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Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 24. April 1915.

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24. April 1915. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] und wir mußten begreifen, daß wir durchaus noch nicht über
den Berg waren. Die Landungsboote waren zurückgekommen.
Maschinengewehre in Gefechtsbereitschaft, die deutsche Flagge
wurde wieder vor dem Telegraphengebäude gehißt und wir
kehrten kriegsgefangen, schweren Herzens zu unserm
Bootsschuppen zurück, denn es war mehr als wahrscheinlich,
daß beide Kreuzer ihrem Schicksale verfallen waren. An-
scheinend brannte die "Sydney" noch, als wir
abmarschierten,
und kurz darauf erfuhren wir, daß
ein Schornstein der "Emden", der vordere Mast und der
zweite Schornstein kaput geschossen waren. Die nächsten
Minuten waren die schrecklichsten für uns. Nachdem sich das
Blatt für die Landungsmannschaft so unerwartet gewendet
hatte, war es unmöglich, zu erraten, wie sie uns jetzt be-
handeln würden, besonders in dem Falle, daß die "Sydney"
etwa siegreich bliebe und versuchte, ihrerseits eine Abteilung
zu landen. Es war durchaus klar, daß die deutsche Lan-
dungsmannschaft entschlossen war, den Kampf aufzunehmen.
Ihre grimmigen Gesichter, so verschieden von dem, was wir
vor einer halben Stunde gesehen hatten, ließen keinen Zweifel
aufkommen. Indessen, man ließ uns jetzt Zeit, hierüber nach-
zudenken und die deutschen Offiziere und einige ihrer Leute
kletterten nun ihrerseits auf das Dach. Wenig war aber nur
von dem Kampfe zu sehen, nur daß die Kreuzer manöve-
rierten. Wie sich herausstellte, zog der Kapitän der "Sydney"
geschickt Vorteil aus seiner größeren Schnelligkeit, wie ein
Pfeil hineinschießend, sobald die "Emden" in Schußweite war.
Zugleich eine volle Breitseite abgebend, schwang das Schiff
herum, so daß die Schüsse der "Emden" über oder unter das
Ziel hinausgingen. Die Geschwindigkeit der "Sydney" war
fabelhaft und obwohl natürlich keine Zeit vorhanden war,
die Geschwindigkeit genau zu konstatieren, so war doch die
Meinung allgemein, daß der Kreuzer seine Probesahrt und
seine eigenen früheren Rekorde übertroffen hätte. Nichts von
diesen Vorgängen wußten wir aber damals selbst, denn wir
mußten das quälende Hangen und Bangen, nichts zu sehen
und zu hören, weiter ertragen. Solche Kleinigkeiten, die
wir von unsrer Wache in Erfahrung bringen konnten, waren
dürftig, wenig tröstlich und deuteten auf die Wahrscheinlichkeit
hin, daß beide Schiffe sinken würden. Um 11 Uhr war nur
noch eins der beiden Schiffe sichtbar und um Mittag sah man
gar nichts mehr. Der deutsche erste Offizier teilte unserm Chef
seine näheren Pläne mit. Zuerst vor allem erhielten wir die
Erlaubnis, unsern Bootsschuppen zu verlassen und groß war
unsre Freude, das langentbehrte Bad genießen zu können.
Aber die Ereignisse jagten einander zu schnell, so daß keiner
von uns an Lunch dachte, obwohl die Mehrzahl von uns seit
24 Stunden kaum etwas genossen hatte.

