Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929.Medusa Um das Jahr 1650 an einem Augustnach- Meister Andreas wußte seine Waffen nicht Meister Andreas hatte sich doppelt vor- Meister Andreas hatte sich der Aufträge Er wollte die Seinen überraschen und Meister Andreas betrat sein hochgiebeliges Was er mit flüchtigem Blicke sah, war Meister Andreas zog den Vorhang zur licht des Schlafgemachs oft und nahe genug Meister Andreas fegte mit einer Hand- schlecht ausgewaschen, oder es war überhaupt Da blieb auf dem Boden ein Stück Pa- Kittels gesteckt haben mußte. Der Meister Hölle, Mord und Tod! Mit geballten Er stand wieder vor dem Bilde und Er verriegelte die Tür der Werkstatt von Er brauchte nicht lange zu warten, bis In der Mitte des monderleuchteten Rau- Das liebliche Bildnis war grauenhaft ver- All diese Höllenbrut bewegte sich. Ja! Sie Dort aber stand Meister Andreas, hoch Als am Morgen Frau Antje durch die Um dieselbe Stunde trabte Meister. An- Ein Lessinghaus der Stadt Kamenz
[Abbildung]
Im Mittelpunkt der Feiern, mit denen die Stadt Kamenz den 200. Geburtstag ihres größten Soh- Eine neue Chaplin-Anekdote Momentan kursiert eine funkelnagelneue Es war begreiflicherweise ein unerhörter Aber nun hatte sich auch noch ein jeder Endlich war man soweit! Ein Tusch ver- Nummer 31 hieß -- Charlie Chaplin. Es Ich habe diese Anekdote, nachdem ich sie [irrelevantes Material]
Meduſa Um das Jahr 1650 an einem Auguſtnach- Meiſter Andreas wußte ſeine Waffen nicht Meiſter Andreas hatte ſich doppelt vor- Meiſter Andreas hatte ſich der Aufträge Er wollte die Seinen überraſchen und Meiſter Andreas betrat ſein hochgiebeliges Was er mit flüchtigem Blicke ſah, war Meiſter Andreas zog den Vorhang zur licht des Schlafgemachs oft und nahe genug Meiſter Andreas fegte mit einer Hand- ſchlecht ausgewaſchen, oder es war überhaupt Da blieb auf dem Boden ein Stück Pa- Kittels geſteckt haben mußte. Der Meiſter Hölle, Mord und Tod! Mit geballten Er ſtand wieder vor dem Bilde und Er verriegelte die Tür der Werkſtatt von Er brauchte nicht lange zu warten, bis In der Mitte des monderleuchteten Rau- Das liebliche Bildnis war grauenhaft ver- All dieſe Höllenbrut bewegte ſich. Ja! Sie Dort aber ſtand Meiſter Andreas, hoch Als am Morgen Frau Antje durch die Um dieſelbe Stunde trabte Meiſter. An- Ein Leſſinghaus der Stadt Kamenz
[Abbildung]
Im Mittelpunkt der Feiern, mit denen die Stadt Kamenz den 200. Geburtstag ihres größten Soh- Eine neue Chaplin-Anekdote Momentan kurſiert eine funkelnagelneue Es war begreiflicherweiſe ein unerhörter Aber nun hatte ſich auch noch ein jeder Endlich war man ſoweit! Ein Tuſch ver- Nummer 31 hieß — Charlie Chaplin. Es Ich habe dieſe Anekdote, nachdem ich ſie [irrelevantes Material]
<TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <pb facs="#f0011"/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Meduſa</hi> </hi> </head><lb/> <byline> <hi rendition="#b">Von Otto Mittler</hi> </byline><lb/> <p>Um das Jahr 1650 an einem Auguſtnach-<lb/> mittage trabte Meiſter Andreas auf das<lb/> Tor der guten Stadt Leyden zu, deren<lb/> Türme er lang ſchon erblickt hatte. Der Huf-<lb/> ſchlag der ſtarkknochigen Fuchsſtute klang<lb/> auf der harten Straße, Schwanz und Mähne<lb/> flogen im Winde. Der Reiter ſaß wie ein<lb/> Kriegsmann im Sattel, ſehnig und hager,<lb/> ſchnauzbärtig und ſonnverbrannt. Auf dem<lb/> Schlapphut wallte die Feder; um das Leder-<lb/> koller war ein wuchtiger Stoßdegen gegür-<lb/> tet; aus den Halftertaſchen lugten hüben<lb/> und drüben die meſſingbeſchlagenen Kolben<lb/> der Reiterpiſtolen.