Allgemeine Zeitung, Nr. 17, 2. Mai 1920.2. Mai 1920 Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechselfällen derKonkurrenz allen Schwankungen des Marktes ausgesetzt. Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Die moderne Industrie hat die kleine Werkstube des patriar- Je weniger die Handarbeit Geschicklichkeit und Kraftäuße- Ist die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten Die bisherigen kleinen Mittelstände, die kleinen Indu- Das Proletariat macht verschiedene Entwicklungsstufen Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Ar- Auf dieser Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze Aber mit der Entwicklung der Industrie vermehrt sich nicht Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorüber- Diese Organisationen der Proletarier zur Klasse, und da- Die Kollisionen der alten Gesellschaft überhaupt fördern Es werden ferner, wie wir sahen, durch den Fortschritt der In Zeiten endlich, wo der Klassenkampf sich der Entscheidung Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegen- Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kauf- Das Lumpenproletariat, diese passive Verfaulung der un- Die Lebensbedingungen der alten Gesellschaft sind schon ver- Alle früheren Klassen, die sich die Herrschaft eroberten, such- Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Mi[n]ori- 2. Mai 1920 Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechſelfällen derKonkurrenz allen Schwankungen des Marktes ausgeſetzt. Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Die moderne Induſtrie hat die kleine Werkſtube des patriar- Je weniger die Handarbeit Geſchicklichkeit und Kraftäuße- Iſt die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten Die bisherigen kleinen Mittelſtände, die kleinen Indu- Das Proletariat macht verſchiedene Entwicklungsſtufen Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Ar- Auf dieſer Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze Aber mit der Entwicklung der Induſtrie vermehrt ſich nicht Von Zeit zu Zeit ſiegen die Arbeiter, aber nur vorüber- Dieſe Organiſationen der Proletarier zur Klaſſe, und da- Die Kolliſionen der alten Geſellſchaft überhaupt fördern Es werden ferner, wie wir ſahen, durch den Fortſchritt der In Zeiten endlich, wo der Klaſſenkampf ſich der Entſcheidung Von allen Klaſſen, welche heutzutage der Bourgeoiſie gegen- Die Mittelſtände, der kleine Induſtrielle, der kleine Kauf- Das Lumpenproletariat, dieſe paſſive Verfaulung der un- Die Lebensbedingungen der alten Geſellſchaft ſind ſchon ver- Alle früheren Klaſſen, die ſich die Herrſchaft eroberten, ſuch- Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Mi[n]ori- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="Seite 163[163]"/><fw place="top" type="header">2. Mai 1920 <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/><cb/> Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechſelfällen der<lb/> Konkurrenz allen Schwankungen des Marktes ausgeſetzt.</p><lb/> <p>Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der<lb/> Maſchinerie und die Teilung der Arbeit allen ſelbſtändigen Cha-<lb/> rakter und damit allen Reiz für die Arbeiter verloren. Er wird<lb/> ein bloßes Zubehör der Maſchine, von dem nur der einfachſte,<lb/> eintönigſte, am leichteſten erlernbare Handgriff verlangt wird.<lb/> Die Koſten, die der Arbeiter verurſacht, beſchränken ſich daher<lb/> faſt nur auf die Lebensmittel, die er zu ſeinem Unterhalt und<lb/> zur Fortpflanzung ſeiner Raſſe bedarf. Der Preis einer Ware,<lb/> alſo auch der Arbeit, iſt aber gleich ihren Produktionskoſten,<lb/> In demſelben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit<lb/> wächſt, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demſelben Maße,<lb/> wie Maſchinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demſelben<lb/> Maße nimmt auch die Maſſe der Arbeit zu, ſei es durch Ver-<lb/> mehrung der Arbeitsſtunden, ſei es durch Vermehrung der in<lb/> einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beſchleunigten Lauf der<lb/> Maſchinen uſw.