Allgemeine Zeitung, Nr. 31, 1. August 1914.München. Allgemeine Zeitung. Erscheint einmal wöchentlich. Die Allgemeine Zeitung kostet für München durch Trägerin und [Abbildung]
Inseratenpreise: die viergespaltene Nonpareillezeile 50 Pfg., Redaktion und Expedition: München, Müllerstraße 27/29. Nummer 31. München, Samstag, 1. August 1914. 117. Jahrgang. Inhalt: [Spaltenumbruch]
Aus der Woche Seite [Spaltenumbruch]
Das Aufflammen des nationalen Hoch- gefühls in Deutschland. -- Die sozia- listische Ausbeutung des Krieges. -- Italiens Stellung zum österreich'isch- serbischen Konflikt. -- Ueber die mili- tärische Lage nach einem Eingreifen Rußlands. -- Der Wert des russischen Heeres. -- England und die Kriegs- krise. -- Der reichsparteiliche Verein Augsburg. -- Der Freispruch im Cail- lauxprozeß 487 Politik und Wirtschaft Seite Die Leitung der nationalliberalen Partei durch Herrn Bassermann. Von Wolf- gang Eisenhart 489 Die Abrechnung mit Serbien. Von Th. von Sosnosky 490 Das Manifest Kaiser Franz Josefs an seine Völker 491 Frankreich und der Krieg 492 Theater und Musik [Spaltenumbruch]
Münchener Theater. Von J. V. 492 Kunst und Literatur Seite Johann Sperl + Von R. A. Linhof 495 Feuilleton Großmutter! Skizze von W. Popper 496 Dem bedrängten Bruderbolke! Von Karl Pröll 497 Handel und Industrie Der Zusammenbruch der Börsen. Von Wilhelm Prager 497 [Spaltenumbruch] Aus der Woche Das Aufflammen des nationalen Hochgefühls Die sozialistische Ausbeutung des Krieges München. Allgemeine Zeitung. Erſcheint einmal wöchentlich. Die Allgemeine Zeitung koſtet für München durch Trägerin und [Abbildung]
Inſeratenpreiſe: die viergeſpaltene Nonpareillezeile 50 Pfg., Redaktion und Expedition: München, Müllerſtraße 27/29. Nummer 31. München, Samstag, 1. Auguſt 1914. 117. Jahrgang. Inhalt: [Spaltenumbruch]
Aus der Woche Seite [Spaltenumbruch]
Das Aufflammen des nationalen Hoch- gefühls in Deutſchland. — Die ſozia- liſtiſche Ausbeutung des Krieges. — Italiens Stellung zum öſterreich’iſch- ſerbiſchen Konflikt. — Ueber die mili- täriſche Lage nach einem Eingreifen Rußlands. — Der Wert des ruſſiſchen Heeres. — England und die Kriegs- kriſe. — Der reichsparteiliche Verein Augsburg. — Der Freiſpruch im Cail- lauxprozeß 487 Politik und Wirtſchaft Seite Die Leitung der nationalliberalen Partei durch Herrn Baſſermann. Von Wolf- gang Eiſenhart 489 Die Abrechnung mit Serbien. Von Th. von Sosnosky 490 Das Manifeſt Kaiſer Franz Joſefs an ſeine Völker 491 Frankreich und der Krieg 492 Theater und Muſik [Spaltenumbruch]
Münchener Theater. Von J. V. 492 Kunſt und Literatur Seite Johann Sperl † Von R. A. Linhof 495 Feuilleton Großmutter! Skizze von W. Popper 496 Dem bedrängten Bruderbolke! Von Karl Pröll 497 Handel und Induſtrie Der Zuſammenbruch der Börſen. Von Wilhelm Prager 497 [Spaltenumbruch] Aus der Woche Das Aufflammen des nationalen Hochgefühls Die ſozialiſtiſche Ausbeutung des Krieges <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/> <front> <titlePage type="main"> <docImprint> <pubPlace> <hi rendition="#b">München.