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Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 23. Mai 1920.

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Allgemeine Zeitung 23. Mai 1920
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Anatol France. Deutsche Ausgabe der Romane und Novellen.
Musarion-Verlag München.

Anatol France ist im gegenwärtigen Frankreich ein Ein-
samer. Er stammt kulturell von jenen großen Franzosen, die
dem gallischen Element seinen Weltruhm mitschufen, deren Note
Esprit, feinste Kultiviertheit der Form und Sprache ist. Hier
in Anatol France lebt auch die unerreichte Ironie fort, und in
der scharfgeschliffenen und eleganten Form rafft sich noch einmal
das alte Frankreich auf. Anatol France taucht nicht im Stoff
unter, um sich in Wesenlosigkeiten zu verlieren, er ist kein Zola
und auch kein Gelehrter vom Schlage Flauberts, dem Typ er-
staunlichsten Mosaikarbeitertums, aber ein durchweg logischer
Geist und Mensch genug, um sein Werk nicht lediglich in Ironie
zu ertränken, sondern den Tau des großen Mitleids auf die
Leidenschaften seiner Figuren sinken zu lassen. Sind sie doch
alle Ovfer des Geblütes, verkehrter, wenn auch ehrlicher An-
schauung, kleiner und kleinster Menschlichkeiten. Bisher erschien
"Die rote Lilie", eine duftige Seelenanalyse am französischen Typ
der Ehe- und Liebesgewohnheiten, die unübertreffliche Ironie
"Die Insel der Pinguine", vielleicht die beste Satire über fran-
zösische Zustände seit Voltaire, und "Tha[i]s", dem unsterblichen
Eros gewidmet, in ebenso farbenprächtigem orientalischen Ge-
wande wie im Kaleidoskop von Lebensanschauungen schillernd,
der konventionellen, der sanktionierten, der verschiedensten philo-
sophischen wie gedankenlos sinnlichen.

Anton Bergschmid. Sonnenstieg. Musarion-Verlag
München.

In diesem Buche lebt ein Dichter, einer, der an die Mensch-
heit glaubt, der die Kulturwerte jeglicher Art schätzt und liebt
wie seine körperliche Arbeit als Holzer, einer, dem das Glück
aus Plage und Trübsal erblüht und dieses sich mutig erkämpft.
Ihm eignet ein sieghafter Wille und er liebt die Natur mit allen
Fasern seines jugendlichen Herzens, wie er auch Geist und Schön-
heit liebt. Crotz Jugend sehen wir in diesem Buche viel Ab-
geklärtheit, trotz mancher Sentimentalität viel Kraftbewußtsein.
Heute fehlen uns diese Menschen, aber sie werden kommen und
siegen, siegen über Unzulänglichkeiten und Menschlichkeiten von
heute, und daher schätzen wir das Buch in seinem schlichten
Glauben; es ist ein Anfang, aber eine Verheißung.

Verschiedenes
Bad Nauheim.

Nach der Bekanntmachung des französischen
Kommanbanten zu Frankfurt a. M. unterliegt der Reiseverkehr
nach dem neubesetzten Gebiet und der Durchgangsverkehr keiner-
lei Einschränkung mehr. Ein französisches Visum ist auf Pässen
oder Personalausweisen nicht mehr nötig. Hiernach ist nunmehr
auch die Zureise durch das besetzte Gebiet nach Bad Nauheim, das
außerhalb des besetzten Gebietes liegt, ohne besondere Formali-
täten möglich. Es genügt ein von der Heimatbehörde ausgestell-
ter Personalausweis. Ueber Kassel--Gießen kann die Zureise
ohne irgendwelche Ausweise erfolgen.

Für unverlangt eingesandte Manuskripte, denen
kein Rückporto beiliegt, wird keine Gewähr geleistet
Für die Rebaktion verantwortlich: Prof. Bastian Schmid München-
Solln; für den Inseratenteil: Joseph Rieß in München.
Verlag: Verlag der "Allgemeinen Zeitung", G. m. b. H., München.
Druck: Baherische Druckerei & Verlagsanstalt, G. m. b. H., München.
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Allgemeine Zeitung 23. Mai 1920
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Anatol France. Deutſche Ausgabe der Romane und Novellen.
Muſarion-Verlag München.

