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Allgemeine Zeitung, Nr. 16, 17. Januar 1924.

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Allgemeine Zeitung Nr. 16 Donnerstag, den 17. Januar 1924.
[Spaltenumbruch]
MÜNCHENER STADTZEITUNG
Allerlei aus dem Stadtrat
Heimzahlung älterer Münchner Stadtanleihen.

Wie
Rechtsrat Dr. Kronenberger, der Finanzreferent
unserer Stadt in der letzten Sitzung des Stadt-
ratsplenums mitteilte, sind von den nachverzeichneten
alten Anleihen die Stücke zu 100 Mk., 200 Mk. und
500 Mk. bereits gekündigt Aufzurufen wären deshalb
noch die Restbeträge, und zwar von Anlehen 1894 und
1904 zum 1. Juli 1924, vom Anlehen 1901 (I) und
1910 zum 1. August 1924, vom Anlehen 1901 (II) zum
1. August 1924 und vom Anlehen 1919 der Rest zum
1. Oktober 1924. Die Schuldperschreibungen der
Leitzachwerke werden zum 1. April 1924 zur Heim-
zahlung aufgerufen.

Anschließend an diese Bekanntgabe der Kündigungs-
termine, denen der Stadtrat zustimmte, bemerkte
Dr. Kronenberger noch: Wenngleich die Frage der
Aufwertung
früherer Goldschuldverschreibungen
noch ungeklärt ist, empfiehlt das Finanzreferat doch
die vorerwähnten Anleihe-Reste von Fall zu Fall zum
nächstmöglichen Zeitpunkt zur Kündigung und Heim-
zahlung im Jahre 1924 aufzurufen, da die Kosten
der Verwaltung wie der Zinsscheineinlösung und
Ereneuerung unverhältnismäßig groß sind. Sollte
durch Gesetz eine Aufwertungspflicht geschaffen werden,
die der Stadtgemeinde unmögliche Leistungen auferlegen
würde, so müßte die Aufrufung der noch ungekündigten
Anleihen unterbleiben und sie planmäßig getilgt werden

St.-R. Weiß bedauerte, daß seine seinerzeitige
Anregung, den Inhabern städtischer Schuldverschrei-
bungen einen gewissen Ausgleich zu geben, abgelehnt
wurde. Die Stadt wäre billiger weggekommen. Zur-
zeit ist die Lage so, daß unsere Beschlüsse keine Bin-
dung haben Die Gläubiger sind nicht verpflichtet,
die Anleihestücke einzuliefern.

Bürgermeister Schmid stellte fest, daß München
nicht allein vorgehen könne, und verwies auf die
Höhernotierung bayrischer Papiere an der Börse auf
Grund von Aufwertungsgerüchten. Bayern kann aber
nicht anders handeln wie das Reich und die übrigen
Länder.

Ein Dringlichkeitsantrag der Bayerischen
Volkspartei, den Vollzug der Ausschreibung betreff
Kündigung und Einlösung älterer Münchener Stadt-
anleihen zurückzustellen, bis die Frage der Auswer-
tung von früheren Schulden durch Reichsverordnung
geregelt ist, wurde auf Grund dieser kurzen Aus-
sprache als erledigt erklärt.

Straßenbahntarif und Vollverkehr.

Ein Dring-
lichkeitsantrag der D.D.P. im Stadtrat macht
darauf aufmerksam, daß die Tarifherabsetzung
bei der Straßenbahn zweifellos eine Steige-
rung des Verkehrs zur Folge haben wird. Es
wird daher beantragt, sofort alle diejenigen Ein-
schränkungen des Verkehrs aufzuheben, die im
Verhältnis zu den Belästigungen für die Be-
völkerung keine überragenden finanziellen Vor-
teile mehr bringen.

Die Begründung besagt: Die nur als
äußerste Notmaßnahme verständliche Auflassung
von Linien und Verlängerung der Abstände in
der Wagenfolge usw. haben insbesondere im Um-
steigverkehr zu Zuständen geführt, die es einem
großen Teil des Publikums vorteilhafter erschei-
nen lassen, seinen Weg zu Fuß zurückzulegen.
Die Anschlüsse werden überdies durch rücksichts-
loses Wegfahren, trotzdem der Anschlußwagen
bereits in Sicht ist, verschlechtert. Abhilfe ist
dringend nötig, wenn die Münchener Straßen-
bahn ihr Ansehen nicht vollständig einbüßen soll.

Der Antrag wurde dem Werkausschuß zu-
geleitet.

Das verschmähte Mandat.

Der an Stelle des
nach Berlin verzogenen St. R. Weigl in den
Stadtrat einberufene Kaufmann Engelbert Geh-
ring hat gebeten, ihn vom Antritt des Mandats
wegen seiner häufigen geschäftlichen Abwesenheit
zu entbinden. Der Stadtrat beschloß demgemäß.
Nächster Ersatzmann ist der Kaffenangestellte
Eduard Thallmeier.

[Spaltenumbruch]
Der Münchener Index

Die Kosten des Gesamtlebensbedarfes einer fünf-
köpfigen Münchener Durchschnittsfamilie betrugen
nach den vom Stat. Amt der Stadt München be-
rechneten Indexziffern am 14. Januar 1924 das
1243 milliardenfache des Friedensstandes, wäh-
rend sie sich am 7. Januar 1924 auf das 1285 mil-
liardenfache, am 29. Dezember 1923 auf das 1322-
milliardenfache des Vorkriegsstandes belaufen ha-
ben. Die Teuerung hat demgemäß in Mün-
chen in der Woche vom 7. bis 14. Januar 1924
einen
Rückgang um 3,2 Prozent
erfahren, nachdem sie vorher in der Zeit vom
29. Dezember 1923 zum 7. Januar 1924 schon eine
Abnahme um 2,8 Prozent zu verzeichnen hatte.
Bei Verechnung dieser Münchener Indexziffern,
die auf Grund sehr eingehender Preiserhebungen
in mehreren hundert Geschäften durchgeführt wer-
den, sind nicht nur die Kosten des wichtig-
sten Lebensbedarfes
und der Beklei-
dung
berücksichtigt, die den Reichs- und Land-
ziffern lediglich zugrunde liegen, sondern auch die
Kosten des übrigen Lebensbedarfes. Die bis-
her seit Ende Dezember in München eingetretene
Abminderung der allgemeinen Teuerung er-
klärt sich hauptsächlich durch den Rückgang der
Preise für Fleisch, Wurstwaren, But-
ter, Fett, Kohlen, für Straßenbahn-
fahrten
und einige andere Lebensbedürfnisse,
während gleichzeitig die Preise für verschiedene
Gemüsearten, für Milch, für die Wohnung
gestiegen
waren. Durch die Preiserhöhungen
wurden die Preissenkungen in dem seit 29. De-
zember verflossenen Zeitraum nur teilweise aus-
geglichen.

Nachgebende Viehpreise

Der Schlachtviehmarkt vom 16. Jan. zeigte
einen schleppenden Verlauf bei nachgebenden Prei-
sen. Zumal Schweine wurden nicht unwesentlich
billiger. Der Austrieb betrug 2029 Stück Groß-
vieh, 1683 Kälber, 1528 Schweine, 78 Ferkel und
391 Schafe. Ochsen notierten 15--36 Psg., Bul-
len 12--34, Kühe 9--30, Kälber 15--33 (geschl.
34--53), Schweine 55--65 (geschl. 70--80), Schafe
geschl. 30--55, Ferkel 50--80. Es blieb einiger
Ueberstand, obwohl die Notierungen gegen das
Ende zu noch niedriger wurden.

Im Anschluß daran sei mitgeteilt, daß die
Preisprüfungsstelle München neuerdings die
Fleischpreise überprüft und, abgesehen von einer
geringfügigen Erhöhung der sogenannten Metzger-
spannung, ihren bisherigen Standpunkt in der
Vieh- und Fleischpreisfrage beibehalten hat. Dem-
gemäß wurden die folgenden Ladenpreise als häu-
figste Preise amtlich als angemessen erklärt:

1. Mastrindfleisch (das ist Fleisch von
Ochsen, Kühen und Kalbinnen 1. Mastzustan-
des) 65--74 Pfg., 2. Rindfleisch einschließlich
Ochsenfleisch 2. Qualität 35--66 Pfg., 3. Kalb-
fleisch 50--60 Pfg., 4. Schaffleisch 50--70 Pfg.,
5. Schweinefleisch bis zu 1 Mk., 6. Gefrierfleisch
50--65 Pfg.

Diese Preise sind berechnet und festgestellt nach
dem häufigsten Einstandspreis der letzten Vieh-
märkte, wobei die sogenannten Spitzenpreise unbe-
rücksichtigt geblieben sind. Es liegt im Wesen
dieser Angemessenheitspreise, daß für besondere
Qualitäten dann höhere Preise verlangt werden
dürfen. Umgekehrt dürfen für geringere Quali-
täten mit niedrigeren Einstandspreisen nur ent-
sprechend niedrigere Verkaufspreise verlangt und
angeschrieben werden. Der amtliche Preis für
Lyoner Wurst wurde bis zu 60 Pfg. pro Pfund
für angemessen erklärt.

Preise mit viel schönen Reden.

Das Mün-
chener Metzgergewerbe
nahm gestern in
einer großen Versammlung Stellung zu
den bekannten behördlichen Maßnahmen auf Fest-
setzung niedrigerer Fleischpreise. Der Ober-
innungsmeister Würz wandte sich gegen eine sche-
matische Festsetzung von Richtpreisen, gegen die
Verkürzung der Verdienstspanne von 20 auf
[Spaltenumbruch] 15 Prozent, wies verallgemeinernde Vorwürfe zu-
rück und erklärte, daß in den letzten Tagen 330
Anzeigen gegen Metzgermeister erstattet worden
seien, die durch Uebergriffe der Preisprüfungs-
stelle zustande gekommen seien. -- Der Vertreter
der Landeswucherabwehrstelle, Staatsanwalt Kai-
ser,
betonte, daß die von der Preisprüfungsstelle
festgesetzten Preise nicht etwa Höchstpreise seien,
deren Ueberschreitung strafbar sei, sondern viel-
mehr nur Beispiele für die Berechnung. Dadurch
sei ebenso sehr im Interesse des Metzgergewerbes
wie der Verbraucher gehandelt worden und Nach-
fragen durch Kontrollbeamte seien noch keine Be-
anstandungen. Die Metzgermeister hätten ihre
Pflicht gegenüber der Allgemeinheit bis in die
letzte Zeit getan, und man werde im Zusammen-
wirken auch über die künftigen Schwierigkeiten
hinwegkommen.