</hi> </pubPlace> </docImprint><lb/> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <p>Erſcheint einmal wöchentlich.</p><lb/> <p>Die Allgemeine Zeitung koſtet für München durch Trägerin und<lb/> Zeitungsgeſchäfte monatlich Mk. 1.—, durch alle deutſchen Poſt-<lb/> anſtalten monatlich Mk. 1.50, unter Streifband in Deutſchland und<lb/><hi rendition="#c">Oeſterreich-Ungarn Mk. 2.—, ins Ausland M. 2.25.</hi><lb/> Die Hauptexpedition, Müllerſtr. 27, alle Buchhandlungen, Zeitungs-<lb/> expeditionen und Poſtanſtalten nehmen Beſtellungen entgegen.</p><lb/> <figure/> <p>Inſeratenpreiſe: die viergeſpaltene Nonpareillezeile 50 Pfg.,<lb/> Reklamezeile 1 Mk. 50 Pfg.; bei Wiederholungen entſprechenden<lb/> Rabatt. 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In<lb/> dieſem Sturme nationaler Begeiſterung lag ein ernſter, ſittlicher<lb/> Wille, der ſich in Rufen ausdrückte, wie „Wir Deutſche fürchten<lb/> Gott und ſonſt nichts in der Welt!“ und „Der Gott, der Eiſen wach-<lb/> ſen ließ, der wollte keine Knechte!“ Auch in Oeſterreich machte ſich<lb/> dieſe deutſche Stimmung in recht erfreulicher Weiſe geltend. Es<lb/> iſt in der Tat ein hiſtoriſch bedeutſamer Moment, daß die beiden<lb/> Brudervölker in gemeinſamer unverbrüchlicher Treue den gemein-<lb/> ſamen Schänder der deutſchen Ehre in geſchloſſener Front die Stirn<lb/> bieten. Speziell in Elſaß-Lothringen war — wie uns unſer Straß-<lb/> burger Mitarbeiter ſchreibt — die Stimmung im großen ganzen<lb/> eine gedrückte, wenn es auch in Straßburg in einzelnen Lokalen<lb/> zu recht erfreulichen deutſch-nationalen Kundgebungen gekommen iſt.<lb/> Die Maſſe der Bevölkerung ſteht bei der nahen Grenze ſo ſehr unter<lb/> der Kriegsfurcht, daß ſolch elementare Ausbrüche deutſchen Hoch-<lb/> gefühls wie in den altdeutſchen Städten hier naturgemäß nicht zu<lb/> erwarten ſind. Bemerkenswert iſt das öſterreich-freundliche Ver-<lb/> halten der franzoſen-freundlichen klerikalen Blätter im Reichslande.<lb/> Auch die franzöſiſch geſchriebenen Blätter bewieſen in der Furcht<lb/> vor plötzlicher Aufhebung eine ſonſt nicht an ihnen beobachtete Zu-<lb/> rückhaltung. Bezeichnend war es auch, daß die reichen elſäſſiſchen<lb/><cb/> Familien nicht raſch genug ihre Kapitalien aus den franzöſiſchen<lb/> und Pariſer Banken ziehen konnten. 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München.
Allgemeine Zeitung.
Erſcheint einmal wöchentlich.
Die Allgemeine Zeitung koſtet für München durch Trägerin und
Zeitungsgeſchäfte monatlich Mk. 1.—, durch alle deutſchen Poſt-
anſtalten monatlich Mk. 1.50, unter Streifband in Deutſchland und
Oeſterreich-Ungarn Mk. 2.—, ins Ausland M. 2.25.
Die Hauptexpedition, Müllerſtr. 27, alle Buchhandlungen, Zeitungs-
expeditionen und Poſtanſtalten nehmen Beſtellungen entgegen.
[Abbildung]
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Reklamezeile 1 Mk. 50 Pfg.; bei Wiederholungen entſprechenden
Rabatt. Münchener Lokalanzeigen nach aufliegendem Tarif.
