gaben in dieſer Beziehung auszuſchreiben haben. Nach eigener oder fremder<lb/><cb/> zuverläſſiger Fach- und Localkenntniß wird der Generalausſchuß die zweck-<lb/> mäßigſten unter den bezüglichen Maßnahmen und die Art ihrer Verwirk-<lb/> lichung beſtimmen. Die ſo feſtgeſtellten Vorwürfe mit allen geſetzmäßigen,<lb/> moraliſchen und materiellen Mitteln zu unterſtützen, ſind ſämmtliche Vereine<lb/> verpflichtet. Wir rechnen dahin die Bearbeitung der Preisaufgaben unmittel-<lb/> bar, als Material für die Regierungen, die Ausführungen einzelner<lb/> Maßnahmen auf eigene Koſten, Petitionen an die Regierungen und<lb/> Stände in den bezüglichen Richtungen, Unterſtützung der Regierungen<lb/> durch Ausſchüſſe welche ſich der Ausführung beſtimmter ihrer Befähigung<lb/> beſonders entſprechender Aufgaben freiwillig unterziehen. Um in ſolcher Weiſe<lb/> thätig ſeyn zu können, ſind natürlich beſtimmte Geldbeiträge der Vereins-<lb/> mitglieder unerläßlich. Von dieſen würden zunächſt die Ausgaben für das<lb/> Bureau und der bezügliche Perſonalaufwand jedes Mitglieds des General-<lb/> ausſchuſſes zu beſtreiten ſeyn; denn da die Zuſammenkünfte derſelben nur<lb/> gelegentlich ſeyn könnten, ſo würde die Verbindung der Mitglieder unter ſich<lb/> wie mit den Vereinen eine ausgebreitete Correſpondenz, lithographiſche Ver-<lb/> vielſältigung der Schreiben ꝛc. nöthig machen. Ferner wären davon die<lb/> Preiſe für die Preisaufgaben, dann die ſelbſtändig auszuführenden Maß-<lb/> nahmen zu beſtreiten. Vielleicht würde es von großem Werth ſeyn für die<lb/> Geſchäftsordnung der Vereine den einen Punkt feſtzuſetzen: daß dieſelben für<lb/> ihre Geſchäfte Sitzungen hielten, aber ſich nicht zu dieſem Zweck geſellig ver-<lb/> ſammeln. Alles Rauchen, Eſſen, Trinken würde ſelbſtredend bei den Sitzun-<lb/> gen wegfallen müſſen. Daß der Ernſt der Sache dieſelbe Rückſicht verlangt<lb/> die bei jeder Amtshandlung beachtet wird, bedarf wohl keines Beweiſes, und<lb/> die kleine Disciplin würde alle Elemente von den Vereinen fernhalten welche<lb/> dieſelben etwa lediglich als Zeitvertreib zu benützen trachten ſollten. Wer<lb/> ſich den Vereinszwecken widmet, der wird auch ein Opfer ſeinen Mußeſtunden<lb/> bringen können. Sicher iſt daß durch dieſe Disciplin mancher Zeitvergeu-<lb/> dung vorgebeugt würde. Wenn die Vereinsmitglieder dadurch an Zahl gemin-<lb/> dert werden, ſo wird dadurch die Zahl der Vereine doch ſicher nicht leiden,<lb/> und jeder einzelne das Vertrauen ſeiner Mitbürger in um ſo höhererm Grade<lb/> beſitzen. Was dadurch an Beiträgen von Vereinsmitgliedern verloren geht,<lb/> würden alſo die freiwillige Gaben um ſo ſicherer erſetzen.</p><lb/> <p>Wir wiſſen daß eine ſolche Organiſation dem deutſchen Charakter im<lb/> allgemeinen nicht munden wird; aber iſt das Ziel in welchem nach den Wor-<lb/> ten des Prinz-Regenten alle deutſchen Regierungen und alle deutſchen Stämme<lb/> übereinſtimmen, vielleicht allein übereinſtimmen, anders zu erreichen? Und<lb/> iſt nicht die Erreichung dieſes Ziels das Rothwendigſte das Dringendſte<lb/> was überhaupt vorliegt? Mit allem Debattiren über Doctrinen und<lb/> Theorien fördern wir die Widerſtandskraft unſeres Vaterlandes um kein<lb/> Atom. Indem das deutſche Volk ſelbſtändig die Erſtrebung concreter Maß-<lb/> nahmen ins Auge faßt, welche den Wünſchen und Intereſſen aller deut-<lb/> ſchen Regierungen zweifelsohne entſprechen, werden dieſe nicht bloß zu ener-<lb/> giſcherem Thun als bisher angetrieben, ſie werden nicht