</p><lb/> <p>Meiſter Andreas wußte ſeine Waffen nicht<lb/> nur mit Anſtand zu zeigen, ſondern auch<lb/> mit Nachdruck zu gebrauchen, wenn es ſein<lb/> mußte. Leicht hätte ſich die Notwendigkeit<lb/> ergeben können. Vor kurzem erſt hatte es<lb/> den großen Herrn gefallen, den Frieden zu<lb/> Münſter und Osnabrück zu ſchließen. Man-<lb/> cherlei Kriegsvolk, das nun nimmer im<lb/> Namen Gottes und des Kriegsherrn ſengen<lb/> und plündern durfte, mordete und plünderte<lb/> jetzt aus Gewohnheit für den eigenen Säckel,<lb/> ſo innerhalb wie außerhalb des heiligen<lb/> Reiches deutſcher Nation.</p><lb/> <p>Meiſter Andreas hatte ſich doppelt vor-<lb/> zuſehen. Sein Gaul trug in den Sattel-<lb/> taſchen wohlverwahrt etliche gewichtige<lb/> Beutel voll Gold, den klingenden Lohn<lb/> ehrenvoller Arbeit. Mehrere Adelige in<lb/> Flandern und Brabant hatten ihn auf ihre<lb/> Schlöſſer berufen, weil ſie meinten, es ſei<lb/> an der Zeit, die Reihe der Familienbilder,<lb/> die an den Wänden der getäfelten Hallen<lb/> hingen, um das eigene Konterfei würdig zu<lb/> vermehren.</p><lb/> <p>Meiſter Andreas hatte ſich der Aufträge<lb/> wacker entledigt. Er hatte auch mit den<lb/> Schloßherren manchen guten Humpen ge-<lb/> leert, mit den Schloßdamen manche artige<lb/> Kurzweil getrieben. Jetzt kehrte er heim zu<lb/> ſeinem Hauſe in Leyden; zu ſeinem jungen<lb/> Weibe Antje und zu der loſen Rotte ſeiner<lb/> Schüler, die ſeiner feſten Hand inzwiſchen<lb/> wohl dringend bedürftig geworden waren.<lb/> Dies bei ſich bedenkend, ritt er noch bei<lb/> Tageslicht in das hallende Stadttor ein.</p><lb/> <p>Er wollte die Seinen überraſchen und<lb/> ſtellte ſein Pferd in einer Schenke ein und<lb/> ging zu Fuß ſeinem Hauſe zu. Frau Antje,<lb/> die zur Stunde wahrſcheinlich bei einer ihrer<lb/> zahlreichen Muhmen in Haubenbändern und<lb/> derlei Krimskrams wühlte, würde tanzen<lb/> vor Freude, wenn ſie ihren Herrn und Ge-<lb/> bieter bei ihrer Rückkunft in der Stube<lb/> fände, die Pantoffeln an den Beinen und<lb/> die lange Tonpfeife im Munde.</p><lb/> <p>Meiſter Andreas betrat ſein hochgiebeliges<lb/> Haus nicht von der Hauptſtraße her durch<lb/> die weiß und blau gekachelte Diele. Der<lb/> Hintereingang, der auf ein ſchmales Gäß-<lb/> chen mündete und der durch die geräumige<lb/> Werkſtatt und über eine ſteile Holztreppe<lb/> geradewegs nach den Oberſtuben führte,<lb/> lag ihm bequemer. Er kannte das Geheim-<lb/> nis, wie der Riegel ohne Benützung eines<lb/> Schlüſſels zurückzuſchieben war und ſtand<lb/> alsbald zwiſchen den Staffeleien, an denen<lb/> während ſeiner Abweſenheit ſeine Schüler<lb/> unter der Aufſicht eines älteren Gehilfen ge-<lb/> arbeitet hatten.</p><lb/> <p>Was er mit flüchtigem Blicke ſah, war<lb/> nicht eben erfreulich. Blitz und Hagel! Es<lb/> war in den meiſten Fällen nicht die teuren<lb/> Farben und die ehrliche Leinwand wert,<lb/> was ſie da hingeſudelt hatten. Einige Staffe-<lb/> leien waren verhängt. Sie zu enthüllen,<lb/> ſpürte der Meiſter, dem ſchon das bisher<lb/> Geſchaute die Heimkehrfreude ein wenig ver-<lb/> gällt hatte, kein übermäßiges Verlangen.<lb/> Er wollte nur noch ſehen, was ſein Lieb-<lb/> lingsſchüler Ferdinand gerade in der Arbeit<lb/> hatte, und ob er in den letzten Monaten<lb/> auch ſo verludert wäre, wie die anderen.</p><lb/> <p>Meiſter Andreas zog den Vorhang zur<lb/> Seite. Beim Pinſel Rembrandts! Der<lb/> Burſche konnte malen! Andreas freute ſich<lb/> und erkannte gern an, wenn ein anderer<lb/> auch etwas leiſtete. Er bewunderte aufrichtig<lb/> das ſchöne Bildnis der Frau Antje, das<lb/> Ferdinand hier nahezu vollendet hatte. Das<lb/> wellige dunkle Haar legte ſich anmutig um<lb/> die klare Stirn. Feine Brauen wölbten ſich<lb/> über den grauen Augen unter den ſchweren<lb/> Lidern und langen Wimpern. Die Flügel<lb/> der odel geſchnittenen Naſe ſchienen ſo be-<lb/> weglich und ausdrucksvoll wie im Leben.