Die deutschen Pläne waren folgende: Wenn die
"Emden" allein zurückkäme, würden sie an Bord gehen. Wenn
nur die "Sydney" wiederkehrte, würden sie den Kampf auf-
nehmen, da sie über die Landungsmannschaft dieses Schiffes
einen Vorteil zu haben wähnten. In diesem letzteren Falle
gaben sie uns Erlaubnis, unsre Boote zu nehmen und auf
eine der benachbarten Inseln zu fahren. Käme keiner der
beiden Kreuzer zurück, dann würden sie von der "Ayesha"
Besitz ergreifen, einem Schoner von 97 Tonnen und Eigen-
tum von J. S. Clunies-Roß, welcher in der Lagune vor Anker
lag. Diese letzte Möglichkeit ins Auge fassend, trafen sie die
nötigen Vorbereitungen und begannen damit, uns um zwei
Monate Proviant zu bitten. Diesem folgte ihre Mitteilung,
"daß sie in großer Verlegenheit seien um
Kleidung
und wie angenehm es ihnen wäre, wenn wir
ihnen mit etwas Altem aushelfen könnten". Ich erwähne
dieses besonders als Beweis für die höfliche Behandlung, die
wir von Anfang bis zu Ende erfahren haben. Der Offizier
ging sogar so weit, zu sagen, daß die überlassenen Vorräte
bei erster Gelegenheit von einem neutralen Hafen aus uns
ersetzt werden würden. Sei dem wie ihm wolle, wir erkannten
die Berechtigung ihres Ersuchens an und bald darauf bot
unsre Insel dasselbe geschäftige Bild dar, als wenn alle
Vierteljahr der Singapore Kabeldampfer mit unsern Er-
gänzungsvorräten eintrifft, nur mit zwei bemerkenswerten
Unterschieden. Karren, beladen mit Vorräten aller Art,
Schinken, Mehl, Reis, Biskuits, Milch usw., manchmal in
ganzen, noch ungeöffneten Kisten wurden heruntertrans-
[Spaltenumbruch] portiert zur Landungsbrücke, aber nicht, wie gewohnt, von
Malayen, sondern gezogen von fremdartigen, ungeschlachten
Ausländern (strange unkempt foreigners). Alle unsre besten
Sachen wurden genommen, unsre Vorräte für dret Monate,
aber wir schauten vergnügt zu und legten sogar dann und
wann selbst mit Hand an. Um 31/2 Uhr schien alles in
Ordnung zu sein, alles Unnötige wurde zurückgelassen und
ein Ausblick vom Dache aus ließ keinerlei Anzeichen von
einem Schiffe erkennen, wiewohl schwach am Horizont, wohl
15 Meilen entfernt, etwas Rauch zu sehen war, der aber nicht
näher kam.

Nun wurden Vorbereitungen getroffen, um die Segel auf
der "Ayesha" zu setzen und die Vorräte an Bord zu bringen.
Nachdem dieses geschehen war, borgte man sich alle vor-
handenen Blechgefäße, um Wasser an Bord zu schaffen, und
ein Angriff wurde auf das kondensierte Trinkwasser gemacht,
welcher für uns fatal hätte werden können. Glücklicherweise
hatte er aber keine Folgen, weil der Offizier schon vorher Be-
fehl gegeben hatte, daß unser Filterapparat und Eismaschine
geschont werden sollten. Das Wort "borgen" ist mit Absicht
gebraucht, denn die Deutschen waren kamerad-
schaftlich bis zum Schlusse
(were sporting right
up to the end)
und gaben liebenswürdigerweise alle die Ge-
fäße zurück. Zweifellos auf Kosten ihrer Zeit, welche anfing,
jetzt kostbar zu werden. Die Mehrzahl der Leute war bereits
an Bord und bei Rückkehr des Restes, mit denen wir noch
ein Hurra ausgetauscht hatten, trat die ganze Mannschaft zur
Tätigkeit an, kappte die Ankertaue los, machte beide Pinassen
fest und mit der Dampfbarkasse vorauf wurde die Reise an-
getreten, ein Offizier in den Raaen, durch das tückische und
untiefe Wasser steuernd. Die Deutschen brachten ein brausen-
des Hurra aus, als die lange Linie: Dampfbarkasse, Schoner
und zwei Pinassen sich in Bewegung setzte, die deutsche
Kriegsflagge stolz im Winde flatternd. Wir beobachteten sie
mit gemischten Gefühlen. Nur ein Augenzeuge kann den un-
bezwingbaren Mut und die Stimmung dieser Leute würdigen,
angesichts einer ungewissen Zukunft, ihr Schiff wahrscheinlich
verloren, ihre Kameraden tot, sie selbst gezwungen, auf einem
kleinen Schoner (der bereits als seeuntauglich erklärt war)
in den weiten indischen Ozean sich hinauszuwagen, im besten
Falle die vage Hoffnung zu haben, einen Afrikahafen zu er-
reichen, wenn es ihnen wirklich gelingen sollte, der Kaperung
durch feindliche Schiffe zu entgehen, und alles dieses nur dann,
wenn der alte Schoner den Launen der Elemente wider-
stände!



Kriegs-Literatur.
Kriegsfinanzen.