Inſerate nehmen entgegen die Hauptexpedition München, Müller-
ſtraße 27/29, und alle Annoncen-Expeditionen.
Telephon: Redaktion, Expedition und Verlag Amt München 23821.
Redaktion und Expedition: München, Müllerſtraße 27/29.
Nummer 31. München, Samstag, 1. Auguſt 1914. 117. Jahrgang.
Inhalt:
Aus der Woche Seite
Das Aufflammen des nationalen Hoch-
gefühls in Deutſchland. — Die ſozia-
liſtiſche Ausbeutung des Krieges. —
Italiens Stellung zum öſterreich’iſch-
ſerbiſchen Konflikt. — Ueber die mili-
täriſche Lage nach einem Eingreifen
Rußlands. — Der Wert des ruſſiſchen
Heeres. — England und die Kriegs-
kriſe. — Der reichsparteiliche Verein
Augsburg. — Der Freiſpruch im Cail-
lauxprozeß 487
Politik und Wirtſchaft Seite
Die Leitung der nationalliberalen Partei
durch Herrn Baſſermann. Von Wolf-
gang Eiſenhart 489
Die Abrechnung mit Serbien. Von Th.
von Sosnosky 490
Das Manifeſt Kaiſer Franz Joſefs an
ſeine Völker 491
Frankreich und der Krieg 492
Theater und Muſik
Münchener Theater. Von J. V. 492
Kunſt und Literatur Seite
Johann Sperl † Von R. A. Linhof 495
Feuilleton
Großmutter! Skizze von W. Popper 496
Dem bedrängten Bruderbolke! Von Karl
Pröll 497
Handel und Induſtrie
Der Zuſammenbruch der Börſen. Von
Wilhelm Prager 497
Aus der Woche
Das Aufflammen des nationalen Hochgefühls
in Deutſchland bei der Nachricht von dem Vorgehen Oeſter-
reichs gegen die unerhörte Herausforderung der Serben darf als
ein hiſtoriſches Ereignis mit Freuden gebucht werden. Beſonders
in Berlin, aber auch in allen übrigen deutſchen Großſtädten durch-
zogen in der Nacht vom Samstag auf Sonntag nach Tauſenden
zählende jubelnde Scharen die Hauptſtraßen und ſangen begeiſtert
die öſterreichiſche und deutſche Nationalhymne, die „Wacht am
Rhein“ und andere patriotiſche Geſänge. Wenn ein engliſches Blatt
dieſe patriotiſche Stimmung in Deutſchland mit der Stimmung in
Paris im Frühjahr 1870 verglich, ſo fügt es damit dem deutſchen
Nationalgefühl ein ſchnödes Unrecht zu. Nicht das Gefühl des blin-
den Raſſenübermutes machte ſich da geltend, ſondern ein Gefühl
der Befreiung aus ſchwerem Alpdruck, ein Gefühl, in dem ſich die
Hoffnung ausdrückte, daß endlich die Stunde der Vergeltung für
ſlawiſch-welſche Ränkeſpiel für Deutſchland geſchlagen habe. In
dieſem Sturme nationaler Begeiſterung lag ein ernſter, ſittlicher
Wille, der ſich in Rufen ausdrückte, wie „Wir Deutſche fürchten
Gott und ſonſt nichts in der Welt!“ und „Der Gott, der Eiſen wach-
ſen ließ, der wollte keine Knechte!“ Auch in Oeſterreich machte ſich
dieſe deutſche Stimmung in recht erfreulicher Weiſe geltend. Es
iſt in der Tat ein hiſtoriſch bedeutſamer Moment, daß die beiden
Brudervölker in gemeinſamer unverbrüchlicher Treue den gemein-
ſamen Schänder der deutſchen Ehre in geſchloſſener Front die Stirn
bieten. Speziell in Elſaß-Lothringen war — wie uns unſer Straß-
burger Mitarbeiter ſchreibt — die Stimmung im großen ganzen
eine gedrückte, wenn es auch in Straßburg in einzelnen Lokalen
zu recht erfreulichen deutſch-nationalen Kundgebungen gekommen iſt.