Konzertverein.

Im Anschluß an die Mitglie-
derversammlung des Konzertvereins München
vom 15. Januar 1924 wurden in einer Sitzung
des neuen Vorstandes gewählt als: Vorsitzender
1. Bürgermeister Schmid, Schatzmeister Diplom-
ingenieur Dr. Wamsler, Schriftführer Rechts-
rat Hörburger. Ehrenvorsitzender ist in An-
erkennung seiner Verdienste um den Verein wie
bisher Oberbürgermeister Dr. Ritter v. Borscht.

Lichtbilderzwang für Eisenbahnzeitkarten!

In
der Presse ist vor einiger Zeit darauf aufmerksam
gemacht worden, daß für die im Eisenbahnverkehr
ausgegebenen Zeitkarten Lichtbildzwang
eingeführt wird. Der Lichtbildzwang gilt bei
Monatskarten schon vom 1. Februar, bei Wochen-
karten vom 17. Februar und bei Schülermonats-
karten vom 1. März an. Da das Zurichten der
aus diesem Anlaß neu eingeführten Blechrahmen,
Aufkleben der Lichtbilder usw. durch die Eisen-
bahnverwaltung besorgt wird und bei der großen
Zahl der Zeitkarten geraume Zeit beansprucht,
wird dringend geraten, das Lichtbild bis spätestens
21. Januar bei der Bestellstation unter Bezah-
lung des Preises für den Blechrahmen (30 S)
persönlich einzuliefern. Wer das Lichtbild ver-
spätet einsendet, muß gewärtigen, daß er am
1. Februar nicht im Besitze seiner Karte ist. Das
Lichtbild muß bestimmten Anforderungen ent-
sprechen, die wohl zu beachten sind: Größe 41/2
Zentimeter hoch, 31/2 Zentimeter breit -- Kopf-
größe etwa 2 Zentimeter -- wenn möglich ohne
Kopfbedeckung -- heller Hintergrund -- weiches
dünnes Papier. Sehr wichtig ist, daß auf der
Rückseite des Lichtbildes Name, Wohnort und
Wohnung des Zeitkartenbestellers mit Bleistift
aufgeschrieben wird, da sonst Verwechslungen vor-
kommen können. Nachteile, die aus dem Fehlen
dieser Angaben erwachsen, hat der Zeitkarten-
besteller selbst zu vertreten.

Kinderrodelbahn auf der Königswiese in Neu-
berghausen.

Wie in den letzten Jahren, so hat
auch heuer die Verwaltung des ehem. Krongutes
die Erlaubnis zum Rodeln für Kinder auf der
Königswiese in Neuberghausen erteilt. Der Stadt-
rat wird mit aller Strenge darauf sehen, daß
nicht halbwüchsige Burschen und Mädchen oder
auch Erwachsene auf der Wiese rodeln. Auch Ski-
fahrer haben Strafeinschreitung zu gewärtigen.

Kurse für Bankangestellte.

Mit Rücksicht auf
die veränderten Arbeitszeiten der Bankangestell-
ten beginnt der Kurs für Bank- und Börsenwesen
im Rosentalschulhaus am Freitag, den 18. Jan.,
erst um 8 Uhr abends. Vereinbarungen bezüglich
der weiteren Vortragsabende werden an diesem
Abend getroffen.

Volks- und Stenographiekurse Stolze-Schrey.

Die im Bayerischen Stenographiebund S.-S. ver-
einigten Münchener Stenographenvereine eröffnen
für Interessenten aus allen Ständen Mittwoch,
den 16. Januar, im Schulhaus an der Türken-
straße, Zimmer Nr. 16, Stenographie-Unterrichts-
kurse unter Leitung geprüfter Lehrer.

Berufskundliche Vorträge.

Donnerstag, den
17. Januar, abends 7 Uhr findet im Festsaal der
Kanfmannsschule, Rosental 7, der erste berufs-
kundliche Vortrag, veranstaltet von der Berufs-
beratungsstelle des Arbeitsnachweises München,
statt. Es werden sprechen: 1. Ueber "Die
Wichtigkeit der Berufswahl
" Berufs-
[Spaltenumbruch] berater Schießer. 2. Herr Dr. Fürst über
"Die körperliche Eignung zum ge-
werblichen Beruf
" (mit Lichtbildern). Die
Eltern und Vormünder der Knaben, die in ge-
werbliche bzw. kaufmännische Berufe eintreten
wollen, werden besonders auf diesen Vortrag, der
bei freiem Eintritt stattfindet, aufmerksam ge-
macht

Kleine Zeitung
Geboren:

Herr Richard Letzel (T.)

Gestorben:

Ministerialdirektor Dr. Hans At-
tinger
; Guts- und Brauereibesitzersgattin The-
rese Hörmann, geb. Bachmayer; Frau Ritt-
meister Maria Wiedmann; ehem. Verwalter
Karl Altmannshofer; Buchhändler Ernst
Kastner; Obering. Anton Schmid; Buch-
händler Richard Steckerl; Bauführer Franz
Vogl; Maler Josef Häring; Alfred Maxel;
Generalmajorswitwe Marie Schunck-Lum-
brecht
; Schriftstellerswitwe Eda Lewes.


s. Erfroren aufgefunden wurde nächst der Ther-
mischen Vernichtungsanstalt bei Forstenried ein
alter Mann. Es dürfte sich um einen seit längerer
Zeit abgängigen Schreiner handeln.

Freunde der Menscheit.

Ein in der Adalbert-
straße wohnhafter Hilfsarbeiter und seine Frau
lockten unter dem Vorgeben, armen Kindern eine
Weihnachtsfreude bereiten zu wollen, Kinder an
sich und nahmen an ihnen unzüchtige Handlungen
vor. Dabei trug ein 61/2jähriges Mädchen eine
Verletzung davon, wodurch die Angelegenheit zur
Kenntnis der Behörden kam. Das Ehepaar ist
verhaftet.

Banknotenfälscher.

Vier Burschen im Alter von
17 bis 19 Jahren haben echte Zehnmillionen-Gut-
scheine der Bayerischen Staatsbank mit dem
Ueberdruck "Zehn Billionen" in roter Querschrift
gefälscht. Die Typen waren aus einem Geschäft
entwendet. 12 bis 15 Falschscheine wurden bei
Kaufleuten ausgegeben. Als die Fälscher fürch-
teten, sie könnten entdeckt werden, warfen sie
Typen und Farbe in die Isar und verbrannten
den Rest der Falschscheine.

Hundetollwut.

Laut amtstierärztlichem Gut-
achten wurde bei einem am 26. Dezember 1923
verendeten Hund des Schneidermeisters Ignatz
Schweiger, Liebigstraße 16, Tollwut festge-
stellt. Aus diesem Grunde wurde die über den
Stadtbezirk verhängte Hundesperre bis zum
26. März 1924 verlängert.

Verlorener Ausweis.

Der Lichtbildausweis
Nr. 912 der bayerischen Landeswucherabwehrstelle
auf den Namen Fischbacher Rupert lautend
wurde von diesem Beamten in München zwischen
Stiglmaierplatz und Leonrodstraße am 9. Januar
1924 verloren. -- Vor Mißbrauch wird gewarnt.

Kauft und verschenkt Suppenbilletts!

Es kann nicht oft genug auf die bestehende Ein-
richtung der Suppenbillets hingewiesen werden,
die an verschiedenen Stellen der Stadt für jeder-
mann käuflich sind (100 Stück 6 M). Man kann
also schon für einen kleinen Betrag vielen Leuten
eine Suppe oder ein warmes Essen in den Küchen
des Vereins für öffentliche Speisehallen geben.
Statt Geldunterstützungen an Bedürftige, die an
den Wohnungstüren um Gaben vorsprechen, gebe
man eine Anzahl Suppenbillets, die sich in der
Hand des Hilfesuchenden in warme Nahrung ver-
wandeln. Dies ist auch der einfachste Weg, um
wirksame Abhilfe gegen den überhand nehmenden
Haus- und Straßenviertel zu schaffen. Suppen-
billets sind zu haben: Verein für öffentliche Speise-
hallen, Theresienstraße 25, Hotterstraße 4, Rat-
haus Zimmer 109, Hilfsbund der Münchener Ein-
wohnerschaft, Theatinerstraße 3/2, Münchener
Möbel- und Raumkunst Rosipalhaus, Rinder-
markt, ferner bei den Firmen Hermann Tietz,
Bahnhofplatz 7, J. A. Seidl, Hutgeschäft am
Stachus, Karlsplatz 24, Otto Landauer, Kausin-
gerstraße 26, Barbarino & Kilp. Marienplatz 25,
Gerstle & Löffler. Weinstraße 3. -- Es ergeht
außerdem an alle größeren Geschäfte die Bitte,
Verkaufsstellen für Speisemarken zu errichten. An-
ruf bei der Sammlung "Not und Brot", Tele-
phon 22377, genügt.



[Spaltenumbruch]
Der Meister des jüngsten Tages

16
Roman

"Diese Beziehung, über deren Charakter wir
uns also nunmehr geeinigt haben, währte nicht
ganz ein halbes Jahr. Sie nahm ein Ende, als
Sie die Lust ankam, eine Reise nach Japan zu
unternehmen. Ich sage: "Sie nahm ein Ende",
obgleich dieses Ende von Jhrer Seite wohl nur
als ein vorläufiges gedacht war --"

"Meine Reise ging nicht nach Japan, sondern
nach Tongking und nach Kambodscha", unter-
brach ich ihn. "Ich unternahm sie auch nicht zu
meinem Vergnügen, sondern im Auftrage des
Ackerbauministeriums", setzte ich hinzu, und hin-
ter dieser Richtigstellung völlig gleichgültiger Be-
hauptungen verbarg ich mein grenzenloses Er-
staunen darüber, daß er so leicht, so gleichmütig
in der Tatsache, daß seine Schwester meine Ge-
liebte gewesen war, vorüberglitt. -- Wohin will
er hinaus? -- fragte ich mich. -- Wenn er Ge-
nugtuung erzwingen will, -- hier stehe ich, ich
bin bereit, -- warum packt er nicht zu? Was
führt er denn noch im Schild? -- Und ein leises
Angstgefühl beschlich mich, die Ahnung einer kom-
menden und mir unbekannten Gefahr, und diese
Angst ließ mich nicht mehr los.

