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Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929.

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erste Seite
[irrelevantes Material]


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Nr. 19
AZ am Abend
[Spaltenumbruch]
8-Uhr-Abendblatt
Allgemeine Zeitung
132. Jahrgang
[Spaltenumbruch] München
Mittwoch
23. Januar 1929
Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien-
Gesellschaft, München, Baaderstraße 1a.
/ Redaktion: München,
Baaderstr. 1a./ Telephon 25784, 28 784 und 297 819 / Postscheckkonto
München 2870 / Verantwortlich für den gesamten Inhalt:
Dr. Rolf Flügel, für Anzeigen M. Girisch, sämtliche in München
[Abbildung]
Die "AZ" erscheint an jed. Wochentag u. kostet im Einzelverkauf 10 Pfg., im
Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2. - monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl.,
außerhalb Münchens u. durch d. Post M. 2.40 monatl. / Für D. Oesterr, beträgt
der Einzelpreis 20 Grosch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl./ Anzeigen-
preis:
Die neunspaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80
Der neue Sachlieferungsbetrug in Frankreich
Schieberei des Universitätsprofessors

Es handelt sich um 9000 Tonnen Zucker im Werte von 20 Millionen Franken


Der in der Zucker-Sach-
lieferungsangelegenheit verhaftete ehemalige Vor-
sitzende des Verwaltungsrates der französischen
Zuckerlieferungsgesellschaft, Polier, (siehe auch
Seite 3) war ursprünglich Universitäts-
professor.
Sein Sonderfach war Wirtschafts-
politik. Er hat bis 1927 in Lille und vorher in
Toulouse und Straßburg Vorlesungen gehalten.



Ueber die Abwicklung des von
der Societe fermiere de Sucreries getätigten
Zuckersachlieferungsgeschäfts, das zur Aufdeckung
eines großen Betruges geführt hat, berichtet der
"Matin", der Verwaltungsrat dieser Gesell-
schaft, de Robiano, habe für Rechnung der Ge-
sellschaft am 3. September 1927 durch das
Finanzministerium.

[Spaltenumbruch]

einen Vertrag für Lieferung von 9000 Ton-
nen Zucker im Werte von 20 Millionen
Franken

genehmigen lassen. Die Gesellschaft habe diese
Menge in Deutschland von Kaufmann Wohl-
gemuth
erworben, dessen Gutgläubigkeit in
dieser Angelegenheit feststeht. Das Finanzmini-
sterium habe als Zahlung von Robiano Wechsel
im Werte von 20 Millionen Franken erhalten.
Diese Wechsel seien von der Londoner Firma
Perry garantiert gewesen. Nun gebe es
in London zwei Firmen Perry, von denen
nur eine zahlungsfähig sei.

Hierauf sei die Irreführung des Finanzmini-
steriums zurückzuführen. Die Wechsel seien jeden-
falls bei der Vorlegung im Juni 1928 nicht ein-
gelöst worden und das Finanzministerium habe
daraufhin über die Societe fermiere den Kon-

[Spaltenumbruch]

kurs verhängt. Der Konkursverwalter habe fest-
gestellt, daß die Gesellschaft von dem Argent
Trust aufgezogen werden sollte, dessen Leiter
Nentsky gleichzeitig Direktor der Firma Perry
war, die die Wechsel garantiert hatte. Der Ar-
gent Trust seinerseits sei ebenso wie die Societe
fermiere von der International Best Sugar Cor-
poration aufgezogen worden, die von dem ver-
hafteten Polier zusammen mit Nentsky geführt
worden sei. Nentsky sei also bei dem Geschäft
gleichzeitig als Kontrahent und als Garant
für die Wechsel aufgetreten.

Die Garantie seiner Firma sei also illusorisch
gewesen. Der englische Geschäftskonzern, den
Nentsky leitete, habe das Geschäft machen wollen
und durch die Vermittlung von Polier als Stroh-
mann die Societe fermiere dafür gewonnen.

20. April Wahl der neuen Kammer
Mussolinis Marionetten-Parlament

Die Liste der 1800 Kandidaten * Der Duce strebt nach eigenem Gutdünken


Es ist nunmehr bestimmt, daß am Samstag,
den 20. April, am Tage vor dem "Geburtstag
Roms" das neue italienische Parlament eröffnet
werden soll, das erste, das nach den neuen Be-
stimmungen erkoren sein wird. Bis zu einem ge-
wissen Grade liegt das Ergebnis schon fest, wenn
auch theoretisch nach dem Wahlgesetz die Möglich-
keit verschiedener Mehrheiten gegeben ist. Musso-
lini hat sich in seiner gewohnten Weise über die
Zusammensetzung der neuen italienischen Kammer
geäußert.

Es werde, so erklärte er, 1000 Kandidaten
geben und 400 Abgeordnete. Schwätzer, Er-
finder von Gerüchten und Geschichtenträger
sollen in der neuen Kammer nicht geduldet
werden. Es soll ein Parlament sein, das bis
zu 100 Prozent aus eingeschriebenen Faschi-
sten besteht. Mussolini wird also die neue
Kammer Mann für Mann hinter sich haben.

Die Vorbereitungen für die Wahlen sind so
gut wie getroffen. Dreißig Millionen Wahlzettel
liegen bereit. Sie sind geteilt zwischen ja und
nein. Mit diesen Zetteln soll der Wähler Ant-
wort auf die Frage geben: "Stimmen Sie der
Abgeordnetenliste zu, die der Große Rat der
Faschistenpartei aufgestellt hat?"

Ein anderes Recht als das der Annahme
oder Ablehnung einer einzigen Liste gibt
es für den italienischen Wähler nicht.

