Allgemeine Zeitung, Nr. 16, 17. Januar 1924.Allgemeine Zeitung Nr. 16 Donnerstag, den 17. Januar 1924. [Spaltenumbruch]
durch riesige Zentralbehörden Nach der englischen Thronrede London, 16. Januar.Gegen den Separatismus In seiner Rede im In seiner Entgegnung sagte Lord Curzon, Die Aussprache im englischen Unterhaus London, 16. Januar.Im Unterhaus begann Wenn England den festen Entschluß habe, dem Zur Frage der Ruhrbesetzung erklärte der Redner: Man müsse um jeden Preis neue Wege in der Als nächster Redner verlangte Lloyd George Auf- Zum Schluß ergriff noch Premierminister Baldwin Zum Schluß erklärte Baldwin unter lebhaftem London, 16. Januar. Die große Tagesordnung "Es ist unsere Pflicht, Ew. Majestät mitzu- Clive bei den Pfälzern Mannheim, 16. Januar.Der englische Gene- Es war ein Augenblick von historischer Bedeu- Die berufensten Vertreter sämtlicher Weltan- Mannheim, 16. Januar. Der englische Gene- Für die Einheit des Reiches Köln, 16. Januar.Der Provinzialausschuß Der Entwurf zur 3. Steuernotverordnung * Berlin, 16. Januar.Der vom Reichs- Der Entwurf weicht von dem ursprüng- Diese Aenderung des Entwurfes ist Zum italienisch-jugoslawischen Uebereinkommen Belgrad, 16. Januar.Die gesamte Presse Tschechien will Verträge auch mit Italien Belgrad, 16. Januar.und England Während seiner Bel- [Spaltenumbruch] Deplacierte Predigt-Texte Kurz nach der Kriegserklärung des Jahres 1870 Ach, Herr, unsere Missetaten ha- Diese ausgegebene "Parole" erregte vielerorten Von einem anderen Predigttexte, der durch seine Tue weg den Hut und hebe ab die Krone, In einem dritten derartigen Falle schuf ein Und an seiner Statt wird einer aufkom- Der Pfarrer gab sich zwar alle Mühe, den be- Recht kitzlich war auch folgender Fall: Durch Du setzest ihn zum Segen ewiglich und Das war ein passender Text für die prote- Ich bin ein Wurm und kein Mensch, ein Darüber ließ sich natürlich nicht predigen. Dem Angst vor Wiener Konkurrenz London, 11. Jan.Für das kommende Frühjahr Nun ist aber ein neues Hindernis aufgetreten: Die Wiener Orchesterfrage harrt der Lösung! Arne Garborg, der norwegische Dichter, ist, Allgemeine Zeitung Nr. 16 Donnerstag, den 17. Januar 1924. [Spaltenumbruch]
durch rieſige Zentralbehörden Nach der engliſchen Thronrede London, 16. Januar.Gegen den Separatismus In ſeiner Rede im In ſeiner Entgegnung ſagte Lord Curzon, Die Ausſprache im engliſchen Unterhaus London, 16. Januar.Im Unterhaus begann Wenn England den feſten Entſchluß habe, dem Zur Frage der Ruhrbeſetzung erklärte der Redner: Man müſſe um jeden Preis neue Wege in der Als nächſter Redner verlangte Lloyd George Auf- Zum Schluß ergriff noch Premierminiſter Baldwin Zum Schluß erklärte Baldwin unter lebhaftem London, 16. Januar. Die große Tagesordnung „Es iſt unſere Pflicht, Ew. Majeſtät mitzu- Clive bei den Pfälzern Mannheim, 16. Januar.Der engliſche Gene- Es war ein Augenblick von hiſtoriſcher Bedeu- Die berufenſten Vertreter ſämtlicher Weltan- Mannheim, 16. Januar. Der engliſche Gene- Für die Einheit des Reiches Köln, 16. Januar.Der Provinzialausſchuß Der Entwurf zur 3. Steuernotverordnung * Berlin, 16. Januar.Der vom Reichs- Der Entwurf weicht von dem urſprüng- Dieſe Aenderung des Entwurfes iſt Zum italieniſch-jugoſlawiſchen Uebereinkommen Belgrad, 16. Januar.Die geſamte Preſſe Tſchechien will Verträge auch mit Italien Belgrad, 16. Januar.und England Während ſeiner Bel- [Spaltenumbruch] Deplacierte Predigt-Texte Kurz nach der Kriegserklärung des Jahres 1870 Ach, Herr, unſere Miſſetaten ha- Dieſe ausgegebene „Parole“ erregte vielerorten Von einem anderen Predigttexte, der durch ſeine Tue weg den Hut und hebe ab die Krone, In einem dritten derartigen Falle ſchuf ein Und an ſeiner Statt wird einer aufkom- Der Pfarrer gab ſich zwar alle Mühe, den be- Recht kitzlich war auch folgender Fall: Durch Du ſetzeſt ihn zum Segen ewiglich und Das war ein paſſender Text für die prote- Ich bin ein Wurm und kein Menſch, ein Darüber ließ ſich natürlich nicht predigen. Dem Angſt vor Wiener Konkurrenz London, 11. Jan.Für das kommende Frühjahr Nun iſt aber ein neues Hindernis aufgetreten: Die Wiener Orcheſterfrage harrt der Löſung! Arne Garborg, der norwegiſche Dichter, iſt, <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Allgemeine Zeitung</hi> Nr. 16 Donnerstag, den 17. Januar 1924.</fw><lb/> <cb/> <div xml:id="a01b" prev="#a01a" type="jComment" n="2"> <p>durch <hi rendition="#g">rieſige Zentralbehörden</hi><lb/> verwaltet werden müſſe. Die Begriffe <hi rendition="#g">Ein-<lb/> heitsſtaat</hi> und <hi rendition="#g">Zentraliſation</hi><lb/> haben aber in Wirklichkeit gar nichts mit-<lb/> einander zu tun. Der Einheitsſtaat, d. h.<lb/> ein Staat, in dem die wichtigſten Gebiete<lb/> des ſtaatlichen Lebens durch die gleichen<lb/> Geſetze geregelt werden und in dem eine<lb/> einheitliche Vollzugsgewalt beſteht, <hi rendition="#g">kann</hi><lb/> zentraliſiert werden, aber das iſt keines-<lb/> wegs nötig, wie das Beiſpiel Englands<lb/> zeigt, in dem die weiteſtgehende Selbſtver-<lb/> waltung herrſcht. Die <hi rendition="#g">Dezentraliſa-<lb/> tion</hi> iſt in doppelter Weiſe durchführbar,<lb/> einmal dadurch, daß die höchſten Zentral-<lb/> ſtellen des Reiches auf verſchiedene Orte<lb/> verteilt werden, zweitens dadurch, daß die<lb/> Zuſtändigkeit der mittleren und unteren<lb/> Reichsſtellen erweitert wird. In erſterer<lb/> Hinſicht wurde bei uns ein verheißungs-<lb/> voller Anfang damit gemacht, daß als Sitz<lb/> des Reichsgerichtes Leipzig, als Sitz des<lb/> Reichsfinanzhofs München beſtimmt wurde.<lb/> Es wäre aber dringend zu wünſchen, daß<lb/> noch mehr in der Richtung geſchähe; denn<lb/> es liegt darin eine wertvolle Stärkung des<lb/> Reichsgedankens. Es wird dadurch vor<lb/> Augen geführt, daß das Reich überall und<lb/> nicht nur in Berlin iſt. In der Schweiz,<lb/> die uns in vielem als Vorbild dienen kann,<lb/> iſt man auch in gleicher Weiſe vorgegangen.<lb/> In Bern hauſt der Bundesrat, das Bundes-<lb/> gericht iſt in Lauſanne Zürich iſt eidgenöſſi-<lb/> ſcher Waffenplatz und Sitz des eidgenöſſi-<lb/> ſchen Polytechnikums. Bedauerlich iſt es<lb/> auch, daß der Reichstag nicht in Weimar<lb/> bleiben konnte; denn es iſt gewiß ein Vor-<lb/> teil, wenn die geſetzgebende Verſammlung<lb/> nicht in einer der volkreichſten Städte tagt.