Reichstagsrede am 10. März 1915. Von
Dr. Karl Helfferich, Staatssekretär des Reichsschatzamtes.
41./42. Heft der von Ernst Jäckh herausgegebenen Flugschriften-
sammlung "Der Deutsche Krieg". Preis 1 M. Deutsche Verlags-
anstalt in Stuttgart.

Die große Etatrede, mit der sich der neue Reichsschatzsekretär
im Reichstag einführte, hat im ganzen deutschen Volke einmütigen
Beifall gefunden, und nicht minder hat das Ausland den lichtvollen
Ausführungen des Redners Beachtung geschenkt. Den vielen
Nachfragen nach dem Wortlaut dieser Rede wird durch den vor-
liegenden, nach dem offiziellen Stenogramm gebotenen unver-
kürzten Abdruck Rechnung getragen. Dieses Heft der trefflichen
Flugschriftensammlung wird überall besonders freundlich willkom-
men geheißen werden.

Der Kampf um die Dardanellen.

Von Staatsanwalt a. D.
L. Trampe. 39. Heft der von Ernst Jäckh herausgegebenen
Flugschriftensammlung "Der Deutsche Krieg". Preis 50 [Pf]. Deut-
sche Verlagsanstalt in Stuttgart.

Die Blicke der ganzen Welt wenden sich zurzeit vom europäi-
schen Kriegsschauplatz hin zu den Dardanellen, wo sich ein Kampf
von weltgeschichtlicher Bedeutung abzuspielen beginnt. Der Ver-
fasser weist nicht nur darauf hin, in welch hohem Maße die Inter-
essen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns mit dem Verbleib
Konstantinopels in türkischen Händen verknüpft sind, sondern er
untersucht auch, wie sich die wirklichen Interessen, nicht etwa die
von nationalen Leidenschaften erhitzten, Italiens, Griechenlands,
Rumäniens und Bulgariens zu dem Kampfe um die Dardanellen
verhalten. Die große Gefahr, die sich für Italien ergibt, wenn sich
Rußland und Frankreich durch die Bewältigung der Dardanellen
militärisch die Hand reichen könnten, beginnt man ja wohl auch
dort jetzt mehr und mehr einzusehen. Die wahren Interessen der
neutralen Balkanstaaten und Italiens sind ohne Zweifel nur zu
wahren, wenn der bestehende Zustand aufrechterhalten wird und
Konstantinopel und die Dardanellen wie bisher in türkischem Besitz
bleiben.

24. April 1915. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] und wir mußten begreifen, daß wir durchaus noch nicht über
den Berg waren. Die Landungsboote waren zurückgekommen.
Maſchinengewehre in Gefechtsbereitſchaft, die deutſche Flagge
wurde wieder vor dem Telegraphengebäude gehißt und wir
kehrten kriegsgefangen, ſchweren Herzens zu unſerm
Bootsſchuppen zurück, denn es war mehr als wahrſcheinlich,
daß beide Kreuzer ihrem Schickſale verfallen waren. An-
ſcheinend brannte die „Sydney“ noch, als wir
abmarſchierten,
und kurz darauf erfuhren wir, daß
ein Schornſtein der „Emden“, der vordere Maſt und der
zweite Schornſtein kaput geſchoſſen waren. Die nächſten
Minuten waren die ſchrecklichſten für uns. Nachdem ſich das
Blatt für die Landungsmannſchaft ſo unerwartet gewendet
hatte, war es unmöglich, zu erraten, wie ſie uns jetzt be-
handeln würden, beſonders in dem Falle, daß die „Sydney“
etwa ſiegreich bliebe und verſuchte, ihrerſeits eine Abteilung
zu landen. Es war durchaus klar, daß die deutſche Lan-
dungsmannſchaft entſchloſſen war, den Kampf aufzunehmen.
Ihre grimmigen Geſichter, ſo verſchieden von dem, was wir
vor einer halben Stunde geſehen hatten, ließen keinen Zweifel
aufkommen. Indeſſen, man ließ uns jetzt Zeit, hierüber nach-
zudenken und die deutſchen Offiziere und einige ihrer Leute
kletterten nun ihrerſeits auf das Dach. Wenig war aber nur
von dem Kampfe zu ſehen, nur daß die Kreuzer manöve-
rierten. Wie ſich herausſtellte, zog der Kapitän der „Sydney“
geſchickt Vorteil aus ſeiner größeren Schnelligkeit, wie ein
Pfeil hineinſchießend, ſobald die „Emden“ in Schußweite war.
Zugleich eine volle Breitſeite abgebend, ſchwang das Schiff
herum, ſo daß die Schüſſe der „Emden“ über oder unter das
Ziel hinausgingen. Die Geſchwindigkeit der „Sydney“ war
fabelhaft und obwohl natürlich keine Zeit vorhanden war,
die Geſchwindigkeit genau zu konſtatieren, ſo war doch die
Meinung allgemein, daß der Kreuzer ſeine Probeſahrt und
ſeine eigenen früheren Rekorde übertroffen hätte. Nichts von
dieſen Vorgängen wußten wir aber damals ſelbſt, denn wir
mußten das quälende Hangen und Bangen, nichts zu ſehen
und zu hören, weiter ertragen. Solche Kleinigkeiten, die
wir von unſrer Wache in Erfahrung bringen konnten, waren
dürftig, wenig tröſtlich und deuteten auf die Wahrſcheinlichkeit
hin, daß beide Schiffe ſinken würden. Um 11 Uhr war nur
noch eins der beiden Schiffe ſichtbar und um Mittag ſah man
gar nichts mehr. Der deutſche erſte Offizier teilte unſerm Chef
ſeine näheren Pläne mit. Zuerſt vor allem erhielten wir die
Erlaubnis, unſern Bootsſchuppen zu verlaſſen und groß war
unſre Freude, das langentbehrte Bad genießen zu können.
Aber die Ereigniſſe jagten einander zu ſchnell, ſo daß keiner
von uns an Lunch dachte, obwohl die Mehrzahl von uns ſeit
24 Stunden kaum etwas genoſſen hatte.