Die Namen der 1000 Kandidaten werden in
alphabetischer Reihenfolge zusammengestellt und
dem Großen Rat der Faschistenpartei übersandt.
Der Große Rat, der die höchste Instanz der
Partei ist und den Geist des Faschismus am
reinsten verkörpern soll, tagt unter dem Vorsitz

[Spaltenumbruch]

Mussolinis. Er hat die Aufgabe, aus den ein-
geschickten Namen die engere Liste der Kandidaten
zusammenzustellen, die nach seiner Ansicht am
würdigsten sind, gewählt zu werden. Dabei ist er
keineswegs an die Vorschläge der Kandidatenliste
gebunden, sondern

[Spaltenumbruch]

kann nach eigenem Gutdünken die ein-
geschickten Namen durch solche eigener
Wahl ersetzen.

Auf diese Weise kommt die endgültige Liste der
400 Kandidaten zustande, die man von vorn-
herein als gewählt betrachten kann.

[irrelevantes Material]
Die umkämpfte Ehescheidung
Oesterreich will deutsches Eherecht

Sozialdemokratischer Antrag angenommen * 50 000 Personen in Dispensehe


Im Nationalrat wurde der sozialdemokratische Antrag angenommen,
durch den die Regierung aufgefordert wird, binnen drei Monaten das österreichische Ehe-
recht an das deutsche anzugleichen.
Der Antrag ist für Oesterreich deshalb von ganz
außerordentlicher Bedeutung, weil bisher in Oesterreich katholische Ehen nicht ge-
schieden
werden konnten und die erdrückende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung katho-
lisch ist. Der Antrag wurde mit 80 sozialdemokratischen und großdeutschen Stimmen gegen 76
Stimmen der Christlich-Sozialen und der Landbündler angenommen.

50 000 Personen sind in Oesterreich gezwungen, in der Dispensehe zu leben, also in einem
Zustand, der jeden Moment angefochten werden kann.

Seine 14jährige Geliebte
erschossen

Selbstmord des Täters


Der 28jäh-
rige Fahrbursche Nußmann unterhielt
seit einiger Zeit mit der 14jährigen Schülerin
Grete Stuck ein strafbares Verhältnis,
das jetzt zur Kenntnis der Polizei gekommen
war. Gestern abend schloß er in Abwesenheit
der Eltern des Mädchens mit einem Nach-
schlüssel deren Wohnung auf und gab auf
die bereits Schlafende einen Revolverschuß
ab. Das Geschoß drang dem Mädchen in die
Schläfe. Der Täter brachte sich dann selbst
einen schweren Kopfschuß bei.

Als die Ellern zurückkehrten, fanden sie
ihr Kind tot im Bett. Der schwerverletzte
Nußmann ist gegen morgen im Kranken-
haus ebenfalls gestorben.

[Spaltenumbruch]
Weitere Verschärfung
des Lohnkampfes

Eine Aenderung in der
Streiklage im Verbandsgebiet der sächsisch-
thüringischen Webereien ist nicht eingetreten.
Heute wurden auch in Greiz, dem Sitz des
Verbandes, sämtliche Verbandsbetriebe still-
gelegt, so daß dann in Gera, Meerane, Glau-
chau und Greiz die Gesamtarbeiterschaft aus-
gesperrt ist. Da der Verband im ganzen 161
Betriebe umfaßt, und vom Streik bzw. der
Aussperrung nun 74 in Gera, Meerane,
Glauchau und Greiz, sowie in Elsterberg und
Reichenbach im Vogtland betroffen sind, so
wird sich heute abend etwa die Hälfte der
im Verbandsgebiet beschäftigten 25 000 Ar-
beiter der Bewegung angeschlossen haben.

Wetterbericht

Kein weiteres Zunehmen des Tauwetters; in
einigen Tagen voraussichtlich wieder Schneefälle.

[Spaltenumbruch]
"Helft den Münchner
Museen!"
Das Nationalmuseum hat das Wort

Wir freuen uns über den Widerhall, den
unser Aufruf: "Helft den Münchner
Museen
" in der Ausgabe vom 9. Januar
bisher schon gefunden hat. Als besonders be-
merkenswert sei dabei verzeichnet, daß, wie
aus mehreren Zuschriften hervorgeht, die witz-
blattbekannte Museumsfaulheit des Münch-
ners doch nicht allgemein zu sein scheint. Um
so mehr glauben wir auf lebendiges Inter-
esse der Oeffentlichkeit schließen zu dürfen,
wenn in folgendem Geheimer Regierungrat
Dr. Halm über die Nöte des National-
museums schreibt:

"Ich glaube im Namen meiner Kollegen sagen
zu dürfen, daß wir die Anregung der "AZ am
Abend", in regelmäßigen, kürzeren Abständen die
Oeffentlichkeit über die Nöte und Bedürfnisse,
über die Arbeiten und Fortschritte der Münche-
ner Museen zu unterrichten, auf das wärmste
begrüßen. Die Nöte einzelner Samm-
lungen haben einen solchen Grad er-
reicht, daß, wenn nicht bald Abhilfe
erfolgt, nicht wieder gut zu machen-
der Schaden unausbleibliche Folge
ist.
Da die Regierung immer wieder erklärt,
keine weiteren Geldmittel flüssig machen zu kön-
nen, muß den Sammlungen von anderer Seite
her Geld zufließen, wenn sie imstande bleiben
sollen, ihre Aufgabe zu erfüllen.

Ich beschränke mich bei meinen weiteren Aus-
führungen auf die mir unterstellten Museen:
Nationalmuseum, Armeemuseum und
Theatermuseum.