<lb/> Das hat man auch in den Vereinigten<lb/> Staaten richtig empfunden, als man das<lb/> ruhige Waſhington zur Bundeshauptſtadt<lb/> erwählte. Oft habe ich es von Abgeord-<lb/> neten, die ſchon in der Nationalverſamm-<lb/> lung ſaßen, gehört, daß ſie die Art der<lb/> Arbeit in Weimar als erſprießlicher und<lb/> befriedigender empfunden hätten; aber<lb/> techniſche Schwierigkeiten ſtanden Weimar<lb/> im Wege und noch unmöglicher wäre es<lb/> heutzutage, daß der Reichstag wie in den<lb/> Zeiten des alten Reiches bald in dieſer, bald<lb/> in jener Stadt zuſammenträte. Das würde<lb/> deutſcher Sinnesart, der es ganz fern liegt,<lb/> einen einzelnen Ort als Brennpunkt des<lb/> nationalen Lebens anzuerkennen, am beſten<lb/> entſprechen; denn gerade wir Einheits-<lb/> freunde ſind der Zuſammenballung rieſiger<lb/> Zentralbehörden mit einem Stab von<lb/> Tauſenden von Beamten durchaus abhold.<lb/> Wir wollen, daß der Reichsgedanke in allen,<lb/> auch den entfernteſten Teilen des Reiches<lb/> gleich lebendig wirkt und durch Träger der<lb/> Reichsgewalt vertreten wird. Aber gerade<lb/> dieſe Art der Bekämpfung der Zentraliſa-<lb/> tion iſt den Einzelſtaatlern nicht einmal er-<lb/> wünſcht; das erfuhr ich z. B., als mein<lb/> Antrag, die Zentralſtelle des Arbeitsnach-<lb/> weiſes außerhalb Berlins zu verlegen, nicht<lb/> einmal von der Bayeriſchen Volkspartei<lb/> unterſtützt wurde.<lb/> (Schluß folgt).</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head><hi rendition="#b">Nach der engliſchen Thronrede</hi><lb/> Gegen den Separatismus</head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>In ſeiner Rede im<lb/> Oberhaus verlangte Grey, daß die Alliierten im<lb/> Rheinland <hi rendition="#g">jede ſeparatiſtiſche Bewe-<lb/> gung energiſch bekämpfen,</hi> die nicht auf<lb/> geſetzmäßigem Wege verſucht, eine Volksbewe-<lb/> gung zu verwirklichen.</p><lb/> <p>In ſeiner Entgegnung ſagte Lord <hi rendition="#g">Curzon,</hi><lb/> die ſeparatiſtiſche Bewegung ſei <hi rendition="#g">keine Volks-<lb/> bewegung,</hi> ſondern von wenigen unerfreu-<lb/> lichen Elementen der Bevölkerung getragen.<lb/> England habe gegen die Anerkennung der Ver-<lb/> ordnungen der Pfalzregierung proteſtiert, weil<lb/> die Rheinlandskommiſſion <hi rendition="#g">überhaupt nicht<lb/> das Recht habe,</hi> zur innerpolitiſchen Geſtal-<lb/> tung Deutſchlands Stellung zu nehmen, ſondern<lb/> nur da ſei, um über die Sicherheit der Beſat-<lb/> zungstruppen zu wachen. Frankreichs Wider-<lb/> ſtand gegen eine engliſche Unterſuchung in der<lb/> Pfalz durch den zuſtändigen engliſchen Konſul<lb/> ſei unbegreiflich.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Ausſprache im engliſchen Unterhaus</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Im Unterhaus begann<lb/> geſtern nachmittags die Debatte über die Thron-<lb/> rede. Nachdem für die Konſervativen Dr.<lb/><hi rendition="#g">Banks</hi> und Lord <hi rendition="#g">Apsley</hi> Erklärungen ab-<lb/> gegeben und die Ausführungen der Thronrede<lb/> gebilligt hatten, erhob ſich <hi rendition="#g">der Führer der<lb/> Arbeiterpartei, Ramſay Macdo-<lb/> nald</hi>. Er erklärte, er begrüße die in der Thron-<lb/> rede enthaltenen Aeußerungen über die aus-<lb/> wärtige Politik, aber die <hi rendition="#g">Lage</hi> werde von<lb/> Augenblick zu Augenblick <hi rendition="#g">ernſthafter,</hi> und<lb/> es ſei dringend notwendig, eine entſcheidenere<lb/> und wirkſamere engliſche Politik nach außen ein-<lb/> zuſchlagen. Die Ausſicht eines Regierungswech-<lb/> ſels in England habe mehr Einfluß ausgeübt,<lb/> als 12 Monate des Wirkens <hi rendition="#g">der gegen-<lb/> wärtigen Regierung</hi>.</p><lb/> <p>Wenn England den feſten Entſchluß habe, dem<lb/> Chaos ein Ende zu machen, würde auch eine Än-<lb/> derung in der politiſchen <hi rendition="#g">Lage Deutſchlands</hi> ein-<lb/> treten, die gegenwärtig mit der von 1914 zu ver-<lb/> gleichen ſei.</p><lb/> <p>Zur Frage der <hi rendition="#g">Ruhrbeſetzung</hi> erklärte der Redner:<lb/> Vor 12 Monaten ſei das engliſche Kabinett mit der<lb/> franzöſiſchen Ruhrpolitik <hi rendition="#g">nicht einverſtanden</hi> ge-<lb/> weſen. Als die engliſche Regierung von ihren eigenen<lb/> Ratgebern erfuhr, daß die Ruhrbeſetzung ungeſetzlich<lb/> war, habe ſie ſich darauf beſchränkt, den Verbündeten<lb/> zu ſagen: Wenn wir uns auch dem Unternehmen nicht<lb/> anſchließen, weil wir überzeugt ſind, daß ihr unrecht<lb/> habt, ſo hoffen wir doch, daß es auch gelingt <hi rendition="#g">Welch<lb/> ein Wahnſinn!</hi> England müſſe die verſchiedenen<lb/> Schwierigkeiten die ihm entgegenſtehen, überwinden,<lb/> um ſeine Autorität wieder zu gewinnen.</p><lb/> <p>Man müſſe um jeden Preis <hi rendition="#g">neue Wege in der<lb/> Politik</hi> einſchlagen und dürfe nicht dulden, daß man<lb/> übergangen werde Keine Nation in ganz Europa<lb/> werde England beiſeite ſtehen laſſen, wenn es aus-<lb/> drücklich bekundete, daß es ſeinem Entſchluß Geltung<lb/> verſchaffen würde. Nach einem Vorwurf über die<lb/> unſchlüſſige Politik nach dem Januar 1923, ſowie der<lb/> Note über die Ungeſetzmäßigkeit der Ruhrbeſetzung,<lb/> erklärte Macdonald, eine Regierung, die ſo ungeſetz-<lb/> liche Politik treibe, habe keinen Anſpruch auf das<lb/> Vertrauen des Landes</p><lb/> <p>Als nächſter Redner verlangte Lloyd <hi rendition="#g">George</hi> Auf-<lb/> ſchluß über das <hi rendition="#g">Tangerabkommen,</hi> die <hi rendition="#g">rheiniſche<lb/> Abfallbewegung,</hi> ſowie über gewiſſe Abmachungen<lb/> der franzöſiſchen Regierung mit deutſchen Finanz-<lb/> leuten in der Frage der <hi rendition="#g">Kohlengruben</hi>. <cit><quote>Wenn<lb/> unſere Verbündeten die Separatiſten gefördert haben,<lb/> haben ſie damit einen <hi rendition="#g">ſchändlichen Bruch des<lb/> Verſailler Vertrags</hi> begangen.“ Es ſei mit ge-</quote></cit><lb/> nügender Klarheit bewieſen worden, daß <hi rendition="#g">Frank-<lb/> reich Gelder zur Unterſtützung der Abfall-<lb/> bewegung verwendet habe</hi>. Wenn die franzö-<lb/> ſichen Annexioniſten mit ihren Plänen Erfolg haben,<lb/> werde <hi rendition="#g">der europäiſche Friede bedroht ſein</hi> und<lb/><hi rendition="#g">ein ernſter Konflikt ſei unvermeidlich</hi></p><lb/> <p>Zum Schluß ergriff noch Premierminiſter <hi rendition="#g">Baldwin</hi><lb/> das Wort: In einem Parlament mit drei ungleichen<lb/> Parteien, von denen keine ohne die Unterſtützung der<lb/> beiden anderen Politik machen könne, beſtehe das<lb/><cb/> einzige Mittel zur Löſüng dieſes Problems darin,<lb/> eine Konferenz von Vertretern ſämtlicher Parteien<lb/> herbeizuführen, ob eine <hi rendition="#g">Verſtändigung über eine<lb/> gemeinſame Politik</hi> zu erreichen iſt Im Hinblick<lb/> an die neuen von der Reparationskommiſion ernann-<lb/> ten <hi rendition="#g">Sachverſtändigenausſchüſſe</hi> bemerkte Bald-<lb/> win, daß dieſer Ausſchuß den <hi rendition="#g">erſten wahren Ver-<lb/> ſuch zur Erzielung