Allgemeine Zeitung, Nr. 18, 22. Januar 1929.Dienstag, den 22. Januar "AZ am Abend" Nr. 18 Der Sonneburger Zuchthausprozeß Die Gefangenen mit Tabakspfeife und Taschenmesser Die ersten der 21 angeklagten Beamten werden vernommen In der Kirche Als erster der Angeklagten Während Weitel in seinen Aussagen ziem- Hauptwachtmeister Henschke, der 28 Hauptwachtmeister Klucke bekundete: Die Langenbacher Berufungsverhandlung Urteil: Gefängnisstrafe wird bedingt erlassen Ausstecken eines Langsamfahrsignals ist versäumt worden Nachdem die Sach- In den Gründen des Urteils heißt es unter Erdrosselt Leipzig, 22. Januar.und aufgehängt Bestätigtes Todesurteil gegen einen 70jährigen Gattenmörder Das Schwur- Amerikaner im Irakgebiet überfallen Ein Missionar erschossen * 100 Wahabiten im Hinterhalt Eine Gesellschaft Der erschossene Missionar Bilkert war elf Der jüngste Zuwachs der deutschen Reichsmarine
[Abbildung]
ist das Torpedoboot "Tiger" von der sogenannten Raubtierklasse, das auf der Torpedo- Anklage gegen Stinnes Berlin, 22. Januar.Anklageschrift umfaßt 7 Personen Nach der Anklage- Rechtsanwalt Dr. Alsberg hat für Hugo [irrelevantes Material] Eine Kindsleiche im Dachsbau Wernigerode, 22. Januar.vergraben Wegen Ver- Lessing-Geld, [Abbildung]
[Spaltenumbruch]
Münzen zu 3 und 5 Reichsmark mit dem Kopf des Dichters, wurden zu dessen Besatzung noch an Bord Neuyork, 22. Januar.Der Dampfer "President Garfield" wird wieder flottgemach! Der Kapitän und Gefängnisstrafen Bremen, 22. Januar.Das Urteil gegen die Bremer Nationalsozialisten Vor dem Schöffen- Dienstag, den 22. Januar „AZ am Abend“ Nr. 18 Der Sonneburger Zuchthausprozeß Die Gefangenen mit Tabakspfeife und Taſchenmeſſer Die erſten der 21 angeklagten Beamten werden vernommen In der Kirche Als erſter der Angeklagten Während Weitel in ſeinen Ausſagen ziem- Hauptwachtmeiſter Henſchke, der 28 Hauptwachtmeiſter Klucke bekundete: Die Langenbacher Berufungsverhandlung Urteil: Gefängnisſtrafe wird bedingt erlaſſen Ausſtecken eines Langſamfahrſignals iſt verſäumt worden Nachdem die Sach- In den Gründen des Urteils heißt es unter Erdroſſelt Leipzig, 22. Januar.und aufgehängt Beſtätigtes Todesurteil gegen einen 70jährigen Gattenmörder Das Schwur- Amerikaner im Irakgebiet überfallen Ein Miſſionar erſchoſſen * 100 Wahabiten im Hinterhalt Eine Geſellſchaft Der erſchoſſene Miſſionar Bilkert war elf Der jüngſte Zuwachs der deutſchen Reichsmarine
[Abbildung]
iſt das Torpedoboot „Tiger“ von der ſogenannten Raubtierklaſſe, das auf der Torpedo- Anklage gegen Stinnes Berlin, 22. Januar.Anklageſchrift umfaßt 7 Perſonen Nach der Anklage- Rechtsanwalt Dr. Alsberg hat für Hugo [irrelevantes Material] Eine Kindsleiche im Dachsbau Wernigerode, 22. Januar.vergraben Wegen Ver- Leſſing-Geld, [Abbildung]
[Spaltenumbruch]