<lb/> Der volle, rote Mund — — ja! Wo hatte<lb/> der Knabe, der Ferdinand, dieſen Zug um<lb/> den Mund her, den ein anderer, als Meiſter<lb/> Andreas gar nicht bemerkt hatte, den ein<lb/> anderer gar nicht kannte, nicht kennen<lb/> konnte, den aber Andreas ſelbſt im Ampel-</p><lb/> <cb/> <p>licht des Schlafgemachs oft und nahe genug<lb/> vor ſich geſehen hate. Aber konnte ihn des-<lb/> halb wirklich kein anderer kennen?</p><lb/> <p>Meiſter Andreas fegte mit einer Hand-<lb/> bewegung Ferdinands Arbeitskittel, der vor<lb/> einem Stuhle auf der Staffelei lag, auf den<lb/> Boden. Er ſetzte ſich und ſtarrte unter<lb/> buſchigen Brauen eine ganze Weile unver-<lb/> wandt auf das Gemälde. Dann ſtrich er mit<lb/> der Hand über ſeine Stirn. Es war alles<lb/> Einbildung. Antje und der Knabe? Lächer-<lb/> lich! Dieſer Zug um den Mund bewies rein<lb/> gar nichts. Der Burſche hatte ſeinen Pinſel</p><lb/> <cb/> <p>ſchlecht ausgewaſchen, oder es war überhaupt<lb/> nichts dergleichen auf der Leinwand. Der<lb/> Mund, nach deſſen Küſſen ſich der Meiſter<lb/> während ſeiner langen Abweſenheit nicht<lb/> ſelten geſehnt hatte, erſchien ihm jetzt wohl<lb/> mit dem Ausdrucke, mit dem er ſich ſeine<lb/> Frau Eheliebſte nun einmal gern vor-<lb/> ſtellte, wenn er an ſie dachte. Er bat ihr<lb/> den Verdacht im ſtillen ab, während er auf-<lb/> ſtand und ſich nach dem Kittel bückte, um<lb/> ihn wieder über den Stuhl zu werfen.</p><lb/> <p>Da blieb auf dem Boden ein Stück Pa-<lb/> pier liegen, das wohl in einer Taſche des</p><lb/> <cb/> <p>Kittels geſteckt haben mußte. Der Meiſter<lb/> bückte ſich, hob den Zettel auf und las in<lb/> Antjes Handſchrift die vier Worte: „Heute<lb/> abends durchs Borderhaus.“</p><lb/> <p>Hölle, Mord und Tod! Mit geballten<lb/> Fäuſten ſchritt Andreas ſporenklirrend die<lb/> Werkſtatt auf und wieder. Hatte er dazu vier<lb/> Monate lang wie ein Mönch gelebt, damit<lb/> ihm in ſeinem eigenen Hauſe dieſer Schul-<lb/> bube Hörner aufſetzte? Und das Weib?<lb/> Dieſes Weib! Wie hatte er es geliebt! Wie<lb/> hatte er ſich auf es gefreut! Wie hatte er<lb/> von ſeiner Heimkehr gefaſelt ſeit Wochen<lb/> und Wochen! Ihn würgte der Ekel.</p><lb/> <p>Er ſtand wieder vor dem Bilde und<lb/> ſtarrte es an. Er lachte ingrimmig auf, ſein<lb/> Entſchluß war gefaßt.</p><lb/> <p>Er verriegelte die Tür der Werkſtatt von<lb/> innen. Er löſte das Wehrgehenk. Er warf<lb/> Degen und Stulpenhandſchuhe zu den<lb/> Satteltaſchen in die Ecke. Nun entzündete<lb/> er die ſtarke Lampe, die er bei nächtlicher<lb/> Arbeit zu gebrauchen pflegte und verſchloß<lb/> mit den Läden die Fenſter, die er außerdem<lb/> noch dicht verhängte. Dann griff er zu Pin-<lb/> ſel und Palette und arbeitete, ohne aufzu-<lb/> blicken volle 8 Stunden. Dann legte er alles<lb/> Gerät, deſſen er ſich bedient hatte, wieder<lb/> an ſeinen Platz, ſo daß die Werkſtatt im<lb/> vollen Mondlicht lag, und ſetzte ſich, den<lb/> gezogenen Degen in der Hand, in eine<lb/> dunkle Ecke nächſt dem Ausgang.</p><lb/> <p>Er brauchte nicht lange zu warten, bis<lb/> er oben am Treppenkopf Türen öffnen und<lb/> ſchließen hörte. Die Treppenſtufen knarrten<lb/> leiſe unter behutſam ſchleichenden Schritten,<lb/> die ſich dann auf den Steinflieſen der Werk-<lb/> ſtatt in der Richtung nach dem Ausgang<lb/> bewegten, plötzlich aber innehielten.