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Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914.

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erste Seite
München.
Allgemeine Zeitung.

Erscheint einmal wöchentlich.

Die Allgemeine Zeitung kostet für München durch Trägerin und
Zeitungsgeschäfte monatlich Mk. 1.--, durch alle deutschen Post-
anstalten monatlich Mk. 1.50, unter Streifband in Deutschland und
Oesterreich-Ungarn Mk. 2.--, ins Ausland M. 2.25.
Die Hauptexpedition, Müllerstr. 27, alle Buchhandlungen, Zeitungs-
expeditionen und Postanstalten nehmen Bestellungen entgegen.

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Inseratenpreise: die viergespaltene Nonpareillezeile 50 Pfg.,
Reklamezeile 1 Mk. 50 Pfg.; bei Wiederholungen entsprechenden
Rabatt. Münchener Lokalanzeigen nach aufliegendem Tarif.
Inserate nehmen entgegen die Hauptexpedition München, Müller-
straße 27/29, und alle Annoncen-Expeditionen.
Telephon: Redaktion, Expedition und Verlag Amt München 23821.

Redaktion und Expedition: München, Müllerstraße 27/29.

Nummer 31. München, Samstag, 1. August 1914. 117. Jahrgang.
Inhalt:
[Spaltenumbruch]
Aus der Woche Seite
Das Aufflammen des nationalen Hoch-
gefühls in Deutschland. -- Die sozia-
listische Ausbeutung des Krieges. --
Italiens Stellung zum österreich'isch-
serbischen Konflikt. -- Ueber die mili-
tärische Lage nach einem Eingreifen
Rußlands. -- Der Wert des russischen
Heeres. -- England und die Kriegs-
krise. -- Der reichsparteiliche Verein
Augsburg. -- Der Freispruch im Cail-
lauxprozeß   487
[Spaltenumbruch]
Politik und Wirtschaft Seite
Die Leitung der nationalliberalen Partei
durch Herrn Bassermann. Von Wolf-
gang Eisenhart   489
Die Abrechnung mit Serbien. Von Th.
von Sosnosky   490
Das Manifest Kaiser Franz Josefs an
seine Völker   491
Frankreich und der Krieg   492
Theater und Musik
Münchener Theater. Von J. V.   492
[Spaltenumbruch]
Kunst und Literatur Seite
Johann Sperl + Von R. A. Linhof   495
Feuilleton
Großmutter! Skizze von W. Popper   496
Dem bedrängten Bruderbolke! Von Karl
Pröll   497
Handel und Industrie
Der Zusammenbruch der Börsen. Von
Wilhelm Prager   497


[Spaltenumbruch]
Aus der Woche

Das Aufflammen des nationalen Hochgefühls
in Deutschland
bei der Nachricht von dem Vorgehen Oester-
reichs gegen die unerhörte Herausforderung der Serben darf als
ein historisches Ereignis mit Freuden gebucht werden. Besonders
in Berlin, aber auch in allen übrigen deutschen Großstädten durch-
zogen in der Nacht vom Samstag auf Sonntag nach Tausenden
zählende jubelnde Scharen die Hauptstraßen und sangen begeistert
die österreichische und deutsche Nationalhymne, die "Wacht am
Rhein" und andere patriotische Gesänge. Wenn ein englisches Blatt
diese patriotische Stimmung in Deutschland mit der Stimmung in
Paris im Frühjahr 1870 verglich, so fügt es damit dem deutschen
Nationalgefühl ein schnödes Unrecht zu. Nicht das Gefühl des blin-
den Rassenübermutes machte sich da geltend, sondern ein Gefühl
der Befreiung aus schwerem Alpdruck, ein Gefühl, in dem sich die
Hoffnung ausdrückte, daß endlich die Stunde der Vergeltung für
slawisch-welsche Ränkespiel für Deutschland geschlagen habe. In
diesem Sturme nationaler Begeisterung lag ein ernster, sittlicher
Wille, der sich in Rufen ausdrückte, wie "Wir Deutsche fürchten
Gott und sonst nichts in der Welt!" und "Der Gott, der Eisen wach-
sen ließ, der wollte keine Knechte!" Auch in Oesterreich machte sich
diese deutsche Stimmung in recht erfreulicher Weise geltend. Es
ist in der Tat ein historisch bedeutsamer Moment, daß die beiden
Brudervölker in gemeinsamer unverbrüchlicher Treue den gemein-
samen Schänder der deutschen Ehre in geschlossener Front die Stirn
bieten. Speziell in Elsaß-Lothringen war -- wie uns unser Straß-
burger Mitarbeiter schreibt -- die Stimmung im großen ganzen
eine gedrückte, wenn es auch in Straßburg in einzelnen Lokalen
zu recht erfreulichen deutsch-nationalen Kundgebungen gekommen ist.
Die Masse der Bevölkerung steht bei der nahen Grenze so sehr unter
der Kriegsfurcht, daß solch elementare Ausbrüche deutschen Hoch-
gefühls wie in den altdeutschen Städten hier naturgemäß nicht zu
erwarten sind. Bemerkenswert ist das österreich-freundliche Ver-
halten der franzosen-freundlichen klerikalen Blätter im Reichslande.
Auch die französisch geschriebenen Blätter bewiesen in der Furcht
vor plötzlicher Aufhebung eine sonst nicht an ihnen beobachtete Zu-
rückhaltung. Bezeichnend war es auch, daß die reichen elsässischen
[Spaltenumbruch] Familien nicht rasch genug ihre Kapitalien aus den französischen
und Pariser Banken ziehen konnten. Der Glaube an eine große
Niederlage Frankreichs im Fall eines Krieges ist bei ihnen noch
unerschütterlicher als bei der altdeutschen Bevölkerung. Auch äußer-
lich trug Straßburg in den ersten Tagen der vergangenen Woche
ein ziemlich kriegerisches Bild.



