Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeine Zeitung 6. Juni 1920


[Spaltenumbruch] dem man den Volksnamen finden will. Die Goten z. B.
nennen sich Gut-thiuda (Gotenvolk), die Angelsachsen Angel-
theod (Angeln-Volk). Nun wird im alten Hildebrandslied
von irmin-deot gesprochen, das nach diesen Parallelen
"Erman-Volk" (d. h. Germanen-Volk) bedeuten müßte. Diese
Namensform aber wird bezeugt durch den Stammes-
namen der Hermiones bei Tacitus, die nach Plinius Her-
minones hießen. Da das H bereits stumm war, so haben
wir hier den Namen Erminones, der eine seitwärtige Bildung
(mit i) von Ermanos sein kann. Endlich bietet das angel-
sächsische Gedicht Beowulf einen Beleg für den Namen.
Dort heißt es (V. 1956), der anglische König Offa sei der
glücklichste der "eormencynnes", d. h. der germanischen
Volkskönige. So tritt scheinbar an verschiedensten Stellen
der Volksname hervor, der die deutsche Grundform für die
römische Umprägung "Germani" gewesen ist und lautet
Ermanos, Mehrzahl Ermanones oder Erminons, Erminones.

Jn dieser Beweisführung liegen nun aber zwei Voraus-
setzungen: erstens, daß in dem römischen Germanus ein
germanisches Ermanos stecke, zweitens, daß dieses auf erman
oder irmin zurückgehe und Volksname gewesen sei. Wie
steht es mit diesen Annahmen? Zunächst ist sprachlich
-- schon Jakob Grimm betonte dies -- die Gleichung
germanus -- ermanos wegen des ganz verschiedenen Akzents
sehr unsicher. Die entscheidende Stelle aber ist das Wort
irmindeot im Hildebrandsliede. Kann es Gesamtname für
die Germanen sein? Sachlich schon ist das wohl ausgeschlossen,
weil die Germanen zur Zeit nur Stammesgefühl, aber kein
gemeinvölkisches Bewußtsein hatten; die älteste Heldendichtung
feiert die Persönlichkeit der Stammeshelden, sie ist durchaus
unvölkisch und unpolitisch gerichtet. Aber auch sprachlich
kann irmindeot nicht "Germanenvolk" bedeuten. Dasselbe
Wort in altsächsischer Form irmintheod kommt elfmal in
"Heliand" vor, und hier heißt es "die gesamte Menschheit".
So wird es einmal gebraucht als Uebersetzung für "universus
orbis
", ein andermal für das biblische "alle Reiche der
Welt". Und mit der Beowulfstelle ist es nicht anders;
denn parallel mit Cormen Cynnes (s. oben) steht ealles
moncynnes
(aller Menschen Könige). Erman oder irmin
bedeuten also "Gesamtheit, die Menschheit, die Welt". Das
wird noch stärker gesichert durch das altnordische iormun-
gardr,
d. h. "Welt-Schlange". Vollends wird diese Bedeutung
erwiesen durch das Hildenbrandslied selbst, wo irmingot an-
gerufen wird; das heißt aber nicht "Germanengott" -- wer
sollte denn das sein? --, sondern es kann nur der All-Gott
(deus universalis) sein. Und endlich erklärt sich nun auch
die Irminsul, die Rudolf von Fulda mit "columna universalis"
übersetzt. Es war nicht eine Germanen "säule", sondern
der "Weltenbaum".

So überzeugend also zunächst die Herleitung des
Germanennamens aus dem Deutschen anspricht, sie hält einer
stärkeren Prüfung nicht stand. (Schluß folgt.)

Feuilleton
Elegie und hymnus an GOTT.
O Großer Gott,
Du hobst mit starkem Arm das All empor aus dunklem
Nichts,
Mit Flammenfunken-Wolken ungezählt
Hast Du die Räume prächtig ausgefüllt
Und lächelnd Dir den Sternenmantel umgeschlagen.
Ach, daß Dir Welt-erschaffen Bedürfnis ward!
Denn wisse. Sünde war's was Du getan!
O, Freude nur und Jubel, Tanz und seliges Entzücken müßte
Restlos Stern' um Sterne füllen, die ein guter Gott erschuf.
Doch schaue hier nur Deine kleine Erde, wie sie schwarz
Von Blut besudelt, voll Gestöhn und wildem Streit sich
windet:
Ein Schlachthaus, hast Du sie mit Licht und buntem Flitter
überkleidet
[Spaltenumbruch] Die Kind und Narr nur eine Weile täuschen.
Nur dunkles Jrren, wirres Tasten
Ein schmählich Hungerleiden nach dem Niemalsmöglichen
Zerwühlt, zerkrampft die wunden Herzen,
Die dumpfer Trägheit sich entwunden ...
Wie sollt' es anders auf den andern Kugeln sein!
Und wär's auch: diese eine hast Du übel hergerichtet
Wehklage tönt seit sie das erstemal begann zu kreisen!
Dringt denn kein Laut zu Deinem Ohr, o sag' mir's Gott,
Gibt Dir der tolle Tanz der Funken göttliches Genügen?
Fühlst Du dich wohl, wenn einer dankt und zehn Dir fluchen,
Daß Du nicht tausendmal bereust Dein Tun
Und in den Abgrund schleuderst das unselig Werk?
Wozu schufst Du die Welt? Was soll das alles um und um,
Dies ruhlos Dreh'n und Rasen seit Aeonen,
Dies tolle Wirbeln ohne Grenze, ohne Ende,
Was soll es, sprich? Und wenn es ohne Grund und ohne
Sinn
Wenn einer Laune nur dies Werk entsprang,
Warum, warum schufst Du den Menschen mit Verstand und
Herz,
Die Qual zu fühlen und des Zweifels glüh'nde Zangen?
Bist Du ein Dämon, sprich, der grinsend sich am Jammer
weidet,
Des Teufels würd'ger Vater ohn' Erbarmen und Gewissen?
Bist Du ein Stümper, der ein reines Werk gewollt
Und dem fragwürdig nur das Ding gelang?