eines Ergebniſſes</hi> ſeit<lb/> einem Jahr darſtelle. Es ſei möglich, daß die fran-<lb/> zöſiſche Regierung auf Grund des gegenwärtigen<lb/> Meinungsaustauſches zur Erkenntnis komme, daß<lb/> das ganze Reparationsproblem unverzüglich zur Löſung<lb/> gebracht werden müſſe. Der rheiniſch-weſtfäliſche<lb/><hi rendition="#g">Separatismus</hi> bereite der Regierung <hi rendition="#g">lebhafte Be-<lb/> ſorgnis</hi>. Aus dieſem Grunde ſei der engliſche Ver-<lb/> treter nach der Pfalz geſandt worden</p><lb/> <p>Zum Schluß erklärte Baldwin unter lebhaftem<lb/> Beifall der Konſervativen, daß, wenn die Oppoſition<lb/> ihm den <hi rendition="#g">Fehdehandſchuh</hi> hinwerfe, die Regierung<lb/> ihn ſofort <hi rendition="#g">aufnehmen</hi> werde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Die große Tagesordnung<lb/> der <hi rendition="#g">Arbeiterpartei</hi> in Erwiderung der<lb/> Thronrede wird dem Unterhaus morgen unter-<lb/> breitet werden. Sie wird mit folgenden Worten<lb/> ſchließen:</p><lb/> <cit> <quote>„Es iſt unſere Pflicht, Ew. Majeſtät mitzu-<lb/> teilen, daß Ew. Majeſtät gegenwärtige Ratgeber<lb/> nicht mehr das Vertrauen dieſes Hauſes be-<lb/> ſitzen.“</quote> </cit> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Clive bei den Pfälzern</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Mannheim,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Der engliſche Gene-<lb/> ralkonſul und Botſchaftsrat Clive hat dem<lb/> Wunſche der pfälziſchen Regierung entſprochen<lb/> und im Parkhotel in Mannheim, wo er abge-<lb/> ſtiegen war, Vertreter der Pfalz zu einer Aus-<lb/> ſprache empfangen. Die Ausſprache ergab ein<lb/><hi rendition="#g">erſchütterndes Bild über die Qua-<lb/> len</hi> der pfälziſchen Bevölkerung unter der ſepa-<lb/> ratiſtiſchen Herrſchaft. Einen beſonders tiefen<lb/> Eindruck machten die Erklärungen eines Arbeiter-<lb/> vertreters, daß 99 Prozent der Bevölkerung die<lb/> Separatiſtenherrſchaft auf das Einmütigſte ver-<lb/> urteilen und die unlauteren Elemente, die die<lb/> Gewalt an ſich geriſſen haben, niemals als eine<lb/> rechtmäßige Regierung anerkennen werde. Nie<lb/> in einem kritiſchen Zeitpunkt habe die pfälziſche<lb/> Arbeiterſchaft ſo feſt beieinander geſtanden, wie<lb/> zur Zeit bei der Ablehnung des Separatismus.</p><lb/> <p>Es war ein Augenblick von hiſtoriſcher Bedeu-<lb/> tung, als die berufenen Vertreter der Pfalz, der<lb/><hi rendition="#g">Biſchof von Speyer und der Präſi-<lb/> dent der proteſtantiſchen Landes-<lb/> kirche</hi> durch Erhebung von den Sitzen ihre Zu-<lb/> ſtimmung an folgender Kundgebung gaben:</p><lb/> <p>Die berufenſten Vertreter ſämtlicher Weltan-<lb/> ſchauungen, aller politiſchen, wirtſchaftlichen und<lb/> Berufsverbände der Pfalz erklären dem Herrn<lb/> engliſchen Generalko Konſul Clive als dem Abge-<lb/> ſandten der Regierung Großbritanniens, daß die<lb/> pfälziſche Bevölkerung auch unter den fürchter-<lb/> lichſten Drangſalen der Gewaltherrſchaft der ſo-<lb/> genannten ſeparatiſtiſchen Regierung dieſer als<lb/> einer Horde landfremder, geiſtig minderwertiger<lb/> Elemente <hi rendition="#g">niemals folgen</hi> werde. <hi rendition="#g">Nur<lb/> durch die Unterſtützung</hi> der Separatiſten<lb/><hi rendition="#g">durch die franzöſiſche</hi> Beſatzungsbehörde<lb/> wurde dieſe Gewaltherrſchaft gegen ein wehr-<lb/> und waffenloſes Volk möglich. Im Namen der<lb/> Menſchenrechte und der Selbſtbeſtimmung einer<lb/> kulturell und wirtſchaftlich hochſtehenden Bevöl-<lb/> kerung von 800 000 treudeutſchen Pfälzern bitten<lb/> wir den Herrn Vertreter der britiſchen Nation,<lb/> bei ſeiner Regierung dahin wirken zu wollen,<lb/> daß in unſerer Pfalz wieder der Rechtsboden der<lb/> deutſchen und der bayeriſchen Verfaſſung im<lb/> Verſailler Vertrag und im Rheinlandsabkom-<lb/> men geſchaffen und die pfälziſche Bevölkerung<lb/> von der ſeparatiſtiſchen Tyrannei befreit werde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Mannheim,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Der engliſche Gene-<lb/> ralkonſul <hi rendition="#g">Clive</hi> hat ſich nach <hi rendition="#g">Speyer</hi> be-<lb/> geben, wo er von dem franzöſiſchen Provinzial-<lb/> delegierten, <hi rendition="#g">General de Metz,</hi> empfangen<lb/> wurde. Der Oberdelegierte hatte für dieſen Be-<lb/> ſuch eine kleine Anzahl Pfälzer eingeladen, von<lb/> denen er glaubt, daß ſie dem Separatismus<lb/> günſtig gegenüberſtehen.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Für die Einheit des Reiches</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Köln,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Der Provinzialausſchuß<lb/> der <hi rendition="#g">rheiniſchen Zentrumspartei</hi><lb/> hielt hier eine aus allen Teilen der Provinz<lb/> außerordentlich zahlreich beſuchte Tagung ab.<lb/><hi rendition="#g">Der Wille, an der politiſchen Ein-<lb/> heit des Deutſchen Reiches unter<lb/> allen Umſtänden feſtzuhalten,</hi> kam<lb/> in der Verſammlung ſtark zum Ausdruck. Zur<lb/> Reichsregierung erklärt die Verſammlung in<lb/> einer einſtimmig angenommenen Entſchließung<lb/> das <hi rendition="#g">Vertrauen,</hi> daß ſie alle Möglichkeiten<lb/> ausnutzen wird, um <hi rendition="#g">unter Wahrung der<lb/> Einheit des Vaterlandes</hi> der Lage des<lb/> beſetzten Gebietes gerecht zu werden. Die Ver-<lb/> ſammlung forderte mit Nachdruck die Rückkehr<lb/> der Ausgewieſenen und Freilaſſung der Ge-<lb/> fangenen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Entwurf zur 3. Steuernotverordnung</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Berlin,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Der vom Reichs-<lb/> finanzminiſterium ausgearbeitete Entwurf<lb/> der 3. Steuernotverordnung, in der auch<lb/> die Frage der <hi rendition="#g">Hypothekenaufwer-<lb/> tung</hi> behandelt wird, ſoll am Donnerstag<lb/> dem <hi rendition="#g">Reichskabinett</hi> zur Beſchlußfaſ-<lb/> ſung vorgelegt werden.</p><lb/> <p>Der Entwurf weicht von dem urſprüng-<lb/> lichen Plan des Reichsfinanzminiſteriums,<lb/> vor allem in der Frage der Hypothekenauf-<lb/> wertung, ab. Eine beſchränkte und bedingte<lb/> Hypothekenaufwertung iſt darin vorge-<lb/> ſehen, wobei aber in den Ausführungsbe-<lb/> ſtimmungen den <hi rendition="#g">Ländern</hi> ſehr weite<lb/><hi rendition="#g">Vollmachten</hi> gegeben werden.</p><lb/> <p>Dieſe Aenderung des Entwurfes iſt<lb/> hauptſächlich auf die Fühlungnahme zurück-<lb/> zuführen, die der Reichsfinanzminiſter bei<lb/> ſeiner Reiſe nach Süddeutſchland mit den<lb/> Finanzminiſtern der Einzelländer gehabt<lb/> hat.