"Nach Tongking und Kambodscha also", fuhr
Felix fort, und seine weiß bandagierte Hand
vollführte eine leichte Geste der Entschuldigung.
"Es tut nichts zur Sache, wohin die Reise ging.
Aber als Sie, nach einem Jahr ungefähr, heim-
kamen, erwartete Sie eine Veränderung, auf die
Sie nicht gefaßt waren: Sie fanden Dina als
[Spaltenumbruch] die Frau eines anderen, Sie mußten erfahren,
daß Sie ihr ein Fremder geworden waren."

Ja. So war es gewesen. Und jetzt, während
er sprach, stieg der alte Schmerz voll Ungestüm
in mir auf, der brennende Zorn der Enttäu-
schung, und mit ihm zugleich ein neues Gefühl,
ein mir bisher fremdes, das des Hasses gegen
diesen jungen Buben, der vor mir stand und mit
seinen Händen an Dinge rührte, die ich tief in
mir verborgen gehalten hatte. War ich denn da,
um ihm Rede zu stehen? Mußte ich zusehen,
daß er neugierigen Blicken fremder Menschen
preisgab, was Jahre hindurch mein Geheinmis
gewesen war? "Genug", schrie es in mir, und
ich wollte auf ihn zu, um dieser Szene ein
Ende zu machen. Aber da war die Angst, die
Angst war wieder da, die Furcht vor etwas Un-
bestimmtem, dessen drohende Nähe ich fühlte, und
diese Angst lähmte mich und machte mich hilf-
los und lag auf mir, schwer wie ein Alp.

Dinas Bruder sprach mit völlig leidenschafts-
loser Stimme weiter, und ich mußte ihn anhören.

"Daß eine Frau, die Sie unlösbar an sich ge-
kettet zu haben glaubten, sich von Ihnen losge-
macht hatte und nun einem anderen gehören
sollte, -- diesen Gedanken vermochten Sie, scheint
es, nicht zu ertragen. Sie hatten Ihre erste Nie-
derlage erlitten und fühlten sich herausgefordert.
Dina zurückzugewinnen, wurde zur Aufgabe
Ihres Lebens. Alles, was Sie seither unter-
nommen haben, auch das Geringste, das schein-
bar Bedeutungsloseste, hat ausschließlich diesem
einen Ziel gegolten."

Er machte eine Pause, vielleicht um mir Zeit
[Spaltenumbruch] zu einer Aeußerung, zu einer Entgegnung zu
lassen. Aber ich sagte nichts und so fuhr er fort:

"Ich habe Sie lange Zeit hindurch beobachtet,
Jahre hindurch habe ich Ihnen zugesehen mit
einer gespannten Anteilnahme, als wäre das
Ganze nur sportliche Arbeit oder eine aufregende
Partie auf dem Schachbrett, als ginge es um
einen Rennpokal, und nicht um das Glück meiner
Schwester. Ich sah Sie auf sonderbaren Wegen
langsam näher kommen, seh Sie Hindernisse
nehmen oder umgehen, sah Sie Kreise um dieses
Haus ziehen, und Ihre Kreise wurden enger
und enger. Sie wußten es zu erzwingen, daß
man Sie rief, und eines Tages waren Sie da
und standen zwischen Dina und ihrem Gatten."

Jetzt mußte es kommen, der Augenblick war
nahe. Ich fühlte, wie meine Hände in nervöser
Erwartung zitterten, ich konnte nicht atmen, so
sehr drückte mich die Stille, die im Zimmer
herrschte. Wie eine Erleichterung empfand ich es,
als endlich Felix von neuem zu sprechen begann:

"Heute kann ich es Ihnen ja sagen, Herr Ritt-
meister, daß mir der Ausgang dieses Kampfes
niemals zweifelhaft erschienen ist. Sie waren der
Stärkere, denn Sie hatten nur ein einziges Ziel
im Auge, und alles andere, das es in Ihrem
Leben gab, verschwand neben diesem Einen, --
das machte Sie unüberwindlich. Für mich stand
es fest, daß diese Ehe in Trümmer gehen werde,
weil Sie es so wollten."

Wieder machte er eine Pause, und meine Angst
wuchs ins Unerträgliche. Eine halbe Minute etwa
verging, mein Blick glitt zu Doktor Gorski hin-
über, -- er stand in einer Haltung voll nervöser
Spannung an den Schreibtisch gelehnt, der Aus-
druck seines Gesichtes war der einer vollkommenen
[Spaltenumbruch] Ratlosigkeit; von ihm, das sah ich, war keine Hilfe
zu erwarten. -- Der Ingenieur saß in eine Wolke
von Zigarettenrauch gehüllt in seinem Lehnstuhl
und betrachtete gelangweilt seine Fingerspitzen,
als wäre er mit seinen Gedanken bei anderen
Dingen.

"Das alles ist vorüber," unterbrach jetzt Felix
das quälende Schweigen. "Sie haben Ihr Spiel
verloren, Baron. Der entscheidende Fehler -- ver-
stehen Sie, wie ich das meine? Niemals wird Dina
auch nur einen Augenblick lang den Mann in
ihrer Nähe dulden, der den Tod ihres Gatten auf
dem Gewissen hat."

Das also war es. Dieses Gesicht hatte die
Drohung, vor der ich gezittert hatte. Und jetzt,
da das Wort ausgesprochen war, erschien es mir
plötzlich lächerlich und absurd. Das Gefühl der
Sicherheit war wieder in mir, meine Angst war
verflogen, ich stand einem Gegner gegenüber, der
seinen Schuß abgefeuert und gefehlt hatte. Nun
kam die Reihe an mich, alles weitere lag in meiner
Hand. Ich fühlte mich diesem jungen Buben, der
es gewagt hatte, mit mir anzubinden, grenzenlos
überlegen. Jetzt war ich der Stärkere, und ich
wußte, wie ich zu handeln hatte.

Ich trat ganz nahe an ihn heran und blickte ihm
ins Auge:

"Ich hoffe," sagte ich, "Sie lassen es sich nicht
im Ernst einfallen, mir oder irgendwem eine
Schuld an diesem traurigen Ereignis beizu-
messen."

Meine Worte hatten die erwartete Wirkung. Er
hielt meinem Blick nicht stand, geriet in Verwir-
rung und trat einen Schritt zurück.
(Fortsetzung folgt.)

Allgemeine Zeitung Nr. 16 Donnerstag, den 17. Januar 1924.
[Spaltenumbruch]
MÜNCHENER STADTZEITUNG
Allerlei aus dem Stadtrat
Heimzahlung älterer Münchner Stadtanleihen.

Wie
Rechtsrat Dr. Kronenberger, der Finanzreferent
unſerer Stadt in der letzten Sitzung des Stadt-
ratsplenums mitteilte, ſind von den nachverzeichneten
alten Anleihen die Stücke zu 100 Mk., 200 Mk. und
500 Mk. bereits gekündigt Aufzurufen wären deshalb
noch die Reſtbeträge, und zwar von Anlehen 1894 und
1904 zum 1. Juli 1924, vom Anlehen 1901 (I) und
1910 zum 1. Auguſt 1924, vom Anlehen 1901 (II) zum
1. Auguſt 1924 und vom Anlehen 1919 der Reſt zum
1. Oktober 1924. Die Schuldperſchreibungen der
Leitzachwerke werden zum 1. April 1924 zur Heim-
zahlung aufgerufen.

Anſchließend an dieſe Bekanntgabe der Kündigungs-
termine, denen der Stadtrat zuſtimmte, bemerkte
Dr. Kronenberger noch: Wenngleich die Frage der
Aufwertung
früherer Goldſchuldverſchreibungen
noch ungeklärt iſt, empfiehlt das Finanzreferat doch
die vorerwähnten Anleihe-Reſte von Fall zu Fall zum
nächſtmöglichen Zeitpunkt zur Kündigung und Heim-
zahlung im Jahre 1924 aufzurufen, da die Koſten
der Verwaltung wie der Zinsſcheineinlöſung und
Ereneuerung unverhältnismäßig groß ſind. Sollte
durch Geſetz eine Aufwertungspflicht geſchaffen werden,
die der Stadtgemeinde unmögliche Leiſtungen auferlegen
würde, ſo müßte die Aufrufung der noch ungekündigten
Anleihen unterbleiben und ſie planmäßig getilgt werden

St.-R. Weiß bedauerte, daß ſeine ſeinerzeitige
Anregung, den Inhabern ſtädtiſcher Schuldverſchrei-
bungen einen gewiſſen Ausgleich zu geben, abgelehnt
wurde. Die Stadt wäre billiger weggekommen. Zur-
zeit iſt die Lage ſo, daß unſere Beſchlüſſe keine Bin-
dung haben Die Gläubiger ſind nicht verpflichtet,
die Anleiheſtücke einzuliefern.

Bürgermeiſter Schmid ſtellte feſt, daß München
nicht allein vorgehen könne, und verwies auf die
Höhernotierung bayriſcher Papiere an der Börſe auf
Grund von Aufwertungsgerüchten. Bayern kann aber
nicht anders handeln wie das Reich und die übrigen
Länder.

Ein Dringlichkeitsantrag der Bayeriſchen
Volkspartei, den Vollzug der Ausſchreibung betreff
Kündigung und Einlöſung älterer Münchener Stadt-
anleihen zurückzuſtellen, bis die Frage der Auſwer-
tung von früheren Schulden durch Reichsverordnung
geregelt iſt, wurde auf Grund dieſer kurzen Aus-
ſprache als erledigt erklärt.

Straßenbahntarif und Vollverkehr.

Ein Dring-
lichkeitsantrag der D.D.P. im Stadtrat macht
darauf aufmerkſam, daß die Tarifherabſetzung
bei der Straßenbahn zweifellos eine Steige-
rung des Verkehrs zur Folge haben wird. Es
wird daher beantragt, ſofort alle diejenigen Ein-
ſchränkungen des Verkehrs aufzuheben, die im
Verhältnis zu den Beläſtigungen für die Be-
völkerung keine überragenden finanziellen Vor-
teile mehr bringen.

Die Begründung beſagt: Die nur als
äußerſte Notmaßnahme verſtändliche Auflaſſung
von Linien und Verlängerung der Abſtände in
der Wagenfolge uſw. haben insbeſondere im Um-
ſteigverkehr zu Zuſtänden geführt, die es einem
großen Teil des Publikums vorteilhafter erſchei-
nen laſſen, ſeinen Weg zu Fuß zurückzulegen.
Die Anſchlüſſe werden überdies durch rückſichts-
loſes Wegfahren, trotzdem der Anſchlußwagen
bereits in Sicht iſt, verſchlechtert. Abhilfe iſt
dringend nötig, wenn die Münchener Straßen-
bahn ihr Anſehen nicht vollſtändig einbüßen ſoll.