Es wird in der Regel nicht genügend beachtet,
daß das Nationalmuseum nicht nur das Baye-
rische Landesmuseum ist, sondern daß es mit
dem Germanischen Museum zusammen das
repräsentative Museum deutscher
Kunst
ist. Herausgewachsen aus den Samm-
lungen des Hofes, bereichert in einer Museums-
tätigkeit von jetzt bald dreiviertel Jahrhunderten,
hat es einen Stand erreicht, in dem für die
meisten seiner Abteilungen nur noch Arbeiten
bester Qualität in Frage kommen. Diese beste
Qualität ist derart im Preise gestiegen, daß das
Museum gegenwärtig in der Regel mit dem
Kaufe von zwei bis drei Stücken
seine jährlichen Mittel erschöpft
hat
und tatenlos zusehen muß, wie ein Meisterwerk
nach dem andern gewöhnlich auf Nimmerwieder-
sehen aus dem Lande wandert.

Man tröste sich nicht mit dem Gedanken, daß
man in einigen Jahrzehnten wird nachholen
können, was heute versäumt werden muß. Dieser
Gedanke ist falsch, da ein erheblicher Prozentsatz
aller wirklich guten Kunstwerke nach kurzer Frist
in den Besitz von Museen glücklicherer Länder
übergeht. Das Museum sieht sich also im wesent-
lichen eingeschränkt auf den Ausbau derjenigen
kulturgeschichtlichen Abteilungen, deren Objekte
noch mit verhältnismäßig geringen Mitteln zu
erwerben sind. Welche Abteilungen das gerade
sind, möchte ich mit einer Ausnahme nicht ver-
raten. Und damit berühre ich einen Punkt Ihres
Vorschlags, mit dem ich mich nicht ganz einver-
standen erklären kann. Würde ich laut ankün-
digen, was wir im Augenblick besonders sam-
meln, so würde ich damit nach bekanntem, wirt-
schaftlichen Gesetze die Preise nur selber in die
Höhe treiben. Niemals wäre es dem Museum
möglich gewesen, etwa seine Sammlung
deutscher Bronzen
so auszubauen, wie
das im Laufe der letzten 20 Jahre geglückt ist,
wenn die Käufe nicht gewissermaßen unbemerkt
gemacht worden wären. Damit kein Mißver-
ständnis entstehen kann, möchte ich ausdrücklich
betonen, daß das Museum unter einem Teil der
Kunsthändler seine treuesten und opferbereitesten
Freunde hat.

Daß wir gegenwärtig unsere Abteilung
der Volkskunde
besonders ausbauen, ist in
Ihrem Artikel bereits bemerkt worden. Ermög-
licht ist das durch das verständnisvolle Entgegen-
kommen des Bayerischen Landesvereins für
Heimatschutz worden, der seine bisher in Dachau
so gut wie magazinierten Sammlungen dem
Museum als Leihgabe überwiesen hat. Wenn die
Einrichtungsarbeiten so entsetzlich langsam fort-
schreiten, so liegt das an dem Mangel an Geld-
mitteln, der uns gegenwärtig jegliche Anschaffung

[irrelevantes Material]


[Abbildung]
Nr. 19
AZ am Abend
[Spaltenumbruch]
8-Uhr-Abendblatt
Allgemeine Zeitung
132. Jahrgang
[Spaltenumbruch] München
Mittwoch
23. Januar 1929
Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien-
Geſellſchaft, München, Baaderſtraße 1a.
/ Redaktion: München,
Baaderſtr. 1a./ Telephon 25784, 28 784 und 297 819 / Poſtſcheckkonto
München 2870 / Verantwortlich für den geſamten Inhalt:
Dr. Rolf Flügel, für Anzeigen M. Giriſch, ſämtliche in München
[Abbildung]
Die „AZ“ erſcheint an jed. Wochentag u. koſtet im Einzelverkauf 10 Pfg., im
Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2. - monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl.,
außerhalb Münchens u. durch d. Poſt M. 2.40 monatl. / Für D. Oeſterr, beträgt
der Einzelpreis 20 Groſch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl./ Anzeigen-
preis:
Die neunſpaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80
Der neue Sachlieferungsbetrug in Frankreich
Schieberei des Univerſitätsprofeſſors

Es handelt ſich um 9000 Tonnen Zucker im Werte von 20 Millionen Franken


Der in der Zucker-Sach-
lieferungsangelegenheit verhaftete ehemalige Vor-
ſitzende des Verwaltungsrates der franzöſiſchen
Zuckerlieferungsgeſellſchaft, Polier, (ſiehe auch
Seite 3) war urſprünglich Univerſitäts-
profeſſor.
Sein Sonderfach war Wirtſchafts-
politik. Er hat bis 1927 in Lille und vorher in
Toulouſe und Straßburg Vorleſungen gehalten.



Ueber die Abwicklung des von
der Société fermiere de Sucreries getätigten
Zuckerſachlieferungsgeſchäfts, das zur Aufdeckung
eines großen Betruges geführt hat, berichtet der
Matin“, der Verwaltungsrat dieſer Geſell-
ſchaft, de Robiano, habe für Rechnung der Ge-
ſellſchaft am 3. September 1927 durch das
Finanzminiſterium.

[Spaltenumbruch]

einen Vertrag für Lieferung von 9000 Ton-
nen Zucker im Werte von 20 Millionen
Franken

genehmigen laſſen. Die Geſellſchaft habe dieſe
Menge in Deutſchland von Kaufmann Wohl-
gemuth
erworben, deſſen Gutgläubigkeit in
dieſer Angelegenheit feſtſteht. Das Finanzmini-
ſterium habe als Zahlung von Robiano Wechſel
im Werte von 20 Millionen Franken erhalten.
Dieſe Wechſel ſeien von der Londoner Firma
Perry garantiert geweſen. Nun gebe es
in London zwei Firmen Perry, von denen
nur eine zahlungsfähig ſei.