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zum italieniſch-jugoſlawiſchen Uebereinkommen</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Belgrad,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Die geſamte <hi rendition="#g">Preſſe<lb/> begrüßt</hi> das erzielte <hi rendition="#g">Einvernehmen<lb/> mit Italien</hi> mit freudiger Genugtuung und<lb/> ſpendet der Regierung ungeteilte Anerkennung.<lb/> Die Blätter ſchreiben hierbei der letzten Konfe-<lb/> renz der Kleinen Entente zu einem nicht gerin-<lb/> gen Teil das Zuſtandekommen zu. Selbſt die<lb/> Preſſe der äußerſten Oppoſition verzeichnet mit<lb/> Befriedigung das nunmehrige Ende einer jahre-<lb/> langen Spannung zwiſchen zwei Nachbarvölkern<lb/> deren friedliches Zuſammenwirken ſowohl in po-<lb/> litiſcher als wirtſchaftlicher Richtung ein Gebot<lb/> der Notwendigkeit ſei. Die Löſung in der <hi rendition="#g">Fi-<lb/> umefrage</hi> ſieht u. a. vor, daß der Hafen von<lb/> Fiume von Jugoſlawien vorläufig 50 Jahre hin-<lb/> durch frei benützt werden kann. Fiume ſelbſt<lb/> bleibt unter italieniſcher Verwaltung, ohne daß<lb/> jedoch formell eine Annexion ausgeſprochen wäre.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Tſchechien will Verträge auch mit Italien<lb/> und England</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Belgrad,</hi> 16. Januar.</dateline><lb/> <p>Während ſeiner Bel-<lb/> grader Anweſenheit war der tſchechiſche Außen-<lb/> miniſter Dr. Beneſch von Preſſevertretern über<lb/> das tſchechiſch-franzöſiſche Bündnis befragt wor-<lb/> den. Er erklärte, der Vertrag ſei nur eine Folge<lb/> der bisherigen tſchechiſchen Außenpolitik zur Auf-<lb/> rechterhaltung der durch die Friedensverträge<lb/> geſchaffenen Lage. Die Tſchechoſlowakei beab-<lb/> ſichtige keineswegs die Schaffung eines Konti-<lb/> nentalblocks und ſei bereit, <hi rendition="#g">ähnliche Ver-<lb/> träge auch mit England und Ita-<lb/> lien</hi> abzuſchließen. Gänzlich aus der Luft ge-<lb/> griffen ſei die Behauptung, daß ſich die Tſchecho-<lb/> ſlowakei für die franzöſiſche Ruhrpolitik ver-<lb/> pflichtet oder irgendwelche Garantien für die<lb/> Einhaltung der Reparationen übernommen habe.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Deplacierte Predigt-Texte</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Von<lb/><hi rendition="#aq">Dr. <hi rendition="#g">Johannes Kleinpaul</hi></hi></byline><lb/> <p>Kurz nach der Kriegserklärung des Jahres 1870<lb/> wurde von König Wilhelm von Preußen ein Bet-<lb/> und Bußtag ausgeſchrieben. Das iſt nicht weiter<lb/> verwunderlich, vielmehr war es das in ſolchen<lb/> Fällen Altherkömmliche. Verwunderlich war je-<lb/> doch der dafür aus dem „Buch der Bücher“ aus-<lb/> gewählte Predigttext: Jeremia <hi rendition="#aq">XIV,</hi> 7 und 8.<lb/> Dieſer lautete nämlich:</p><lb/> <cit> <quote>Ach, Herr, <hi rendition="#g">unſere Miſſetaten ha-<lb/> ben’s ja verdient;</hi> aber hilf doch um<lb/> deines Namens willen, denn unſer Ungehor-<lb/> ſam iſt groß, damit wir wider dich geſündigt<lb/> haben.<lb/> Du biſt der Troſt Israels und ſein Not-<lb/> helfer; warum ſtellteſt du dich, als wäreſt du<lb/> ein Gaſt im Lande, und ein Fremder, der<lb/> nur über Nacht drinnen bleibt?</quote> </cit><lb/> <p>Dieſe ausgegebene „Parole“ erregte vielerorten<lb/> Befremden, doch man fügte ſich, bis auf den Rek-<lb/> tor und Prediger <hi rendition="#g">Gittermann</hi> in Eſens<lb/> (Oſtfriesland), der Sonntags darauf an dem<lb/> Texte und an der von einem ſeiner dortigen<lb/> Herren Amtsbrüder darüber gehaltenen Predigt<lb/> öffentlich Kritik übte. Die Strafe dafür blieb<lb/> nicht aus: Gittermann wurde kurz darauf ſeines<lb/> Amtes entſetzt und erſt nach ein paar Jahren als<lb/> Lehrer an der Kgl. Navigationsſchule in Leer<lb/> wieder angeſtellt, wo er im Jahre 1892 hoch-<lb/> betagt ſtarb. Gerade der beherzte Gittermann<lb/> hätte ſich aber eigentlich von der (damals in Oſt-<lb/> friesland neuen) preußiſchen Regierung anderen<lb/> Dank verdient, denn er war der Verfaſſer jener<lb/><hi rendition="#g">Wirdumer Proklamation</hi> von 1866, für<lb/> die <hi rendition="#g">Bismarck</hi> in einem längeren Handſchreiben<lb/> dankte und die ſpäter <hi rendition="#g">Heinrich v. Treitſchke</hi><lb/> mit den Worten würdigte: <cit><quote>„Die Erſten in Deutſch-<lb/> land haben die <hi rendition="#g">Oſtfrieſen</hi> den engherzigen<lb/> Pariikularismus der Staatenbildung des Wiener<lb/> Kongreſſes durchbrochen und mit mutiger Hand<lb/> das politiſche Band zerriſſen, um das nationale,<lb/><cb/> ſie an ihr großes deutſches Vaterland knüpfende<lb/> Band deſto enger zu binden, deſto unzerreißbarer<lb/> zu befeſtigen.“</quote></cit></p><lb/> <p>Von einem anderen Predigttexte, der durch ſeine<lb/><hi rendition="#g">Verfehltheit</hi> berühmt wurde, wird erzählt:<lb/> Bald nachdem <hi rendition="#g">Stanislaus Leſczynski</hi><lb/> zum König von Polen gewählt worden war, be-<lb/> gleitete er ſeinen Gönner, König Karl <hi rendition="#aq">XII.</hi> von<lb/> Schweden, im Jahre 1706 bei deſſen Einfall in<lb/> Sachſen, wo der Schwedenkönig ſeinen Feldpre-<lb/> diger über Heſekiel <hi rendition="#aq">XXI,</hi> 25 und 26 predigen ließ.<lb/> Dieſer Text enthielt die ominöſen, ſich gar bald<lb/> bewahrheitenden Worte:</p><lb/> <cit> <quote>Tue weg den Hut und hebe ab die Krone,<lb/> denn <hi rendition="#g">es wird weder der Hut noch<lb/> die Krone bleiben</hi> — und ich will die<lb/> Krone zu nichte, zu nichte, zu nichte machen,<lb/> bis der komme, der ſie haben ſoll, dem will<lb/> ich ſie geben.</quote> </cit><lb/> <p>In einem dritten derartigen Falle ſchuf ein<lb/> harmloſer Schreib- oder Leſefehler einem Prediger<lb/> arge Pein. Zur Feier der <hi rendition="#g">Krönung</hi> König<lb/><hi rendition="#g">Friedrich Wilhelms</hi> <hi rendition="#aq">I.</hi> von Preußen im<lb/> Jahre 1713 war als Predigttext die Stelle<lb/> Daniel <hi rendition="#aq">II,</hi> 20 und 21 vorgeſchrieben, die ſich ſehr<lb/> wohl für eine ſolche Gelegenheit eignet. Ein<lb/> Geiſtlicher las aber ſtatt Kapitel <hi rendition="#aq">II</hi> Kapitel 11<lb/> und kam dadurch auf folgenden Text:</p><lb/> <cit> <quote>Und an ſeiner Statt wird einer aufkom-<lb/> men, der wird <hi rendition="#g">in königlichen Ehren<lb/> ſitzen wie ein Scherge,</hi> aber nach<lb/> wenig Tagen wird er <hi rendition="#g">brechen,</hi> doch weder<lb/> durch Zorn noch durch Streit. An deſſen<lb/> Statt wird aufkommen ein Ungeachteter,<lb/> welchem die Ehre des Königreichs nicht be-<lb/> dacht war; der wird kommen, und wird ihm<lb/> gelingen, und das Königreich mit ſüßen Wor-<lb/> ten einnehmen.