</p><lb/> <p>Die moderne Induſtrie hat die kleine Werkſtube des patriar-<lb/> chaliſchen Meiſters in die große Fabrik des induſtriellen Kapi-<lb/> taliſten verwandelt. Arbeitermaſſen in der Fabrik zuſammen-<lb/> gedrängt werden ſoldatiſch organiſiert. Sie werden als gemeine<lb/> Induſtrieſoldaten unter die Aufſicht einer vollſtändigen Hier-<lb/> archie von Unteroffizieren und Offizieren geſtellt. Sie ſind nicht<lb/> nur Knechte der Bourgeoisklaſſe, des Bourgeoisſtaates, ſie<lb/> ſind täglich und ſtündlich geknechtet von der Maſchine, von dem<lb/> Aufſeher und vor allem von den einzelnen fabrizierenden Bour-<lb/> geois ſelbſt. Dieſe Deſpotie iſt um ſo kleinlicher, gehäſſiger, er-<lb/> bitternder, je offener ſie den Erwerb als ihren Zweck prokla-<lb/> miert.</p><lb/> <p>Je weniger die Handarbeit Geſchicklichkeit und Kraftäuße-<lb/> rung erheiſcht, d. h. je mehr die moderne Induſtrie ſich entwickelt,<lb/> deſto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber und<lb/> Kinder verdrängt. Geſchlechts- und Altersunterſchiede haben<lb/> keine geſellſchaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklaſſe. Es<lb/> gibt nur noch Arbeitsinſtrumente, die je nach Alter und Ge-<lb/> ſchlecht verſchiedene Koſten machen.</p><lb/> <p>Iſt die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten<lb/> ſo weit beendigt, daß er ſeinen. Arbeitslohn bar ausgezahlt er-<lb/> hält, ſo fallen die anderen Teile der Bourgeoiſie über ihn her,<lb/> der Hausbeſitzer, der Krämer, der Pfandleiher uſw.</p><lb/> <p>Die bisherigen kleinen Mittelſtände, die kleinen Indu-<lb/> ſtriellen, Kaufleute und Rentiers, die Handwerker und Bauern,<lb/> alle dieſe Klaſſen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch,<lb/> daß ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Induſtrie<lb/> nicht ausreicht und der Konkurrenz mit den größeren Kapitaliſten<lb/> erliegt, teils dadurch, daß ihre Geſchicklichkeit von neuen Pro-<lb/> duktionsweiſen entwertet wird. So rekrutiert ſich das Prole-<lb/> tariat aus allen Klaſſen der Bevölkerung.</p><lb/> <p>Das Proletariat macht verſchiedene Entwicklungsſtufen<lb/> durch. 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Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürger-<lb/> lichen Produktionsverhältniſſe, ſie richten ſie gegen die Produk-<lb/> tionsinſtrumente ſelbſt; ſie vernichten die fremden konkurrieren-<lb/> den Waren, ſie zerſchlagen die Maſchinen, ſie ſtecken die Fabri-<lb/> ken in Brand, ſie ſuchen die untergegangene Stellung des mittel-<lb/> alterlichen Arbeiters wieder zu erringen.</p><lb/> <p>Auf dieſer Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze<lb/> Land zerſtreute und durch die Konkurrenz zerſplitterte Maſſe.<lb/> Maſſenhaftes Zuſammenhalten der Arbeiter iſt noch nicht die<lb/> Folge ihrer eigenen Vereinigung, ſondern die Folge der Ver-<lb/> einigung der Bourgeoiſie, die zur Erreichung ihrer eigenen poli-<lb/> tiſchen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung ſetzen muß<lb/> und es einſtweilen noch kann. Auf dieſer Stufe bekämpfen die<lb/> Proletarier alſo nicht ihre Feinde, ſondern die Feinde ihrer<lb/> Feinde, die Reſte der abſoluten Monarchie, die Grundeigentümer,<lb/> die nichtinduſtriellen Bourgeois, die Kleinbürger. Die ganze ge-<lb/> ſchichtliche Bewegung iſt ſo in den Händen der Bourgeoiſie kon-<lb/> zentriert; jeder Sieg, der ſo errungen wird, iſt ein Sieg der<lb/> Bourgeoiſie.