bloß feſter, vertrau-<lb/> ensvoller der Zukunft ins Auge ſchauen, und den Prüfungen die ſich vorbe-<lb/> reiten gerüſteten Armes und Sinnes entgegengehen, ſondern <hi rendition="#g">dem ganzen<lb/> Auslande</hi> wird auch die unwiderlegliche Ueberzeugung aufgezwungen daß<lb/> wirklich, wo es „die Vertheidigung der Unabhängigkeit des deutſchen Volkes,<lb/> die Unverletzbarkeit des vaterländiſchen Bodens gilt,“ alle innern Meinungs-<lb/> verſchiedenheiten ſchweigen, und das ganze deutſche Volk nur von <hi rendition="#g">einem</hi> Ge-<lb/> fühl beſeelt iſt. Der unſere Freiheit bedrohende Gegner wird es dann jeden-<lb/> falls viel ſchwerer finden die durch einen unerhörten Gewaltact und Rechts-<lb/> bruch ihm unterworfene Nation über die Gefahr des Kampfes zu täuſchen<lb/> in welche er ſie zu ſtürzen beabſichtigt, über die Schwierigkeit eines Sieges,<lb/> der ihr ſonſt als ſpielend zu erringen erſcheinen könnte. Vor allem werden<lb/> aber die Wehrvereine uns ſelbſt in unſern Entſchlüſſen kräftigen, denn vergeſſen<lb/> wir nur nicht daß gerade unſer kaum erwachtes und noch ſchwaches Gemein-<lb/> gefühl von dem ſo ſchlauen und unſere Schwäche wohl erkennenden Gegner<lb/> auf eine harte Probe geſtellt werden wird. Wie derſelbe im Orient und in<lb/> Italien den Krieg localiſirte um, die Kurzſichtigkeit und die Zerriſſenheit aus-<lb/> beutend, jede Coalition der Bedrohten zu verhindern, ſo wird er auch am<lb/> Rhein das <hi rendition="#aq">l’un après l’autre</hi> verſuchen.</p><lb/> <p>Er wird vielleicht nur einen Theil des Rheinlandes, jedenfalls nur dieſes<lb/> zu überraſchen und zu erobern, und dann auf Grund des <hi rendition="#aq">fait accompli</hi> zu<lb/> unterhandeln ſuchen. Wird man in ganz Deutſchland mit gleicher Energie<lb/> entſchloſſen ſeyn wirklich lieber das Aeußerſte zu wagen, den letzten Bluts-<lb/> tropfen daran zu ſetzen, damit hinfort wenigſtens kein Zollbreit deutſcher Erde<lb/> mehr fremden Eroberern preisgegeben werde? Je größer die Apathie und<lb/> leider die nur zu berechtigte Verſtimmung in manchen Theilen Deutſchlands<lb/> iſt, deſto größer und begründeter iſt die Befürchtung daß nicht das Aeußerſte<lb/> zur Vertheidigung geſchieht. Und gerade gegen dieſe Apathie und Verſtim-<lb/> mung iſt Organiſation und Action das beſte Gegenmittel, dem vielleicht auch<lb/> manche innere Schäden weichen würden. In jedem Fall muß etwas in die-<lb/> ſer Richtung geſchehen, wenn uns nicht der Gegner factiſch in bloßen Projec-<lb/> ten zum einigen Widerſtand, aber mit zerriſſenen und unausgebildeten Kräf-<lb/> ten überraſchen ſoll.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [2822/0010]
nennen: 1) Ernennung eines Generallieutenants des Bundes. Ein ſolcher Stell-
verkreter des Bundesfeldherrn iſt in der Bundesverfaſſung vorgeſehen. Durch
die Ernennung eines Generallieutenants wird die ſo ſchwierige Bundesfeld-
herrnfrage vertagt, gleichwohl kann der Generallieutenant für die Entwicklung
der Bundeswehrkraft Sorge tragen, und jedenfalls viele Einrichtungen treffen
zu welchen der nur im Augenblick des unmittelbarſten Bedürfniſſes ernannte
Bundesfeldherr nicht mehr Zeit haben dürfte. Dem Bundesgenerallieutenant,
der mit dem Bundestag und der Bundesmilitärcommiſſion in unmittelbare
Beziehung zu treten hätte, würde ein entſprechender Generalſtab zuzugeſellen
ſeyn; das Standquartier wäre ſelbſtredend Frankfurt am Main. Ihm unter-
ſtehen würden zunächſt nur die Truppen der Regierungen welche ſich dazu
bereit erklären.
