Allgemeine Zeitung, Nr. 19, 23. Januar 1929."AZ am Abend" Nr. 19 Mittwoch, den 23. Januar Dreifaches Gaunerspiel EIN BANKNOTENROMAN 23. Fortsetzung "Wissen Sie, gnädige Frau, ich habe mich "Aber Sie haben doch "großes Reine- "Knapp tausend Kronen. Und die sind "Wenn mir's doch sein Freund Morris "Herr Morris -- wie?" fuhr Lund sicht- "Aber natürlich!" "Da muß ich gestehen. -- das hätte ich Ussing mischte sich ein: "Was wissen Sie Lund setzte seine beste Amtsmiene auf: Ussing verbeugte sich schweigend. "Und ich lasse es mir nicht nehmen!" rief "Wer weiß?" zauderte ein anderer. "Wen alles müßten Sie da in Verdacht "Der liebe Steinmann!" mischte sich die "Doch wohl nur in Romanen," warf der "Ich lese keine Romane und glaube nicht Damit schleppte er sein Opfer fort in eine Muki -- im heimlichen Winkel mit dem Er machte eine kunstvolle Pause. Lund Der kleine Baron legte die beringte Hand Lund war sprachlos. "Nicht wahr, daran haben Sie nicht ge- "Aber um Gottes willen, Baron, das geht "Kein Scherz! Hören Sie nur meine Be- Muki schwieg, eitel, gebläht und herrlich Der andere, gewohnt, überall nur spöttische Lund atmete erleichtert auf und mischte Er schrak daher zusammen, als ihm je- Kollegen, dem Assessor Kemmer, gegenüber. "Nun, wer?" "Frau von Möller, die exzentrische "Kenne ich nicht. Und warum verschwand "Auch das hat mir die liebe Freundin "Also, von hier aus laufen keine Fäden Morris kam an den beiden vorbei und Frank verließ den Saal, ging über die Lund lachte und fragte: "Wo wollen Sie "In den Weißen Elefanten. Steinmann [irrelevantes Material] „AZ am Abend“ Nr. 19 Mittwoch, den 23. Januar Dreifaches Gaunerspiel EIN BANKNOTENROMAN 23. Fortſetzung „Wiſſen Sie, gnädige Frau, ich habe mich „Aber Sie haben doch „großes Reine- „Knapp tauſend Kronen. Und die ſind „Wenn mir’s doch ſein Freund Morris „Herr Morris — wie?“ fuhr Lund ſicht- „Aber natürlich!“ „Da muß ich geſtehen. — das hätte ich Uſſing miſchte ſich ein: „Was wiſſen Sie Lund ſetzte ſeine beſte Amtsmiene auf: Uſſing verbeugte ſich ſchweigend. „Und ich laſſe es mir nicht nehmen!“ rief „Wer weiß?“ zauderte ein anderer. „Wen alles müßten Sie da in Verdacht „Der liebe Steinmann!“ miſchte ſich die „Doch wohl nur in Romanen,“ warf der „Ich leſe keine Romane und glaube nicht Damit ſchleppte er ſein Opfer fort in eine Muki — im heimlichen Winkel mit dem Er machte eine kunſtvolle Pauſe. Lund Der kleine Baron legte die beringte Hand Lund war ſprachlos. „Nicht wahr, daran haben Sie nicht ge- „Aber um Gottes willen, Baron, das geht „Kein Scherz! Hören Sie nur meine Be- Muki ſchwieg, eitel, gebläht und herrlich Der andere, gewohnt, überall nur ſpöttiſche Lund atmete erleichtert auf und miſchte Er ſchrak daher zuſammen, als ihm je- Kollegen, dem Aſſeſſor Kemmer, gegenüber. „Nun, wer?