Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920.Allgemeine Zeitung 6. Juni 1920 [Spaltenumbruch] dem man den Volksnamen finden will. Die Goten z. B. nennen sich Gut-thiuda (Gotenvolk), die Angelsachsen Angel- theod (Angeln-Volk). Nun wird im alten Hildebrandslied von irmin-deot gesprochen, das nach diesen Parallelen "Erman-Volk" (d. h. Germanen-Volk) bedeuten müßte. Diese Namensform aber wird bezeugt durch den Stammes- namen der Hermiones bei Tacitus, die nach Plinius Her- minones hießen. Da das H bereits stumm war, so haben wir hier den Namen Erminones, der eine seitwärtige Bildung (mit i) von Ermanos sein kann. Endlich bietet das angel- sächsische Gedicht Beowulf einen Beleg für den Namen. Dort heißt es (V. 1956), der anglische König Offa sei der glücklichste der "eormencynnes", d. h. der germanischen Volkskönige. So tritt scheinbar an verschiedensten Stellen der Volksname hervor, der die deutsche Grundform für die römische Umprägung "Germani" gewesen ist und lautet Ermanos, Mehrzahl Ermanones oder Erminons, Erminones. Jn dieser Beweisführung liegen nun aber zwei Voraus- So überzeugend also zunächst die Herleitung des Feuilleton Elegie und hymnus an GOTT. O Großer Gott,Du hobst mit starkem Arm das All empor aus dunklem Nichts, Mit Flammenfunken-Wolken ungezählt Hast Du die Räume prächtig ausgefüllt Und lächelnd Dir den Sternenmantel umgeschlagen. Ach, daß Dir Welt-erschaffen Bedürfnis ward! Denn wisse. Sünde war's was Du getan! O, Freude nur und Jubel, Tanz und seliges Entzücken müßte Restlos Stern' um Sterne füllen, die ein guter Gott erschuf. Doch schaue hier nur Deine kleine Erde, wie sie schwarz Von Blut besudelt, voll Gestöhn und wildem Streit sich windet: Ein Schlachthaus, hast Du sie mit Licht und buntem Flitter überkleidet [Spaltenumbruch] Die Kind und Narr nur eine Weile täuschen. Nur dunkles Jrren, wirres Tasten Ein schmählich Hungerleiden nach dem Niemalsmöglichen Zerwühlt, zerkrampft die wunden Herzen, Die dumpfer Trägheit sich entwunden ... Wie sollt' es anders auf den andern Kugeln sein! Und wär's auch: diese eine hast Du übel hergerichtet Wehklage tönt seit sie das erstemal begann zu kreisen! Dringt denn kein Laut zu Deinem Ohr, o sag' mir's Gott, Gibt Dir der tolle Tanz der Funken göttliches Genügen? Fühlst Du dich wohl, wenn einer dankt und zehn Dir fluchen, Daß Du nicht tausendmal bereust Dein Tun Und in den Abgrund schleuderst das unselig Werk? Wozu schufst Du die Welt? Was soll das alles um und um, Dies ruhlos Dreh'n und Rasen seit Aeonen, Dies tolle Wirbeln ohne Grenze, ohne Ende, Was soll es, sprich? Und wenn es ohne Grund und ohne Sinn Wenn einer Laune nur dies Werk entsprang, Warum, warum schufst Du den Menschen mit Verstand und Herz, Die Qual zu fühlen und des Zweifels glüh'nde Zangen? Bist Du ein Dämon, sprich, der grinsend sich am Jammer weidet, Des Teufels würd'ger Vater ohn' Erbarmen und Gewissen? Bist Du ein Stümper, der ein reines Werk gewollt Und dem fragwürdig nur das Ding gelang? Du hüllst in Deinen Mantel Dich und schweigst. -- Ob heiser wir uns rufen und vor Leid vergehen, Verschlossen bleibt Dein Ohr und ewig stumm Dein Mund. Doch eines, halt, gelang Dir gut, gelang Dir gut: Den Zweifel an Dir selbst und Deiner Güte, Deiner Macht Und