</p><lb/> <p>Aber mit der Entwicklung der Induſtrie vermehrt ſich nicht<lb/> nur das Proletariat; es wird in größeren Maſſen zuſammen-<lb/> gedrängt, ſeine Kraft wächſt und es fühlt ſie mehr. Die Inter-<lb/> eſſen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen ſich<lb/> immer mehr aus, indem die Maſchinerie mehr und mehr die<lb/> Unterſchiede der Arbeit verwiſcht und den Lohn faſt überall auf<lb/> ein gleich niedriges Niveau herabdrückt. Die wachſende Kon-<lb/> kurrenz der Bourgeois unter ſich und die daraus hervorgehenden<lb/> Handelskriſen machen den Lohn der Arbeiter immer ſchwanken-<lb/> der; die immer raſcher ſich entwickelnde, unaufhörliche Verbeſſe-<lb/> rung der Maſchinerie macht ihre ganze Lebensſtellung immer<lb/> unſicherer; immer mehr nehmen die Kolliſionen zwiſchen dem<lb/> einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter<lb/> von Kolliſionen zweier Klaſſen an. Die Arbeiter beginnen da-<lb/> mit, Koalitionen gegen die Bourgeois zu bilden, ſie treten zu-<lb/> ſammen zur Behauptung ihres Arbeitslohnes. Sie ſtiften ſelbſt<lb/> dauernde Aſſoziationen, um ſich für die gelegentlichen Empörun-<lb/> gen zu verproviantieren Stellenweis bricht der Kampf in<lb/> Ementen aus.</p><lb/> <cb/> <p>Von Zeit zu Zeit ſiegen die Arbeiter, aber nur vorüber-<lb/> gehend. Das eigentliche Reſultat ihrer Kämpfe iſt nicht der<lb/> unmittelbare Erfolg, ſondern die immer weiter um ſich greifende<lb/> Vereinigung der Arbeiter. Sie wird befördert durch die wach-<lb/> ſenden Kommunikationsmittel, die von der großen Induſtrie<lb/> erzeugt werden und die Arbeiter der verſchiedenen Lokalitäten<lb/> miteinander in Verbindung ſetzen. Es bedarf aber bloß der Ver-<lb/> bindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Cha-<lb/> rakter zu einem nationalen, zu einem Klaſſenkampf zu zentrali-<lb/> ſieren. Jeder Klaſſenkampf iſt aber ein politiſcher Kampf. Und<lb/> die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelaliers mit ihren<lb/> Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen<lb/> Proletarier mit den Eiſenbahnen in wenigen Jahren zuſtande.</p><lb/> <p>Dieſe Organiſationen der Proletarier zur Klaſſe, und da-<lb/> mit zur politiſchen Partei, wird jeden Augenblick wieder ge-<lb/> ſprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern ſelbſt. Aber<lb/> ſie erſteht immer wieder, ſtärker, feſter, mächtiger. Sie erzwingt<lb/> die Anerkennung einzelner Intereſſen der Arbeiter in Geſetzes-<lb/> form, indem ſie die Spaltungen der Bourgeoiſie unter ſich benutzt.<lb/> So die Zehnſtundenbill in England.</p><lb/> <p>Die Kolliſionen der alten Geſellſchaft überhaupt fördern<lb/> mannigfach den Entwicklungsgang des Proletariats. Die Bour-<lb/> geoiſie befindet ſich in fortwährendem Kampfe: anfangs gegen<lb/> die Ariſtokratie; ſpäter gegen die Teile der Bourgeoiſie ſelbſt.<lb/> deren Intereſſen mit dem Fortſchritt der Induſtrie in Wider-<lb/> ſpruch geraten; ſtets gegen die Bourgeoiſie aller auswärtigen<lb/> Länder. In allen dieſen Kämpfen ſieht ſie ſich genötigt, an das<lb/> Proletariat zu appellieren, ſeine Hilfe in Anſpruch zu nehmen<lb/> und es ſo in die politiſche Bewegung hineinzureißen. Sie ſelbſt<lb/> führt alſo dem Proletariat ihre eigenen Bildungselemente, d. h.<lb/> Waffen gegen ſich ſelbſt zu.</p><lb/> <p>Es werden ferner, wie wir ſahen, durch den Fortſchritt der<lb/> Induſtrie ganze Beſtandteile der herrſchenden Klaſſe ins Prole-<lb/> tariat hinabgeworfen oder wenigſtens in ihren Lebensbedin-<lb/> gungen bedroht. Auch ſie führen dem Proletariat eine Maſſe<lb/> Bildungselemente zu.