</quote> </cit><lb/> <p>Der Pfarrer gab ſich zwar alle Mühe, den be-<lb/> fremdlichen Text in Einklang mit der Feſtfeier<lb/> zu bringen, allein ſein guter Wille ſcheiterte ſchon<lb/> an den Eingangsworten, und als die Sache dem<lb/> König zu Ohren kam, ſchickte er den Unglücklichen<lb/> auf ſechs Monate nach <hi rendition="#g">Spandau!</hi></p><lb/> <cb/> <p>Recht kitzlich war auch folgender Fall: Durch<lb/> den Frieden von Preßburg vom 26. Dezember<lb/> 1805 iſt <hi rendition="#g">Württemberg</hi> anſehnlich vergrößert<lb/> und zum <hi rendition="#g">Königreich</hi> erhoben worden. Dem-<lb/> gemäß nahm Friedrich <hi rendition="#aq">II.</hi> am 1. Januar 1806<lb/> den Königstitel an und ließ in allen Kirchen einen<lb/> Dankgottesdienſt halten, zu deſſen Predigt er ſelbſt<lb/> den Text angab, nämlich Pſalm <hi rendition="#aq">XXI,</hi> 7 und <hi rendition="#aq">S:</hi></p><lb/> <cit> <quote>Du ſetzeſt ihn zum Segen ewiglich und<lb/> erfreueſt ihn mit den Freuden deines Ant-<lb/> litzes; denn der König hofft auf den Herrn<lb/> und wird durch die Güte des Herrn feſt-<lb/> bleiben.</quote> </cit><lb/> <p>Das war ein paſſender Text für die <hi rendition="#g">prote-<lb/> ſtantiſchen</hi> Paſtoren; als aber die <hi rendition="#g">katho-<lb/> liſchen</hi> Pfarrer ihre Bibel aufſchlugen, fanden<lb/> ſie an der angegebenen Stelle zu ihrem Entſetzen<lb/> etwas ganz anderes, nämlich folgendes:</p><lb/> <cit> <quote>Ich bin ein Wurm und kein Menſch, <hi rendition="#g">ein<lb/> Spott der Leute und Verachtung<lb/> des Volkes; alle, die mich ſehen,<lb/> ſpotten meiner, ſperren das Maul<lb/> auf und ſchütteln den Kopf</hi>.</quote> </cit><lb/> <p>Darüber ließ ſich natürlich nicht predigen. Dem<lb/> König war unbekannt geblieben, daß die katholiſche<lb/> und die proteſtantiſche Bibel in der Numerierung<lb/> der Pſalmen ſich unterſcheiden, ſo daß der Katholik<lb/> in Pſalm 22 ſuchen muß, was der Proteſtant in<lb/> Pſalm 21 hat. Das Verſehen wurde ſchleunigſt<lb/> wieder gut gemacht, aber ganz Württemberg hat<lb/> lange über das drollige Mißverhältnis gelacht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Angſt vor Wiener Konkurrenz</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 11. Jan.</dateline><lb/> <p>Für das kommende Frühjahr<lb/> iſt bekanntlich der <hi rendition="#g">Beſuch der Wiener<lb/> Staatsoper,</hi> Soliſten, Chor, Philharmoniker<lb/> mit <hi rendition="#g">Richard Strauß</hi> und <hi rendition="#g">Schalk</hi> in London<lb/> geplant. Die Nachrichten, ob das Gaſtſpiel zu-<lb/> ſtande kommt oder nicht, wechſeln. Kaum ſcheint<lb/> alles geregelt, gibt es neue unerwartete Schwie-<lb/> rigkeiten. Die letzte war die Honorierung des<lb/> Wiener Chores. Dieſe ſchien den Chormitgliedern<lb/> weſentlich zu niedrig, Verhandlungen ſchweben.</p><lb/> <cb/> <p>Nun iſt aber ein neues Hindernis aufgetreten:<lb/> die Londoner Orcheſtermuſiker, weit entfernt, ſich<lb/> auf den Beſuch des erſten Orcheſters Europas zu<lb/> freuen, proteſtieren. Sie haben ein Geſuch an die<lb/> Regierung eingereicht in dem ſie bitten, die „<hi rendition="#g">Ein-<lb/> wanderung“ ausländiſcher Spieler<lb/> zu verbieten,</hi> was auch nach dem gegenwär-<lb/> tigen Geſetz möglich iſt. Seit dem Kriege haben<lb/> wir hier nur <hi rendition="#g">eine</hi> erſtklaſſige Operngeſellſchaft<lb/> gehabt: die <hi rendition="#g">Britiſh National Opera<lb/> Company,</hi> eine kooperative Geſellſchaft. Nach<lb/> ſchlechten Zeiten kommt dieſe nun auf einen grü-<lb/> nen Zweig und ſieht es natürlich nicht gerne, daß<lb/> die Wiener Oper ihnen für den Sommer den<lb/> Grund unter den Füßen wegnimmt. Denn wir<lb/> haben in London nur ein Opernhaus: Covent<lb/> Garden. Es ſei hier auch erwähnt, daß die Britiſh<lb/> National Opera Company deutſchen Opern einen<lb/> ſehr großen Raum in ihrem Repertoire einräumt:<lb/> neben dem „Ring“, „Triſtan“ und den „Meiſter-<lb/> ſingern“ gelangen „Roſenkavalier“ und „Hänſel<lb/> und Gretel“ zur regelmäßigen Aufführung.</p><lb/> <p>Die Wiener Orcheſterfrage harrt der Löſung!</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">Dr. G. A. Pfister.</hi> </byline> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"><lb/> <p><hi rendition="#b">Arne Garborg,</hi> der norwegiſche Dichter, iſt,<lb/> 73 Jahre alt, in Asker geſtorben. Unter den<lb/> epiſchen Dichtern Skandinabiens war er der-<lb/> jenige, der neben J. P. Jakobſen und Knut<lb/> Hamſum die deutſche naturaliſtiſche Literatur um<lb/> die Jahrhundertwende am ſtärkſten beeinflußt<lb/> hat. Seine Romane, „Bauernſtudenten“, „Aus<lb/> der Männerwelt“, „Bei Mama“ und „Müde<lb/> Seelen“ wurden von der damals jungen Poeten-<lb/> generation als Offenbarungen eines neuen Kunſt-<lb/> ſtils und einer neuen Welt- und Lebensanſchau-<lb/> ung mit Begeiſterung aufgenommen und vielfach<lb/> nachgeahmt. Seit zwei Jahrzehnten hörte man<lb/> in Deutſchland kaum noch etwas von ihm. Ein<lb/> neues Geſchlecht war herangewachſen, das auch<lb/> in der Dichtung neue Pfade einſchlug. So wird<lb/> es unter den jungen Literaten unſerer Tage<lb/> manchen geben, der den Namen Arne Garborg<lb/> heute zum erſtenmal hört. Einen Namen, der<lb/> vor einem Menſchenalter in aller Munde war<lb/> und den man damals für unſterblich hielt.</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Allgemeine Zeitung Nr. 16 Donnerstag, den 17. Januar 1924.
durch rieſige Zentralbehörden
verwaltet werden müſſe. Die Begriffe Ein-
heitsſtaat und Zentraliſation
haben aber in Wirklichkeit gar nichts mit-
einander zu tun. Der Einheitsſtaat, d. h.
ein Staat, in dem die wichtigſten Gebiete
des ſtaatlichen Lebens durch die gleichen
Geſetze geregelt werden und in dem eine
einheitliche Vollzugsgewalt beſteht, kann
zentraliſiert werden, aber das iſt keines-
wegs nötig, wie das Beiſpiel Englands
zeigt, in dem die weiteſtgehende Selbſtver-
waltung herrſcht. Die Dezentraliſa-
tion iſt in doppelter Weiſe durchführbar,
einmal dadurch, daß die höchſten Zentral-
ſtellen des Reiches auf verſchiedene Orte
verteilt werden, zweitens dadurch, daß die
Zuſtändigkeit der mittleren und unteren
Reichsſtellen erweitert wird. In erſterer
Hinſicht wurde bei uns ein verheißungs-
voller Anfang damit gemacht, daß als Sitz
des Reichsgerichtes Leipzig, als Sitz des
Reichsfinanzhofs München beſtimmt wurde.
Es wäre aber dringend zu wünſchen, daß
noch mehr in der Richtung geſchähe; denn
es liegt darin eine wertvolle Stärkung des
Reichsgedankens. Es wird dadurch vor
Augen geführt, daß das Reich überall und
nicht nur in Berlin iſt. In der Schweiz,
die uns in vielem als Vorbild dienen kann,
iſt man auch in gleicher Weiſe vorgegangen.