Die deutſchen Pläne waren folgende: Wenn die
„Emden“ allein zurückkäme, würden ſie an Bord gehen. Wenn
nur die „Sydney“ wiederkehrte, würden ſie den Kampf auf-
nehmen, da ſie über die Landungsmannſchaft dieſes Schiffes
einen Vorteil zu haben wähnten. In dieſem letzteren Falle
gaben ſie uns Erlaubnis, unſre Boote zu nehmen und auf
eine der benachbarten Inſeln zu fahren. Käme keiner der
beiden Kreuzer zurück, dann würden ſie von der „Ayeſha“
Beſitz ergreifen, einem Schoner von 97 Tonnen und Eigen-
tum von J. S. Clunies-Roß, welcher in der Lagune vor Anker
lag. Dieſe letzte Möglichkeit ins Auge faſſend, trafen ſie die
nötigen Vorbereitungen und begannen damit, uns um zwei
Monate Proviant zu bitten. Dieſem folgte ihre Mitteilung,
daß ſie in großer Verlegenheit ſeien um
Kleidung
und wie angenehm es ihnen wäre, wenn wir
ihnen mit etwas Altem aushelfen könnten“. Ich erwähne
dieſes beſonders als Beweis für die höfliche Behandlung, die
wir von Anfang bis zu Ende erfahren haben. Der Offizier
ging ſogar ſo weit, zu ſagen, daß die überlaſſenen Vorräte
bei erſter Gelegenheit von einem neutralen Hafen aus uns
erſetzt werden würden. Sei dem wie ihm wolle, wir erkannten
die Berechtigung ihres Erſuchens an und bald darauf bot
unſre Inſel dasſelbe geſchäftige Bild dar, als wenn alle
Vierteljahr der Singapore Kabeldampfer mit unſern Er-
gänzungsvorräten eintrifft, nur mit zwei bemerkenswerten
Unterſchieden. Karren, beladen mit Vorräten aller Art,
Schinken, Mehl, Reis, Biskuits, Milch uſw., manchmal in
ganzen, noch ungeöffneten Kiſten wurden heruntertrans-
[Spaltenumbruch] portiert zur Landungsbrücke, aber nicht, wie gewohnt, von
Malayen, ſondern gezogen von fremdartigen, ungeſchlachten
Ausländern (strange unkempt foreigners). Alle unſre beſten
Sachen wurden genommen, unſre Vorräte für dret Monate,
aber wir ſchauten vergnügt zu und legten ſogar dann und
wann ſelbſt mit Hand an. Um 3½ Uhr ſchien alles in
Ordnung zu ſein, alles Unnötige wurde zurückgelaſſen und
ein Ausblick vom Dache aus ließ keinerlei Anzeichen von
einem Schiffe erkennen, wiewohl ſchwach am Horizont, wohl
15 Meilen entfernt, etwas Rauch zu ſehen war, der aber nicht
näher kam.