“ „Frau von Möller, die exzentriſche „Kenne ich nicht. Und warum verſchwand „Auch das hat mir die liebe Freundin „Alſo, von hier aus laufen keine Fäden Morris kam an den beiden vorbei und Frank verließ den Saal, ging über die Lund lachte und fragte: „Wo wollen Sie „In den Weißen Elefanten. Steinmann [irrelevantes Material] <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <pb facs="#f0012" n="Seite 12[12]"/> <fw place="top" type="header">„AZ am Abend“ Nr. 19 Mittwoch, den 23. Januar</fw><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Dreifaches Gaunerspiel</hi><lb/> EIN BANKNOTENROMAN</hi> </head><lb/> <argument> <p>23. Fortſetzung</p> </argument><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">von A. M. 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Und wenn er es doch getan hat,<lb/> ſo haben ihn irgendwelche ſchrecklichen<lb/> Menſchen hypnotiſiert. Man lieſt ja ſo oft<lb/> von hypnotiſchen Verbrechen.“</p><lb/> <p>„Doch wohl nur in Romanen,“ warf der<lb/> Leutnant hin.</p><lb/> <p>„Ich leſe keine Romane und glaube nicht<lb/> an Hypnotik oder wie der Dreck heißt,“ ver-<lb/> ſicherte Muki. „Da glaube ich viel eher an<lb/> Kosmetik, aber den Steinmann halte ich auch<lb/> für unſchuldig. — Kommen Sie, lieber<lb/> Lund, ich muß Ihnen doch meine Gedan-<lb/> kengänge mitteilen.“</p><lb/> <p>Damit ſchleppte er ſein Opfer fort in eine<lb/> ſtille Niſche. Die anderen tuſchelten weiter<lb/> über den Fall Steinmann. Morris wechſelte<lb/> häufig die Menſchen, mit denen er ſprach.</p><lb/> <p>Muki — im heimlichen Winkel mit dem<lb/> Aſſeſſor — begann: „Soll ich Ihnen wirklich<lb/> ſagen, wer hinter der ganzen Sache ſteckt?“</p><lb/> <p>Er machte eine kunſtvolle Pauſe. Lund<lb/> war auf Ungeheuerliches gefaßt. Seine Er-<lb/> wartungen ſollten übertroffen werden.</p><lb/> <p>Der kleine Baron legte die beringte Hand<lb/> an den Mund und tuſchelte: „Der Hof ſteckt<lb/> dahinter!“</p><lb/> <p>Lund war ſprachlos.</p><lb/> <p>„Nicht wahr, daran haben Sie nicht ge-<lb/> dacht; Sie loyaler Beamter!“ In tröſtendem<lb/> Tone: „Daran hat eben keiner gedacht —<lb/> außer mir.“</p><lb/> <p>„Aber um Gottes willen, Baron, das geht<lb/> doch über die Grenzen eines Faſchingsſcher-<lb/> zes hinaus.“</p><lb/> <cb/> <p>„Kein Scherz! Hören Sie nur meine Be-<lb/> gründungen an, lieber Freund. — Wie Sie<lb/> wiſſen, hat das Parlament die Erhöhung der<lb/> Zivilliſte ſchon zweimal abgelehnt. Trotzdem<lb/> iſt man an allerhöchſter Stelle keineswegs<lb/> bemüht, die wachſenden Ausgaben irgend-<lb/> wie einzuſchränken. Wo kommt das Geld<lb/> her, frage ich ...