tiefes Mitleid mit dem eignen Leben Unstillbar in uns einzuträufeln -- -- -- So wälzen ohne Glauben, ohne Hoffen Wir dumpf des Daseins schwere Steine Und niemand reicht uns Trost noch Antwort, So tasten nackt und hilflos wir und irren Durch des Lebens vielverschlung'ne Pfade Bis müd' am Abend wir zum stillen Strom uns schleppen Zu kühlen tief in styg'scher Flut Die tausenfach zerwühlte Brust Und klaglos untersinken in das Nichts ... [] Und doch, Du großer Gott, vergib mein Zagen! Nicht will ich schwach Dich einem Menschen nur vergleichen, Als ob fast wie ein Schuster schufest Du Dein Werk. Du bist, ich fühl's, das weite Weltall selber ja Das eine zeitlos Ohnegleichen, Du selbst hast Dich aus Dir geboren, Du Rätselgeist der Unbegreiflichkeit Und ohne Grenzen ohne Maß sind Deine Wunder Und schaudernd denk ich Deiner Tiefe, Deiner Kraft, Wie nichts kann Deinen ew'gen Hauch entbehren ... Du bist das Erste, bist das Letzte, bist das Ein in Allem Du bist mir Urgesetz und höchstes Ziel Du bist mir Tag, Du bist mir Nacht und nichts ist außer Dir Und Du bist schön ... ja Du bist schön! Du bist der Himmel und bist auch das Nest Hier in dem Busche, das der Fink mit treuem Auge schützt, Du bist die sonnbeglänzte Wiese dort, Das volle Aehrenfeld mit Mohn und leuchtenden Zyanen, Du bist des Julis warme Flimmerluft, Des Herbstes Glüh'n in allen Farben, Des Frühlings jauchzend Stürmen bist Du, Des langen Winters eis'ge Pracht ... Du bist der Ströme breites Fließen Mit Lastkahn und des Bootes Segel, Der dunkeln Haine heimlich Rauschen bist Du Des Rehes Schlankheit, auch des Kuckucks Dauerrus, Des Wurmes Krümmen und des Falters Gaukeln, Der Spinne feines Webnetz an den Zweigen, Der Mücke Tanz am lauen Sommerabend. Du bist der Tau mit seinem Glanz am frühen Tage, Allgemeine Zeitung 6. Juni 1920 [Spaltenumbruch] dem man den Volksnamen finden will. Die Goten z. B. nennen ſich Gut-thiuda (Gotenvolk), die Angelſachſen Angel- theod (Angeln-Volk). Nun wird im alten Hildebrandslied von irmin-deot geſprochen, das nach dieſen Parallelen „Erman-Volk“ (d. h. Germanen-Volk) bedeuten müßte. Dieſe Namensform aber wird bezeugt durch den Stammes- namen der Hermiones bei Tacitus, die nach Plinius Her- minones hießen. Da das H bereits ſtumm war, ſo haben wir hier den Namen Erminones, der eine ſeitwärtige Bildung (mit i) von Ermanos ſein kann. Endlich bietet das angel- ſächſiſche Gedicht Beowulf einen Beleg für den Namen. Dort heißt es (V. 1956), der angliſche König Offa ſei der glücklichſte der „eormencynnes“, d. h. der germaniſchen Volkskönige. So tritt ſcheinbar an verſchiedenſten Stellen der Volksname hervor, der die deutſche Grundform für die römiſche Umprägung „Germani“ geweſen iſt und lautet Ermanos, Mehrzahl Ermanones oder Erminons, Erminones. Jn dieſer Beweisführung liegen nun aber zwei Voraus- So überzeugend alſo zunächſt die Herleitung des Feuilleton Elegie und hymnus an GOTT. O Großer Gott,Du hobſt mit ſtarkem Arm das All empor aus dunklem Nichts, Mit Flammenfunken-Wolken ungezählt Haſt Du die Räume prächtig ausgefüllt Und lächelnd Dir den Sternenmantel umgeſchlagen. Ach, daß Dir Welt-erſchaffen Bedürfnis ward! Denn wiſſe. Sünde war’s was Du getan! O, Freude nur und Jubel, Tanz und ſeliges Entzücken müßte