In Bern hauſt der Bundesrat, das Bundes-
gericht iſt in Lauſanne Zürich iſt eidgenöſſi-
ſcher Waffenplatz und Sitz des eidgenöſſi-
ſchen Polytechnikums. Bedauerlich iſt es
auch, daß der Reichstag nicht in Weimar
bleiben konnte; denn es iſt gewiß ein Vor-
teil, wenn die geſetzgebende Verſammlung
nicht in einer der volkreichſten Städte tagt.
Das hat man auch in den Vereinigten
Staaten richtig empfunden, als man das
ruhige Waſhington zur Bundeshauptſtadt
erwählte. Oft habe ich es von Abgeord-
neten, die ſchon in der Nationalverſamm-
lung ſaßen, gehört, daß ſie die Art der
Arbeit in Weimar als erſprießlicher und
befriedigender empfunden hätten; aber
techniſche Schwierigkeiten ſtanden Weimar
im Wege und noch unmöglicher wäre es
heutzutage, daß der Reichstag wie in den
Zeiten des alten Reiches bald in dieſer, bald
in jener Stadt zuſammenträte. Das würde
deutſcher Sinnesart, der es ganz fern liegt,
einen einzelnen Ort als Brennpunkt des
nationalen Lebens anzuerkennen, am beſten
entſprechen; denn gerade wir Einheits-
freunde ſind der Zuſammenballung rieſiger
Zentralbehörden mit einem Stab von
Tauſenden von Beamten durchaus abhold.
Wir wollen, daß der Reichsgedanke in allen,
auch den entfernteſten Teilen des Reiches
gleich lebendig wirkt und durch Träger der
Reichsgewalt vertreten wird. Aber gerade
dieſe Art der Bekämpfung der Zentraliſa-
tion iſt den Einzelſtaatlern nicht einmal er-
wünſcht; das erfuhr ich z. B., als mein
Antrag, die Zentralſtelle des Arbeitsnach-
weiſes außerhalb Berlins zu verlegen, nicht
einmal von der Bayeriſchen Volkspartei
unterſtützt wurde.
(Schluß folgt).
Nach der engliſchen Thronrede
Gegen den Separatismus
London, 16. Januar.
In ſeiner Rede im
Oberhaus verlangte Grey, daß die Alliierten im
Rheinland jede ſeparatiſtiſche Bewe-
gung energiſch bekämpfen, die nicht auf
geſetzmäßigem Wege verſucht, eine Volksbewe-
gung zu verwirklichen.
In ſeiner Entgegnung ſagte Lord Curzon,
die ſeparatiſtiſche Bewegung ſei keine Volks-
bewegung, ſondern von wenigen unerfreu-
lichen Elementen der Bevölkerung getragen.
England habe gegen die Anerkennung der Ver-
ordnungen der Pfalzregierung proteſtiert, weil
die Rheinlandskommiſſion überhaupt nicht
das Recht habe, zur innerpolitiſchen Geſtal-
tung Deutſchlands Stellung zu nehmen, ſondern
nur da ſei, um über die Sicherheit der Beſat-
zungstruppen zu wachen. Frankreichs Wider-
ſtand gegen eine engliſche Unterſuchung in der
Pfalz durch den zuſtändigen engliſchen Konſul
ſei unbegreiflich.
Die Ausſprache im engliſchen Unterhaus
London, 16. Januar.
Im Unterhaus begann
geſtern nachmittags die Debatte über die Thron-
rede. Nachdem für die Konſervativen Dr.
Banks und Lord Apsley Erklärungen ab-
gegeben und die Ausführungen der Thronrede
gebilligt hatten, erhob ſich der Führer der
Arbeiterpartei, Ramſay Macdo-
nald. Er erklärte, er begrüße die in der Thron-
rede enthaltenen Aeußerungen über die aus-
wärtige Politik, aber die Lage werde von
Augenblick zu Augenblick ernſthafter, und
es ſei dringend notwendig, eine entſcheidenere
und wirkſamere engliſche Politik nach außen ein-
zuſchlagen. Die Ausſicht eines Regierungswech-
ſels in England habe mehr Einfluß ausgeübt,
als 12 Monate des Wirkens der gegen-
wärtigen Regierung.
Wenn England den feſten Entſchluß habe, dem
Chaos ein Ende zu machen, würde auch eine Än-
derung in der politiſchen Lage Deutſchlands ein-
treten, die gegenwärtig mit der von 1914 zu ver-
gleichen ſei.
Zur Frage der Ruhrbeſetzung erklärte der Redner:
Vor 12 Monaten ſei das engliſche Kabinett mit der
franzöſiſchen Ruhrpolitik nicht einverſtanden ge-
weſen. Als die engliſche Regierung von ihren eigenen
Ratgebern erfuhr, daß die Ruhrbeſetzung ungeſetzlich
war, habe ſie ſich darauf beſchränkt, den Verbündeten
zu ſagen: Wenn wir uns auch dem Unternehmen nicht
anſchließen, weil wir überzeugt ſind, daß ihr unrecht
habt, ſo hoffen wir doch, daß es auch gelingt Welch
ein Wahnſinn! England müſſe die verſchiedenen
Schwierigkeiten die ihm entgegenſtehen, überwinden,
um ſeine Autorität wieder zu gewinnen.
Man müſſe um jeden Preis neue Wege in der
Politik einſchlagen und dürfe nicht dulden, daß man
übergangen werde Keine Nation in ganz Europa
werde England beiſeite ſtehen laſſen, wenn es aus-
drücklich bekundete, daß es ſeinem Entſchluß Geltung
verſchaffen würde. Nach einem Vorwurf über die
unſchlüſſige Politik nach dem Januar 1923, ſowie der
Note über die Ungeſetzmäßigkeit der Ruhrbeſetzung,
erklärte Macdonald, eine Regierung, die ſo ungeſetz-
liche Politik treibe, habe keinen Anſpruch auf das
Vertrauen des Landes
Als nächſter Redner verlangte Lloyd George Auf-
ſchluß über das Tangerabkommen, die rheiniſche
Abfallbewegung, ſowie über gewiſſe Abmachungen
der franzöſiſchen Regierung mit deutſchen Finanz-
leuten in der Frage der Kohlengruben. Wenn
unſere Verbündeten die Separatiſten gefördert haben,
haben ſie damit einen ſchändlichen Bruch des
Verſailler Vertrags begangen.“ Es ſei mit ge-
nügender Klarheit bewieſen worden, daß Frank-
reich Gelder zur Unterſtützung der Abfall-
bewegung verwendet habe. Wenn die franzö-
ſichen Annexioniſten mit ihren Plänen Erfolg haben,
werde der europäiſche Friede bedroht ſein und
ein ernſter Konflikt ſei unvermeidlich
Zum Schluß ergriff noch Premierminiſter Baldwin
das Wort: In einem Parlament mit drei ungleichen
Parteien, von denen keine ohne die Unterſtützung der
beiden anderen Politik machen könne, beſtehe das
einzige Mittel zur Löſüng dieſes Problems darin,
eine Konferenz von Vertretern ſämtlicher Parteien
herbeizuführen, ob eine Verſtändigung über eine
gemeinſame Politik zu erreichen iſt Im Hinblick
an die neuen von der Reparationskommiſion ernann-
ten Sachverſtändigenausſchüſſe bemerkte Bald-
win, daß dieſer Ausſchuß den erſten wahren Ver-
ſuch zur Erzielung eines Ergebniſſes ſeit
einem Jahr darſtelle. Es ſei möglich, daß die fran-
zöſiſche Regierung auf Grund des gegenwärtigen
Meinungsaustauſches zur Erkenntnis komme, daß
das ganze Reparationsproblem unverzüglich zur Löſung
gebracht werden müſſe. Der rheiniſch-weſtfäliſche
Separatismus bereite der Regierung lebhafte Be-
ſorgnis. Aus dieſem Grunde ſei der engliſche Ver-
treter nach der Pfalz geſandt worden
Zum Schluß erklärte Baldwin unter lebhaftem
Beifall der Konſervativen, daß, wenn die Oppoſition
ihm den Fehdehandſchuh hinwerfe, die Regierung
ihn ſofort aufnehmen werde.
London, 16. Januar.
Die große Tagesordnung
der Arbeiterpartei in Erwiderung der
Thronrede wird dem Unterhaus morgen unter-
breitet werden. Sie wird mit folgenden Worten
ſchließen:
„Es iſt unſere Pflicht, Ew. Majeſtät mitzu-
teilen, daß Ew. Majeſtät gegenwärtige Ratgeber
nicht mehr das Vertrauen dieſes Hauſes be-
ſitzen.“
Clive bei den Pfälzern
Mannheim, 16. Januar.