Du hüllst in Deinen Mantel Dich und schweigst. --
Ob heiser wir uns rufen und vor Leid vergehen,
Verschlossen bleibt Dein Ohr und ewig stumm Dein Mund.
Doch eines, halt, gelang Dir gut, gelang Dir gut:
Den Zweifel an Dir selbst und Deiner Güte, Deiner Macht
Und tiefes Mitleid mit dem eignen Leben
Unstillbar in uns einzuträufeln -- -- --
So wälzen ohne Glauben, ohne Hoffen
Wir dumpf des Daseins schwere Steine
Und niemand reicht uns Trost noch Antwort,
So tasten nackt und hilflos wir und irren
Durch des Lebens vielverschlung'ne Pfade
Bis müd' am Abend wir zum stillen Strom uns schleppen
Zu kühlen tief in styg'scher Flut
Die tausenfach zerwühlte Brust
Und klaglos untersinken in das Nichts ...

[&#xfffc;]
Und doch, Du großer Gott, vergib mein Zagen!
Nicht will ich schwach Dich einem Menschen nur vergleichen,
Als ob fast wie ein Schuster schufest Du Dein Werk.
Du bist, ich fühl's, das weite Weltall selber ja
Das eine zeitlos Ohnegleichen,

Du selbst hast Dich aus Dir geboren,
Du Rätselgeist der Unbegreiflichkeit
Und ohne Grenzen ohne Maß sind Deine Wunder
Und schaudernd denk ich Deiner Tiefe, Deiner Kraft,
Wie nichts kann Deinen ew'gen Hauch entbehren ...
Du bist das Erste, bist das Letzte, bist das Ein in Allem
Du bist mir Urgesetz und höchstes Ziel
Du bist mir Tag, Du bist mir Nacht und nichts ist außer Dir
Und Du bist schön ... ja Du bist schön!

Du bist der Himmel und bist auch das Nest
Hier in dem Busche, das der Fink mit treuem Auge schützt,
Du bist die sonnbeglänzte Wiese dort,
Das volle Aehrenfeld mit Mohn und leuchtenden Zyanen,
Du bist des Julis warme Flimmerluft,
Des Herbstes Glüh'n in allen Farben,
Des Frühlings jauchzend Stürmen bist Du,
Des langen Winters eis'ge Pracht ...
Du bist der Ströme breites Fließen
Mit Lastkahn und des Bootes Segel,
Der dunkeln Haine heimlich Rauschen bist Du
Des Rehes Schlankheit, auch des Kuckucks Dauerrus,
Des Wurmes Krümmen und des Falters Gaukeln,
Der Spinne feines Webnetz an den Zweigen,
Der Mücke Tanz am lauen Sommerabend.
Du bist der Tau mit seinem Glanz am frühen Tage,

Allgemeine Zeitung 6. Juni 1920


[Spaltenumbruch] dem man den Volksnamen finden will. Die Goten z. B.
nennen ſich Gut-thiuda (Gotenvolk), die Angelſachſen Angel-
theod (Angeln-Volk). Nun wird im alten Hildebrandslied
von irmin-deot geſprochen, das nach dieſen Parallelen
„Erman-Volk“ (d. h. Germanen-Volk) bedeuten müßte. Dieſe
Namensform aber wird bezeugt durch den Stammes-
namen der Hermiones bei Tacitus, die nach Plinius Her-
minones hießen. Da das H bereits ſtumm war, ſo haben
wir hier den Namen Erminones, der eine ſeitwärtige Bildung
(mit i) von Ermanos ſein kann. Endlich bietet das angel-
ſächſiſche Gedicht Beowulf einen Beleg für den Namen.
Dort heißt es (V. 1956), der angliſche König Offa ſei der
glücklichſte der „eormencynnes“, d. h. der germaniſchen
Volkskönige. So tritt ſcheinbar an verſchiedenſten Stellen
der Volksname hervor, der die deutſche Grundform für die
römiſche Umprägung „Germani“ geweſen iſt und lautet
Ermanos, Mehrzahl Ermanones oder Erminons, Erminones.