2) Ernennung von Commandeuren mit bezüglichem Generalſtab
für alle zuſammengeſetzten deutſchen Armeecorps. Ein ſolcher Armee-
corpscommandeur würde keine entſcheidenden Anordnungen zu treffen
haben, wohl aber ihm das Recht zu Vorſchlägen aller Art zuſtehen,
und andrerſeits würden die Contingente vor Einführung einer Anord-
nung ſtets das Gutachten des Corpscommandeurs einzuholen haben.
Das Ernennungsrecht zu dieſem Poſten würde den einzelnen Contin-
genten nach der Reihenfolge ihres Umfangs zufallen. Dem Armeecorps.
commandenr müßte namentlich das Recht der Wahl ſeines Stabes, das
der Inſpection, das des Vorſchlags zu Beſörderungen und das der Führung
im Fall der Concentration des Armeecorps zugeſtanden werden. 3) Formi-
rung der geſetzmäßigen Bundescontingente nach der wirklichen Größe der
Einwohneranzahl der Staaten. 4) Einreihung der Reſerve-Infanteriedivi-
ſion in die reindeutſchen Armeecorps. 5) Zuſammenziehung der letztern zu
großen Herbſtübungen und Inſpicirung während derſelben durch den Bun-
desgenerallieutenant. 6) Aufhebung der Contingentspflicht der Hanſeſtädte
und Verwendung ihres bezüglichen Militärbudgets zur Begründung einer
Bundesmarine, für die Ausbildung der Handelsmarine der reindeutſchen
Staaten und die Vertheidigung der Küſten. 7) Directe und indirecte Ver-
ſtärkung der Bundesfeſtungen. (Die Erweiterung von Mainz, die Er-
bauung des Forts bei Kehl, von Küſtenbefeſtigungen namentlich an den
Flußmündungen der Nordſeeküſte, Anlegung eines verſchanzten Lagers im
ſüdlichen Theile Badens, die Erbauung einer Eiſenbahn von Bruchſal nach
Germersheim.) 8) Die Legung von permanenten Telegraphenlinien wo die-
ſelben nützlich ſeyn können, Errichtung eines Bundesheertelegraphencorps mit
entſprechender Ausrüſtung zur Legung proviſoriſcher Telegraphendräthe. 9)
Legung von Doppelgeleiſen auf allen Bahnſtrecken, wo erſichtlich dieſelben
zum Zweck der unausgeſetzten Förderung großer Transporte nothwendig
werden dürften. Ausbildung eines militäriſchen Eiſenbahnperſonals um
dem erhöhten Bedürfniß nach einem ſolchen bei plötzlichen großen Militär-
transporten entſprechen zu können. 10) Ausarbeitung von allgemeinen Vor-
ſchriften für das Bundesheer in Betreff des Verpflegs-, des Sanitäts- und
des Verkehrsweſens ꝛc., wo ſolche Beſtimmungen fehlen. Anfertigung von
Ueberſichten über die Productionskraft der deutſchen und der etwa disponiblen
fremden Waffenfabriken, des vorhandenen Pferdebeſtandes, der ſonſtigen
Ausrüſtungs- und Unterhaltsbedürfniſſe der Truppen u. ſ. w. Wir könn-
ten die Zahl dieſer Maßnahmen zur Förderung der Widerſtandskraft Deutſch-
lands und zur Wahrung ſeiner Unabhängigkeit noch vielfach vermehren; die
vorliegenden, deren Zweckmäßigkeit und Wirkſamkeit auch ohne weitern
Nachweis ſelbſt dem militäriſchen Laien klar ſeyn werden, dürſten genügen
um zu zeigen daß ſchwerlich irgendeine Gegend unſeres großen Vaterlan-
des, nirgends ein Stamm des deutſchen Volks gefunden werden dürfte
der nicht locale Vorwürfe, unmittelbar vorliegende concrete Ziele in dieſer
Beziehung ins Auge faſſen und verfolgen könnte. Man werfe uns nicht ein daß
dieſe Maßnahmen zum Theil viel zu fachlich um allgemeines Intereſſe zu er-
regen. Wir würden wenigſtens darauf erwiedern daß nur in dieſem concreten
Gebiet überhaupt eine erfolgreiche gemeinſame nachhaltige Vereinsthätigkeit
möglich iſt, daß die Wirkſamkeit aller jener Maßnahmen mit geringer Mühe
für das allgemeine Verſtändniß nachgewieſen werden kann, daß, wenn das
deutſche Volk nicht unmittelbar für ihre Verwirklichung ſorgt, dieſelben trotz
ihrer Bedeutſamkeit unausgeführt bleiben werden, wie ſie ſeit 1816 unausge-
führt geblieben ſind. Ueberall wird man das allgemeine Vertrauen genießende
Fachmänner finden, welche die concreten Ziele aufzufinden und zu behandeln
im Stande ſind, und die Mittel anzugeben vermögen wie ſie zu fördern.