Die Maſſe der Bevölkerung ſteht bei der nahen Grenze ſo ſehr unter
der Kriegsfurcht, daß ſolch elementare Ausbrüche deutſchen Hoch-
gefühls wie in den altdeutſchen Städten hier naturgemäß nicht zu
erwarten ſind. Bemerkenswert iſt das öſterreich-freundliche Ver-
halten der franzoſen-freundlichen klerikalen Blätter im Reichslande.
Auch die franzöſiſch geſchriebenen Blätter bewieſen in der Furcht
vor plötzlicher Aufhebung eine ſonſt nicht an ihnen beobachtete Zu-
rückhaltung. Bezeichnend war es auch, daß die reichen elſäſſiſchen
Familien nicht raſch genug ihre Kapitalien aus den franzöſiſchen
und Pariſer Banken ziehen konnten. Der Glaube an eine große
Niederlage Frankreichs im Fall eines Krieges iſt bei ihnen noch
unerſchütterlicher als bei der altdeutſchen Bevölkerung. Auch äußer-
lich trug Straßburg in den erſten Tagen der vergangenen Woche
ein ziemlich kriegeriſches Bild.
Die ſozialiſtiſche Ausbeutung des Krieges
zwiſchen Oeſterreich und Serbien iſt eine geradezu unerhörte und
wirft grelle Schlaglichter auf die Staatsgefährlichkeit der ſozialiſtiſchen
Partei. In Berlin und anderen Großſtädten werden vom „Vor-
wärts“ Maſſenverſammlungen angekündigt, in denen unter will-
kürlichſter, den Tatſachen ins Geſicht ſchlagender Kritik des an-
geblich brutalen Vorgehens der Donaumonarchie gegen Serbien das
„klaſſenbewußte Proletariat Deutſchlands“ flammenden Proteſt
gegen das verbrecheriſche Treiben der Kriegshetzer erheben ſoll. Der
ſozialiſtiſche Parteivorſtand bezeichnet in dieſen Manifeſten das Vor-
gehen der öſterreichiſch-ungariſchen Regierung als frivol und ihre
Forderungen als ſo brutal, wie ſie in der Weltgeſchichte noch nie
an einen ſelbſtändigen Staat geſtellt worden ſeien. Sie ſeien nur
dazu berechnet geweſen, den Krieg geradezu zu provozieren. Der
Aufruf ſchließt: „Kein Tropfen Blut eines deutſchen Soldaten darf
dem Machtkitzel der öſterreichiſch-ungariſchen Gewalthaber geopfert
werden. Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Krieg! Hoch die
internationale Völkerverbrüderung!“ In weſentlich ruhigerem Tone
iſt die Proteſtkundgebung der deutſch-öſterreichiſchen Sozialiſten ge-
halten, die die Tendenz der Forderungen Oeſterreichs als berechtigt
anerkennen, aber der Ueberzeugung Ausdruck geben, daß man ihre
Erfüllung auch auf dem Friedenswege hätte erreichen können. Dieſe
ſozialiſtiſche Aktion hat mit ihrer üblichen Unverfrorenheit und un-
verſchämten Großſprecherei angeſichts der von Oeſterreich und Ser-
bien bereits begonnenen kriegeriſchen Verwicklungen mit Friedens-
freundlichkeit natürlich nicht das mindeſte zu tun. Sie verfolgt
letzten Endes kein anderes Ziel, als die Manneszucht und den
Kampfesmut in unſerem Heere zu unterwühlen. Ein energiſches
und rückſichtsloſes Vorgehen der Behörden gegen dieſe Volksver-
hetzung allerſchlimmſter Art hätte man erwarten dürfen. Der
flammende Proteſt der Sozialiſten iſt andrerſeits einmal wieder
dazu angetan, unſeren Großblocklern die Augen über ihre Wahl-
brüder und ihr ſtaats- und reichsfeindliches Gebaren zu öffnen! Durch
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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