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Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 8. Mai 1915.

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Allgemeine Zeitung 8. Mai 1915.
[Spaltenumbruch]

5. Mai:

Der Angriff der verbündeten Truppen nördlich der Wald-
karpathen
durchbrach gestern bereits die dritte befestigte Linie
der Russen, die dort auf der ganzen Front geworfen wurden und
auf die Wisloka zurückweichen.

Die Größe des Sieges kann man daraus ersehen, daß
infolge des Durchbruches der Verbündeten die Russen ihre in der
nördlichen Flanke bedrohten Stellungen in den Waldkarpathen süd-
westlich von Dukla zu räumen beginnen.

Die Schnelligkeit, mit der unser Erfolg erreicht wurde, macht
es unmöglich, ein zahlenmäßiges Bild über die Siegesbeute
zu geben. Nach den vorläufigen Meldungen scheint die Zahl der
Gefangenen bisher über 30,000 zu betragen.

6. Mai:

Südwestlich Mitau, südlich Szadow und östlich
Rossijeni
dauern die Kämpfe noch an. Nordöstlich und südöstlich
Kalwarja sind unsere Stellungen im Laufe des gestrigen Tages
mehrfach von starken russischen Gruppen angegriffen worden; sämt-
liche Angriffe scheiterten unter sehr großen Ver-
lusten des Feindes.
Ebensowenig Erfolg hatten feindliche
Vorstöße gegen unseren Brückenkopf an der Pilica. Die Festung
Grodno wurde heute nacht mit Bomben belegt.

*

In Westgalizien versuchten die Nachhuten des flüchtenden
Feindes den unter Befehl des Generalobersten Mackensen
stehenden verbündeten Truppen gestern verzweifelten Widerstand zu
leisten, der aber auf den Höhen des linken Wisloka-Ufers, oberhalb
wie unterhalb der Ropa-Mündung, mit wuchtigen Schlägen gebrochen
wurde. Noch abends war nicht nur an mehreren Stellen der Ueber-
gang über die Wisloka erzwungen, sondern auch feste Hand auf die
Duklapaßstraße durch Besetzung des Ortes gleichen Namens gelegt.

In der Gegend östlich von Tarnow und nördlich bis zur
Weichsel wurde auf dem rechten Ufer des Dunajec bis in die
Nacht hinein gefochten. Die Zahl der bisher gemachten Gefange-
nen ist auf über 40,000 gestiegen, wobei zu beachten ist, daß es sich
um reine Frontalkämpfe handelt.

Im Beskiden-Gebirge an der Lupkower Paßstraße schreitet
ein Angriff der Kräfte des Generals der Kavallerie von der Marwitz
gleichlaufend mit demjenigen der österreichisch-ungarischen Armee,
mit der sie in einem Verbande stehen, günstig fort.

*

Der österreichische Generalstab meldet: Auf der ganzen Schlacht-
front in Westgalizien dringen die Verbündeten weiter erfolg-
reich vor. Noch intakte Truppen des Feindes versuchen, in gün-
stigen Verteidigungsstellen den schleunigen Rückzug zu decken.
Starke russische Kräfte in den Beskiden sind durch den Flankenstoß
der siegreichen Armeen sehr bedroht. Die Gegend von Jaslo
und Dukla ist bereits erkämpft. Die im Gange befindlichen
Kämpfe werden die Vernichtung der dritten russischen Armee ver-
vollständigen.

Im Orawatal wurde ein starker russischer Angriff gegen
die Höhe Ostry blutig abgewiesen und 700 Russen gefangen. Die
Zahl der Gefangenen ist auf 50,000 gestiegen. Die übrige Situa-
tion ist unverändert.

Auch die letzten Stellungen auf den Höhen östlich des Duna-
jec
und der Biala sind von unseren Truppen erkämpft. Seit
10 Uhr vormittag ist Tarnow wieder in unserem Besitz.