Die sozialistische Ausbeutung des Krieges
zwischen Oesterreich und Serbien ist eine geradezu unerhörte und
wirft grelle Schlaglichter auf die Staatsgefährlichkeit der sozialistischen
Partei. In Berlin und anderen Großstädten werden vom "Vor-
wärts" Massenversammlungen angekündigt, in denen unter will-
kürlichster, den Tatsachen ins Gesicht schlagender Kritik des an-
geblich brutalen Vorgehens der Donaumonarchie gegen Serbien das
"klassenbewußte Proletariat Deutschlands" flammenden Protest
gegen das verbrecherische Treiben der Kriegshetzer erheben soll. Der
sozialistische Parteivorstand bezeichnet in diesen Manifesten das Vor-
gehen der österreichisch-ungarischen Regierung als frivol und ihre
Forderungen als so brutal, wie sie in der Weltgeschichte noch nie
an einen selbständigen Staat gestellt worden seien. Sie seien nur
dazu berechnet gewesen, den Krieg geradezu zu provozieren. Der
Aufruf schließt: "Kein Tropfen Blut eines deutschen Soldaten darf
dem Machtkitzel der österreichisch-ungarischen Gewalthaber geopfert
werden. Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Krieg! Hoch die
internationale Völkerverbrüderung!" In wesentlich ruhigerem Tone
ist die Protestkundgebung der deutsch-österreichischen Sozialisten ge-
halten, die die Tendenz der Forderungen Oesterreichs als berechtigt
anerkennen, aber der Ueberzeugung Ausdruck geben, daß man ihre
Erfüllung auch auf dem Friedenswege hätte erreichen können. Diese
sozialistische Aktion hat mit ihrer üblichen Unverfrorenheit und un-
verschämten Großsprecherei angesichts der von Oesterreich und Ser-
bien bereits begonnenen kriegerischen Verwicklungen mit Friedens-
freundlichkeit natürlich nicht das mindeste zu tun. Sie verfolgt
letzten Endes kein anderes Ziel, als die Manneszucht und den
Kampfesmut in unserem Heere zu unterwühlen. Ein energisches
und rücksichtsloses Vorgehen der Behörden gegen diese Volksver-
hetzung allerschlimmster Art hätte man erwarten dürfen. Der
flammende Protest der Sozialisten ist andrerseits einmal wieder
dazu angetan, unseren Großblocklern die Augen über ihre Wahl-
brüder und ihr staats- und reichsfeindliches Gebaren zu öffnen! Durch

München.
Allgemeine Zeitung.

Erſcheint einmal wöchentlich.