“</p><lb/> <p>Muki ſchwieg, eitel, gebläht und herrlich<lb/> überlegen. Er war mit der Wirkung ſeiner<lb/> Worte zufrieden; denn er ſah den Aſſeſſor<lb/> förmlich zuſammenknicken. Lund ermannte<lb/> und beſann ſich. Er hielt es für unangebracht,<lb/> den Kleinen geradehin auszulachen. Es galt,<lb/> ihn auf gute Weiſe los zu werden. Endlich<lb/> brachte er vor: „Was Sie mir da anvertraut<lb/> haben, iſt ja unmenſchlich — will ſagen, un-<lb/> erhört kühnlich und mit äußerſter Delika-<lb/> teſſe wohl auch unterſuchungswürdig; aber<lb/> ich kann es fürs erſte nicht in den Kreis<lb/> meiner Nachforſchungen aufnehmen. Vor<lb/> allem im Augenblick nicht, weil die Ver-<lb/> dachtsgründe gegen Steinmann ſo ſchwer-<lb/> wiegend ſind, daß die Polizei ſich unbedingt<lb/> veranlaßt ſieht, in dieſer Richtung zu arbei-<lb/> ten. Aber wie Sie gehört haben, iſt Herr<lb/> Morris anderer Anſicht, und will auf eigene<lb/> Fauſt zu wirken beginnen. Wenden Sie ſich<lb/> doch an ihn. Er iſt ganz der Mann, ſolch<lb/> kühne Unterſuchungen zu den ſeinen zu ma-<lb/> chen. Und ſollte ich auf falſcher Bahn ſein,<lb/> dann iſt es immer noch an der Zeit, Ihren<lb/> mutigen Fingerzeig zu berückſichtigen.“</p><lb/> <p>Der andere, gewohnt, überall nur ſpöttiſche<lb/> Ablehnung zu erfahren, war durch dieſe<lb/> halbe Zuſtimmung ſo gehoben und gefeſtigt,<lb/> daß er gleich auf den Wink einging. Er<lb/> machte ſich davon, um ein neues Opfer zu<lb/> ergattern.</p><lb/> <p>Lund atmete erleichtert auf und miſchte<lb/> ſich unter die Gäſte. Er ging hierhin und<lb/> dorthin, ſprach mit dem und jenem, aber er<lb/> war nirgends recht bei der Sache. Eine<lb/> fiebernde Neugier, was der nächſte Morgen<lb/> — ob er etwas bringen werde, füllte ihn aus.<lb/> Er kam ſich vor wie ein Verkappter, der<lb/> etwas Gewichtiges mit ſich herumträgt —<lb/> zwiſchen lauter Ahnungsloſen.</p><lb/> <p>Er ſchrak daher zuſammen, als ihm je-<lb/> mand die Hand auf die Schulter legte.<lb/> Schnell drehte er ſich um und ſtand einem</p><lb/> <cb/> <p>Kollegen, dem Aſſeſſor Kemmer, gegenüber.<lb/> „Eine kleine Mitteilung halb dienſtlich,“ ſagte<lb/> der. „Ich weiß, wer die Tauſendkronendame<lb/> war. Sie forſchen doch danach, wie? Eine<lb/> Frau Stranſky, ihre gute Freundin, hat es<lb/> mir zugewiſpert unter dem Siegel der Ver-<lb/> ſchwiegenheit.“</p><lb/> <p>„Nun, wer?“</p><lb/> <p>„Frau von Möller, die exzentriſche<lb/> Witwe.“</p><lb/> <p>„Kenne ich nicht. Und warum verſchwand<lb/> ſie damals ſo ſchnell?</p><lb/> <p>„Auch das hat mir die liebe Freundin<lb/> verraten mit einem Schimmer von<lb/> triumphierenden Bedauern. Die Aermſte iſt<lb/> wegen ihres geſchmackloſen Koſtümes, in<lb/> dem ſie bewunderndes Aufſehen zu erregen<lb/> gedacht hatte, ſo viel gehänſelt und beſpöttet<lb/> worden, daß ſie den Ball ſchließlich wut-<lb/> ſchnaubend verließ.“</p><lb/> <p>„Alſo, von hier aus laufen keine Fäden<lb/> — nach dort hinüber,“ ſeufzte Lund.</p><lb/> <p>Morris kam an den beiden vorbei und<lb/> machte dem Aſſeſſor ein Zeichen, er wünſche<lb/> ihn zu ſprechen. Lund verabſchiedete ſich<lb/> von dem Kollegen und folgte unauffällig.