Der Antrag wurde dem Werkausſchuß zu-
geleitet.

Das verſchmähte Mandat.

Der an Stelle des
nach Berlin verzogenen St. R. Weigl in den
Stadtrat einberufene Kaufmann Engelbert Geh-
ring hat gebeten, ihn vom Antritt des Mandats
wegen ſeiner häufigen geſchäftlichen Abweſenheit
zu entbinden. Der Stadtrat beſchloß demgemäß.
Nächſter Erſatzmann iſt der Kaffenangeſtellte
Eduard Thallmeier.

[Spaltenumbruch]
Der Münchener Index

Die Koſten des Geſamtlebensbedarfes einer fünf-
köpfigen Münchener Durchſchnittsfamilie betrugen
nach den vom Stat. Amt der Stadt München be-
rechneten Indexziffern am 14. Januar 1924 das
1243 milliardenfache des Friedensſtandes, wäh-
rend ſie ſich am 7. Januar 1924 auf das 1285 mil-
liardenfache, am 29. Dezember 1923 auf das 1322-
milliardenfache des Vorkriegsſtandes belaufen ha-
ben. Die Teuerung hat demgemäß in Mün-
chen in der Woche vom 7. bis 14. Januar 1924
einen
Rückgang um 3,2 Prozent
erfahren, nachdem ſie vorher in der Zeit vom
29. Dezember 1923 zum 7. Januar 1924 ſchon eine
Abnahme um 2,8 Prozent zu verzeichnen hatte.
Bei Verechnung dieſer Münchener Indexziffern,
die auf Grund ſehr eingehender Preiserhebungen
in mehreren hundert Geſchäften durchgeführt wer-
den, ſind nicht nur die Koſten des wichtig-
ſten Lebensbedarfes
und der Beklei-
dung
berückſichtigt, die den Reichs- und Land-
ziffern lediglich zugrunde liegen, ſondern auch die
Koſten des übrigen Lebensbedarfes. Die bis-
her ſeit Ende Dezember in München eingetretene
Abminderung der allgemeinen Teuerung er-
klärt ſich hauptſächlich durch den Rückgang der
Preiſe für Fleiſch, Wurſtwaren, But-
ter, Fett, Kohlen, für Straßenbahn-
fahrten
und einige andere Lebensbedürfniſſe,
während gleichzeitig die Preiſe für verſchiedene
Gemüſearten, für Milch, für die Wohnung
geſtiegen
waren. Durch die Preiserhöhungen
wurden die Preisſenkungen in dem ſeit 29. De-
zember verfloſſenen Zeitraum nur teilweiſe aus-
geglichen.

Nachgebende Viehpreiſe

Der Schlachtviehmarkt vom 16. Jan. zeigte
einen ſchleppenden Verlauf bei nachgebenden Prei-
ſen. Zumal Schweine wurden nicht unweſentlich
billiger. Der Auſtrieb betrug 2029 Stück Groß-
vieh, 1683 Kälber, 1528 Schweine, 78 Ferkel und
391 Schafe. Ochſen notierten 15—36 Pſg., Bul-
len 12—34, Kühe 9—30, Kälber 15—33 (geſchl.
34—53), Schweine 55—65 (geſchl. 70—80), Schafe
geſchl. 30—55, Ferkel 50—80. Es blieb einiger
Ueberſtand, obwohl die Notierungen gegen das
Ende zu noch niedriger wurden.

Im Anſchluß daran ſei mitgeteilt, daß die
Preisprüfungsſtelle München neuerdings die
Fleiſchpreiſe überprüft und, abgeſehen von einer
geringfügigen Erhöhung der ſogenannten Metzger-
ſpannung, ihren bisherigen Standpunkt in der
Vieh- und Fleiſchpreisfrage beibehalten hat. Dem-
gemäß wurden die folgenden Ladenpreiſe als häu-
figſte Preiſe amtlich als angemeſſen erklärt:

1. Maſtrindfleiſch (das iſt Fleiſch von
Ochſen, Kühen und Kalbinnen 1. Maſtzuſtan-
des) 65—74 Pfg., 2. Rindfleiſch einſchließlich
Ochſenfleiſch 2. Qualität 35—66 Pfg., 3. Kalb-
fleiſch 50—60 Pfg., 4. Schaffleiſch 50—70 Pfg.,
5. Schweinefleiſch bis zu 1 Mk., 6. Gefrierfleiſch
50—65 Pfg.

Dieſe Preiſe ſind berechnet und feſtgeſtellt nach
dem häufigſten Einſtandspreis der letzten Vieh-
märkte, wobei die ſogenannten Spitzenpreiſe unbe-
rückſichtigt geblieben ſind. Es liegt im Weſen
dieſer Angemeſſenheitspreiſe, daß für beſondere
Qualitäten dann höhere Preiſe verlangt werden
dürfen. Umgekehrt dürfen für geringere Quali-
täten mit niedrigeren Einſtandspreiſen nur ent-
ſprechend niedrigere Verkaufspreiſe verlangt und
angeſchrieben werden. Der amtliche Preis für
Lyoner Wurſt wurde bis zu 60 Pfg. pro Pfund
für angemeſſen erklärt.

Preiſe mit viel ſchönen Reden.

Das Mün-
chener Metzgergewerbe
nahm geſtern in
einer großen Verſammlung Stellung zu
den bekannten behördlichen Maßnahmen auf Feſt-
ſetzung niedrigerer Fleiſchpreiſe. Der Ober-
innungsmeiſter Würz wandte ſich gegen eine ſche-
matiſche Feſtſetzung von Richtpreiſen, gegen die
Verkürzung der Verdienſtſpanne von 20 auf
[Spaltenumbruch] 15 Prozent, wies verallgemeinernde Vorwürfe zu-
rück und erklärte, daß in den letzten Tagen 330
Anzeigen gegen Metzgermeiſter erſtattet worden
ſeien, die durch Uebergriffe der Preisprüfungs-
ſtelle zuſtande gekommen ſeien. — Der Vertreter
der Landeswucherabwehrſtelle, Staatsanwalt Kai-
ſer,
betonte, daß die von der Preisprüfungsſtelle
feſtgeſetzten Preiſe nicht etwa Höchſtpreiſe ſeien,
deren Ueberſchreitung ſtrafbar ſei, ſondern viel-
mehr nur Beiſpiele für die Berechnung. Dadurch
ſei ebenſo ſehr im Intereſſe des Metzgergewerbes
wie der Verbraucher gehandelt worden und Nach-
fragen durch Kontrollbeamte ſeien noch keine Be-
anſtandungen. Die Metzgermeiſter hätten ihre
Pflicht gegenüber der Allgemeinheit bis in die
letzte Zeit getan, und man werde im Zuſammen-
wirken auch über die künftigen Schwierigkeiten
hinwegkommen.

Konzertverein.

Im Anſchluß an die Mitglie-
derverſammlung des Konzertvereins München
vom 15. Januar 1924 wurden in einer Sitzung
des neuen Vorſtandes gewählt als: Vorſitzender
1. Bürgermeiſter Schmid, Schatzmeiſter Diplom-
ingenieur Dr. Wamsler, Schriftführer Rechts-
rat Hörburger. Ehrenvorſitzender iſt in An-
erkennung ſeiner Verdienſte um den Verein wie
bisher Oberbürgermeiſter Dr. Ritter v. Borſcht.

Lichtbilderzwang für Eiſenbahnzeitkarten!

In
der Preſſe iſt vor einiger Zeit darauf aufmerkſam
gemacht worden, daß für die im Eiſenbahnverkehr
ausgegebenen Zeitkarten Lichtbildzwang
eingeführt wird. Der Lichtbildzwang gilt bei
Monatskarten ſchon vom 1. Februar, bei Wochen-
karten vom 17. Februar und bei Schülermonats-
karten vom 1. März an. Da das Zurichten der
aus dieſem Anlaß neu eingeführten Blechrahmen,
Aufkleben der Lichtbilder uſw. durch die Eiſen-
bahnverwaltung beſorgt wird und bei der großen
Zahl der Zeitkarten geraume Zeit beanſprucht,
wird dringend geraten, das Lichtbild bis ſpäteſtens
21. Januar bei der Beſtellſtation unter Bezah-
lung des Preiſes für den Blechrahmen (30 S)
perſönlich einzuliefern. Wer das Lichtbild ver-
ſpätet einſendet, muß gewärtigen, daß er am
1. Februar nicht im Beſitze ſeiner Karte iſt. Das
Lichtbild muß beſtimmten Anforderungen ent-
ſprechen, die wohl zu beachten ſind: Größe 4½
Zentimeter hoch, 3½ Zentimeter breit — Kopf-
größe etwa 2 Zentimeter — wenn möglich ohne
Kopfbedeckung — heller Hintergrund — weiches
dünnes Papier. Sehr wichtig iſt, daß auf der
Rückſeite des Lichtbildes Name, Wohnort und
Wohnung des Zeitkartenbeſtellers mit Bleiſtift
aufgeſchrieben wird, da ſonſt Verwechſlungen vor-
kommen können. Nachteile, die aus dem Fehlen
dieſer Angaben erwachſen, hat der Zeitkarten-
beſteller ſelbſt zu vertreten.

Kinderrodelbahn auf der Königswieſe in Neu-
berghauſen.

Wie in den letzten Jahren, ſo hat
auch heuer die Verwaltung des ehem. Krongutes
die Erlaubnis zum Rodeln für Kinder auf der
Königswieſe in Neuberghauſen erteilt. Der Stadt-
rat wird mit aller Strenge darauf ſehen, daß
nicht halbwüchſige Burſchen und Mädchen oder
auch Erwachſene auf der Wieſe rodeln. Auch Ski-
fahrer haben Strafeinſchreitung zu gewärtigen.

Kurſe für Bankangeſtellte.

Mit Rückſicht auf
die veränderten Arbeitszeiten der Bankangeſtell-
ten beginnt der Kurs für Bank- und Börſenweſen
im Roſentalſchulhaus am Freitag, den 18. Jan.,
erſt um 8 Uhr abends. Vereinbarungen bezüglich
der weiteren Vortragsabende werden an dieſem
Abend getroffen.

