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Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929.

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Mittwoch, den 23. Januae "AZ am Abend" Nr. 19
Durch deutsche Kontrolle festgestellt:
Neuer Sachlieferungsschwindel
in Frankreich

Zuckerschiebungen * Verhaftung und Haftbefehle


Nach den Meldungen
der gestrigen Abendblätter beschäftigen sich
die französischen Gerichte mit der Aufdeckung
eines neuen Sachlieferungsschwindels. Er
betrifft eine Lieferung von Zucker an die
Societe Fermiere de Sucrerie, die inzwischen
in Konkurs geraten ist. Nach den eingezoge-
nen Auskünften handelt es sich offenbar um
einen
Reparationsbetrug.
Der fragliche Reparationsvertrag über Zucker
im Werte von rund 166 000 englischen Pfund
gab bei der Vorlegung bei den Reparations-
instanzen zu keinerlei Beanstandungen An-
laß. Dagegen ist im Wege der deutschen Kon-
trolle festgestellt worden, daß die fragliche
Zuckersendung unter Verletzung der Bestim-
mungen des Vertrags des Vallenberg-
Reglements nach England geleitet worden
ist. Das deutsche Sachlieferungsbüro ist da-
her beim Sachlieferungsbüro der Repara-
tionskommission bereits im Oktober 1927
vorstellig geworden.

Nun ist der Vorsitzende des Verwaltungs-
rates der Societe Fermiere de Sucrerie,
Pollier, unter der Anklage des Betruges
und des Vertrauensmißbrauches zum Scha-
den des Staates
verhaftet
worden. Gegen zwei weitere Mitglieder des
Verwaltungsrates sind Haftbefehle erlassen
worden, doch hat sich der Belgier Robiano
rechtzeitig nach Belgien in Sicherheit brin-
gen können. Der Zweite, der Russe Nontsky,
hält sich in England auf.

Die Geschäftsräume der Societe Fermiere
haben sich "Ami du Peuple" zufolge, in dem
Hause befunden, in dem die "Gazette du
Franc" ihren Sitz hatte. Das Blatt frägt
deshalb, ob es sich bei dieser Gelegenheit
etwa um eine der Unternehmungen der Frau
Hanau handle.

Wie die Agence Havas berichtet, war der
wegen Beteiligung an dem Reparations-
schwindel wegen Zuckerlieferungen verhaf-
tete Franzose Pollier
der Strohmann zweier Ausländer
namens Wolfson und des Russen Babutsch-
kin. Die beiden hatten eine Schiffahrts-
gesellschaft gegründet und, damit sie die
französische Flagge führen durften, Pollier
als Franzosen zum Geschäftsführer bestellt.
Die Schiffahrtsgesellschaft besaß kein Schiff,
sondern sollte nur dazu dienen, einen Sach-
lieferungsvertrag zu erhalten. Da dies nicht
gelang, hat Pollier durch Vermittlung einer
Zuckerfirma einen Reparationslieferungs-
vertrag über 30 000 Tonnen Zucker durch-
gesetzt. Die betreffende Zuckerfirma hat nun,
als der Vertrag wegen Nichtzahlung der
fälligen Gelder beanstandet wurde, eine
Klage gegen Pollier eingereicht, da dieser
sehr wohl die Gelder erhalten, aber für sich
persönlich verausgabt haben soll.

18 Zimmerleute in Leipzig
verhaftet
Erfolgreiche Razzia

Wegen schwerer Aus-
schreitungen, die in Leipzig von Hamburger
Zimmerleuten begangen wurden, hielt die

Professor Silex +
[Abbildung]

Der Berliner Augenarzt Geheimer Medizinalrat
Professor Dr. Paul Silex ist am 20. Januar im
Alter von 70 Jahren an einem Herzleiden ge-
storben. Der Gelehrte, der internationalen Ruf
genoß, hat sich ganz besondere Verdienste auf
dem Gebiet der Fürsorge für die Kriegsblinden
erworben.

[Spaltenumbruch]

Polizei im Stadtviertel Nauendörfchen eine
große Razzia ab. Während der Durchsuchung
wurden 18 Hamburger Zimmerleute ver-
haftet. Sie waren zum größten Teil polizei-
lich nicht gemeldet. Der Grund zum Ein-
schreiten war folgendes Ereignis: Vorgestern
nacht drangen einige Zimmerleute in eine
Gastwirtschaft ein und schlugen auf die
Gäste ein. Die Ueberfallenen hatten kaum
Gelegenheit, sich zur Wehr zu setzen, wäh-
rend die Eindringlinge fast die gesamte Ein-
richtung des Lokals demolierten.

Das erste, Ganzmetall-Luftschiff,
[Abbildung]

die dampfgetriebene "City of Glendale" hat von seiner Halle in Glendale (A.S.A.)
seine erste Probefahrt erfolgreich ausgeführt.

Wechselfälschungen einer Berliner Bank

Ausländische Banken klagen * Inhaber der Firma verschwunden


Die Bankfirma G.
Löwenberg & Co. in Berlin, hat ihre
Zahlungen eingestellt. Für das Börsen-
geschäft hatte die Firma keine Bedeutung
mehr und unterhielt auch keine nennens-
werten Engagements an der Börse.

Im Auftrage der Staatsanwaltschaft 1
Berlin hat gestern vormittag die Berliner
Kriminalpolizei Ermittlungen zur Aufklä-
rung schwerer Beschuldigungen eingeleitet,
die gegen den Inhaber des Bankhauses G.
Löwenberg & Co., Unter den Linden 42,
Dr. Lewin, erhoben werden. Dr. Lewin wird
beschuldigt,
Wechselfälschungen in außerordentlicher
Höhe

begangen zu haben, durch die nicht nur Ber-
liner Bankinstitute, sondern vor allem aus-
wärtige Banken geschädigt worden sind.

