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Allgemeine Zeitung, Nr. 21, 30. Mai 1920.

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30. Mai 1920 Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

im Beginn der ersten Entwicklung stehen. Hier hat das Aus-
land, insbesondere Amerika, England und Frankreich, einen be-
deutenden Vorsprung, denn in den dortigen Schulen gehört das
Kino fast selbstverständlich zum üblichen Lehrapparat. Wir dürfen
überzeugt sein, daß das stets auf hoher Stufe stehende deutsche
Schulwesen dieser wichtigen Forderung des Tages voll gerecht
werden wird, und daß der hier eingetretene Vorsprung des Aus-
landes sehr bald zum Ausgleich kommt. Noch bis vor kurzem
hat die deutsche Filmindustrie dem Lehrfilm nur eine bedingte
Aufmerksamkeit geschenkt; das ist jetzt anders geworden. Einige
der bedeutendsten deutschen Filmgesellschaften sind dabei, Lehr-
filme von hervorragender Beschaffenheit herzustellen, so daß den
Schulen schon jetzt eine stattliche Zahl erstklassiger Lehrfilme zur
Verfügung stehen. Ueberall regt sich in den maßgebenden Kreisen
eine planvolle Förderung des Kinos für Schulzwecke. Die preu-
ßische Regierung unterstützt nach Möglichkeit dahingehende Pläne;
besonders hat sich das Institut für Erziehung und Unterricht zu
Berlin in den Dienst dieses Gedankens gestellt, das mit dem
Kultusministerium in engster Fühlung steht. An diesem Institut
ist eine unter der Leitung von Professor Lampe stehende Bild-
stelle geschaffen worden, die alle Lehrfilme auf ihren pädagogi-
schen Wert prüft. Den Schulen werden nur solche gewissermaßen
zensierte Lehrfilme zur [Anschaffung] empfohlen. Es soll vermie-
den werden, daß die Ausarbeitung der Lehrfilme nicht etwa ober-
flächlich und unpädgogisch erfolgt und daß die Lehrfilme ge-
wissermaßen auf diese Weise vom Schund freibleiben. In Bayern
verfolgt die neue kinematographische Gesellschaft zu München die
eben gekennzeichneten Ziele; dem Kuratorium gehören erste Ge-
lehrte der Isarresidenz an. In Oesterreich huldigt dieser Auf-
gabe das Wiener Institut für Kulturforschung, das unlängst
einige kulturpolitische Kartenfilme von fesselnder Eigenart zeigte.
Das preußische Kultusministerium erwägt den Gedanken, soge-
nannte Wanderkinos zu schaffen, und zwar eines für jeden Lan-
deskreis. Ein solches Wanderkino soll nicht nur in den Dorf-
schulen zu Gast weilen, sondern es soll auch zu der Landbevölke-
rung seine eindringliche Sprache reden. Man wird durch den
Film intensive rationelle Methoden der Bodenbearbeitung ver-
künden, wird die Arbeitsweisen nützlicher landwirtschaftlicher
Maschinen veranschaulichen und auf diese Weise zur Hebung der
Landwirtschaft wesentlich beitragen. Es gibt kein Gebiet, wo
der Film nicht imstande ist, wertvolle kulturelle Arbeit zu leisten.

Werfen wir einen kurzen Blick auf vorhandene deutsche Lehr-
filme. Unter diesen nehmen die naturwissenschaftlichen die erste
Stelle ein, aber auch auf allen anderen Gebieten sind pädagogisch
ausgezeichnete Lehrfilme geschaffen worden. Landschaften und
Städten den Geographieunterricht ergänzend, Kultur und Kultur-
geschichte, vornehmlich Volkskunde bietend, Sport, Industrie,
Handel und Gewerbe, Technik, Heer und Marine, Landwirtschaft,
kurz alles, was pädagogisch verwendbar ist, gewährt der Lehrfilm
in meisterhafter Darstellung.