*

Von Südosten kommende russische Angriffe auf Rossijeni
wurden abgewiesen. Die Verfolgung des Feindes ist im Gang. --
Auch bei Kalwarja sowie nordöstlich von Suwalki und östlich von
Augustowo scheiterten zahlreiche russische Vorstöße. Dort wur-
den insgesamt etwa 500 Russen gefangen genommen.

Auf der übrigen Front fanden einzelne Nahkämpfe statt,
die sämtlich zu unseren Gunsten entschieden wurden.

*

Die Rückwirkung des Sieges beginnt sichtbar zu wer-
den. Die russische Beskidenfront Zboro--Sztropko--Lupkow ist un-
haltbar geworden. Da die siegreichen verbündeten Streitkräfte unter
andauernd erfolgreichen Kämpfen von Westen her gegen Jaslo und
Znigrod weiter vordringen, ist der Gegner im Westabschnitt der
Karpathenfront seit heute früh in vollem Rückzuge aus
[Spaltenumbruch] Ungarn,
verfolgt von österreichisch-ungarischen und deutschen
Truppen. Die Russen sind somit in einer etwa 150 Kilometer langen
Front geschlagen und unter den schwersten Verlusten zum Rückzug
gezwungen.

Die sonstige Situation ist im allgemeinen unverändert.

England.

Im Gefühle unseres Rechtes und unserer stets humanen Krieg-
führung haben unsere militärischen wie Zivilbehörden stets eine
außerordentliche Langmut bewiesen. Von Zeit zu Zeit aber findet
man sich doch veranlaßt, gegen gar zu unverschämte Verleumdungen
und Gehässigkeiten zu protestieren. So hat jetzt wieder die "Nord-
deutsche Allgemeine Zeitung", das Sprachrohr der Regierung, sich
veranlaßt gesehen, ganz energisch einer neuerlichen Schmähung
des deutschen Heeres
durch den englischen Kriegs-
minister
entgegenzutreten. Sie schreibt:

"Der englische Kriegsminister Lord Kitchener wagte in
seiner Oberhaus-Rede vom 27. April, die Ehre des deutschen Heeres
durch den Vorwurf unmenschlicher Grausamkeit gegen wehrlose Ge-
fangene anzutasten. Die Person des Anklägers und die Schwere
seiner Beschuldigungen rechtfertigen es, wenn wir über diese Ver-
leumdungen nicht mit einer wortlosen Verachtung hinweggehen,
die sie an sich verdienten. Denn von einem Manne, der mit den
Nachtseiten der englischen Kriegführung aus so
reicher und eigener Erfahrung vertraut ist wie Kitchener, setzt
alle Welt voraus, daß nur die sichere Kenntnis ganz unerhörter
Schändlichkeiten ihm ein Verdammungsurteil über andere in den
Mund legen könnte. Die hauptsächliche Stütze der von Kitchener
erhobenen Anklagen bildet aber offenbar ein Bericht des aus deut-
scher Kriegsgefangenschaft entflohenen englischen Majors Vandeleur.
Bezeichnend für die Glaubwürdigkeit dieser auch der deutschen Re-
gierung bekannten Aufzeichnungen ist die Tatsache, daß ihr Ver-
fasser bei den eigenen Kameraden nicht mehr für geistig normal
gilt, seitdem der Krieg auf seine Nerven eingewirkt hat.

Kitchener sagt unseren Truppen nach, daß sie ihre engli-
schen Gefangenen
in vielen Fällen mißhandelt und manche
von ihnen sogar kalten Blutes erschossen hätten. Selbst vor ver-
wundeten Offizieren habe ihre Roheit nicht Halt gemacht. In den
Gefangenenlagern werde die grausame Behandlung durch Hunger
und andere Quälereien fortgesetzt. Deutschland habe große kriege-
rische Fähigkeiten und großen Mut bewiesen, jedoch die Soldaten-
ehre durch Handlungen befleckt, die mit der barbarischen Wildheit
der Derwische wetteifern könnten.