Nun wurden Vorbereitungen getroffen, um die Segel auf
der „Ayeſha“ zu ſetzen und die Vorräte an Bord zu bringen.
Nachdem dieſes geſchehen war, borgte man ſich alle vor-
handenen Blechgefäße, um Waſſer an Bord zu ſchaffen, und
ein Angriff wurde auf das kondenſierte Trinkwaſſer gemacht,
welcher für uns fatal hätte werden können. Glücklicherweiſe
hatte er aber keine Folgen, weil der Offizier ſchon vorher Be-
fehl gegeben hatte, daß unſer Filterapparat und Eismaſchine
geſchont werden ſollten. Das Wort „borgen“ iſt mit Abſicht
gebraucht, denn die Deutſchen waren kamerad-
ſchaftlich bis zum Schluſſe
(were sporting right
up to the end)
und gaben liebenswürdigerweiſe alle die Ge-
fäße zurück. Zweifellos auf Koſten ihrer Zeit, welche anfing,
jetzt koſtbar zu werden. Die Mehrzahl der Leute war bereits
an Bord und bei Rückkehr des Reſtes, mit denen wir noch
ein Hurra ausgetauſcht hatten, trat die ganze Mannſchaft zur
Tätigkeit an, kappte die Ankertaue los, machte beide Pinaſſen
feſt und mit der Dampfbarkaſſe vorauf wurde die Reiſe an-
getreten, ein Offizier in den Raaen, durch das tückiſche und
untiefe Waſſer ſteuernd. Die Deutſchen brachten ein brauſen-
des Hurra aus, als die lange Linie: Dampfbarkaſſe, Schoner
und zwei Pinaſſen ſich in Bewegung ſetzte, die deutſche
Kriegsflagge ſtolz im Winde flatternd. Wir beobachteten ſie
mit gemiſchten Gefühlen. Nur ein Augenzeuge kann den un-
bezwingbaren Mut und die Stimmung dieſer Leute würdigen,
angeſichts einer ungewiſſen Zukunft, ihr Schiff wahrſcheinlich
verloren, ihre Kameraden tot, ſie ſelbſt gezwungen, auf einem
kleinen Schoner (der bereits als ſeeuntauglich erklärt war)
in den weiten indiſchen Ozean ſich hinauszuwagen, im beſten
Falle die vage Hoffnung zu haben, einen Afrikahafen zu er-
reichen, wenn es ihnen wirklich gelingen ſollte, der Kaperung
durch feindliche Schiffe zu entgehen, und alles dieſes nur dann,
wenn der alte Schoner den Launen der Elemente wider-
ſtände!



Kriegs-Literatur.
Kriegsfinanzen.

Reichstagsrede am 10. März 1915. Von
Dr. Karl Helfferich, Staatsſekretär des Reichsſchatzamtes.
41./42. Heft der von Ernſt Jäckh herausgegebenen Flugſchriften-
ſammlung „Der Deutſche Krieg“. Preis 1 ℳ. Deutſche Verlags-
anſtalt in Stuttgart.

Die große Etatrede, mit der ſich der neue Reichsſchatzſekretär
im Reichstag einführte, hat im ganzen deutſchen Volke einmütigen
Beifall gefunden, und nicht minder hat das Ausland den lichtvollen
Ausführungen des Redners Beachtung geſchenkt. Den vielen
Nachfragen nach dem Wortlaut dieſer Rede wird durch den vor-
liegenden, nach dem offiziellen Stenogramm gebotenen unver-
kürzten Abdruck Rechnung getragen. Dieſes Heft der trefflichen
Flugſchriftenſammlung wird überall beſonders freundlich willkom-
men geheißen werden.

Der Kampf um die Dardanellen.

Von Staatsanwalt a. D.
L. Trampe. 39. Heft der von Ernſt Jäckh herausgegebenen
Flugſchriftenſammlung „Der Deutſche Krieg“. Preis 50 [₰]. Deut-
ſche Verlagsanſtalt in Stuttgart.