Bisher sind gefälschte Wechsel in Höhe
von einigen 100 000 Mark aufgetaucht. Man
wird aber in der Vermutung nicht fehl
gehen, daß sich dieser Betrag
um ein Vielfaches erhöhen
wird. Dr. Lewin, der heute von Kriminal-
kommissar Seifferth vernommen werden
sollte, ist seit zehn Tagen aus Berlin ver-
schwunden. Ebenso forscht man nach dem
Aufenthalt der beiden Mitinhaber. Ein Ge-
rücht will wissen, daß der Selbstmord des
Rennstallbesitzers Ernst Gottschalk in Zu-
sammenhang mit dieser Affäre steht

Zu dem Zusammenbruch des Bankhauses
Löwenberg & Co., Unter den Linden, das im
Jahre 1848 gegründet worden ist und mit zu
den ältesten Banken Berlins gehörte, teilt
eine Berliner Korrespondenz in Ergänzung
der bereits bekannt gewordenen Tatsachen
mit, daß die Untersuchung durch eine Reihe
ausländischer Banken veranlaßt worden ist,
die
bei der Berliner Staatsanwaltschaft
Anzeige wegen Wechselfälschung

erstattet haben. Der jetzige Besitzer des Bank-
hauses, Dr. Isaak Lewin, ist nach den An-
gaben der Korrespondenz im Jahre 1887 in
Kiew geboren und besitzt das amerikanische
Bürgerrecht. Er wurde in der Geschäfts-
führung unterstützt von dem Prokuristen
Leonhard Rappeport, der 1895 in
Moskau geboren und russischer Nationalität
ist. Der Prokurist ist bereits vor einigen
Tagen von der Kriminalpolizei vernommen

[Spaltenumbruch]

worden und hat das Vorliegen einer Wech-
selfälschung entschieden bestritten. Er soll sich
zurzeit in einem Sanatorium befinden.

Herr Lewin, der das Geschäft vor etwa
drei Jahren übernommen hat, ist im Ja-
nuar nach Paris gereist und hat am ver-
gangenen Donnerstag seine Frau telephonisch
veranlaßt, ihm dorthin zu folgen.



Die Summe der
bis jetzt festgestellten gefälschten Wechsel be-
trägt laut "Berliner Tageblatt" drei
Millionen Mark,
jedoch ist zu befürch-
ten, daß die wirkliche Schadensumme weit
höher ist. Man vermutet, daß noch weitere
große Mengen gefälschter Wechsel im Um-
lauf sind. Zu den Geschädigten gehört eine
Reihe der bekanntesten Berliner und Ham-
burgen Bankhäuser.

Die verratene Denkschrift

Die Ermittlungsergebnisse des Reichswehrmini-
steriums über die verratene Panzerschiffdenk-
schrift sind laut "D.A.Z." nunmehr dem Ober-
reichsanwalt übergeben
worden.

Autobus gegen Straßenbahn
20 Tote

Es fuhr ein
elektrischer Straßenwagen der Lake Shore-
Vorortbahn an einer Straßenkreuzung in
einen Passagierautobus hinein, der sich auf
der Fahrt von Pittsburg nach Chikago be-
fand. Nach den bisher vorliegenden Berich-
ten sind dabei 20 Passagiere des Omnibusses
getötet worden. Der Zusammenstoß erfolgte
mit solcher Wucht, daß der Autobus in einen
Graben geschleudert und völlig zertrümmert
wurde, während der Straßenbahnwagen
entgleiste und auf den Autobus stürzte. Die
Trümmer des Autobusses hatten sich derart
in die Vorderachse des Straßenbahnwagens
eingekeilt, daß es zwei Stunden dauerte, ehe
die Rettungsarbeiten soweit vorgeschritten
waren, daß die ersten Leichen befreit wer-
den konnten.

Von den Passagieren des Wagens der
Straßenbahn wurde niemand ernstlich ver-
letzt, doch befürchtet man, daß sich noch wei-
tere Leichen unter den Trümmern des
Autobusses befinden. Der Führer des Autos
blieb unverletzt und erklärte, er sei durch den
Schnee geblendet worden, und habe den
nahenden Straßenbahnwagen nicht gesehen.

[Spaltenumbruch]
Erneute Prüfung
Tunnel unter dem Aermelkanal

Frankreich befürwortet stark die neuen Bestrebungen


In Beantwortung
einer Anfrage sagte Premierminister Bald-
win:
Angesichts des weitgehenden öffent-
lichen Interesses an dem Plan eines Tunnels
unter dem Aermelkanal ist die Regierung zu
der Ueberzeugung gelangt, daß die Zeit ge-
kommen ist, die Frage einer erneuten gründ-
lichen Prüfung zu unterziehen. Der Premier-
minister erklärte, daß die wirtschaftliche
Seite der Frage gemeinsam mit der Frage
der Reichsverteidigung untersucht werden
müßte, und daß es notwendig sei, eine über-
parteiliche Untersuchung zu veranstalten, da-
mit die schließliche Entscheidung einer Re-
gierung nicht durch eine spätere Regierung

[Spaltenumbruch]

umgestoßen werde. Er ersuchte deshalb
Macdonald und Lloyd George, als Führer
der Oppositionsparteien bei der kommenden
Untersuchung mit der Regierung zusammen-
zuarbeiten.


Das französische Ko-
mitee für den Bau eines Tunnels unter
dem Aermelkanal hat eine Entschließung an-
genommen, die mit Befriedigung von der
günstigen Einstellung der englischen Regie-
rung zu dem Plan eines Tunnelbaus Kennt-
nis nimmt und betont, daß das Komitee,
falls die englische Regierung die Inangriff-
nahme dieses Tunnelbaus genehmigen
werde, diesen Beschluß als das wertvollste
Werkzeug der Annäherung zwischen Frank-
reich und England und als die endgültige
Garantie des Friedens in Europa begrüßen
werde.