</p><lb/> <p>In Zeiten endlich, wo der Klaſſenkampf ſich der Entſcheidung<lb/> nähert, nimmt der Auflöſungsprozeß innerhalb der herrſchenden<lb/> Klaſſe, innerhalb der ganzen alten Geſellſchaft, einen ſo heftigen,<lb/> ſo grellen Charakter an, daß ein kleiner Teil der herrſchenden<lb/> Klaſſe ſich von ihr losſagt und ſich der revolutionären Klaſſe<lb/> anſchließt, der Klaſſe, welche die Zukunft in ihren Händen trägt.<lb/> Wie daher früher ein Teil des Adels zur Bourgeoiſie überging.<lb/> ſo geht jetzt ein Teil der Bourgeoiſie zum Proletariat über, und<lb/> namentlich ein Teil der Bourgeoisideologen, welche zum theore-<lb/> tiſchen Verſtändnis der ganzen geſchichtlichen Bewegung ſich<lb/> hinaufgearbeitet haben.</p><lb/> <p>Von allen Klaſſen, welche heutzutage der Bourgeoiſie gegen-<lb/> überſtehen, iſt nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre<lb/> Klaſſe. Die übrigen Klaſſen verkommen und gehen unter mit<lb/> der großen Induſtrie, das Proletariat iſt ihr eigenſtes Produkt.</p><lb/> <p>Die Mittelſtände, der kleine Induſtrielle, der kleine Kauf-<lb/> mann, der Handwerker, der Bauer, ſie alle bekämpfen die Bour-<lb/> geoiſie, um ihre Exiſtenz als Mittelſtände vor dem Untergang<lb/> zu ſichern. Sie ſind alſo nicht revolutionär, ſondern konſer-<lb/> vativ. Noch mehr, ſie ſind reaktionär, ſie ſuchen das Rad der<lb/> Geſchichte zurückzudrehen. Sind ſie revolutionär, ſo ſind ſie es<lb/> im Hinblick auf den ihnen bevorſtehenden Uebergang ins Prole-<lb/> tariat, ſo verteidigen ſie nicht ihre gegenwärtigen, ſondern ihre<lb/> zukünftigen Intereſſen, ſo verlaſſen ſie ihren eigenen Stand-<lb/> punkt, um ſich auf den des Proletariats zu ſtellen. —</p><lb/> <p>Das Lumpenproletariat, dieſe paſſive Verfaulung der un-<lb/> terſten Schichten der alten Geſellſchaft, wird durch eine prole-<lb/> tariſche Revolution ſtellenweiſe in die Bewegung hineingeſchleu-<lb/> dert, ſeiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger ſein,<lb/> ſich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu laſſen.</p><lb/> <p>Die Lebensbedingungen der alten Geſellſchaft ſind ſchon ver-<lb/> nichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats. Der Prole-<lb/> tarier iſt eigentumslos; ſein Verhältnis zu Weib und Kindern<lb/> hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhält-<lb/> nis; die moderne induſtrielle Arbeit, die moderne Unterjochung<lb/> unter das Kapital, dieſelbe in England wie in Frankreich in<lb/> Amerika wie in Deutſchland, hat ihm allen nationalen Charak-<lb/> ter abgeſtreift. Die Geſetze, die Moral, die Religion, ſind für<lb/> ihn ebenſo viele bürgerliche Vorurteile, hinter denen ſich eben-<lb/> ſo viele bürgerliche Intereſſen verſtecken.</p><lb/> <p>Alle früheren Klaſſen, die ſich die Herrſchaft eroberten, ſuch-<lb/> ten ihre ſchon erworbene Lebensſtellung zu ſichern, indem ſie die<lb/> ganze Geſellſchaft den Bedingungen ihres Erwerbes unterwarfen.<lb/> Die Proletarier können ſich die geſellſchaftlichen Produktiokräfte<lb/> nur erobern, indem ſie ihre eigene bisherige Aneignungsweiſe<lb/> und damit die ganze bisherige Aneignungsweiſe abſchaffe<supplied cert="high">n.</supplied> Die<lb/> Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu ſichern, ſie haben<lb/> alle bisherigen Privatſicherheiten und Privatverſicherungen zu<lb/> zerſtören.</p><lb/> <p>Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Mi<supplied cert="high">n</supplied>ori-<lb/> täten oder im Intereſſe von Minoritäten. 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2. Mai 1920 Allgemeine Zeitung
Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechſelfällen der
Konkurrenz allen Schwankungen des Marktes ausgeſetzt.
Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der
Maſchinerie und die Teilung der Arbeit allen ſelbſtändigen Cha-
rakter und damit allen Reiz für die Arbeiter verloren. Er wird
ein bloßes Zubehör der Maſchine, von dem nur der einfachſte,
eintönigſte, am leichteſten erlernbare Handgriff verlangt wird.
Die Koſten, die der Arbeiter verurſacht, beſchränken ſich daher
faſt nur auf die Lebensmittel, die er zu ſeinem Unterhalt und
zur Fortpflanzung ſeiner Raſſe bedarf. Der Preis einer Ware,
alſo auch der Arbeit, iſt aber gleich ihren Produktionskoſten,
In demſelben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit
wächſt, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demſelben Maße,
wie Maſchinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demſelben
Maße nimmt auch die Maſſe der Arbeit zu, ſei es durch Ver-
mehrung der Arbeitsſtunden, ſei es durch Vermehrung der in
einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beſchleunigten Lauf der
Maſchinen uſw.
Die moderne Induſtrie hat die kleine Werkſtube des patriar-
chaliſchen Meiſters in die große Fabrik des induſtriellen Kapi-
taliſten verwandelt. Arbeitermaſſen in der Fabrik zuſammen-
gedrängt werden ſoldatiſch organiſiert. Sie werden als gemeine
Induſtrieſoldaten unter die Aufſicht einer vollſtändigen Hier-
archie von Unteroffizieren und Offizieren geſtellt. Sie ſind nicht
nur Knechte der Bourgeoisklaſſe, des Bourgeoisſtaates, ſie
ſind täglich und ſtündlich geknechtet von der Maſchine, von dem
Aufſeher und vor allem von den einzelnen fabrizierenden Bour-
geois ſelbſt. Dieſe Deſpotie iſt um ſo kleinlicher, gehäſſiger, er-
bitternder, je offener ſie den Erwerb als ihren Zweck prokla-
miert.
Je weniger die Handarbeit Geſchicklichkeit und Kraftäuße-
rung erheiſcht, d. h. je mehr die moderne Induſtrie ſich entwickelt,
deſto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber und
Kinder verdrängt. Geſchlechts- und Altersunterſchiede haben
keine geſellſchaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklaſſe. Es
gibt nur noch Arbeitsinſtrumente, die je nach Alter und Ge-
ſchlecht verſchiedene Koſten machen.
Iſt die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten
ſo weit beendigt, daß er ſeinen. Arbeitslohn bar ausgezahlt er-
hält, ſo fallen die anderen Teile der Bourgeoiſie über ihn her,
der Hausbeſitzer, der Krämer, der Pfandleiher uſw.
Die bisherigen kleinen Mittelſtände, die kleinen Indu-
ſtriellen, Kaufleute und Rentiers, die Handwerker und Bauern,
alle dieſe Klaſſen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch,
daß ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Induſtrie
nicht ausreicht und der Konkurrenz mit den größeren Kapitaliſten
erliegt, teils dadurch, daß ihre Geſchicklichkeit von neuen Pro-
duktionsweiſen entwertet wird. So rekrutiert ſich das Prole-
tariat aus allen Klaſſen der Bevölkerung.
Das Proletariat macht verſchiedene Entwicklungsſtufen
durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoiſie beginnt mit ſeiner
Exiſtenz.
Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Ar-
beiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges
an einem Ort gegen den einzelnen Bourgeois, der ſie direkt aus-
beutet. Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürger-
lichen Produktionsverhältniſſe, ſie richten ſie gegen die Produk-
tionsinſtrumente ſelbſt; ſie vernichten die fremden konkurrieren-
den Waren, ſie zerſchlagen die Maſchinen, ſie ſtecken die Fabri-
ken in Brand, ſie ſuchen die untergegangene Stellung des mittel-
alterlichen Arbeiters wieder zu erringen.
Auf dieſer Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze
Land zerſtreute und durch die Konkurrenz zerſplitterte Maſſe.
