Allgemeine Zeitung, Nr. 336, 4. Dezember 1890.Allgemeine Zeitung. Nr. 336. -- 92. Jahrgang. Morgenblatt. München, Donnerstag, 4. December 1890.[Spaltenumbruch] Abonnementspreis in München b. d. Ex- pedition oder den im Stadtbezirk errichte- ten Depots abgeholt monatl. M. 2. --, bei 2malig. Zustellung ins Haus M. 2.50; durch d. Post bejogen: vier- teljährlich f. Dentschl. u. Oesterreich M. 9.--, für d. Ausl. mit ent- sprechendem Zuschlag. Direkter Bezug unter Streifband für Deutschland a. Oesterreich monatl. M. 4. --, Ausland M. 5. 60. Insertionspreis [Spaltenumbruch]
v. Colonelzeile 25 Pf.; finanzielle Anzeigen 35 Pf.; Lokalanzeigen 20 Pf.; kleine Anzei- gen i. gewöhnl. Schrift 3 Pf., in fetter Schrift 5 Pf. für das Wort. Redaktion u. Expedi- tion befinden sich Schwanthalerstr. 73 in München. Berichte find an die Redaktion, Inserat- aufträge an die Ex- pedktion franko einzu- senden. Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle. 30 Lime Str. London: für Frankreich, [Spaltenumbruch]
[Abbildung]
[Spaltenumbruch]
Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klincksieck in Paris; für Italien H. Loescher und Frat. Bocca in Turin, Florenz und Rom, U. Hoepli in Mailand; für den Orient das kaiserlich königliche Post- amt in Wien oder Triest: für Nordamerika F. W. Christern. E Steiger u. Co., Gust. E. Stechert, Westermann u. Co., International Publishing Agency, 710 Broadway, in New York. Verantwortlicher Redakteur: Hugo Jacobi in München. Inseratenannahme in München b. d. Expedition, Schwanthalerstraße 73, serner in Berlin, Hamburg, Breslan, Köln, [Spaltenumbruch]
Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Paris, London, Zürich, Basel etc. b. d Annoncenbureaux G. L. Daube u. Co., Haasenstein u. Vogler u. R. Mosse. In den Filialen der Zeitungsbureaur Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz etc. Außerdem in: Berlin bei B. Arndt (Mohrenstr. 26) und S. Kornik (Krausenstr. 12), Hamburg bei W. Wilckens u. Ad. Steiner, New York bei der Intern. Publishing Agency, 710 Broadway. Druck und Verlag der J. G. Cotta' schen Buchhandlung Rachfolger in Stuttgart und München. Inhalts-Uebersicht. Die Entwicklung der deutschen Colonialpolitik. Deutsches Reich. * Berlin: Reichstag. [] Präsident v. Heppe. Dombauplan. Nachlaß von Stempelabgaben. * Bundesrath. Arbeiterwohnhänser. Armeesattel. Vom Hofe. Frhr. v. Schor- lemer-Alst. Italien. * Rom: Thronrede. Senatorenernennung. Serbien. ## Belgrad: Aus der Skupschtina. Feuilleton: Der Weg zum Herzen. Von Rudolf Kleinpaul. Bayerische Chronik. -- Weitere telegraphische Nachrichten. Hiezu: Zweites und drittes Morgeublatt. München, 3. December. Die Entwicklung der deutschen Colonialpolitik. St. Es ist vor kurzem darauf hingewiesen worden (vergl. Daß aber auch noch nach einer anderen Richtung eine Es ist bekannt, daß das coloniale Programm, das der In Kamerun und Togo konnte denn auch das Pro- Nicht viel besser lag die Sache in Südwestafrika. Zwar In Ostafrika und Neu-Guinea schien sich die Sache Zu erwähnen ist dabei, daß der Neu-Guinea-Compagnie Was die Ostafrikanische Gesellschaft anbelangt, so mußte Feuilleton. (Nachdruck verboten.)Der Weg zum Herzen. Der Weg des Ohrs ist der gangbarste und Schiller (Ueber das gegenwärtige * Man hat gesagt, es gebe keinen besseren Empsehlungs- Sprache ist Mittheilung von Gedanken, niemals etwas Man kann durchaus nicht sagen, daß uns die Laute an- Dagegen scheinen allerdings die Laute etwas vor den Ge- 1) §. 1 des Vertrages lautet:
"Die kaiserliche Regierung Sultan von Sansibar ist bis jetzt noch nicht gemeldet. D. R. Allgemeine Zeitung. Nr. 336. — 92. Jahrgang. Morgenblatt. München, Donnerſtag, 4. December 1890.[Spaltenumbruch] Abonnementspreis in München b. d. Ex- pedition oder den im Stadtbezirk errichte- ten Depots abgeholt monatl. M. 2. —, bei 2malig. Zuſtellung ins Haus M. 2.50; durch d. Poſt bejogen: vier- teljährlich f. Dentſchl. u. Oeſterreich M. 9.—, für d. Ausl. mit ent- ſprechendem Zuſchlag. Direkter Bezug unter Streifband für Deutſchland à. Oeſterreich monatl. M. 4. —, Ausland M. 5. 60. Inſertionspreis [Spaltenumbruch]
v. Colonelzeile 25 Pf.; finanzielle Anzeigen 35 Pf.; Lokalanzeigen 20 Pf.; kleine Anzei- gen i. gewöhnl. Schrift 3 Pf., in fetter Schrift 5 Pf. für das Wort. Redaktion u. Expedi- tion befinden ſich Schwanthalerſtr. 73 in München. Berichte find an die Redaktion, Inſerat- aufträge an die Ex- pedktion franko einzu- ſenden. Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle. 30 Lime Str. London: für Frankreich, [Spaltenumbruch]
[Abbildung]
[Spaltenumbruch]
Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klinckſieck in Paris; für Italien H. Loeſcher und Frat. Bocca in Turin, Florenz und Rom, U. Hoepli in Mailand; für den Orient das kaiſerlich königliche Poſt- amt in Wien oder Trieſt: für Nordamerika F. W. Chriſtern. E Steiger u. Co., Guſt. E. Stechert, Weſtermann u. Co., International Publiſhing Agency, 710 Broadway, in New York. Verantwortlicher Redakteur: Hugo Jacobi in München. Inſeratenannahme in München b. d. Expedition, Schwanthalerſtraße 73, ſerner in Berlin, Hamburg, Breslan, Köln, [Spaltenumbruch]
Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Paris, London, Zürich, Baſel ꝛc. b. d Annoncenbureaux G. L. Daube u. Co., Haaſenſtein u. Vogler u. R. Moſſe. In den Filialen der Zeitungsbureaur Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in: Berlin bei B. Arndt (Mohrenſtr. 26) und S. Kornik (Krauſenſtr. 12), Hamburg bei W. Wilckens u. Ad. Steiner, New York bei der Intern. Publiſhing Agency, 710 Broadway. Druck und Verlag der J. G. Cotta’ ſchen Buchhandlung Rachfolger in Stuttgart und München. Inhalts-Ueberſicht. Die Entwicklung der deutſchen Colonialpolitik. Deutſches Reich. * Berlin: Reichstag. [] Präſident v. Heppe. Dombauplan. Nachlaß von Stempelabgaben. * Bundesrath. Arbeiterwohnhänſer. Armeeſattel. Vom Hofe. Frhr. v. Schor- lemer-Alſt. Italien. * Rom: Thronrede. Senatorenernennung. Serbien. ## Belgrad: Aus der Skupſchtina. Feuilleton: Der Weg zum Herzen. Von Rudolf Kleinpaul. Bayeriſche Chronik. — Weitere telegraphiſche Nachrichten. Hiezu: Zweites und drittes Morgeublatt. München, 3. December. Die Entwicklung der deutſchen Colonialpolitik. St. Es iſt vor kurzem darauf hingewieſen worden (vergl. Daß aber auch noch nach einer anderen Richtung eine Es iſt bekannt, daß das coloniale Programm, das der In Kamerun und Togo konnte denn auch das Pro- Nicht viel beſſer lag die Sache in Südweſtafrika. Zwar In Oſtafrika und Neu-Guinea ſchien ſich die Sache Zu erwähnen iſt dabei, daß der Neu-Guinea-Compagnie Was die Oſtafrikaniſche Geſellſchaft anbelangt, ſo mußte Feuilleton. (Nachdruck verboten.)Der Weg zum Herzen. Der Weg des Ohrs iſt der gangbarſte und Schiller (Ueber das gegenwärtige * Man hat geſagt, es gebe keinen beſſeren Empſehlungs- Sprache iſt Mittheilung von Gedanken, niemals etwas Man kann durchaus nicht ſagen, daß uns die Laute an- Dagegen ſcheinen allerdings die Laute etwas vor den Ge- 1) §. 1 des Vertrages lautet:
„Die kaiſerliche Regierung Sultan von Sanſibar iſt bis jetzt noch nicht gemeldet. D. R. <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/><lb/> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung.</hi> </titlePart> <titlePart type="volume">Nr. 336. — 92. Jahrgang. </titlePart> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b">Morgenblatt.</hi> </titlePart> </docTitle> <docImprint> <pubPlace> <hi rendition="#b"> München,</hi> </pubPlace> <docDate><hi rendition="#b"> Donnerſtag, 4.</hi> December 1890.</docDate> </docImprint> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#b">Abonnementspreis<lb/> in München</hi> b. d. Ex-<lb/> pedition oder den im<lb/> Stadtbezirk errichte-<lb/> ten Depots abgeholt<lb/> monatl. M. 2. —, bei<lb/> 2malig. Zuſtellung ins<lb/> Haus M. 2.50; durch<lb/> d. <hi rendition="#g">Poſt</hi> bejogen: vier-<lb/> teljährlich f. Dentſchl.<lb/> u. Oeſterreich M. 9.—,<lb/> für d. Ausl. mit ent-<lb/> ſprechendem Zuſchlag.<lb/><hi rendition="#g">Direkter</hi> Bezug<lb/> unter Streifband für<lb/> Deutſchland<lb/> à. Oeſterreich monatl.<lb/> M. 4. —, Ausland<lb/> M. 5. 60.</head> </div><lb/> <cb/> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#b">Inſertionspreis</hi><lb/> v. Colonelzeile 25 Pf.;<lb/> finanzielle Anzeigen<lb/> 35 Pf.; Lokalanzeigen<lb/> 20 Pf.; kleine Anzei-<lb/> gen i. gewöhnl. Schrift<lb/> 3 Pf., in fetter Schrift<lb/> 5 Pf. für das Wort.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Redaktion u. Expedi-<lb/> tion befinden ſich<lb/> Schwanthalerſtr. 73<lb/> in München.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Berichte find an die<lb/> Redaktion, Inſerat-<lb/> aufträge an die Ex-<lb/> pedktion franko einzu-<lb/> ſenden.</head><lb/> <cb/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#b">Abonnements für das Ausland</hi> nehmen an: für England A. <hi rendition="#g">Siegle</hi>. 30 Lime Str. London: für Frankreich,<lb/> Portugal und Spanien A. <hi rendition="#g">Ammel</hi> und C. <hi rendition="#g">Klinckſieck</hi> in Paris; für Italien H. <hi rendition="#g">Loeſcher</hi> und <hi rendition="#g">Frat.<lb/> Bocca</hi> in Turin, Florenz und Rom, U. <hi rendition="#g">Hoepli</hi> in Mailand; für den Orient das kaiſerlich königliche Poſt-<lb/> amt in Wien oder Trieſt: für Nordamerika F. W. <hi rendition="#g">Chriſtern. E Steiger u. Co., Guſt. E. Stechert,<lb/> Weſtermann u. Co., International Publiſhing Agency,</hi> 710 Broadway, in New York.<lb/> Verantwortlicher Redakteur: <hi rendition="#g">Hugo Jacobi</hi> in München.</head><lb/> <cb/> <figure/> <cb/> </div> <div type="jExpedition" n="1"> <head><hi rendition="#b">Inſeratenannahme</hi> in München b. d. Expedition, <hi rendition="#b">Schwanthalerſtraße 73,</hi> ſerner in Berlin, Hamburg, Breslan, Köln,<lb/> Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Paris, London, Zürich, Baſel ꝛc. b. d Annoncenbureaux G. L. <hi rendition="#g">Daube<lb/> u. Co., Haaſenſtein u. Vogler u. R. Moſſe</hi>. In den Filialen der Zeitungsbureaur <hi rendition="#g">Invalidendank</hi> zu Berlin,<lb/> Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in: Berlin bei B. <hi rendition="#g">Arndt</hi> (Mohrenſtr. 26) und S. <hi rendition="#g">Kornik</hi> (Krauſenſtr. 12),<lb/> Hamburg bei W. <hi rendition="#g">Wilckens u. Ad. Steiner,</hi> New York bei der <hi rendition="#g">Intern. Publiſhing Agency,</hi> 710 Broadway.<lb/> Druck und Verlag der <hi rendition="#b">J. G. <hi rendition="#g">Cotta’</hi></hi> ſchen Buchhandlung Rachfolger in Stuttgart und München.</head><lb/> <cb/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="contents" n="1"> <list> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Inhalts-Ueberſicht.</hi> </hi> </head><lb/> <item> <hi rendition="#b">Die Entwicklung der deutſchen Colonialpolitik.</hi> </item><lb/> <item><hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> * <hi rendition="#g">Berlin:</hi> Reichstag. <supplied>&#xfffc;</supplied> Präſident v. Heppe.<lb/> Dombauplan. Nachlaß von Stempelabgaben. * Bundesrath.<lb/> Arbeiterwohnhänſer. Armeeſattel. Vom Hofe. Frhr. v. Schor-<lb/> lemer-Alſt.</item><lb/> <item><hi rendition="#b">Italien.</hi> * <hi rendition="#g">Rom:</hi> Thronrede. Senatorenernennung.</item><lb/> <item><hi rendition="#b">Serbien.</hi> ## <hi rendition="#g">Belgrad:</hi> Aus der Skupſchtina.</item><lb/> <item><hi rendition="#b">Feuilleton:</hi> Der Weg zum Herzen. Von Rudolf Kleinpaul.</item><lb/> <item> <hi rendition="#b">Bayeriſche Chronik. — Weitere telegraphiſche Nachrichten.</hi><lb/> <hi rendition="#et">Hiezu: Zweites und drittes Morgeublatt.</hi> </item> </list> </div> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">München,</hi> 3. December.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="a01a" next="#a01b" type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Entwicklung der deutſchen Colonialpolitik.</hi> </head><lb/> <p>St. Es iſt vor kurzem darauf hingewieſen worden (vergl.<lb/> den Artikel „<hi rendition="#g">Colonialamt</hi> und <hi rendition="#g">Colonialrath</hi>“ in Nummer<lb/> 315 der Allg. Ztg. vom 13. November), daß die Schaffung<lb/> eines Colonialamtes und Colonialrathes einen Wendepunkt in<lb/> der Behandlung der deutſchen Colonialangelegenheiten bedeute.<lb/> Die Periode der Erwerbung von Schutzgebieten durch Occupa-<lb/> tion und Abſchluß internationaler Abmachungen iſt einſtweilen als<lb/> beendigt zu betrachten. Jetzt handelt es ſich darum, die deutſchen<lb/> Schutzgebiete zu organiſiren und durch zielbewußte coloniſa-<lb/> toriſche Thätigkeit erſt in eine feſte und innige politiſche und<lb/> wirthſchaftliche Verbindung mit Deutſchland zu bringen. Dieſe<lb/> ſchwierige Aufgabe zu erfüllen, iſt in erſter Linie Sache<lb/> des Colonialamtes in Verbindung mit dem neu geſchaffenen<lb/> Colonialrath.</p><lb/> <p>Daß aber auch noch nach einer anderen Richtung eine<lb/> entſcheidende Wendung in der deutſchen Colonialpolitik und<lb/> damit ein Aufgeben des urſprünglichen colonialen Programms<lb/> der Neichsregierung eingetreten iſt, ergibt ſich recht deutlich aus<lb/> dem kürzlich zwiſchen der Neichsregierung und der Deutſch-Oſt-<lb/> afrikaniſchen Geſellſchaft abgeſchloſſenen Vertrage, deſſen Inhalt<lb/> vor allem darin beſteht, daß die Geſellſchaft auf die Aus-<lb/> übung der ihr durch den kaiſerlichen Schutzbrief vom 27. Fe-<lb/> bruar 1885 verliehenen Hoheitsrechte zu Gunſten des Neiches<lb/> verzichtet hat.</p><lb/> <p>Es iſt bekannt, daß das coloniale Programm, das der<lb/> Reichskanzler Fürſt Bismarck wiederholt ſowohl im Reichstage<lb/> wie auch in verſchiedenen an die Vertreter des Reiches im<lb/> Auslande gerichteten Schreiben und namentlich auch in der<lb/> im Mai 1885 dem als Reichscommiſſar nach Weſtafrika ge-<lb/> ſendeten Generalconſul <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Nachtigal mitgegebenen Inſtruc-<lb/> tion entwickelte und mit Entſchiedenheit betonte, ein ſehr eng<lb/> begrenztes war. Wie die Erwerbung der Colonien von Anfang<lb/> an privater Initiative anheim gegeben war, ſo ſollte auch die<lb/> Regierung und Verwaltung der Schutzgebiete Colonialgeſell-<lb/> ſchaften überlaſſen bleiben, die ſich aus den in den einzelnen<lb/> Colonien berheiligten Capitaliſten und Handlungshäuſern bil-<lb/> den und auf Grund ertheilter kaiſerlicher Schutzbrieſe unter<lb/> der Oberhobeit und Aufſicht des Reiches in ihren Gebieten<lb/> nach dem Vorbilde der engliſch – oſtindiſchen und der hollän-<lb/> diſch-oſtindiſchen Handelscompagnien Hoheitsrechte ausüben<lb/> ſollten. Nur auf den Verwaltungsgebieten, die man, wie z. B.<lb/><cb/> die auswärtigen Beziehungen, Colonialgeſellſchaften nicht über-<lb/> laſſen konnte, ſollte der „Schutz des Reiches“ unmittelbar ein-<lb/> treten. Bei dem Umſtande, daß die colonialen Beſtrebungen<lb/> nicht in allen Kreiſen der Bevölkerung die gewünſchte Unter-<lb/> ſtützung fanden und daß die Colonialpolitik der Reichsregie-<lb/> rung namentlich im Reichstage ſelbſt bei verſchiedenen Parteien<lb/> ſtarkem Widerſtand begegnete, war das vorſichtige, faſt ſchüch-<lb/> tern zu nennende Vorgehen der Reichsregierung begreiflich.<lb/> Bald aber zeigte ſich, daß eine Colonialpolitik, bei der das<lb/> Reich ſeine Mittel nicht einſetzen und ſeine Kraft nicht auf-<lb/> wenden, ſchließlich aber doch die Vortheile der Colonien ein-<lb/> heimſen wollte, nicht durchführbar war. Die Zeiten, in denen<lb/> Handelscompagnien große Colonialreiche erwerben und regieren<lb/> konnten, ſind vorüber. Es beweist dies ſchon die Thatſache, daß die<lb/> beiden mächtigſten dieſer Geſellſchaften, die engliſch-oſtindiſche<lb/> und die holländiſch-oſtindiſche, in dieſem Jahrhundert aufge-<lb/> hoben wurden, ihre Gebiete aber in unmittelbaren Beſitz des<lb/> Mutterlandes übergingen. Wenn auch gegenwärtig noch in<lb/> England Colonialgeſellſchaſten mit Schutzbriefen (<hi rendition="#aq">charters</hi>)<lb/> ausgeſtattet werden, ſo haben doch dieſe Geſellſchaften nur die<lb/> Bedeutung, der ſpäteren endgültigen Beſitzergreifung durch die<lb/> Regierung des Mutterlandes vorzuarbeiten. Sie ſind ge-<lb/> wiſſermaßen Fühlhörner, die vom Mutterlande ausgeſtreckt<lb/> werden in Gebiete, in denen es der Regierung noch nicht<lb/> angezeigt erſcheint, ſelbſt zuzugreifen.</p><lb/> <p>In <hi rendition="#g">Kamerun</hi> und <hi rendition="#g">Togo</hi> konnte denn auch das Pro-<lb/> gramm der Reichsregierung überhaupt nicht zur Durchführung<lb/> gelangen, weil die dort betheiligten Handelshäuſer ſich von<lb/> Anfang an weigerten, eine mit Ausübung von Hoheitsrechten<lb/> zu betrauende Colonialgeſellſchaft zu bilden, indem ſie ſich auf<lb/> den Standpunkt ſtellten, die Verwaltung der Schutzgebiete ſei<lb/> Sache der Reichsregierung.</p><lb/> <p>Nicht viel beſſer lag die Sache in <hi rendition="#g">Südweſtafrika.</hi> Zwar<lb/> bildete ſich die deutſche Colonialgeſellſchaft für Südweſtafrika,<lb/> zur Uebertragung der Landeshoheit an dieſe Geſellſchaft kam<lb/> es aber nicht und konnte es ſchon um deßwillen nicht kommen,<lb/> weil die Geſellſchaft es zu einer günſtigen wirthſchaftlichen<lb/> Entwicklung nicht brachte und daher ſchon ſinanziell gar nicht<lb/> in der Lage war, die Berwaltung der Schutzgebiete zu über-<lb/> nehmen.</p><lb/> <p>In <hi rendition="#g">Oſtafrika</hi> und <hi rendition="#g">Neu-Guinea</hi> ſchien ſich die Sache<lb/> im Sinne der Negierung günſtiger anzulaſſen, denn für beide<lb/> Schutzgebiete bildeten ſich Colonialgeſellſchaften, denen durch<lb/> Schutzbriefe vom 27. Februar 1885 und 17. Mai 1885 die<lb/> Landeshoheit in den betreffenden Schutzgebieten zur Ausübung<lb/> übertragen wurde. Die Neu-Guinea-Compagnie ging auch<lb/> daran, die Landesverwaltung, ſoweit dies bei den unentwickelten<lb/> Verhältniſſen ihres Gebietes möglich war, einzurichten und zu<lb/> führen. Im Mai v. J. ſah ſie ſich jedoch veranlaßt, mit der<lb/> Reichsregierung ein Abkommen zu treffen dahin, daß vom<lb/> 1. October 1889 an die Reichsregierung zunächſt auf zwei<lb/> Jahre die Landesverwaltung einſchließlich der Nechtspflege und<lb/> der Einziehung der auf der Landeshoheit beruhenden Steuern,<lb/> Zölle und Abgaben übernahm, während die Koſten der Ver-<lb/> waltung nach wie vor der Neu-Guinea-Compagnie zur Laſt<lb/> blieben. In der Vegründung des auf dieſes Abkommen ſich<lb/> beziehenden Nachtragetats an den Bundesrath war bemerkt, die<lb/> Regierung habe geglaubt, dem Wunſche der Neu-Guinea-<lb/> Compagnie auf Uebernahme der Verwaltung entſprechen zu<lb/><cb/> ſollen, „da eine lediglich durch Beamte der Geſellſchaft geleitete<lb/> Verwaltung und Rechtspflege nicht dasjenige Vertrauen und<lb/> Anſehen genießen kann, wie eine Verwaltung und Rechtspflege<lb/> durch das Reich, außerdem auch die Geſellſchaft durch die Aus-<lb/> übung der Landeshoheit in der Erfüllung ihrer wirthſchaftlichen<lb/> Aufgaben beeinträchtigt wird“. Es iſt damit ofſiciell zugegeben<lb/> worden, daß der Verſuch, die Schutzgebiete durch Colonial-<lb/> geſellſchaften regieren zu laſſen, als mißglückt betrachtet<lb/> werden muß.</p><lb/> <p>Zu erwähnen iſt dabei, daß der Neu-Guinea-Compagnie<lb/> das Recht eingeräumt wurde, beim Erlaſſe von Geſetzen und<lb/> Verordnungen für ihr Gebiet gehört zu werden, und daß<lb/> ſelbſtverſtändlicherweiſe das im Schutzbriefe vom 17. Mai 1885<lb/> der Compagnie eingeräumte Grunderwerbsmonopol durch den<lb/> Verzicht auf die Ausübung der Landeshoheit nicht berührt<lb/> wurde.</p><lb/> <p>Was die Oſtafrikaniſche Geſellſchaft anbelangt, ſo mußte<lb/> ſich dieſelbe zunächſt darauf beſchränken, in ihrem Gebiete eine<lb/> Anzahl von Stationen anzulegen, die ſowohl als Stützpunkte<lb/> für die wirthſchaftliche Entwicklung des Landes dienen, wie<lb/> auch als Grundlage für die künftige Verwaltungsorganiſation<lb/> gebraucht werden konnten. Den weiteren Ausbau dieſes<lb/> Syſtems von Stationen und die Inangriffnahme der Ein-<lb/> richtung der Landesverwaltung hat bekanntlich der im Herbſte<lb/> 1888 ausgebrochene Aufſtand verhindert. Nachdem der Auf-<lb/> ſtand niedergeſchlagen, trat die Frage auf, wie die<lb/> politiſche Verwaltung in Oſtafrika eingerichtet werden und<lb/> namentlich ob der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft die Aus-<lb/> übung der Landeshoheit überlaſſen bleiben ſolle. Die<lb/> Antwort fiel, wie der Eingangs erwähnte Vertrag der<lb/> Neichsregierung mit der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft ergibt,<lb/> verneinend aus. Der weſentliche Inhalt dieſes Vertrages<note place="foot" n="1)">§. 1 des Vertrages lautet: <floatingText><body><div n="1"><p>„<hi rendition="#g">Die kaiſerliche Regierung<lb/> beabſichtigt den Abſchluß eines Staatsvertrages,</hi> durch<lb/> welchen die Hoheitsrechte über das der deutſchen Intereſſenſphäre in<lb/> Oſtafrika vorgelagerte Küſtengebiet ſammt deſſen Zubehörungen und der<lb/> Inſel Mafia gegen Entſchädigung Sr. Hoheit des Sultans von Sanſibar<lb/><hi rendition="#g">an Se. Majeſtät den Deutſchen Kaiſer</hi> abgeireten werden ſollen.<lb/> Das gegenwärtige Uebereinkommen tritt nur unter der Vorausſetzung<lb/> in Rechtswirkung, daß der vorgedachte Vertrag <hi rendition="#g">ſpäteſtens</hi> am<lb/> 1. <hi rendition="#g">December</hi> 1890 zum Abſchluß gelangt iſt und daß in dieſem Ber-<lb/> trage der Uebergang der Hoheitsrechte von Seiten des Sultans von<lb/> Sanſibar <hi rendition="#g">auf keinen ſpäteren Zeitpunkt, als den 1. Januar</hi><lb/> 1891, feſtgeſetzt wird.“</p></div></body></floatingText> — Der Abſchluß dieſes Reichsvertrages mit dem<lb/> Sultan von Sanſibar iſt <hi rendition="#g">bis jetzt noch nicht gemeldet.</hi> D. R.</note> iſt<lb/> nämlich folgender: 1) Die Deutſch-Oſtafrikaniſche Geſellſchaft<lb/> verpflichtet ſich, bis zum 28. December 1890 die Summe von<lb/> 4 Millionen Mark aufzubringen, welche beſtimmt iſt, den Sultan<lb/> von Sanſibar gemäß dem deutſch-engliſchen Uebereinkommen<lb/> vom 1. Juli 1890 für die Abtretung des Küſtengebietes zu<lb/> entſchädigen. 2) Die Reichsregierung übernimmt die Ver-<lb/> waltung des Küſtengebietes und deſſen Zubehörungen, der<lb/> Inſel Mafia, ſowie des übrigen Schutzgebietes. Sie be-<lb/> zieht die Zolleinnahmen, ſowie die etwa zur Erhebung ge-<lb/> langenden Steuern und ſonſtigen öffentlichen Gefälle. Dagegen<lb/> verpflichtet ſich die Negierung, zum Zwecke der Verzinſung und<lb/> Amortiſation der von der Geſellſchaft zur Beſtreitung der oben<lb/> erwähnten 4 Millionen und ſonſtigen Ausgaben aufzunehmen-<lb/> den Anleihe von 10,556,000 Mark die vereinnahmten Brutto-<lb/> zollerträge der Ein- und Ausfuhr in das Küſtengebiet, bezw.</p><lb/> <cb/> </div> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Feuilleton.</hi> </hi> </head><lb/> <note>(Nachdruck verboten.)</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="a02a" next="#a02b" type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Der Weg zum Herzen.</hi> </hi> </head><lb/> <byline> <hi rendition="#c">Von <hi rendition="#g">Rudolf Kleinpaul.