Hierauf ſei die Irreführung des Finanzmini-
ſteriums zurückzuführen. Die Wechſel ſeien jeden-
falls bei der Vorlegung im Juni 1928 nicht ein-
gelöſt worden und das Finanzminiſterium habe
daraufhin über die Société fermiere den Kon-

[Spaltenumbruch]

kurs verhängt. Der Konkursverwalter habe feſt-
geſtellt, daß die Geſellſchaft von dem Argent
Truſt aufgezogen werden ſollte, deſſen Leiter
Nentſky gleichzeitig Direktor der Firma Perry
war, die die Wechſel garantiert hatte. Der Ar-
gent Truſt ſeinerſeits ſei ebenſo wie die Société
fermiere von der International Beſt Sugar Cor-
poration aufgezogen worden, die von dem ver-
hafteten Polier zuſammen mit Nentſky geführt
worden ſei. Nentſky ſei alſo bei dem Geſchäft
gleichzeitig als Kontrahent und als Garant
für die Wechſel aufgetreten.

Die Garantie ſeiner Firma ſei alſo illuſoriſch
geweſen. Der engliſche Geſchäftskonzern, den
Nentſky leitete, habe das Geſchäft machen wollen
und durch die Vermittlung von Polier als Stroh-
mann die Société fermiere dafür gewonnen.

20. April Wahl der neuen Kammer
Muſſolinis Marionetten-Parlament

Die Liſte der 1800 Kandidaten * Der Duce ſtrebt nach eigenem Gutdünken


Es iſt nunmehr beſtimmt, daß am Samstag,
den 20. April, am Tage vor dem „Geburtstag
Roms“ das neue italieniſche Parlament eröffnet
werden ſoll, das erſte, das nach den neuen Be-
ſtimmungen erkoren ſein wird. Bis zu einem ge-
wiſſen Grade liegt das Ergebnis ſchon feſt, wenn
auch theoretiſch nach dem Wahlgeſetz die Möglich-
keit verſchiedener Mehrheiten gegeben iſt. Muſſo-
lini hat ſich in ſeiner gewohnten Weiſe über die
Zuſammenſetzung der neuen italieniſchen Kammer
geäußert.

Es werde, ſo erklärte er, 1000 Kandidaten
geben und 400 Abgeordnete. Schwätzer, Er-
finder von Gerüchten und Geſchichtenträger
ſollen in der neuen Kammer nicht geduldet
werden. Es ſoll ein Parlament ſein, das bis
zu 100 Prozent aus eingeſchriebenen Faſchi-
ſten beſteht. Muſſolini wird alſo die neue
Kammer Mann für Mann hinter ſich haben.

Die Vorbereitungen für die Wahlen ſind ſo
gut wie getroffen. Dreißig Millionen Wahlzettel
liegen bereit. Sie ſind geteilt zwiſchen ja und
nein. Mit dieſen Zetteln ſoll der Wähler Ant-
wort auf die Frage geben: „Stimmen Sie der
Abgeordnetenliſte zu, die der Große Rat der
Faſchiſtenpartei aufgeſtellt hat?“

Ein anderes Recht als das der Annahme
oder Ablehnung einer einzigen Liſte gibt
es für den italieniſchen Wähler nicht.

Die Namen der 1000 Kandidaten werden in
alphabetiſcher Reihenfolge zuſammengeſtellt und
dem Großen Rat der Faſchiſtenpartei überſandt.
Der Große Rat, der die höchſte Inſtanz der
Partei iſt und den Geiſt des Faſchismus am
reinſten verkörpern ſoll, tagt unter dem Vorſitz

[Spaltenumbruch]

Muſſolinis. Er hat die Aufgabe, aus den ein-
geſchickten Namen die engere Liſte der Kandidaten
zuſammenzuſtellen, die nach ſeiner Anſicht am
würdigſten ſind, gewählt zu werden. Dabei iſt er
keineswegs an die Vorſchläge der Kandidatenliſte
gebunden, ſondern

[Spaltenumbruch]

kann nach eigenem Gutdünken die ein-
geſchickten Namen durch ſolche eigener
Wahl erſetzen.

Auf dieſe Weiſe kommt die endgültige Liſte der
400 Kandidaten zuſtande, die man von vorn-
herein als gewählt betrachten kann.

[irrelevantes Material]
Die umkämpfte Ehescheidung
Oeſterreich will deutſches Eherecht

Sozialdemokratiſcher Antrag angenommen * 50 000 Perſonen in Dispensehe


Im Nationalrat wurde der ſozialdemokratiſche Antrag angenommen,
durch den die Regierung aufgefordert wird, binnen drei Monaten das öſterreichiſche Ehe-
recht an das deutſche anzugleichen.
Der Antrag iſt für Oeſterreich deshalb von ganz
außerordentlicher Bedeutung, weil bisher in Oeſterreich katholiſche Ehen nicht ge-
ſchieden
werden konnten und die erdrückende Mehrheit der öſterreichiſchen Bevölkerung katho-
liſch iſt. Der Antrag wurde mit 80 ſozialdemokratiſchen und großdeutſchen Stimmen gegen 76
Stimmen der Chriſtlich-Sozialen und der Landbündler angenommen.

50 000 Perſonen ſind in Oeſterreich gezwungen, in der Dispensehe zu leben, alſo in einem
Zuſtand, der jeden Moment angefochten werden kann.