Die Blicke der ganzen Welt wenden ſich zurzeit vom europäi-
ſchen Kriegsſchauplatz hin zu den Dardanellen, wo ſich ein Kampf
von weltgeſchichtlicher Bedeutung abzuſpielen beginnt. Der Ver-
faſſer weiſt nicht nur darauf hin, in welch hohem Maße die Inter-
eſſen Deutſchlands und Oeſterreich-Ungarns mit dem Verbleib
Konſtantinopels in türkiſchen Händen verknüpft ſind, ſondern er
unterſucht auch, wie ſich die wirklichen Intereſſen, nicht etwa die
von nationalen Leidenſchaften erhitzten, Italiens, Griechenlands,
Rumäniens und Bulgariens zu dem Kampfe um die Dardanellen
verhalten. Die große Gefahr, die ſich für Italien ergibt, wenn ſich
Rußland und Frankreich durch die Bewältigung der Dardanellen
militäriſch die Hand reichen könnten, beginnt man ja wohl auch
dort jetzt mehr und mehr einzuſehen. Die wahren Intereſſen der
neutralen Balkanſtaaten und Italiens ſind ohne Zweifel nur zu
wahren, wenn der beſtehende Zuſtand aufrechterhalten wird und
Konſtantinopel und die Dardanellen wie bisher in türkiſchem Beſitz
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[Seite 259.[259]/0013] 24. April 1915. Allgemeine Zeitung und wir mußten begreifen, daß wir durchaus noch nicht über den Berg waren. Die Landungsboote waren zurückgekommen. Maſchinengewehre in Gefechtsbereitſchaft, die deutſche Flagge wurde wieder vor dem Telegraphengebäude gehißt und wir kehrten kriegsgefangen, ſchweren Herzens zu unſerm Bootsſchuppen zurück, denn es war mehr als wahrſcheinlich, daß beide Kreuzer ihrem Schickſale verfallen waren. An- ſcheinend brannte die „Sydney“ noch, als wir abmarſchierten, und kurz darauf erfuhren wir, daß ein Schornſtein der „Emden“, der vordere Maſt und der zweite Schornſtein kaput geſchoſſen waren. Die nächſten Minuten waren die ſchrecklichſten für uns. Nachdem ſich das Blatt für die Landungsmannſchaft ſo unerwartet gewendet hatte, war es unmöglich, zu erraten, wie ſie uns jetzt be- handeln würden, beſonders in dem Falle, daß die „Sydney“ etwa ſiegreich bliebe und verſuchte, ihrerſeits eine Abteilung zu landen. Es war durchaus klar, daß die deutſche Lan- dungsmannſchaft entſchloſſen war, den Kampf aufzunehmen. Ihre grimmigen Geſichter, ſo verſchieden von dem, was wir vor einer halben Stunde geſehen hatten, ließen keinen Zweifel aufkommen. Indeſſen, man ließ uns jetzt Zeit, hierüber nach- zudenken und die deutſchen Offiziere und einige ihrer Leute kletterten nun ihrerſeits auf das Dach. Wenig war aber nur von dem Kampfe zu ſehen, nur daß die Kreuzer manöve- rierten. Wie ſich herausſtellte, zog der Kapitän der „Sydney“ geſchickt Vorteil aus ſeiner größeren Schnelligkeit, wie ein Pfeil hineinſchießend, ſobald die „Emden“ in Schußweite war. Zugleich eine volle Breitſeite abgebend, ſchwang das Schiff herum, ſo daß die Schüſſe der „Emden“ über oder unter das Ziel hinausgingen. Die Geſchwindigkeit der „Sydney“ war fabelhaft und obwohl natürlich keine Zeit vorhanden war, die Geſchwindigkeit genau zu konſtatieren, ſo war doch die Meinung allgemein, daß der Kreuzer ſeine Probeſahrt und ſeine eigenen früheren Rekorde übertroffen hätte. Nichts von dieſen Vorgängen wußten wir aber damals ſelbſt, denn wir mußten das quälende Hangen und Bangen, nichts zu ſehen und zu hören, weiter ertragen. Solche Kleinigkeiten, die wir von unſrer Wache in Erfahrung bringen konnten, waren dürftig, wenig tröſtlich und deuteten auf die Wahrſcheinlichkeit hin, daß beide Schiffe