Die Allgemeine Zeitung koſtet für München durch Trägerin und
Zeitungsgeſchäfte monatlich Mk. 1.—, durch alle deutſchen Poſt-
anſtalten monatlich Mk. 1.50, unter Streifband in Deutſchland und
Oeſterreich-Ungarn Mk. 2.—, ins Ausland M. 2.25.
Die Hauptexpedition, Müllerſtr. 27, alle Buchhandlungen, Zeitungs-
expeditionen und Poſtanſtalten nehmen Beſtellungen entgegen.

[Abbildung]

Inſeratenpreiſe: die viergeſpaltene Nonpareillezeile 50 Pfg.,
Reklamezeile 1 Mk. 50 Pfg.; bei Wiederholungen entſprechenden
Rabatt. Münchener Lokalanzeigen nach aufliegendem Tarif.
Inſerate nehmen entgegen die Hauptexpedition München, Müller-
ſtraße 27/29, und alle Annoncen-Expeditionen.
Telephon: Redaktion, Expedition und Verlag Amt München 23821.

Redaktion und Expedition: München, Müllerſtraße 27/29.

Nummer 31. München, Samstag, 1. Auguſt 1914. 117. Jahrgang.
Inhalt:
[Spaltenumbruch]
Aus der Woche Seite
Das Aufflammen des nationalen Hoch-
gefühls in Deutſchland. — Die ſozia-
liſtiſche Ausbeutung des Krieges. —
Italiens Stellung zum öſterreich’iſch-
ſerbiſchen Konflikt. — Ueber die mili-
täriſche Lage nach einem Eingreifen
Rußlands. — Der Wert des ruſſiſchen
Heeres. — England und die Kriegs-
kriſe. — Der reichsparteiliche Verein
Augsburg. — Der Freiſpruch im Cail-
lauxprozeß   487
[Spaltenumbruch]
Politik und Wirtſchaft Seite
Die Leitung der nationalliberalen Partei
durch Herrn Baſſermann. Von Wolf-
gang Eiſenhart   489
Die Abrechnung mit Serbien. Von Th.
von Sosnosky   490
Das Manifeſt Kaiſer Franz Joſefs an
ſeine Völker   491
Frankreich und der Krieg   492
Theater und Muſik
Münchener Theater. Von J. V.   492
[Spaltenumbruch]
Kunſt und Literatur Seite
Johann Sperl † Von R. A. Linhof   495
Feuilleton
Großmutter! Skizze von W. Popper   496
Dem bedrängten Bruderbolke! Von Karl
Pröll   497
Handel und Induſtrie
Der Zuſammenbruch der Börſen. Von
Wilhelm Prager   497


[Spaltenumbruch]
Aus der Woche

Das Aufflammen des nationalen Hochgefühls
in Deutſchland
bei der Nachricht von dem Vorgehen Oeſter-
reichs gegen die unerhörte Herausforderung der Serben darf als
ein hiſtoriſches Ereignis mit Freuden gebucht werden. Beſonders
in Berlin, aber auch in allen übrigen deutſchen Großſtädten durch-
zogen in der Nacht vom Samstag auf Sonntag nach Tauſenden
zählende jubelnde Scharen die Hauptſtraßen und ſangen begeiſtert
die öſterreichiſche und deutſche Nationalhymne, die „Wacht am
Rhein“ und andere patriotiſche Geſänge. Wenn ein engliſches Blatt
dieſe patriotiſche Stimmung in Deutſchland mit der Stimmung in
Paris im Frühjahr 1870 verglich, ſo fügt es damit dem deutſchen
Nationalgefühl ein ſchnödes Unrecht zu. Nicht das Gefühl des blin-
den Raſſenübermutes machte ſich da geltend, ſondern ein Gefühl
der Befreiung aus ſchwerem Alpdruck, ein Gefühl, in dem ſich die
Hoffnung ausdrückte, daß endlich die Stunde der Vergeltung für
ſlawiſch-welſche Ränkeſpiel für Deutſchland geſchlagen habe. In
dieſem Sturme nationaler Begeiſterung lag ein ernſter, ſittlicher
Wille, der ſich in Rufen ausdrückte, wie „Wir Deutſche fürchten
Gott und ſonſt nichts in der Welt!“ und „Der Gott, der Eiſen wach-
ſen ließ, der wollte keine Knechte!“ Auch in Oeſterreich machte ſich
dieſe deutſche Stimmung in recht erfreulicher Weiſe geltend. Es
iſt in der Tat ein hiſtoriſch bedeutſamer Moment, daß die beiden
Brudervölker in gemeinſamer unverbrüchlicher Treue den gemein-
ſamen Schänder der deutſchen Ehre in geſchloſſener Front die Stirn
bieten. Speziell in Elſaß-Lothringen war — wie uns unſer Straß-
burger Mitarbeiter ſchreibt — die Stimmung im großen ganzen
eine gedrückte, wenn es auch in Straßburg in einzelnen Lokalen
zu recht erfreulichen deutſch-nationalen Kundgebungen gekommen iſt.
Die Maſſe der Bevölkerung ſteht bei der nahen Grenze ſo ſehr unter
der Kriegsfurcht, daß ſolch elementare Ausbrüche deutſchen Hoch-
gefühls wie in den altdeutſchen Städten hier naturgemäß nicht zu
erwarten ſind. Bemerkenswert iſt das öſterreich-freundliche Ver-
halten der franzoſen-freundlichen klerikalen Blätter im Reichslande.
Auch die franzöſiſch geſchriebenen Blätter bewieſen in der Furcht
vor plötzlicher Aufhebung eine ſonſt nicht an ihnen beobachtete Zu-
rückhaltung. Bezeichnend war es auch, daß die reichen elſäſſiſchen
[Spaltenumbruch] Familien nicht raſch genug ihre Kapitalien aus den franzöſiſchen
und Pariſer Banken ziehen konnten. Der Glaube an eine große
Niederlage Frankreichs im Fall eines Krieges iſt bei ihnen noch
unerſchütterlicher als bei der altdeutſchen Bevölkerung. Auch äußer-
lich trug Straßburg in den erſten Tagen der vergangenen Woche
ein ziemlich kriegeriſches Bild.