Der engliſche Gene-
ralkonſul und Botſchaftsrat Clive hat dem
Wunſche der pfälziſchen Regierung entſprochen
und im Parkhotel in Mannheim, wo er abge-
ſtiegen war, Vertreter der Pfalz zu einer Aus-
ſprache empfangen. Die Ausſprache ergab ein
erſchütterndes Bild über die Qua-
len der pfälziſchen Bevölkerung unter der ſepa-
ratiſtiſchen Herrſchaft. Einen beſonders tiefen
Eindruck machten die Erklärungen eines Arbeiter-
vertreters, daß 99 Prozent der Bevölkerung die
Separatiſtenherrſchaft auf das Einmütigſte ver-
urteilen und die unlauteren Elemente, die die
Gewalt an ſich geriſſen haben, niemals als eine
rechtmäßige Regierung anerkennen werde. Nie
in einem kritiſchen Zeitpunkt habe die pfälziſche
Arbeiterſchaft ſo feſt beieinander geſtanden, wie
zur Zeit bei der Ablehnung des Separatismus.
Es war ein Augenblick von hiſtoriſcher Bedeu-
tung, als die berufenen Vertreter der Pfalz, der
Biſchof von Speyer und der Präſi-
dent der proteſtantiſchen Landes-
kirche durch Erhebung von den Sitzen ihre Zu-
ſtimmung an folgender Kundgebung gaben:
Die berufenſten Vertreter ſämtlicher Weltan-
ſchauungen, aller politiſchen, wirtſchaftlichen und
Berufsverbände der Pfalz erklären dem Herrn
engliſchen Generalko Konſul Clive als dem Abge-
ſandten der Regierung Großbritanniens, daß die
pfälziſche Bevölkerung auch unter den fürchter-
lichſten Drangſalen der Gewaltherrſchaft der ſo-
genannten ſeparatiſtiſchen Regierung dieſer als
einer Horde landfremder, geiſtig minderwertiger
Elemente niemals folgen werde. Nur
durch die Unterſtützung der Separatiſten
durch die franzöſiſche Beſatzungsbehörde
wurde dieſe Gewaltherrſchaft gegen ein wehr-
und waffenloſes Volk möglich. Im Namen der
Menſchenrechte und der Selbſtbeſtimmung einer
kulturell und wirtſchaftlich hochſtehenden Bevöl-
kerung von 800 000 treudeutſchen Pfälzern bitten
wir den Herrn Vertreter der britiſchen Nation,
bei ſeiner Regierung dahin wirken zu wollen,
daß in unſerer Pfalz wieder der Rechtsboden der
deutſchen und der bayeriſchen Verfaſſung im
Verſailler Vertrag und im Rheinlandsabkom-
men geſchaffen und die pfälziſche Bevölkerung
von der ſeparatiſtiſchen Tyrannei befreit werde.
Mannheim, 16. Januar.
Der engliſche Gene-
ralkonſul Clive hat ſich nach Speyer be-
geben, wo er von dem franzöſiſchen Provinzial-
delegierten, General de Metz, empfangen
wurde. Der Oberdelegierte hatte für dieſen Be-
ſuch eine kleine Anzahl Pfälzer eingeladen, von
denen er glaubt, daß ſie dem Separatismus
günſtig gegenüberſtehen.
Für die Einheit des Reiches
Köln, 16. Januar.
Der Provinzialausſchuß
der rheiniſchen Zentrumspartei
hielt hier eine aus allen Teilen der Provinz
außerordentlich zahlreich beſuchte Tagung ab.
Der Wille, an der politiſchen Ein-
heit des Deutſchen Reiches unter
allen Umſtänden feſtzuhalten, kam
in der Verſammlung ſtark zum Ausdruck. Zur
Reichsregierung erklärt die Verſammlung in
einer einſtimmig angenommenen Entſchließung
das Vertrauen, daß ſie alle Möglichkeiten
ausnutzen wird, um unter Wahrung der
Einheit des Vaterlandes der Lage des
beſetzten Gebietes gerecht zu werden. Die Ver-
ſammlung forderte mit Nachdruck die Rückkehr
der Ausgewieſenen und Freilaſſung der Ge-
fangenen.
Der Entwurf zur 3. Steuernotverordnung
* Berlin, 16. Januar.
Der vom Reichs-
finanzminiſterium ausgearbeitete Entwurf
der 3. Steuernotverordnung, in der auch
die Frage der Hypothekenaufwer-
tung behandelt wird, ſoll am Donnerstag
dem Reichskabinett zur Beſchlußfaſ-
ſung vorgelegt werden.
Der Entwurf weicht von dem urſprüng-
lichen Plan des Reichsfinanzminiſteriums,
vor allem in der Frage der Hypothekenauf-
wertung, ab. Eine beſchränkte und bedingte
Hypothekenaufwertung iſt darin vorge-
ſehen, wobei aber in den Ausführungsbe-
ſtimmungen den Ländern ſehr weite
Vollmachten gegeben werden.
Dieſe Aenderung des Entwurfes iſt
hauptſächlich auf die Fühlungnahme zurück-
zuführen, die der Reichsfinanzminiſter bei
ſeiner Reiſe nach Süddeutſchland mit den
Finanzminiſtern der Einzelländer gehabt
hat.
Zum italieniſch-jugoſlawiſchen Uebereinkommen
Belgrad, 16. Januar.
Die geſamte Preſſe
begrüßt das erzielte Einvernehmen
mit Italien mit freudiger Genugtuung und
ſpendet der Regierung ungeteilte Anerkennung.
Die Blätter ſchreiben hierbei der letzten Konfe-
renz der Kleinen Entente zu einem nicht gerin-
gen Teil das Zuſtandekommen zu. Selbſt die
Preſſe der äußerſten Oppoſition verzeichnet mit
Befriedigung das nunmehrige Ende einer jahre-
langen Spannung zwiſchen zwei Nachbarvölkern
deren friedliches Zuſammenwirken ſowohl in po-
litiſcher als wirtſchaftlicher Richtung ein Gebot
der Notwendigkeit ſei. Die Löſung in der Fi-
umefrage ſieht u. a. vor, daß der Hafen von
Fiume von Jugoſlawien vorläufig 50 Jahre hin-
durch frei benützt werden kann. Fiume ſelbſt
bleibt unter italieniſcher Verwaltung, ohne daß
jedoch formell eine Annexion ausgeſprochen wäre.
Tſchechien will Verträge auch mit Italien
und England
Belgrad, 16. Januar.
Während ſeiner Bel-
grader Anweſenheit war der tſchechiſche Außen-
miniſter Dr. Beneſch von Preſſevertretern über
das tſchechiſch-franzöſiſche Bündnis befragt wor-
den. Er erklärte, der Vertrag ſei nur eine Folge
der bisherigen tſchechiſchen Außenpolitik zur Auf-
rechterhaltung der durch die Friedensverträge
geſchaffenen Lage. Die Tſchechoſlowakei beab-
ſichtige keineswegs die Schaffung eines Konti-
nentalblocks und ſei bereit, ähnliche Ver-
träge auch mit England und Ita-
lien abzuſchließen. Gänzlich aus der Luft ge-
griffen ſei die Behauptung, daß ſich die Tſchecho-
ſlowakei für die franzöſiſche Ruhrpolitik ver-
pflichtet oder irgendwelche Garantien für die
Einhaltung der Reparationen übernommen habe.
Deplacierte Predigt-Texte
Von
Dr. Johannes Kleinpaul
Kurz nach der Kriegserklärung des Jahres 1870
wurde von König Wilhelm von Preußen ein Bet-
und Bußtag ausgeſchrieben. Das iſt nicht weiter
verwunderlich, vielmehr war es das in ſolchen
Fällen Altherkömmliche. Verwunderlich war je-
doch der dafür aus dem „Buch der Bücher“ aus-
gewählte Predigttext: Jeremia XIV, 7 und 8.
Dieſer lautete nämlich:
Ach, Herr, unſere Miſſetaten ha-
ben’s ja verdient; aber hilf doch um
deines Namens willen, denn unſer Ungehor-
ſam iſt groß, damit wir wider dich geſündigt
haben.
Du biſt der Troſt Israels und ſein Not-
helfer; warum ſtellteſt du dich, als wäreſt du
ein Gaſt im Lande, und ein Fremder, der
nur über Nacht drinnen bleibt?
