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Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929.

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"AZ am Abend" Nr. 19 Mittwoch, den 23. Januar

von Hilfsmaterialien unmöglich macht. Wer also
das Museum unterstützen will, der schreie nach
Geld, der sammle Geld, der schenke Geld! Ich
glaube versprechen zu können, daß wir es sach-
gemäß und richtig anwenden werden.
Nun noch einige Einzelheiten Ihres Aufsatzes:
Die Trachtensammlung der neueren Zeit wurde
bereits 1924 der Oeffentlichkeit zugänglich ge-
macht. Wir haben damals alle Zeitungen Mün-
chens zur Besichtigung eingeladen. Wenn in der
Oeffentlichkeit so wenig Aufmerksamkeit auf den
neuen Saal gelenkt wurde, so ist das nicht unsere
Schuld. Das gleiche ist der Fall mit dem 1927
eröffneten Saal der deutschen Bronzen, seinem
Inhalte nach eine Sehenswürdigkeit ersten Ran-
ges. Die Neuaufstellung der Sammlung der
kirchlichen Gewänder stockt wegen Geldmangel.
Das Hauptgeschoß des Museums leidet an solcher
Ueberfüllung, daß Luft geschaffen werden muß;
das heißt leerstehende Säle des Oberstocks müssen
bezogen werden. Das Museum selbst kann nicht
zugeben, daß dieser gewissermaßen als zweit-
rangiges Lokal gegenüber den unteren Sälen ent-
wertet wird.

Es ist auch unmöglich, die Einrichtung, wie sie
Seidl und Seitz schufen, nun unverändert durch
die Jahrhunderte zu konservieren; man kann
nicht aus der Einrichtung der Museumsräume
ihrerseits wieder ein Museumsstück machen. Das
[Spaltenumbruch] hieße das Museum zum Absterben verurteilen,
da es dann unmöglich wäre, die Neuzugänge
ihrer jeweiligen Bedeutung nach einzuordnen.
Unter den mancherlei Mängeln des Hauses ist
nicht der geringste der, daß sowohl hinsichtlich
des Sammlungsbestandes wie des vorhandenen
Raumes die Rokokoplastik Bayerns --
einer der größten Ruhmestitel des Landes --
durchaus vernachlässigt ist. Rokokoplastik braucht
einen Raum mit zerstreutem Licht, während
Stadtmodelle nichts anderes brauchen wie gutes
Licht. Ich halte ihre Unterbringung in dem
sonst unbrauchbaren Trausnitzsaal und seinem
Nachbar für durchaus genügend. Wir haben mit
aller Absicht die Modelle auf niedrigere Tische
gestellt als die bisherigen, weil ihre Sichtbarkeit
dadurch gewonnen hat. Man soll übrigens nicht
immer alles auf Seitz und Seidl schieben: die
Modelle standen bisher auf ganz kleinen, daher
der Verhängung bedürftigen Tischen, die noch aus
der Zeit der Vereinigten Sammlungen stammten.
-- Wenn wir von der Sitte der jährlichen Aus-
stellung der Neuerwerbungen abgekommen sind,
so erfolgte das notgedrungen, weil eben die Zahl
der vorzuführenden Zugänge der einzelnen Jahre
so gering ist, daß eine besondere Ausstellung sich
nicht lohnt. In den nächsten Wochen sollte die
Ausstellung der Neuerwerbungen der letzten zwei-
einhalb Jahre sowieso eröffnet werden."

Der Justizetat
Minister Gürtner über die bayerische Justiz

Bayern und die Todesstrafe * Redner in der Debatte


In der Dienstag-
Sitzung des Staatshaltsausschusses des
Bayerischen Landtags nahm bei Fortsetzung
der Aussprache zum Justizetat
Justizminister Gürtner
das Wort. Er führte dabei aus, daß der Vor-
wurf, die bayerische Justizverwaltung sei
rückständig, unberechtigt sei. Die Aufwen-
dungen Bayerns für diesen Zweck seien
nahezu gleich hoch wie die Preußens. Mit
geringerem Personal werde heute mehr ge-
leistet als im Frieden. Der Minister ging
dann auf die
Haltung Bayerns zur Justizreform
ein. Die in Aussicht genommene Dreigliede-
rung der Gerichte würde eine Kapitalinvesti-
tion von vielen Millionen erfordern, so daß
es wohl bei der bisherigen Viergliederung
bleiben dürfte. Zur Frage Kollegial- oder
Einzelgerichte erinnert er an den Beschluß
des Bayerischen Landtages, darauf hinzu-
wirken, daß bei den Amtsgerichten die dem
Einzelrichter zugewiesenen Verbrechen und
Vergehen wieder an Schöffengerichte kom-
men. Mit dieser Meinung findet Bayern
keine Mehrheit. Eine Anzahl von Vergehen
werde zweifellos dem Einzelrichter zur Ab-
urteilung verbleiben. Zur Frage des In-
stanzenzuges müsse an dem Grundsatz festge-
halten werden, daß auch der kleinste Mann
in der kleinsten Streitsache Anspruch darauf
habe, sein Recht zu finden.

Bezüglich der
Rationalisierung des inneren Betriebes
sei der Vorwurf, Bayern sei in dieser Rich-
tung rückständig, ungerechtfertigt. Man habe
sich die verschiedensten technischen Neuerungen
zu eigen gemacht, auch wenn ihre Anschaf-
fung größere Kosten verursachte. Auf die
Frage, wie sich die bayerische Regierung
zur Anregung verhalte, bis zur endgültigen
Entscheidung des Reichstags über die
Todesstrafe
die Vollstreckung von Todesurteilen auszu-
setzen. antwortete der Minister, das bayeri-
sche Kabinett habe noch keine Gelegenheit ge-
habt, zu dieser Anregung Stellung zu neh-
men, weil bisher alle ihm unterbreiteten
Fälle zur Begnadigung empfohlen werden
konnten. Die Anregung habe viele Bedenken
gegen sich. Es bedeute ein Martyrum ohne-
gleichen, die Entscheidung auf unbestimmte
Zeit hinauszuschieben. In der Praxis wür-
den außerdem schwere Ungerechtigkeiten ent-
stehen bezüglich schon ergangener und erst
zu erfüllender Urteile, die unter den neuen
Schutz fallen würden. Diese Frage dürfe
nicht lange unentschieden bleiben. Bezüglich
der grundsätzlichen Stellungnahme Bayerns
zur Todesstrafe überhaupt, erklärte der
Minister, sie solle
als absolute Strafe beseitigt
werden und es sollten auch beim Mord
mildernde Umstände zugebilligt werden kön-
nen, aber als Drohung solle die Todesstrafe
für besondere Fälle bestehen bleiben.

Eingehende Aufschlüsse gab der Minister
zum
Salzburger Juristentag
und trat der Auffassung entgegen, als ob zu
ihm eine zu große Zahl Beamter delegiert
worden wäre und zu hohe Aufwendungen
gemacht wurden. Im großen und ganzen
habe man sich an das Vorbild des Bamber-
ger Juristentages gehalten. Wenn etwas
mehr geschah, so war dies deswegen der
Fall, weil schon vor dem Salzbunger Tag

[Spaltenumbruch]

aufgefordert wurde, ihm besondere Aufmerk-
samkeit zuzuwenden. Die Aufwendungen
Bayerns waren geringer als die anderer
Länder.