Der Ueberfall
im Reichsentschädigungsamt

Das Hauptverfahren gegen Langkopp
eröffnet


Die Strafkammer des
Landgerichts II unter Vorsitz des Land-
gerichtsdirektors Hartmann hat das
Hauptverfahren in dem Strafprozeß gegen
den Farmer Heinrich Langkopp und gegen
den Kaufmann Fritz Los eröffnet. Nach die-
sem Beschluß wird Langkopp unter Anklage
gestellt wegen räuberischer Erpressung, Ver-
gehens gegen das Sprengstoffgesetz, unbe-
fugten Waffenbesitzes und in zwei Fällen
wegen Nötigung mit Totschlagsbedrohung
gegenüber dem Präsidenten Karpinski vom
Reichsentschädigungsamt und dem stellver-
tretenden Präsidenten Geheimrat Bach, denen
er mit Erschießen gedroht hatte.

Gegen Los ist das Verfahren eröffnet
worden wegen Beihilfe zur räuberischen Er-
pressung und Sprengstoffvergehens.

Riesenbrand in Konstantinopel

In dem dichtbevölkerten griechischen Viertel
Talavala brach ein Brand aus, der infolge des
herrschenden Schneesturmes sich rasch ausbreitete
und ungefähr 1000 Häuser in Asche legte. Etwa
5000 Personen sind ohne Obdach. Die Zahl der
Verunglückten steht noch nicht fest.

[irrelevantes Material]
Nathan der Weise
Neu einstudiert
im Prinzregententheater

Diese von Fritz Holl besorgte Neueinstudie-
rung des "Nathan" zur 200. Wiederkehr von
Lessings Geburtstag ist eine hocherfreuliche Lei-
stung des Staatstheaters, eine Aufführung, die
zu den besten Darbietungen der Staatsbühne
gehört. Mögen auch Einzelheiten in der In-
ßenierung nicht immer ganz befriedigend gewesen
sein, man sah und spürte doch den großen, reinen
Zug, der durch das Ganze ging; und wenn die
Bühnenbilder vor und in Nathans Haus vielleicht
etwas kahl anmuteten, so entschädigten wieder
dafür die schöne Ausgestaltung der Szenen in
des Sultans Palast und in Sittahs Harem.

Prachtvoll war Ulmers Nathan, eine der
besten Gaben seiner Kunst. Ton und Gebärde,
jede kleinste Bewegung war von wunderbarer
Wahrheit und Ausdrucksfähigkeit, ob er selbst
sprach oder ob er den andern zuhörte und nur
die Regungen seines Innern auf seinem Gesicht,
in der Bewegung seiner Züge widerspiegeln ließ.
Bei all seiner Weisheit und Abgeklärtheit war
dieser Nathan von ergreifendster Menschlichkeit,
und die Erzählung der Ringfabel in ihrem
schlicht einsetzenden Anfang und ihrer von jeder
Deklamation so gänzlich abgekehrten Durchfüh-
rung ein Meisterstück. Neben Nathan verdient
der Tempelherr Albert Lipperts in seiner
trotzigen, stolzen Männlichkeit hohes Lob, ebenso
Vasils Klosterbruder, das Musterbild frommer
Einfalt, Graumanns Saladin, dessen heiterer
Ueberlegenheit doch auch die edle Größe nicht
fehlte, Kaethe Bierkowskis Sittah und Anna
Dandlers köstliche Daja. Die Recha spielte
Midi Scheinpflug, vielleicht etwas mehr
als nötig ans Kindliche und harmlos Oberfläch-
liche gehalten, aber doch voll natürlichem Reiz.
Zäpfels beweglicher Derwisch und Georg
Henrichs eifernder Klosterbruder waren eben-
falls von guter Wirkung.

Kurz, im ganzen eine ausgezeichnete Dar-
stellung, die die Schönheiten des erhabenen,
ewigen Werkes aufs neue offenbarten.

Mittwoch, den 23. Januae „AZ am Abend“ Nr. 19
Durch deutsche Kontrolle festgestellt:
Neuer Sachlieferungsſchwindel
in Frankreich

Zuckerſchiebungen * Verhaftung und Haftbefehle


Nach den Meldungen
der geſtrigen Abendblätter beſchäftigen ſich
die franzöſiſchen Gerichte mit der Aufdeckung
eines neuen Sachlieferungsſchwindels. Er
betrifft eine Lieferung von Zucker an die
Société Fermière de Sucrerie, die inzwiſchen
in Konkurs geraten iſt. Nach den eingezoge-
nen Auskünften handelt es ſich offenbar um
einen
Reparationsbetrug.
Der fragliche Reparationsvertrag über Zucker
im Werte von rund 166 000 engliſchen Pfund
gab bei der Vorlegung bei den Reparations-
inſtanzen zu keinerlei Beanſtandungen An-
laß. Dagegen iſt im Wege der deutſchen Kon-
trolle feſtgeſtellt worden, daß die fragliche
Zuckerſendung unter Verletzung der Beſtim-
mungen des Vertrags des Vallenberg-
Reglements nach England geleitet worden
iſt. Das deutſche Sachlieferungsbüro iſt da-
her beim Sachlieferungsbüro der Repara-
tionskommiſſion bereits im Oktober 1927
vorſtellig geworden.

Nun iſt der Vorſitzende des Verwaltungs-
rates der Société Fermière de Sucrerie,
Pollier, unter der Anklage des Betruges
und des Vertrauensmißbrauches zum Scha-
den des Staates
verhaftet
worden. Gegen zwei weitere Mitglieder des
Verwaltungsrates ſind Haftbefehle erlaſſen
worden, doch hat ſich der Belgier Robiano
rechtzeitig nach Belgien in Sicherheit brin-
gen können. Der Zweite, der Ruſſe Nontſky,
hält ſich in England auf.

Die Geſchäftsräume der Société Fermière
haben ſich „Ami du Peuple“ zufolge, in dem
Hauſe befunden, in dem die „Gazette du
Franc“ ihren Sitz hatte. Das Blatt frägt
deshalb, ob es ſich bei dieſer Gelegenheit
etwa um eine der Unternehmungen der Frau
Hanau handle.