Die ſozialiſtiſche Ausbeutung des Krieges
zwiſchen Oeſterreich und Serbien iſt eine geradezu unerhörte und
wirft grelle Schlaglichter auf die Staatsgefährlichkeit der ſozialiſtiſchen
Partei. In Berlin und anderen Großſtädten werden vom „Vor-
wärts“ Maſſenverſammlungen angekündigt, in denen unter will-
kürlichſter, den Tatſachen ins Geſicht ſchlagender Kritik des an-
geblich brutalen Vorgehens der Donaumonarchie gegen Serbien das
„klaſſenbewußte Proletariat Deutſchlands“ flammenden Proteſt
gegen das verbrecheriſche Treiben der Kriegshetzer erheben ſoll. Der
ſozialiſtiſche Parteivorſtand bezeichnet in dieſen Manifeſten das Vor-
gehen der öſterreichiſch-ungariſchen Regierung als frivol und ihre
Forderungen als ſo brutal, wie ſie in der Weltgeſchichte noch nie
an einen ſelbſtändigen Staat geſtellt worden ſeien. Sie ſeien nur
dazu berechnet geweſen, den Krieg geradezu zu provozieren. Der
Aufruf ſchließt: „Kein Tropfen Blut eines deutſchen Soldaten darf
dem Machtkitzel der öſterreichiſch-ungariſchen Gewalthaber geopfert
werden. Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Krieg! Hoch die
internationale Völkerverbrüderung!“ In weſentlich ruhigerem Tone
iſt die Proteſtkundgebung der deutſch-öſterreichiſchen Sozialiſten ge-
halten, die die Tendenz der Forderungen Oeſterreichs als berechtigt
anerkennen, aber der Ueberzeugung Ausdruck geben, daß man ihre
Erfüllung auch auf dem Friedenswege hätte erreichen können. Dieſe
ſozialiſtiſche Aktion hat mit ihrer üblichen Unverfrorenheit und un-
verſchämten Großſprecherei angeſichts der von Oeſterreich und Ser-
bien bereits begonnenen kriegeriſchen Verwicklungen mit Friedens-
freundlichkeit natürlich nicht das mindeſte zu tun. Sie verfolgt
letzten Endes kein anderes Ziel, als die Manneszucht und den
Kampfesmut in unſerem Heere zu unterwühlen. Ein energiſches
und rückſichtsloſes Vorgehen der Behörden gegen dieſe Volksver-
hetzung allerſchlimmſter Art hätte man erwarten dürfen. Der
flammende Proteſt der Sozialiſten iſt andrerſeits einmal wieder
dazu angetan, unſeren Großblocklern die Augen über ihre Wahl-
brüder und ihr ſtaats- und reichsfeindliches Gebaren zu öffnen! Durch