Aber auch die mehr abstrakten Lehrgebiete, wie die Mathe-
matik, sind der Filmtechnik keineswegs unzugänglich. So gibt
es Lehrfilme, welche die Einführung in die Planimetrie und
Stereometrie behandeln; aus dem Gebiete der Physik liegen Lehr-
filme über praktische Wetterkunde, über die Wirkungen des elek-
trischen Stromes und über optische Täuschungen vor. Auf dem
Gebiete der Chemie wurden Lehrfilme über die Chemie der Gase,
die Bedeutung der Luft für die Atmung sowie eine chemotech-
nische Studie über Alkohol geschaffen. Sehr fesselnd ist ein Lehr-
film über die Entstehung und das Wachstum der Kristalle. Wohl
mit am stärksten hat die pädagogische Filmtechnik auf dem Ge-
biete der Naturwissenschaften gearbeitet, da sich gerade hier die
fesselndsten und dankbarsten Aufgaben bieten. Allen voran die
lebensprühende Tierwelt, aber auch die Pflanzenwelt bietet man-
ches Beachtenswerte. Dem Gebiete der Botanik gehören Lehr-
filme wie der Schulgarten, solche über Schimmelpilze und fleisch-
fressende Pflanzen an. Auch die Befruchtung der Pflanzen oder
das Erblühen derselben hat durch den Lehrfilm eine alle Einzel-
heiten umfassende Darstellung gefunden. Wohl die packendsten
Lehrfilme liefert die Zoologie. Die schier unerschöpfliche Viel-
gestaltigkeit der Tierwelt tritt uns hier in der reizvollsten Eigen-
art entgegen. Ausschnitte aus dem Kampf ums Dasein, der ge-
rade in der Tierwelt stark heimisch ist, wechseln mit [solchen]
aus dem Liebesleben der Tiere. Die Wunder der [Kleintierwelt]
werden uns mit Hilfe des Mikroskopes im Lehrfilm erschlossen,

[Spaltenumbruch]

und überrascht und erstaunt folgen wir dem Film bei der wie
eine Offenbarung wirkenden Erschließung und Klarlegung uns
sonst verborgen bleibenden Geheimnisse der Natur. Vor uns spielt
sich auf der Filmwand das Leben des Essigälchens oder Wasser-
flohes ab; wir schen die Lebensgewohnheiten der Qualle, Amöbe,
des Glockentierchens, des Seidenspinners, Riesenvielfußes oder
der Achatschnecke. Der Lehrfilm gestattet uns sogar die Ver-
dauungsprozesse eines Wasserkäfers zu beobachten. Die Mimikry
ist durch das bekannte wandelnde Blatt im Lehrfilm vertreten;
auch an Raupenstudien fehlt es nicht. Im Dordergrund steht
hier der Lehrfilm über die Seidenraupenzucht. Auch die Biene
hat uns einen spannenden Lehrfilm beschert; ein Film, der nicht
nur für Schulen, sondern auch für die Landwirtschaft, für die
Imkerei von großer Bedeutung ist. In den landwirtschaftlichen
Winterschulen wird der Bienenfilm in Zukunft eine Rolle spielen.
Wunderbare Einblicke gewährt uns der Lehrfilm in die Geheim-
nisse der Meereswelt, der Tiefsee. Neben dem wunderlichen
Knurrhahn und der Nagelroche liegen Aufnahmen vor von den
Seesternen der Nordsee, den Schlangensternen, der Bischofsmütze,
der Rippen-, Blumen-, Nessel-, Blüten-, Ohrenqualle und Hydro-
meduse. Die schreckhaften Tintenfische fehlen nicht, auch kann
man Zeuge von dem Drama der Ermordung eines Einsiedlers
durch eine Schwimmkrabbe durch den Film werden. Nicht minder
packende Bilder bietet uns der Lehrfilm aus der Vogelwelt.
Hierhin gehört eine reizvolle Fütterung von Wasserhühnern und
Lachmöven. Vollends die Filmbilder aus der Säugetierwelt ge-
währen oft spannende Szenen aus dem wechselvollen Tierleben.
Ausregende Jagden, wie solche auf Riesenschlangen in der
afrikanischen Wildnis oder eine Zebrajagd in Deutsch-Ostafrika
oder ein Gnufang in den wildreichen Steppen Ostafrikas, be-
leben das zoologische Verhältnis der Jugend und geben mehr
als spaltenlange mündliche Erklärungen. Von unseren Haus-
tieren hat besonders der Hund eine vielseitige filmmäßige Be-
handlung erfahren. Es gibt Lehrfilme über Hundezwergrassen,
über Teckelzucht und die Dressur deutscher Schäferhunde. Auch die
zoologischen Gärten von Berlin, Hannover und München liegen
im Film vor. Derartige Lehrfilme werden für Schulen von
Kleinstädten und Dörfern eine besondere Bedeutung erlangen, da
hierdurch der dortigen, die Großstadt nicht besuchenden Schul-
jugend bequeme Gelegenheit geboten wird, zoologische Gärten be-
quem kennenzulernen. Große Beachtung wurde u. a. dem auf
der Brüsseler Weltausstellung und auf der Naturforscherversamm-
lung zu Karlsruhe und Wien vorgeführten, von Prof. Bastian
Schmid und der Firma Ernemann aufgenommenen Film ge-
schenkt, der durch die Gebiete der Anatomie und Physiologie der
Tiere und Pflanzen führt und unter anderem die im Darm des
Frosches lebenden Schmarotzer in ihrer Tätigkeit zeigt sowie
tierpsychologische Momente veranschaulicht.