Reſtlos Stern’ um Sterne füllen, die ein guter Gott erſchuf. Doch ſchaue hier nur Deine kleine Erde, wie ſie ſchwarz Von Blut beſudelt, voll Geſtöhn und wildem Streit ſich windet: Ein Schlachthaus, haſt Du ſie mit Licht und buntem Flitter überkleidet [Spaltenumbruch] Die Kind und Narr nur eine Weile täuſchen. Nur dunkles Jrren, wirres Taſten Ein ſchmählich Hungerleiden nach dem Niemalsmöglichen Zerwühlt, zerkrampft die wunden Herzen, Die dumpfer Trägheit ſich entwunden ... Wie ſollt’ es anders auf den andern Kugeln ſein! Und wär’s auch: dieſe eine haſt Du übel hergerichtet Wehklage tönt ſeit ſie das erſtemal begann zu kreiſen! Dringt denn kein Laut zu Deinem Ohr, o ſag’ mir’s Gott, Gibt Dir der tolle Tanz der Funken göttliches Genügen? Fühlſt Du dich wohl, wenn einer dankt und zehn Dir fluchen, Daß Du nicht tauſendmal bereuſt Dein Tun Und in den Abgrund ſchleuderſt das unſelig Werk? Wozu ſchufſt Du die Welt? Was ſoll das alles um und um, Dies ruhlos Dreh’n und Raſen ſeit Aeonen, Dies tolle Wirbeln ohne Grenze, ohne Ende, Was ſoll es, ſprich? Und wenn es ohne Grund und ohne Sinn Wenn einer Laune nur dies Werk entſprang, Warum, warum ſchufſt Du den Menſchen mit Verſtand und Herz, Die Qual zu fühlen und des Zweifels glüh’nde Zangen? Biſt Du ein Dämon, ſprich, der grinſend ſich am Jammer weidet, Des Teufels würd’ger Vater ohn’ Erbarmen und Gewiſſen? Biſt Du ein Stümper, der ein reines Werk gewollt Und dem fragwürdig nur das Ding gelang? Du hüllſt in Deinen Mantel Dich und ſchweigſt. — Ob heiſer wir uns rufen und vor Leid vergehen, Verſchloſſen bleibt Dein Ohr und ewig ſtumm Dein Mund. Doch eines, halt, gelang Dir gut, gelang Dir gut: Den Zweifel an Dir ſelbſt und Deiner Güte, Deiner Macht Und tiefes Mitleid mit dem eignen Leben Unſtillbar in uns einzuträufeln — — — So wälzen ohne Glauben, ohne Hoffen Wir dumpf des Daſeins ſchwere Steine Und niemand reicht uns Troſt noch Antwort, So taſten nackt und hilflos wir und irren Durch des Lebens vielverſchlung’ne Pfade Bis müd’ am Abend wir zum ſtillen Strom uns ſchleppen Zu kühlen tief in ſtyg’ſcher Flut Die tauſenfach zerwühlte Bruſt Und klaglos unterſinken in das Nichts ... [] Und doch, Du großer Gott, vergib mein Zagen! Nicht will ich ſchwach Dich einem Menſchen nur vergleichen, Als ob faſt wie ein Schuſter ſchufeſt Du Dein Werk. Du biſt, ich fühl’s, das weite Weltall ſelber ja Das eine zeitlos Ohnegleichen, Du ſelbſt haſt Dich aus Dir geboren, Du Rätſelgeiſt der Unbegreiflichkeit Und ohne Grenzen ohne Maß ſind Deine Wunder Und ſchaudernd denk ich Deiner Tiefe, Deiner Kraft, Wie nichts kann Deinen ew’gen Hauch entbehren ... Du biſt das Erſte, biſt das Letzte, biſt das Ein in Allem Du biſt mir Urgeſetz und höchſtes Ziel Du biſt mir Tag, Du biſt mir Nacht und nichts iſt außer Dir Und Du biſt ſchön ... ja Du biſt ſchön! Du biſt der Himmel und biſt auch das Neſt Hier in dem Buſche, das der Fink mit treuem Auge ſchützt, Du biſt die ſonnbeglänzte Wieſe dort, Das volle Aehrenfeld mit Mohn und leuchtenden Zyanen, Du biſt des Julis warme Flimmerluft, Des Herbſtes Glüh’n in allen Farben, Des Frühlings jauchzend Stürmen biſt Du, Des langen Winters eiſ’ge Pracht ... Du biſt der Ströme breites Fließen Mit Laſtkahn und des Bootes Segel, Der dunkeln Haine