Wer das deutsche Wesen wirklich kennt und sich ein Urteil dar-
über nicht nur aus den Schmähschriften bildete, der wird, wes
Stammes er auch sei, mit Entrüstung diese unverantwortliche
Herabwürdigung eines Heeres zurückweisen, dessen straffe Mannes-
zucht sich in vielen ruhmreichen Kriegen bewährte und von den Fern-
stehenden oft genug als übermäßig scharf kritisiert wurde. Es zeugt
von einer selbst für englische Verhältnisse ungewöhnlichen An-
maßung, wenn ein solches Heer von einem Gegner angegriffen wird,
unter dessen Befehl die herzlosen Peiniger jenes deutschen Kriegs-
freiwilligen Calliez stehen, von dem ein englischer Flieger-Offizier
im Oktober 1914 gemeinsam mit mehreren Soldaten durch rohe
Mißhandlungen Verrat an unseren Truppen zu erpressen suchte.
Von einer Verurteilung dieser elenden Handlungsweise hörte man
aus dem englischen Lager bisher noch nichts.

Wir werden demzufolge wohl auch vergebens auf eine Sühne
für die schmachvolle und grausame Behandlung warten, die ge-
fangene deutsche Soldaten im März nach den Kämpfen um Neuve
Chapelle erdulden mußten. Unter der Leitung und Aufsicht der
Engländer raubten indische Truppen diese Gefangenen aus und
mißhandelten sie.

Wir können leider nur allzuviele Fälle englischer Grau-
samkeit
durch eidliche Aussagen belegen, darunter die unmensch-
liche Behandlung unserer in den deutschen und englischen Kolonien
gefangenen Volksgenossen.

Was Kitchener über die deutschen Gefangenen-
lager
behauptet, wird durch die Aussagen vieler neutraler Zeugen
widerlegt. Unter ihnen erklärte der amerikanische Botschafter in
Berlin erst vor kurzem, daß die gefangenen Engländer nach seiner
eigenen Feststellung in völlig angemessener Weise behandelt würden.

Wir glauben nicht, daß im Gegensatz dazu gerade Kitchener
das Recht hat, haltlose Anklagen zu erheben. Ist doch sein Name
für alle Zeiten mit jenen berüchtigten Konzentrationslagern ver-

Allgemeine Zeitung 8. Mai 1915.
[Spaltenumbruch]

5. Mai:

Der Angriff der verbündeten Truppen nördlich der Wald-
karpathen
durchbrach geſtern bereits die dritte befeſtigte Linie
der Ruſſen, die dort auf der ganzen Front geworfen wurden und
auf die Wisloka zurückweichen.

Die Größe des Sieges kann man daraus erſehen, daß
infolge des Durchbruches der Verbündeten die Ruſſen ihre in der
nördlichen Flanke bedrohten Stellungen in den Waldkarpathen ſüd-
weſtlich von Dukla zu räumen beginnen.

Die Schnelligkeit, mit der unſer Erfolg erreicht wurde, macht
es unmöglich, ein zahlenmäßiges Bild über die Siegesbeute
zu geben. Nach den vorläufigen Meldungen ſcheint die Zahl der
Gefangenen bisher über 30,000 zu betragen.

6. Mai:

Südweſtlich Mitau, ſüdlich Szadow und öſtlich
Roſſijeni
dauern die Kämpfe noch an. Nordöſtlich und ſüdöſtlich
Kalwarja ſind unſere Stellungen im Laufe des geſtrigen Tages
mehrfach von ſtarken ruſſiſchen Gruppen angegriffen worden; ſämt-
liche Angriffe ſcheiterten unter ſehr großen Ver-
luſten des Feindes.
Ebenſowenig Erfolg hatten feindliche
Vorſtöße gegen unſeren Brückenkopf an der Pilica. Die Feſtung
Grodno wurde heute nacht mit Bomben belegt.