Schier unerschöpfliche Möglichkeiten bietet der Lehrfilm in
geographischer Hinsicht. Allen voran steht hier die Heimatkunde,
die mit zahlreichen prächtigen Filmaufnahmen bedacht ist. Wohl
jeder deutsche Gau in Nord und Süd und Ost und West hat
seinen Filmarbeiter gefunden und gewinnt so die Geographie-
stunde durch den Film erst eine wahrhaft plastische Belebung.
Nicht alle geographischen Filme sind von so überwältigender
Naturpracht wie der von Prof. Dr. Lampe geschaffene einzig-
artige Alpenfilm, der mit seiner Länge von 1800 Meter auch
der Ausdehnung nach unter den Lehrfilmen an der Spitze steht.
Wir erleben im Film eine Spreewaldfahrt, eine Fahrt durch
den Kaiser-Wilhelm-Kanal oder wir durchsegeln die Lüfte mit
einem Zeppelin über dem Häusermeer Berlins, nicht minder
fesselnd ist eine Dampferfahrt durch den gewaltigen Hamburger
Hafen. Die im Film gebotene bayerische Alpenwelt wird für
den deutschen Süden immer neue Bewunderer werben. Vielfach
werden die geographischen Lehrfilme doppelsinnig auch als
Kulturfilme wirken, denn fast immer stellen sie gleichzeitig mehr
oder weniger belebte Volksbilder dar. Noch deutlicher tritt die
pädagogische Kraft der geographischen Lehrfilme bei den außer-
europäischen geographischen Filmen zutage. Hier wird der
Schuljugend die romantische Welt Asiens und Afrikas oder die
gigantische Formenwelt Nordamerikas mit plastischer Deutlich-
keit geoffenbart und kein geographisches Lehrbuch kann in diesen
Fällen auch nur annähernd ersetzen, höchstens ergänzen. Für die
Religionsstunde wird der Lehrfilm über Palästina und Jerusalem
von großer Bedeutung sein. Es gibt keine wirkungsvollere

30. Mai 1920 Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]

im Beginn der erſten Entwicklung ſtehen. Hier hat das Aus-
land, insbeſondere Amerika, England und Frankreich, einen be-
deutenden Vorſprung, denn in den dortigen Schulen gehört das
Kino faſt ſelbſtverſtändlich zum üblichen Lehrapparat. Wir dürfen
überzeugt ſein, daß das ſtets auf hoher Stufe ſtehende deutſche
Schulweſen dieſer wichtigen Forderung des Tages voll gerecht
werden wird, und daß der hier eingetretene Vorſprung des Aus-
landes ſehr bald zum Ausgleich kommt. Noch bis vor kurzem
hat die deutſche Filminduſtrie dem Lehrfilm nur eine bedingte
Aufmerkſamkeit geſchenkt; das iſt jetzt anders geworden. Einige
der bedeutendſten deutſchen Filmgeſellſchaften ſind dabei, Lehr-
filme von hervorragender Beſchaffenheit herzuſtellen, ſo daß den
Schulen ſchon jetzt eine ſtattliche Zahl erſtklaſſiger Lehrfilme zur
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eine planvolle Förderung des Kinos für Schulzwecke. Die preu-
ßiſche Regierung unterſtützt nach Möglichkeit dahingehende Pläne;
beſonders hat ſich das Inſtitut für Erziehung und Unterricht zu
Berlin in den Dienſt dieſes Gedankens geſtellt, das mit dem
Kultusminiſterium in engſter Fühlung ſteht. An dieſem Inſtitut
iſt eine unter der Leitung von Profeſſor Lampe ſtehende Bild-
ſtelle geſchaffen worden, die alle Lehrfilme auf ihren pädagogi-
ſchen Wert prüft. Den Schulen werden nur ſolche gewiſſermaßen
zenſierte Lehrfilme zur [Anſchaffung] empfohlen. Es ſoll vermie-
den werden, daß die Ausarbeitung der Lehrfilme nicht etwa ober-
flächlich und unpädgogiſch erfolgt und daß die Lehrfilme ge-
wiſſermaßen auf dieſe Weiſe vom Schund freibleiben. In Bayern
verfolgt die neue kinematographiſche Geſellſchaft zu München die
eben gekennzeichneten Ziele; dem Kuratorium gehören erſte Ge-
lehrte der Iſarreſidenz an. In Oeſterreich huldigt dieſer Auf-
gabe das Wiener Inſtitut für Kulturforſchung, das unlängſt
einige kulturpolitiſche Kartenfilme von feſſelnder Eigenart zeigte.
Das preußiſche Kultusminiſterium erwägt den Gedanken, ſoge-
nannte Wanderkinos zu ſchaffen, und zwar eines für jeden Lan-
deskreis. Ein ſolches Wanderkino ſoll nicht nur in den Dorf-
ſchulen zu Gaſt weilen, ſondern es ſoll auch zu der Landbevölke-
rung ſeine eindringliche Sprache reden. Man wird durch den
Film intenſive rationelle Methoden der Bodenbearbeitung ver-
künden, wird die Arbeitsweiſen nützlicher landwirtſchaftlicher
Maſchinen veranſchaulichen und auf dieſe Weiſe zur Hebung der
Landwirtſchaft weſentlich beitragen. Es gibt kein Gebiet, wo
der Film nicht imſtande iſt, wertvolle kulturelle Arbeit zu leiſten.