heimlich Rauſchen biſt Du Des Rehes Schlankheit, auch des Kuckucks Dauerruſ, Des Wurmes Krümmen und des Falters Gaukeln, Der Spinne feines Webnetz an den Zweigen, Der Mücke Tanz am lauen Sommerabend. Du biſt der Tau mit ſeinem Glanz am frühen Tage, <TEI> <text> <body> <div type="jCulturalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0006" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 6. Juni 1920</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><cb/> dem man den Volksnamen finden will. Die Goten z. B.<lb/> nennen ſich Gut-thiuda (Gotenvolk), die Angelſachſen Angel-<lb/> theod (Angeln-Volk). Nun wird im alten Hildebrandslied<lb/> von <hi rendition="#aq">irmin-deot</hi> geſprochen, das nach dieſen Parallelen<lb/> „Erman-Volk“ (d. h. Germanen-Volk) bedeuten müßte. Dieſe<lb/> Namensform aber wird bezeugt durch den Stammes-<lb/> namen der Hermiones bei Tacitus, die nach Plinius Her-<lb/> minones hießen. Da das H bereits ſtumm war, ſo haben<lb/> wir hier den Namen Erminones, der eine ſeitwärtige Bildung<lb/> (mit i) von Ermanos ſein kann. Endlich bietet das angel-<lb/> ſächſiſche Gedicht Beowulf einen Beleg für den Namen.<lb/> Dort heißt es (<hi rendition="#aq">V.</hi> 1956), der angliſche König Offa ſei der<lb/> glücklichſte der „eormencynnes“, d. h. der <hi rendition="#g">germaniſchen</hi><lb/> Volkskönige. So tritt ſcheinbar an verſchiedenſten Stellen<lb/> der Volksname hervor, der die deutſche Grundform für die<lb/> römiſche Umprägung „Germani“ geweſen iſt und lautet<lb/><hi rendition="#aq">Ermanos,</hi> Mehrzahl <hi rendition="#aq">Ermanones</hi> oder <hi rendition="#aq">Erminons, Erminones.</hi></p><lb/> <p>Jn dieſer Beweisführung liegen nun aber zwei Voraus-<lb/> ſetzungen: erſtens, daß in dem römiſchen Germanus ein<lb/> germaniſches Ermanos ſtecke, zweitens, daß dieſes auf <hi rendition="#aq">erman</hi><lb/> oder <hi rendition="#aq">irmin</hi> zurückgehe und Volksname geweſen ſei. Wie<lb/> ſteht es mit dieſen Annahmen? Zunächſt iſt ſprachlich<lb/> — ſchon Jakob Grimm betonte dies — die Gleichung<lb/> germānus — ermănos wegen des ganz verſchiedenen Akzents<lb/> ſehr unſicher. Die entſcheidende Stelle aber iſt das Wort<lb/> irmindeot im Hildebrandsliede. Kann es Geſamtname für<lb/> die Germanen ſein? Sachlich ſchon iſt das wohl ausgeſchloſſen,<lb/> weil die Germanen zur Zeit nur Stammesgefühl, aber kein<lb/> gemeinvölkiſches Bewußtſein hatten; die älteſte Heldendichtung<lb/> feiert die Perſönlichkeit der Stammeshelden, ſie iſt durchaus<lb/> unvölkiſch und unpolitiſch gerichtet. Aber auch ſprachlich<lb/> kann <hi rendition="#aq">irmindeot</hi> nicht „Germanenvolk“ bedeuten. Dasſelbe<lb/> Wort in altſächſiſcher Form <hi rendition="#aq">irmintheod</hi> kommt elfmal in<lb/> „Heliand“ vor, und hier heißt es „die geſamte Menſchheit“.