Volks- und Stenographiekurſe Stolze-Schrey.

Die im Bayeriſchen Stenographiebund S.-S. ver-
einigten Münchener Stenographenvereine eröffnen
für Intereſſenten aus allen Ständen Mittwoch,
den 16. Januar, im Schulhaus an der Türken-
ſtraße, Zimmer Nr. 16, Stenographie-Unterrichts-
kurſe unter Leitung geprüfter Lehrer.

Berufskundliche Vorträge.

Donnerstag, den
17. Januar, abends 7 Uhr findet im Feſtſaal der
Kanfmannsſchule, Roſental 7, der erſte berufs-
kundliche Vortrag, veranſtaltet von der Berufs-
beratungsſtelle des Arbeitsnachweiſes München,
ſtatt. Es werden ſprechen: 1. Ueber „Die
Wichtigkeit der Berufswahl
“ Berufs-
[Spaltenumbruch] berater Schießer. 2. Herr Dr. Fürſt über
Die körperliche Eignung zum ge-
werblichen Beruf
“ (mit Lichtbildern). Die
Eltern und Vormünder der Knaben, die in ge-
werbliche bzw. kaufmänniſche Berufe eintreten
wollen, werden beſonders auf dieſen Vortrag, der
bei freiem Eintritt ſtattfindet, aufmerkſam ge-
macht

Kleine Zeitung
Geboren:

Herr Richard Letzel (T.)

Geſtorben:

Miniſterialdirektor Dr. Hans At-
tinger
; Guts- und Brauereibeſitzersgattin The-
reſe Hörmann, geb. Bachmayer; Frau Ritt-
meiſter Maria Wiedmann; ehem. Verwalter
Karl Altmannshofer; Buchhändler Ernſt
Kaſtner; Obering. Anton Schmid; Buch-
händler Richard Steckerl; Bauführer Franz
Vogl; Maler Joſef Häring; Alfred Maxel;
Generalmajorswitwe Marie Schunck-Lum-
brecht
; Schriftſtellerswitwe Eda Lewes.


s. Erfroren aufgefunden wurde nächſt der Ther-
miſchen Vernichtungsanſtalt bei Forſtenried ein
alter Mann. Es dürfte ſich um einen ſeit längerer
Zeit abgängigen Schreiner handeln.

Freunde der Menſcheit.

Ein in der Adalbert-
ſtraße wohnhafter Hilfsarbeiter und ſeine Frau
lockten unter dem Vorgeben, armen Kindern eine
Weihnachtsfreude bereiten zu wollen, Kinder an
ſich und nahmen an ihnen unzüchtige Handlungen
vor. Dabei trug ein 6½jähriges Mädchen eine
Verletzung davon, wodurch die Angelegenheit zur
Kenntnis der Behörden kam. Das Ehepaar iſt
verhaftet.

Banknotenfälſcher.

Vier Burſchen im Alter von
17 bis 19 Jahren haben echte Zehnmillionen-Gut-
ſcheine der Bayeriſchen Staatsbank mit dem
Ueberdruck „Zehn Billionen“ in roter Querſchrift
gefälſcht. Die Typen waren aus einem Geſchäft
entwendet. 12 bis 15 Falſchſcheine wurden bei
Kaufleuten ausgegeben. Als die Fälſcher fürch-
teten, ſie könnten entdeckt werden, warfen ſie
Typen und Farbe in die Iſar und verbrannten
den Reſt der Falſchſcheine.

Hundetollwut.

Laut amtstierärztlichem Gut-
achten wurde bei einem am 26. Dezember 1923
verendeten Hund des Schneidermeiſters Ignatz
Schweiger, Liebigſtraße 16, Tollwut feſtge-
ſtellt. Aus dieſem Grunde wurde die über den
Stadtbezirk verhängte Hundeſperre bis zum
26. März 1924 verlängert.

Verlorener Ausweis.

Der Lichtbildausweis
Nr. 912 der bayeriſchen Landeswucherabwehrſtelle
auf den Namen Fiſchbacher Rupert lautend
wurde von dieſem Beamten in München zwiſchen
Stiglmaierplatz und Leonrodſtraße am 9. Januar
1924 verloren. — Vor Mißbrauch wird gewarnt.

Kauft und verſchenkt Suppenbilletts!

Es kann nicht oft genug auf die beſtehende Ein-
richtung der Suppenbillets hingewieſen werden,
die an verſchiedenen Stellen der Stadt für jeder-
mann käuflich ſind (100 Stück 6 M). Man kann
alſo ſchon für einen kleinen Betrag vielen Leuten
eine Suppe oder ein warmes Eſſen in den Küchen
des Vereins für öffentliche Speiſehallen geben.
Statt Geldunterſtützungen an Bedürftige, die an
den Wohnungstüren um Gaben vorſprechen, gebe
man eine Anzahl Suppenbillets, die ſich in der
Hand des Hilfeſuchenden in warme Nahrung ver-
wandeln. Dies iſt auch der einfachſte Weg, um
wirkſame Abhilfe gegen den überhand nehmenden
Haus- und Straßenviertel zu ſchaffen. Suppen-
billets ſind zu haben: Verein für öffentliche Speiſe-
hallen, Thereſienſtraße 25, Hotterſtraße 4, Rat-
haus Zimmer 109, Hilfsbund der Münchener Ein-
wohnerſchaft, Theatinerſtraße 3/2, Münchener
Möbel- und Raumkunſt Roſipalhaus, Rinder-
markt, ferner bei den Firmen Hermann Tietz,
Bahnhofplatz 7, J. A. Seidl, Hutgeſchäft am
Stachus, Karlsplatz 24, Otto Landauer, Kauſin-
gerſtraße 26, Barbarino & Kilp. Marienplatz 25,
Gerſtle & Löffler. Weinſtraße 3. — Es ergeht
außerdem an alle größeren Geſchäfte die Bitte,
Verkaufsſtellen für Speiſemarken zu errichten. An-
ruf bei der Sammlung „Not und Brot“, Tele-
phon 22377, genügt.



[Spaltenumbruch]
Der Meiſter des jüngſten Tages

16
Roman

„Dieſe Beziehung, über deren Charakter wir
uns alſo nunmehr geeinigt haben, währte nicht
ganz ein halbes Jahr. Sie nahm ein Ende, als
Sie die Luſt ankam, eine Reiſe nach Japan zu
unternehmen. Ich ſage: „Sie nahm ein Ende“,
obgleich dieſes Ende von Jhrer Seite wohl nur
als ein vorläufiges gedacht war —“

„Meine Reiſe ging nicht nach Japan, ſondern
nach Tongking und nach Kambodſcha“, unter-
brach ich ihn. „Ich unternahm ſie auch nicht zu
meinem Vergnügen, ſondern im Auftrage des
Ackerbauminiſteriums“, ſetzte ich hinzu, und hin-
ter dieſer Richtigſtellung völlig gleichgültiger Be-
hauptungen verbarg ich mein grenzenloſes Er-
ſtaunen darüber, daß er ſo leicht, ſo gleichmütig
in der Tatſache, daß ſeine Schweſter meine Ge-
liebte geweſen war, vorüberglitt. — Wohin will
er hinaus? — fragte ich mich. — Wenn er Ge-
nugtuung erzwingen will, — hier ſtehe ich, ich
bin bereit, — warum packt er nicht zu? Was
führt er denn noch im Schild? — Und ein leiſes
Angſtgefühl beſchlich mich, die Ahnung einer kom-
menden und mir unbekannten Gefahr, und dieſe
Angſt ließ mich nicht mehr los.

„Nach Tongking und Kambodſcha alſo“, fuhr
Felix fort, und ſeine weiß bandagierte Hand
vollführte eine leichte Geſte der Entſchuldigung.
„Es tut nichts zur Sache, wohin die Reiſe ging.
Aber als Sie, nach einem Jahr ungefähr, heim-
kamen, erwartete Sie eine Veränderung, auf die
Sie nicht gefaßt waren: Sie fanden Dina als
[Spaltenumbruch] die Frau eines anderen, Sie mußten erfahren,
daß Sie ihr ein Fremder geworden waren.“

Ja. So war es geweſen. Und jetzt, während
er ſprach, ſtieg der alte Schmerz voll Ungeſtüm
in mir auf, der brennende Zorn der Enttäu-
ſchung, und mit ihm zugleich ein neues Gefühl,
ein mir bisher fremdes, das des Haſſes gegen
dieſen jungen Buben, der vor mir ſtand und mit
ſeinen Händen an Dinge rührte, die ich tief in
mir verborgen gehalten hatte. War ich denn da,
um ihm Rede zu ſtehen? Mußte ich zuſehen,
daß er neugierigen Blicken fremder Menſchen
preisgab, was Jahre hindurch mein Geheinmis
geweſen war? „Genug“, ſchrie es in mir, und
ich wollte auf ihn zu, um dieſer Szene ein
Ende zu machen. Aber da war die Angſt, die
Angſt war wieder da, die Furcht vor etwas Un-
beſtimmtem, deſſen drohende Nähe ich fühlte, und
dieſe Angſt lähmte mich und machte mich hilf-
los und lag auf mir, ſchwer wie ein Alp.

Dinas Bruder ſprach mit völlig leidenſchafts-
loſer Stimme weiter, und ich mußte ihn anhören.