Jn dieſer Beweisführung liegen nun aber zwei Voraus-
ſetzungen: erſtens, daß in dem römiſchen Germanus ein
germaniſches Ermanos ſtecke, zweitens, daß dieſes auf erman
oder irmin zurückgehe und Volksname geweſen ſei. Wie
ſteht es mit dieſen Annahmen? Zunächſt iſt ſprachlich
— ſchon Jakob Grimm betonte dies — die Gleichung
germānus — ermănos wegen des ganz verſchiedenen Akzents
ſehr unſicher. Die entſcheidende Stelle aber iſt das Wort
irmindeot im Hildebrandsliede. Kann es Geſamtname für
die Germanen ſein? Sachlich ſchon iſt das wohl ausgeſchloſſen,
weil die Germanen zur Zeit nur Stammesgefühl, aber kein
gemeinvölkiſches Bewußtſein hatten; die älteſte Heldendichtung
feiert die Perſönlichkeit der Stammeshelden, ſie iſt durchaus
unvölkiſch und unpolitiſch gerichtet. Aber auch ſprachlich
kann irmindeot nicht „Germanenvolk“ bedeuten. Dasſelbe
Wort in altſächſiſcher Form irmintheod kommt elfmal in
„Heliand“ vor, und hier heißt es „die geſamte Menſchheit“.
So wird es einmal gebraucht als Ueberſetzung für „universus
orbis
“, ein andermal für das bibliſche „alle Reiche der
Welt“. Und mit der Beowulfſtelle iſt es nicht anders;
denn parallel mit Cormen Cynnes (ſ. oben) ſteht ealles
moncynnes
(aller Menſchen Könige). Erman oder irmin
bedeuten alſo „Geſamtheit, die Menſchheit, die Welt“. Das
wird noch ſtärker geſichert durch das altnordiſche iormun-
gardr,
d. h. „Welt-Schlange“. Vollends wird dieſe Bedeutung
erwieſen durch das Hildenbrandslied ſelbſt, wo irmingot an-
gerufen wird; das heißt aber nicht „Germanengott“ — wer
ſollte denn das ſein? —, ſondern es kann nur der All-Gott
(deus universalis) ſein. Und endlich erklärt ſich nun auch
die Irminsul, die Rudolf von Fulda mit „columna universalis
überſetzt. Es war nicht eine Germanen „ſäule“, ſondern
der „Weltenbaum“.

So überzeugend alſo zunächſt die Herleitung des
Germanennamens aus dem Deutſchen anſpricht, ſie hält einer
ſtärkeren Prüfung nicht ſtand. (Schluß folgt.)

Feuilleton
Elegie und hymnus an GOTT.
O Großer Gott,
Du hobſt mit ſtarkem Arm das All empor aus dunklem
Nichts,
Mit Flammenfunken-Wolken ungezählt
Haſt Du die Räume prächtig ausgefüllt
Und lächelnd Dir den Sternenmantel umgeſchlagen.
Ach, daß Dir Welt-erſchaffen Bedürfnis ward!
Denn wiſſe. Sünde war’s was Du getan!
O, Freude nur und Jubel, Tanz und ſeliges Entzücken müßte
Reſtlos Stern’ um Sterne füllen, die ein guter Gott erſchuf.
Doch ſchaue hier nur Deine kleine Erde, wie ſie ſchwarz
Von Blut beſudelt, voll Geſtöhn und wildem Streit ſich
windet:
Ein Schlachthaus, haſt Du ſie mit Licht und buntem Flitter
überkleidet
[Spaltenumbruch] Die Kind und Narr nur eine Weile täuſchen.
Nur dunkles Jrren, wirres Taſten
Ein ſchmählich Hungerleiden nach dem Niemalsmöglichen
Zerwühlt, zerkrampft die wunden Herzen,
Die dumpfer Trägheit ſich entwunden ...
Wie ſollt’ es anders auf den andern Kugeln ſein!
Und wär’s auch: dieſe eine haſt Du übel hergerichtet
Wehklage tönt ſeit ſie das erſtemal begann zu kreiſen!
Dringt denn kein Laut zu Deinem Ohr, o ſag’ mir’s Gott,
Gibt Dir der tolle Tanz der Funken göttliches Genügen?
Fühlſt Du dich wohl, wenn einer dankt und zehn Dir fluchen,
Daß Du nicht tauſendmal bereuſt Dein Tun
Und in den Abgrund ſchleuderſt das unſelig Werk?
Wozu ſchufſt Du die Welt? Was ſoll das alles um und um,
Dies ruhlos Dreh’n und Raſen ſeit Aeonen,
Dies tolle Wirbeln ohne Grenze, ohne Ende,
Was ſoll es, ſprich? Und wenn es ohne Grund und ohne
Sinn
Wenn einer Laune nur dies Werk entſprang,
Warum, warum ſchufſt Du den Menſchen mit Verſtand und
Herz,
Die Qual zu fühlen und des Zweifels glüh’nde Zangen?
Biſt Du ein Dämon, ſprich, der grinſend ſich am Jammer
weidet,
Des Teufels würd’ger Vater ohn’ Erbarmen und Gewiſſen?
Biſt Du ein Stümper, der ein reines Werk gewollt
Und dem fragwürdig nur das Ding gelang?

Du hüllſt in Deinen Mantel Dich und ſchweigſt. —
Ob heiſer wir uns rufen und vor Leid vergehen,
Verſchloſſen bleibt Dein Ohr und ewig ſtumm Dein Mund.
Doch eines, halt, gelang Dir gut, gelang Dir gut:
Den Zweifel an Dir ſelbſt und Deiner Güte, Deiner Macht
Und tiefes Mitleid mit dem eignen Leben
Unſtillbar in uns einzuträufeln — — —
So wälzen ohne Glauben, ohne Hoffen
Wir dumpf des Daſeins ſchwere Steine
Und niemand reicht uns Troſt noch Antwort,
So taſten nackt und hilflos wir und irren
Durch des Lebens vielverſchlung’ne Pfade
Bis müd’ am Abend wir zum ſtillen Strom uns ſchleppen
Zu kühlen tief in ſtyg’ſcher Flut
Die tauſenfach zerwühlte Bruſt
Und klaglos unterſinken in das Nichts ...