Anatol France iſt im gegenwärtigen Frankreich ein Ein-
ſamer. Er ſtammt kulturell von jenen großen Franzoſen, die
dem galliſchen Element ſeinen Weltruhm mitſchufen, deren Note
Eſprit, feinſte Kultiviertheit der Form und Sprache iſt. Hier
in Anatol France lebt auch die unerreichte Ironie fort, und in
der ſcharfgeſchliffenen und eleganten Form rafft ſich noch einmal
das alte Frankreich auf. Anatol France taucht nicht im Stoff
unter, um ſich in Weſenloſigkeiten zu verlieren, er iſt kein Zola
und auch kein Gelehrter vom Schlage Flauberts, dem Typ er-
ſtaunlichſten Moſaikarbeitertums, aber ein durchweg logiſcher
Geiſt und Menſch genug, um ſein Werk nicht lediglich in Ironie
zu ertränken, ſondern den Tau des großen Mitleids auf die
Leidenſchaften ſeiner Figuren ſinken zu laſſen. Sind ſie doch
alle Ovfer des Geblütes, verkehrter, wenn auch ehrlicher An-
ſchauung, kleiner und kleinſter Menſchlichkeiten. Bisher erſchien
„Die rote Lilie“, eine duftige Seelenanalyſe am franzöſiſchen Typ
der Ehe- und Liebesgewohnheiten, die unübertreffliche Ironie
„Die Inſel der Pinguine“, vielleicht die beſte Satire über fran-
zöſiſche Zuſtände ſeit Voltaire, und „Tha[ï]s“, dem unſterblichen
Eros gewidmet, in ebenſo farbenprächtigem orientaliſchen Ge-
wande wie im Kaleidoſkop von Lebensanſchauungen ſchillernd,
der konventionellen, der ſanktionierten, der verſchiedenſten philo-
ſophiſchen wie gedankenlos ſinnlichen.

Anton Bergſchmid. Sonnenſtieg. Muſarion-Verlag
München.

In dieſem Buche lebt ein Dichter, einer, der an die Menſch-
heit glaubt, der die Kulturwerte jeglicher Art ſchätzt und liebt
wie ſeine körperliche Arbeit als Holzer, einer, dem das Glück
aus Plage und Trübſal erblüht und dieſes ſich mutig erkämpft.
Ihm eignet ein ſieghafter Wille und er liebt die Natur mit allen
Faſern ſeines jugendlichen Herzens, wie er auch Geiſt und Schön-
heit liebt. Crotz Jugend ſehen wir in dieſem Buche viel Ab-
geklärtheit, trotz mancher Sentimentalität viel Kraftbewußtſein.
Heute fehlen uns dieſe Menſchen, aber ſie werden kommen und
ſiegen, ſiegen über Unzulänglichkeiten und Menſchlichkeiten von
heute, und daher ſchätzen wir das Buch in ſeinem ſchlichten
Glauben; es iſt ein Anfang, aber eine Verheißung.

Verſchiedenes
Bad Nauheim.

Nach der Bekanntmachung des franzöſiſchen
Kommanbanten zu Frankfurt a. M. unterliegt der Reiſeverkehr
nach dem neubeſetzten Gebiet und der Durchgangsverkehr keiner-
lei Einſchränkung mehr. Ein franzöſiſches Viſum iſt auf Päſſen
oder Perſonalausweiſen nicht mehr nötig. Hiernach iſt nunmehr
auch die Zureiſe durch das beſetzte Gebiet nach Bad Nauheim, das
außerhalb des beſetzten Gebietes liegt, ohne beſondere Formali-
täten möglich. Es genügt ein von der Heimatbehörde ausgeſtell-
ter Perſonalausweis. Ueber Kaſſel—Gießen kann die Zureiſe
ohne irgendwelche Ausweiſe erfolgen.