Münzen zu 3 und 5 Reichsmark mit dem Kopf des Dichters, wurden zu deſſen Beſatzung noch an Bord Neuyork, 22. Januar.Der Dampfer „Preſident Garfield“ wird wieder flottgemach! Der Kapitän und Gefängnisſtrafen Bremen, 22. Januar.Das Urteil gegen die Bremer Nationalſozialiſten Vor dem Schöffen- <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <pb facs="#f0003" n="3"/> <fw place="top" type="header">Dienstag, den 22. Januar „AZ am Abend“ Nr. 18</fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq">Der Sonneburger Zuchthausprozeß</hi><lb/> <hi rendition="#b">Die Gefangenen mit Tabakspfeife<lb/> und Taſchenmeſſer</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Die erſten der 21 angeklagten Beamten werden vernommen</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Sonnenburg,</hi> 22. 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(Siehe auch Seite 10.)</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq">Die Langenbacher Berufungsverhandlung</hi><lb/> <hi rendition="#b">Urteil: Gefängnisſtrafe<lb/> wird bedingt erlaſſen</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Ausſtecken eines Langſamfahrſignals iſt verſäumt worden</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 21. Januar.</dateline><lb/> <p>Nachdem die Sach-<lb/> verſtändigen mit ihren Gutachten gehört<lb/> worden waren (ſiehe zunächſt S. 10), wurde<lb/> auf alle anderen Zeugen verzichtet. Die<lb/> Sachverſtändigen ſelbſt waren ſich über die<lb/> Urſachen des Eiſenbahnunglückes<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">nicht ganz einig.</hi></hi><lb/> Der Staatsanwalt betonte in ſeinem Plä-<lb/> doyer, daß der Angeklagte eine beſondere<lb/> Vorſicht hätte verwenden müſſen, da es ſich<lb/> um ein unerprobtes Sicherheitsverfahren<lb/> handelte. Weiter beſtehen zwei Vorſchriften,<lb/> wonach das Ausſtecken eines Langſamfahr-<lb/> ſignals geboten war, weil der Oberbau un-<lb/> vollſtändig war. Er beantragte Aufhebung<lb/> des erſtinſtanziellen Urteils und eine Verur-<lb/> teilung zu einer höheren Strafe, nämlich zu<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">einem Jahr und vier Monaten Gefängnis.</hi></hi><lb/> Der Verteidiger plädierte in erſter Linie für<lb/> Freiſprechung, da die Vorſchriften für die<lb/> Bahnmeiſtereien nicht eindeutig genug ſeien<lb/> und der Angeklagte von der Zuverläſſigkeit<lb/> der von ihm angewendeten Sicherheitsmaß-<lb/> nahme feſt überzeugt war, eventuell bitte<lb/> der Verteidiger um mäßige Strafe und be-<lb/> dingten Straferlaß.<lb/> Das Gericht fällte dann folgendes<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Berufungsurteil</hi></hi><lb/> Die Berufung des Angeklagten und die des<lb/> Staatsanwalts gegen das Urteil des Frei-<lb/> ſinger Schöffengerichts wird verworfen. Der<lb/> Angeklagte hat die Koſten ſeiner Berufung<lb/> zu tragen, die Koſten der ſtaatsanwaltſchaft-<lb/> lichen Berufung werden der Staatskaſſe<lb/> überbürdet. Weiterhin erging Beſchluß:<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Die durch Anteil vom Schöffengericht<lb/> Freiſing dem Angeklagten auferlegte<lb/> Gefängnisſtrafe wird bedingt erlaſſen.