ſinken würden. Um 11 Uhr war nur noch eins der beiden Schiffe ſichtbar und um Mittag ſah man gar nichts mehr. Der deutſche erſte Offizier teilte unſerm Chef ſeine näheren Pläne mit. Zuerſt vor allem erhielten wir die Erlaubnis, unſern Bootsſchuppen zu verlaſſen und groß war unſre Freude, das langentbehrte Bad genießen zu können. Aber die Ereigniſſe jagten einander zu ſchnell, ſo daß keiner von uns an Lunch dachte, obwohl die Mehrzahl von uns ſeit 24 Stunden kaum etwas genoſſen hatte. Die deutſchen Pläne waren folgende: Wenn die „Emden“ allein zurückkäme, würden ſie an Bord gehen. Wenn nur die „Sydney“ wiederkehrte, würden ſie den Kampf auf- nehmen, da ſie über die Landungsmannſchaft dieſes Schiffes einen Vorteil zu haben wähnten. In dieſem letzteren Falle gaben ſie uns Erlaubnis, unſre Boote zu nehmen und auf eine der benachbarten Inſeln zu fahren. Käme keiner der beiden Kreuzer zurück, dann würden ſie von der „Ayeſha“ Beſitz ergreifen, einem Schoner von 97 Tonnen und Eigen- tum von J. S. Clunies-Roß, welcher in der Lagune vor Anker lag. Dieſe letzte Möglichkeit ins Auge faſſend, trafen ſie die nötigen Vorbereitungen und begannen damit, uns um zwei Monate Proviant zu bitten. Dieſem folgte ihre Mitteilung, „daß ſie in großer Verlegenheit ſeien um Kleidung und wie angenehm es ihnen wäre, wenn wir ihnen mit etwas Altem aushelfen könnten“. Ich erwähne dieſes beſonders als Beweis für die höfliche Behandlung, die wir von Anfang bis zu Ende erfahren haben. Der Offizier ging ſogar ſo weit, zu ſagen, daß die überlaſſenen Vorräte bei erſter Gelegenheit von einem neutralen Hafen aus uns erſetzt werden würden. Sei dem wie ihm wolle, wir erkannten die Berechtigung ihres Erſuchens an und bald darauf bot unſre Inſel dasſelbe geſchäftige Bild dar, als wenn alle Vierteljahr der Singapore Kabeldampfer mit unſern Er- gänzungsvorräten eintrifft, nur mit zwei bemerkenswerten Unterſchieden. Karren, beladen mit Vorräten aller Art, Schinken, Mehl, Reis, Biskuits, Milch uſw., manchmal in ganzen, noch ungeöffneten Kiſten wurden heruntertrans- portiert zur Landungsbrücke, aber nicht, wie gewohnt, von Malayen, ſondern gezogen von fremdartigen, ungeſchlachten Ausländern (strange unkempt foreigners). Alle unſre beſten Sachen wurden genommen, unſre Vorräte für dret Monate, aber wir ſchauten vergnügt zu und legten ſogar dann und wann ſelbſt mit Hand an. Um 3½ Uhr ſchien alles in Ordnung zu ſein, alles Unnötige wurde zurückgelaſſen und ein Ausblick vom Dache aus ließ keinerlei Anzeichen von einem Schiffe erkennen, wiewohl ſchwach am Horizont, wohl 15 Meilen entfernt, etwas Rauch zu ſehen war, der aber nicht näher kam. Nun wurden Vorbereitungen getroffen, um die Segel auf der „Ayeſha“ zu ſetzen und die Vorräte an Bord zu bringen. Nachdem dieſes geſchehen war, borgte man ſich alle vor- handenen Blechgefäße, um Waſſer an Bord zu ſchaffen, und ein Angriff wurde auf das kondenſierte Trinkwaſſer gemacht, welcher für uns fatal hätte werden können. Glücklicherweiſe hatte er aber keine Folgen, weil der Offizier ſchon vorher Be- fehl gegeben hatte, daß unſer Filterapparat und Eismaſchine geſchont werden ſollten. Das Wort „borgen“ iſt mit Abſicht gebraucht, denn die Deutſchen waren kamerad- ſchaftlich bis zum Schluſſe (were sporting right up to the end) und gaben liebenswürdigerweiſe alle die Ge- fäße zurück. Zweifellos auf Koſten ihrer Zeit, welche anfing, jetzt koſtbar