[&#xfffc;]
Und doch, Du großer Gott, vergib mein Zagen!
Nicht will ich ſchwach Dich einem Menſchen nur vergleichen,
Als ob faſt wie ein Schuſter ſchufeſt Du Dein Werk.
Du biſt, ich fühl’s, das weite Weltall ſelber ja
Das eine zeitlos Ohnegleichen,

Du ſelbſt haſt Dich aus Dir geboren,
Du Rätſelgeiſt der Unbegreiflichkeit
Und ohne Grenzen ohne Maß ſind Deine Wunder
Und ſchaudernd denk ich Deiner Tiefe, Deiner Kraft,
Wie nichts kann Deinen ew’gen Hauch entbehren ...
Du biſt das Erſte, biſt das Letzte, biſt das Ein in Allem
Du biſt mir Urgeſetz und höchſtes Ziel
Du biſt mir Tag, Du biſt mir Nacht und nichts iſt außer Dir
Und Du biſt ſchön ... ja Du biſt ſchön!

Du biſt der Himmel und biſt auch das Neſt
Hier in dem Buſche, das der Fink mit treuem Auge ſchützt,
Du biſt die ſonnbeglänzte Wieſe dort,
Das volle Aehrenfeld mit Mohn und leuchtenden Zyanen,
Du biſt des Julis warme Flimmerluft,
Des Herbſtes Glüh’n in allen Farben,
Des Frühlings jauchzend Stürmen biſt Du,
Des langen Winters eiſ’ge Pracht ...
Du biſt der Ströme breites Fließen
Mit Laſtkahn und des Bootes Segel,
Der dunkeln Haine heimlich Rauſchen biſt Du
Des Rehes Schlankheit, auch des Kuckucks Dauerruſ,
Des Wurmes Krümmen und des Falters Gaukeln,
Der Spinne feines Webnetz an den Zweigen,
Der Mücke Tanz am lauen Sommerabend.
Du biſt der Tau mit ſeinem Glanz am frühen Tage,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jCulturalNews" n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0006" n="212"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 6. Juni 1920</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><cb/>
dem man den Volksnamen finden will. Die Goten z. B.<lb/>
nennen &#x017F;ich Gut-thiuda (Gotenvolk), die Angel&#x017F;ach&#x017F;en Angel-<lb/>
theod (Angeln-Volk). Nun wird im alten Hildebrandslied<lb/>
von <hi rendition="#aq">irmin-deot</hi> ge&#x017F;prochen, das nach die&#x017F;en Parallelen<lb/>
&#x201E;Erman-Volk&#x201C; (d. h. Germanen-Volk) bedeuten müßte. Die&#x017F;e<lb/>
Namensform aber wird bezeugt durch den Stammes-<lb/>
namen der Hermiones bei Tacitus, die nach Plinius Her-<lb/>
minones hießen. Da das H bereits &#x017F;tumm war, &#x017F;o haben<lb/>
wir hier den Namen Erminones, der eine &#x017F;eitwärtige Bildung<lb/>
(mit i) von Ermanos &#x017F;ein kann. Endlich bietet das angel-<lb/>
&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che Gedicht Beowulf einen Beleg für den Namen.<lb/>
Dort heißt es (<hi rendition="#aq">V.</hi> 1956), der angli&#x017F;che König Offa &#x017F;ei der<lb/>
glücklich&#x017F;te der &#x201E;eormencynnes&#x201C;, d. h. der <hi rendition="#g">germani&#x017F;chen</hi><lb/>
Volkskönige. So tritt &#x017F;cheinbar an ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Stellen<lb/>
der Volksname hervor, der die deut&#x017F;che Grundform für die<lb/>
römi&#x017F;che Umprägung &#x201E;Germani&#x201C; gewe&#x017F;en i&#x017F;t und lautet<lb/><hi rendition="#aq">Ermanos,</hi> Mehrzahl <hi rendition="#aq">Ermanones</hi> oder <hi rendition="#aq">Erminons, Erminones.</hi></p><lb/>
          <p>Jn die&#x017F;er Beweisführung liegen nun aber zwei Voraus-<lb/>
&#x017F;etzungen: er&#x017F;tens, daß in dem römi&#x017F;chen Germanus ein<lb/>
germani&#x017F;ches Ermanos &#x017F;tecke, zweitens, daß die&#x017F;es auf <hi rendition="#aq">erman</hi><lb/>
oder <hi rendition="#aq">irmin</hi> zurückgehe und Volksname gewe&#x017F;en &#x017F;ei. Wie<lb/>
&#x017F;teht es mit die&#x017F;en Annahmen? Zunäch&#x017F;t i&#x017F;t &#x017F;prachlich<lb/>
&#x2014; &#x017F;chon Jakob Grimm betonte dies &#x2014; die Gleichung<lb/>
germ&#x0101;nus &#x2014; erm&#x0103;nos wegen des ganz ver&#x017F;chiedenen Akzents<lb/>
&#x017F;ehr un&#x017F;icher. Die ent&#x017F;cheidende Stelle aber i&#x017F;t das Wort<lb/>
irmindeot im Hildebrandsliede. Kann es Ge&#x017F;amtname für<lb/>