</p><lb/> <p>Frank verließ den Saal, ging über die<lb/> Treppe und verſchwand in der Garderobe.<lb/> Als Lund zu ihm ſtieß, ſchlüpfte er ſchon in<lb/> den Mantel. Er warf einen Blick auf die<lb/> Garderobefrau, die eingenickt auf ihrem<lb/> Stuhle kauerte, und flüſterte dann. „Dank,<lb/> lieber Aſſeſſor, für die Ueberſendung des<lb/> kleinen Idioten. Der redet ſich nächſtens<lb/> noch um den Hals!“</p><lb/> <p>Lund lachte und fragte: „Wo wollen Sie<lb/> hin — jetzt ſchon?“</p><lb/> <p>„In den Weißen Elefanten. Steinmann<lb/> ſitzt ja dort im Hinterzimmer — hoffentlich<lb/> gut verborgen —, ſeit neun Uhr. Er wird<lb/> nicht wenig fluchen, weil ich auf mich warten<lb/> laſſe. Am Ende fürchtet er ſchon, man holt<lb/> ihn nicht ab. Wir gehen dann gleich nach<lb/> Hauſe. Ich habe mich eben offiziell deutlich<lb/> hier verabſchiedet, mit der Begründung, we-<lb/> gen heftiger Kopfſchmerzen heim zu müſſen<lb/> — damit niemand auf den Einfall kommt,<lb/> dem Atelier noch heute einen Beſuch abzu-<lb/> ſtatten. Ein feierlicher Empfang kann erſt<lb/> morgen ſtattfinden.“<lb/> (Fortſetzung folgt)</p> </div> </div><lb/> <div type="jAnnouncements" n="1"> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </text> </TEI> [Seite 12[12]/0012]
„AZ am Abend“ Nr. 19 Mittwoch, den 23. Januar
Dreifaches Gaunerspiel
EIN BANKNOTENROMAN
23. Fortſetzung
von A. M. FREY
„Wiſſen Sie, gnädige Frau, ich habe mich
offiziell ſo viel mit dieſem Herrn Steinmann
beſchäftigen müſſen, daß mir keine Zeit zur
Entgegennahme eines inoffiziellen Geredes
blieb.“
„Aber Sie haben doch „großes Reine-
machen“ bei ihm gehalten?“ warf Eſtrup
ein. „Hat ſich denn da kein Geld gefun-
den?“
„Knapp tauſend Kronen. Und die ſind
natürlich beſchlagnahmt worden. — Ach,
die Herrſchaften haben ſich etwas aufbinden
laſſen.“
„Wenn mir’s doch ſein Freund Morris
ſelber erzählt hat!“ beharrte Muki.
„Herr Morris — wie?“ fuhr Lund ſicht-
lich gereizt auf.
„Aber natürlich!“
„Da muß ich geſtehen. — das hätte ich
von Herrn Morris denn doch nicht erwartet.
Er iſt freilich, trotz allem, von ſeines Freun-
des Unſchuld überzeugt, aber das hätte er
mir niemals verheimlichen dürfen!“
Uſſing miſchte ſich ein: „Was wiſſen Sie
überhaupt von dieſem Herrn, der da ſo
plötzlich in unſerer Geſellſchaft aufgetaucht
iſt? Wo ſich der Verdacht nach allen Seiten
richtet — ich ſelber bin ja nicht verſchont ge-
blieben — iſt die Frage wohl geſtattet.“
Lund ſetzte ſeine beſte Amtsmiene auf:
„Herr Leutnant, ich bin kein pedantiſcher
Aktenmenſch. Aber es gibt gewiſſe Punkte,
über die eine Behörde zu gewiſſen Zeiten
die Antwort verweigern muß.“
Uſſing verbeugte ſich ſchweigend.
„Und ich laſſe es mir nicht nehmen!“ rief
Eſtrup. Die Polizei hat da einen weiteren
Mißgriff getan. Steinmann iſt ſo unſchul-
dig wie ich.“
„Wer weiß?“ zauderte ein anderer.