Für unverlangt eingeſandte Manuſkripte, denen
kein Rückporto beiliegt, wird keine Gewähr geleiſtet
Für die Rebaktion verantwortlich: Prof. Baſtian Schmid München-
Solln; für den Inſeratenteil: Joſeph Rieß in München.
Verlag: Verlag der „Allgemeinen Zeitung“, G. m. b. H., München.
Druck: Baheriſche Druckerei & Verlagsanſtalt, G. m. b. H., München.
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[198/0012] Allgemeine Zeitung 23. Mai 1920 Bücher-Anzeigen Anatol France. Deutſche Ausgabe der Romane und Novellen. Muſarion-Verlag München. Anatol France iſt im gegenwärtigen Frankreich ein Ein- ſamer. Er ſtammt kulturell von jenen großen Franzoſen, die dem galliſchen Element ſeinen Weltruhm mitſchufen, deren Note Eſprit, feinſte Kultiviertheit der Form und Sprache iſt. Hier in Anatol France lebt auch die unerreichte Ironie fort, und in der ſcharfgeſchliffenen und eleganten Form rafft ſich noch einmal das alte Frankreich auf. Anatol France taucht nicht im Stoff unter, um ſich in Weſenloſigkeiten zu verlieren, er iſt kein Zola und auch kein Gelehrter vom Schlage Flauberts, dem Typ er- ſtaunlichſten Moſaikarbeitertums, aber ein durchweg logiſcher Geiſt und Menſch genug, um ſein Werk nicht lediglich in Ironie zu ertränken, ſondern den Tau des großen Mitleids auf die Leidenſchaften ſeiner Figuren ſinken zu laſſen. Sind ſie doch alle Ovfer des Geblütes, verkehrter, wenn auch ehrlicher An- ſchauung, kleiner und kleinſter Menſchlichkeiten. Bisher erſchien „Die rote Lilie“, eine duftige Seelenanalyſe am franzöſiſchen Typ der Ehe- und Liebesgewohnheiten, die unübertreffliche Ironie „Die Inſel der Pinguine“, vielleicht die beſte Satire über fran- zöſiſche Zuſtände ſeit Voltaire, und „Thaïs“, dem unſterblichen Eros gewidmet, in ebenſo farbenprächtigem orientaliſchen Ge- wande wie im Kaleidoſkop von Lebensanſchauungen ſchillernd, der konventionellen, der ſanktionierten, der verſchiedenſten philo- ſophiſchen wie gedankenlos ſinnlichen. H. Anton Bergſchmid. Sonnenſtieg. Muſarion-Verlag München. In dieſem Buche lebt ein Dichter, einer, der an die Menſch- heit glaubt, der die Kulturwerte jeglicher Art ſchätzt und liebt wie ſeine körperliche Arbeit als Holzer, einer, dem das Glück aus Plage und Trübſal erblüht und dieſes ſich mutig erkämpft. Ihm eignet ein ſieghafter Wille und er liebt die Natur mit allen Faſern ſeines jugendlichen Herzens, wie er auch Geiſt und Schön- heit liebt. Crotz Jugend ſehen wir in dieſem Buche viel Ab- geklärtheit, trotz mancher Sentimentalität viel Kraftbewußtſein. Heute fehlen uns dieſe Menſchen, aber ſie werden kommen und ſiegen, ſiegen über Unzulänglichkeiten und Menſchlichkeiten von heute, und daher ſchätzen wir das Buch in ſeinem ſchlichten Glauben; es iſt ein Anfang, aber eine Verheißung. H. Verſchiedenes Bad Nauheim. Nach der Bekanntmachung des franzöſiſchen Kommanbanten zu Frankfurt a. M. unterliegt der Reiſeverkehr nach dem neubeſetzten Gebiet und der Durchgangsverkehr keiner- lei Einſchränkung mehr. Ein franzöſiſches Viſum iſt auf Päſſen oder Perſonalausweiſen nicht mehr nötig. Hiernach iſt nunmehr auch die Zureiſe durch das beſetzte Gebiet nach Bad Nauheim, das außerhalb des beſetzten Gebietes liegt, ohne beſondere Formali- täten möglich. Es genügt ein von der Heimatbehörde ausgeſtell- ter Perſonalausweis. Ueber Kaſſel—Gießen kann die Zureiſe ohne irgendwelche Ausweiſe erfolgen. Für unverlangt eingeſandte Manuſkripte, denen kein Rückporto beiliegt, wird keine Gewähr geleiſtet Für die Rebaktion verantwortlich: Prof. Baſtian Schmid München- Solln; für den Inſeratenteil: Joſeph Rieß in München. Verlag: Verlag der „Allgemeinen Zeitung“, G. m. b. H., München. Druck: Baheriſche Druckerei & Verlagsanſtalt, G. m. b. H., München. _ _ _

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 20, 23. Mai 1920, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine20_1920/12>, abgerufen am 09.11.2024.