Maſſenhaftes Zuſammenhalten der Arbeiter iſt noch nicht die
Folge ihrer eigenen Vereinigung, ſondern die Folge der Ver-
einigung der Bourgeoiſie, die zur Erreichung ihrer eigenen poli-
tiſchen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung ſetzen muß
und es einſtweilen noch kann. Auf dieſer Stufe bekämpfen die
Proletarier alſo nicht ihre Feinde, ſondern die Feinde ihrer
Feinde, die Reſte der abſoluten Monarchie, die Grundeigentümer,
die nichtinduſtriellen Bourgeois, die Kleinbürger. Die ganze ge-
ſchichtliche Bewegung iſt ſo in den Händen der Bourgeoiſie kon-
zentriert; jeder Sieg, der ſo errungen wird, iſt ein Sieg der
Bourgeoiſie.
Aber mit der Entwicklung der Induſtrie vermehrt ſich nicht
nur das Proletariat; es wird in größeren Maſſen zuſammen-
gedrängt, ſeine Kraft wächſt und es fühlt ſie mehr. Die Inter-
eſſen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen ſich
immer mehr aus, indem die Maſchinerie mehr und mehr die
Unterſchiede der Arbeit verwiſcht und den Lohn faſt überall auf
ein gleich niedriges Niveau herabdrückt. Die wachſende Kon-
kurrenz der Bourgeois unter ſich und die daraus hervorgehenden
Handelskriſen machen den Lohn der Arbeiter immer ſchwanken-
der; die immer raſcher ſich entwickelnde, unaufhörliche Verbeſſe-
rung der Maſchinerie macht ihre ganze Lebensſtellung immer
unſicherer; immer mehr nehmen die Kolliſionen zwiſchen dem
einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter
von Kolliſionen zweier Klaſſen an. Die Arbeiter beginnen da-
mit, Koalitionen gegen die Bourgeois zu bilden, ſie treten zu-
ſammen zur Behauptung ihres Arbeitslohnes. Sie ſtiften ſelbſt
dauernde Aſſoziationen, um ſich für die gelegentlichen Empörun-
gen zu verproviantieren Stellenweis bricht der Kampf in
Ementen aus.
Von Zeit zu Zeit ſiegen die Arbeiter, aber nur vorüber-
gehend. Das eigentliche Reſultat ihrer Kämpfe iſt nicht der
unmittelbare Erfolg, ſondern die immer weiter um ſich greifende
Vereinigung der Arbeiter. Sie wird befördert durch die wach-
ſenden Kommunikationsmittel, die von der großen Induſtrie
erzeugt werden und die Arbeiter der verſchiedenen Lokalitäten
miteinander in Verbindung ſetzen. Es bedarf aber bloß der Ver-
bindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Cha-
rakter zu einem nationalen, zu einem Klaſſenkampf zu zentrali-
ſieren. Jeder Klaſſenkampf iſt aber ein politiſcher Kampf. Und
die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelaliers mit ihren
Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen
Proletarier mit den Eiſenbahnen in wenigen Jahren zuſtande.
Dieſe Organiſationen der Proletarier zur Klaſſe, und da-
mit zur politiſchen Partei, wird jeden Augenblick wieder ge-
ſprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern ſelbſt. Aber
ſie erſteht immer wieder, ſtärker, feſter, mächtiger. Sie erzwingt
die Anerkennung einzelner Intereſſen der Arbeiter in Geſetzes-
form, indem ſie die Spaltungen der Bourgeoiſie unter ſich benutzt.
So die Zehnſtundenbill in England.
Die Kolliſionen der alten Geſellſchaft überhaupt fördern
mannigfach den Entwicklungsgang des Proletariats. Die Bour-
geoiſie befindet ſich in fortwährendem Kampfe: anfangs gegen
die Ariſtokratie; ſpäter gegen die Teile der Bourgeoiſie ſelbſt.
deren Intereſſen mit dem Fortſchritt der Induſtrie in Wider-
ſpruch geraten; ſtets gegen die Bourgeoiſie aller auswärtigen
Länder. In allen dieſen Kämpfen ſieht ſie ſich genötigt, an das
Proletariat zu appellieren, ſeine Hilfe in Anſpruch zu nehmen
und es ſo in die politiſche Bewegung hineinzureißen. Sie ſelbſt
führt alſo dem Proletariat ihre eigenen Bildungselemente, d. h.
Waffen gegen ſich ſelbſt zu.