Steinmann malt nicht nur famos, er zeichnet
auch geſchickt. Solches Können mag eine
ſchlimme Verlockung ſein.“
„Wen alles müßten Sie da in Verdacht
ziehen? Sämtliche Künſtler Dänemarks —
und die Dilettanten dazu,“ lachte Uſſing hoch-
mütig. „Zum Beiſpiel mich. Früher wenig-
ſtens habe ich in freien Stunden mit Feuer-
eifer den Bleiſtift geſchwungen.“
„Der liebe Steinmann!“ miſchte ſich die
alte Dame in billigem Mitleid ein. „Ich
kann es nicht glauben, nein, er hat ſo treue
Augen. Und wenn er es doch getan hat,
ſo haben ihn irgendwelche ſchrecklichen
Menſchen hypnotiſiert. Man lieſt ja ſo oft
von hypnotiſchen Verbrechen.“
„Doch wohl nur in Romanen,“ warf der
Leutnant hin.
„Ich leſe keine Romane und glaube nicht
an Hypnotik oder wie der Dreck heißt,“ ver-
ſicherte Muki. „Da glaube ich viel eher an
Kosmetik, aber den Steinmann halte ich auch
für unſchuldig. — Kommen Sie, lieber
Lund, ich muß Ihnen doch meine Gedan-
kengänge mitteilen.“
Damit ſchleppte er ſein Opfer fort in eine
ſtille Niſche. Die anderen tuſchelten weiter
über den Fall Steinmann. Morris wechſelte
häufig die Menſchen, mit denen er ſprach.
Muki — im heimlichen Winkel mit dem
Aſſeſſor — begann: „Soll ich Ihnen wirklich
ſagen, wer hinter der ganzen Sache ſteckt?“
Er machte eine kunſtvolle Pauſe. Lund
war auf Ungeheuerliches gefaßt. Seine Er-
wartungen ſollten übertroffen werden.
Der kleine Baron legte die beringte Hand
an den Mund und tuſchelte: „Der Hof ſteckt
dahinter!“
Lund war ſprachlos.
„Nicht wahr, daran haben Sie nicht ge-
dacht; Sie loyaler Beamter!“ In tröſtendem
Tone: „Daran hat eben keiner gedacht —
außer mir.“
„Aber um Gottes willen, Baron, das geht
doch über die Grenzen eines Faſchingsſcher-
zes hinaus.“
„Kein Scherz! Hören Sie nur meine Be-
gründungen an, lieber Freund. — Wie Sie
wiſſen, hat das Parlament die Erhöhung der
Zivilliſte ſchon zweimal abgelehnt. Trotzdem
iſt man an allerhöchſter Stelle keineswegs
bemüht, die wachſenden Ausgaben irgend-
wie einzuſchränken. Wo kommt das Geld
her, frage ich ...“
Muki ſchwieg, eitel, gebläht und herrlich
überlegen. Er war mit der Wirkung ſeiner
Worte zufrieden; denn er ſah den Aſſeſſor
förmlich zuſammenknicken. Lund ermannte
und beſann ſich. Er hielt es für unangebracht,
den Kleinen geradehin auszulachen. Es galt,
ihn auf gute Weiſe los zu werden. Endlich
brachte er vor: „Was Sie mir da anvertraut
haben, iſt ja unmenſchlich — will ſagen, un-
erhört kühnlich und mit äußerſter Delika-
teſſe wohl auch unterſuchungswürdig; aber
ich kann es fürs erſte nicht in den Kreis
meiner Nachforſchungen aufnehmen. Vor
allem im Augenblick nicht, weil die Ver-
dachtsgründe gegen Steinmann ſo ſchwer-
wiegend ſind, daß die Polizei ſich unbedingt
veranlaßt ſieht, in dieſer Richtung zu arbei-
ten. Aber wie Sie gehört haben, iſt Herr
Morris anderer Anſicht, und will auf eigene
Fauſt zu wirken beginnen. Wenden Sie ſich
doch an ihn. Er iſt ganz der Mann, ſolch
kühne Unterſuchungen zu den ſeinen zu ma-
chen. Und ſollte ich auf falſcher Bahn ſein,
dann iſt es immer noch an der Zeit, Ihren
mutigen Fingerzeig zu berückſichtigen.“
Der andere, gewohnt, überall nur ſpöttiſche
Ablehnung zu erfahren, war durch dieſe
halbe Zuſtimmung ſo gehoben und gefeſtigt,
daß er gleich auf den Wink einging. Er
machte ſich davon, um ein neues Opfer zu
ergattern.