<lb/> So wird es einmal gebraucht als Ueberſetzung für „<hi rendition="#aq">universus<lb/> orbis</hi>“, ein andermal für das bibliſche „alle Reiche der<lb/> Welt“. Und mit der Beowulfſtelle iſt es nicht anders;<lb/> denn parallel mit <hi rendition="#aq">Cormen Cynnes</hi> (ſ. oben) ſteht <hi rendition="#aq">ealles<lb/> moncynnes</hi> (aller Menſchen Könige). <hi rendition="#aq">Erman</hi> oder <hi rendition="#aq">irmin</hi><lb/> bedeuten alſo „Geſamtheit, die Menſchheit, die Welt“. Das<lb/> wird noch ſtärker geſichert durch das altnordiſche <hi rendition="#aq">iormun-<lb/> gardr,</hi> d. h. „Welt-Schlange“. Vollends wird dieſe Bedeutung<lb/> erwieſen durch das Hildenbrandslied ſelbſt, wo <hi rendition="#aq">irmingot</hi> an-<lb/> gerufen wird; das heißt aber nicht „Germanengott“ — wer<lb/> ſollte denn das ſein? —, ſondern es kann nur der <hi rendition="#g">All-Gott</hi><lb/> (<hi rendition="#aq">deus universalis</hi>) ſein. Und endlich erklärt ſich nun auch<lb/> die <hi rendition="#aq">Irminsul,</hi> die Rudolf von Fulda mit „<hi rendition="#aq">columna universalis</hi>“<lb/> überſetzt. Es war nicht eine Germanen „ſäule“, ſondern<lb/> der „Weltenbaum“.</p><lb/> <p>So überzeugend alſo zunächſt die Herleitung des<lb/> Germanennamens aus dem Deutſchen anſpricht, ſie hält einer<lb/> ſtärkeren Prüfung nicht ſtand. (Schluß folgt.)</p> </div> </div><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Feuilleton</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Elegie und hymnus an GOTT.</hi> </head><lb/> <l>O Großer Gott,<lb/> Du hobſt mit ſtarkem Arm das All empor aus dunklem<lb/><hi rendition="#et">Nichts,</hi><lb/> Mit Flammenfunken-Wolken ungezählt<lb/> Haſt Du die Räume prächtig ausgefüllt<lb/> Und lächelnd Dir den Sternenmantel umgeſchlagen.<lb/> Ach, daß Dir Welt-erſchaffen Bedürfnis ward!<lb/> Denn wiſſe. <hi rendition="#g">Sünde</hi> war’s was Du getan!<lb/> O, Freude nur und Jubel, Tanz und ſeliges Entzücken müßte<lb/> Reſtlos Stern’ um Sterne füllen, die ein guter Gott erſchuf.<lb/> Doch ſchaue hier nur Deine kleine Erde, wie ſie ſchwarz<lb/> Von Blut beſudelt, voll Geſtöhn und wildem Streit ſich<lb/><hi rendition="#et">windet:</hi><lb/> Ein Schlachthaus, haſt Du ſie mit Licht und buntem Flitter<lb/><hi rendition="#et">überkleidet</hi><lb/><cb/> Die Kind und Narr nur eine Weile täuſchen.<lb/> Nur dunkles Jrren, wirres Taſten<lb/> Ein ſchmählich Hungerleiden nach dem Niemalsmöglichen<lb/> Zerwühlt, zerkrampft die wunden Herzen,<lb/> Die dumpfer Trägheit ſich entwunden ...<lb/> Wie ſollt’ es anders auf den andern Kugeln ſein!<lb/> Und wär’s auch: dieſe eine haſt Du übel hergerichtet<lb/> Wehklage tönt ſeit ſie das erſtemal begann zu kreiſen!<lb/> Dringt denn kein Laut zu Deinem Ohr, o ſag’ mir’s Gott,<lb/> Gibt Dir der tolle Tanz der Funken göttliches Genügen?<lb/> Fühlſt Du dich wohl, wenn <hi rendition="#g">einer</hi> dankt und zehn Dir fluchen,<lb/> Daß Du nicht tauſendmal bereuſt Dein Tun<lb/> Und in den Abgrund ſchleuderſt das unſelig Werk?<lb/> Wozu ſchufſt Du die Welt? Was ſoll das alles um und um,<lb/> Dies ruhlos Dreh’n und Raſen ſeit Aeonen,<lb/> Dies tolle Wirbeln ohne Grenze, ohne Ende,<lb/> Was ſoll es, ſprich? Und wenn es <hi rendition="#g">ohne</hi> Grund und <hi rendition="#g">ohne</hi><lb/><hi rendition="#et">Sinn</hi><lb/> Wenn einer Laune nur dies Werk entſprang,<lb/> Warum, warum ſchufſt Du den Menſchen mit Verſtand und<lb/><hi rendition="#et">Herz,</hi><lb/> Die Qual zu fühlen und des Zweifels glüh’nde Zangen?<lb/> Biſt Du ein Dämon, ſprich, der grinſend ſich am Jammer<lb/><hi rendition="#et">weidet,</hi><lb/> Des Teufels würd’ger Vater ohn’ Erbarmen und Gewiſſen?