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[0001] München. Allgemeine Zeitung. Erſcheint einmal wöchentlich. Die Allgemeine Zeitung koſtet für München durch Trägerin und Zeitungsgeſchäfte monatlich Mk. 1.—, durch alle deutſchen Poſt- anſtalten monatlich Mk. 1.50, unter Streifband in Deutſchland und Oeſterreich-Ungarn Mk. 2.—, ins Ausland M. 2.25. Die Hauptexpedition, Müllerſtr. 27, alle Buchhandlungen, Zeitungs- expeditionen und Poſtanſtalten nehmen Beſtellungen entgegen. [Abbildung] Inſeratenpreiſe: die viergeſpaltene Nonpareillezeile 50 Pfg., Reklamezeile 1 Mk. 50 Pfg.; bei Wiederholungen entſprechenden Rabatt. Münchener Lokalanzeigen nach aufliegendem Tarif. Inſerate nehmen entgegen die Hauptexpedition München, Müller- ſtraße 27/29, und alle Annoncen-Expeditionen. Telephon: Redaktion, Expedition und Verlag Amt München 23821. Redaktion und Expedition: München, Müllerſtraße 27/29. Nummer 31. München, Samstag, 1. Auguſt 1914. 117. Jahrgang. Inhalt: Aus der Woche Seite Das Aufflammen des nationalen Hoch- gefühls in Deutſchland. — Die ſozia- liſtiſche Ausbeutung des Krieges. — Italiens Stellung zum öſterreich’iſch- ſerbiſchen Konflikt. — Ueber die mili- täriſche Lage nach einem Eingreifen Rußlands. — Der Wert des ruſſiſchen Heeres. — England und die Kriegs- kriſe. — Der reichsparteiliche Verein Augsburg. — Der Freiſpruch im Cail- lauxprozeß 487 Politik und Wirtſchaft Seite Die Leitung der nationalliberalen Partei durch Herrn Baſſermann. Von Wolf- gang Eiſenhart 489 Die Abrechnung mit Serbien. Von Th. von Sosnosky 490 Das Manifeſt Kaiſer Franz Joſefs an ſeine Völker 491 Frankreich und der Krieg 492 Theater und Muſik Münchener Theater. Von J. V. 492 Kunſt und Literatur Seite Johann Sperl † Von R. A. Linhof 495 Feuilleton Großmutter! Skizze von W. Popper 496 Dem bedrängten Bruderbolke! Von Karl Pröll 497 Handel und Induſtrie Der Zuſammenbruch der Börſen. Von Wilhelm Prager 497 Aus der Woche Das Aufflammen des nationalen Hochgefühls in Deutſchland bei der Nachricht von dem Vorgehen Oeſter- reichs gegen die unerhörte Herausforderung der Serben darf als ein hiſtoriſches Ereignis mit Freuden gebucht werden. Beſonders in Berlin, aber auch in allen übrigen deutſchen Großſtädten durch- zogen in der Nacht vom Samstag auf Sonntag nach Tauſenden zählende jubelnde Scharen die Hauptſtraßen und ſangen begeiſtert die öſterreichiſche und deutſche Nationalhymne, die „Wacht am Rhein“ und andere patriotiſche Geſänge. Wenn ein engliſches Blatt dieſe patriotiſche Stimmung in Deutſchland mit der Stimmung in Paris im Frühjahr 1870 verglich, ſo fügt es damit dem deutſchen Nationalgefühl ein ſchnödes Unrecht zu. Nicht das Gefühl des blin- den Raſſenübermutes machte ſich da geltend, ſondern ein Gefühl der Befreiung aus ſchwerem Alpdruck, ein Gefühl, in dem ſich die Hoffnung ausdrückte, daß endlich die Stunde der Vergeltung für ſlawiſch-welſche Ränkeſpiel für Deutſchland geſchlagen habe. In dieſem Sturme nationaler Begeiſterung lag ein ernſter, ſittlicher Wille, der ſich in Rufen ausdrückte, wie „Wir Deutſche fürchten Gott und ſonſt nichts in der Welt!“ und „Der Gott, der Eiſen wach- ſen ließ, der wollte keine Knechte!