die Germanen &#x017F;ein? Sachlich &#x017F;chon i&#x017F;t das wohl ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
weil die Germanen zur Zeit nur Stammesgefühl, aber kein<lb/>
gemeinvölki&#x017F;ches Bewußt&#x017F;ein hatten; die älte&#x017F;te Heldendichtung<lb/>
feiert die Per&#x017F;önlichkeit der Stammeshelden, &#x017F;ie i&#x017F;t durchaus<lb/>
unvölki&#x017F;ch und unpoliti&#x017F;ch gerichtet. Aber auch &#x017F;prachlich<lb/>
kann <hi rendition="#aq">irmindeot</hi> nicht &#x201E;Germanenvolk&#x201C; bedeuten. Das&#x017F;elbe<lb/>
Wort in alt&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;cher Form <hi rendition="#aq">irmintheod</hi> kommt elfmal in<lb/>
&#x201E;Heliand&#x201C; vor, und hier heißt es &#x201E;die ge&#x017F;amte Men&#x017F;chheit&#x201C;.<lb/>
So wird es einmal gebraucht als Ueber&#x017F;etzung für &#x201E;<hi rendition="#aq">universus<lb/>
orbis</hi>&#x201C;, ein andermal für das bibli&#x017F;che &#x201E;alle Reiche der<lb/>
Welt&#x201C;. Und mit der Beowulf&#x017F;telle i&#x017F;t es nicht anders;<lb/>
denn parallel mit <hi rendition="#aq">Cormen Cynnes</hi> (&#x017F;. oben) &#x017F;teht <hi rendition="#aq">ealles<lb/>
moncynnes</hi> (aller Men&#x017F;chen Könige). <hi rendition="#aq">Erman</hi> oder <hi rendition="#aq">irmin</hi><lb/>
bedeuten al&#x017F;o &#x201E;Ge&#x017F;amtheit, die Men&#x017F;chheit, die Welt&#x201C;. Das<lb/>
wird noch &#x017F;tärker ge&#x017F;ichert durch das altnordi&#x017F;che <hi rendition="#aq">iormun-<lb/>
gardr,</hi> d. h. &#x201E;Welt-Schlange&#x201C;. Vollends wird die&#x017F;e Bedeutung<lb/>
erwie&#x017F;en durch das Hildenbrandslied &#x017F;elb&#x017F;t, wo <hi rendition="#aq">irmingot</hi> an-<lb/>
gerufen wird; das heißt aber nicht &#x201E;Germanengott&#x201C; &#x2014; wer<lb/>
&#x017F;ollte denn das &#x017F;ein? &#x2014;, &#x017F;ondern es kann nur der <hi rendition="#g">All-Gott</hi><lb/>
(<hi rendition="#aq">deus universalis</hi>) &#x017F;ein. Und endlich erklärt &#x017F;ich nun auch<lb/>
die <hi rendition="#aq">Irminsul,</hi> die Rudolf von Fulda mit &#x201E;<hi rendition="#aq">columna universalis</hi>&#x201C;<lb/>
über&#x017F;etzt. Es war nicht eine Germanen &#x201E;&#x017F;äule&#x201C;, &#x017F;ondern<lb/>
der &#x201E;Weltenbaum&#x201C;.</p><lb/>
          <p>So überzeugend al&#x017F;o zunäch&#x017F;t die Herleitung des<lb/>
Germanennamens aus dem Deut&#x017F;chen an&#x017F;pricht, &#x017F;ie hält einer<lb/>
&#x017F;tärkeren Prüfung nicht &#x017F;tand. (Schluß folgt.)</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Feuilleton</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Elegie und hymnus an GOTT.</hi> </head><lb/>
          <l>O Großer Gott,<lb/>
Du hob&#x017F;t mit &#x017F;tarkem Arm das All empor aus dunklem<lb/><hi rendition="#et">Nichts,</hi><lb/>
Mit Flammenfunken-Wolken ungezählt<lb/>
Ha&#x017F;t Du die Räume prächtig ausgefüllt<lb/>
Und lächelnd Dir den Sternenmantel umge&#x017F;chlagen.<lb/>
Ach, daß Dir Welt-er&#x017F;chaffen Bedürfnis ward!<lb/>
Denn wi&#x017F;&#x017F;e. <hi rendition="#g">Sünde</hi> war&#x2019;s was Du getan!<lb/>
O, Freude nur und Jubel, Tanz und &#x017F;eliges Entzücken müßte<lb/>
Re&#x017F;tlos Stern&#x2019; um Sterne füllen, die ein guter Gott er&#x017F;chuf.<lb/>
Doch &#x017F;chaue hier nur Deine kleine Erde, wie &#x017F;ie &#x017F;chwarz<lb/>
Von Blut be&#x017F;udelt, voll Ge&#x017F;töhn und wildem Streit &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">windet:</hi><lb/>
Ein Schlachthaus, ha&#x017F;t Du &#x017F;ie mit Licht und buntem Flitter<lb/><hi rendition="#et">überkleidet</hi><lb/><cb/>
Die Kind und Narr nur eine Weile täu&#x017F;chen.<lb/>
Nur dunkles Jrren, wirres Ta&#x017F;ten<lb/>
Ein &#x017F;chmählich Hungerleiden nach dem Niemalsmöglichen<lb/>
Zerwühlt, zerkrampft die wunden Herzen,<lb/>
Die dumpfer Trägheit &#x017F;ich entwunden ...<lb/>
Wie &#x017F;ollt&#x2019; es anders auf den andern Kugeln &#x017F;ein!<lb/>