*

In Weſtgalizien verſuchten die Nachhuten des flüchtenden
Feindes den unter Befehl des Generaloberſten Mackenſen
ſtehenden verbündeten Truppen geſtern verzweifelten Widerſtand zu
leiſten, der aber auf den Höhen des linken Wisloka-Ufers, oberhalb
wie unterhalb der Ropa-Mündung, mit wuchtigen Schlägen gebrochen
wurde. Noch abends war nicht nur an mehreren Stellen der Ueber-
gang über die Wisloka erzwungen, ſondern auch feſte Hand auf die
Duklapaßſtraße durch Beſetzung des Ortes gleichen Namens gelegt.

In der Gegend öſtlich von Tarnow und nördlich bis zur
Weichſel wurde auf dem rechten Ufer des Dunajec bis in die
Nacht hinein gefochten. Die Zahl der bisher gemachten Gefange-
nen iſt auf über 40,000 geſtiegen, wobei zu beachten iſt, daß es ſich
um reine Frontalkämpfe handelt.

Im Beskiden-Gebirge an der Lupkower Paßſtraße ſchreitet
ein Angriff der Kräfte des Generals der Kavallerie von der Marwitz
gleichlaufend mit demjenigen der öſterreichiſch-ungariſchen Armee,
mit der ſie in einem Verbande ſtehen, günſtig fort.

*

Der öſterreichiſche Generalſtab meldet: Auf der ganzen Schlacht-
front in Weſtgalizien dringen die Verbündeten weiter erfolg-
reich vor. Noch intakte Truppen des Feindes verſuchen, in gün-
ſtigen Verteidigungsſtellen den ſchleunigen Rückzug zu decken.
Starke ruſſiſche Kräfte in den Beskiden ſind durch den Flankenſtoß
der ſiegreichen Armeen ſehr bedroht. Die Gegend von Jaslo
und Dukla iſt bereits erkämpft. Die im Gange befindlichen
Kämpfe werden die Vernichtung der dritten ruſſiſchen Armee ver-
vollſtändigen.

Im Orawatal wurde ein ſtarker ruſſiſcher Angriff gegen
die Höhe Oſtry blutig abgewieſen und 700 Ruſſen gefangen. Die
Zahl der Gefangenen iſt auf 50,000 geſtiegen. Die übrige Situa-
tion iſt unverändert.

Auch die letzten Stellungen auf den Höhen öſtlich des Duna-
jec
und der Biala ſind von unſeren Truppen erkämpft. Seit
10 Uhr vormittag iſt Tarnow wieder in unſerem Beſitz.

*

Von Südoſten kommende ruſſiſche Angriffe auf Roſſijeni
wurden abgewieſen. Die Verfolgung des Feindes iſt im Gang. —
Auch bei Kalwarja ſowie nordöſtlich von Suwalki und öſtlich von
Auguſtowo ſcheiterten zahlreiche ruſſiſche Vorſtöße. Dort wur-
den insgeſamt etwa 500 Ruſſen gefangen genommen.

Auf der übrigen Front fanden einzelne Nahkämpfe ſtatt,
die ſämtlich zu unſeren Gunſten entſchieden wurden.

*

Die Rückwirkung des Sieges beginnt ſichtbar zu wer-
den. Die ruſſiſche Beskidenfront Zboro—Sztropko—Lupkow iſt un-
haltbar geworden. Da die ſiegreichen verbündeten Streitkräfte unter
andauernd erfolgreichen Kämpfen von Weſten her gegen Jaslo und
Znigrod weiter vordringen, iſt der Gegner im Weſtabſchnitt der
Karpathenfront ſeit heute früh in vollem Rückzuge aus
[Spaltenumbruch] Ungarn,
verfolgt von öſterreichiſch-ungariſchen und deutſchen
Truppen. Die Ruſſen ſind ſomit in einer etwa 150 Kilometer langen
Front geſchlagen und unter den ſchwerſten Verluſten zum Rückzug
gezwungen.

Die ſonſtige Situation iſt im allgemeinen unverändert.

England.

Im Gefühle unſeres Rechtes und unſerer ſtets humanen Krieg-
führung haben unſere militäriſchen wie Zivilbehörden ſtets eine
außerordentliche Langmut bewieſen. Von Zeit zu Zeit aber findet
man ſich doch veranlaßt, gegen gar zu unverſchämte Verleumdungen
und Gehäſſigkeiten zu proteſtieren. So hat jetzt wieder die „Nord-
deutſche Allgemeine Zeitung“, das Sprachrohr der Regierung, ſich
veranlaßt geſehen, ganz energiſch einer neuerlichen Schmähung
des deutſchen Heeres
durch den engliſchen Kriegs-
miniſter
entgegenzutreten. Sie ſchreibt:

„Der engliſche Kriegsminiſter Lord Kitchener wagte in
ſeiner Oberhaus-Rede vom 27. April, die Ehre des deutſchen Heeres
durch den Vorwurf unmenſchlicher Grauſamkeit gegen wehrloſe Ge-
fangene anzutaſten. Die Perſon des Anklägers und die Schwere
ſeiner Beſchuldigungen rechtfertigen es, wenn wir über dieſe Ver-
leumdungen nicht mit einer wortloſen Verachtung hinweggehen,
die ſie an ſich verdienten. Denn von einem Manne, der mit den
Nachtſeiten der engliſchen Kriegführung aus ſo
reicher und eigener Erfahrung vertraut iſt wie Kitchener, ſetzt
alle Welt voraus, daß nur die ſichere Kenntnis ganz unerhörter
Schändlichkeiten ihm ein Verdammungsurteil über andere in den
Mund legen könnte. Die hauptſächliche Stütze der von Kitchener
erhobenen Anklagen bildet aber offenbar ein Bericht des aus deut-
ſcher Kriegsgefangenſchaft entflohenen engliſchen Majors Vandeleur.
Bezeichnend für die Glaubwürdigkeit dieſer auch der deutſchen Re-
gierung bekannten Aufzeichnungen iſt die Tatſache, daß ihr Ver-
faſſer bei den eigenen Kameraden nicht mehr für geiſtig normal
gilt, ſeitdem der Krieg auf ſeine Nerven eingewirkt hat.

Kitchener ſagt unſeren Truppen nach, daß ſie ihre engli-
ſchen Gefangenen
in vielen Fällen mißhandelt und manche
von ihnen ſogar kalten Blutes erſchoſſen hätten. Selbſt vor ver-
wundeten Offizieren habe ihre Roheit nicht Halt gemacht. In den
Gefangenenlagern werde die grauſame Behandlung durch Hunger
und andere Quälereien fortgeſetzt. Deutſchland habe große kriege-
riſche Fähigkeiten und großen Mut bewieſen, jedoch die Soldaten-
ehre durch Handlungen befleckt, die mit der barbariſchen Wildheit
der Derwiſche wetteifern könnten.

Wer das deutſche Weſen wirklich kennt und ſich ein Urteil dar-
über nicht nur aus den Schmähſchriften bildete, der wird, wes
Stammes er auch ſei, mit Entrüſtung dieſe unverantwortliche
Herabwürdigung eines Heeres zurückweiſen, deſſen ſtraffe Mannes-
zucht ſich in vielen ruhmreichen Kriegen bewährte und von den Fern-
ſtehenden oft genug als übermäßig ſcharf kritiſiert wurde. Es zeugt
von einer ſelbſt für engliſche Verhältniſſe ungewöhnlichen An-
maßung, wenn ein ſolches Heer von einem Gegner angegriffen wird,
unter deſſen Befehl die herzloſen Peiniger jenes deutſchen Kriegs-
freiwilligen Calliez ſtehen, von dem ein engliſcher Flieger-Offizier
im Oktober 1914 gemeinſam mit mehreren Soldaten durch rohe
Mißhandlungen Verrat an unſeren Truppen zu erpreſſen ſuchte.
Von einer Verurteilung dieſer elenden Handlungsweiſe hörte man
aus dem engliſchen Lager bisher noch nichts.