Dieſe ausgegebene „Parole“ erregte vielerorten
Befremden, doch man fügte ſich, bis auf den Rek-
tor und Prediger Gittermann in Eſens
(Oſtfriesland), der Sonntags darauf an dem
Texte und an der von einem ſeiner dortigen
Herren Amtsbrüder darüber gehaltenen Predigt
öffentlich Kritik übte. Die Strafe dafür blieb
nicht aus: Gittermann wurde kurz darauf ſeines
Amtes entſetzt und erſt nach ein paar Jahren als
Lehrer an der Kgl. Navigationsſchule in Leer
wieder angeſtellt, wo er im Jahre 1892 hoch-
betagt ſtarb. Gerade der beherzte Gittermann
hätte ſich aber eigentlich von der (damals in Oſt-
friesland neuen) preußiſchen Regierung anderen
Dank verdient, denn er war der Verfaſſer jener
Wirdumer Proklamation von 1866, für
die Bismarck in einem längeren Handſchreiben
dankte und die ſpäter Heinrich v. Treitſchke
mit den Worten würdigte: „Die Erſten in Deutſch-
land haben die Oſtfrieſen den engherzigen
Pariikularismus der Staatenbildung des Wiener
Kongreſſes durchbrochen und mit mutiger Hand
das politiſche Band zerriſſen, um das nationale,
ſie an ihr großes deutſches Vaterland knüpfende
Band deſto enger zu binden, deſto unzerreißbarer
zu befeſtigen.“
Von einem anderen Predigttexte, der durch ſeine
Verfehltheit berühmt wurde, wird erzählt:
Bald nachdem Stanislaus Leſczynski
zum König von Polen gewählt worden war, be-
gleitete er ſeinen Gönner, König Karl XII. von
Schweden, im Jahre 1706 bei deſſen Einfall in
Sachſen, wo der Schwedenkönig ſeinen Feldpre-
diger über Heſekiel XXI, 25 und 26 predigen ließ.
Dieſer Text enthielt die ominöſen, ſich gar bald
bewahrheitenden Worte:
Tue weg den Hut und hebe ab die Krone,
denn es wird weder der Hut noch
die Krone bleiben — und ich will die
Krone zu nichte, zu nichte, zu nichte machen,
bis der komme, der ſie haben ſoll, dem will
ich ſie geben.
In einem dritten derartigen Falle ſchuf ein
harmloſer Schreib- oder Leſefehler einem Prediger
arge Pein. Zur Feier der Krönung König
Friedrich Wilhelms I. von Preußen im
Jahre 1713 war als Predigttext die Stelle
Daniel II, 20 und 21 vorgeſchrieben, die ſich ſehr
wohl für eine ſolche Gelegenheit eignet. Ein
Geiſtlicher las aber ſtatt Kapitel II Kapitel 11
und kam dadurch auf folgenden Text:
Und an ſeiner Statt wird einer aufkom-
men, der wird in königlichen Ehren
ſitzen wie ein Scherge, aber nach
wenig Tagen wird er brechen, doch weder
durch Zorn noch durch Streit. An deſſen
Statt wird aufkommen ein Ungeachteter,
welchem die Ehre des Königreichs nicht be-
dacht war; der wird kommen, und wird ihm
gelingen, und das Königreich mit ſüßen Wor-
ten einnehmen.
Der Pfarrer gab ſich zwar alle Mühe, den be-
fremdlichen Text in Einklang mit der Feſtfeier
zu bringen, allein ſein guter Wille ſcheiterte ſchon
an den Eingangsworten, und als die Sache dem
König zu Ohren kam, ſchickte er den Unglücklichen
auf ſechs Monate nach Spandau!
Recht kitzlich war auch folgender Fall: Durch
den Frieden von Preßburg vom 26. Dezember
1805 iſt Württemberg anſehnlich vergrößert
und zum Königreich erhoben worden. Dem-
gemäß nahm Friedrich II. am 1. Januar 1806
den Königstitel an und ließ in allen Kirchen einen
Dankgottesdienſt halten, zu deſſen Predigt er ſelbſt
den Text angab, nämlich Pſalm XXI, 7 und S:
Du ſetzeſt ihn zum Segen ewiglich und
erfreueſt ihn mit den Freuden deines Ant-
litzes; denn der König hofft auf den Herrn
und wird durch die Güte des Herrn feſt-
bleiben.
Das war ein paſſender Text für die prote-
ſtantiſchen Paſtoren; als aber die katho-
liſchen Pfarrer ihre Bibel aufſchlugen, fanden
ſie an der angegebenen Stelle zu ihrem Entſetzen
etwas ganz anderes, nämlich folgendes:
Ich bin ein Wurm und kein Menſch, ein
Spott der Leute und Verachtung
des Volkes; alle, die mich ſehen,
ſpotten meiner, ſperren das Maul
auf und ſchütteln den Kopf.
Darüber ließ ſich natürlich nicht predigen. Dem
König war unbekannt geblieben, daß die katholiſche
und die proteſtantiſche Bibel in der Numerierung
der Pſalmen ſich unterſcheiden, ſo daß der Katholik
in Pſalm 22 ſuchen muß, was der Proteſtant in
Pſalm 21 hat. Das Verſehen wurde ſchleunigſt
wieder gut gemacht, aber ganz Württemberg hat
lange über das drollige Mißverhältnis gelacht.
Angſt vor Wiener Konkurrenz
London, 11. Jan.
Für das kommende Frühjahr
iſt bekanntlich der Beſuch der Wiener
Staatsoper, Soliſten, Chor, Philharmoniker
mit Richard Strauß und Schalk in London
geplant. Die Nachrichten, ob das Gaſtſpiel zu-
ſtande kommt oder nicht, wechſeln. Kaum ſcheint
alles geregelt, gibt es neue unerwartete Schwie-
rigkeiten. Die letzte war die Honorierung des
Wiener Chores. Dieſe ſchien den Chormitgliedern
weſentlich zu niedrig, Verhandlungen ſchweben.
Nun iſt aber ein neues Hindernis aufgetreten:
die Londoner Orcheſtermuſiker, weit entfernt, ſich
auf den Beſuch des erſten Orcheſters Europas zu
freuen, proteſtieren. Sie haben ein Geſuch an die
Regierung eingereicht in dem ſie bitten, die „Ein-
wanderung“ ausländiſcher Spieler
zu verbieten, was auch nach dem gegenwär-
tigen Geſetz möglich iſt. Seit dem Kriege haben
wir hier nur eine erſtklaſſige Operngeſellſchaft
gehabt: die Britiſh National Opera
Company, eine kooperative Geſellſchaft. Nach
ſchlechten Zeiten kommt dieſe nun auf einen grü-
nen Zweig und ſieht es natürlich nicht gerne, daß
die Wiener Oper ihnen für den Sommer den
Grund unter den Füßen wegnimmt. Denn wir
haben in London nur ein Opernhaus: Covent
Garden. Es ſei hier auch erwähnt, daß die Britiſh
National Opera Company deutſchen Opern einen
ſehr großen Raum in ihrem Repertoire einräumt:
neben dem „Ring“, „Triſtan“ und den „Meiſter-
ſingern“ gelangen „Roſenkavalier“ und „Hänſel
und Gretel“ zur regelmäßigen Aufführung.
Die Wiener Orcheſterfrage harrt der Löſung!
Dr. G. A. Pfister.
Arne Garborg, der norwegiſche Dichter, iſt,
73 Jahre alt, in Asker geſtorben. Unter den
epiſchen Dichtern Skandinabiens war er der-
jenige, der neben J. P. Jakobſen und Knut
Hamſum die deutſche naturaliſtiſche Literatur um
die Jahrhundertwende am ſtärkſten beeinflußt
hat. Seine Romane, „Bauernſtudenten“, „Aus
der Männerwelt“, „Bei Mama“ und „Müde
Seelen“ wurden von der damals jungen Poeten-
generation als Offenbarungen eines neuen Kunſt-
ſtils und einer neuen Welt- und Lebensanſchau-
ung mit Begeiſterung aufgenommen und vielfach
nachgeahmt. Seit zwei Jahrzehnten hörte man
in Deutſchland kaum noch etwas von ihm. Ein
neues Geſchlecht war herangewachſen, das auch
in der Dichtung neue Pfade einſchlug. So wird
es unter den jungen Literaten unſerer Tage
manchen geben, der den Namen Arne Garborg
heute zum erſtenmal hört. Einen Namen, der
vor einem Menſchenalter in aller Munde war
und den man damals für unſterblich hielt.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-12-19T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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