</p><lb/> <p>In der Mitte des monderleuchteten Rau-<lb/> mes ſtand Ferdinand, der erſtaunt nach ſei-<lb/> ner Staffelei blickte, die er verhüllt verlaſſen<lb/> hatte und nun unverhüllt vorfand. Noch<lb/> mit dem Ausdrucke ſorgloſer Neugier ſchlen-<lb/> derte er, dabei in immer helleres Mond-<lb/> licht geratend, auf ſeinen Arbeitsplatz zu,<lb/> rieb ſich die Augen, ſtürmte ein paar Schritte<lb/> vor, prallte mit einem unterdrückten<lb/> Schreckensruf zurück und blieb mit entſetzt<lb/> aufgeriſſenen Augen, mit vorgeſtreckten<lb/> Armen und vorgeſpreizten Fingern wie feſt-<lb/> gebannt ſtehen.</p><lb/> <p>Das liebliche Bildnis war grauenhaft ver-<lb/> ändert. Das Antlitz, das Leben geatmet<lb/> hatte, war jetzt nichts, als Leichnam und<lb/> Verweſung. Tiefe Schatten lagen in den<lb/> Augenhöhlen und um die eingefallene Naſe.<lb/> Zwiſchen den Lippen war die gequollene<lb/> Zunge ſichtbar. Der Hals war von Schwer-<lb/> tes Schärfe durchſchlagen und Klumpen ge-<lb/> rinnenden Blutes ſpiegelten matt einzelne<lb/> Teile des abgetrennten Hauptes. Aus dieſem<lb/> Blute aber wanden ſich, teils aus den Blut-<lb/> lachen zur Hälfte erſt entſtanden, teils in<lb/> vollendeter Geſtalt Skorpione und Aſſeln,<lb/> Molche und anderes ekle Gewürm. Aus<lb/> den Haaren ſtiegen giftſtrotzende Flammen<lb/> empor, Vipern und Otterngezücht. Sie<lb/> umwanden einander mit den Leibern, ſie<lb/> waren ineinander verknotet und in wilder<lb/> Wut verbiſſen.</p><lb/> <p>All dieſe Höllenbrut bewegte ſich. Ja! Sie<lb/> bewegte ſich und kroch langſam auf Ferdi-<lb/> nand zu. Jetzt öffnete auch das bleiche, das<lb/> tote Antlitz die Augenlider, Ferdinand fin-<lb/> gerte mit beiden Händen am Halſe. Er<lb/> verſuchte zu ſchreien, aber nur ein gurgelndes<lb/> Röcheln brachte er hervor. Mit letzter An-<lb/> ſtrengung riß er ſich von dem Bilde los und<lb/> taumelte nach dem Ausgang.</p><lb/> <p>Dort aber ſtand Meiſter Andreas, hoch<lb/> aufgereckt und ſtumm. Mit der Spitze des<lb/> funkelnden Degens wies er unbarmherzig<lb/> nach dem Bilde. und Ferdinand mußte<lb/> ſtehen und der Meduſa ins Antlitz blicken.<lb/> Er hätte jetzt ſeine Augen auch nicht mehr<lb/> abwenden können, wenn er des Meiſters<lb/> Waffe nicht an der Kehle gefühlt hätte.</p><lb/> <p>Als am Morgen Frau Antje durch die<lb/> noch nicht von Schülern bevölkerte Werk-<lb/> ſtatt ging, hörte ſie aus einer Ecke irres<lb/> Lallen. Sie ging dem Ton nach und fand<lb/> Ferdinand, der mit hinaufgezogenen Knien<lb/> und das Geſicht in die Hände gedrückt auf<lb/> einem Haufen alten Gerümpels hockte. Als<lb/> ſie ihn anſprach und an der Schulter faßte,<lb/> ſprang er auf, ſah ſie mit dem leeren Blicke<lb/> des Wahnſinnigen an, ſchlug eine gellende<lb/> Lache auf und rannte aus der Tür.</p><lb/> <p>Um dieſelbe Stunde trabte Meiſter. An-<lb/> dreas auf ſeiner Fuchsſtute aus dem Tore<lb/> der guten Stadt Leyden. Er ſaß wie ein<lb/> Kriegsmann im Sattel, ſehnig und hager,<lb/> ſchnauzbärtig und ſonnverbrannt. —</p> </div><lb/> <cb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Ein Leſſinghaus der Stadt Kamenz</hi> </head><lb/> <figure> <p>Im Mittelpunkt der Feiern, mit denen die Stadt Kamenz den 200. Geburtstag ihres größten Soh-<lb/> nes — Leſſings — begangen hat, ſtand die Grundſteinlegung zu einem Leſſinghaus, das die Volks-<lb/> bibliokhek und das Muſeum auſnehmen wird. Unſer Bild zeigt den von der Stadt zur Ausführung<lb/> angenommenen Entwurf des Leſſinghauſes.</p> </figure> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Eine neue Chaplin-Anekdote</hi> </head><lb/> <p>Momentan kurſiert eine funkelnagelneue<lb/> Chaplin Anekdote. Hier iſt ſie: In Portland<lb/> (Staat Oregon) veranſtaltet der Beſitzer des<lb/> „Pomtages-Vaudevilles-Circuits“ einen<lb/> Ball unter der Deviſe „Chaplin-Kopiſten“.