zu werden. Die Mehrzahl der Leute war bereits an Bord und bei Rückkehr des Reſtes, mit denen wir noch ein Hurra ausgetauſcht hatten, trat die ganze Mannſchaft zur Tätigkeit an, kappte die Ankertaue los, machte beide Pinaſſen feſt und mit der Dampfbarkaſſe vorauf wurde die Reiſe an- getreten, ein Offizier in den Raaen, durch das tückiſche und untiefe Waſſer ſteuernd. Die Deutſchen brachten ein brauſen- des Hurra aus, als die lange Linie: Dampfbarkaſſe, Schoner und zwei Pinaſſen ſich in Bewegung ſetzte, die deutſche Kriegsflagge ſtolz im Winde flatternd. Wir beobachteten ſie mit gemiſchten Gefühlen. Nur ein Augenzeuge kann den un- bezwingbaren Mut und die Stimmung dieſer Leute würdigen, angeſichts einer ungewiſſen Zukunft, ihr Schiff wahrſcheinlich verloren, ihre Kameraden tot, ſie ſelbſt gezwungen, auf einem kleinen Schoner (der bereits als ſeeuntauglich erklärt war) in den weiten indiſchen Ozean ſich hinauszuwagen, im beſten Falle die vage Hoffnung zu haben, einen Afrikahafen zu er- reichen, wenn es ihnen wirklich gelingen ſollte, der Kaperung durch feindliche Schiffe zu entgehen, und alles dieſes nur dann, wenn der alte Schoner den Launen der Elemente wider- ſtände! Kriegs-Literatur. Kriegsfinanzen.Reichstagsrede am 10. März 1915. Von Dr. Karl Helfferich, Staatsſekretär des Reichsſchatzamtes. 41./42. Heft der von Ernſt Jäckh herausgegebenen Flugſchriften- ſammlung „Der Deutſche Krieg“. Preis 1 ℳ. Deutſche Verlags- anſtalt in Stuttgart. Die große Etatrede, mit der ſich der neue Reichsſchatzſekretär im Reichstag einführte, hat im ganzen deutſchen Volke einmütigen Beifall gefunden, und nicht minder hat das Ausland den lichtvollen Ausführungen des Redners Beachtung geſchenkt. Den vielen Nachfragen nach dem Wortlaut dieſer Rede wird durch den vor- liegenden, nach dem offiziellen Stenogramm gebotenen unver- kürzten Abdruck Rechnung getragen. Dieſes Heft der trefflichen Flugſchriftenſammlung wird überall beſonders freundlich willkom- men geheißen werden. Der Kampf um die Dardanellen.Von Staatsanwalt a. D. L. Trampe. 39. Heft der von Ernſt Jäckh herausgegebenen Flugſchriftenſammlung „Der Deutſche Krieg“. Preis 50 ₰. Deut- ſche Verlagsanſtalt in Stuttgart. Die Blicke der ganzen Welt wenden ſich zurzeit vom europäi- ſchen Kriegsſchauplatz hin zu den Dardanellen, wo ſich ein Kampf von weltgeſchichtlicher Bedeutung abzuſpielen beginnt. Der Ver- faſſer weiſt nicht nur darauf hin, in welch hohem Maße die Inter- eſſen Deutſchlands und Oeſterreich-Ungarns mit dem Verbleib Konſtantinopels in türkiſchen Händen verknüpft ſind, ſondern er unterſucht auch, wie ſich die wirklichen Intereſſen, nicht etwa die von nationalen Leidenſchaften erhitzten, Italiens, Griechenlands, Rumäniens und Bulgariens zu dem Kampfe um die Dardanellen verhalten. Die große Gefahr, die ſich für Italien ergibt, wenn ſich Rußland und Frankreich durch die Bewältigung der Dardanellen militäriſch die Hand reichen könnten, beginnt man ja wohl auch dort jetzt mehr und mehr einzuſehen. Die wahren Intereſſen der neutralen Balkanſtaaten und Italiens ſind ohne Zweifel nur zu wahren, wenn der beſtehende Zuſtand aufrechterhalten wird und Konſtantinopel und die Dardanellen wie bisher in türkiſchem Beſitz bleiben.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 24. April 1915, S. Seite 259.[259]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine17_1915/13>, abgerufen am 21.11.2024.