Wie die Agence Havas berichtet, war der
wegen Beteiligung an dem Reparations-
ſchwindel wegen Zuckerlieferungen verhaf-
tete Franzoſe Pollier
der Strohmann zweier Ausländer
namens Wolfſon und des Ruſſen Babutſch-
kin. Die beiden hatten eine Schiffahrts-
geſellſchaft gegründet und, damit ſie die
franzöſiſche Flagge führen durften, Pollier
als Franzoſen zum Geſchäftsführer beſtellt.
Die Schiffahrtsgeſellſchaft beſaß kein Schiff,
ſondern ſollte nur dazu dienen, einen Sach-
lieferungsvertrag zu erhalten. Da dies nicht
gelang, hat Pollier durch Vermittlung einer
Zuckerfirma einen Reparationslieferungs-
vertrag über 30 000 Tonnen Zucker durch-
geſetzt. Die betreffende Zuckerfirma hat nun,
als der Vertrag wegen Nichtzahlung der
fälligen Gelder beanſtandet wurde, eine
Klage gegen Pollier eingereicht, da dieſer
ſehr wohl die Gelder erhalten, aber für ſich
perſönlich verausgabt haben ſoll.

18 Zimmerleute in Leipzig
verhaftet
Erfolgreiche Razzia

Wegen ſchwerer Aus-
ſchreitungen, die in Leipzig von Hamburger
Zimmerleuten begangen wurden, hielt die

Profeſſor Silex †
[Abbildung]

Der Berliner Augenarzt Geheimer Medizinalrat
Profeſſor Dr. Paul Silex iſt am 20. Januar im
Alter von 70 Jahren an einem Herzleiden ge-
ſtorben. Der Gelehrte, der internationalen Ruf
genoß, hat ſich ganz beſondere Verdienſte auf
dem Gebiet der Fürſorge für die Kriegsblinden
erworben.

[Spaltenumbruch]

Polizei im Stadtviertel Nauendörfchen eine
große Razzia ab. Während der Durchſuchung
wurden 18 Hamburger Zimmerleute ver-
haftet. Sie waren zum größten Teil polizei-
lich nicht gemeldet. Der Grund zum Ein-
ſchreiten war folgendes Ereignis: Vorgeſtern
nacht drangen einige Zimmerleute in eine
Gaſtwirtſchaft ein und ſchlugen auf die
Gäſte ein. Die Ueberfallenen hatten kaum
Gelegenheit, ſich zur Wehr zu ſetzen, wäh-
rend die Eindringlinge faſt die geſamte Ein-
richtung des Lokals demolierten.

Das erſte, Ganzmetall-Luftſchiff,
[Abbildung]

die dampfgetriebene „City of Glendale“ hat von ſeiner Halle in Glendale (A.S.A.)
ſeine erſte Probefahrt erfolgreich ausgeführt.

Wechſelfälſchungen einer Berliner Bank

Ausländiſche Banken klagen * Inhaber der Firma verſchwunden


Die Bankfirma G.
Löwenberg & Co. in Berlin, hat ihre
Zahlungen eingeſtellt. Für das Börſen-
geſchäft hatte die Firma keine Bedeutung
mehr und unterhielt auch keine nennens-
werten Engagements an der Börſe.

Im Auftrage der Staatsanwaltſchaft 1
Berlin hat geſtern vormittag die Berliner
Kriminalpolizei Ermittlungen zur Aufklä-
rung ſchwerer Beſchuldigungen eingeleitet,
die gegen den Inhaber des Bankhauſes G.
Löwenberg & Co., Unter den Linden 42,
Dr. Lewin, erhoben werden. Dr. Lewin wird
beſchuldigt,
Wechſelfälſchungen in außerordentlicher
Höhe

begangen zu haben, durch die nicht nur Ber-
liner Bankinſtitute, ſondern vor allem aus-
wärtige Banken geſchädigt worden ſind.

Bisher ſind gefälſchte Wechſel in Höhe
von einigen 100 000 Mark aufgetaucht. Man
wird aber in der Vermutung nicht fehl
gehen, daß ſich dieſer Betrag
um ein Vielfaches erhöhen
wird. Dr. Lewin, der heute von Kriminal-
kommiſſar Seifferth vernommen werden
ſollte, iſt ſeit zehn Tagen aus Berlin ver-
ſchwunden. Ebenſo forſcht man nach dem
Aufenthalt der beiden Mitinhaber. Ein Ge-
rücht will wiſſen, daß der Selbſtmord des
Rennſtallbeſitzers Ernſt Gottſchalk in Zu-
ſammenhang mit dieſer Affäre ſteht

Zu dem Zuſammenbruch des Bankhauſes
Löwenberg & Co., Unter den Linden, das im
Jahre 1848 gegründet worden iſt und mit zu
den älteſten Banken Berlins gehörte, teilt
eine Berliner Korreſpondenz in Ergänzung
der bereits bekannt gewordenen Tatſachen
mit, daß die Unterſuchung durch eine Reihe
ausländiſcher Banken veranlaßt worden iſt,
die
bei der Berliner Staatsanwaltſchaft
Anzeige wegen Wechſelfälſchung

erſtattet haben. Der jetzige Beſitzer des Bank-
hauſes, Dr. Iſaak Lewin, iſt nach den An-
gaben der Korreſpondenz im Jahre 1887 in
Kiew geboren und beſitzt das amerikaniſche
Bürgerrecht. Er wurde in der Geſchäfts-
führung unterſtützt von dem Prokuriſten
Leonhard Rappeport, der 1895 in
Moskau geboren und ruſſiſcher Nationalität
iſt. Der Prokuriſt iſt bereits vor einigen
Tagen von der Kriminalpolizei vernommen

[Spaltenumbruch]

worden und hat das Vorliegen einer Wech-
ſelfälſchung entſchieden beſtritten. Er ſoll ſich
zurzeit in einem Sanatorium befinden.

Herr Lewin, der das Geſchäft vor etwa
drei Jahren übernommen hat, iſt im Ja-
nuar nach Paris gereiſt und hat am ver-
gangenen Donnerstag ſeine Frau telephoniſch
veranlaßt, ihm dorthin zu folgen.