Von Verhängung höherer Geldstrafen
gegen Angehörige des Reichsbanners und
ähnlicher Organisationen könne keine Rede
sein. Bezüglich der
Verfassungsmäßigkeit von Justiksrats-
titeln

erinnerte der Justizminister daran, daß der
Landtag schon in Bamberg sich sehr schwer
von den Titeln getrennt habe und fünf Jahre
später im Ausschuß vom Mitberichterstatter
angeregt wurde, den Justizratstitel als
Standesbezeichnung wieder einzuführen,
welchen Standpunkt der sozialdemokratische
Abgeordnete Timm unterstützte. Dann sei
von demokratischer Seite ein formeller An-
trag erfolgt. Uebrigens habe auch die Reichs-
regierung die Titel Justizrat und Geheimer
Justizrat verliehen.
In der weiteren Aussprache
trat Abg. Bayer (D. Vpt.) für die Ein-
führung der Zwangsversicherung für An-
wälte ein und vertrat die Interessen der
sog. Anwaltsassistenten. Abg. Högner
(Soz.) verlangte Aufschlüsse über die Ver-
wendung der Gelder für Titelverleihungen.
Abg. Streicher (Nat. Soz.) wiederholte
die Behauptungen seines Parteifreundes
Buttmann wegen Durchstechereien beim
Staatskonkurs und meinte u. a. derartiges
dürfe nicht geduldet werden, wenn es auch
im jüdischen Norddeutschland
eine Selbstverständlichkeit sei. Der Vorsit-
zende Stang wies diese verallgemeinernde
Behauptung mit großer Entschiedenheit zu-
rück, was wiederum den Abg. Streicher zu
scharfen Gegenbemerkungen veranlaßte. Un-
ter allgemeinem Beifall des Gesamtaus-
schusses beharrte der Vorsitzende Abg. Stang
auf seiner Rüge. Zum Schluß nahm noch
einmal Justizminister Gürtner das Wort und
bemerkte gegenüber den Ausführungen des
Abg. Buttmann, er möge ihm nur einen
Fall nennen und sei es auch nur persönlich.

Das Urteil im Westdeutschen
Industriekonflikt

Nach 41/2stündiger Be-
ratung eröffnete um 10 Uhr abends Senats-
präsident Oegg des Reichsarbeitsgerichts folgen-
des Urteil: Das Urteil des Landesarbeitsgerichts
in Duisburg vom 24. November 1928 wird auf-
gehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 12. No-
vember 1928 wird mit der Maßgabe zurückgewie-
sen, daß die Entscheidung folgenden Wortlaut
hat: Der in der Streitsache der Parteien er-
gangene und für verbindlich erklärte Schiedsspruch
ist nichtig. Die Kosten des Rechtsstreites werden
den Beklagten auferlegt.

Seit 17 Jahren spurlos verschwunden

Gestern abend wurden es 17 Jahre, daß der
damals 24ährige ledige Käser Johann Erber aus
Schwabmünchen spurlos verschwunden ist. Er
hatte hier ein gutgehendes Geschäft und lebte in
vollständig geordneten Verhältnissen. In seiner
Wohnung schien eine Kassette erbrochen zu sein,
in der 2000 Mark Bargeld, ein Pfandbrief über
1000 Mark und eine Uhr mit goldener Kette
gewesen sein sollen. Für die Annahme einer
Flucht fehlt jeder Anhaltspunkt, es kann also nur
ein Verbrechen vorliegen.

[Spaltenumbruch]
Bundeskanzler Dr. Seipel über:
"Kritik der Demokratie"
Ein zweiter Vortrag des österreichischen Bundeskanzlers

Der weite Raum des Audi-
torium Maximum der Universität und die Ga-
lerie waren überfüllt, als Bundeskanzler Dr.
Seipel unter dem herzlichen Willkomm der zahl-
reich Versammelten das Podium zu seinem zwei-
ten Vortrag in München betrat. Auch diesmal
waren prominente Persönlichkeiten in großer Zahl
erschienen, unter ihnen Kardinal Erzbischof Faul-
haber, Weihbischof Schauer, Ministerpräsident Dr.
Held mit Finanzminister Dr. Schmelzle und
Staatsrat Dr. Bleyer, Landtagspräsident Dr.
Königbauer, der preußische Gesandte Dr. Denk
und Regierungsrat Krebs von der Reichsgesandt-
schaft.

Nach herzlichen Worten der Begrüßung durch
den Vorsitzenden akademisch gebildeter Katholiken
Münchens, Geheimrat Dr. Beyerle, der Dr.
Seipel als den Repräsentanten der wahren
Volksgemeinschaft feierte, nahm der Bundeskanz-
ler das Wort zu seinem Thema "Kritik der
Demokratie", indem er einleitend bemerkte, er
glaube, daß eine Zeit kommen werde, in der
niemand mehr an der Demokratie Kritik üben
werde. Er bekenne sich zu dem Glauben, daß es
keine bessere Form geben könne und werde, in
der die Menschen ihre staatliche Gemeinschaft ver-
walten könnten, als die Form der wahren richtig
verstandenen Demokratie. Er sehe das Problem
der Menschheit in ihrem Erdenwallen als ein
großes Problem der Erziehung. Gott führe die
Menschheit und wolle, daß sie heranwachse zur
vollkommenen Freiheit auch in ihren Gemein-
schaftsbedingungen. Wenn man heute trotzdem
berechtigte Kritik an der Demokratie zu üben
habe, so komme das daher,
daß sicher nicht alle Menschen, auch nicht die,
die berufen seien zu führen, schon für die
Demokratie reif sind.

[Abbildung]

Dr. Seipel
(Originalkarikatur der "AZ".)

Die Zeit, die jetzt einige Jahre hinter uns liege,
habe große Fehler gemacht. Sie habe geglaubt,
durch irgendeine Norm oder Formel bestimmen

[Spaltenumbruch]

zu können, wann der einzelne Körper reif ge
worden sei, um einzutreten in die Selbstverwal-
tung ihrer öffentlichen Angelegenheiten. Man
habe die Demokratie in diesen Jahren überschätzt
und aus dieser Ueberschätzung heraus komme
jetzt eine gewisse Enttäuschung und man glaube
nun, etwas anderes an die Stelle der Demokratie
setzen zu müssen.

Das sei ein Irrtum. Man müsse nur die
Völker reif machen für die Demokratie und
man müsse nur die wirkliche Demokratie
herstellen.

Der Bundeskanzler wies dann darauf hin, daß
die Völker außenpolitisch und innerpolitisch große
Hoffnungen auf die Demokratie setzten, die sich
nicht erfüllten. Nun setze um so stärker die Kritik
ein.

Er finde, daß diese Kritik, so sehr sie als
Ausfluß von Enttäuschungen berechtigt sein
könne, große Gefahren in sich berge,

denn er finde, daß diese Kritik zum weitaus
größten Teil darauf hinauslaufe, die Demokratie
durch etwas anderes zu ersetzen, ohne daß eine
innerliche Veränderung in den Menschen ange-
strebt werde. Man glaube, an der Demokratie
Kritik üben zu müssen, indem man an ihren
Aeußerlichkeiten Kritik übe.

Mit bloßen Formeln, durch Einführung gesetz-
licher Bestimmungen ohne Rücksicht darauf, ob
die Menschen, die einen Staat erfüllen, damit
etwas aufbauen können, werde der Weg zur
wahren Demokratie nicht gefunden. Wahlrecht,
Wahlordnung und Wahlsystem hätten eine Be-
deutung. Das richtige wäre es, wenn sie in jedem
Volk organisch ausgebildet würden, so daß ein
immer größerer Kreis von Menschen mit heran-
gezogen würde, aktiv an der Führer- und Ver-
treterauslese mitzuwirken. Man stehe mitten in
einer Demokratie, die auf das allgemeine gleiche
Wahlrecht in der breitesten Form aufgebaut sei.

Man würde sich aber täuschen, wenn man
glaube, hier das Rad zurückdrehen zu können.

Es müsse ein anderer Weg gegangen werden.
Die Menschen müßten um so energischer und
gründlicher erzogen werden, daß sie alle reif
werden zur Selbstverwaltung. Ein Volk verdiene
die Demokratie dann, wenn Verantwortungs-
gefühl, Verantwortungsbewußtsein da ist bei
denen, die berufen sind, die Auslese der Führer
vorzunehmen, aber auch bei denen, die bei der
Führerauslese berufen worden sind, das Gemein-
wesen zu führen.