</hi></hi></p><lb/> <p>In den Gründen des Urteils heißt es unter<lb/> anderem: Das Berufungsgericht hat die<lb/> Ueberzeugung, daß der Kaſſeler Wagen die<lb/> Entgleiſung nicht herbeigeführt hat, wie die<lb/> Sachverſtändigen feſtgeſtellt haben und wie<lb/> aus der nach dem Unfall feſtgeſtellten Spur<lb/> zu ſchließen war. Weiter war das Gericht<lb/> der Ueberzeugung, daß das Entgleiſen der<lb/> anderen Wagen, wie des Packwagens und<lb/> der folgenden Wagen, durch das Heraus-<lb/> ſpringen der Spindel verurſacht wurde. Bei<lb/> der Frage, ob der Angeklagte die Spindel<lb/> bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt,<lb/> verwenden durfte, kam das Gericht zu der<lb/> Auffaſſung, daß dieſe Frage zu verneinen<lb/> ſei. Der Angeklagte hat nicht vorausſehen<lb/> können, daß die Spindel abſpringen werde.<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Zum Ausſtecken eines Langſamfahr-<lb/> ſiguals ſei er aber verpflichtet geweſen.</hi></hi><lb/><cb/> weil es ſich um die Anwendung eines uner-<lb/> probten Verfahrens handelte. Zumal ſchrieb<lb/> eine Vorſchrift das Ausſtecken des Signales<lb/> vor. Wenn auch das Gericht anerkannte,<lb/> daß die betreffende Vorſchrift nicht eindeutig<lb/> war, ſo mußte der Angeklagte das Signal<lb/> doch ausſtecken, weil es ſich um ein noch<lb/> nicht bewährtes Verfahren handelte, und<lb/> weil er von ſeinem Vorgeſetzten den Befehl<lb/> dazu bekommen hatte.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Erdroſſelt<lb/> und aufgehängt<lb/> Beſtätigtes Todesurteil gegen einen<lb/> 70jährigen Gattenmörder</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Leipzig</hi>, 22. Januar.</dateline><lb/> <p>Das Schwur-<lb/> gericht Lyck hatte am 20. September 1928<lb/> den Altbeſitzer Johann <hi rendition="#g">Sebrowſki</hi> wegen<lb/> Mordes zum Tode verurteilt. Dem 70jähri-<lb/> gen Angeklagten war zur Laſt gelegt, am<lb/> 15. Mai 1928 ſeine eigene Frau, mit der er<lb/> ſeit dem Jahre 1914 in zerrütteten Ehever-<lb/> hältniſſen lebte, ermordet zu haben. Se-<lb/> browſki leugnet die Tat, gilt aber als über-<lb/> führt, ſeine Frau, der er Beziehungen zu<lb/> Soldaten während der Kriegsjahre vorwarf,<lb/> von hinten überfallen, gedroſſelt und dann<lb/> mit einem zurechtgelegten Strick aufgehängt<lb/> zu haben. Durch Verwerfung der Reviſion<lb/> durch den zweiten Strafſenat des Reichs-<lb/> gerichts, in der in der Hauptſache Verfah-<lb/> rensrügen bemängelt wurden, iſt das Urteil<lb/> ſomit rechlskräftig geworden.</p><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Amerikaner im Irakgebiet überfallen</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Ein Miſſionar erſchoſſen * 100 Wahabiten im Hinterhalt</hi> </p> </argument><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Basra</hi>, 22. Januar.</dateline><lb/> <p>Eine Geſellſchaft<lb/> von vier Amerikanern, die geſtern früh im<lb/> Automobil von Basra abgefahren waren,<lb/> um Kuweit zu beſuchen, fielen unterwegs in<lb/> einen Wahabitenhinterhalt. Einer der Ame-<lb/> rikaner, der Miſſionar <hi rendition="#g">Bilkert</hi>, wurde er-<lb/> ſchoſſen, während die drei anderen unverletzt<lb/> blieben. Der Ueberfall wurde von ſchätzungs-<lb/> weiſe 100 Mann diesſeits der Irakgrenze<lb/> verübt.</p><lb/> <p>Der erſchoſſene Miſſionar Bilkert war elf<lb/> Jahre lang in der amerikaniſchen Presby-<lb/> terianer-Miſſion am Perſiſchen Golf tätig<lb/> geweſen. Einer der entkommenen Amerikaner<lb/> erzählte, die Angreifer hätten ſich im Dickicht<lb/> verſteckt, ſo daß keiner zu ſehen war; auch<lb/> habe man keine Pferde oder Kamele wahr-<lb/> genommen. 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Januar.</dateline><lb/> <p>Nach der Anklage-<lb/> ſchrift in der Kriegsanleiheaffäre, die ſich<lb/> gegen Hugo Stinnes und Genoſſen richtet,<lb/> ſind folgende<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">ſieben Perſonen unter Anklage</hi></hi><lb/> geſtellt worden: Der Kaufmann Hugo<lb/><hi rendition="#g">Stinnes</hi>, der Kaufmann Erich <hi rendition="#g">Noth-<lb/> mann</hi>, der Landwirt Wolf Alexander<lb/><hi rendition="#g">von Waldow</hi>, der Kaufmann Bela<lb/><hi rendition="#g">Grosz</hi> aus Wien, der Kaufmann Leon<lb/><hi rendition="#g">Hirſch</hi>, öſterreichiſcher Staatsangehöriger<lb/> und der Kaufmann Eugen <hi rendition="#g">Hirſch</hi> aus<lb/> Paris wegen verſuchten Betruges, in dem<lb/> ſie durch Vorſpiegelung falſcher Tatſachen<lb/> das Deutſche Reich um etwa 2 Millionen<lb/> Mark ſchädigen wollten. Ferner iſt ange-<lb/> klagt der frühere Generaldirektor des<lb/> Delphipalaſtes, <hi rendition="#g">Schneid</hi>, öſterreichiſcher<lb/> Staatsangehöriger, wegen Beihilfe zum ver-<lb/> ſuchten Betruge der übrigen Angeklagten.</p><lb/> <p>Rechtsanwalt Dr. Alsberg hat für Hugo<lb/> Stinnes eine Erklärungsfriſt zur Anklage<lb/> von einem Monat beantragt, die vom Ge-<lb/><cb/> richt bewilligt worden iſt. Außerdem hat die<lb/> Verteidigung von Hugo Stinnes die kommiſ-<lb/> ſariſche Vernehmung einer <supplied>Reihe von Zeu-</supplied><lb/> gen im Auslande beantragt. Die Hauptver-<lb/> handlung in dieſer Staatsſache, die unter<lb/> Vorſitz von Landgerichtsdirektor Arndt vor<lb/> einer Sonderabteilung des Großen Schöffen-<lb/> gerichts Berlin-Mitte vor ſich gehen wird,<lb/> wird<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#b">erſt im Mai</hi></hi><lb/> beginnen.</p> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <gap reason="insignificant"/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine Kindsleiche im Dachsbau<lb/> vergraben</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wernigerode,</hi> 22. Januar.</dateline><lb/> <p>Wegen Ver-<lb/> dachtes der Abtreibung wurden die Witwe<lb/><hi rendition="#g">Steuer</hi> und der Arbeiter <hi rendition="#g">Berg</hi> von hier<lb/> zur Anzeige gebracht. Berg hatte nachweis-<lb/> lich die Leiche eines ſechs Monate alten<lb/> Kindes der Witwe Steuer, welches nach<lb/> Ausſagen von Zeugen gelebt haben ſoll, in<lb/> einem Dachsbau vergraben. Nachgrabungen<lb/> durch die Kriminialpolizei waren inſofern<lb/> von Erfolg, als nur das zum Einhüllen der<lb/> Leiche benutzte Papier und Zeuglappen ge-<lb/> funden wurden. Die Kindsleiche ſelbſt iſt<lb/> anſcheinend von Füchſen gefreſſen worden.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Leſſing-Geld,</hi> </head><lb/> <figure> <p>Münzen zu 3 und 5 Reichsmark mit dem Kopf des Dichters, wurden zu deſſen<lb/> 200. Geburtstag (22. Januar) geprägt.</p> </figure><lb/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Beſatzung noch an Bord<lb/> Der Dampfer „Preſident Garfield“<lb/> wird wieder flottgemach!</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Neuyork,</hi> 22. Januar.</dateline><lb/> <p>Der Kapitän und<lb/> die 120 Mann ſtarke Beſatzung des Paſſa-<lb/> gierdampfers „Preſident Garfield“, der, wie<lb/> gemeldet, auf dem Matanilla-Riff auf der<lb/> Höhe der Bahama-Inſel aufgelaufen war,<lb/> ſind an Bord geblieben, da ſie hoffen, der<lb/> Dampfer werde binnen zwei bis drei Tagen<lb/> wieder flottgemacht werden können. Von<lb/> der Agentur der Schiffahrtsgeſellſchaft wird<lb/> erklärt, der Dampfer ſei nur leicht beſchä-<lb/> digt und es ſei nicht nötig geweſen, die<lb/> Pumpen in Tätigkeit zu ſetzen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Gefängnisſtrafen<lb/> Das Urteil gegen die Bremer<lb/> Nationalſozialiſten</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Bremen,</hi> 22. Januar.</dateline><lb/> <p>Vor dem Schöffen-<lb/> gericht wurden die jugendlichen National-<lb/> ſozialiſten, die im Auguſt und September<lb/> vorigen Jahres Ueberfälle auf deutſche<lb/> Staatsbürger jüdiſchen Glaubens und ver-<lb/> ſehentlich auch auf den braſilianiſchen Kon-<lb/> ſul in Bremen verübt hatten, zu Gefängnis-<lb/> ſtrafen von 6 Wochen bis zu 1 Jahr ver-<lb/> urteilt. Gegen den Hauptſchuldigen Thelen<lb/> wurde ſofort Haftbefehl erlaſſen, bei zwei<lb/> Jugendlichen wurde auf Strafausſetzung bis<lb/> 31. Januar 1932 erkannt.</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [3/0003]
Dienstag, den 22. Januar „AZ am Abend“ Nr. 18
Der Sonneburger Zuchthausprozeß
Die Gefangenen mit Tabakspfeife
und Taſchenmeſſer
Die erſten der 21 angeklagten Beamten werden vernommen
Sonnenburg, 22. Januar.
In der Kirche
des Sonnenburger Zuchthauſes, die proviſo-
riſch als Gerichtsſaal eingerichtet iſt, trat
geſtern vormittag das Erweiterte Schöffen-
gericht Frankfurt a. d. O. unter dem Vorſitz
des Amtsgerichtsdirektors Wrege zu dem
aufſehenerregenden Prozeß gegen 21 Be-
amte dieſer Strafanſtalt zuſammen. Die
Anklageſchrift wirft den angeklagten Be-
amten
Diebſtahl, Unterſchlagung, Hehlerei und
Verleitung zum Meineid
vor, und zwar im Zuſammenhang mit der
in der letzten Zeit vielfach erörterten Ver-
ſchleuderung von ehemaligem Heeresgut.
Das Gericht beſchloß trotz Proteſtes des Ver-
teidigers Verbindung der Verfahren zu ge-
meinſamer Verhandlung und Entſcheidung
und wies die Ablehnung des von der Ver-
teidigung als befangen erklärten Sachver-
ſtändigen, Staatsanwaltſchaftsrat Gnobloch,
als unbegründet zurück.
Als erſter der Angeklagten
wurde Hilfswachtmeiſter Weitel vernom-
men, dem zur Laſt gelegt wird, daß er ſich
Militärkleidungsſtücke aus dem Altverwer-
tungsbetrieb durch Vermittlung von Gefan-
genen angeeignet habe. Weitel beſtritt, daß
er dieſe Gegenſtände unrechtmäßig erworben
habe. Er ſoll verſucht haben, den Gefange-
nen Paſch zum Meineid zu verleiten, indem
Paſch angeben ſollte, daß die von Weitel
empfangenen Sachen ordnungsmäßig gebucht
ſeien.
Während Weitel in ſeinen Ausſagen ziem-
lich unſicher war, beſtritten die nach ihm
vernommenen angeklagten Beamten ſehr
entſchieden und klar jegliches Verſchulden,
und zwar ſetzten ſie auseinander, in welcher
Weiſe die Vorwürfe als
Racheaktion von Gefangenen
zuſtande gekommen ſeien.