<lb/> Biſt Du ein Stümper, der ein reines Werk gewollt<lb/> Und dem fragwürdig nur das Ding gelang?</l><lb/> <l>Du hüllſt in Deinen Mantel Dich und ſchweigſt. —<lb/> Ob heiſer wir uns rufen und vor Leid vergehen,<lb/> Verſchloſſen bleibt Dein Ohr und ewig ſtumm Dein Mund.<lb/> Doch eines, halt, gelang Dir gut, gelang Dir gut:<lb/> Den Zweifel an Dir ſelbſt und Deiner Güte, Deiner Macht<lb/> Und tiefes Mitleid mit dem eignen Leben<lb/> Unſtillbar in uns einzuträufeln — — —<lb/> So wälzen ohne Glauben, ohne Hoffen<lb/> Wir dumpf des Daſeins ſchwere Steine<lb/> Und niemand reicht uns Troſt noch Antwort,<lb/> So taſten nackt und hilflos wir und irren<lb/> Durch des Lebens vielverſchlung’ne Pfade<lb/> Bis müd’ am Abend wir zum ſtillen Strom uns ſchleppen<lb/> Zu kühlen tief in ſtyg’ſcher Flut<lb/> Die tauſenfach zerwühlte Bruſt<lb/> Und klaglos unterſinken in das <hi rendition="#g">Nichts</hi> ...</l><lb/> <l> <supplied>&#xfffc;</supplied> </l><lb/> <l>Und doch, Du großer Gott, vergib mein Zagen!<lb/> Nicht will ich ſchwach Dich einem Menſchen nur vergleichen,<lb/> Als ob faſt wie ein Schuſter ſchufeſt Du Dein Werk.<lb/><hi rendition="#g">Du biſt, ich fühl’s, das weite Weltall ſelber ja<lb/> Das eine zeitlos Ohnegleichen,</hi><lb/> Du ſelbſt haſt Dich aus Dir geboren,<lb/> Du Rätſelgeiſt der Unbegreiflichkeit<lb/> Und ohne Grenzen ohne Maß ſind Deine Wunder<lb/> Und ſchaudernd denk ich Deiner Tiefe, Deiner Kraft,<lb/> Wie nichts kann Deinen ew’gen Hauch entbehren ...<lb/> Du biſt das Erſte, biſt das Letzte, biſt das <hi rendition="#g">Ein in Allem</hi><lb/> Du biſt mir Urgeſetz und höchſtes Ziel<lb/> Du biſt mir Tag, Du biſt mir Nacht und nichts iſt außer <hi rendition="#g">Dir</hi><lb/> Und Du biſt <hi rendition="#g">ſchön</hi> ... ja Du biſt <hi rendition="#g">ſchön</hi>!</l><lb/> <l>Du biſt der Himmel und biſt auch das Neſt<lb/> Hier in dem Buſche, das der Fink mit treuem Auge ſchützt,<lb/> Du biſt die ſonnbeglänzte Wieſe dort,<lb/> Das volle Aehrenfeld mit Mohn und leuchtenden Zyanen,<lb/> Du biſt des Julis warme Flimmerluft,<lb/> Des Herbſtes Glüh’n in allen Farben,<lb/> Des Frühlings jauchzend Stürmen biſt Du,<lb/> Des langen Winters eiſ’ge Pracht ...<lb/> Du biſt der Ströme breites Fließen<lb/> Mit Laſtkahn und des Bootes Segel,<lb/> Der dunkeln Haine heimlich Rauſchen biſt Du<lb/> Des Rehes Schlankheit, auch des Kuckucks Dauerruſ,<lb/> Des Wurmes Krümmen und des Falters Gaukeln,<lb/> Der Spinne feines Webnetz an den Zweigen,<lb/> Der Mücke Tanz am lauen Sommerabend.<lb/> Du biſt der Tau mit ſeinem Glanz am frühen Tage,<lb/></l> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0006]
Allgemeine Zeitung 6. Juni 1920
dem man den Volksnamen finden will. Die Goten z. B.
nennen ſich Gut-thiuda (Gotenvolk), die Angelſachſen Angel-
theod (Angeln-Volk). Nun wird im alten Hildebrandslied
von irmin-deot geſprochen, das nach dieſen Parallelen
„Erman-Volk“ (d. h. Germanen-Volk) bedeuten müßte. Dieſe
Namensform aber wird bezeugt durch den Stammes-
namen der Hermiones bei Tacitus, die nach Plinius Her-
minones hießen. Da das H bereits ſtumm war, ſo haben
wir hier den Namen Erminones, der eine ſeitwärtige Bildung
(mit i) von Ermanos ſein kann. Endlich bietet das angel-
ſächſiſche Gedicht Beowulf einen Beleg für den Namen.