Die Art wie ſich die Vereine dabei zu betheiligen, wie ſie die Regierungen
darin zu unterſtützen hätten, dürfte für den Augenblick etwa folgende ſeyn. Alle
Vereine ſtehen unter einem Generalausſchuß, der aus etwa 15, 18 ꝛc. Männern
zu bilden wäre deren Vaterlandsliebe über jeden Zweifel erhaben iſt. Man
wird leicht 5 bis 6 Männer je in Preußen, in Oeſterreich und in den rein-
deutſchen Staaten zu nennen vermögen die das allgemeine Vertrauen im höch-
ſten Grade genießen. Dieſen Männern ſind alle Vorſchläge zu Maßnahmen
der obenerwähnten Art zu unterbreiten, dieſelben werden außerdem Preisauf-
gaben in dieſer Beziehung auszuſchreiben haben. Nach eigener oder fremder
zuverläſſiger Fach- und Localkenntniß wird der Generalausſchuß die zweck-
mäßigſten unter den bezüglichen Maßnahmen und die Art ihrer Verwirk-
lichung beſtimmen. Die ſo feſtgeſtellten Vorwürfe mit allen geſetzmäßigen,
moraliſchen und materiellen Mitteln zu unterſtützen, ſind ſämmtliche Vereine
verpflichtet. Wir rechnen dahin die Bearbeitung der Preisaufgaben unmittel-
bar, als Material für die Regierungen, die Ausführungen einzelner
Maßnahmen auf eigene Koſten, Petitionen an die Regierungen und
Stände in den bezüglichen Richtungen, Unterſtützung der Regierungen
durch Ausſchüſſe welche ſich der Ausführung beſtimmter ihrer Befähigung
beſonders entſprechender Aufgaben freiwillig unterziehen. Um in ſolcher Weiſe
thätig ſeyn zu können, ſind natürlich beſtimmte Geldbeiträge der Vereins-
mitglieder unerläßlich. Von dieſen würden zunächſt die Ausgaben für das
Bureau und der bezügliche Perſonalaufwand jedes Mitglieds des General-
ausſchuſſes zu beſtreiten ſeyn; denn da die Zuſammenkünfte derſelben nur
gelegentlich ſeyn könnten, ſo würde die Verbindung der Mitglieder unter ſich
wie mit den Vereinen eine ausgebreitete Correſpondenz, lithographiſche Ver-
vielſältigung der Schreiben ꝛc. nöthig machen. Ferner wären davon die
Preiſe für die Preisaufgaben, dann die ſelbſtändig auszuführenden Maß-
nahmen zu beſtreiten. Vielleicht würde es von großem Werth ſeyn für die
Geſchäftsordnung der Vereine den einen Punkt feſtzuſetzen: daß dieſelben für
ihre Geſchäfte Sitzungen hielten, aber ſich nicht zu dieſem Zweck geſellig ver-
ſammeln. Alles Rauchen, Eſſen, Trinken würde ſelbſtredend bei den Sitzun-
gen wegfallen müſſen. Daß der Ernſt der Sache dieſelbe Rückſicht verlangt
die bei jeder Amtshandlung beachtet wird, bedarf wohl keines Beweiſes, und
die kleine Disciplin würde alle Elemente von den Vereinen fernhalten welche
dieſelben etwa lediglich als Zeitvertreib zu benützen trachten ſollten. Wer
ſich den Vereinszwecken widmet, der wird auch ein Opfer ſeinen Mußeſtunden
bringen können. Sicher iſt daß durch dieſe Disciplin mancher Zeitvergeu-
dung vorgebeugt würde. Wenn die Vereinsmitglieder dadurch an Zahl gemin-
dert werden, ſo wird dadurch die Zahl der Vereine doch ſicher nicht leiden,
und jeder einzelne das Vertrauen ſeiner Mitbürger in um ſo höhererm Grade
beſitzen. Was dadurch an Beiträgen von Vereinsmitgliedern verloren geht,
würden alſo die freiwillige Gaben um ſo ſicherer erſetzen.