Seine 14jährige Geliebte
erſchoſſen

Selbſtmord des Täters


Der 28jäh-
rige Fahrburſche Nußmann unterhielt
ſeit einiger Zeit mit der 14jährigen Schülerin
Grete Stuck ein ſtrafbares Verhältnis,
das jetzt zur Kenntnis der Polizei gekommen
war. Geſtern abend ſchloß er in Abweſenheit
der Eltern des Mädchens mit einem Nach-
ſchlüſſel deren Wohnung auf und gab auf
die bereits Schlafende einen Revolverſchuß
ab. Das Geſchoß drang dem Mädchen in die
Schläfe. Der Täter brachte ſich dann ſelbſt
einen ſchweren Kopfſchuß bei.

Als die Ellern zurückkehrten, fanden ſie
ihr Kind tot im Bett. Der ſchwerverletzte
Nußmann iſt gegen morgen im Kranken-
haus ebenfalls geſtorben.

[Spaltenumbruch]
Weitere Verſchärfung
des Lohnkampfes

Eine Aenderung in der
Streiklage im Verbandsgebiet der ſächſiſch-
thüringiſchen Webereien iſt nicht eingetreten.
Heute wurden auch in Greiz, dem Sitz des
Verbandes, ſämtliche Verbandsbetriebe ſtill-
gelegt, ſo daß dann in Gera, Meerane, Glau-
chau und Greiz die Geſamtarbeiterſchaft aus-
geſperrt iſt. Da der Verband im ganzen 161
Betriebe umfaßt, und vom Streik bzw. der
Ausſperrung nun 74 in Gera, Meerane,
Glauchau und Greiz, ſowie in Elſterberg und
Reichenbach im Vogtland betroffen ſind, ſo
wird ſich heute abend etwa die Hälfte der
im Verbandsgebiet beſchäftigten 25 000 Ar-
beiter der Bewegung angeſchloſſen haben.

Wetterbericht

Kein weiteres Zunehmen des Tauwetters; in
einigen Tagen vorausſichtlich wieder Schneefälle.

[Spaltenumbruch]
„Helft den Münchner
Muſeen!“
Das Nationalmuſeum hat das Wort

Wir freuen uns über den Widerhall, den
unſer Aufruf: „Helft den Münchner
Muſeen
“ in der Ausgabe vom 9. Januar
bisher ſchon gefunden hat. Als beſonders be-
merkenswert ſei dabei verzeichnet, daß, wie
aus mehreren Zuſchriften hervorgeht, die witz-
blattbekannte Muſeumsfaulheit des Münch-
ners doch nicht allgemein zu ſein ſcheint. Um
ſo mehr glauben wir auf lebendiges Inter-
eſſe der Oeffentlichkeit ſchließen zu dürfen,
wenn in folgendem Geheimer Regierungrat
Dr. Halm über die Nöte des National-
muſeums ſchreibt:

„Ich glaube im Namen meiner Kollegen ſagen
zu dürfen, daß wir die Anregung der „AZ am
Abend“, in regelmäßigen, kürzeren Abſtänden die
Oeffentlichkeit über die Nöte und Bedürfniſſe,
über die Arbeiten und Fortſchritte der Münche-
ner Muſeen zu unterrichten, auf das wärmſte
begrüßen. Die Nöte einzelner Samm-
lungen haben einen ſolchen Grad er-
reicht, daß, wenn nicht bald Abhilfe
erfolgt, nicht wieder gut zu machen-
der Schaden unausbleibliche Folge
iſt.
Da die Regierung immer wieder erklärt,
keine weiteren Geldmittel flüſſig machen zu kön-
nen, muß den Sammlungen von anderer Seite
her Geld zufließen, wenn ſie imſtande bleiben
ſollen, ihre Aufgabe zu erfüllen.

Ich beſchränke mich bei meinen weiteren Aus-
führungen auf die mir unterſtellten Muſeen:
Nationalmuſeum, Armeemuſeum und
Theatermuſeum.

Es wird in der Regel nicht genügend beachtet,
daß das Nationalmuſeum nicht nur das Baye-
riſche Landesmuſeum iſt, ſondern daß es mit
dem Germaniſchen Muſeum zuſammen das
repräſentative Muſeum deutſcher
Kunſt
iſt. Herausgewachſen aus den Samm-
lungen des Hofes, bereichert in einer Muſeums-
tätigkeit von jetzt bald dreiviertel Jahrhunderten,
hat es einen Stand erreicht, in dem für die
meiſten ſeiner Abteilungen nur noch Arbeiten
beſter Qualität in Frage kommen. Dieſe beſte
Qualität iſt derart im Preiſe geſtiegen, daß das
Muſeum gegenwärtig in der Regel mit dem
Kaufe von zwei bis drei Stücken
ſeine jährlichen Mittel erſchöpft
hat
und tatenlos zuſehen muß, wie ein Meiſterwerk
nach dem andern gewöhnlich auf Nimmerwieder-
ſehen aus dem Lande wandert.