“ Auch in Oeſterreich machte ſich dieſe deutſche Stimmung in recht erfreulicher Weiſe geltend. Es iſt in der Tat ein hiſtoriſch bedeutſamer Moment, daß die beiden Brudervölker in gemeinſamer unverbrüchlicher Treue den gemein- ſamen Schänder der deutſchen Ehre in geſchloſſener Front die Stirn bieten. Speziell in Elſaß-Lothringen war — wie uns unſer Straß- burger Mitarbeiter ſchreibt — die Stimmung im großen ganzen eine gedrückte, wenn es auch in Straßburg in einzelnen Lokalen zu recht erfreulichen deutſch-nationalen Kundgebungen gekommen iſt. Die Maſſe der Bevölkerung ſteht bei der nahen Grenze ſo ſehr unter der Kriegsfurcht, daß ſolch elementare Ausbrüche deutſchen Hoch- gefühls wie in den altdeutſchen Städten hier naturgemäß nicht zu erwarten ſind. Bemerkenswert iſt das öſterreich-freundliche Ver- halten der franzoſen-freundlichen klerikalen Blätter im Reichslande. Auch die franzöſiſch geſchriebenen Blätter bewieſen in der Furcht vor plötzlicher Aufhebung eine ſonſt nicht an ihnen beobachtete Zu- rückhaltung. Bezeichnend war es auch, daß die reichen elſäſſiſchen Familien nicht raſch genug ihre Kapitalien aus den franzöſiſchen und Pariſer Banken ziehen konnten. Der Glaube an eine große Niederlage Frankreichs im Fall eines Krieges iſt bei ihnen noch unerſchütterlicher als bei der altdeutſchen Bevölkerung. Auch äußer- lich trug Straßburg in den erſten Tagen der vergangenen Woche ein ziemlich kriegeriſches Bild. Die ſozialiſtiſche Ausbeutung des Krieges zwiſchen Oeſterreich und Serbien iſt eine geradezu unerhörte und wirft grelle Schlaglichter auf die Staatsgefährlichkeit der ſozialiſtiſchen Partei. In Berlin und anderen Großſtädten werden vom „Vor- wärts“ Maſſenverſammlungen angekündigt, in denen unter will- kürlichſter, den Tatſachen ins Geſicht ſchlagender Kritik des an- geblich brutalen Vorgehens der Donaumonarchie gegen Serbien das „klaſſenbewußte Proletariat Deutſchlands“ flammenden Proteſt gegen das verbrecheriſche Treiben der Kriegshetzer erheben ſoll. Der ſozialiſtiſche Parteivorſtand bezeichnet in dieſen Manifeſten das Vor- gehen der öſterreichiſch-ungariſchen Regierung als frivol und ihre Forderungen als ſo brutal, wie ſie in der Weltgeſchichte noch nie an einen ſelbſtändigen Staat geſtellt worden ſeien. Sie ſeien nur dazu berechnet geweſen, den Krieg geradezu zu provozieren. Der Aufruf ſchließt: „Kein Tropfen Blut eines deutſchen Soldaten darf dem Machtkitzel der öſterreichiſch-ungariſchen Gewalthaber geopfert werden. Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Krieg! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!“ In weſentlich ruhigerem Tone iſt die Proteſtkundgebung der deutſch-öſterreichiſchen Sozialiſten ge- halten, die die Tendenz der Forderungen Oeſterreichs als berechtigt anerkennen, aber der Ueberzeugung Ausdruck geben, daß man ihre Erfüllung auch auf dem Friedenswege hätte erreichen können. Dieſe ſozialiſtiſche Aktion hat mit ihrer üblichen Unverfrorenheit und un- verſchämten Großſprecherei angeſichts der von Oeſterreich und Ser- bien bereits begonnenen kriegeriſchen Verwicklungen mit Friedens- freundlichkeit natürlich nicht das mindeſte zu tun. Sie verfolgt letzten Endes kein anderes Ziel, als die Manneszucht und den Kampfesmut in unſerem Heere zu unterwühlen. Ein energiſches und rückſichtsloſes Vorgehen der Behörden gegen dieſe Volksver- hetzung allerſchlimmſter Art hätte man erwarten dürfen. Der flammende Proteſt der Sozialiſten iſt andrerſeits einmal wieder dazu angetan, unſeren Großblocklern die Augen über ihre Wahl- brüder und ihr ſtaats- und reichsfeindliches Gebaren zu öffnen! Durch

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Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine31_1914/1>, abgerufen am 21.11.2024.