Wir wiſſen daß eine ſolche Organiſation dem deutſchen Charakter im
allgemeinen nicht munden wird; aber iſt das Ziel in welchem nach den Wor-
ten des Prinz-Regenten alle deutſchen Regierungen und alle deutſchen Stämme
übereinſtimmen, vielleicht allein übereinſtimmen, anders zu erreichen? Und
iſt nicht die Erreichung dieſes Ziels das Rothwendigſte das Dringendſte
was überhaupt vorliegt? Mit allem Debattiren über Doctrinen und
Theorien fördern wir die Widerſtandskraft unſeres Vaterlandes um kein
Atom. Indem das deutſche Volk ſelbſtändig die Erſtrebung concreter Maß-
nahmen ins Auge faßt, welche den Wünſchen und Intereſſen aller deut-
ſchen Regierungen zweifelsohne entſprechen, werden dieſe nicht bloß zu ener-
giſcherem Thun als bisher angetrieben, ſie werden nicht bloß feſter, vertrau-
ensvoller der Zukunft ins Auge ſchauen, und den Prüfungen die ſich vorbe-
reiten gerüſteten Armes und Sinnes entgegengehen, ſondern dem ganzen
Auslande wird auch die unwiderlegliche Ueberzeugung aufgezwungen daß
wirklich, wo es „die Vertheidigung der Unabhängigkeit des deutſchen Volkes,
die Unverletzbarkeit des vaterländiſchen Bodens gilt,“ alle innern Meinungs-
verſchiedenheiten ſchweigen, und das ganze deutſche Volk nur von einem Ge-
fühl beſeelt iſt. Der unſere Freiheit bedrohende Gegner wird es dann jeden-
falls viel ſchwerer finden die durch einen unerhörten Gewaltact und Rechts-
bruch ihm unterworfene Nation über die Gefahr des Kampfes zu täuſchen
in welche er ſie zu ſtürzen beabſichtigt, über die Schwierigkeit eines Sieges,
der ihr ſonſt als ſpielend zu erringen erſcheinen könnte. Vor allem werden
aber die Wehrvereine uns ſelbſt in unſern Entſchlüſſen kräftigen, denn vergeſſen
wir nur nicht daß gerade unſer kaum erwachtes und noch ſchwaches Gemein-
gefühl von dem ſo ſchlauen und unſere Schwäche wohl erkennenden Gegner
auf eine harte Probe geſtellt werden wird. Wie derſelbe im Orient und in
Italien den Krieg localiſirte um, die Kurzſichtigkeit und die Zerriſſenheit aus-
beutend, jede Coalition der Bedrohten zu verhindern, ſo wird er auch am
Rhein das l’un après l’autre verſuchen.
Er wird vielleicht nur einen Theil des Rheinlandes, jedenfalls nur dieſes
zu überraſchen und zu erobern, und dann auf Grund des fait accompli zu
unterhandeln ſuchen. Wird man in ganz Deutſchland mit gleicher Energie
entſchloſſen ſeyn wirklich lieber das Aeußerſte zu wagen, den letzten Bluts-
tropfen daran zu ſetzen, damit hinfort wenigſtens kein Zollbreit deutſcher Erde
mehr fremden Eroberern preisgegeben werde? Je größer die Apathie und
leider die nur zu berechtigte Verſtimmung in manchen Theilen Deutſchlands
iſt, deſto größer und begründeter iſt die Befürchtung daß nicht das Aeußerſte
zur Vertheidigung geſchieht. Und gerade gegen dieſe Apathie und Verſtim-
mung iſt Organiſation und Action das beſte Gegenmittel, dem vielleicht auch
manche innere Schäden weichen würden. In jedem Fall muß etwas in die-
ſer Richtung geſchehen, wenn uns nicht der Gegner factiſch in bloßen Projec-
ten zum einigen Widerſtand, aber mit zerriſſenen und unausgebildeten Kräf-
ten überraſchen ſoll.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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