<lb/> Sämtliche Teilnehmer waren verpflichtet,<lb/> im Koſtüm Chaplins zu erſcheinen. Die<lb/> beſten Kopien ſollten, war angekündigt wor-<lb/> den, prämiiert werden.</p><lb/> <p>Es war begreiflicherweiſe ein unerhörter<lb/> Anblick. Lauter Chaplins! Hunderte von<lb/> Chaplins; Hunderte von ſeinen Schnurr-<lb/> bärten, ſeinen Melonenhütchen, ſeinen Rie-<lb/> ſenſchuhen, ſeinen Stöckchen. Und man<lb/> wußte nicht recht, ob man die Veranſtaltung<lb/> eher unheimlich als komiſch finden ſollte.<lb/> Wenn wenigſtens nur das Koſtüm in ſo<lb/> rieſiger Auflage vorhanden geweſen wäre!<lb/> Obwohl es natürlich bereits merkwürdig<lb/> berührte, die extravagante Kleidung des<lb/> genialen kleinen Mannes als Regiments-<lb/> uniform zu ſehen ...</p><lb/> <p>Aber nun hatte ſich auch noch ein jeder<lb/> bemüht, das Geſicht Chaplins zu wieder-<lb/> holen. Jeder Chaplin hatte eine Nummer<lb/> auf dem Rücken; das einzige, was ſie von-<lb/> einander unterſchied. Und die Juroren lie-<lb/> fen mit Notizblöcken und Bleiſtiften in der<lb/><cb/> gleichförmigen Menge umher und verteilten<lb/> Wertpunkte.</p><lb/> <p>Endlich war man ſoweit! Ein Tuſch ver-<lb/> ſammelte die Teilnehmer, und die Jury ließ<lb/> verkünden, am ähnlichſten ſähe dem Chaplin<lb/> die Nummer 27. Die Nummer 27 ſtieg aufs<lb/> Podium, ließ ſich applaudieren und nannte<lb/> ihren Namen. Der Herr hieß, wie berichtet<lb/> wird, Drinkwater. Den zweiten Preis erhielt<lb/> die Nummer 14; es war ein Miſter Hou-<lb/> ſton. Den dritten Preis bekam die Num-<lb/> mer 31.</p><lb/> <p>Nummer 31 hieß — Charlie Chaplin. Es<lb/> war nicht zu ändern: Chaplin befand ſich<lb/> perſönlich auf dem Ball der Chaplin-Kopi-<lb/> ſten und erhielt, unerkannterweiſe, die Zu-<lb/> ſicherung, daß er ſich ſelber am dritt-ähn-<lb/> lichſten ſähe! Die Herren Drinkwater und<lb/> Houſton ähnelten ihm mehr als er ſelber.</p><lb/> <p>Ich habe dieſe Anekdote, nachdem ich ſie<lb/> geleſen hatte, verſchiedenen Bekannten er-<lb/> zählt. Manche haben darüber gelacht. An-<lb/> dere nicht. Wenn ich mir eine Bemerkung<lb/> erlauben darf: Ich halte es für angebrachter,<lb/> über die Anekdote nicht zu lachen. Ich möchte<lb/> aber niemanden die gute Laune ſtören. Es<lb/> iſt nur meine unmaßgebliche Meinung.</p><lb/> <byline> <hi rendition="#g">Erich Käſtner.</hi> </byline> </div><lb/> <div type="jAn" n="2"> <gap reason="insignificant"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
Meduſa
Von Otto Mittler
Um das Jahr 1650 an einem Auguſtnach-
mittage trabte Meiſter Andreas auf das
Tor der guten Stadt Leyden zu, deren
Türme er lang ſchon erblickt hatte. Der Huf-
ſchlag der ſtarkknochigen Fuchsſtute klang
auf der harten Straße, Schwanz und Mähne
flogen im Winde. Der Reiter ſaß wie ein
Kriegsmann im Sattel, ſehnig und hager,
ſchnauzbärtig und ſonnverbrannt. Auf dem
Schlapphut wallte die Feder; um das Leder-
koller war ein wuchtiger Stoßdegen gegür-
tet; aus den Halftertaſchen lugten hüben
und drüben die meſſingbeſchlagenen Kolben
der Reiterpiſtolen.
Meiſter Andreas wußte ſeine Waffen nicht
nur mit Anſtand zu zeigen, ſondern auch
mit Nachdruck zu gebrauchen, wenn es ſein
mußte. Leicht hätte ſich die Notwendigkeit
ergeben können. Vor kurzem erſt hatte es
den großen Herrn gefallen, den Frieden zu
Münſter und Osnabrück zu ſchließen. Man-
cherlei Kriegsvolk, das nun nimmer im
Namen Gottes und des Kriegsherrn ſengen
und plündern durfte, mordete und plünderte
jetzt aus Gewohnheit für den eigenen Säckel,
ſo innerhalb wie außerhalb des heiligen
Reiches deutſcher Nation.