Wir werden demzufolge wohl auch vergebens auf eine Sühne
für die ſchmachvolle und grauſame Behandlung warten, die ge-
fangene deutſche Soldaten im März nach den Kämpfen um Neuve
Chapelle erdulden mußten. Unter der Leitung und Aufſicht der
Engländer raubten indiſche Truppen dieſe Gefangenen aus und
mißhandelten ſie.

Wir können leider nur allzuviele Fälle engliſcher Grau-
ſamkeit
durch eidliche Ausſagen belegen, darunter die unmenſch-
liche Behandlung unſerer in den deutſchen und engliſchen Kolonien
gefangenen Volksgenoſſen.

Was Kitchener über die deutſchen Gefangenen-
lager
behauptet, wird durch die Ausſagen vieler neutraler Zeugen
widerlegt. Unter ihnen erklärte der amerikaniſche Botſchafter in
Berlin erſt vor kurzem, daß die gefangenen Engländer nach ſeiner
eigenen Feſtſtellung in völlig angemeſſener Weiſe behandelt würden.

Wir glauben nicht, daß im Gegenſatz dazu gerade Kitchener
das Recht hat, haltloſe Anklagen zu erheben. Iſt doch ſein Name
für alle Zeiten mit jenen berüchtigten Konzentrationslagern ver-