Die Summe der
bis jetzt feſtgeſtellten gefälſchten Wechſel be-
trägt laut „Berliner Tageblatt“ drei
Millionen Mark,
jedoch iſt zu befürch-
ten, daß die wirkliche Schadenſumme weit
höher iſt. Man vermutet, daß noch weitere
große Mengen gefälſchter Wechſel im Um-
lauf ſind. Zu den Geſchädigten gehört eine
Reihe der bekannteſten Berliner und Ham-
burgen Bankhäuſer.

Die verratene Denkſchrift

Die Ermittlungsergebniſſe des Reichswehrmini-
ſteriums über die verratene Panzerſchiffdenk-
ſchrift ſind laut „D.A.Z.“ nunmehr dem Ober-
reichsanwalt übergeben
worden.

Autobus gegen Straßenbahn
20 Tote

Es fuhr ein
elektriſcher Straßenwagen der Lake Shore-
Vorortbahn an einer Straßenkreuzung in
einen Paſſagierautobus hinein, der ſich auf
der Fahrt von Pittsburg nach Chikago be-
fand. Nach den bisher vorliegenden Berich-
ten ſind dabei 20 Paſſagiere des Omnibuſſes
getötet worden. Der Zuſammenſtoß erfolgte
mit ſolcher Wucht, daß der Autobus in einen
Graben geſchleudert und völlig zertrümmert
wurde, während der Straßenbahnwagen
entgleiſte und auf den Autobus ſtürzte. Die
Trümmer des Autobuſſes hatten ſich derart
in die Vorderachſe des Straßenbahnwagens
eingekeilt, daß es zwei Stunden dauerte, ehe
die Rettungsarbeiten ſoweit vorgeſchritten
waren, daß die erſten Leichen befreit wer-
den konnten.

Von den Paſſagieren des Wagens der
Straßenbahn wurde niemand ernſtlich ver-
letzt, doch befürchtet man, daß ſich noch wei-
tere Leichen unter den Trümmern des
Autobuſſes befinden. Der Führer des Autos
blieb unverletzt und erklärte, er ſei durch den
Schnee geblendet worden, und habe den
nahenden Straßenbahnwagen nicht geſehen.

[Spaltenumbruch]
Erneute Prüfung
Tunnel unter dem Aermelkanal

Frankreich befürwortet ſtark die neuen Beſtrebungen


In Beantwortung
einer Anfrage ſagte Premierminiſter Bald-
win:
Angeſichts des weitgehenden öffent-
lichen Intereſſes an dem Plan eines Tunnels
unter dem Aermelkanal iſt die Regierung zu
der Ueberzeugung gelangt, daß die Zeit ge-
kommen iſt, die Frage einer erneuten gründ-
lichen Prüfung zu unterziehen. Der Premier-
miniſter erklärte, daß die wirtſchaftliche
Seite der Frage gemeinſam mit der Frage
der Reichsverteidigung unterſucht werden
müßte, und daß es notwendig ſei, eine über-
parteiliche Unterſuchung zu veranſtalten, da-
mit die ſchließliche Entſcheidung einer Re-
gierung nicht durch eine ſpätere Regierung

[Spaltenumbruch]

umgeſtoßen werde. Er erſuchte deshalb
Macdonald und Lloyd George, als Führer
der Oppoſitionsparteien bei der kommenden
Unterſuchung mit der Regierung zuſammen-
zuarbeiten.


Das franzöſiſche Ko-
mitee für den Bau eines Tunnels unter
dem Aermelkanal hat eine Entſchließung an-
genommen, die mit Befriedigung von der
günſtigen Einſtellung der engliſchen Regie-
rung zu dem Plan eines Tunnelbaus Kennt-
nis nimmt und betont, daß das Komitee,
falls die engliſche Regierung die Inangriff-
nahme dieſes Tunnelbaus genehmigen
werde, dieſen Beſchluß als das wertvollſte
Werkzeug der Annäherung zwiſchen Frank-
reich und England und als die endgültige
Garantie des Friedens in Europa begrüßen
werde.

Der Ueberfall
im Reichsentſchädigungsamt

Das Hauptverfahren gegen Langkopp
eröffnet


Die Strafkammer des
Landgerichts II unter Vorſitz des Land-
gerichtsdirektors Hartmann hat das
Hauptverfahren in dem Strafprozeß gegen
den Farmer Heinrich Langkopp und gegen
den Kaufmann Fritz Los eröffnet. Nach die-
ſem Beſchluß wird Langkopp unter Anklage
geſtellt wegen räuberiſcher Erpreſſung, Ver-
gehens gegen das Sprengſtoffgeſetz, unbe-
fugten Waffenbeſitzes und in zwei Fällen
wegen Nötigung mit Totſchlagsbedrohung
gegenüber dem Präſidenten Karpinſki vom
Reichsentſchädigungsamt und dem ſtellver-
tretenden Präſidenten Geheimrat Bach, denen
er mit Erſchießen gedroht hatte.

Gegen Los iſt das Verfahren eröffnet
worden wegen Beihilfe zur räuberiſchen Er-
preſſung und Sprengſtoffvergehens.

Rieſenbrand in Konſtantinopel

In dem dichtbevölkerten griechiſchen Viertel
Talavala brach ein Brand aus, der infolge des
herrſchenden Schneeſturmes ſich raſch ausbreitete
und ungefähr 1000 Häuſer in Aſche legte. Etwa
5000 Perſonen ſind ohne Obdach. Die Zahl der
Verunglückten ſteht noch nicht feſt.

[irrelevantes Material]
Nathan der Weiſe
Neu einſtudiert
im Prinzregententheater

Dieſe von Fritz Holl beſorgte Neueinſtudie-
rung des „Nathan“ zur 200. Wiederkehr von
Leſſings Geburtstag iſt eine hocherfreuliche Lei-
ſtung des Staatstheaters, eine Aufführung, die
zu den beſten Darbietungen der Staatsbühne
gehört. Mögen auch Einzelheiten in der In-
ſzenierung nicht immer ganz befriedigend geweſen
ſein, man ſah und ſpürte doch den großen, reinen
Zug, der durch das Ganze ging; und wenn die
Bühnenbilder vor und in Nathans Haus vielleicht
etwas kahl anmuteten, ſo entſchädigten wieder
dafür die ſchöne Ausgeſtaltung der Szenen in
des Sultans Palaſt und in Sittahs Harem.