Man tröſte ſich nicht mit dem Gedanken, daß
man in einigen Jahrzehnten wird nachholen
können, was heute verſäumt werden muß. Dieſer
Gedanke iſt falſch, da ein erheblicher Prozentſatz
aller wirklich guten Kunſtwerke nach kurzer Friſt
in den Beſitz von Muſeen glücklicherer Länder
übergeht. Das Muſeum ſieht ſich alſo im weſent-
lichen eingeſchränkt auf den Ausbau derjenigen
kulturgeſchichtlichen Abteilungen, deren Objekte
noch mit verhältnismäßig geringen Mitteln zu
erwerben ſind. Welche Abteilungen das gerade
ſind, möchte ich mit einer Ausnahme nicht ver-
raten. Und damit berühre ich einen Punkt Ihres
Vorſchlags, mit dem ich mich nicht ganz einver-
ſtanden erklären kann. Würde ich laut ankün-
digen, was wir im Augenblick beſonders ſam-
meln, ſo würde ich damit nach bekanntem, wirt-
ſchaftlichen Geſetze die Preiſe nur ſelber in die
Höhe treiben. Niemals wäre es dem Muſeum
möglich geweſen, etwa ſeine Sammlung
deutſcher Bronzen
ſo auszubauen, wie
das im Laufe der letzten 20 Jahre geglückt iſt,
wenn die Käufe nicht gewiſſermaßen unbemerkt
gemacht worden wären. Damit kein Mißver-
ſtändnis entſtehen kann, möchte ich ausdrücklich
betonen, daß das Muſeum unter einem Teil der
Kunſthändler ſeine treueſten und opferbereiteſten
Freunde hat.

Daß wir gegenwärtig unſere Abteilung
der Volkskunde
beſonders ausbauen, iſt in
Ihrem Artikel bereits bemerkt worden. Ermög-
licht iſt das durch das verſtändnisvolle Entgegen-
kommen des Bayeriſchen Landesvereins für
Heimatſchutz worden, der ſeine bisher in Dachau
ſo gut wie magazinierten Sammlungen dem
Muſeum als Leihgabe überwieſen hat. Wenn die
Einrichtungsarbeiten ſo entſetzlich langſam fort-
ſchreiten, ſo liegt das an dem Mangel an Geld-
mitteln, der uns gegenwärtig jegliche Anſchaffung