Und wär&#x2019;s auch: die&#x017F;e eine ha&#x017F;t Du übel hergerichtet<lb/>
Wehklage tönt &#x017F;eit &#x017F;ie das er&#x017F;temal begann zu krei&#x017F;en!<lb/>
Dringt denn kein Laut zu Deinem Ohr, o &#x017F;ag&#x2019; mir&#x2019;s Gott,<lb/>
Gibt Dir der tolle Tanz der Funken göttliches Genügen?<lb/>
Fühl&#x017F;t Du dich wohl, wenn <hi rendition="#g">einer</hi> dankt und zehn Dir fluchen,<lb/>
Daß Du nicht tau&#x017F;endmal bereu&#x017F;t Dein Tun<lb/>
Und in den Abgrund &#x017F;chleuder&#x017F;t das un&#x017F;elig Werk?<lb/>
Wozu &#x017F;chuf&#x017F;t Du die Welt? Was &#x017F;oll das alles um und um,<lb/>
Dies ruhlos Dreh&#x2019;n und Ra&#x017F;en &#x017F;eit Aeonen,<lb/>
Dies tolle Wirbeln ohne Grenze, ohne Ende,<lb/>
Was &#x017F;oll es, &#x017F;prich? Und wenn es <hi rendition="#g">ohne</hi> Grund und <hi rendition="#g">ohne</hi><lb/><hi rendition="#et">Sinn</hi><lb/>
Wenn einer Laune nur dies Werk ent&#x017F;prang,<lb/>
Warum, warum &#x017F;chuf&#x017F;t Du den Men&#x017F;chen mit Ver&#x017F;tand und<lb/><hi rendition="#et">Herz,</hi><lb/>
Die Qual zu fühlen und des Zweifels glüh&#x2019;nde Zangen?<lb/>
Bi&#x017F;t Du ein Dämon, &#x017F;prich, der grin&#x017F;end &#x017F;ich am Jammer<lb/><hi rendition="#et">weidet,</hi><lb/>
Des Teufels würd&#x2019;ger Vater ohn&#x2019; Erbarmen und Gewi&#x017F;&#x017F;en?<lb/>
Bi&#x017F;t Du ein Stümper, der ein reines Werk gewollt<lb/>
Und dem fragwürdig nur das Ding gelang?</l><lb/>
          <l>Du hüll&#x017F;t in Deinen Mantel Dich und &#x017F;chweig&#x017F;t. &#x2014;<lb/>
Ob hei&#x017F;er wir uns rufen und vor Leid vergehen,<lb/>
Ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en bleibt Dein Ohr und ewig &#x017F;tumm Dein Mund.<lb/>
Doch eines, halt, gelang Dir gut, gelang Dir gut:<lb/>
Den Zweifel an Dir &#x017F;elb&#x017F;t und Deiner Güte, Deiner Macht<lb/>
Und tiefes Mitleid mit dem eignen Leben<lb/>
Un&#x017F;tillbar in uns einzuträufeln &#x2014; &#x2014; &#x2014;<lb/>
So wälzen ohne Glauben, ohne Hoffen<lb/>
Wir dumpf des Da&#x017F;eins &#x017F;chwere Steine<lb/>
Und niemand reicht uns Tro&#x017F;t noch Antwort,<lb/>
So ta&#x017F;ten nackt und hilflos wir und irren<lb/>
Durch des Lebens vielver&#x017F;chlung&#x2019;ne Pfade<lb/>
Bis müd&#x2019; am Abend wir zum &#x017F;tillen Strom uns &#x017F;chleppen<lb/>
Zu kühlen tief in &#x017F;tyg&#x2019;&#x017F;cher Flut<lb/>
Die tau&#x017F;enfach zerwühlte Bru&#x017F;t<lb/>
Und klaglos unter&#x017F;inken in das <hi rendition="#g">Nichts</hi> ...</l><lb/>
          <l>
            <supplied>&amp;#xfffc;</supplied>
          </l><lb/>
          <l>Und doch, Du großer Gott, vergib mein Zagen!<lb/>
Nicht will ich &#x017F;chwach Dich einem Men&#x017F;chen nur vergleichen,<lb/>
Als ob fa&#x017F;t wie ein Schu&#x017F;ter &#x017F;chufe&#x017F;t Du Dein Werk.<lb/><hi rendition="#g">Du bi&#x017F;t, ich fühl&#x2019;s, das weite Weltall &#x017F;elber ja<lb/>
Das eine zeitlos Ohnegleichen,</hi><lb/>
Du &#x017F;elb&#x017F;t ha&#x017F;t Dich aus Dir geboren,<lb/>
Du Rät&#x017F;elgei&#x017F;t der Unbegreiflichkeit<lb/>
Und ohne Grenzen ohne Maß &#x017F;ind Deine Wunder<lb/>
Und &#x017F;chaudernd denk ich Deiner Tiefe, Deiner Kraft,<lb/>
Wie nichts kann Deinen ew&#x2019;gen Hauch entbehren ...<lb/>
Du bi&#x017F;t das Er&#x017F;te, bi&#x017F;t das Letzte, bi&#x017F;t das <hi rendition="#g">Ein in Allem</hi><lb/>
Du bi&#x017F;t mir Urge&#x017F;etz und höch&#x017F;tes Ziel<lb/>
Du bi&#x017F;t mir Tag, Du bi&#x017F;t mir Nacht und nichts i&#x017F;t außer <hi rendition="#g">Dir</hi><lb/>
Und Du bi&#x017F;t <hi rendition="#g">&#x017F;chön</hi> ... ja Du bi&#x017F;t <hi rendition="#g">&#x017F;chön</hi>!</l><lb/>
          <l>Du bi&#x017F;t der Himmel und bi&#x017F;t auch das Ne&#x017F;t<lb/>
Hier in dem Bu&#x017F;che, das der Fink mit treuem Auge &#x017F;chützt,<lb/>
Du bi&#x017F;t die &#x017F;onnbeglänzte Wie&#x017F;e dort,<lb/>
Das volle Aehrenfeld mit Mohn und leuchtenden Zyanen,<lb/>
Du bi&#x017F;t des Julis warme Flimmerluft,<lb/>
Des Herb&#x017F;tes Glüh&#x2019;n in allen Farben,<lb/>
Des Frühlings jauchzend Stürmen bi&#x017F;t Du,<lb/>
Des langen Winters ei&#x017F;&#x2019;ge Pracht ...<lb/>
Du bi&#x017F;t der Ströme breites Fließen<lb/>
Mit La&#x017F;tkahn und des Bootes Segel,<lb/>
Der dunkeln Haine heimlich Rau&#x017F;chen bi&#x017F;t Du<lb/>
Des Rehes Schlankheit, auch des Kuckucks Dauerru&#x017F;,<lb/>
Des Wurmes Krümmen und des Falters Gaukeln,<lb/>
Der Spinne feines Webnetz an den Zweigen,<lb/>
Der Mücke Tanz am lauen Sommerabend.<lb/>
Du bi&#x017F;t der Tau mit &#x017F;einem Glanz am frühen Tage,<lb/></l>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0006] Allgemeine Zeitung 6. Juni 1920 dem man den Volksnamen finden will. Die Goten z. B. nennen ſich Gut-thiuda (Gotenvolk), die Angelſachſen Angel- theod (Angeln-Volk). Nun wird im alten Hildebrandslied von irmin-deot geſprochen, das nach dieſen Parallelen „Erman-Volk“ (d. h. Germanen-Volk) bedeuten müßte. Dieſe Namensform aber wird bezeugt durch den Stammes- namen der Hermiones bei Tacitus, die nach Plinius Her- minones hießen. Da das H bereits ſtumm war, ſo haben wir hier den Namen Erminones, der eine ſeitwärtige Bildung (mit i) von Ermanos ſein kann. Endlich bietet das angel- ſächſiſche Gedicht Beowulf einen Beleg für den Namen. Dort heißt es (V. 1956), der angliſche König Offa ſei der glücklichſte der „eormencynnes“, d. h. der germaniſchen Volkskönige. So tritt ſcheinbar an verſchiedenſten Stellen der Volksname hervor, der die deutſche Grundform für die römiſche Umprägung „Germani“ geweſen iſt und lautet Ermanos, Mehrzahl Ermanones oder Erminons, Erminones. Jn dieſer Beweisführung liegen nun aber zwei Voraus- ſetzungen: erſtens, daß in dem römiſchen Germanus ein germaniſches Ermanos ſtecke, zweitens, daß dieſes auf erman oder irmin zurückgehe und Volksname geweſen ſei. Wie ſteht es mit dieſen Annahmen? Zunächſt iſt ſprachlich — ſchon Jakob Grimm betonte dies — die Gleichung germānus — ermănos wegen des ganz verſchiedenen Akzents ſehr unſicher. Die entſcheidende Stelle aber iſt das Wort irmindeot im Hildebrandsliede. Kann es Geſamtname für die Germanen ſein? Sachlich ſchon iſt das wohl ausgeſchloſſen, weil die Germanen zur Zeit nur Stammesgefühl, aber kein gemeinvölkiſches Bewußtſein hatten; die älteſte Heldendichtung feiert die Perſönlichkeit der Stammeshelden, ſie iſt durchaus unvölkiſch und unpolitiſch gerichtet. Aber auch ſprachlich kann irmindeot nicht „Germanenvolk“ bedeuten. Dasſelbe Wort in altſächſiſcher Form irmintheod kommt elfmal in „Heliand“ vor, und hier heißt es „die geſamte Menſchheit“. So wird es einmal gebraucht als Ueberſetzung für „universus orbis“, ein andermal für das bibliſche „alle Reiche der Welt“. Und mit der Beowulfſtelle iſt es nicht anders; denn parallel mit Cormen Cynnes (ſ. oben) ſteht ealles moncynnes (aller Menſchen Könige). Erman oder irmin bedeuten alſo „Geſamtheit, die Menſchheit, die Welt“. Das wird noch ſtärker geſichert durch das altnordiſche iormun- gardr, d. h. „Welt-Schlange“. Vollends wird dieſe Bedeutung erwieſen durch das Hildenbrandslied ſelbſt, wo irmingot an- gerufen wird; das heißt aber nicht „Germanengott“ — wer ſollte denn das ſein? —, ſondern es kann nur der All-Gott (deus universalis) ſein. Und endlich erklärt ſich nun auch die Irminsul, die Rudolf von Fulda mit „columna universalis“ überſetzt. Es war nicht eine Germanen „ſäule“, ſondern der „Weltenbaum“. So überzeugend alſo zunächſt die Herleitung des Germanennamens aus dem Deutſchen anſpricht, ſie hält einer ſtärkeren Prüfung nicht ſtand. (Schluß folgt.) Feuilleton Elegie und hymnus an GOTT. O Großer Gott, Du hobſt mit ſtarkem Arm das All empor aus dunklem Nichts, Mit Flammenfunken-Wolken ungezählt Haſt Du die Räume prächtig ausgefüllt Und lächelnd Dir den Sternenmantel umgeſchlagen. Ach, daß Dir Welt-erſchaffen Bedürfnis ward! Denn wiſſe. Sünde war’s was Du getan! O, Freude nur und Jubel, Tanz und ſeliges Entzücken müßte Reſtlos Stern’ um Sterne füllen, die ein guter Gott erſchuf. Doch ſchaue hier nur Deine kleine Erde, wie ſie ſchwarz Von Blut beſudelt, voll Geſtöhn und wildem Streit ſich windet: Ein Schlachthaus, haſt Du ſie mit Licht und buntem Flitter überkleidet Die Kind und Narr nur eine Weile täuſchen. Nur dunkles Jrren, wirres Taſten Ein ſchmählich Hungerleiden nach dem Niemalsmöglichen Zerwühlt, zerkrampft die wunden Herzen, Die dumpfer Trägheit ſich entwunden ... Wie ſollt’ es anders auf den andern Kugeln ſein! Und wär’s auch: dieſe eine haſt Du übel hergerichtet Wehklage tönt ſeit ſie das erſtemal begann zu kreiſen! Dringt denn kein Laut zu Deinem Ohr, o ſag’ mir’s Gott, Gibt Dir der tolle Tanz der Funken göttliches Genügen? Fühlſt Du dich wohl, wenn einer dankt und zehn Dir fluchen, Daß Du nicht tauſendmal bereuſt Dein Tun Und in den Abgrund ſchleuderſt das unſelig Werk? Wozu ſchufſt Du die Welt? Was ſoll das alles um und um, Dies ruhlos Dreh’n und Raſen ſeit Aeonen, Dies tolle Wirbeln ohne Grenze, ohne Ende, Was ſoll es, ſprich? Und wenn es ohne Grund und ohne Sinn Wenn einer Laune nur dies Werk entſprang, Warum, warum ſchufſt Du den Menſchen mit Verſtand und Herz, Die Qual zu fühlen und des Zweifels glüh’nde Zangen? Biſt Du ein Dämon, ſprich, der grinſend ſich am Jammer weidet, Des Teufels würd’ger Vater ohn’ Erbarmen und Gewiſſen? Biſt Du ein Stümper, der ein reines Werk gewollt Und dem fragwürdig nur das Ding gelang? Du hüllſt in Deinen Mantel Dich und ſchweigſt. — Ob heiſer wir uns rufen und vor Leid vergehen, Verſchloſſen bleibt Dein Ohr und ewig ſtumm Dein Mund. Doch eines, halt, gelang Dir gut, gelang Dir gut: Den Zweifel an Dir ſelbſt und Deiner Güte, Deiner Macht Und tiefes Mitleid mit dem eignen Leben Unſtillbar in uns einzuträufeln — — — So wälzen ohne Glauben, ohne Hoffen Wir dumpf des Daſeins ſchwere Steine Und niemand reicht uns Troſt noch Antwort, So taſten nackt und hilflos wir und irren Durch des Lebens vielverſchlung’ne Pfade Bis müd’ am Abend wir zum ſtillen Strom uns ſchleppen Zu kühlen tief in ſtyg’ſcher Flut Die tauſenfach zerwühlte Bruſt Und klaglos unterſinken in das Nichts ... &#xfffc; Und doch, Du großer Gott, vergib mein Zagen! Nicht will ich ſchwach Dich einem Menſchen nur vergleichen, Als ob faſt wie ein Schuſter ſchufeſt Du Dein Werk. Du biſt, ich fühl’s, das weite Weltall ſelber ja Das eine zeitlos Ohnegleichen, Du ſelbſt haſt Dich aus Dir geboren, Du Rätſelgeiſt der Unbegreiflichkeit Und ohne Grenzen ohne Maß ſind Deine Wunder Und ſchaudernd denk ich Deiner Tiefe, Deiner Kraft, Wie nichts kann Deinen ew’gen Hauch entbehren ... Du biſt das Erſte, biſt das Letzte, biſt das Ein in Allem Du biſt mir Urgeſetz und höchſtes Ziel Du biſt mir Tag, Du biſt mir Nacht und nichts iſt außer Dir Und Du biſt ſchön ... ja Du biſt ſchön! Du biſt der Himmel und biſt auch das Neſt Hier in dem Buſche, das der Fink mit treuem Auge ſchützt, Du biſt die ſonnbeglänzte Wieſe dort, Das volle Aehrenfeld mit Mohn und leuchtenden Zyanen, Du biſt des Julis warme Flimmerluft, Des Herbſtes Glüh’n in allen Farben, Des Frühlings jauchzend Stürmen biſt Du, Des langen Winters eiſ’ge Pracht ... Du biſt der Ströme breites Fließen Mit Laſtkahn und des Bootes Segel, Der dunkeln Haine heimlich Rauſchen biſt Du Des Rehes Schlankheit, auch des Kuckucks Dauerruſ, Des Wurmes Krümmen und des Falters Gaukeln, Der Spinne feines Webnetz an den Zweigen, Der Mücke Tanz am lauen Sommerabend. Du biſt der Tau mit ſeinem Glanz am frühen Tage,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine22_1920
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine22_1920/6
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine22_1920/6>, abgerufen am 21.11.2024.