Hauptwachtmeiſter Henſchke, der 28
Jahre in Sonnenburg war, erklärte: Jm
letzten Jahre herrſchte hier eine ſo zügelloſe
Führung, daß wir
keine Unterſtützung durch den Direktor
fanden. In der Schneiderſtube arbeiteten von
32 Leuten nur 7. Als ich ihnen allen Arbeit
zuteilte, da haben ſie trotzdem nur das ge-
arbeitet, was ihnen gepaßt hat. Es wurde
auch
heimlich geraucht und Karten geſpielt.
Alle unſere Anzeigen an Hauptwachtmeiſter
Schulz waren vergeblich und gingen in den
Papierkorb.
Hauptwachtmeiſter Klucke bekundete:
Eine Zeitlang erſchienen die Gefangenen zur
Freiſtunde ſo, daß ſie in der linken Hand
die Tabakspfeife, in der rechten Hand das
Taſchenmeſſer trugen. Direktor Lödecke iſt
ja auch ſchon von einem Gefangenen ver-
wundet worden. Die Verhandlung wird mor-
gen fortgeſetzt. (Siehe auch Seite 10.)
Die Langenbacher Berufungsverhandlung
Urteil: Gefängnisſtrafe
wird bedingt erlaſſen
Ausſtecken eines Langſamfahrſignals iſt verſäumt worden
München, 21. Januar.
Nachdem die Sach-
verſtändigen mit ihren Gutachten gehört
worden waren (ſiehe zunächſt S. 10), wurde
auf alle anderen Zeugen verzichtet. Die
Sachverſtändigen ſelbſt waren ſich über die
Urſachen des Eiſenbahnunglückes
nicht ganz einig.
Der Staatsanwalt betonte in ſeinem Plä-
doyer, daß der Angeklagte eine beſondere
Vorſicht hätte verwenden müſſen, da es ſich
um ein unerprobtes Sicherheitsverfahren
handelte. Weiter beſtehen zwei Vorſchriften,
wonach das Ausſtecken eines Langſamfahr-
ſignals geboten war, weil der Oberbau un-
vollſtändig war. Er beantragte Aufhebung
des erſtinſtanziellen Urteils und eine Verur-
teilung zu einer höheren Strafe, nämlich zu
einem Jahr und vier Monaten Gefängnis.
Der Verteidiger plädierte in erſter Linie für
Freiſprechung, da die Vorſchriften für die
Bahnmeiſtereien nicht eindeutig genug ſeien
und der Angeklagte von der Zuverläſſigkeit
der von ihm angewendeten Sicherheitsmaß-
nahme feſt überzeugt war, eventuell bitte
der Verteidiger um mäßige Strafe und be-
dingten Straferlaß.
Das Gericht fällte dann folgendes
Berufungsurteil
Die Berufung des Angeklagten und die des
Staatsanwalts gegen das Urteil des Frei-
ſinger Schöffengerichts wird verworfen. Der
Angeklagte hat die Koſten ſeiner Berufung
zu tragen, die Koſten der ſtaatsanwaltſchaft-
lichen Berufung werden der Staatskaſſe
überbürdet. Weiterhin erging Beſchluß:
Die durch Anteil vom Schöffengericht
Freiſing dem Angeklagten auferlegte
Gefängnisſtrafe wird bedingt erlaſſen.
In den Gründen des Urteils heißt es unter
anderem: Das Berufungsgericht hat die
Ueberzeugung, daß der Kaſſeler Wagen die
Entgleiſung nicht herbeigeführt hat, wie die
Sachverſtändigen feſtgeſtellt haben und wie
aus der nach dem Unfall feſtgeſtellten Spur
zu ſchließen war. Weiter war das Gericht
der Ueberzeugung, daß das Entgleiſen der
anderen Wagen, wie des Packwagens und
der folgenden Wagen, durch das Heraus-
ſpringen der Spindel verurſacht wurde. Bei
der Frage, ob der Angeklagte die Spindel
bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt,
verwenden durfte, kam das Gericht zu der
Auffaſſung, daß dieſe Frage zu verneinen
ſei. Der Angeklagte hat nicht vorausſehen
können, daß die Spindel abſpringen werde.
Zum Ausſtecken eines Langſamfahr-
ſiguals ſei er aber verpflichtet geweſen.
weil es ſich um die Anwendung eines uner-
probten Verfahrens handelte. Zumal ſchrieb
eine Vorſchrift das Ausſtecken des Signales
vor. Wenn auch das Gericht anerkannte,
daß die betreffende Vorſchrift nicht eindeutig
war, ſo mußte der Angeklagte das Signal
doch ausſtecken, weil es ſich um ein noch
nicht bewährtes Verfahren handelte, und
weil er von ſeinem Vorgeſetzten den Befehl
dazu bekommen hatte.
Erdroſſelt
und aufgehängt
Beſtätigtes Todesurteil gegen einen
70jährigen Gattenmörder
Leipzig, 22. Januar.
Das Schwur-
gericht Lyck hatte am 20. September 1928
den Altbeſitzer Johann Sebrowſki wegen
Mordes zum Tode verurteilt. Dem 70jähri-
gen Angeklagten war zur Laſt gelegt, am
15. Mai 1928 ſeine eigene Frau, mit der er
ſeit dem Jahre 1914 in zerrütteten Ehever-
hältniſſen lebte, ermordet zu haben. Se-
browſki leugnet die Tat, gilt aber als über-
führt, ſeine Frau, der er Beziehungen zu
Soldaten während der Kriegsjahre vorwarf,
von hinten überfallen, gedroſſelt und dann
mit einem zurechtgelegten Strick aufgehängt
zu haben. Durch Verwerfung der Reviſion
durch den zweiten Strafſenat des Reichs-
gerichts, in der in der Hauptſache Verfah-
rensrügen bemängelt wurden, iſt das Urteil
ſomit rechlskräftig geworden.
Amerikaner im Irakgebiet überfallen
Ein Miſſionar erſchoſſen * 100 Wahabiten im Hinterhalt
Basra, 22. Januar.
Eine Geſellſchaft
von vier Amerikanern, die geſtern früh im
Automobil von Basra abgefahren waren,
um Kuweit zu beſuchen, fielen unterwegs in
einen Wahabitenhinterhalt. Einer der Ame-
rikaner, der Miſſionar Bilkert, wurde er-
ſchoſſen, während die drei anderen unverletzt
blieben. Der Ueberfall wurde von ſchätzungs-
weiſe 100 Mann diesſeits der Irakgrenze
verübt.
Der erſchoſſene Miſſionar Bilkert war elf
Jahre lang in der amerikaniſchen Presby-
terianer-Miſſion am Perſiſchen Golf tätig
geweſen. Einer der entkommenen Amerikaner
erzählte, die Angreifer hätten ſich im Dickicht
verſteckt, ſo daß keiner zu ſehen war; auch
habe man keine Pferde oder Kamele wahr-
genommen. Dem Ueberfall wird große poli-
tiſche Bedeutung beigemeſſen, da die Stim-
mung der Amerikaner gegen den Wahabiten-
führer Ibn Saud gerichtet iſt.
Der jüngſte Zuwachs der deutſchen Reichsmarine
[Abbildung iſt das Torpedoboot „Tiger“ von der ſogenannten Raubtierklaſſe, das auf der Torpedo-
werft in Wilhelmshaven in Dienſt geſtellt wurde. Der „Tiger“ hat zwei Vorgänger ge-
habt, deren zweiter im Jahre 1914 in Tſingtau von der eigenen Beſatzung verſenkt
wurde, um ihn nicht in Feindeshand fallen zu laſſen.]
Anklage gegen Stinnes
Anklageſchrift umfaßt 7 Perſonen
Berlin, 22. Januar.
Nach der Anklage-
ſchrift in der Kriegsanleiheaffäre, die ſich
gegen Hugo Stinnes und Genoſſen richtet,
ſind folgende
ſieben Perſonen unter Anklage
geſtellt worden: Der Kaufmann Hugo
Stinnes, der Kaufmann Erich Noth-
mann, der Landwirt Wolf Alexander
von Waldow, der Kaufmann Bela
Grosz aus Wien, der Kaufmann Leon
Hirſch, öſterreichiſcher Staatsangehöriger
und der Kaufmann Eugen Hirſch aus
Paris wegen verſuchten Betruges, in dem
ſie durch Vorſpiegelung falſcher Tatſachen
das Deutſche Reich um etwa 2 Millionen
Mark ſchädigen wollten. Ferner iſt ange-
klagt der frühere Generaldirektor des
Delphipalaſtes, Schneid, öſterreichiſcher
Staatsangehöriger, wegen Beihilfe zum ver-
ſuchten Betruge der übrigen Angeklagten.
Rechtsanwalt Dr. Alsberg hat für Hugo
Stinnes eine Erklärungsfriſt zur Anklage
von einem Monat beantragt, die vom Ge-
richt bewilligt worden iſt. Außerdem hat die
Verteidigung von Hugo Stinnes die kommiſ-
ſariſche Vernehmung einer Reihe von Zeu-
gen im Auslande beantragt. Die Hauptver-
handlung in dieſer Staatsſache, die unter
Vorſitz von Landgerichtsdirektor Arndt vor
einer Sonderabteilung des Großen Schöffen-
gerichts Berlin-Mitte vor ſich gehen wird,
wird
erſt im Mai
beginnen.
_
Eine Kindsleiche im Dachsbau
vergraben
Wernigerode, 22. Januar.
Wegen Ver-
dachtes der Abtreibung wurden die Witwe
Steuer und der Arbeiter Berg von hier
zur Anzeige gebracht. Berg hatte nachweis-
lich die Leiche eines ſechs Monate alten
Kindes der Witwe Steuer, welches nach
Ausſagen von Zeugen gelebt haben ſoll, in
einem Dachsbau vergraben. Nachgrabungen
durch die Kriminialpolizei waren inſofern
von Erfolg, als nur das zum Einhüllen der
Leiche benutzte Papier und Zeuglappen ge-
funden wurden. Die Kindsleiche ſelbſt iſt
anſcheinend von Füchſen gefreſſen worden.
Leſſing-Geld,
[Abbildung Münzen zu 3 und 5 Reichsmark mit dem Kopf des Dichters, wurden zu deſſen
200. Geburtstag (22. Januar) geprägt.]
Beſatzung noch an Bord
Der Dampfer „Preſident Garfield“
wird wieder flottgemach!
Neuyork, 22. Januar.
Der Kapitän und
die 120 Mann ſtarke Beſatzung des Paſſa-
gierdampfers „Preſident Garfield“, der, wie
gemeldet, auf dem Matanilla-Riff auf der
Höhe der Bahama-Inſel aufgelaufen war,
ſind an Bord geblieben, da ſie hoffen, der
Dampfer werde binnen zwei bis drei Tagen
wieder flottgemacht werden können. Von
der Agentur der Schiffahrtsgeſellſchaft wird
erklärt, der Dampfer ſei nur leicht beſchä-
digt und es ſei nicht nötig geweſen, die
Pumpen in Tätigkeit zu ſetzen.
Gefängnisſtrafen
Das Urteil gegen die Bremer
Nationalſozialiſten
Bremen, 22. Januar.
Vor dem Schöffen-
gericht wurden die jugendlichen National-
ſozialiſten, die im Auguſt und September
vorigen Jahres Ueberfälle auf deutſche
Staatsbürger jüdiſchen Glaubens und ver-
ſehentlich auch auf den braſilianiſchen Kon-
ſul in Bremen verübt hatten, zu Gefängnis-
ſtrafen von 6 Wochen bis zu 1 Jahr ver-
urteilt. Gegen den Hauptſchuldigen Thelen
wurde ſofort Haftbefehl erlaſſen, bei zwei
Jugendlichen wurde auf Strafausſetzung bis
31. Januar 1932 erkannt.
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(2023-01-02T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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