Prachtvoll war Ulmers Nathan, eine der
beſten Gaben ſeiner Kunſt. Ton und Gebärde,
jede kleinſte Bewegung war von wunderbarer
Wahrheit und Ausdrucksfähigkeit, ob er ſelbſt
ſprach oder ob er den andern zuhörte und nur
die Regungen ſeines Innern auf ſeinem Geſicht,
in der Bewegung ſeiner Züge widerſpiegeln ließ.
Bei all ſeiner Weisheit und Abgeklärtheit war
dieſer Nathan von ergreifendſter Menſchlichkeit,
und die Erzählung der Ringfabel in ihrem
ſchlicht einſetzenden Anfang und ihrer von jeder
Deklamation ſo gänzlich abgekehrten Durchfüh-
rung ein Meiſterſtück. Neben Nathan verdient
der Tempelherr Albert Lipperts in ſeiner
trotzigen, ſtolzen Männlichkeit hohes Lob, ebenſo
Vaſils Kloſterbruder, das Muſterbild frommer
Einfalt, Graumanns Saladin, deſſen heiterer
Ueberlegenheit doch auch die edle Größe nicht
fehlte, Kaethe Bierkowſkis Sittah und Anna
Dandlers köſtliche Daja. Die Recha ſpielte
Midi Scheinpflug, vielleicht etwas mehr
als nötig ans Kindliche und harmlos Oberfläch-
liche gehalten, aber doch voll natürlichem Reiz.
Zäpfels beweglicher Derwiſch und Georg
Henrichs eifernder Kloſterbruder waren eben-
falls von guter Wirkung.

Kurz, im ganzen eine ausgezeichnete Dar-
ſtellung, die die Schönheiten des erhabenen,
ewigen Werkes aufs neue offenbarten.

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[Seite 3[3]/0003] Mittwoch, den 23. Januae „AZ am Abend“ Nr. 19 Durch deutsche Kontrolle festgestellt: Neuer Sachlieferungsſchwindel in Frankreich Zuckerſchiebungen * Verhaftung und Haftbefehle Paris, 23. Januar. Nach den Meldungen der geſtrigen Abendblätter beſchäftigen ſich die franzöſiſchen Gerichte mit der Aufdeckung eines neuen Sachlieferungsſchwindels. Er betrifft eine Lieferung von Zucker an die Société Fermière de Sucrerie, die inzwiſchen in Konkurs geraten iſt. Nach den eingezoge- nen Auskünften handelt es ſich offenbar um einen Reparationsbetrug. Der fragliche Reparationsvertrag über Zucker im Werte von rund 166 000 engliſchen Pfund gab bei der Vorlegung bei den Reparations- inſtanzen zu keinerlei Beanſtandungen An- laß. Dagegen iſt im Wege der deutſchen Kon- trolle feſtgeſtellt worden, daß die fragliche Zuckerſendung unter Verletzung der Beſtim- mungen des Vertrags des Vallenberg- Reglements nach England geleitet worden iſt. Das deutſche Sachlieferungsbüro iſt da- her beim Sachlieferungsbüro der Repara- tionskommiſſion bereits im Oktober 1927 vorſtellig geworden. Nun iſt der Vorſitzende des Verwaltungs- rates der Société Fermière de Sucrerie, Pollier, unter der Anklage des Betruges und des Vertrauensmißbrauches zum Scha- den des Staates verhaftet worden. Gegen zwei weitere Mitglieder des Verwaltungsrates ſind Haftbefehle erlaſſen worden, doch hat ſich der Belgier Robiano rechtzeitig nach Belgien in Sicherheit brin- gen können. Der Zweite, der Ruſſe Nontſky, hält ſich in England auf. Die Geſchäftsräume der Société Fermière haben ſich „Ami du Peuple“ zufolge, in dem Hauſe befunden, in dem die „Gazette du Franc“ ihren Sitz hatte. Das Blatt frägt deshalb, ob es ſich bei dieſer Gelegenheit etwa um eine der Unternehmungen der Frau Hanau handle. Wie die Agence Havas berichtet, war der wegen Beteiligung an dem Reparations- ſchwindel wegen Zuckerlieferungen verhaf- tete Franzoſe Pollier der Strohmann zweier Ausländer namens Wolfſon und des Ruſſen Babutſch- kin. Die beiden hatten eine Schiffahrts- geſellſchaft gegründet und, damit ſie die franzöſiſche Flagge führen durften, Pollier als Franzoſen zum Geſchäftsführer beſtellt. Die Schiffahrtsgeſellſchaft beſaß kein Schiff, ſondern ſollte nur dazu dienen, einen Sach- lieferungsvertrag zu erhalten. Da dies nicht gelang, hat Pollier durch Vermittlung einer Zuckerfirma einen Reparationslieferungs- vertrag über 30 000 Tonnen Zucker durch- geſetzt. Die betreffende Zuckerfirma hat nun, als der Vertrag wegen Nichtzahlung der fälligen Gelder beanſtandet wurde, eine Klage gegen Pollier eingereicht, da dieſer ſehr wohl die Gelder erhalten, aber für ſich perſönlich verausgabt haben ſoll. 18 Zimmerleute in Leipzig verhaftet Erfolgreiche Razzia Berlin, 23. Januar. Wegen ſchwerer Aus- ſchreitungen, die in Leipzig von Hamburger Zimmerleuten begangen wurden, hielt die Profeſſor Silex † [Abbildung Der Berliner Augenarzt Geheimer Medizinalrat Profeſſor Dr. Paul Silex iſt am 20. Januar im Alter von 70 Jahren an einem Herzleiden ge- ſtorben. Der Gelehrte, der internationalen Ruf genoß, hat ſich ganz beſondere Verdienſte auf dem Gebiet der Fürſorge für die Kriegsblinden erworben.] Polizei im Stadtviertel Nauendörfchen eine große Razzia ab. Während der Durchſuchung wurden 18 Hamburger Zimmerleute ver- haftet. Sie waren zum größten Teil polizei- lich nicht gemeldet. Der Grund zum Ein- ſchreiten war folgendes Ereignis: Vorgeſtern nacht drangen einige Zimmerleute in eine Gaſtwirtſchaft ein und ſchlugen auf die Gäſte ein. Die Ueberfallenen hatten kaum Gelegenheit, ſich zur Wehr zu ſetzen, wäh- rend die Eindringlinge faſt die geſamte Ein- richtung des Lokals demolierten. Das erſte, Ganzmetall-Luftſchiff, [Abbildung die dampfgetriebene „City of Glendale“ hat von ſeiner Halle in Glendale (A.S.A.) ſeine erſte Probefahrt erfolgreich ausgeführt.] Wechſelfälſchungen einer Berliner Bank Ausländiſche Banken klagen * Inhaber der Firma verſchwunden Berlin, 23. Januar. Die Bankfirma G. Löwenberg & Co. in Berlin, hat ihre Zahlungen eingeſtellt. Für das Börſen- geſchäft hatte die Firma keine Bedeutung mehr und unterhielt auch keine nennens- werten Engagements an der Börſe. Im Auftrage der Staatsanwaltſchaft 1 Berlin hat geſtern vormittag die Berliner Kriminalpolizei Ermittlungen zur Aufklä- rung ſchwerer Beſchuldigungen eingeleitet, die gegen den Inhaber des Bankhauſes G. Löwenberg & Co., Unter den Linden 42, Dr. Lewin, erhoben werden. Dr. Lewin wird beſchuldigt, Wechſelfälſchungen in außerordentlicher Höhe begangen zu haben, durch die nicht nur Ber- liner Bankinſtitute, ſondern vor allem aus- wärtige Banken geſchädigt worden ſind. Bisher ſind gefälſchte Wechſel in Höhe von einigen 100 000 Mark aufgetaucht. Man wird aber in der Vermutung nicht fehl gehen, daß ſich dieſer Betrag um ein Vielfaches erhöhen wird. Dr. Lewin, der heute von Kriminal- kommiſſar Seifferth vernommen werden ſollte, iſt ſeit zehn Tagen aus Berlin ver- ſchwunden. Ebenſo forſcht man nach dem Aufenthalt der beiden Mitinhaber. Ein Ge- rücht will wiſſen, daß der Selbſtmord des Rennſtallbeſitzers Ernſt Gottſchalk in Zu- ſammenhang mit dieſer Affäre ſteht Zu dem Zuſammenbruch des Bankhauſes Löwenberg & Co., Unter den Linden, das im Jahre 1848 gegründet worden iſt und mit zu den älteſten Banken Berlins gehörte, teilt eine Berliner Korreſpondenz in Ergänzung der bereits bekannt gewordenen Tatſachen mit, daß die Unterſuchung durch eine Reihe ausländiſcher Banken veranlaßt worden iſt, die bei der Berliner Staatsanwaltſchaft Anzeige wegen Wechſelfälſchung erſtattet haben. Der jetzige Beſitzer des Bank- hauſes, Dr. Iſaak Lewin, iſt nach den An- gaben der Korreſpondenz im Jahre 1887 in Kiew geboren und beſitzt das amerikaniſche Bürgerrecht. Er wurde in der Geſchäfts- führung unterſtützt von dem Prokuriſten Leonhard Rappeport, der 1895 in Moskau geboren und ruſſiſcher Nationalität iſt. Der Prokuriſt iſt bereits vor einigen Tagen von der Kriminalpolizei vernommen worden und hat das Vorliegen einer Wech- ſelfälſchung entſchieden beſtritten. Er ſoll ſich zurzeit in einem Sanatorium befinden. Herr Lewin, der das Geſchäft vor etwa drei Jahren übernommen hat, iſt im Ja- nuar nach Paris gereiſt und hat am ver- gangenen Donnerstag ſeine Frau telephoniſch veranlaßt, ihm dorthin zu folgen. Berlin, 23. Januar. Die Summe der bis jetzt feſtgeſtellten gefälſchten Wechſel be- trägt laut „Berliner Tageblatt“ drei Millionen Mark, jedoch iſt zu befürch- ten, daß die wirkliche Schadenſumme weit höher iſt. Man vermutet, daß noch weitere große Mengen gefälſchter Wechſel im Um- lauf ſind. Zu den Geſchädigten gehört eine Reihe der bekannteſten Berliner und Ham- burgen Bankhäuſer. Die verratene Denkſchrift Die Ermittlungsergebniſſe des Reichswehrmini- ſteriums über die verratene Panzerſchiffdenk- ſchrift ſind laut „D.A.Z.“ nunmehr dem Ober- reichsanwalt übergeben worden. Autobus gegen Straßenbahn 20 Tote Bellva (Ohio), 23. Januar. Es fuhr ein elektriſcher Straßenwagen der Lake Shore- Vorortbahn an einer Straßenkreuzung in einen Paſſagierautobus hinein, der ſich auf der Fahrt von Pittsburg nach Chikago be- fand. Nach den bisher vorliegenden Berich- ten ſind dabei 20 Paſſagiere des Omnibuſſes getötet worden. Der Zuſammenſtoß erfolgte mit ſolcher Wucht, daß der Autobus in einen Graben geſchleudert und völlig zertrümmert wurde, während der Straßenbahnwagen entgleiſte und auf den Autobus ſtürzte. Die Trümmer des Autobuſſes hatten ſich derart in die Vorderachſe des Straßenbahnwagens eingekeilt, daß es zwei Stunden dauerte, ehe die Rettungsarbeiten ſoweit vorgeſchritten waren, daß die erſten Leichen befreit wer- den konnten. Von den Paſſagieren des Wagens der Straßenbahn wurde niemand ernſtlich ver- letzt, doch befürchtet man, daß ſich noch wei- tere Leichen unter den Trümmern des Autobuſſes befinden. Der Führer des Autos blieb unverletzt und erklärte, er ſei durch den Schnee geblendet worden, und habe den nahenden Straßenbahnwagen nicht geſehen. Erneute Prüfung Tunnel unter dem Aermelkanal Frankreich befürwortet ſtark die neuen Beſtrebungen London, 23. Januar. In Beantwortung einer Anfrage ſagte Premierminiſter Bald- win: Angeſichts des weitgehenden öffent- lichen Intereſſes an dem Plan eines Tunnels unter dem Aermelkanal iſt die Regierung zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Zeit ge- kommen iſt, die Frage einer erneuten gründ- lichen Prüfung zu unterziehen. Der Premier- miniſter erklärte, daß die wirtſchaftliche Seite der Frage gemeinſam mit der Frage der Reichsverteidigung unterſucht werden müßte, und daß es notwendig ſei, eine über- parteiliche Unterſuchung zu veranſtalten, da- mit die ſchließliche Entſcheidung einer Re- gierung nicht durch eine ſpätere Regierung umgeſtoßen werde. Er erſuchte deshalb Macdonald und Lloyd George, als Führer der Oppoſitionsparteien bei der kommenden Unterſuchung mit der Regierung zuſammen- zuarbeiten. Paris, 23. Januar. Das franzöſiſche Ko- mitee für den Bau eines Tunnels unter dem Aermelkanal hat eine Entſchließung an- genommen, die mit Befriedigung von der günſtigen Einſtellung der engliſchen Regie- rung zu dem Plan eines Tunnelbaus Kennt- nis nimmt und betont, daß das Komitee, falls die engliſche Regierung die Inangriff- nahme dieſes Tunnelbaus genehmigen werde, dieſen Beſchluß als das wertvollſte Werkzeug der Annäherung zwiſchen Frank- reich und England und als die endgültige Garantie des Friedens in Europa begrüßen werde. Der Ueberfall im Reichsentſchädigungsamt Das Hauptverfahren gegen Langkopp eröffnet Berlin, 23. Januar. Die Strafkammer des Landgerichts II unter Vorſitz des Land- gerichtsdirektors Hartmann hat das Hauptverfahren in dem Strafprozeß gegen den Farmer Heinrich Langkopp und gegen den Kaufmann Fritz Los eröffnet. Nach die- ſem Beſchluß wird Langkopp unter Anklage geſtellt wegen räuberiſcher Erpreſſung, Ver- gehens gegen das Sprengſtoffgeſetz, unbe- fugten Waffenbeſitzes und in zwei Fällen wegen Nötigung mit Totſchlagsbedrohung gegenüber dem Präſidenten Karpinſki vom Reichsentſchädigungsamt und dem ſtellver- tretenden Präſidenten Geheimrat Bach, denen er mit Erſchießen gedroht hatte. Gegen Los iſt das Verfahren eröffnet worden wegen Beihilfe zur räuberiſchen Er- preſſung und Sprengſtoffvergehens. Rieſenbrand in Konſtantinopel In dem dichtbevölkerten griechiſchen Viertel Talavala brach ein Brand aus, der infolge des herrſchenden Schneeſturmes ſich raſch ausbreitete und ungefähr 1000 Häuſer in Aſche legte. Etwa 5000 Perſonen ſind ohne Obdach. Die Zahl der Verunglückten ſteht noch nicht feſt. _ Nathan der Weiſe Neu einſtudiert im Prinzregententheater Dieſe von Fritz Holl beſorgte Neueinſtudie- rung des „Nathan“ zur 200. Wiederkehr von Leſſings Geburtstag iſt eine hocherfreuliche Lei- ſtung des Staatstheaters, eine Aufführung, die zu den beſten Darbietungen der Staatsbühne gehört. Mögen auch Einzelheiten in der In- ſzenierung nicht immer ganz befriedigend geweſen ſein, man ſah und ſpürte doch den großen, reinen Zug, der durch das Ganze ging; und wenn die Bühnenbilder vor und in Nathans Haus vielleicht etwas kahl anmuteten, ſo entſchädigten wieder dafür die ſchöne Ausgeſtaltung der Szenen in des Sultans Palaſt und in Sittahs Harem. Prachtvoll war Ulmers Nathan, eine der beſten Gaben ſeiner Kunſt. Ton und Gebärde, jede kleinſte Bewegung war von wunderbarer Wahrheit und Ausdrucksfähigkeit, ob er ſelbſt ſprach oder ob er den andern zuhörte und nur die Regungen ſeines Innern auf ſeinem Geſicht, in der Bewegung ſeiner Züge widerſpiegeln ließ. Bei all ſeiner Weisheit und Abgeklärtheit war dieſer Nathan von ergreifendſter Menſchlichkeit, und die Erzählung der Ringfabel in ihrem ſchlicht einſetzenden Anfang und ihrer von jeder Deklamation ſo gänzlich abgekehrten Durchfüh- rung ein Meiſterſtück. Neben Nathan verdient der Tempelherr Albert Lipperts in ſeiner trotzigen, ſtolzen Männlichkeit hohes Lob, ebenſo Vaſils Kloſterbruder, das Muſterbild frommer Einfalt, Graumanns Saladin, deſſen heiterer Ueberlegenheit doch auch die edle Größe nicht fehlte, Kaethe Bierkowſkis Sittah und Anna Dandlers köſtliche Daja. Die Recha ſpielte Midi Scheinpflug, vielleicht etwas mehr als nötig ans Kindliche und harmlos Oberfläch- liche gehalten, aber doch voll natürlichem Reiz. Zäpfels beweglicher Derwiſch und Georg Henrichs eifernder Kloſterbruder waren eben- falls von guter Wirkung. Kurz, im ganzen eine ausgezeichnete Dar- ſtellung, die die Schönheiten des erhabenen, ewigen Werkes aufs neue offenbarten. H.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-01-02T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929, S. Seite 3[3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine19_1929/3>, abgerufen am 21.11.2024.