Werfen wir einen kurzen Blick auf vorhandene deutſche Lehr-
filme. Unter dieſen nehmen die naturwiſſenſchaftlichen die erſte
Stelle ein, aber auch auf allen anderen Gebieten ſind pädagogiſch
ausgezeichnete Lehrfilme geſchaffen worden. Landſchaften und
Städten den Geographieunterricht ergänzend, Kultur und Kultur-
geſchichte, vornehmlich Volkskunde bietend, Sport, Induſtrie,
Handel und Gewerbe, Technik, Heer und Marine, Landwirtſchaft,
kurz alles, was pädagogiſch verwendbar iſt, gewährt der Lehrfilm
in meiſterhafter Darſtellung.

Aber auch die mehr abſtrakten Lehrgebiete, wie die Mathe-
matik, ſind der Filmtechnik keineswegs unzugänglich. So gibt
es Lehrfilme, welche die Einführung in die Planimetrie und
Stereometrie behandeln; aus dem Gebiete der Phyſik liegen Lehr-
filme über praktiſche Wetterkunde, über die Wirkungen des elek-
triſchen Stromes und über optiſche Täuſchungen vor. Auf dem
Gebiete der Chemie wurden Lehrfilme über die Chemie der Gaſe,
die Bedeutung der Luft für die Atmung ſowie eine chemotech-
niſche Studie über Alkohol geſchaffen. Sehr feſſelnd iſt ein Lehr-
film über die Entſtehung und das Wachstum der Kriſtalle. Wohl
mit am ſtärkſten hat die pädagogiſche Filmtechnik auf dem Ge-
biete der Naturwiſſenſchaften gearbeitet, da ſich gerade hier die
feſſelndſten und dankbarſten Aufgaben bieten. Allen voran die
lebenſprühende Tierwelt, aber auch die Pflanzenwelt bietet man-
ches Beachtenswerte. Dem Gebiete der Botanik gehören Lehr-
filme wie der Schulgarten, ſolche über Schimmelpilze und fleiſch-
freſſende Pflanzen an. Auch die Befruchtung der Pflanzen oder
das Erblühen derſelben hat durch den Lehrfilm eine alle Einzel-
heiten umfaſſende Darſtellung gefunden. Wohl die packendſten
Lehrfilme liefert die Zoologie. Die ſchier unerſchöpfliche Viel-
geſtaltigkeit der Tierwelt tritt uns hier in der reizvollſten Eigen-
art entgegen. Ausſchnitte aus dem Kampf ums Daſein, der ge-
rade in der Tierwelt ſtark heimiſch iſt, wechſeln mit [ſolchen]
aus dem Liebesleben der Tiere. Die Wunder der [Kleintierwelt]
werden uns mit Hilfe des Mikroſkopes im Lehrfilm erſchloſſen,

[Spaltenumbruch]

und überraſcht und erſtaunt folgen wir dem Film bei der wie
eine Offenbarung wirkenden Erſchließung und Klarlegung uns
ſonſt verborgen bleibenden Geheimniſſe der Natur. Vor uns ſpielt
ſich auf der Filmwand das Leben des Eſſigälchens oder Waſſer-
flohes ab; wir ſchen die Lebensgewohnheiten der Qualle, Amöbe,
des Glockentierchens, des Seidenſpinners, Rieſenvielfußes oder
der Achatſchnecke. Der Lehrfilm geſtattet uns ſogar die Ver-
dauungsprozeſſe eines Waſſerkäfers zu beobachten. Die Mimikry
iſt durch das bekannte wandelnde Blatt im Lehrfilm vertreten;
auch an Raupenſtudien fehlt es nicht. Im Dordergrund ſteht
hier der Lehrfilm über die Seidenraupenzucht. Auch die Biene
hat uns einen ſpannenden Lehrfilm beſchert; ein Film, der nicht
nur für Schulen, ſondern auch für die Landwirtſchaft, für die
Imkerei von großer Bedeutung iſt. In den landwirtſchaftlichen
Winterſchulen wird der Bienenfilm in Zukunft eine Rolle ſpielen.
Wunderbare Einblicke gewährt uns der Lehrfilm in die Geheim-
niſſe der Meereswelt, der Tiefſee. Neben dem wunderlichen
Knurrhahn und der Nagelroche liegen Aufnahmen vor von den
Seeſternen der Nordſee, den Schlangenſternen, der Biſchofsmütze,
der Rippen-, Blumen-, Neſſel-, Blüten-, Ohrenqualle und Hydro-
meduſe. Die ſchreckhaften Tintenfiſche fehlen nicht, auch kann
man Zeuge von dem Drama der Ermordung eines Einſiedlers
durch eine Schwimmkrabbe durch den Film werden. Nicht minder
packende Bilder bietet uns der Lehrfilm aus der Vogelwelt.
Hierhin gehört eine reizvolle Fütterung von Waſſerhühnern und
Lachmöven. Vollends die Filmbilder aus der Säugetierwelt ge-
währen oft ſpannende Szenen aus dem wechſelvollen Tierleben.
Auſregende Jagden, wie ſolche auf Rieſenſchlangen in der
afrikaniſchen Wildnis oder eine Zebrajagd in Deutſch-Oſtafrika
oder ein Gnufang in den wildreichen Steppen Oſtafrikas, be-
leben das zoologiſche Verhältnis der Jugend und geben mehr
als ſpaltenlange mündliche Erklärungen. Von unſeren Haus-
tieren hat beſonders der Hund eine vielſeitige filmmäßige Be-
handlung erfahren. Es gibt Lehrfilme über Hundezwergraſſen,
über Teckelzucht und die Dreſſur deutſcher Schäferhunde. Auch die
zoologiſchen Gärten von Berlin, Hannover und München liegen
im Film vor. Derartige Lehrfilme werden für Schulen von
Kleinſtädten und Dörfern eine beſondere Bedeutung erlangen, da
hierdurch der dortigen, die Großſtadt nicht beſuchenden Schul-
jugend bequeme Gelegenheit geboten wird, zoologiſche Gärten be-
quem kennenzulernen. Große Beachtung wurde u. a. dem auf
der Brüſſeler Weltausſtellung und auf der Naturforſcherverſamm-
lung zu Karlsruhe und Wien vorgeführten, von Prof. Baſtian
Schmid und der Firma Ernemann aufgenommenen Film ge-
ſchenkt, der durch die Gebiete der Anatomie und Phyſiologie der
Tiere und Pflanzen führt und unter anderem die im Darm des
Froſches lebenden Schmarotzer in ihrer Tätigkeit zeigt ſowie
tierpſychologiſche Momente veranſchaulicht.

Schier unerſchöpfliche Möglichkeiten bietet der Lehrfilm in
geographiſcher Hinſicht. Allen voran ſteht hier die Heimatkunde,
die mit zahlreichen prächtigen Filmaufnahmen bedacht iſt. Wohl
jeder deutſche Gau in Nord und Süd und Oſt und Weſt hat
ſeinen Filmarbeiter gefunden und gewinnt ſo die Geographie-
ſtunde durch den Film erſt eine wahrhaft plaſtiſche Belebung.
Nicht alle geographiſchen Filme ſind von ſo überwältigender
Naturpracht wie der von Prof. Dr. Lampe geſchaffene einzig-
artige Alpenfilm, der mit ſeiner Länge von 1800 Meter auch
der Ausdehnung nach unter den Lehrfilmen an der Spitze ſteht.
Wir erleben im Film eine Spreewaldfahrt, eine Fahrt durch
den Kaiſer-Wilhelm-Kanal oder wir durchſegeln die Lüfte mit
einem Zeppelin über dem Häuſermeer Berlins, nicht minder
feſſelnd iſt eine Dampferfahrt durch den gewaltigen Hamburger
Hafen. Die im Film gebotene bayeriſche Alpenwelt wird für
den deutſchen Süden immer neue Bewunderer werben. Vielfach
werden die geographiſchen Lehrfilme doppelſinnig auch als
Kulturfilme wirken, denn faſt immer ſtellen ſie gleichzeitig mehr
oder weniger belebte Volksbilder dar. Noch deutlicher tritt die
pädagogiſche Kraft der geographiſchen Lehrfilme bei den außer-
europäiſchen geographiſchen Filmen zutage. Hier wird der
Schuljugend die romantiſche Welt Aſiens und Afrikas oder die
gigantiſche Formenwelt Nordamerikas mit plaſtiſcher Deutlich-
keit geoffenbart und kein geographiſches Lehrbuch kann in dieſen
Fällen auch nur annähernd erſetzen, höchſtens ergänzen. Für die
Religionsſtunde wird der Lehrfilm über Paläſtina und Jeruſalem
von großer Bedeutung ſein. Es gibt keine wirkungsvollere

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[203/0005] 30. Mai 1920 Allgemeine Zeitung im Beginn der erſten Entwicklung ſtehen. Hier hat das Aus- land, insbeſondere Amerika, England und Frankreich, einen be- deutenden Vorſprung, denn in den dortigen Schulen gehört das Kino faſt ſelbſtverſtändlich zum üblichen Lehrapparat. Wir dürfen überzeugt ſein, daß das ſtets auf hoher Stufe ſtehende deutſche Schulweſen dieſer wichtigen Forderung des Tages voll gerecht werden wird, und daß der hier eingetretene Vorſprung des Aus- landes ſehr bald zum Ausgleich kommt. Noch bis vor kurzem hat die deutſche Filminduſtrie dem Lehrfilm nur eine bedingte Aufmerkſamkeit geſchenkt; das iſt jetzt anders geworden. Einige der bedeutendſten deutſchen Filmgeſellſchaften ſind dabei, Lehr- filme von hervorragender Beſchaffenheit herzuſtellen, ſo daß den Schulen ſchon jetzt eine ſtattliche Zahl erſtklaſſiger Lehrfilme zur Verfügung ſtehen. Ueberall regt ſich in den maßgebenden Kreiſen eine planvolle Förderung des Kinos für Schulzwecke. Die preu- ßiſche Regierung unterſtützt nach Möglichkeit dahingehende Pläne; beſonders hat ſich das Inſtitut für Erziehung und Unterricht zu Berlin in den Dienſt dieſes Gedankens geſtellt, das mit dem Kultusminiſterium in engſter Fühlung ſteht. An dieſem Inſtitut iſt eine unter der Leitung von Profeſſor Lampe ſtehende Bild- ſtelle geſchaffen worden, die alle Lehrfilme auf ihren pädagogi- ſchen Wert prüft. Den Schulen werden nur ſolche gewiſſermaßen zenſierte Lehrfilme zur Anſchaffung empfohlen. Es ſoll vermie- den werden, daß die Ausarbeitung der Lehrfilme nicht etwa ober- flächlich und unpädgogiſch erfolgt und daß die Lehrfilme ge- wiſſermaßen auf dieſe Weiſe vom Schund freibleiben. In Bayern verfolgt die neue kinematographiſche Geſellſchaft zu München die eben gekennzeichneten Ziele; dem Kuratorium gehören erſte Ge- lehrte der Iſarreſidenz an. In Oeſterreich huldigt dieſer Auf- gabe das Wiener Inſtitut für Kulturforſchung, das unlängſt einige kulturpolitiſche Kartenfilme von feſſelnder Eigenart zeigte. Das preußiſche Kultusminiſterium erwägt den Gedanken, ſoge- nannte Wanderkinos zu ſchaffen, und zwar eines für jeden Lan- deskreis. Ein ſolches Wanderkino ſoll nicht nur in den Dorf- ſchulen zu Gaſt weilen, ſondern es ſoll auch zu der Landbevölke- rung ſeine eindringliche Sprache reden. Man wird durch den Film intenſive rationelle Methoden der Bodenbearbeitung ver- künden, wird die Arbeitsweiſen nützlicher landwirtſchaftlicher Maſchinen veranſchaulichen und auf dieſe Weiſe zur Hebung der Landwirtſchaft weſentlich beitragen. Es gibt kein Gebiet, wo der Film nicht imſtande iſt, wertvolle kulturelle Arbeit zu leiſten. Werfen wir einen kurzen Blick auf vorhandene deutſche Lehr- filme. Unter dieſen nehmen die naturwiſſenſchaftlichen die erſte Stelle ein, aber auch auf allen anderen Gebieten ſind pädagogiſch ausgezeichnete Lehrfilme geſchaffen worden. Landſchaften und Städten den Geographieunterricht ergänzend, Kultur und Kultur- geſchichte, vornehmlich Volkskunde bietend, Sport, Induſtrie, Handel und Gewerbe, Technik, Heer und Marine, Landwirtſchaft, kurz alles, was pädagogiſch verwendbar iſt, gewährt der Lehrfilm in meiſterhafter Darſtellung. Aber auch die mehr abſtrakten Lehrgebiete, wie die Mathe- matik, ſind der Filmtechnik keineswegs unzugänglich. So gibt es Lehrfilme, welche die Einführung in die Planimetrie und Stereometrie behandeln; aus dem Gebiete der Phyſik liegen Lehr- filme über praktiſche Wetterkunde, über die Wirkungen des elek- triſchen Stromes und über optiſche Täuſchungen vor. Auf dem Gebiete der Chemie wurden Lehrfilme über die Chemie der Gaſe, die Bedeutung der Luft für die Atmung ſowie eine chemotech- niſche Studie über Alkohol geſchaffen. Sehr feſſelnd iſt ein Lehr- film über die Entſtehung und das Wachstum der Kriſtalle. Wohl mit am ſtärkſten hat die pädagogiſche Filmtechnik auf dem Ge- biete der Naturwiſſenſchaften gearbeitet, da ſich gerade hier die feſſelndſten und dankbarſten Aufgaben bieten. Allen voran die lebenſprühende Tierwelt, aber auch die Pflanzenwelt bietet man- ches Beachtenswerte. Dem Gebiete der Botanik gehören Lehr- filme wie der Schulgarten, ſolche über Schimmelpilze und fleiſch- freſſende Pflanzen an. Auch die Befruchtung der Pflanzen oder das Erblühen derſelben hat durch den Lehrfilm eine alle Einzel- heiten umfaſſende Darſtellung gefunden. Wohl die packendſten Lehrfilme liefert die Zoologie. Die ſchier unerſchöpfliche Viel- geſtaltigkeit der Tierwelt tritt uns hier in der reizvollſten Eigen- art entgegen. Ausſchnitte aus dem Kampf ums Daſein, der ge- rade in der Tierwelt ſtark heimiſch iſt, wechſeln mit ſolchen aus dem Liebesleben der Tiere. Die Wunder der Kleintierwelt werden uns mit Hilfe des Mikroſkopes