„Daß eine Frau, die Sie unlösbar an ſich ge-
kettet zu haben glaubten, ſich von Ihnen losge-
macht hatte und nun einem anderen gehören
ſollte, — dieſen Gedanken vermochten Sie, ſcheint
es, nicht zu ertragen. Sie hatten Ihre erſte Nie-
derlage erlitten und fühlten ſich herausgefordert.
Dina zurückzugewinnen, wurde zur Aufgabe
Ihres Lebens. Alles, was Sie ſeither unter-
nommen haben, auch das Geringſte, das ſchein-
bar Bedeutungsloſeſte, hat ausſchließlich dieſem
einen Ziel gegolten.“

Er machte eine Pauſe, vielleicht um mir Zeit
[Spaltenumbruch] zu einer Aeußerung, zu einer Entgegnung zu
laſſen. Aber ich ſagte nichts und ſo fuhr er fort:

„Ich habe Sie lange Zeit hindurch beobachtet,
Jahre hindurch habe ich Ihnen zugeſehen mit
einer geſpannten Anteilnahme, als wäre das
Ganze nur ſportliche Arbeit oder eine aufregende
Partie auf dem Schachbrett, als ginge es um
einen Rennpokal, und nicht um das Glück meiner
Schweſter. Ich ſah Sie auf ſonderbaren Wegen
langſam näher kommen, ſeh Sie Hinderniſſe
nehmen oder umgehen, ſah Sie Kreiſe um dieſes
Haus ziehen, und Ihre Kreiſe wurden enger
und enger. Sie wußten es zu erzwingen, daß
man Sie rief, und eines Tages waren Sie da
und ſtanden zwiſchen Dina und ihrem Gatten.“

Jetzt mußte es kommen, der Augenblick war
nahe. Ich fühlte, wie meine Hände in nervöſer
Erwartung zitterten, ich konnte nicht atmen, ſo
ſehr drückte mich die Stille, die im Zimmer
herrſchte. Wie eine Erleichterung empfand ich es,
als endlich Felix von neuem zu ſprechen begann:

„Heute kann ich es Ihnen ja ſagen, Herr Ritt-
meiſter, daß mir der Ausgang dieſes Kampfes
niemals zweifelhaft erſchienen iſt. Sie waren der
Stärkere, denn Sie hatten nur ein einziges Ziel
im Auge, und alles andere, das es in Ihrem
Leben gab, verſchwand neben dieſem Einen, —
das machte Sie unüberwindlich. Für mich ſtand
es feſt, daß dieſe Ehe in Trümmer gehen werde,
weil Sie es ſo wollten.“

Wieder machte er eine Pauſe, und meine Angſt
wuchs ins Unerträgliche. Eine halbe Minute etwa
verging, mein Blick glitt zu Doktor Gorski hin-
über, — er ſtand in einer Haltung voll nervöſer
Spannung an den Schreibtiſch gelehnt, der Aus-
druck ſeines Geſichtes war der einer vollkommenen
[Spaltenumbruch] Ratloſigkeit; von ihm, das ſah ich, war keine Hilfe
zu erwarten. — Der Ingenieur ſaß in eine Wolke
von Zigarettenrauch gehüllt in ſeinem Lehnſtuhl
und betrachtete gelangweilt ſeine Fingerſpitzen,
als wäre er mit ſeinen Gedanken bei anderen
Dingen.

„Das alles iſt vorüber,“ unterbrach jetzt Felix
das quälende Schweigen. „Sie haben Ihr Spiel
verloren, Baron. Der entſcheidende Fehler — ver-
ſtehen Sie, wie ich das meine? Niemals wird Dina
auch nur einen Augenblick lang den Mann in
ihrer Nähe dulden, der den Tod ihres Gatten auf
dem Gewiſſen hat.“

Das alſo war es. Dieſes Geſicht hatte die
Drohung, vor der ich gezittert hatte. Und jetzt,
da das Wort ausgeſprochen war, erſchien es mir
plötzlich lächerlich und abſurd. Das Gefühl der
Sicherheit war wieder in mir, meine Angſt war
verflogen, ich ſtand einem Gegner gegenüber, der
ſeinen Schuß abgefeuert und gefehlt hatte. Nun
kam die Reihe an mich, alles weitere lag in meiner
Hand. Ich fühlte mich dieſem jungen Buben, der
es gewagt hatte, mit mir anzubinden, grenzenlos
überlegen. Jetzt war ich der Stärkere, und ich
wußte, wie ich zu handeln hatte.

Ich trat ganz nahe an ihn heran und blickte ihm
ins Auge:

„Ich hoffe,“ ſagte ich, „Sie laſſen es ſich nicht
im Ernſt einfallen, mir oder irgendwem eine
Schuld an dieſem traurigen Ereignis beizu-
meſſen.“

Meine Worte hatten die erwartete Wirkung. Er
hielt meinem Blick nicht ſtand, geriet in Verwir-
rung und trat einen Schritt zurück.
(Fortſetzung folgt.)