Dort heißt es (V. 1956), der angliſche König Offa ſei der
glücklichſte der „eormencynnes“, d. h. der germaniſchen
Volkskönige. So tritt ſcheinbar an verſchiedenſten Stellen
der Volksname hervor, der die deutſche Grundform für die
römiſche Umprägung „Germani“ geweſen iſt und lautet
Ermanos, Mehrzahl Ermanones oder Erminons, Erminones.
Jn dieſer Beweisführung liegen nun aber zwei Voraus-
ſetzungen: erſtens, daß in dem römiſchen Germanus ein
germaniſches Ermanos ſtecke, zweitens, daß dieſes auf erman
oder irmin zurückgehe und Volksname geweſen ſei. Wie
ſteht es mit dieſen Annahmen? Zunächſt iſt ſprachlich
— ſchon Jakob Grimm betonte dies — die Gleichung
germānus — ermănos wegen des ganz verſchiedenen Akzents
ſehr unſicher. Die entſcheidende Stelle aber iſt das Wort
irmindeot im Hildebrandsliede. Kann es Geſamtname für
die Germanen ſein? Sachlich ſchon iſt das wohl ausgeſchloſſen,
weil die Germanen zur Zeit nur Stammesgefühl, aber kein
gemeinvölkiſches Bewußtſein hatten; die älteſte Heldendichtung
feiert die Perſönlichkeit der Stammeshelden, ſie iſt durchaus
unvölkiſch und unpolitiſch gerichtet. Aber auch ſprachlich
kann irmindeot nicht „Germanenvolk“ bedeuten. Dasſelbe
Wort in altſächſiſcher Form irmintheod kommt elfmal in
„Heliand“ vor, und hier heißt es „die geſamte Menſchheit“.
So wird es einmal gebraucht als Ueberſetzung für „universus
orbis“, ein andermal für das bibliſche „alle Reiche der
Welt“. Und mit der Beowulfſtelle iſt es nicht anders;
denn parallel mit Cormen Cynnes (ſ. oben) ſteht ealles
moncynnes (aller Menſchen Könige). Erman oder irmin
bedeuten alſo „Geſamtheit, die Menſchheit, die Welt“. Das
wird noch ſtärker geſichert durch das altnordiſche iormun-
gardr, d. h. „Welt-Schlange“. Vollends wird dieſe Bedeutung
erwieſen durch das Hildenbrandslied ſelbſt, wo irmingot an-
gerufen wird; das heißt aber nicht „Germanengott“ — wer
ſollte denn das ſein? —, ſondern es kann nur der All-Gott
(deus universalis) ſein. Und endlich erklärt ſich nun auch
die Irminsul, die Rudolf von Fulda mit „columna universalis“
überſetzt. Es war nicht eine Germanen „ſäule“, ſondern
der „Weltenbaum“.
So überzeugend alſo zunächſt die Herleitung des
Germanennamens aus dem Deutſchen anſpricht, ſie hält einer
ſtärkeren Prüfung nicht ſtand. (Schluß folgt.)
Feuilleton
Elegie und hymnus an GOTT.
O Großer Gott,
Du hobſt mit ſtarkem Arm das All empor aus dunklem
Nichts,
Mit Flammenfunken-Wolken ungezählt
Haſt Du die Räume prächtig ausgefüllt
Und lächelnd Dir den Sternenmantel umgeſchlagen.
Ach, daß Dir Welt-erſchaffen Bedürfnis ward!
Denn wiſſe. Sünde war’s was Du getan!
O, Freude nur und Jubel, Tanz und ſeliges Entzücken müßte
Reſtlos Stern’ um Sterne füllen, die ein guter Gott erſchuf.
Doch ſchaue hier nur Deine kleine Erde, wie ſie ſchwarz
Von Blut beſudelt, voll Geſtöhn und wildem Streit ſich
windet:
Ein Schlachthaus, haſt Du ſie mit Licht und buntem Flitter
überkleidet
Die Kind und Narr nur eine Weile täuſchen.
Nur dunkles Jrren, wirres Taſten
Ein ſchmählich Hungerleiden nach dem Niemalsmöglichen
Zerwühlt, zerkrampft die wunden Herzen,
Die dumpfer Trägheit ſich entwunden ...
Wie ſollt’ es anders auf den andern Kugeln ſein!