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[Seite 280.[280]/0006] Allgemeine Zeitung 8. Mai 1915. 5. Mai: Der Angriff der verbündeten Truppen nördlich der Wald- karpathen durchbrach geſtern bereits die dritte befeſtigte Linie der Ruſſen, die dort auf der ganzen Front geworfen wurden und auf die Wisloka zurückweichen. Die Größe des Sieges kann man daraus erſehen, daß infolge des Durchbruches der Verbündeten die Ruſſen ihre in der nördlichen Flanke bedrohten Stellungen in den Waldkarpathen ſüd- weſtlich von Dukla zu räumen beginnen. Die Schnelligkeit, mit der unſer Erfolg erreicht wurde, macht es unmöglich, ein zahlenmäßiges Bild über die Siegesbeute zu geben. Nach den vorläufigen Meldungen ſcheint die Zahl der Gefangenen bisher über 30,000 zu betragen. 6. Mai: Südweſtlich Mitau, ſüdlich Szadow und öſtlich Roſſijeni dauern die Kämpfe noch an. Nordöſtlich und ſüdöſtlich Kalwarja ſind unſere Stellungen im Laufe des geſtrigen Tages mehrfach von ſtarken ruſſiſchen Gruppen angegriffen worden; ſämt- liche Angriffe ſcheiterten unter ſehr großen Ver- luſten des Feindes. Ebenſowenig Erfolg hatten feindliche Vorſtöße gegen unſeren Brückenkopf an der Pilica. Die Feſtung Grodno wurde heute nacht mit Bomben belegt. * In Weſtgalizien verſuchten die Nachhuten des flüchtenden Feindes den unter Befehl des Generaloberſten Mackenſen ſtehenden verbündeten Truppen geſtern verzweifelten Widerſtand zu leiſten, der aber auf den Höhen des linken Wisloka-Ufers, oberhalb wie unterhalb der Ropa-Mündung, mit wuchtigen Schlägen gebrochen wurde. Noch abends war nicht nur an mehreren Stellen der Ueber- gang über die Wisloka erzwungen, ſondern auch feſte Hand auf die Duklapaßſtraße durch Beſetzung des Ortes gleichen Namens gelegt. In der Gegend öſtlich von Tarnow und nördlich bis zur Weichſel wurde auf dem rechten Ufer des Dunajec bis in die Nacht hinein gefochten. Die Zahl der bisher gemachten Gefange- nen iſt auf über 40,000 geſtiegen, wobei zu beachten iſt, daß es ſich um reine Frontalkämpfe handelt. Im Beskiden-Gebirge an der Lupkower Paßſtraße ſchreitet ein Angriff der Kräfte des Generals der Kavallerie von der Marwitz gleichlaufend mit demjenigen der öſterreichiſch-ungariſchen Armee, mit der ſie in einem Verbande ſtehen, günſtig fort. * Der öſterreichiſche Generalſtab meldet: Auf der ganzen Schlacht- front in Weſtgalizien dringen die Verbündeten weiter erfolg- reich vor. Noch intakte Truppen des Feindes verſuchen, in gün- ſtigen Verteidigungsſtellen den ſchleunigen Rückzug zu decken. Starke ruſſiſche Kräfte in den Beskiden ſind durch den Flankenſtoß der ſiegreichen Armeen ſehr bedroht. Die Gegend von Jaslo und Dukla iſt bereits erkämpft. Die im Gange befindlichen Kämpfe werden die Vernichtung der dritten ruſſiſchen Armee ver- vollſtändigen. Im Orawatal wurde ein ſtarker ruſſiſcher Angriff gegen die Höhe Oſtry blutig abgewieſen und 700 Ruſſen gefangen. Die Zahl der Gefangenen iſt auf 50,000 geſtiegen. Die übrige Situa- tion iſt unverändert. Auch die letzten Stellungen auf den Höhen öſtlich des Duna- jec und der Biala ſind von unſeren Truppen erkämpft. Seit 10 Uhr vormittag iſt Tarnow wieder in unſerem Beſitz. * Von Südoſten kommende ruſſiſche Angriffe auf Roſſijeni wurden abgewieſen. Die Verfolgung des Feindes iſt im Gang. — Auch bei Kalwarja ſowie nordöſtlich von Suwalki und öſtlich von Auguſtowo ſcheiterten zahlreiche ruſſiſche Vorſtöße. Dort wur- den insgeſamt etwa 500 Ruſſen gefangen genommen. Auf der übrigen Front fanden einzelne Nahkämpfe ſtatt, die ſämtlich zu unſeren Gunſten entſchieden wurden. * Die Rückwirkung des Sieges beginnt ſichtbar zu wer- den. Die ruſſiſche Beskidenfront Zboro—Sztropko—Lupkow iſt un- haltbar geworden. Da die ſiegreichen verbündeten Streitkräfte unter andauernd erfolgreichen Kämpfen von Weſten her gegen Jaslo und Znigrod weiter vordringen, iſt der Gegner im Weſtabſchnitt der Karpathenfront ſeit heute früh in vollem Rückzuge aus Ungarn, verfolgt von öſterreichiſch-ungariſchen und deutſchen Truppen. Die Ruſſen ſind ſomit in einer etwa 150 Kilometer langen Front geſchlagen und unter den ſchwerſten Verluſten zum Rückzug gezwungen. Die ſonſtige Situation iſt im allgemeinen unverändert. England. Im Gefühle unſeres Rechtes