<TEI>
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[4/0004] Allgemeine Zeitung Nr. 16 Donnerstag, den 17. Januar 1924. MÜNCHENER STADTZEITUNG Allerlei aus dem Stadtrat Heimzahlung älterer Münchner Stadtanleihen. Wie Rechtsrat Dr. Kronenberger, der Finanzreferent unſerer Stadt in der letzten Sitzung des Stadt- ratsplenums mitteilte, ſind von den nachverzeichneten alten Anleihen die Stücke zu 100 Mk., 200 Mk. und 500 Mk. bereits gekündigt Aufzurufen wären deshalb noch die Reſtbeträge, und zwar von Anlehen 1894 und 1904 zum 1. Juli 1924, vom Anlehen 1901 (I) und 1910 zum 1. Auguſt 1924, vom Anlehen 1901 (II) zum 1. Auguſt 1924 und vom Anlehen 1919 der Reſt zum 1. Oktober 1924. Die Schuldperſchreibungen der Leitzachwerke werden zum 1. April 1924 zur Heim- zahlung aufgerufen. Anſchließend an dieſe Bekanntgabe der Kündigungs- termine, denen der Stadtrat zuſtimmte, bemerkte Dr. Kronenberger noch: Wenngleich die Frage der Aufwertung früherer Goldſchuldverſchreibungen noch ungeklärt iſt, empfiehlt das Finanzreferat doch die vorerwähnten Anleihe-Reſte von Fall zu Fall zum nächſtmöglichen Zeitpunkt zur Kündigung und Heim- zahlung im Jahre 1924 aufzurufen, da die Koſten der Verwaltung wie der Zinsſcheineinlöſung und Ereneuerung unverhältnismäßig groß ſind. Sollte durch Geſetz eine Aufwertungspflicht geſchaffen werden, die der Stadtgemeinde unmögliche Leiſtungen auferlegen würde, ſo müßte die Aufrufung der noch ungekündigten Anleihen unterbleiben und ſie planmäßig getilgt werden St.-R. Weiß bedauerte, daß ſeine ſeinerzeitige Anregung, den Inhabern ſtädtiſcher Schuldverſchrei- bungen einen gewiſſen Ausgleich zu geben, abgelehnt wurde. Die Stadt wäre billiger weggekommen. Zur- zeit iſt die Lage ſo, daß unſere Beſchlüſſe keine Bin- dung haben Die Gläubiger ſind nicht verpflichtet, die Anleiheſtücke einzuliefern. Bürgermeiſter Schmid ſtellte feſt, daß München nicht allein vorgehen könne, und verwies auf die Höhernotierung bayriſcher Papiere an der Börſe auf Grund von Aufwertungsgerüchten. Bayern kann aber nicht anders handeln wie das Reich und die übrigen Länder. Ein Dringlichkeitsantrag der Bayeriſchen Volkspartei, den Vollzug der Ausſchreibung betreff Kündigung und Einlöſung älterer Münchener Stadt- anleihen zurückzuſtellen, bis die Frage der Auſwer- tung von früheren Schulden durch Reichsverordnung geregelt iſt, wurde auf Grund dieſer kurzen Aus- ſprache als erledigt erklärt. Straßenbahntarif und Vollverkehr. Ein Dring- lichkeitsantrag der D.D.P. im Stadtrat macht darauf aufmerkſam, daß die Tarifherabſetzung bei der Straßenbahn zweifellos eine Steige- rung des Verkehrs zur Folge haben wird. Es wird daher beantragt, ſofort alle diejenigen Ein- ſchränkungen des Verkehrs aufzuheben, die im Verhältnis zu den Beläſtigungen für die Be- völkerung keine überragenden finanziellen Vor- teile mehr bringen. Die Begründung beſagt: Die nur als äußerſte Notmaßnahme verſtändliche Auflaſſung von Linien und Verlängerung der Abſtände in der Wagenfolge uſw. haben insbeſondere im Um- ſteigverkehr zu Zuſtänden geführt, die es einem großen Teil des Publikums vorteilhafter erſchei- nen laſſen, ſeinen Weg zu Fuß zurückzulegen. Die Anſchlüſſe werden überdies durch rückſichts- loſes Wegfahren, trotzdem der Anſchlußwagen bereits in Sicht iſt, verſchlechtert. Abhilfe iſt dringend nötig, wenn die Münchener Straßen- bahn ihr Anſehen nicht vollſtändig einbüßen ſoll. Der Antrag wurde dem Werkausſchuß zu- geleitet. Das verſchmähte Mandat. Der an Stelle des nach Berlin verzogenen St. R. Weigl in den Stadtrat einberufene Kaufmann Engelbert Geh- ring hat gebeten, ihn vom Antritt des Mandats wegen ſeiner häufigen geſchäftlichen Abweſenheit zu entbinden. Der Stadtrat beſchloß demgemäß. Nächſter Erſatzmann iſt der Kaffenangeſtellte Eduard Thallmeier. Der Münchener Index Die Koſten des Geſamtlebensbedarfes einer fünf- köpfigen Münchener Durchſchnittsfamilie betrugen nach den vom Stat. Amt der Stadt München be- rechneten Indexziffern am 14. Januar 1924 das 1243 milliardenfache des Friedensſtandes, wäh- rend ſie ſich am 7. Januar 1924 auf das 1285 mil- liardenfache, am 29. Dezember 1923 auf das 1322- milliardenfache des Vorkriegsſtandes belaufen ha- ben. Die Teuerung hat demgemäß in Mün- chen in der Woche vom 7. bis 14. Januar 1924 einen Rückgang um 3,2 Prozent erfahren, nachdem ſie vorher in der Zeit vom 29. Dezember 1923 zum 7. Januar 1924 ſchon eine Abnahme um 2,8 Prozent zu verzeichnen hatte. Bei Verechnung dieſer Münchener Indexziffern, die auf Grund ſehr eingehender Preiserhebungen in mehreren hundert Geſchäften durchgeführt wer- den, ſind nicht nur die Koſten des wichtig- ſten Lebensbedarfes und der Beklei- dung berückſichtigt, die den Reichs- und Land- ziffern lediglich zugrunde liegen, ſondern auch die Koſten des übrigen Lebensbedarfes. Die bis- her ſeit Ende Dezember in München eingetretene Abminderung der allgemeinen Teuerung er- klärt ſich hauptſächlich durch den Rückgang der Preiſe für Fleiſch, Wurſtwaren, But- ter, Fett, Kohlen, für Straßenbahn- fahrten und einige andere Lebensbedürfniſſe, während gleichzeitig die Preiſe für verſchiedene Gemüſearten, für Milch, für die Wohnung geſtiegen waren. Durch die Preiserhöhungen wurden die Preisſenkungen in dem ſeit 29. De- zember verfloſſenen Zeitraum nur teilweiſe aus- geglichen. Nachgebende Viehpreiſe Der Schlachtviehmarkt vom 16. Jan. zeigte einen ſchleppenden Verlauf bei nachgebenden Prei- ſen. Zumal Schweine wurden nicht unweſentlich billiger. Der Auſtrieb betrug 2029 Stück Groß- vieh, 1683 Kälber, 1528 Schweine, 78 Ferkel und 391 Schafe. Ochſen notierten 15—36 Pſg., Bul- len 12—34, Kühe 9—30, Kälber 15—33 (geſchl. 34—53), Schweine 55—65 (geſchl. 70—80), Schafe geſchl. 30—55, Ferkel 50—80. Es blieb einiger Ueberſtand, obwohl die Notierungen gegen das Ende zu noch niedriger wurden. Im Anſchluß daran ſei mitgeteilt, daß die Preisprüfungsſtelle München neuerdings die Fleiſchpreiſe überprüft und, abgeſehen von einer geringfügigen Erhöhung der ſogenannten Metzger- ſpannung, ihren bisherigen Standpunkt in der Vieh- und Fleiſchpreisfrage beibehalten hat. Dem- gemäß wurden die folgenden Ladenpreiſe als häu- figſte Preiſe amtlich als angemeſſen erklärt: 1. Maſtrindfleiſch (das iſt Fleiſch von Ochſen, Kühen und Kalbinnen 1. Maſtzuſtan- des) 65—74 Pfg., 2. Rindfleiſch einſchließlich Ochſenfleiſch 2. Qualität 35—66 Pfg., 3. Kalb- fleiſch 50—60 Pfg., 4. Schaffleiſch 50—70 Pfg., 5. Schweinefleiſch bis zu 1 Mk., 6. Gefrierfleiſch 50—65 Pfg. Dieſe Preiſe ſind berechnet und feſtgeſtellt nach dem häufigſten Einſtandspreis der letzten Vieh- märkte, wobei die ſogenannten Spitzenpreiſe unbe- rückſichtigt geblieben ſind. Es liegt im Weſen dieſer Angemeſſenheitspreiſe, daß für beſondere Qualitäten dann höhere Preiſe verlangt werden dürfen. Umgekehrt dürfen für geringere Quali- täten mit niedrigeren Einſtandspreiſen nur ent- ſprechend niedrigere Verkaufspreiſe verlangt und angeſchrieben werden. Der amtliche Preis für Lyoner Wurſt wurde bis zu 60 Pfg. pro Pfund für angemeſſen erklärt. Preiſe mit viel ſchönen Reden. Das Mün- chener Metzgergewerbe nahm geſtern in einer großen Verſammlung Stellung zu den bekannten behördlichen Maßnahmen auf Feſt- ſetzung niedrigerer Fleiſchpreiſe. Der Ober- innungsmeiſter Würz wandte ſich gegen eine ſche- matiſche Feſtſetzung von Richtpreiſen, gegen die Verkürzung der Verdienſtſpanne von 20 auf 15 Prozent, wies verallgemeinernde Vorwürfe zu- rück und erklärte, daß in den letzten Tagen 330 Anzeigen gegen Metzgermeiſter erſtattet worden ſeien, die durch Uebergriffe der Preisprüfungs- ſtelle zuſtande gekommen ſeien. — Der Vertreter der Landeswucherabwehrſtelle, Staatsanwalt Kai- ſer, betonte, daß die von der Preisprüfungsſtelle feſtgeſetzten Preiſe nicht etwa Höchſtpreiſe ſeien, deren Ueberſchreitung ſtrafbar ſei, ſondern viel- mehr nur Beiſpiele für die Berechnung. Dadurch ſei ebenſo ſehr im Intereſſe des Metzgergewerbes wie der Verbraucher gehandelt worden und Nach- fragen durch Kontrollbeamte ſeien noch keine Be- anſtandungen. Die Metzgermeiſter hätten ihre Pflicht gegenüber der Allgemeinheit bis in die letzte Zeit getan, und man werde im Zuſammen- wirken auch über die künftigen Schwierigkeiten hinwegkommen. Konzertverein. Im Anſchluß an die Mitglie- derverſammlung des Konzertvereins München vom 15. Januar 1924 wurden in einer Sitzung des neuen Vorſtandes gewählt als: Vorſitzender 1. Bürgermeiſter Schmid, Schatzmeiſter Diplom- ingenieur Dr. Wamsler, Schriftführer Rechts- rat Hörburger. Ehrenvorſitzender iſt in An- erkennung ſeiner Verdienſte um den Verein wie bisher Oberbürgermeiſter Dr. Ritter v. Borſcht. Lichtbilderzwang für Eiſenbahnzeitkarten! In der Preſſe iſt vor einiger Zeit darauf aufmerkſam gemacht worden, daß für die im Eiſenbahnverkehr ausgegebenen Zeitkarten Lichtbildzwang eingeführt wird. Der Lichtbildzwang gilt bei Monatskarten ſchon vom 1. Februar, bei Wochen- karten vom 17. Februar und bei Schülermonats- karten vom 1. März an. Da das Zurichten der aus dieſem Anlaß neu eingeführten Blechrahmen, Aufkleben der Lichtbilder uſw. durch die Eiſen- bahnverwaltung beſorgt wird und bei der großen Zahl der Zeitkarten geraume Zeit beanſprucht, wird dringend geraten, das Lichtbild bis ſpäteſtens 21. Januar bei der Beſtellſtation unter Bezah- lung des Preiſes für den Blechrahmen (30 S) perſönlich einzuliefern. Wer das Lichtbild ver- ſpätet einſendet, muß gewärtigen, daß er am 1. Februar nicht im Beſitze ſeiner Karte iſt. Das Lichtbild muß beſtimmten Anforderungen ent- ſprechen, die wohl zu beachten ſind: Größe 4½ Zentimeter hoch, 3½ Zentimeter breit — Kopf- größe etwa 2 Zentimeter — wenn möglich ohne Kopfbedeckung — heller Hintergrund — weiches dünnes Papier. Sehr wichtig iſt, daß auf der Rückſeite des Lichtbildes Name, Wohnort und Wohnung des Zeitkartenbeſtellers mit Bleiſtift aufgeſchrieben wird, da ſonſt Verwechſlungen vor- kommen können. Nachteile, die aus dem Fehlen dieſer Angaben erwachſen, hat der Zeitkarten- beſteller ſelbſt zu vertreten. Kinderrodelbahn auf der Königswieſe in Neu- berghauſen. Wie in den letzten Jahren, ſo hat auch heuer die Verwaltung des ehem. Krongutes die Erlaubnis zum Rodeln für Kinder auf der Königswieſe in Neuberghauſen erteilt. Der Stadt- rat wird mit aller Strenge darauf ſehen, daß nicht halbwüchſige Burſchen und Mädchen oder auch Erwachſene auf der Wieſe rodeln. Auch Ski- fahrer haben Strafeinſchreitung zu gewärtigen. Kurſe für Bankangeſtellte. Mit Rückſicht auf die veränderten Arbeitszeiten der Bankangeſtell- ten beginnt der Kurs für Bank- und Börſenweſen im Roſentalſchulhaus am Freitag, den 18. Jan., erſt um 8 Uhr abends. Vereinbarungen bezüglich der weiteren Vortragsabende werden an dieſem Abend getroffen. Volks- und Stenographiekurſe Stolze-Schrey. Die im Bayeriſchen Stenographiebund S.