Und wär’s auch: dieſe eine haſt Du übel hergerichtet
Wehklage tönt ſeit ſie das erſtemal begann zu kreiſen!
Dringt denn kein Laut zu Deinem Ohr, o ſag’ mir’s Gott,
Gibt Dir der tolle Tanz der Funken göttliches Genügen?
Fühlſt Du dich wohl, wenn einer dankt und zehn Dir fluchen,
Daß Du nicht tauſendmal bereuſt Dein Tun
Und in den Abgrund ſchleuderſt das unſelig Werk?
Wozu ſchufſt Du die Welt? Was ſoll das alles um und um,
Dies ruhlos Dreh’n und Raſen ſeit Aeonen,
Dies tolle Wirbeln ohne Grenze, ohne Ende,
Was ſoll es, ſprich? Und wenn es ohne Grund und ohne
Sinn
Wenn einer Laune nur dies Werk entſprang,
Warum, warum ſchufſt Du den Menſchen mit Verſtand und
Herz,
Die Qual zu fühlen und des Zweifels glüh’nde Zangen?
Biſt Du ein Dämon, ſprich, der grinſend ſich am Jammer
weidet,
Des Teufels würd’ger Vater ohn’ Erbarmen und Gewiſſen?
Biſt Du ein Stümper, der ein reines Werk gewollt
Und dem fragwürdig nur das Ding gelang?
Du hüllſt in Deinen Mantel Dich und ſchweigſt. —
Ob heiſer wir uns rufen und vor Leid vergehen,
Verſchloſſen bleibt Dein Ohr und ewig ſtumm Dein Mund.
Doch eines, halt, gelang Dir gut, gelang Dir gut:
Den Zweifel an Dir ſelbſt und Deiner Güte, Deiner Macht
Und tiefes Mitleid mit dem eignen Leben
Unſtillbar in uns einzuträufeln — — —
So wälzen ohne Glauben, ohne Hoffen
Wir dumpf des Daſeins ſchwere Steine
Und niemand reicht uns Troſt noch Antwort,
So taſten nackt und hilflos wir und irren
Durch des Lebens vielverſchlung’ne Pfade
Bis müd’ am Abend wir zum ſtillen Strom uns ſchleppen
Zu kühlen tief in ſtyg’ſcher Flut
Die tauſenfach zerwühlte Bruſt
Und klaglos unterſinken in das Nichts ...

Und doch, Du großer Gott, vergib mein Zagen!
Nicht will ich ſchwach Dich einem Menſchen nur vergleichen,
Als ob faſt wie ein Schuſter ſchufeſt Du Dein Werk.
Du biſt, ich fühl’s, das weite Weltall ſelber ja
Das eine zeitlos Ohnegleichen,
Du ſelbſt haſt Dich aus Dir geboren,
Du Rätſelgeiſt der Unbegreiflichkeit
Und ohne Grenzen ohne Maß ſind Deine Wunder
Und ſchaudernd denk ich Deiner Tiefe, Deiner Kraft,
Wie nichts kann Deinen ew’gen Hauch entbehren ...
Du biſt das Erſte, biſt das Letzte, biſt das Ein in Allem
Du biſt mir Urgeſetz und höchſtes Ziel
Du biſt mir Tag, Du biſt mir Nacht und nichts iſt außer Dir
Und Du biſt ſchön ... ja Du biſt ſchön!
Du biſt der Himmel und biſt auch das Neſt
Hier in dem Buſche, das der Fink mit treuem Auge ſchützt,
Du biſt die ſonnbeglänzte Wieſe dort,
Das volle Aehrenfeld mit Mohn und leuchtenden Zyanen,
Du biſt des Julis warme Flimmerluft,
Des Herbſtes Glüh’n in allen Farben,
Des Frühlings jauchzend Stürmen biſt Du,
Des langen Winters eiſ’ge Pracht ...
Du biſt der Ströme breites Fließen
Mit Laſtkahn und des Bootes Segel,
Der dunkeln Haine heimlich Rauſchen biſt Du
Des Rehes Schlankheit, auch des Kuckucks Dauerruſ,
Des Wurmes Krümmen und des Falters Gaukeln,
Der Spinne feines Webnetz an den Zweigen,
Der Mücke Tanz am lauen Sommerabend.
Du biſt der Tau mit ſeinem Glanz am frühen Tage,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-04-24T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |