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Allgemeine Zeitung, Nr. 23, 13. Juni 1920.

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Allgemeine Zeitung 13. Juni 1920
[Spaltenumbruch] geordnete gewählt sind; würden wir nicht von Württemberg
alimentiert mit drei Sitzen, so wäre der Wahlausgang wirk-
lich ein recht kläglicher. Trotz dieser Alimentation haben
wir nur 15 Vertreter, statt 17, wie es der Bevölkerungs-
zahl nach sein müßte.

Im ganzen: allgemeine Wahlflauheit mit Rückgang
der Gesamtstimmzahl; eine Durchschnittsbeteiligung von
72 bis 75 Prozent, statt 90 bis 91 Prozent, wie im Kriegs-
jahr; Rückgang der sozialistischen und demokratischen Stim-
men, eine mäßige Zunahme der deutsch-nationalen und
65,000 rein deutsche volksparteiliche Stimmen. Die Koa-
lition
hat in Baden, auch ohne die Unabhängigen und
Kommunisten, die Mehrheit. rr.



Wandlungen im deutschen Zeitungs-
gewerbe.

Wenn von der Notlage der deutschen Presse die Rede
ist, so handelt es sich natürlich nicht um eine Angelegenheit
bloß wirtschaftlicher Natur, wie sie auch in jedem anderen
Gewerbe vorkommen kann; vielmehr dreht es sich hier um
Dinge, die in stärkstem Maße öffentliche Angelegenheit
sind. Die Gefährdung der Presse bedeutet ja -- was gar
keiner näheren Erläuterung bedarf -- die Gefährdung
eines unserer wichtigsten und unentbehrlichsten Kultur-
faktoren.

Die Not der deutschen Zeitungen ist nicht über Nacht
gekommen. Schon im Laufe des Krieges wurden ihre
Daseinsbedingungen immer mehr erschwert, und das alte
Regime besaß auch Einsicht genug, die Beschaffung des all-
zu kostspielig gewordenen Papiers durch Reichszuschüsse zu
erleichtern, allein die damaligen Schwierigkeiten waren
lächerlich, wenn man sie mit den heutigen vergleicht. Ein
paar Beispiele sagen genug: Für 100 Kilogramm Zeitungs-
papier wurden vor dem Krieg 21 Mark bezahlt. Ende 1919
kosteten sie 120 Mark, im Februar 1920 das Doppelte und
im Mai 440 Mark, also das Zwanzigfache des Friedens-
preises. Das Papier bildet nun bekanntlich einen sehr
wesentlichen Posten im Haushalt der Tageszeitungen. Preis-
erhöhungen wie z. B. die im Laufe dieses Jahres beim
Papier eingetretenen, müssen die Ausgabenrechnung großer
Blätter um Millionen hinaufschnellen lassen, denn eine
Papiermenge, die zu Anfang 1920 noch für eine halbe
Million Mark zu haben war, erfordert jetzt zwei Millionen.

Jn riesiger Progression sind auch die anderen Aufwen-
dungen gestiegen. Die Druckfarbe kostete vor dem Krieg
38 bis 40 Mark für 100 Kilogramm, im Oktober 1919
dagegen 220 Mark, im Dezember 380 Mark und jetzt
1100 Mark. Metalle, Oele, alle anderen Betriebsmittel
haben nicht minder unerschwingliche Preise. Die Löhne und
Gehälter, Steuern und Postgebühren erfordern gleichfalls
unheimliche Mehraufwendungen. Bei den größeren Blät-
tern tritt dazu noch das gewaltige Anwachsen der Tele-
graphen- und Fernsprechkosten und -- wenigstens, soweit
die führenden Organe in Betracht kommen -- der enorme
Mehraufwand für den Auslanddienst.

Angesichts dieser mit phantastischer Schnelligkeit sich
fortsetzenden Teuerung das wirtschaftliche Gleichgewicht zu
bewahren, gelingt einem großen Teil der deutschen Zeitun-
gen nicht mehr. Wohl bietet der Abonnementspreis die
Handhabe zu einer gewissen Steigerung der Einnahmen.
Von den führenden Blättern kostet beispielsweise die
Kölnische Zeitung zurzeit für den Monat 10 Mark, die
Kölnische Volkszeitung 11 Mark, die Hamburger Nach-
richten 7.50 Mark, die Frankfurter Zeitung 6 Mark, die
Berliner Zeitungen 12 bis 15 Mark. Ein zweites Mittel
zur Besserung des Erträgnisses bildet der Anzeigentarif, der
denn auch allenthalben bis zum Zehnfachen der Friedens-
sätze und noch darüber hinaus gestiegen ist. Aber sowohl
beim Abonnement, wie bei der Anzeigentarifierung geht es
nicht an, willkürlich die Preisschraube anzudrehen, sondern
die mannigfachsten Rücksichten müssen beachtet werden, und
[Spaltenumbruch] vor allem: die Zahlungsfähigkeit der Abonnenten und der
Auftraggeber von Anzeigen hat ihre Grenzen, abgesehen da-
von, daß es nicht allzuviele Blätter gibt, die sich eines un-
unterbrochen günstigen Zuflusses von Anzeigen zu rühmen
haben, eines Zuflusses, der heutzutage schon darum keine
ungetrübte Freude gewährt, weil die Papierknappheit seine
restlose Unterbringung fragwürdig macht.

So nimmt es denn nicht wunder, wenn man jetzt fast
jede Woche Nachrichten über Stillegung oder Einschränkung
von Zeitungsbetrieben liest. Die Badische Landeszeitung in
Karlsruhe, die bisher zweimal täglich herauskam, kann
nur noch in einer Ausgabe erscheinen. Die Magdeburgische
Zeitung begnügt sich künftig mit zwei Ausgaben statt
drei usw.

Zu der Gefahr der Stillegung kommt aber noch eine
andere Gefahr: die des Eindringens einseitiger Jnteressen.
Wir waren bisher in Deutschland mit Recht stolz auf unsere
Presse. War auch nicht alles so, wie man es hätte wünschen
mögen, so war unsere Presse doch ein brauchbares Jnstru-
ment der öffentlichen Meinung, dem man die unsauberen
Derhältnisse in einem Teil der ausländischen Presse keines-
falls an die Seite stellen durfte. Jetzt aber gerät eine stets
steigende Anzahl Zeitungen in Abhängigkeit von Kreisen,
die offenbar danach streben, die öffentliche Meinung in ganz
bestimmtem Sinne zu beeinflussen. Wenn der Großindustrielle
Hugo Stinnes die wirtschaftlichen Nöte des Zeitungs-
gewerbes dazu benützte, um siebzig oder noch mehr größere
und kleinere Zeitungen zu erstehen und wenn er zugleich
zur Sicherstellung einer großzügigen Papierbelieferung ein
halbes Dutzend Zellstoffabriken hinzuerwarb, so geschah
das doch wohl kaum, weil er aus den darin angelegten
Kapitalien eine besonders günstige Rente erhoffte, sondern
eher aus dem Grunde, um der der Schwerindustrie gefügigen
Presse eine mächtige Ausdehnung zu geben. Aehnlich ist
der Uebergang der "Kölnischen Volkszeitung" und des
"Kölner Tageblatt" an Jndustrie- und Bankgruppen, der
Derkauf der "Münchener Neuesten Nachrichten" und der
"München-Augsburger Abendzeitung" usw. zu beurteilen.
Es hebt also nach der schon vor längerer Zeit in Berlin
vollzogenen Dertrustung, die die Scherl, Ullstein und Mosse
zu Beherrschern der hauptstädtischen Presse gemacht hat,
eine neue, noch weit bedenklichere Dertrustung an mit an-
scheinend riesenhaftem Kapitalaufwand, der seine Derzin-
sung weniger in den erworbenen Objekten, als in der
durch sie erlangten geistigen Machtposition sucht.

Sache der Reichsregierung müßte es nun sein, nicht
länger zu zögern, sondern schleunigst eine Hilfsaktion zur
Unterstützung und Rettung der noch auf ihrem Posten aus-
harrenden bedrängten Zeitungen einzuleiten, denn andern-
falls wird das jetzige überaus verlustbringende Wirtschaften
die Reihen der Blätter rasch noch weiter dezimieren!

Wissenschast, Kultur und Technik
Der Germanen-Name.

(Schluß.)

II.

Wir versuchen nun dem Rätsel von der anderen Seite
beizukommen. Durch römische Ueberlieferung kennen wir
den Namen. Jst er auch lateinischen Ursprungs? Nun gibt
es ein bekanntes lateinisches Wort germannus, was "echt"
und "Bruder" bedeutet. Jm ersten Sinn, als "die Echten"
deutet Theod. Birt den Namen. Und zwar wäre er zu
ergänzen als die "echten Kelten"; denn für besonders reine
Kelten hätten die Germanen den Römern gegolten. Bei
Cäsar war freilich die Tatsache schon ganz klar, daß Kelten
und Germanen zwei ganz verschiedene Völker waren. Aber
allerdings wurden vorher die beiden Völker von Griechen
und Römern nicht scharf geschieden. Und diese ältere Auf-
sassung scheint noch vorzuliegen in dem großen geographischen

Allgemeine Zeitung 13. Juni 1920
[Spaltenumbruch] geordnete gewählt ſind; würden wir nicht von Württemberg
alimentiert mit drei Sitzen, ſo wäre der Wahlausgang wirk-
lich ein recht kläglicher. Trotz dieſer Alimentation haben
wir nur 15 Vertreter, ſtatt 17, wie es der Bevölkerungs-
zahl nach ſein müßte.

Im ganzen: allgemeine Wahlflauheit mit Rückgang
der Geſamtſtimmzahl; eine Durchſchnittsbeteiligung von
72 bis 75 Prozent, ſtatt 90 bis 91 Prozent, wie im Kriegs-
jahr; Rückgang der ſozialiſtiſchen und demokratiſchen Stim-
men, eine mäßige Zunahme der deutſch-nationalen und
65,000 rein deutſche volksparteiliche Stimmen. Die Koa-
lition
hat in Baden, auch ohne die Unabhängigen und
Kommuniſten, die Mehrheit. rr.



Wandlungen im deutſchen Zeitungs-
gewerbe.

Wenn von der Notlage der deutſchen Preſſe die Rede
iſt, ſo handelt es ſich natürlich nicht um eine Angelegenheit
bloß wirtſchaftlicher Natur, wie ſie auch in jedem anderen
Gewerbe vorkommen kann; vielmehr dreht es ſich hier um
Dinge, die in ſtärkſtem Maße öffentliche Angelegenheit
ſind. Die Gefährdung der Preſſe bedeutet ja — was gar
keiner näheren Erläuterung bedarf — die Gefährdung
eines unſerer wichtigſten und unentbehrlichſten Kultur-
faktoren.

Die Not der deutſchen Zeitungen iſt nicht über Nacht
gekommen. Schon im Laufe des Krieges wurden ihre
Daſeinsbedingungen immer mehr erſchwert, und das alte
Regime beſaß auch Einſicht genug, die Beſchaffung des all-
zu koſtſpielig gewordenen Papiers durch Reichszuſchüſſe zu
erleichtern, allein die damaligen Schwierigkeiten waren
lächerlich, wenn man ſie mit den heutigen vergleicht. Ein
paar Beiſpiele ſagen genug: Für 100 Kilogramm Zeitungs-
papier wurden vor dem Krieg 21 Mark bezahlt. Ende 1919
koſteten ſie 120 Mark, im Februar 1920 das Doppelte und
im Mai 440 Mark, alſo das Zwanzigfache des Friedens-
preiſes. Das Papier bildet nun bekanntlich einen ſehr
weſentlichen Poſten im Haushalt der Tageszeitungen. Preis-
erhöhungen wie z. B. die im Laufe dieſes Jahres beim
Papier eingetretenen, müſſen die Ausgabenrechnung großer
Blätter um Millionen hinaufſchnellen laſſen, denn eine
Papiermenge, die zu Anfang 1920 noch für eine halbe
Million Mark zu haben war, erfordert jetzt zwei Millionen.

Jn rieſiger Progreſſion ſind auch die anderen Aufwen-
dungen geſtiegen. Die Druckfarbe koſtete vor dem Krieg
38 bis 40 Mark für 100 Kilogramm, im Oktober 1919
dagegen 220 Mark, im Dezember 380 Mark und jetzt
1100 Mark. Metalle, Oele, alle anderen Betriebsmittel
haben nicht minder unerſchwingliche Preiſe. Die Löhne und
Gehälter, Steuern und Poſtgebühren erfordern gleichfalls
unheimliche Mehraufwendungen. Bei den größeren Blät-
tern tritt dazu noch das gewaltige Anwachſen der Tele-
graphen- und Fernſprechkoſten und — wenigſtens, ſoweit
die führenden Organe in Betracht kommen — der enorme
Mehraufwand für den Auslanddienſt.

Angeſichts dieſer mit phantaſtiſcher Schnelligkeit ſich
fortſetzenden Teuerung das wirtſchaftliche Gleichgewicht zu
bewahren, gelingt einem großen Teil der deutſchen Zeitun-
gen nicht mehr. Wohl bietet der Abonnementspreis die
Handhabe zu einer gewiſſen Steigerung der Einnahmen.
Von den führenden Blättern koſtet beiſpielsweiſe die
Kölniſche Zeitung zurzeit für den Monat 10 Mark, die
Kölniſche Volkszeitung 11 Mark, die Hamburger Nach-
richten 7.50 Mark, die Frankfurter Zeitung 6 Mark, die
Berliner Zeitungen 12 bis 15 Mark. Ein zweites Mittel
zur Beſſerung des Erträgniſſes bildet der Anzeigentarif, der
denn auch allenthalben bis zum Zehnfachen der Friedens-
ſätze und noch darüber hinaus geſtiegen iſt. Aber ſowohl
beim Abonnement, wie bei der Anzeigentarifierung geht es
nicht an, willkürlich die Preisſchraube anzudrehen, ſondern
die mannigfachſten Rückſichten müſſen beachtet werden, und
[Spaltenumbruch] vor allem: die Zahlungsfähigkeit der Abonnenten und der
Auftraggeber von Anzeigen hat ihre Grenzen, abgeſehen da-
von, daß es nicht allzuviele Blätter gibt, die ſich eines un-
unterbrochen günſtigen Zufluſſes von Anzeigen zu rühmen
haben, eines Zufluſſes, der heutzutage ſchon darum keine
ungetrübte Freude gewährt, weil die Papierknappheit ſeine
reſtloſe Unterbringung fragwürdig macht.

So nimmt es denn nicht wunder, wenn man jetzt faſt
jede Woche Nachrichten über Stillegung oder Einſchränkung
von Zeitungsbetrieben lieſt. Die Badiſche Landeszeitung in
Karlsruhe, die bisher zweimal täglich herauskam, kann
nur noch in einer Ausgabe erſcheinen. Die Magdeburgiſche
Zeitung begnügt ſich künftig mit zwei Ausgaben ſtatt
drei uſw.

Zu der Gefahr der Stillegung kommt aber noch eine
andere Gefahr: die des Eindringens einſeitiger Jntereſſen.
Wir waren bisher in Deutſchland mit Recht ſtolz auf unſere
Preſſe. War auch nicht alles ſo, wie man es hätte wünſchen
mögen, ſo war unſere Preſſe doch ein brauchbares Jnſtru-
ment der öffentlichen Meinung, dem man die unſauberen
Derhältniſſe in einem Teil der ausländiſchen Preſſe keines-
falls an die Seite ſtellen durfte. Jetzt aber gerät eine ſtets
ſteigende Anzahl Zeitungen in Abhängigkeit von Kreiſen,
die offenbar danach ſtreben, die öffentliche Meinung in ganz
beſtimmtem Sinne zu beeinfluſſen. Wenn der Großinduſtrielle
Hugo Stinnes die wirtſchaftlichen Nöte des Zeitungs-
gewerbes dazu benützte, um ſiebzig oder noch mehr größere
und kleinere Zeitungen zu erſtehen und wenn er zugleich
zur Sicherſtellung einer großzügigen Papierbelieferung ein
halbes Dutzend Zellſtoffabriken hinzuerwarb, ſo geſchah
das doch wohl kaum, weil er aus den darin angelegten
Kapitalien eine beſonders günſtige Rente erhoffte, ſondern
eher aus dem Grunde, um der der Schwerinduſtrie gefügigen
Preſſe eine mächtige Ausdehnung zu geben. Aehnlich iſt
der Uebergang der „Kölniſchen Volkszeitung“ und des
„Kölner Tageblatt“ an Jnduſtrie- und Bankgruppen, der
Derkauf der „Münchener Neueſten Nachrichten“ und der
„München-Augsburger Abendzeitung“ uſw. zu beurteilen.
Es hebt alſo nach der ſchon vor längerer Zeit in Berlin
vollzogenen Dertruſtung, die die Scherl, Ullſtein und Moſſe
zu Beherrſchern der hauptſtädtiſchen Preſſe gemacht hat,
eine neue, noch weit bedenklichere Dertruſtung an mit an-
ſcheinend rieſenhaftem Kapitalaufwand, der ſeine Derzin-
ſung weniger in den erworbenen Objekten, als in der
durch ſie erlangten geiſtigen Machtpoſition ſucht.

Sache der Reichsregierung müßte es nun ſein, nicht
länger zu zögern, ſondern ſchleunigſt eine Hilfsaktion zur
Unterſtützung und Rettung der noch auf ihrem Poſten aus-
harrenden bedrängten Zeitungen einzuleiten, denn andern-
falls wird das jetzige überaus verluſtbringende Wirtſchaften
die Reihen der Blätter raſch noch weiter dezimieren!

Wiſſenſchaſt, Kultur und Technik
Der Germanen-Name.

(Schluß.)

II.

Wir verſuchen nun dem Rätſel von der anderen Seite
beizukommen. Durch römiſche Ueberlieferung kennen wir
den Namen. Jſt er auch lateiniſchen Urſprungs? Nun gibt
es ein bekanntes lateiniſches Wort germānus, was „echt“
und „Bruder“ bedeutet. Jm erſten Sinn, als „die Echten“
deutet Theod. Birt den Namen. Und zwar wäre er zu
ergänzen als die „echten Kelten“; denn für beſonders reine
Kelten hätten die Germanen den Römern gegolten. Bei
Cäſar war freilich die Tatſache ſchon ganz klar, daß Kelten
und Germanen zwei ganz verſchiedene Völker waren. Aber
allerdings wurden vorher die beiden Völker von Griechen
und Römern nicht ſcharf geſchieden. Und dieſe ältere Auf-
ſaſſung ſcheint noch vorzuliegen in dem großen geographiſchen

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[220/0006] Allgemeine Zeitung 13. Juni 1920 geordnete gewählt ſind; würden wir nicht von Württemberg alimentiert mit drei Sitzen, ſo wäre der Wahlausgang wirk- lich ein recht kläglicher. Trotz dieſer Alimentation haben wir nur 15 Vertreter, ſtatt 17, wie es der Bevölkerungs- zahl nach ſein müßte. Im ganzen: allgemeine Wahlflauheit mit Rückgang der Geſamtſtimmzahl; eine Durchſchnittsbeteiligung von 72 bis 75 Prozent, ſtatt 90 bis 91 Prozent, wie im Kriegs- jahr; Rückgang der ſozialiſtiſchen und demokratiſchen Stim- men, eine mäßige Zunahme der deutſch-nationalen und 65,000 rein deutſche volksparteiliche Stimmen. Die Koa- lition hat in Baden, auch ohne die Unabhängigen und Kommuniſten, die Mehrheit. rr. Wandlungen im deutſchen Zeitungs- gewerbe. von Dr. Paul Jacobſohn, Frankfurt a. M. Wenn von der Notlage der deutſchen Preſſe die Rede iſt, ſo handelt es ſich natürlich nicht um eine Angelegenheit bloß wirtſchaftlicher Natur, wie ſie auch in jedem anderen Gewerbe vorkommen kann; vielmehr dreht es ſich hier um Dinge, die in ſtärkſtem Maße öffentliche Angelegenheit ſind. Die Gefährdung der Preſſe bedeutet ja — was gar keiner näheren Erläuterung bedarf — die Gefährdung eines unſerer wichtigſten und unentbehrlichſten Kultur- faktoren. Die Not der deutſchen Zeitungen iſt nicht über Nacht gekommen. Schon im Laufe des Krieges wurden ihre Daſeinsbedingungen immer mehr erſchwert, und das alte Regime beſaß auch Einſicht genug, die Beſchaffung des all- zu koſtſpielig gewordenen Papiers durch Reichszuſchüſſe zu erleichtern, allein die damaligen Schwierigkeiten waren lächerlich, wenn man ſie mit den heutigen vergleicht. Ein paar Beiſpiele ſagen genug: Für 100 Kilogramm Zeitungs- papier wurden vor dem Krieg 21 Mark bezahlt. Ende 1919 koſteten ſie 120 Mark, im Februar 1920 das Doppelte und im Mai 440 Mark, alſo das Zwanzigfache des Friedens- preiſes. Das Papier bildet nun bekanntlich einen ſehr weſentlichen Poſten im Haushalt der Tageszeitungen. Preis- erhöhungen wie z. B. die im Laufe dieſes Jahres beim Papier eingetretenen, müſſen die Ausgabenrechnung großer Blätter um Millionen hinaufſchnellen laſſen, denn eine Papiermenge, die zu Anfang 1920 noch für eine halbe Million Mark zu haben war, erfordert jetzt zwei Millionen. Jn rieſiger Progreſſion ſind auch die anderen Aufwen- dungen geſtiegen. Die Druckfarbe koſtete vor dem Krieg 38 bis 40 Mark für 100 Kilogramm, im Oktober 1919 dagegen 220 Mark, im Dezember 380 Mark und jetzt 1100 Mark. Metalle, Oele, alle anderen Betriebsmittel haben nicht minder unerſchwingliche Preiſe. Die Löhne und Gehälter, Steuern und Poſtgebühren erfordern gleichfalls unheimliche Mehraufwendungen. Bei den größeren Blät- tern tritt dazu noch das gewaltige Anwachſen der Tele- graphen- und Fernſprechkoſten und — wenigſtens, ſoweit die führenden Organe in Betracht kommen — der enorme Mehraufwand für den Auslanddienſt. Angeſichts dieſer mit phantaſtiſcher Schnelligkeit ſich fortſetzenden Teuerung das wirtſchaftliche Gleichgewicht zu bewahren, gelingt einem großen Teil der deutſchen Zeitun- gen nicht mehr. Wohl bietet der Abonnementspreis die Handhabe zu einer gewiſſen Steigerung der Einnahmen. Von den führenden Blättern koſtet beiſpielsweiſe die Kölniſche Zeitung zurzeit für den Monat 10 Mark, die Kölniſche Volkszeitung 11 Mark, die Hamburger Nach- richten 7.50 Mark, die Frankfurter Zeitung 6 Mark, die Berliner Zeitungen 12 bis 15 Mark. Ein zweites Mittel zur Beſſerung des Erträgniſſes bildet der Anzeigentarif, der denn auch allenthalben bis zum Zehnfachen der Friedens- ſätze und noch darüber hinaus geſtiegen iſt. Aber ſowohl beim Abonnement, wie bei der Anzeigentarifierung geht es nicht an, willkürlich die Preisſchraube anzudrehen, ſondern die mannigfachſten Rückſichten müſſen beachtet werden, und vor allem: die Zahlungsfähigkeit der Abonnenten und der Auftraggeber von Anzeigen hat ihre Grenzen, abgeſehen da- von, daß es nicht allzuviele Blätter gibt, die ſich eines un- unterbrochen günſtigen Zufluſſes von Anzeigen zu rühmen haben, eines Zufluſſes, der heutzutage ſchon darum keine ungetrübte Freude gewährt, weil die Papierknappheit ſeine reſtloſe Unterbringung fragwürdig macht. So nimmt es denn nicht wunder, wenn man jetzt faſt jede Woche Nachrichten über Stillegung oder Einſchränkung von Zeitungsbetrieben lieſt. Die Badiſche Landeszeitung in Karlsruhe, die bisher zweimal täglich herauskam, kann nur noch in einer Ausgabe erſcheinen. Die Magdeburgiſche Zeitung begnügt ſich künftig mit zwei Ausgaben ſtatt drei uſw. Zu der Gefahr der Stillegung kommt aber noch eine andere Gefahr: die des Eindringens einſeitiger Jntereſſen. Wir waren bisher in Deutſchland mit Recht ſtolz auf unſere Preſſe. War auch nicht alles ſo, wie man es hätte wünſchen mögen, ſo war unſere Preſſe doch ein brauchbares Jnſtru- ment der öffentlichen Meinung, dem man die unſauberen Derhältniſſe in einem Teil der ausländiſchen Preſſe keines- falls an die Seite ſtellen durfte. Jetzt aber gerät eine ſtets ſteigende Anzahl Zeitungen in Abhängigkeit von Kreiſen, die offenbar danach ſtreben, die öffentliche Meinung in ganz beſtimmtem Sinne zu beeinfluſſen. Wenn der Großinduſtrielle Hugo Stinnes die wirtſchaftlichen Nöte des Zeitungs- gewerbes dazu benützte, um ſiebzig oder noch mehr größere und kleinere Zeitungen zu erſtehen und wenn er zugleich zur Sicherſtellung einer großzügigen Papierbelieferung ein halbes Dutzend Zellſtoffabriken hinzuerwarb, ſo geſchah das doch wohl kaum, weil er aus den darin angelegten Kapitalien eine beſonders günſtige Rente erhoffte, ſondern eher aus dem Grunde, um der der Schwerinduſtrie gefügigen Preſſe eine mächtige Ausdehnung zu geben. Aehnlich iſt der Uebergang der „Kölniſchen Volkszeitung“ und des „Kölner Tageblatt“ an Jnduſtrie- und Bankgruppen, der Derkauf der „Münchener Neueſten Nachrichten“ und der „München-Augsburger Abendzeitung“ uſw. zu beurteilen. Es hebt alſo nach der ſchon vor längerer Zeit in Berlin vollzogenen Dertruſtung, die die Scherl, Ullſtein und Moſſe zu Beherrſchern der hauptſtädtiſchen Preſſe gemacht hat, eine neue, noch weit bedenklichere Dertruſtung an mit an- ſcheinend rieſenhaftem Kapitalaufwand, der ſeine Derzin- ſung weniger in den erworbenen Objekten, als in der durch ſie erlangten geiſtigen Machtpoſition ſucht. Sache der Reichsregierung müßte es nun ſein, nicht länger zu zögern, ſondern ſchleunigſt eine Hilfsaktion zur Unterſtützung und Rettung der noch auf ihrem Poſten aus- harrenden bedrängten Zeitungen einzuleiten, denn andern- falls wird das jetzige überaus verluſtbringende Wirtſchaften die Reihen der Blätter raſch noch weiter dezimieren! Wiſſenſchaſt, Kultur und Technik Der Germanen-Name. Von Prof. Dr. R. Stübe. (Schluß.) II. Wir verſuchen nun dem Rätſel von der anderen Seite beizukommen. Durch römiſche Ueberlieferung kennen wir den Namen. Jſt er auch lateiniſchen Urſprungs? Nun gibt es ein bekanntes lateiniſches Wort germānus, was „echt“ und „Bruder“ bedeutet. Jm erſten Sinn, als „die Echten“ deutet Theod. Birt den Namen. Und zwar wäre er zu ergänzen als die „echten Kelten“; denn für beſonders reine Kelten hätten die Germanen den Römern gegolten. Bei Cäſar war freilich die Tatſache ſchon ganz klar, daß Kelten und Germanen zwei ganz verſchiedene Völker waren. Aber allerdings wurden vorher die beiden Völker von Griechen und Römern nicht ſcharf geſchieden. Und dieſe ältere Auf- ſaſſung ſcheint noch vorzuliegen in dem großen geographiſchen

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 23, 13. Juni 1920, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine23_1920/6>, abgerufen am 21.11.2024.