und unſerer ſtets humanen Krieg- führung haben unſere militäriſchen wie Zivilbehörden ſtets eine außerordentliche Langmut bewieſen. Von Zeit zu Zeit aber findet man ſich doch veranlaßt, gegen gar zu unverſchämte Verleumdungen und Gehäſſigkeiten zu proteſtieren. So hat jetzt wieder die „Nord- deutſche Allgemeine Zeitung“, das Sprachrohr der Regierung, ſich veranlaßt geſehen, ganz energiſch einer neuerlichen Schmähung des deutſchen Heeres durch den engliſchen Kriegs- miniſter entgegenzutreten. Sie ſchreibt: „Der engliſche Kriegsminiſter Lord Kitchener wagte in ſeiner Oberhaus-Rede vom 27. April, die Ehre des deutſchen Heeres durch den Vorwurf unmenſchlicher Grauſamkeit gegen wehrloſe Ge- fangene anzutaſten. Die Perſon des Anklägers und die Schwere ſeiner Beſchuldigungen rechtfertigen es, wenn wir über dieſe Ver- leumdungen nicht mit einer wortloſen Verachtung hinweggehen, die ſie an ſich verdienten. Denn von einem Manne, der mit den Nachtſeiten der engliſchen Kriegführung aus ſo reicher und eigener Erfahrung vertraut iſt wie Kitchener, ſetzt alle Welt voraus, daß nur die ſichere Kenntnis ganz unerhörter Schändlichkeiten ihm ein Verdammungsurteil über andere in den Mund legen könnte. Die hauptſächliche Stütze der von Kitchener erhobenen Anklagen bildet aber offenbar ein Bericht des aus deut- ſcher Kriegsgefangenſchaft entflohenen engliſchen Majors Vandeleur. Bezeichnend für die Glaubwürdigkeit dieſer auch der deutſchen Re- gierung bekannten Aufzeichnungen iſt die Tatſache, daß ihr Ver- faſſer bei den eigenen Kameraden nicht mehr für geiſtig normal gilt, ſeitdem der Krieg auf ſeine Nerven eingewirkt hat. Kitchener ſagt unſeren Truppen nach, daß ſie ihre engli- ſchen Gefangenen in vielen Fällen mißhandelt und manche von ihnen ſogar kalten Blutes erſchoſſen hätten. Selbſt vor ver- wundeten Offizieren habe ihre Roheit nicht Halt gemacht. In den Gefangenenlagern werde die grauſame Behandlung durch Hunger und andere Quälereien fortgeſetzt. Deutſchland habe große kriege- riſche Fähigkeiten und großen Mut bewieſen, jedoch die Soldaten- ehre durch Handlungen befleckt, die mit der barbariſchen Wildheit der Derwiſche wetteifern könnten. Wer das deutſche Weſen wirklich kennt und ſich ein Urteil dar- über nicht nur aus den Schmähſchriften bildete, der wird, wes Stammes er auch ſei, mit Entrüſtung dieſe unverantwortliche Herabwürdigung eines Heeres zurückweiſen, deſſen ſtraffe Mannes- zucht ſich in vielen ruhmreichen Kriegen bewährte und von den Fern- ſtehenden oft genug als übermäßig ſcharf kritiſiert wurde. Es zeugt von einer ſelbſt für engliſche Verhältniſſe ungewöhnlichen An- maßung, wenn ein ſolches Heer von einem Gegner angegriffen wird, unter deſſen Befehl die herzloſen Peiniger jenes deutſchen Kriegs- freiwilligen Calliez ſtehen, von dem ein engliſcher Flieger-Offizier im Oktober 1914 gemeinſam mit mehreren Soldaten durch rohe Mißhandlungen Verrat an unſeren Truppen zu erpreſſen ſuchte. Von einer Verurteilung dieſer elenden Handlungsweiſe hörte man aus dem engliſchen Lager bisher noch nichts. Wir werden demzufolge wohl auch vergebens auf eine Sühne für die ſchmachvolle und grauſame Behandlung warten, die ge- fangene deutſche Soldaten im März nach den Kämpfen um Neuve Chapelle erdulden mußten. Unter der Leitung und Aufſicht der Engländer raubten indiſche Truppen dieſe Gefangenen aus und mißhandelten ſie. Wir können leider nur allzuviele Fälle engliſcher Grau- ſamkeit durch eidliche Ausſagen belegen, darunter die unmenſch- liche Behandlung unſerer in den deutſchen und engliſchen Kolonien gefangenen Volksgenoſſen. Was Kitchener über die deutſchen Gefangenen- lager behauptet, wird durch die Ausſagen vieler neutraler Zeugen widerlegt. Unter ihnen erklärte der amerikaniſche Botſchafter in Berlin erſt vor kurzem, daß die gefangenen Engländer nach ſeiner eigenen Feſtſtellung in völlig angemeſſener Weiſe behandelt würden. Wir glauben nicht, daß im Gegenſatz dazu gerade Kitchener das Recht hat, haltloſe Anklagen zu erheben. 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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 8. Mai 1915, S. Seite 280.[280]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine19_1915/6>, abgerufen am 21.11.2024.