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[0001] _ [Abbildung] Nr. 19 AZ am Abend 8-Uhr-Abendblatt Allgemeine Zeitung 132. Jahrgang München Mittwoch 23. Januar 1929 Druck und Verlag: Allgemeine Druckerei- und Verlags-Aktien- Geſellſchaft, München, Baaderſtraße 1a. / Redaktion: München, Baaderſtr. 1a./ Telephon 25784, 28 784 und 297 819 / Poſtſcheckkonto München 2870 / Verantwortlich für den geſamten Inhalt: Dr. Rolf Flügel, für Anzeigen M. Giriſch, ſämtliche in München [Abbildung] Die „AZ“ erſcheint an jed. Wochentag u. koſtet im Einzelverkauf 10 Pfg., im Abonnement i. München durch d. Träg. M. 2. - monatl. bzw. 50 Pfg. wöchentl., außerhalb Münchens u. durch d. Poſt M. 2.40 monatl. / Für D. Oeſterr, beträgt der Einzelpreis 20 Groſch., d. Abonnementpreis Sch. 4.-monatl./ Anzeigen- preis: Die neunſpaltige Millimeterzeile 15 Pfg., im Reklameteil M. 0.80 Der neue Sachlieferungsbetrug in Frankreich Schieberei des Univerſitätsprofeſſors Es handelt ſich um 9000 Tonnen Zucker im Werte von 20 Millionen Franken Paris, 23. Jan. Der in der Zucker-Sach- lieferungsangelegenheit verhaftete ehemalige Vor- ſitzende des Verwaltungsrates der franzöſiſchen Zuckerlieferungsgeſellſchaft, Polier, (ſiehe auch Seite 3) war urſprünglich Univerſitäts- profeſſor. Sein Sonderfach war Wirtſchafts- politik. Er hat bis 1927 in Lille und vorher in Toulouſe und Straßburg Vorleſungen gehalten. Paris, 23. Jan. Ueber die Abwicklung des von der Société fermiere de Sucreries getätigten Zuckerſachlieferungsgeſchäfts, das zur Aufdeckung eines großen Betruges geführt hat, berichtet der „Matin“, der Verwaltungsrat dieſer Geſell- ſchaft, de Robiano, habe für Rechnung der Ge- ſellſchaft am 3. September 1927 durch das Finanzminiſterium. einen Vertrag für Lieferung von 9000 Ton- nen Zucker im Werte von 20 Millionen Franken genehmigen laſſen. Die Geſellſchaft habe dieſe Menge in Deutſchland von Kaufmann Wohl- gemuth erworben, deſſen Gutgläubigkeit in dieſer Angelegenheit feſtſteht. Das Finanzmini- ſterium habe als Zahlung von Robiano Wechſel im Werte von 20 Millionen Franken erhalten. Dieſe Wechſel ſeien von der Londoner Firma Perry garantiert geweſen. Nun gebe es in London zwei Firmen Perry, von denen nur eine zahlungsfähig ſei. Hierauf ſei die Irreführung des Finanzmini- ſteriums zurückzuführen. Die Wechſel ſeien jeden- falls bei der Vorlegung im Juni 1928 nicht ein- gelöſt worden und das Finanzminiſterium habe daraufhin über die Société fermiere den Kon- kurs verhängt. Der Konkursverwalter habe feſt- geſtellt, daß die Geſellſchaft von dem Argent Truſt aufgezogen werden ſollte, deſſen Leiter Nentſky gleichzeitig Direktor der Firma Perry war, die die Wechſel garantiert hatte. Der Ar- gent Truſt ſeinerſeits ſei ebenſo wie die Société fermiere von der International Beſt Sugar Cor- poration aufgezogen worden, die von dem ver- hafteten Polier zuſammen mit Nentſky geführt worden ſei. Nentſky ſei alſo bei dem Geſchäft gleichzeitig als Kontrahent und als Garant für die Wechſel aufgetreten. Die Garantie ſeiner Firma ſei alſo illuſoriſch geweſen. Der engliſche Geſchäftskonzern, den Nentſky leitete, habe das Geſchäft machen wollen und durch die Vermittlung von Polier als Stroh- mann die Société fermiere dafür gewonnen. 20. April Wahl der neuen Kammer Muſſolinis Marionetten-Parlament Die Liſte der 1800 Kandidaten * Der Duce ſtrebt nach eigenem Gutdünken Rom, 23. Januar Es iſt nunmehr beſtimmt, daß am Samstag, den 20. April, am Tage vor dem „Geburtstag Roms“ das neue italieniſche Parlament eröffnet werden ſoll, das erſte, das nach den neuen Be- ſtimmungen erkoren ſein wird. Bis zu einem ge- wiſſen Grade liegt das Ergebnis ſchon feſt, wenn auch theoretiſch nach dem Wahlgeſetz die Möglich- keit verſchiedener Mehrheiten gegeben iſt. Muſſo- lini hat ſich in ſeiner gewohnten Weiſe über die Zuſammenſetzung der neuen italieniſchen Kammer geäußert. Es werde, ſo erklärte er, 1000 Kandidaten geben und 400 Abgeordnete. Schwätzer, Er- finder von Gerüchten und Geſchichtenträger ſollen in der neuen Kammer nicht geduldet werden. Es ſoll ein Parlament ſein, das bis zu 100 Prozent aus eingeſchriebenen Faſchi- ſten beſteht. Muſſolini wird alſo die neue Kammer Mann für Mann hinter ſich haben. Die Vorbereitungen für die Wahlen ſind ſo gut wie getroffen. Dreißig Millionen Wahlzettel liegen bereit. Sie ſind geteilt zwiſchen ja und nein. Mit dieſen Zetteln ſoll der Wähler Ant- wort auf die Frage geben: „Stimmen Sie der Abgeordnetenliſte zu, die der Große Rat der Faſchiſtenpartei aufgeſtellt hat?“ Ein anderes Recht als das der Annahme oder Ablehnung einer einzigen Liſte gibt es für den italieniſchen Wähler nicht. Die Namen der 1000 Kandidaten werden in alphabetiſcher Reihenfolge zuſammengeſtellt und dem Großen Rat der Faſchiſtenpartei überſandt. Der Große Rat, der die höchſte Inſtanz der Partei iſt und den Geiſt des Faſchismus am reinſten verkörpern ſoll, tagt unter dem Vorſitz Muſſolinis. Er hat die Aufgabe, aus den ein- geſchickten Namen die engere Liſte der Kandidaten zuſammenzuſtellen, die nach ſeiner Anſicht am würdigſten ſind, gewählt zu werden. Dabei iſt er keineswegs an die Vorſchläge der Kandidatenliſte gebunden, ſondern kann nach eigenem Gutdünken die ein- geſchickten Namen durch ſolche eigener Wahl erſetzen. Auf dieſe Weiſe kommt die endgültige Liſte der 400 Kandidaten zuſtande, die man von vorn- herein als gewählt betrachten kann. _ Die umkämpfte Ehescheidung Oeſterreich will deutſches Eherecht Sozialdemokratiſcher Antrag angenommen * 50 000 Perſonen in Dispensehe Wien, 23. Januar. Im Nationalrat wurde der ſozialdemokratiſche Antrag angenommen, durch den die Regierung aufgefordert wird, binnen drei Monaten das öſterreichiſche Ehe- recht an das deutſche anzugleichen. Der Antrag iſt für Oeſterreich deshalb von ganz außerordentlicher Bedeutung, weil bisher in Oeſterreich katholiſche Ehen nicht ge- ſchieden werden konnten und die erdrückende Mehrheit der öſterreichiſchen Bevölkerung katho- liſch iſt. Der Antrag wurde mit 80 ſozialdemokratiſchen und großdeutſchen Stimmen gegen 76 Stimmen der Chriſtlich-Sozialen und der Landbündler angenommen. 