Der Kanzler schloß, die bloße Ministerverant-
wortlichkeit vor einem Parlament oder Staats-
gerichtshof oder die Verantwortung vor der Ge-
schichte genüge jedoch nicht allein, zu diesen Ver-
antwortlichkeiten müsse eine höhere Verantwort-
lichkeit hinzutreten, eine wirkliche Verantwortung,
wie sie der Demokratie, je größer das Maß der
Freiheit der Geführten und das Maß der Macht
der Führer sein werde, am besten gesichert sei
bei denen, die sich verantwortlich wissen vor einer
Macht, die absolut genug ist, um die Verant-
wortung irgendeines Menschen zur Geltung zu
bringen. Das Schicksal der Völker sei am besten
aufgehoben in den Händen derer, die sich verant-
wortlich wissen vor Gott. Damit sei mit einem
Wort gesagt, welche Kritik an der Demokratie
die richtigste ist, es sei der Weg der Erziehung
des Volkes und der Selbsterziehung des einzelnen
im Volk zur wahren Verantwortung.

Der Sonnenburger Zuchthausprozeß
Der Mörder mit den 12 Schlüsseln

"Altverwertung" und neue Drillichjacken


In dem gestern
begonnenen großen Prozeß gegen 24 Be-
amte der Strafanstalt Sonnenburg, die des
Diebstahles, der Hehlerei, Unterschlagung und
Verleitung zum Meineide beschuldigt wer-
den, bestritt heute Oberwachtmeister Köp-
pen,
sich unrechtmäßig bereichert zu haben.
Welchen Umfang die Durchstechereien mit
Lebens- und Genußmitteln im Zuchthaus
Sonnenburg angenommen hatten, geht dar-
aus hervor, daß
bei einem einzigen Gefangenen einmal
17 Pakete Tabak beschlagnahmt

wurden, bei einem anderen ganze Pakete
Schmalz, Butter und Speck. Der Staats-
anwalt betonte hierzu, daß nach Bekundun-
gen von Sträflingen diese Durchstechereien
von Beamten selbst verübt worden seien,
und zwar in der Hauptsache für die in der
Schneiderstube tätigen Gefangenen.

Aufsehen erregte die Mitteilung, daß dem
Strafgefangenen Paasch, einem Mörder, bei
Einleitung der Untersuchung wegen der
Unterschlagungen
nicht weniger als 12 Schlüssel zu allen
möglichen Türen und Portalen abge-
nommen

wurden, die er von dem Werkmeister Gra-
funder der Firma Schwarzschild erhalten
habe.

Zur Sprache kam ferner, daß sich unter
dem der Firma Schwarzschild zur "Altver-
wertung" übergebenen Heeresgut zum Teil
nagelneue Drillichjacken befanden, die noch
mit dem Fabrikationsetikett versehen und
überhaupt noch nicht getragen waren. An
die Beamten des Zuchthauses wurden
Drillichhosen für eine Mark, Drillichjacken

[Spaltenumbruch]

für 1,25 Mark abgegeben, zu entsprechend
niedrigen Preisen auch sonstige Kleidungs-
stücke.

Eingehende Fragen des Vorsitzenden und
der Staatsanwaltschaft ergaben wiederholt
die Erwähnung des Oberwachtmeisters Nau-
mann, der die Verladungen der Heeresgut-
transporte auf dem Bahnhof Sonnenburg
leitete und nach der Anklage einer der
Hauptvermittler bei den Schiebungen ge-
wesen sein soll. Gegen Naumann wird ge-
trennt verhandelt werden.

Der Reichspostminister
behält sich vor

Die Bayerische Volkspartei gegen
Hilferdings Programm


Die Reichskorre-
spondenz der Bayerischen Volkspartei teilt
mit: Die am letzten Samstag durch die Presse
gegangene Meldung, daß sich der Ver-
trauensmann der Bayerischen Volkspartei im
Reichskabinett, Reichspostminister Dr.
Schätzel, für die Hilferdingschen Steuer-
pläne ausgesprochen hat, ist in einzelnen
Blättern inzwischen dahin korrigiert wor-
den, daß in den Kabinettssitzungen der
Reichsregierung überhaupt keine Beschlüsse
gefaßt worden seien. Die eine Darstellung
ist so unzutreffend wie die andere.

Richtig ist vielmehr, daß im Kabinett tat-
sächlich über die Steuervorlage abgestimmt
wurde, und zwar unter dem betonten Wider-
spruche des Reichspostministers Dr. Schätzel,
der sich alle Konsequenzen vorbehalten hat.

„AZ am Abend“ Nr. 19 Mittwoch, den 23. Januar

von Hilfsmaterialien unmöglich macht. Wer alſo
das Muſeum unterſtützen will, der ſchreie nach
Geld, der ſammle Geld, der ſchenke Geld! Ich
glaube verſprechen zu können, daß wir es ſach-
gemäß und richtig anwenden werden.
Nun noch einige Einzelheiten Ihres Aufſatzes:
Die Trachtenſammlung der neueren Zeit wurde
bereits 1924 der Oeffentlichkeit zugänglich ge-
macht. Wir haben damals alle Zeitungen Mün-
chens zur Beſichtigung eingeladen. Wenn in der
Oeffentlichkeit ſo wenig Aufmerkſamkeit auf den
neuen Saal gelenkt wurde, ſo iſt das nicht unſere
Schuld. Das gleiche iſt der Fall mit dem 1927
eröffneten Saal der deutſchen Bronzen, ſeinem
Inhalte nach eine Sehenswürdigkeit erſten Ran-
ges. Die Neuaufſtellung der Sammlung der
kirchlichen Gewänder ſtockt wegen Geldmangel.
Das Hauptgeſchoß des Muſeums leidet an ſolcher
Ueberfüllung, daß Luft geſchaffen werden muß;
das heißt leerſtehende Säle des Oberſtocks müſſen
bezogen werden. Das Muſeum ſelbſt kann nicht
zugeben, daß dieſer gewiſſermaßen als zweit-
rangiges Lokal gegenüber den unteren Sälen ent-
wertet wird.

Es iſt auch unmöglich, die Einrichtung, wie ſie
Seidl und Seitz ſchufen, nun unverändert durch
die Jahrhunderte zu konſervieren; man kann
nicht aus der Einrichtung der Muſeumsräume
ihrerſeits wieder ein Muſeumsſtück machen. Das
[Spaltenumbruch] hieße das Muſeum zum Abſterben verurteilen,
da es dann unmöglich wäre, die Neuzugänge
ihrer jeweiligen Bedeutung nach einzuordnen.
Unter den mancherlei Mängeln des Hauſes iſt
nicht der geringſte der, daß ſowohl hinſichtlich
des Sammlungsbeſtandes wie des vorhandenen
Raumes die Rokokoplaſtik Bayerns
einer der größten Ruhmestitel des Landes —
durchaus vernachläſſigt iſt. Rokokoplaſtik braucht
einen Raum mit zerſtreutem Licht, während
Stadtmodelle nichts anderes brauchen wie gutes
Licht. Ich halte ihre Unterbringung in dem
ſonſt unbrauchbaren Trausnitzſaal und ſeinem
Nachbar für durchaus genügend. Wir haben mit
aller Abſicht die Modelle auf niedrigere Tiſche
geſtellt als die bisherigen, weil ihre Sichtbarkeit
dadurch gewonnen hat. Man ſoll übrigens nicht
immer alles auf Seitz und Seidl ſchieben: die
Modelle ſtanden bisher auf ganz kleinen, daher
der Verhängung bedürftigen Tiſchen, die noch aus
der Zeit der Vereinigten Sammlungen ſtammten.
— Wenn wir von der Sitte der jährlichen Aus-
ſtellung der Neuerwerbungen abgekommen ſind,
ſo erfolgte das notgedrungen, weil eben die Zahl
der vorzuführenden Zugänge der einzelnen Jahre
ſo gering iſt, daß eine beſondere Ausſtellung ſich
nicht lohnt. In den nächſten Wochen ſollte die
Ausſtellung der Neuerwerbungen der letzten zwei-
einhalb Jahre ſowieſo eröffnet werden.“

Der Justizetat
Miniſter Gürtner über die bayeriſche Juſtiz

Bayern und die Todesſtrafe * Redner in der Debatte


In der Dienstag-
Sitzung des Staatshaltsausſchuſſes des
Bayeriſchen Landtags nahm bei Fortſetzung
der Ausſprache zum Juſtizetat
Juſtizminiſter Gürtner
das Wort. Er führte dabei aus, daß der Vor-
wurf, die bayeriſche Juſtizverwaltung ſei
rückſtändig, unberechtigt ſei. Die Aufwen-
dungen Bayerns für dieſen Zweck ſeien
nahezu gleich hoch wie die Preußens. Mit
geringerem Perſonal werde heute mehr ge-
leiſtet als im Frieden. Der Miniſter ging
dann auf die
Haltung Bayerns zur Juſtizreform
ein. Die in Ausſicht genommene Dreigliede-
rung der Gerichte würde eine Kapitalinveſti-
tion von vielen Millionen erfordern, ſo daß
es wohl bei der bisherigen Viergliederung
bleiben dürfte. Zur Frage Kollegial- oder
Einzelgerichte erinnert er an den Beſchluß
des Bayeriſchen Landtages, darauf hinzu-
wirken, daß bei den Amtsgerichten die dem
Einzelrichter zugewieſenen Verbrechen und
Vergehen wieder an Schöffengerichte kom-
men. Mit dieſer Meinung findet Bayern
keine Mehrheit. Eine Anzahl von Vergehen
werde zweifellos dem Einzelrichter zur Ab-
urteilung verbleiben. Zur Frage des In-
ſtanzenzuges müſſe an dem Grundſatz feſtge-
halten werden, daß auch der kleinſte Mann
in der kleinſten Streitſache Anſpruch darauf
habe, ſein Recht zu finden.

Bezüglich der
Rationaliſierung des inneren Betriebes
ſei der Vorwurf, Bayern ſei in dieſer Rich-
tung rückſtändig, ungerechtfertigt. Man habe
ſich die verſchiedenſten techniſchen Neuerungen
zu eigen gemacht, auch wenn ihre Anſchaf-
fung größere Koſten verurſachte. Auf die
Frage, wie ſich die bayeriſche Regierung
zur Anregung verhalte, bis zur endgültigen
Entſcheidung des Reichstags über die
Todesſtrafe
die Vollſtreckung von Todesurteilen auszu-
ſetzen. antwortete der Miniſter, das bayeri-
ſche Kabinett habe noch keine Gelegenheit ge-
habt, zu dieſer Anregung Stellung zu neh-
men, weil bisher alle ihm unterbreiteten
Fälle zur Begnadigung empfohlen werden
konnten. Die Anregung habe viele Bedenken
gegen ſich. Es bedeute ein Martyrum ohne-
gleichen, die Entſcheidung auf unbeſtimmte
Zeit hinauszuſchieben. In der Praxis wür-
den außerdem ſchwere Ungerechtigkeiten ent-
ſtehen bezüglich ſchon ergangener und erſt
zu erfüllender Urteile, die unter den neuen
Schutz fallen würden. Dieſe Frage dürfe
nicht lange unentſchieden bleiben. Bezüglich
der grundſätzlichen Stellungnahme Bayerns
zur Todesſtrafe überhaupt, erklärte der
Miniſter, ſie ſolle
als abſolute Strafe beſeitigt
werden und es ſollten auch beim Mord
mildernde Umſtände zugebilligt werden kön-
nen, aber als Drohung ſolle die Todesſtrafe
für beſondere Fälle beſtehen bleiben.

Eingehende Aufſchlüſſe gab der Miniſter
zum
Salzburger Juriſtentag
und trat der Auffaſſung entgegen, als ob zu
ihm eine zu große Zahl Beamter delegiert
worden wäre und zu hohe Aufwendungen
gemacht wurden. Im großen und ganzen
habe man ſich an das Vorbild des Bamber-
ger Juriſtentages gehalten. Wenn etwas
mehr geſchah, ſo war dies deswegen der
Fall, weil ſchon vor dem Salzbunger Tag

[Spaltenumbruch]

aufgefordert wurde, ihm beſondere Aufmerk-
ſamkeit zuzuwenden. Die Aufwendungen
Bayerns waren geringer als die anderer
Länder.

Von Verhängung höherer Geldſtrafen
gegen Angehörige des Reichsbanners und
ähnlicher Organiſationen könne keine Rede
ſein. Bezüglich der
Verfaſſungsmäßigkeit von Juſtiksrats-
titeln

erinnerte der Juſtizminiſter daran, daß der
Landtag ſchon in Bamberg ſich ſehr ſchwer
von den Titeln getrennt habe und fünf Jahre
ſpäter im Ausſchuß vom Mitberichterſtatter
angeregt wurde, den Juſtizratstitel als
Standesbezeichnung wieder einzuführen,
welchen Standpunkt der ſozialdemokratiſche
Abgeordnete Timm unterſtützte. Dann ſei
von demokratiſcher Seite ein formeller An-
trag erfolgt. Uebrigens habe auch die Reichs-
regierung die Titel Juſtizrat und Geheimer
Juſtizrat verliehen.
In der weiteren Ausſprache
trat Abg. Bayer (D. Vpt.) für die Ein-
führung der Zwangsverſicherung für An-
wälte ein und vertrat die Intereſſen der
ſog. Anwaltsaſſiſtenten. Abg. Högner
(Soz.) verlangte Aufſchlüſſe über die Ver-
wendung der Gelder für Titelverleihungen.
Abg. Streicher (Nat. Soz.) wiederholte
die Behauptungen ſeines Parteifreundes
Buttmann wegen Durchſtechereien beim
Staatskonkurs und meinte u. a. derartiges
dürfe nicht geduldet werden, wenn es auch
im jüdiſchen Norddeutſchland
eine Selbſtverſtändlichkeit ſei. Der Vorſit-
zende Stang wies dieſe verallgemeinernde
Behauptung mit großer Entſchiedenheit zu-
rück, was wiederum den Abg. Streicher zu
ſcharfen Gegenbemerkungen veranlaßte. Un-
ter allgemeinem Beifall des Geſamtaus-
ſchuſſes beharrte der Vorſitzende Abg. Stang
auf ſeiner Rüge. Zum Schluß nahm noch
einmal Juſtizminiſter Gürtner das Wort und
bemerkte gegenüber den Ausführungen des
Abg. Buttmann, er möge ihm nur einen
Fall nennen und ſei es auch nur perſönlich.

Das Urteil im Weſtdeutſchen
Induſtriekonflikt

Nach 4½ſtündiger Be-
ratung eröffnete um 10 Uhr abends Senats-
präſident Oegg des Reichsarbeitsgerichts folgen-
des Urteil: Das Urteil des Landesarbeitsgerichts
in Duisburg vom 24. November 1928 wird auf-
gehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das
Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 12. No-
vember 1928 wird mit der Maßgabe zurückgewie-
ſen, daß die Entſcheidung folgenden Wortlaut
hat: Der in der Streitſache der Parteien er-
gangene und für verbindlich erklärte Schiedsſpruch
iſt nichtig. Die Koſten des Rechtsſtreites werden
den Beklagten auferlegt.

Seit 17 Jahren ſpurlos verſchwunden

Geſtern abend wurden es 17 Jahre, daß der
damals 24ährige ledige Käſer Johann Erber aus
Schwabmünchen ſpurlos verſchwunden iſt. Er
hatte hier ein gutgehendes Geſchäft und lebte in
vollſtändig geordneten Verhältniſſen. In ſeiner
Wohnung ſchien eine Kaſſette erbrochen zu ſein,
in der 2000 Mark Bargeld, ein Pfandbrief über
1000 Mark und eine Uhr mit goldener Kette
geweſen ſein ſollen. Für die Annahme einer
Flucht fehlt jeder Anhaltspunkt, es kann alſo nur
ein Verbrechen vorliegen.

[Spaltenumbruch]
Bundeskanzler Dr. Seipel über:
„Kritik der Demokratie“
Ein zweiter Vortrag des öſterreichiſchen Bundeskanzlers

Der weite Raum des Audi-
torium Maximum der Univerſität und die Ga-
lerie waren überfüllt, als Bundeskanzler Dr.
Seipel unter dem herzlichen Willkomm der zahl-
reich Verſammelten das Podium zu ſeinem zwei-
ten Vortrag in München betrat. Auch diesmal
waren prominente Perſönlichkeiten in großer Zahl
erſchienen, unter ihnen Kardinal Erzbiſchof Faul-
haber, Weihbiſchof Schauer, Miniſterpräſident Dr.
Held mit Finanzminiſter Dr. Schmelzle und
Staatsrat Dr. Bleyer, Landtagspräſident Dr.
Königbauer, der preußiſche Geſandte Dr. Denk
und Regierungsrat Krebs von der Reichsgeſandt-
ſchaft.

Nach herzlichen Worten der Begrüßung durch
den Vorſitzenden akademiſch gebildeter Katholiken
Münchens, Geheimrat Dr. Beyerle, der Dr.
Seipel als den Repräſentanten der wahren
Volksgemeinſchaft feierte, nahm der Bundeskanz-
ler das Wort zu ſeinem Thema „Kritik der
Demokratie“, indem er einleitend bemerkte, er
glaube, daß eine Zeit kommen werde, in der
niemand mehr an der Demokratie Kritik üben
werde. Er bekenne ſich zu dem Glauben, daß es
keine beſſere Form geben könne und werde, in
der die Menſchen ihre ſtaatliche Gemeinſchaft ver-
walten könnten, als die Form der wahren richtig
verſtandenen Demokratie. Er ſehe das Problem
der Menſchheit in ihrem Erdenwallen als ein
großes Problem der Erziehung. Gott führe die
Menſchheit und wolle, daß ſie heranwachſe zur
vollkommenen Freiheit auch in ihren Gemein-
ſchaftsbedingungen. Wenn man heute trotzdem
berechtigte Kritik an der Demokratie zu üben
habe, ſo komme das daher,
daß ſicher nicht alle Menſchen, auch nicht die,
die berufen ſeien zu führen, ſchon für die
Demokratie reif ſind.

[Abbildung]

Dr. Seipel
(Originalkarikatur der „AZ“.)

Die Zeit, die jetzt einige Jahre hinter uns liege,
habe große Fehler gemacht. Sie habe geglaubt,
durch irgendeine Norm oder Formel beſtimmen

[Spaltenumbruch]

zu können, wann der einzelne Körper reif ge
worden ſei, um einzutreten in die Selbſtverwal-
tung ihrer öffentlichen Angelegenheiten. Man
habe die Demokratie in dieſen Jahren überſchätzt
und aus dieſer Ueberſchätzung heraus komme
jetzt eine gewiſſe Enttäuſchung und man glaube
nun, etwas anderes an die Stelle der Demokratie
ſetzen zu müſſen.

Das ſei ein Irrtum. Man müſſe nur die
Völker reif machen für die Demokratie und
man müſſe nur die wirkliche Demokratie
herſtellen.

Der Bundeskanzler wies dann darauf hin, daß
die Völker außenpolitiſch und innerpolitiſch große
Hoffnungen auf die Demokratie ſetzten, die ſich
nicht erfüllten. Nun ſetze um ſo ſtärker die Kritik
ein.

Er finde, daß dieſe Kritik, ſo ſehr ſie als
Ausfluß von Enttäuſchungen berechtigt ſein
könne, große Gefahren in ſich berge,

denn er finde, daß dieſe Kritik zum weitaus
größten Teil darauf hinauslaufe, die Demokratie
durch etwas anderes zu erſetzen, ohne daß eine
innerliche Veränderung in den Menſchen ange-
ſtrebt werde. Man glaube, an der Demokratie
Kritik üben zu müſſen, indem man an ihren
Aeußerlichkeiten Kritik übe.

Mit bloßen Formeln, durch Einführung geſetz-
licher Beſtimmungen ohne Rückſicht darauf, ob
die Menſchen, die einen Staat erfüllen, damit
etwas aufbauen können, werde der Weg zur
wahren Demokratie nicht gefunden. Wahlrecht,
Wahlordnung und Wahlſyſtem hätten eine Be-
deutung. Das richtige wäre es, wenn ſie in jedem
Volk organiſch ausgebildet würden, ſo daß ein
immer größerer Kreis von Menſchen mit heran-
gezogen würde, aktiv an der Führer- und Ver-
treterausleſe mitzuwirken. Man ſtehe mitten in
einer Demokratie, die auf das allgemeine gleiche
Wahlrecht in der breiteſten Form aufgebaut ſei.

Man würde ſich aber täuſchen, wenn man
glaube, hier das Rad zurückdrehen zu können.

Es müſſe ein anderer Weg gegangen werden.
Die Menſchen müßten um ſo energiſcher und
gründlicher erzogen werden, daß ſie alle reif
werden zur Selbſtverwaltung. Ein Volk verdiene
die Demokratie dann, wenn Verantwortungs-
gefühl, Verantwortungsbewußtſein da iſt bei
denen, die berufen ſind, die Ausleſe der Führer
vorzunehmen, aber auch bei denen, die bei der
Führerausleſe berufen worden ſind, das Gemein-
weſen zu führen.

Der Kanzler ſchloß, die bloße Miniſterverant-
wortlichkeit vor einem Parlament oder Staats-
gerichtshof oder die Verantwortung vor der Ge-
ſchichte genüge jedoch nicht allein, zu dieſen Ver-
antwortlichkeiten müſſe eine höhere Verantwort-
lichkeit hinzutreten, eine wirkliche Verantwortung,
wie ſie der Demokratie, je größer das Maß der
Freiheit der Geführten und das Maß der Macht
der Führer ſein werde, am beſten geſichert ſei
bei denen, die ſich verantwortlich wiſſen vor einer
Macht, die abſolut genug iſt, um die Verant-
wortung irgendeines Menſchen zur Geltung zu
bringen. Das Schickſal der Völker ſei am beſten
aufgehoben in den Händen derer, die ſich verant-
wortlich wiſſen vor Gott. Damit ſei mit einem
Wort geſagt, welche Kritik an der Demokratie
die richtigſte iſt, es ſei der Weg der Erziehung
des Volkes und der Selbſterziehung des einzelnen
im Volk zur wahren Verantwortung.

Der Sonnenburger Zuchthausprozeß
Der Mörder mit den 12 Schlüſſeln

„Altverwertung“ und neue Drillichjacken


In dem geſtern
begonnenen großen Prozeß gegen 24 Be-
amte der Strafanſtalt Sonnenburg, die des
Diebſtahles, der Hehlerei, Unterſchlagung und
Verleitung zum Meineide beſchuldigt wer-
den, beſtritt heute Oberwachtmeiſter Köp-
pen,
ſich unrechtmäßig bereichert zu haben.
Welchen Umfang die Durchſtechereien mit
Lebens- und Genußmitteln im Zuchthaus
Sonnenburg angenommen hatten, geht dar-
aus hervor, daß
bei einem einzigen Gefangenen einmal
17 Pakete Tabak beſchlagnahmt

wurden, bei einem anderen ganze Pakete
Schmalz, Butter und Speck. Der Staats-
anwalt betonte hierzu, daß nach Bekundun-
gen von Sträflingen dieſe Durchſtechereien
von Beamten ſelbſt verübt worden ſeien,
und zwar in der Hauptſache für die in der
Schneiderſtube tätigen Gefangenen.

Aufſehen erregte die Mitteilung, daß dem
Strafgefangenen Paaſch, einem Mörder, bei
Einleitung der Unterſuchung wegen der
Unterſchlagungen
nicht weniger als 12 Schlüſſel zu allen
möglichen Türen und Portalen abge-
nommen

wurden, die er von dem Werkmeiſter Gra-
funder der Firma Schwarzſchild erhalten
habe.

Zur Sprache kam ferner, daß ſich unter
dem der Firma Schwarzſchild zur „Altver-
wertung“ übergebenen Heeresgut zum Teil
nagelneue Drillichjacken befanden, die noch
mit dem Fabrikationsetikett verſehen und
überhaupt noch nicht getragen waren. An
die Beamten des Zuchthauſes wurden
Drillichhoſen für eine Mark, Drillichjacken

[Spaltenumbruch]

für 1,25 Mark abgegeben, zu entſprechend
niedrigen Preiſen auch ſonſtige Kleidungs-
ſtücke.

Eingehende Fragen des Vorſitzenden und
der Staatsanwaltſchaft ergaben wiederholt
die Erwähnung des Oberwachtmeiſters Nau-
mann, der die Verladungen der Heeresgut-
transporte auf dem Bahnhof Sonnenburg
leitete und nach der Anklage einer der
Hauptvermittler bei den Schiebungen ge-
weſen ſein ſoll. Gegen Naumann wird ge-
trennt verhandelt werden.

Der Reichspoſtminiſter
behält ſich vor

Die Bayeriſche Volkspartei gegen
Hilferdings Programm


Die Reichskorre-
ſpondenz der Bayeriſchen Volkspartei teilt
mit: Die am letzten Samstag durch die Preſſe
gegangene Meldung, daß ſich der Ver-
trauensmann der Bayeriſchen Volkspartei im
Reichskabinett, Reichspoſtminiſter Dr.
Schätzel, für die Hilferdingſchen Steuer-
pläne ausgeſprochen hat, iſt in einzelnen
Blättern inzwiſchen dahin korrigiert wor-
den, daß in den Kabinettsſitzungen der
Reichsregierung überhaupt keine Beſchlüſſe
gefaßt worden ſeien. Die eine Darſtellung
iſt ſo unzutreffend wie die andere.

Richtig iſt vielmehr, daß im Kabinett tat-
ſächlich über die Steuervorlage abgeſtimmt
wurde, und zwar unter dem betonten Wider-
ſpruche des Reichspoſtminiſters Dr. Schätzel,
der ſich alle Konſequenzen vorbehalten hat.

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[Seite 2[2]/0002] „AZ am Abend“ Nr. 19 Mittwoch, den 23. Januar von Hilfsmaterialien unmöglich macht. Wer alſo das Muſeum unterſtützen will, der ſchreie nach Geld, der ſammle Geld, der ſchenke Geld! Ich glaube verſprechen zu können, daß wir es ſach- gemäß und richtig anwenden werden. Nun noch einige Einzelheiten Ihres Aufſatzes: Die Trachtenſammlung der neueren Zeit wurde bereits 1924 der Oeffentlichkeit zugänglich ge- macht. Wir haben damals alle Zeitungen Mün- chens zur Beſichtigung eingeladen. Wenn in der Oeffentlichkeit ſo wenig Aufmerkſamkeit auf den neuen Saal gelenkt wurde, ſo iſt das nicht unſere Schuld. Das gleiche iſt der Fall mit dem 1927 eröffneten Saal der deutſchen Bronzen, ſeinem Inhalte nach eine Sehenswürdigkeit erſten Ran- ges. Die Neuaufſtellung der Sammlung der kirchlichen Gewänder ſtockt wegen Geldmangel. Das Hauptgeſchoß des Muſeums leidet an ſolcher Ueberfüllung, daß Luft geſchaffen werden muß; das heißt leerſtehende Säle des Oberſtocks müſſen bezogen werden. Das Muſeum ſelbſt kann nicht zugeben, daß dieſer gewiſſermaßen als zweit- rangiges Lokal gegenüber den unteren Sälen ent- wertet wird. Es iſt auch unmöglich, die Einrichtung, wie ſie Seidl und Seitz ſchufen, nun unverändert durch die Jahrhunderte zu konſervieren; man kann nicht aus der Einrichtung der Muſeumsräume ihrerſeits wieder ein Muſeumsſtück machen. Das hieße das Muſeum zum Abſterben verurteilen, da es dann unmöglich wäre, die Neuzugänge ihrer jeweiligen Bedeutung nach einzuordnen. Unter den mancherlei Mängeln des Hauſes iſt nicht der geringſte der, daß ſowohl hinſichtlich des Sammlungsbeſtandes wie des vorhandenen Raumes die Rokokoplaſtik Bayerns — einer der größten Ruhmestitel des Landes — durchaus vernachläſſigt iſt. Rokokoplaſtik braucht einen Raum mit zerſtreutem Licht, während Stadtmodelle nichts anderes brauchen wie gutes Licht. Ich halte ihre Unterbringung in dem ſonſt unbrauchbaren Trausnitzſaal und ſeinem Nachbar für durchaus genügend. Wir haben mit aller Abſicht die Modelle auf niedrigere Tiſche geſtellt als die bisherigen, weil ihre Sichtbarkeit dadurch gewonnen hat. Man ſoll übrigens nicht immer alles auf Seitz und Seidl ſchieben: die Modelle ſtanden bisher auf ganz kleinen, daher der Verhängung bedürftigen Tiſchen, die noch aus der Zeit der Vereinigten Sammlungen ſtammten. — Wenn wir von der Sitte der jährlichen Aus- ſtellung der Neuerwerbungen abgekommen ſind, ſo erfolgte das notgedrungen, weil eben die Zahl der vorzuführenden Zugänge der einzelnen Jahre ſo gering iſt, daß eine beſondere Ausſtellung ſich nicht lohnt. In den nächſten Wochen ſollte die Ausſtellung der Neuerwerbungen der letzten zwei- einhalb Jahre ſowieſo eröffnet werden.“ Der Justizetat Miniſter Gürtner über die bayeriſche Juſtiz Bayern und die Todesſtrafe * Redner in der Debatte München, 22. Januar. In der Dienstag- Sitzung des Staatshaltsausſchuſſes des Bayeriſchen Landtags nahm bei Fortſetzung der Ausſprache zum Juſtizetat Juſtizminiſter Gürtner das Wort. Er führte dabei aus, daß der Vor- wurf, die bayeriſche Juſtizverwaltung ſei rückſtändig, unberechtigt ſei. Die Aufwen- dungen Bayerns für dieſen Zweck ſeien nahezu gleich hoch wie die Preußens. Mit geringerem Perſonal werde heute mehr ge- leiſtet als im Frieden. Der Miniſter ging dann auf die Haltung Bayerns zur Juſtizreform ein. Die in Ausſicht genommene Dreigliede- rung der Gerichte würde eine Kapitalinveſti- tion von vielen Millionen erfordern, ſo daß es wohl bei der bisherigen Viergliederung bleiben dürfte. Zur Frage Kollegial- oder Einzelgerichte erinnert er an den Beſchluß des Bayeriſchen Landtages, darauf hinzu- wirken, daß bei den Amtsgerichten die dem Einzelrichter zugewieſenen Verbrechen und Vergehen wieder an Schöffengerichte kom- men. Mit dieſer Meinung findet Bayern keine Mehrheit. Eine Anzahl von Vergehen werde zweifellos dem Einzelrichter zur Ab- urteilung verbleiben. Zur Frage des In- ſtanzenzuges müſſe an dem Grundſatz feſtge- halten werden, daß auch der kleinſte Mann in der kleinſten Streitſache Anſpruch darauf habe, ſein Recht zu finden. Bezüglich der Rationaliſierung des inneren Betriebes ſei der Vorwurf, Bayern ſei in dieſer Rich- tung rückſtändig, ungerechtfertigt. Man habe ſich die verſchiedenſten techniſchen Neuerungen zu eigen gemacht, auch wenn ihre Anſchaf- fung größere Koſten verurſachte. Auf die Frage, wie ſich die bayeriſche Regierung zur Anregung verhalte, bis zur endgültigen Entſcheidung des Reichstags über die Todesſtrafe die Vollſtreckung von Todesurteilen auszu- ſetzen. antwortete der Miniſter, das bayeri- ſche Kabinett habe noch keine Gelegenheit ge- habt, zu dieſer Anregung Stellung zu neh- men, weil bisher alle ihm unterbreiteten Fälle zur Begnadigung empfohlen werden konnten. Die Anregung habe viele Bedenken gegen ſich. Es bedeute ein Martyrum ohne- gleichen, die Entſcheidung auf unbeſtimmte Zeit hinauszuſchieben. In der Praxis wür- den außerdem ſchwere Ungerechtigkeiten ent- ſtehen bezüglich ſchon ergangener und erſt zu erfüllender Urteile, die unter den neuen Schutz fallen würden. Dieſe Frage dürfe nicht lange unentſchieden bleiben. Bezüglich der grundſätzlichen Stellungnahme Bayerns zur Todesſtrafe überhaupt, erklärte der Miniſter, ſie ſolle als abſolute Strafe beſeitigt werden und es ſollten auch beim Mord mildernde Umſtände zugebilligt werden kön- nen, aber als Drohung ſolle die Todesſtrafe für beſondere Fälle beſtehen bleiben. Eingehende Aufſchlüſſe gab der Miniſter zum Salzburger Juriſtentag und trat der Auffaſſung entgegen, als ob zu ihm eine zu große Zahl Beamter delegiert worden wäre und zu hohe Aufwendungen gemacht wurden. Im großen und ganzen habe man ſich an das Vorbild des Bamber- ger Juriſtentages gehalten. Wenn etwas mehr geſchah, ſo war dies deswegen der Fall, weil ſchon vor dem Salzbunger Tag aufgefordert wurde, ihm beſondere Aufmerk- ſamkeit zuzuwenden. Die Aufwendungen Bayerns waren geringer als die anderer Länder. Von Verhängung höherer Geldſtrafen gegen Angehörige des Reichsbanners und ähnlicher Organiſationen könne keine Rede ſein. Bezüglich der Verfaſſungsmäßigkeit von Juſtiksrats- titeln erinnerte der Juſtizminiſter daran, daß der Landtag ſchon in Bamberg ſich ſehr ſchwer von den Titeln getrennt habe und fünf Jahre ſpäter im Ausſchuß vom Mitberichterſtatter angeregt wurde, den Juſtizratstitel als Standesbezeichnung wieder einzuführen, welchen Standpunkt der ſozialdemokratiſche Abgeordnete Timm unterſtützte. Dann ſei von demokratiſcher Seite ein formeller An- trag erfolgt. Uebrigens habe auch die Reichs- regierung die Titel Juſtizrat und Geheimer Juſtizrat verliehen. In der weiteren Ausſprache trat Abg. Bayer (D. Vpt.) für die Ein- führung der Zwangsverſicherung für An- wälte ein und vertrat die Intereſſen der ſog. Anwaltsaſſiſtenten. Abg. Högner (Soz.) verlangte Aufſchlüſſe über die Ver- wendung der Gelder für Titelverleihungen. Abg. Streicher (Nat. Soz.) wiederholte die Behauptungen ſeines Parteifreundes Buttmann wegen Durchſtechereien beim Staatskonkurs und meinte u. a. derartiges dürfe nicht geduldet werden, wenn es auch im jüdiſchen Norddeutſchland eine Selbſtverſtändlichkeit ſei. Der Vorſit- zende Stang wies dieſe verallgemeinernde Behauptung mit großer Entſchiedenheit zu- rück, was wiederum den Abg. Streicher zu ſcharfen Gegenbemerkungen veranlaßte. Un- ter allgemeinem Beifall des Geſamtaus- ſchuſſes beharrte der Vorſitzende Abg. Stang auf ſeiner Rüge. Zum Schluß nahm noch einmal Juſtizminiſter Gürtner das Wort und bemerkte gegenüber den Ausführungen des Abg. Buttmann, er möge ihm nur einen Fall nennen und ſei es auch nur perſönlich. Das Urteil im Weſtdeutſchen Induſtriekonflikt Leipzig, 22. Jan. Nach 4½ſtündiger Be- ratung eröffnete um 10 Uhr abends Senats- präſident Oegg des Reichsarbeitsgerichts folgen- des Urteil: Das Urteil des Landesarbeitsgerichts in Duisburg vom 24. November 1928 wird auf- gehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 12. No- vember 1928 wird mit der Maßgabe zurückgewie- ſen, daß die Entſcheidung folgenden Wortlaut hat: Der in der Streitſache der Parteien er- gangene und für verbindlich erklärte Schiedsſpruch iſt nichtig. Die Koſten des Rechtsſtreites werden den Beklagten auferlegt. Seit 17 Jahren ſpurlos verſchwunden Geſtern abend wurden es 17 Jahre, daß der damals 24ährige ledige Käſer Johann Erber aus Schwabmünchen ſpurlos verſchwunden iſt. Er hatte hier ein gutgehendes Geſchäft und lebte in vollſtändig geordneten Verhältniſſen. In ſeiner Wohnung ſchien eine Kaſſette erbrochen zu ſein, in der 2000 Mark Bargeld, ein Pfandbrief über 1000 Mark und eine Uhr mit goldener Kette geweſen ſein ſollen. Für die Annahme einer Flucht fehlt jeder Anhaltspunkt, es kann alſo nur ein Verbrechen vorliegen. Bundeskanzler Dr. Seipel über: „Kritik der Demokratie“ Ein zweiter Vortrag des öſterreichiſchen Bundeskanzlers München, 23. Jan. Der weite Raum des Audi- torium Maximum der Univerſität und die Ga- lerie waren überfüllt, als Bundeskanzler Dr. Seipel unter dem herzlichen Willkomm der zahl- reich Verſammelten das Podium zu ſeinem zwei- ten Vortrag in München betrat. Auch diesmal waren prominente Perſönlichkeiten in großer Zahl erſchienen, unter ihnen Kardinal Erzbiſchof Faul- haber, Weihbiſchof Schauer, Miniſterpräſident Dr. Held mit Finanzminiſter Dr. Schmelzle und Staatsrat Dr. Bleyer, Landtagspräſident Dr. Königbauer, der preußiſche Geſandte Dr. Denk und Regierungsrat Krebs von der Reichsgeſandt- ſchaft. Nach herzlichen Worten der Begrüßung durch den Vorſitzenden akademiſch gebildeter Katholiken Münchens, Geheimrat Dr. Beyerle, der Dr. Seipel als den Repräſentanten der wahren Volksgemeinſchaft feierte, nahm der Bundeskanz- ler das Wort zu ſeinem Thema „Kritik der Demokratie“, indem er einleitend bemerkte, er glaube, daß eine Zeit kommen werde, in der niemand mehr an der Demokratie Kritik üben werde. Er bekenne ſich zu dem Glauben, daß es keine beſſere Form geben könne und werde, in der die Menſchen ihre ſtaatliche Gemeinſchaft ver- walten könnten, als die Form der wahren richtig verſtandenen Demokratie. Er ſehe das Problem der Menſchheit in ihrem Erdenwallen als ein großes Problem der Erziehung. Gott führe die Menſchheit und wolle, daß ſie heranwachſe zur vollkommenen Freiheit auch in ihren Gemein- ſchaftsbedingungen. Wenn man heute trotzdem berechtigte Kritik an der Demokratie zu üben habe, ſo komme das daher, daß ſicher nicht alle Menſchen, auch nicht die, die berufen ſeien zu führen, ſchon für die Demokratie reif ſind. [Abbildung Dr. Seipel (Originalkarikatur der „AZ“.)] Die Zeit, die jetzt einige Jahre hinter uns liege, habe große Fehler gemacht. Sie habe geglaubt, durch irgendeine Norm oder Formel beſtimmen zu können, wann der einzelne Körper reif ge worden ſei, um einzutreten in die Selbſtverwal- tung ihrer öffentlichen Angelegenheiten. Man habe die Demokratie in dieſen Jahren überſchätzt und aus dieſer Ueberſchätzung heraus komme jetzt eine gewiſſe Enttäuſchung und man glaube nun, etwas anderes an die Stelle der Demokratie ſetzen zu müſſen. Das ſei ein Irrtum. Man müſſe nur die Völker reif machen für die Demokratie und man müſſe nur die wirkliche Demokratie herſtellen. Der Bundeskanzler wies dann darauf hin, daß die Völker außenpolitiſch und innerpolitiſch große Hoffnungen auf die Demokratie ſetzten, die ſich nicht erfüllten. Nun ſetze um ſo ſtärker die Kritik ein. Er finde, daß dieſe Kritik, ſo ſehr ſie als Ausfluß von Enttäuſchungen berechtigt ſein könne, große Gefahren in ſich berge, denn er finde, daß dieſe Kritik zum weitaus größten Teil darauf hinauslaufe, die Demokratie durch etwas anderes zu erſetzen, ohne daß eine innerliche Veränderung in den Menſchen ange- ſtrebt werde. Man glaube, an der Demokratie Kritik üben zu müſſen, indem man an ihren Aeußerlichkeiten Kritik übe. Mit bloßen Formeln, durch Einführung geſetz- licher Beſtimmungen ohne Rückſicht darauf, ob die Menſchen, die einen Staat erfüllen, damit etwas aufbauen können, werde der Weg zur wahren Demokratie nicht gefunden. Wahlrecht, Wahlordnung und Wahlſyſtem hätten eine Be- deutung. Das richtige wäre es, wenn ſie in jedem Volk organiſch ausgebildet würden, ſo daß ein immer größerer Kreis von Menſchen mit heran- gezogen würde, aktiv an der Führer- und Ver- treterausleſe mitzuwirken. Man ſtehe mitten in einer Demokratie, die auf das allgemeine gleiche Wahlrecht in der breiteſten Form aufgebaut ſei. Man würde ſich aber täuſchen, wenn man glaube, hier das Rad zurückdrehen zu können. Es müſſe ein anderer Weg gegangen werden. Die Menſchen müßten um ſo energiſcher und gründlicher erzogen werden, daß ſie alle reif werden zur Selbſtverwaltung. Ein Volk verdiene die Demokratie dann, wenn Verantwortungs- gefühl, Verantwortungsbewußtſein da iſt bei denen, die berufen ſind, die Ausleſe der Führer vorzunehmen, aber auch bei denen, die bei der Führerausleſe berufen worden ſind, das Gemein- weſen zu führen. Der Kanzler ſchloß, die bloße Miniſterverant- wortlichkeit vor einem Parlament oder Staats- gerichtshof oder die Verantwortung vor der Ge- ſchichte genüge jedoch nicht allein, zu dieſen Ver- antwortlichkeiten müſſe eine höhere Verantwort- lichkeit hinzutreten, eine wirkliche Verantwortung, wie ſie der Demokratie, je größer das Maß der Freiheit der Geführten und das Maß der Macht der Führer ſein werde, am beſten geſichert ſei bei denen, die ſich verantwortlich wiſſen vor einer Macht, die abſolut genug iſt, um die Verant- wortung irgendeines Menſchen zur Geltung zu bringen. Das Schickſal der Völker ſei am beſten aufgehoben in den Händen derer, die ſich verant- wortlich wiſſen vor Gott. Damit ſei mit einem Wort geſagt, welche Kritik an der Demokratie die richtigſte iſt, es ſei der Weg der Erziehung des Volkes und der Selbſterziehung des einzelnen im Volk zur wahren Verantwortung. Der Sonnenburger Zuchthausprozeß Der Mörder mit den 12 Schlüſſeln „Altverwertung“ und neue Drillichjacken Sonnenburg, 22. Januar. In dem geſtern begonnenen großen Prozeß gegen 24 Be- amte der Strafanſtalt Sonnenburg, die des Diebſtahles, der Hehlerei, Unterſchlagung und Verleitung zum Meineide beſchuldigt wer- den, beſtritt heute Oberwachtmeiſter Köp- pen, ſich unrechtmäßig bereichert zu haben. Welchen Umfang die Durchſtechereien mit Lebens- und Genußmitteln im Zuchthaus Sonnenburg angenommen hatten, geht dar- aus hervor, daß bei einem einzigen Gefangenen einmal 17 Pakete Tabak beſchlagnahmt wurden, bei einem anderen ganze Pakete Schmalz, Butter und Speck. Der Staats- anwalt betonte hierzu, daß nach Bekundun- gen von Sträflingen dieſe Durchſtechereien von Beamten ſelbſt verübt worden ſeien, und zwar in der Hauptſache für die in der Schneiderſtube tätigen Gefangenen. Aufſehen erregte die Mitteilung, daß dem Strafgefangenen Paaſch, einem Mörder, bei Einleitung der Unterſuchung wegen der Unterſchlagungen nicht weniger als 12 Schlüſſel zu allen möglichen Türen und Portalen abge- nommen wurden, die er von dem Werkmeiſter Gra- funder der Firma Schwarzſchild erhalten habe. Zur Sprache kam ferner, daß ſich unter dem der Firma Schwarzſchild zur „Altver- wertung“ übergebenen Heeresgut zum Teil nagelneue Drillichjacken befanden, die noch mit dem Fabrikationsetikett verſehen und überhaupt noch nicht getragen waren. An die Beamten des Zuchthauſes wurden Drillichhoſen für eine Mark, Drillichjacken für 1,25 Mark abgegeben, zu entſprechend niedrigen Preiſen auch ſonſtige Kleidungs- ſtücke. Eingehende Fragen des Vorſitzenden und der Staatsanwaltſchaft ergaben wiederholt die Erwähnung des Oberwachtmeiſters Nau- mann, der die Verladungen der Heeresgut- transporte auf dem Bahnhof Sonnenburg leitete und nach der Anklage einer der Hauptvermittler bei den Schiebungen ge- weſen ſein ſoll. Gegen Naumann wird ge- trennt verhandelt werden. Der Reichspoſtminiſter behält ſich vor Die Bayeriſche Volkspartei gegen Hilferdings Programm München, 23. Januar. Die Reichskorre- ſpondenz der Bayeriſchen Volkspartei teilt mit: Die am letzten Samstag durch die Preſſe gegangene Meldung, daß ſich der Ver- trauensmann der Bayeriſchen Volkspartei im Reichskabinett, Reichspoſtminiſter Dr. Schätzel, für die Hilferdingſchen Steuer- pläne ausgeſprochen hat, iſt in einzelnen Blättern inzwiſchen dahin korrigiert wor- den, daß in den Kabinettsſitzungen der Reichsregierung überhaupt keine Beſchlüſſe gefaßt worden ſeien. Die eine Darſtellung iſt ſo unzutreffend wie die andere. Richtig iſt vielmehr, daß im Kabinett tat- ſächlich über die Steuervorlage abgeſtimmt wurde, und zwar unter dem betonten Wider- ſpruche des Reichspoſtminiſters Dr. Schätzel, der ſich alle Konſequenzen vorbehalten hat.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929, S. Seite 2[2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine19_1929/2>, abgerufen am 01.06.2024.