Meiſter Andreas hatte ſich doppelt vor-
zuſehen. Sein Gaul trug in den Sattel-
taſchen wohlverwahrt etliche gewichtige
Beutel voll Gold, den klingenden Lohn
ehrenvoller Arbeit. Mehrere Adelige in
Flandern und Brabant hatten ihn auf ihre
Schlöſſer berufen, weil ſie meinten, es ſei
an der Zeit, die Reihe der Familienbilder,
die an den Wänden der getäfelten Hallen
hingen, um das eigene Konterfei würdig zu
vermehren.
Meiſter Andreas hatte ſich der Aufträge
wacker entledigt. Er hatte auch mit den
Schloßherren manchen guten Humpen ge-
leert, mit den Schloßdamen manche artige
Kurzweil getrieben. Jetzt kehrte er heim zu
ſeinem Hauſe in Leyden; zu ſeinem jungen
Weibe Antje und zu der loſen Rotte ſeiner
Schüler, die ſeiner feſten Hand inzwiſchen
wohl dringend bedürftig geworden waren.
Dies bei ſich bedenkend, ritt er noch bei
Tageslicht in das hallende Stadttor ein.
Er wollte die Seinen überraſchen und
ſtellte ſein Pferd in einer Schenke ein und
ging zu Fuß ſeinem Hauſe zu. Frau Antje,
die zur Stunde wahrſcheinlich bei einer ihrer
zahlreichen Muhmen in Haubenbändern und
derlei Krimskrams wühlte, würde tanzen
vor Freude, wenn ſie ihren Herrn und Ge-
bieter bei ihrer Rückkunft in der Stube
fände, die Pantoffeln an den Beinen und
die lange Tonpfeife im Munde.
Meiſter Andreas betrat ſein hochgiebeliges
Haus nicht von der Hauptſtraße her durch
die weiß und blau gekachelte Diele. Der
Hintereingang, der auf ein ſchmales Gäß-
chen mündete und der durch die geräumige
Werkſtatt und über eine ſteile Holztreppe
geradewegs nach den Oberſtuben führte,
lag ihm bequemer. Er kannte das Geheim-
nis, wie der Riegel ohne Benützung eines
Schlüſſels zurückzuſchieben war und ſtand
alsbald zwiſchen den Staffeleien, an denen
während ſeiner Abweſenheit ſeine Schüler
unter der Aufſicht eines älteren Gehilfen ge-
arbeitet hatten.
Was er mit flüchtigem Blicke ſah, war
nicht eben erfreulich. Blitz und Hagel! Es
war in den meiſten Fällen nicht die teuren
Farben und die ehrliche Leinwand wert,
was ſie da hingeſudelt hatten. Einige Staffe-
leien waren verhängt. Sie zu enthüllen,
ſpürte der Meiſter, dem ſchon das bisher
Geſchaute die Heimkehrfreude ein wenig ver-
gällt hatte, kein übermäßiges Verlangen.
Er wollte nur noch ſehen, was ſein Lieb-
lingsſchüler Ferdinand gerade in der Arbeit
hatte, und ob er in den letzten Monaten
auch ſo verludert wäre, wie die anderen.
Meiſter Andreas zog den Vorhang zur
Seite. Beim Pinſel Rembrandts! Der
Burſche konnte malen! Andreas freute ſich
und erkannte gern an, wenn ein anderer
auch etwas leiſtete. Er bewunderte aufrichtig
das ſchöne Bildnis der Frau Antje, das
Ferdinand hier nahezu vollendet hatte. Das
wellige dunkle Haar legte ſich anmutig um
die klare Stirn. Feine Brauen wölbten ſich
über den grauen Augen unter den ſchweren
Lidern und langen Wimpern. Die Flügel
der odel geſchnittenen Naſe ſchienen ſo be-
weglich und ausdrucksvoll wie im Leben.
Der volle, rote Mund — — ja! Wo hatte
der Knabe, der Ferdinand, dieſen Zug um
den Mund her, den ein anderer, als Meiſter
Andreas gar nicht bemerkt hatte, den ein
anderer gar nicht kannte, nicht kennen
konnte, den aber Andreas ſelbſt im Ampel-
licht des Schlafgemachs oft und nahe genug
vor ſich geſehen hate. Aber konnte ihn des-
halb wirklich kein anderer kennen?