Lund atmete erleichtert auf und miſchte
ſich unter die Gäſte. Er ging hierhin und
dorthin, ſprach mit dem und jenem, aber er
war nirgends recht bei der Sache. Eine
fiebernde Neugier, was der nächſte Morgen
— ob er etwas bringen werde, füllte ihn aus.
Er kam ſich vor wie ein Verkappter, der
etwas Gewichtiges mit ſich herumträgt —
zwiſchen lauter Ahnungsloſen.
Er ſchrak daher zuſammen, als ihm je-
mand die Hand auf die Schulter legte.
Schnell drehte er ſich um und ſtand einem
Kollegen, dem Aſſeſſor Kemmer, gegenüber.
„Eine kleine Mitteilung halb dienſtlich,“ ſagte
der. „Ich weiß, wer die Tauſendkronendame
war. Sie forſchen doch danach, wie? Eine
Frau Stranſky, ihre gute Freundin, hat es
mir zugewiſpert unter dem Siegel der Ver-
ſchwiegenheit.“
„Nun, wer?“
„Frau von Möller, die exzentriſche
Witwe.“
„Kenne ich nicht. Und warum verſchwand
ſie damals ſo ſchnell?
„Auch das hat mir die liebe Freundin
verraten mit einem Schimmer von
triumphierenden Bedauern. Die Aermſte iſt
wegen ihres geſchmackloſen Koſtümes, in
dem ſie bewunderndes Aufſehen zu erregen
gedacht hatte, ſo viel gehänſelt und beſpöttet
worden, daß ſie den Ball ſchließlich wut-
ſchnaubend verließ.“
„Alſo, von hier aus laufen keine Fäden
— nach dort hinüber,“ ſeufzte Lund.
Morris kam an den beiden vorbei und
machte dem Aſſeſſor ein Zeichen, er wünſche
ihn zu ſprechen. Lund verabſchiedete ſich
von dem Kollegen und folgte unauffällig.
Frank verließ den Saal, ging über die
Treppe und verſchwand in der Garderobe.
Als Lund zu ihm ſtieß, ſchlüpfte er ſchon in
den Mantel. Er warf einen Blick auf die
Garderobefrau, die eingenickt auf ihrem
Stuhle kauerte, und flüſterte dann. „Dank,
lieber Aſſeſſor, für die Ueberſendung des
kleinen Idioten. Der redet ſich nächſtens
noch um den Hals!“
Lund lachte und fragte: „Wo wollen Sie
hin — jetzt ſchon?“
„In den Weißen Elefanten. Steinmann
ſitzt ja dort im Hinterzimmer — hoffentlich
gut verborgen —, ſeit neun Uhr. Er wird
nicht wenig fluchen, weil ich auf mich warten
laſſe. Am Ende fürchtet er ſchon, man holt
ihn nicht ab. Wir gehen dann gleich nach
Hauſe. Ich habe mich eben offiziell deutlich
hier verabſchiedet, mit der Begründung, we-
gen heftiger Kopfſchmerzen heim zu müſſen
— damit niemand auf den Einfall kommt,
dem Atelier noch heute einen Beſuch abzu-
ſtatten. Ein feierlicher Empfang kann erſt
morgen ſtattfinden.“
(Fortſetzung folgt)
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(2023-01-02T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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