-S. ver- einigten Münchener Stenographenvereine eröffnen für Intereſſenten aus allen Ständen Mittwoch, den 16. Januar, im Schulhaus an der Türken- ſtraße, Zimmer Nr. 16, Stenographie-Unterrichts- kurſe unter Leitung geprüfter Lehrer. Berufskundliche Vorträge. Donnerstag, den 17. Januar, abends 7 Uhr findet im Feſtſaal der Kanfmannsſchule, Roſental 7, der erſte berufs- kundliche Vortrag, veranſtaltet von der Berufs- beratungsſtelle des Arbeitsnachweiſes München, ſtatt. Es werden ſprechen: 1. Ueber „Die Wichtigkeit der Berufswahl“ Berufs- berater Schießer. 2. Herr Dr. Fürſt über „Die körperliche Eignung zum ge- werblichen Beruf“ (mit Lichtbildern). Die Eltern und Vormünder der Knaben, die in ge- werbliche bzw. kaufmänniſche Berufe eintreten wollen, werden beſonders auf dieſen Vortrag, der bei freiem Eintritt ſtattfindet, aufmerkſam ge- macht Kleine Zeitung Geboren: Herr Richard Letzel (T.) Geſtorben: Miniſterialdirektor Dr. Hans At- tinger; Guts- und Brauereibeſitzersgattin The- reſe Hörmann, geb. Bachmayer; Frau Ritt- meiſter Maria Wiedmann; ehem. Verwalter Karl Altmannshofer; Buchhändler Ernſt Kaſtner; Obering. Anton Schmid; Buch- händler Richard Steckerl; Bauführer Franz Vogl; Maler Joſef Häring; Alfred Maxel; Generalmajorswitwe Marie Schunck-Lum- brecht; Schriftſtellerswitwe Eda Lewes. s. Erfroren aufgefunden wurde nächſt der Ther- miſchen Vernichtungsanſtalt bei Forſtenried ein alter Mann. Es dürfte ſich um einen ſeit längerer Zeit abgängigen Schreiner handeln. Freunde der Menſcheit. Ein in der Adalbert- ſtraße wohnhafter Hilfsarbeiter und ſeine Frau lockten unter dem Vorgeben, armen Kindern eine Weihnachtsfreude bereiten zu wollen, Kinder an ſich und nahmen an ihnen unzüchtige Handlungen vor. Dabei trug ein 6½jähriges Mädchen eine Verletzung davon, wodurch die Angelegenheit zur Kenntnis der Behörden kam. Das Ehepaar iſt verhaftet. Banknotenfälſcher. Vier Burſchen im Alter von 17 bis 19 Jahren haben echte Zehnmillionen-Gut- ſcheine der Bayeriſchen Staatsbank mit dem Ueberdruck „Zehn Billionen“ in roter Querſchrift gefälſcht. Die Typen waren aus einem Geſchäft entwendet. 12 bis 15 Falſchſcheine wurden bei Kaufleuten ausgegeben. Als die Fälſcher fürch- teten, ſie könnten entdeckt werden, warfen ſie Typen und Farbe in die Iſar und verbrannten den Reſt der Falſchſcheine. Hundetollwut. Laut amtstierärztlichem Gut- achten wurde bei einem am 26. Dezember 1923 verendeten Hund des Schneidermeiſters Ignatz Schweiger, Liebigſtraße 16, Tollwut feſtge- ſtellt. Aus dieſem Grunde wurde die über den Stadtbezirk verhängte Hundeſperre bis zum 26. März 1924 verlängert. Verlorener Ausweis. Der Lichtbildausweis Nr. 912 der bayeriſchen Landeswucherabwehrſtelle auf den Namen Fiſchbacher Rupert lautend wurde von dieſem Beamten in München zwiſchen Stiglmaierplatz und Leonrodſtraße am 9. Januar 1924 verloren. — Vor Mißbrauch wird gewarnt. Kauft und verſchenkt Suppenbilletts! Es kann nicht oft genug auf die beſtehende Ein- richtung der Suppenbillets hingewieſen werden, die an verſchiedenen Stellen der Stadt für jeder- mann käuflich ſind (100 Stück 6 M). Man kann alſo ſchon für einen kleinen Betrag vielen Leuten eine Suppe oder ein warmes Eſſen in den Küchen des Vereins für öffentliche Speiſehallen geben. Statt Geldunterſtützungen an Bedürftige, die an den Wohnungstüren um Gaben vorſprechen, gebe man eine Anzahl Suppenbillets, die ſich in der Hand des Hilfeſuchenden in warme Nahrung ver- wandeln. Dies iſt auch der einfachſte Weg, um wirkſame Abhilfe gegen den überhand nehmenden Haus- und Straßenviertel zu ſchaffen. Suppen- billets ſind zu haben: Verein für öffentliche Speiſe- hallen, Thereſienſtraße 25, Hotterſtraße 4, Rat- haus Zimmer 109, Hilfsbund der Münchener Ein- wohnerſchaft, Theatinerſtraße 3/2, Münchener Möbel- und Raumkunſt Roſipalhaus, Rinder- markt, ferner bei den Firmen Hermann Tietz, Bahnhofplatz 7, J. A. Seidl, Hutgeſchäft am Stachus, Karlsplatz 24, Otto Landauer, Kauſin- gerſtraße 26, Barbarino & Kilp. Marienplatz 25, Gerſtle & Löffler. Weinſtraße 3. — Es ergeht außerdem an alle größeren Geſchäfte die Bitte, Verkaufsſtellen für Speiſemarken zu errichten. An- ruf bei der Sammlung „Not und Brot“, Tele- phon 22377, genügt. Der Meiſter des jüngſten Tages 16 Roman von Leo Perutz „Dieſe Beziehung, über deren Charakter wir uns alſo nunmehr geeinigt haben, währte nicht ganz ein halbes Jahr. Sie nahm ein Ende, als Sie die Luſt ankam, eine Reiſe nach Japan zu unternehmen. Ich ſage: „Sie nahm ein Ende“, obgleich dieſes Ende von Jhrer Seite wohl nur als ein vorläufiges gedacht war —“ „Meine Reiſe ging nicht nach Japan, ſondern nach Tongking und nach Kambodſcha“, unter- brach ich ihn. „Ich unternahm ſie auch nicht zu meinem Vergnügen, ſondern im Auftrage des Ackerbauminiſteriums“, ſetzte ich hinzu, und hin- ter dieſer Richtigſtellung völlig gleichgültiger Be- hauptungen verbarg ich mein grenzenloſes Er- ſtaunen darüber, daß er ſo leicht, ſo gleichmütig in der Tatſache, daß ſeine Schweſter meine Ge- liebte geweſen war, vorüberglitt. — Wohin will er hinaus? — fragte ich mich. — Wenn er Ge- nugtuung erzwingen will, — hier ſtehe ich, ich bin bereit, — warum packt er nicht zu? Was führt er denn noch im Schild? — Und ein leiſes Angſtgefühl beſchlich mich, die Ahnung einer kom- menden und mir unbekannten Gefahr, und dieſe Angſt ließ mich nicht mehr los. „Nach Tongking und Kambodſcha alſo“, fuhr Felix fort, und ſeine weiß bandagierte Hand vollführte eine leichte Geſte der Entſchuldigung. „Es tut nichts zur Sache, wohin die Reiſe ging. Aber als Sie, nach einem Jahr ungefähr, heim- kamen, erwartete Sie eine Veränderung, auf die Sie nicht gefaßt waren: Sie fanden Dina als die Frau eines anderen, Sie mußten erfahren, daß Sie ihr ein Fremder geworden waren.“ Ja. So war es geweſen. Und jetzt, während er ſprach, ſtieg der alte Schmerz voll Ungeſtüm in mir auf, der brennende Zorn der Enttäu- ſchung, und mit ihm zugleich ein neues Gefühl, ein mir bisher fremdes, das des Haſſes gegen dieſen jungen Buben, der vor mir ſtand und mit ſeinen Händen an Dinge rührte, die ich tief in mir verborgen gehalten hatte. War ich denn da, um ihm Rede zu ſtehen? Mußte ich zuſehen, daß er neugierigen Blicken fremder Menſchen preisgab, was Jahre hindurch mein Geheinmis geweſen war? „Genug“, ſchrie es in mir, und ich wollte auf ihn zu, um dieſer Szene ein Ende zu machen. Aber da war die Angſt, die Angſt war wieder da, die Furcht vor etwas Un- beſtimmtem, deſſen drohende Nähe ich fühlte, und dieſe Angſt lähmte mich und machte mich hilf- los und lag auf mir, ſchwer wie ein Alp. Dinas Bruder ſprach mit völlig leidenſchafts- loſer Stimme weiter, und ich mußte ihn anhören. „Daß eine Frau, die Sie unlösbar an ſich ge- kettet zu haben glaubten, ſich von Ihnen losge- macht hatte und nun einem anderen gehören ſollte, — dieſen Gedanken vermochten Sie, ſcheint es, nicht zu ertragen. Sie hatten Ihre erſte Nie- derlage erlitten und fühlten ſich herausgefordert. Dina zurückzugewinnen, wurde zur Aufgabe Ihres Lebens. Alles, was Sie ſeither unter- nommen haben, auch das Geringſte, das ſchein- bar Bedeutungsloſeſte, hat ausſchließlich dieſem einen Ziel gegolten.“ Er machte eine Pauſe, vielleicht um mir Zeit zu einer Aeußerung, zu einer Entgegnung zu laſſen. Aber ich ſagte nichts und ſo fuhr er fort: „Ich habe Sie lange Zeit hindurch beobachtet, Jahre hindurch habe ich Ihnen zugeſehen mit einer geſpannten Anteilnahme, als wäre das Ganze nur ſportliche Arbeit oder eine aufregende Partie auf dem Schachbrett, als ginge es um einen Rennpokal, und nicht um das Glück meiner Schweſter. Ich ſah Sie auf ſonderbaren Wegen langſam näher kommen, ſeh Sie Hinderniſſe nehmen oder umgehen, ſah Sie Kreiſe um dieſes Haus ziehen, und Ihre Kreiſe wurden enger und enger. Sie wußten es zu erzwingen, daß man Sie rief, und eines Tages waren Sie da und ſtanden zwiſchen Dina und ihrem Gatten.“ Jetzt mußte es kommen, der Augenblick war nahe. Ich fühlte, wie meine Hände in nervöſer Erwartung zitterten, ich konnte nicht atmen, ſo ſehr drückte mich die Stille, die im Zimmer herrſchte. Wie eine Erleichterung empfand ich es, als endlich Felix von neuem zu ſprechen begann: „Heute kann ich es Ihnen ja ſagen, Herr Ritt- meiſter, daß mir der Ausgang dieſes Kampfes niemals zweifelhaft erſchienen iſt. Sie waren der Stärkere, denn Sie hatten nur ein einziges Ziel im Auge, und alles andere, das es in Ihrem Leben gab, verſchwand neben dieſem Einen, — das machte Sie unüberwindlich. Für mich ſtand es feſt, daß dieſe Ehe in Trümmer gehen werde, weil Sie es ſo wollten.“ Wieder machte er eine Pauſe, und meine Angſt wuchs ins Unerträgliche. Eine halbe Minute etwa verging, mein Blick glitt zu Doktor Gorski hin- über, — er ſtand in einer Haltung voll nervöſer Spannung an den Schreibtiſch gelehnt, der Aus- druck ſeines Geſichtes war der einer vollkommenen Ratloſigkeit; von ihm, das ſah ich, war keine Hilfe zu erwarten. — Der Ingenieur ſaß in eine Wolke von Zigarettenrauch gehüllt in ſeinem Lehnſtuhl und betrachtete gelangweilt ſeine Fingerſpitzen, als wäre er mit ſeinen Gedanken bei anderen Dingen. „Das alles iſt vorüber,“ unterbrach jetzt Felix das quälende Schweigen. „Sie haben Ihr Spiel verloren, Baron. Der entſcheidende Fehler — ver- ſtehen Sie, wie ich das meine? Niemals wird Dina auch nur einen Augenblick lang den Mann in ihrer Nähe dulden, der den Tod ihres Gatten auf dem Gewiſſen hat.“ Das alſo war es. Dieſes Geſicht hatte die Drohung, vor der ich gezittert hatte. Und jetzt, da das Wort ausgeſprochen war, erſchien es mir plötzlich lächerlich und abſurd. Das Gefühl der Sicherheit war wieder in mir, meine Angſt war verflogen, ich ſtand einem Gegner gegenüber, der ſeinen Schuß abgefeuert und gefehlt hatte. Nun kam die Reihe an mich, alles weitere lag in meiner Hand. Ich fühlte mich dieſem jungen Buben, der es gewagt hatte, mit mir anzubinden, grenzenlos überlegen. Jetzt war ich der Stärkere, und ich wußte, wie ich zu handeln hatte. Ich trat ganz nahe an ihn heran und blickte ihm ins Auge: „Ich hoffe,“ ſagte ich, „Sie laſſen es ſich nicht im Ernſt einfallen, mir oder irgendwem eine Schuld an dieſem traurigen Ereignis beizu- meſſen.“ Meine Worte hatten die erwartete Wirkung. Er hielt meinem Blick nicht ſtand, geriet in Verwir- rung und trat einen Schritt zurück. (Fortſetzung folgt.)

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-12-19T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 16, 17. Januar 1924, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine16_1924/4>, abgerufen am 21.11.2024.