Meiſter Andreas fegte mit einer Hand-
bewegung Ferdinands Arbeitskittel, der vor
einem Stuhle auf der Staffelei lag, auf den
Boden. Er ſetzte ſich und ſtarrte unter
buſchigen Brauen eine ganze Weile unver-
wandt auf das Gemälde. Dann ſtrich er mit
der Hand über ſeine Stirn. Es war alles
Einbildung. Antje und der Knabe? Lächer-
lich! Dieſer Zug um den Mund bewies rein
gar nichts. Der Burſche hatte ſeinen Pinſel
ſchlecht ausgewaſchen, oder es war überhaupt
nichts dergleichen auf der Leinwand. Der
Mund, nach deſſen Küſſen ſich der Meiſter
während ſeiner langen Abweſenheit nicht
ſelten geſehnt hatte, erſchien ihm jetzt wohl
mit dem Ausdrucke, mit dem er ſich ſeine
Frau Eheliebſte nun einmal gern vor-
ſtellte, wenn er an ſie dachte. Er bat ihr
den Verdacht im ſtillen ab, während er auf-
ſtand und ſich nach dem Kittel bückte, um
ihn wieder über den Stuhl zu werfen.
Da blieb auf dem Boden ein Stück Pa-
pier liegen, das wohl in einer Taſche des
Kittels geſteckt haben mußte. Der Meiſter
bückte ſich, hob den Zettel auf und las in
Antjes Handſchrift die vier Worte: „Heute
abends durchs Borderhaus.“
Hölle, Mord und Tod! Mit geballten
Fäuſten ſchritt Andreas ſporenklirrend die
Werkſtatt auf und wieder. Hatte er dazu vier
Monate lang wie ein Mönch gelebt, damit
ihm in ſeinem eigenen Hauſe dieſer Schul-
bube Hörner aufſetzte? Und das Weib?
Dieſes Weib! Wie hatte er es geliebt! Wie
hatte er ſich auf es gefreut! Wie hatte er
von ſeiner Heimkehr gefaſelt ſeit Wochen
und Wochen! Ihn würgte der Ekel.
Er ſtand wieder vor dem Bilde und
ſtarrte es an. Er lachte ingrimmig auf, ſein
Entſchluß war gefaßt.
Er verriegelte die Tür der Werkſtatt von
innen. Er löſte das Wehrgehenk. Er warf
Degen und Stulpenhandſchuhe zu den
Satteltaſchen in die Ecke. Nun entzündete
er die ſtarke Lampe, die er bei nächtlicher
Arbeit zu gebrauchen pflegte und verſchloß
mit den Läden die Fenſter, die er außerdem
noch dicht verhängte. Dann griff er zu Pin-
ſel und Palette und arbeitete, ohne aufzu-
blicken volle 8 Stunden. Dann legte er alles
Gerät, deſſen er ſich bedient hatte, wieder
an ſeinen Platz, ſo daß die Werkſtatt im
vollen Mondlicht lag, und ſetzte ſich, den
gezogenen Degen in der Hand, in eine
dunkle Ecke nächſt dem Ausgang.
Er brauchte nicht lange zu warten, bis
er oben am Treppenkopf Türen öffnen und
ſchließen hörte. Die Treppenſtufen knarrten
leiſe unter behutſam ſchleichenden Schritten,
die ſich dann auf den Steinflieſen der Werk-
ſtatt in der Richtung nach dem Ausgang
bewegten, plötzlich aber innehielten.
In der Mitte des monderleuchteten Rau-
mes ſtand Ferdinand, der erſtaunt nach ſei-
ner Staffelei blickte, die er verhüllt verlaſſen
hatte und nun unverhüllt vorfand. Noch
mit dem Ausdrucke ſorgloſer Neugier ſchlen-
derte er, dabei in immer helleres Mond-
licht geratend, auf ſeinen Arbeitsplatz zu,
rieb ſich die Augen, ſtürmte ein paar Schritte
vor, prallte mit einem unterdrückten
Schreckensruf zurück und blieb mit entſetzt
aufgeriſſenen Augen, mit vorgeſtreckten
Armen und vorgeſpreizten Fingern wie feſt-
gebannt ſtehen.
Das liebliche Bildnis war grauenhaft ver-
ändert. Das Antlitz, das Leben geatmet
hatte, war jetzt nichts, als Leichnam und
Verweſung. Tiefe Schatten lagen in den
Augenhöhlen und um die eingefallene Naſe.
Zwiſchen den Lippen war die gequollene
Zunge ſichtbar. Der Hals war von Schwer-
tes Schärfe durchſchlagen und Klumpen ge-
rinnenden Blutes ſpiegelten matt einzelne
Teile des abgetrennten Hauptes. Aus dieſem
Blute aber wanden ſich, teils aus den Blut-
lachen zur Hälfte erſt entſtanden, teils in
vollendeter Geſtalt Skorpione und Aſſeln,
Molche und anderes ekle Gewürm. Aus
den Haaren ſtiegen giftſtrotzende Flammen
empor, Vipern und Otterngezücht. Sie
umwanden einander mit den Leibern, ſie
waren ineinander verknotet und in wilder
Wut verbiſſen.
All dieſe Höllenbrut bewegte ſich. Ja! Sie
bewegte ſich und kroch langſam auf Ferdi-
nand zu. Jetzt öffnete auch das bleiche, das
tote Antlitz die Augenlider, Ferdinand fin-
gerte mit beiden Händen am Halſe. Er
verſuchte zu ſchreien, aber nur ein gurgelndes
Röcheln brachte er hervor. Mit letzter An-
ſtrengung riß er ſich von dem Bilde los und
taumelte nach dem Ausgang.