50 000 Perſonen ſind in Oeſterreich gezwungen, in der Dispensehe zu leben, alſo in einem Zuſtand, der jeden Moment angefochten werden kann. Seine 14jährige Geliebte erſchoſſen Selbſtmord des Täters Frankfurt a. M., 23. Januar. Der 28jäh- rige Fahrburſche Nußmann unterhielt ſeit einiger Zeit mit der 14jährigen Schülerin Grete Stuck ein ſtrafbares Verhältnis, das jetzt zur Kenntnis der Polizei gekommen war. Geſtern abend ſchloß er in Abweſenheit der Eltern des Mädchens mit einem Nach- ſchlüſſel deren Wohnung auf und gab auf die bereits Schlafende einen Revolverſchuß ab. Das Geſchoß drang dem Mädchen in die Schläfe. Der Täter brachte ſich dann ſelbſt einen ſchweren Kopfſchuß bei. Als die Ellern zurückkehrten, fanden ſie ihr Kind tot im Bett. Der ſchwerverletzte Nußmann iſt gegen morgen im Kranken- haus ebenfalls geſtorben. Weitere Verſchärfung des Lohnkampfes Greiz, 23. Januar. Eine Aenderung in der Streiklage im Verbandsgebiet der ſächſiſch- thüringiſchen Webereien iſt nicht eingetreten. Heute wurden auch in Greiz, dem Sitz des Verbandes, ſämtliche Verbandsbetriebe ſtill- gelegt, ſo daß dann in Gera, Meerane, Glau- chau und Greiz die Geſamtarbeiterſchaft aus- geſperrt iſt. Da der Verband im ganzen 161 Betriebe umfaßt, und vom Streik bzw. der Ausſperrung nun 74 in Gera, Meerane, Glauchau und Greiz, ſowie in Elſterberg und Reichenbach im Vogtland betroffen ſind, ſo wird ſich heute abend etwa die Hälfte der im Verbandsgebiet beſchäftigten 25 000 Ar- beiter der Bewegung angeſchloſſen haben. Wetterbericht Kein weiteres Zunehmen des Tauwetters; in einigen Tagen vorausſichtlich wieder Schneefälle. „Helft den Münchner Muſeen!“ Das Nationalmuſeum hat das Wort Wir freuen uns über den Widerhall, den unſer Aufruf: „Helft den Münchner Muſeen“ in der Ausgabe vom 9. Januar bisher ſchon gefunden hat. Als beſonders be- merkenswert ſei dabei verzeichnet, daß, wie aus mehreren Zuſchriften hervorgeht, die witz- blattbekannte Muſeumsfaulheit des Münch- ners doch nicht allgemein zu ſein ſcheint. Um ſo mehr glauben wir auf lebendiges Inter- eſſe der Oeffentlichkeit ſchließen zu dürfen, wenn in folgendem Geheimer Regierungrat Dr. Halm über die Nöte des National- muſeums ſchreibt: „Ich glaube im Namen meiner Kollegen ſagen zu dürfen, daß wir die Anregung der „AZ am Abend“, in regelmäßigen, kürzeren Abſtänden die Oeffentlichkeit über die Nöte und Bedürfniſſe, über die Arbeiten und Fortſchritte der Münche- ner Muſeen zu unterrichten, auf das wärmſte begrüßen. Die Nöte einzelner Samm- lungen haben einen ſolchen Grad er- reicht, daß, wenn nicht bald Abhilfe erfolgt, nicht wieder gut zu machen- der Schaden unausbleibliche Folge iſt. Da die Regierung immer wieder erklärt, keine weiteren Geldmittel flüſſig machen zu kön- nen, muß den Sammlungen von anderer Seite her Geld zufließen, wenn ſie imſtande bleiben ſollen, ihre Aufgabe zu erfüllen. Ich beſchränke mich bei meinen weiteren Aus- führungen auf die mir unterſtellten Muſeen: Nationalmuſeum, Armeemuſeum und Theatermuſeum. Es wird in der Regel nicht genügend beachtet, daß das Nationalmuſeum nicht nur das Baye- riſche Landesmuſeum iſt, ſondern daß es mit dem Germaniſchen Muſeum zuſammen das repräſentative Muſeum deutſcher Kunſt iſt. Herausgewachſen aus den Samm- lungen des Hofes, bereichert in einer Muſeums- tätigkeit von jetzt bald dreiviertel Jahrhunderten, hat es einen Stand erreicht, in dem für die meiſten ſeiner Abteilungen nur noch Arbeiten beſter Qualität in Frage kommen. Dieſe beſte Qualität iſt derart im Preiſe geſtiegen, daß das Muſeum gegenwärtig in der Regel mit dem Kaufe von zwei bis drei Stücken ſeine jährlichen Mittel erſchöpft hat und tatenlos zuſehen muß, wie ein Meiſterwerk nach dem andern gewöhnlich auf Nimmerwieder- ſehen aus dem Lande wandert. Man tröſte ſich nicht mit dem Gedanken, daß man in einigen Jahrzehnten wird nachholen können, was heute verſäumt werden muß. Dieſer Gedanke iſt falſch, da ein erheblicher Prozentſatz aller wirklich guten Kunſtwerke nach kurzer Friſt in den Beſitz von Muſeen glücklicherer Länder übergeht. Das Muſeum ſieht ſich alſo im weſent- lichen eingeſchränkt auf den Ausbau derjenigen kulturgeſchichtlichen Abteilungen, deren Objekte noch mit verhältnismäßig geringen Mitteln zu erwerben ſind. Welche Abteilungen das gerade ſind, möchte ich mit einer Ausnahme nicht ver- raten. Und damit berühre ich einen Punkt Ihres Vorſchlags, mit dem ich mich nicht ganz einver- ſtanden erklären kann. Würde ich laut ankün- digen, was wir im Augenblick beſonders ſam- meln, ſo würde ich damit nach bekanntem, wirt- ſchaftlichen Geſetze die Preiſe nur ſelber in die Höhe treiben. Niemals wäre es dem Muſeum möglich geweſen, etwa ſeine Sammlung deutſcher Bronzen ſo auszubauen, wie das im Laufe der letzten 20 Jahre geglückt iſt, wenn die Käufe nicht gewiſſermaßen unbemerkt gemacht worden wären. Damit kein Mißver- ſtändnis entſtehen kann, möchte ich ausdrücklich betonen, daß das Muſeum unter einem Teil der Kunſthändler ſeine treueſten und opferbereiteſten Freunde hat. Daß wir gegenwärtig unſere Abteilung der Volkskunde beſonders ausbauen, iſt in Ihrem Artikel bereits bemerkt worden. Ermög- licht iſt das durch das verſtändnisvolle Entgegen- kommen des Bayeriſchen Landesvereins für Heimatſchutz worden, der ſeine bisher in Dachau ſo gut wie magazinierten Sammlungen dem Muſeum als Leihgabe überwieſen hat. Wenn die Einrichtungsarbeiten ſo entſetzlich langſam fort- ſchreiten, ſo liegt das an dem Mangel an Geld- mitteln, der uns gegenwärtig jegliche Anſchaffung

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine19_1929/1>, abgerufen am 21.11.2024.