im Lehrfilm erſchloſſen, und überraſcht und erſtaunt folgen wir dem Film bei der wie eine Offenbarung wirkenden Erſchließung und Klarlegung uns ſonſt verborgen bleibenden Geheimniſſe der Natur. Vor uns ſpielt ſich auf der Filmwand das Leben des Eſſigälchens oder Waſſer- flohes ab; wir ſchen die Lebensgewohnheiten der Qualle, Amöbe, des Glockentierchens, des Seidenſpinners, Rieſenvielfußes oder der Achatſchnecke. Der Lehrfilm geſtattet uns ſogar die Ver- dauungsprozeſſe eines Waſſerkäfers zu beobachten. Die Mimikry iſt durch das bekannte wandelnde Blatt im Lehrfilm vertreten; auch an Raupenſtudien fehlt es nicht. Im Dordergrund ſteht hier der Lehrfilm über die Seidenraupenzucht. Auch die Biene hat uns einen ſpannenden Lehrfilm beſchert; ein Film, der nicht nur für Schulen, ſondern auch für die Landwirtſchaft, für die Imkerei von großer Bedeutung iſt. In den landwirtſchaftlichen Winterſchulen wird der Bienenfilm in Zukunft eine Rolle ſpielen. Wunderbare Einblicke gewährt uns der Lehrfilm in die Geheim- niſſe der Meereswelt, der Tiefſee. Neben dem wunderlichen Knurrhahn und der Nagelroche liegen Aufnahmen vor von den Seeſternen der Nordſee, den Schlangenſternen, der Biſchofsmütze, der Rippen-, Blumen-, Neſſel-, Blüten-, Ohrenqualle und Hydro- meduſe. Die ſchreckhaften Tintenfiſche fehlen nicht, auch kann man Zeuge von dem Drama der Ermordung eines Einſiedlers durch eine Schwimmkrabbe durch den Film werden. Nicht minder packende Bilder bietet uns der Lehrfilm aus der Vogelwelt. Hierhin gehört eine reizvolle Fütterung von Waſſerhühnern und Lachmöven. Vollends die Filmbilder aus der Säugetierwelt ge- währen oft ſpannende Szenen aus dem wechſelvollen Tierleben. Auſregende Jagden, wie ſolche auf Rieſenſchlangen in der afrikaniſchen Wildnis oder eine Zebrajagd in Deutſch-Oſtafrika oder ein Gnufang in den wildreichen Steppen Oſtafrikas, be- leben das zoologiſche Verhältnis der Jugend und geben mehr als ſpaltenlange mündliche Erklärungen. Von unſeren Haus- tieren hat beſonders der Hund eine vielſeitige filmmäßige Be- handlung erfahren. Es gibt Lehrfilme über Hundezwergraſſen, über Teckelzucht und die Dreſſur deutſcher Schäferhunde. Auch die zoologiſchen Gärten von Berlin, Hannover und München liegen im Film vor. Derartige Lehrfilme werden für Schulen von Kleinſtädten und Dörfern eine beſondere Bedeutung erlangen, da hierdurch der dortigen, die Großſtadt nicht beſuchenden Schul- jugend bequeme Gelegenheit geboten wird, zoologiſche Gärten be- quem kennenzulernen. Große Beachtung wurde u. a. dem auf der Brüſſeler Weltausſtellung und auf der Naturforſcherverſamm- lung zu Karlsruhe und Wien vorgeführten, von Prof. Baſtian Schmid und der Firma Ernemann aufgenommenen Film ge- ſchenkt, der durch die Gebiete der Anatomie und Phyſiologie der Tiere und Pflanzen führt und unter anderem die im Darm des Froſches lebenden Schmarotzer in ihrer Tätigkeit zeigt ſowie tierpſychologiſche Momente veranſchaulicht. Schier unerſchöpfliche Möglichkeiten bietet der Lehrfilm in geographiſcher Hinſicht. Allen voran ſteht hier die Heimatkunde, die mit zahlreichen prächtigen Filmaufnahmen bedacht iſt. Wohl jeder deutſche Gau in Nord und Süd und Oſt und Weſt hat ſeinen Filmarbeiter gefunden und gewinnt ſo die Geographie- ſtunde durch den Film erſt eine wahrhaft plaſtiſche Belebung. Nicht alle geographiſchen Filme ſind von ſo überwältigender Naturpracht wie der von Prof. Dr. Lampe geſchaffene einzig- artige Alpenfilm, der mit ſeiner Länge von 1800 Meter auch der Ausdehnung nach unter den Lehrfilmen an der Spitze ſteht. Wir erleben im Film eine Spreewaldfahrt, eine Fahrt durch den Kaiſer-Wilhelm-Kanal oder wir durchſegeln die Lüfte mit einem Zeppelin über dem Häuſermeer Berlins, nicht minder feſſelnd iſt eine Dampferfahrt durch den gewaltigen Hamburger Hafen. Die im Film gebotene bayeriſche Alpenwelt wird für den deutſchen Süden immer neue Bewunderer werben. Vielfach werden die geographiſchen Lehrfilme doppelſinnig auch als Kulturfilme wirken, denn faſt immer ſtellen ſie gleichzeitig mehr oder weniger belebte Volksbilder dar. Noch deutlicher tritt die pädagogiſche Kraft der geographiſchen Lehrfilme bei den außer- europäiſchen geographiſchen Filmen zutage. Hier wird der Schuljugend die romantiſche Welt Aſiens und Afrikas oder die gigantiſche Formenwelt Nordamerikas mit plaſtiſcher Deutlich- keit geoffenbart und kein geographiſches Lehrbuch kann in dieſen Fällen auch nur annähernd erſetzen, höchſtens ergänzen. Für die Religionsſtunde wird der Lehrfilm über Paläſtina und Jeruſalem von großer Bedeutung ſein. Es gibt keine wirkungsvollere

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 21, 30. Mai 1920, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine21_1920/5>, abgerufen am 21.11.2024.