Es werden ferner, wie wir ſahen, durch den Fortſchritt der
Induſtrie ganze Beſtandteile der herrſchenden Klaſſe ins Prole-
tariat hinabgeworfen oder wenigſtens in ihren Lebensbedin-
gungen bedroht. Auch ſie führen dem Proletariat eine Maſſe
Bildungselemente zu.
In Zeiten endlich, wo der Klaſſenkampf ſich der Entſcheidung
nähert, nimmt der Auflöſungsprozeß innerhalb der herrſchenden
Klaſſe, innerhalb der ganzen alten Geſellſchaft, einen ſo heftigen,
ſo grellen Charakter an, daß ein kleiner Teil der herrſchenden
Klaſſe ſich von ihr losſagt und ſich der revolutionären Klaſſe
anſchließt, der Klaſſe, welche die Zukunft in ihren Händen trägt.
Wie daher früher ein Teil des Adels zur Bourgeoiſie überging.
ſo geht jetzt ein Teil der Bourgeoiſie zum Proletariat über, und
namentlich ein Teil der Bourgeoisideologen, welche zum theore-
tiſchen Verſtändnis der ganzen geſchichtlichen Bewegung ſich
hinaufgearbeitet haben.
Von allen Klaſſen, welche heutzutage der Bourgeoiſie gegen-
überſtehen, iſt nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre
Klaſſe. Die übrigen Klaſſen verkommen und gehen unter mit
der großen Induſtrie, das Proletariat iſt ihr eigenſtes Produkt.
Die Mittelſtände, der kleine Induſtrielle, der kleine Kauf-
mann, der Handwerker, der Bauer, ſie alle bekämpfen die Bour-
geoiſie, um ihre Exiſtenz als Mittelſtände vor dem Untergang
zu ſichern. Sie ſind alſo nicht revolutionär, ſondern konſer-
vativ. Noch mehr, ſie ſind reaktionär, ſie ſuchen das Rad der
Geſchichte zurückzudrehen. Sind ſie revolutionär, ſo ſind ſie es
im Hinblick auf den ihnen bevorſtehenden Uebergang ins Prole-
tariat, ſo verteidigen ſie nicht ihre gegenwärtigen, ſondern ihre
zukünftigen Intereſſen, ſo verlaſſen ſie ihren eigenen Stand-
punkt, um ſich auf den des Proletariats zu ſtellen. —
Das Lumpenproletariat, dieſe paſſive Verfaulung der un-
terſten Schichten der alten Geſellſchaft, wird durch eine prole-
tariſche Revolution ſtellenweiſe in die Bewegung hineingeſchleu-
dert, ſeiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger ſein,
ſich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu laſſen.
Die Lebensbedingungen der alten Geſellſchaft ſind ſchon ver-
nichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats. Der Prole-
tarier iſt eigentumslos; ſein Verhältnis zu Weib und Kindern
hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhält-
nis; die moderne induſtrielle Arbeit, die moderne Unterjochung
unter das Kapital, dieſelbe in England wie in Frankreich in
Amerika wie in Deutſchland, hat ihm allen nationalen Charak-
ter abgeſtreift. Die Geſetze, die Moral, die Religion, ſind für
ihn ebenſo viele bürgerliche Vorurteile, hinter denen ſich eben-
ſo viele bürgerliche Intereſſen verſtecken.
Alle früheren Klaſſen, die ſich die Herrſchaft eroberten, ſuch-
ten ihre ſchon erworbene Lebensſtellung zu ſichern, indem ſie die
ganze Geſellſchaft den Bedingungen ihres Erwerbes unterwarfen.
Die Proletarier können ſich die geſellſchaftlichen Produktiokräfte
nur erobern, indem ſie ihre eigene bisherige Aneignungsweiſe
und damit die ganze bisherige Aneignungsweiſe abſchaffen. Die
Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu ſichern, ſie haben
alle bisherigen Privatſicherheiten und Privatverſicherungen zu
zerſtören.
Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minori-
täten oder im Intereſſe von Minoritäten. Die proletariſche Be-
wegung iſt die ſelbſtändige Bewegung der ungeheuren Mehr-
zahl im Intereſſe der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat,
die unterſte Schicht der jetzigen Geſellſchaft, kann ſich nicht er-
heben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze Ueberbau der Schich-
ten, die die offizielle Geſellſchaft bilden, in die Luft geſprengt
wird.
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(2020-10-02T09:49:36Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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