Dort aber ſtand Meiſter Andreas, hoch
aufgereckt und ſtumm. Mit der Spitze des
funkelnden Degens wies er unbarmherzig
nach dem Bilde. und Ferdinand mußte
ſtehen und der Meduſa ins Antlitz blicken.
Er hätte jetzt ſeine Augen auch nicht mehr
abwenden können, wenn er des Meiſters
Waffe nicht an der Kehle gefühlt hätte.
Als am Morgen Frau Antje durch die
noch nicht von Schülern bevölkerte Werk-
ſtatt ging, hörte ſie aus einer Ecke irres
Lallen. Sie ging dem Ton nach und fand
Ferdinand, der mit hinaufgezogenen Knien
und das Geſicht in die Hände gedrückt auf
einem Haufen alten Gerümpels hockte. Als
ſie ihn anſprach und an der Schulter faßte,
ſprang er auf, ſah ſie mit dem leeren Blicke
des Wahnſinnigen an, ſchlug eine gellende
Lache auf und rannte aus der Tür.
Um dieſelbe Stunde trabte Meiſter. An-
dreas auf ſeiner Fuchsſtute aus dem Tore
der guten Stadt Leyden. Er ſaß wie ein
Kriegsmann im Sattel, ſehnig und hager,
ſchnauzbärtig und ſonnverbrannt. —
Ein Leſſinghaus der Stadt Kamenz
[Abbildung Im Mittelpunkt der Feiern, mit denen die Stadt Kamenz den 200. Geburtstag ihres größten Soh-
nes — Leſſings — begangen hat, ſtand die Grundſteinlegung zu einem Leſſinghaus, das die Volks-
bibliokhek und das Muſeum auſnehmen wird. Unſer Bild zeigt den von der Stadt zur Ausführung
angenommenen Entwurf des Leſſinghauſes.]
Eine neue Chaplin-Anekdote
Momentan kurſiert eine funkelnagelneue
Chaplin Anekdote. Hier iſt ſie: In Portland
(Staat Oregon) veranſtaltet der Beſitzer des
„Pomtages-Vaudevilles-Circuits“ einen
Ball unter der Deviſe „Chaplin-Kopiſten“.
Sämtliche Teilnehmer waren verpflichtet,
im Koſtüm Chaplins zu erſcheinen. Die
beſten Kopien ſollten, war angekündigt wor-
den, prämiiert werden.
Es war begreiflicherweiſe ein unerhörter
Anblick. Lauter Chaplins! Hunderte von
Chaplins; Hunderte von ſeinen Schnurr-
bärten, ſeinen Melonenhütchen, ſeinen Rie-
ſenſchuhen, ſeinen Stöckchen. Und man
wußte nicht recht, ob man die Veranſtaltung
eher unheimlich als komiſch finden ſollte.
Wenn wenigſtens nur das Koſtüm in ſo
rieſiger Auflage vorhanden geweſen wäre!
Obwohl es natürlich bereits merkwürdig
berührte, die extravagante Kleidung des
genialen kleinen Mannes als Regiments-
uniform zu ſehen ...
Aber nun hatte ſich auch noch ein jeder
bemüht, das Geſicht Chaplins zu wieder-
holen. Jeder Chaplin hatte eine Nummer
auf dem Rücken; das einzige, was ſie von-
einander unterſchied. Und die Juroren lie-
fen mit Notizblöcken und Bleiſtiften in der
gleichförmigen Menge umher und verteilten
Wertpunkte.
Endlich war man ſoweit! Ein Tuſch ver-
ſammelte die Teilnehmer, und die Jury ließ
verkünden, am ähnlichſten ſähe dem Chaplin
die Nummer 27. Die Nummer 27 ſtieg aufs
Podium, ließ ſich applaudieren und nannte
ihren Namen. Der Herr hieß, wie berichtet
wird, Drinkwater. Den zweiten Preis erhielt
die Nummer 14; es war ein Miſter Hou-
ſton. Den dritten Preis bekam die Num-
mer 31.
Nummer 31 hieß — Charlie Chaplin. Es
war nicht zu ändern: Chaplin befand ſich
perſönlich auf dem Ball der Chaplin-Kopi-
ſten und erhielt, unerkannterweiſe, die Zu-
ſicherung, daß er ſich ſelber am dritt-ähn-
lichſten ſähe! Die Herren Drinkwater und
Houſton ähnelten ihm mehr als er ſelber.
Ich habe dieſe Anekdote, nachdem ich ſie
geleſen hatte, verſchiedenen Bekannten er-
zählt. Manche haben darüber gelacht. An-
dere nicht. Wenn ich mir eine Bemerkung
erlauben darf: Ich halte es für angebrachter,
über die Anekdote nicht zu lachen. Ich möchte
aber niemanden die gute Laune ſtören. Es
iſt nur meine unmaßgebliche Meinung.
Erich Käſtner.
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(2023-01-02T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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