</hi></hi> </byline><lb/> <cit> <quote>Der Weg des Ohrs iſt der gangbarſte und<lb/> nächſte zu unſerm Herzen.</quote> </cit><lb/> <p> <hi rendition="#et">Schiller (Ueber das gegenwärtige<lb/> Deutſche Theater).</hi> </p><lb/> <p>* Man hat geſagt, es gebe keinen beſſeren Empſehlungs-<lb/> brief als eine ſchöne Sprache, dieſe Schönheit ſei wichtiger als<lb/> die des Geſichts, durch ein angenehmes Organ und eine gute<lb/> Ausſprache finde man am ſicherſten den Weg zum Herzen.<lb/> Darin liegt etwas Wahres, die Stimme iſt der Menſch — erſt<lb/> wenn wir ſie vernommen haben, glauben wir ihn zu kennen<lb/> und ſagen wohl zu einem Fremden: Sprich, damit ich dich<lb/> ſehe! — Aber man kann noch weiter gehen und die geſprochene<lb/> Sprache überhaupt, auch die minder ſchöne, als das eigentliche<lb/> Mittel der Verſtändigung bezeichnen, mit welchem man den<lb/> Weg zum Herzen, das heißt zum Intellect des Andern findet.<lb/> Wenn wir darüber nachdenken, warum die Sprache ohne Worte,<lb/> an ſich ebenſo natürlich und ebenſo bildungsfähig wie die<lb/> Zunge, bei normalen Individuen hinter der Lautſprache zurück-<lb/> geblieben iſt und im gewöhnlichen Leben die mündliche Nede<lb/> nur begleitet und ergänzt, wie ein Mimus den Dialog: ſo<lb/> kommen wir zu dem Schluſſe, daß die Lautſprache gewiſſe an-<lb/> geborene und unübertragbare Vorzüge beſitzt, die den mittheil-<lb/> ſamen Urahn zu ihr in erſter Linie greifen ließen.</p><lb/> <p>Sprache iſt Mittheilung von Gedanken, niemals etwas<lb/> Anderes und niemals bloßes Denken. Zum Heirathen gehören<lb/> Zwei; zum Sprechen gehören auch Zwei, mindeſtens Zwei,<lb/> denn Niemand ſpricht für ſich ſelbſt; Monologe gibt es nicht,<lb/> das klingt paradox, aber man ſieht leicht, daß die Selbſt-<lb/> geſpräche in einem Drama, ſofern dieſelben überhaupt genügend<lb/> motivirt und nicht bloße Behelſe des Dichters ſind, auf der<lb/> Einbildungskraft des Redenden beruhen, der wie im Traume<lb/> Mittheilungen an ſich ſelbſt macht. Der Tell könnte ſeinen<lb/> trefflichen Monolog nicht halten, wenn er ſich nicht wie einen<lb/> Doppelgänger ſelber ſähe, wenn er ſich nicht gleichſam ſelber<lb/><cb/> zuredete wie Odyſſeus, der ſein eigenes Herz beſchwichtigt und<lb/> es zum Ausbalten ermahnt. Und noch etwas gehört zum<lb/> Sprechen — Urtheilsfähigkeit, womit nicht geſagt ſein ſoll, daß<lb/> alles Geſprochene geſcheidt ſei; aber wer ſpricht, thut das regel-<lb/> mäßig in Form von Urtheilen oder Sätzen, einzelne Worte<lb/> ſind noch keine Sprache. Das klingt wieder paradox, aber<lb/> man wird mir abermals zugeben, daß, wo einzelne Worte hin-<lb/> geworfen werden, falls es nicht Interjectionen oder ſchlecht<lb/> und recht verkappte Sätze ſind, eine logiſche Ergänzung der-<lb/> ſelben im Sinne deſſen liegt, der ſie braucht, und daß auch<lb/> die Imperative, die man am erſten anführen könnte, in kurzer<lb/> Form eine Thatſache und einen Satz, nämlich eine Willens-<lb/> äußerung enthalten. Alles Sprechen hat, wie geſagt, gar kei-<lb/> nen andern Zweck, als den, Iemand zu unterrichten, ein Unter-<lb/> richt aber, der nichts lehrte, iſt ein Unding. Umgekehrt muß<lb/> ſich auch Cicero’s längſte Periode, in die ein Dutzend Neben-<lb/> ſätze kunſtreich eingeſchachtelt ſind, dem Sinne nach auf einen<lb/> einfachen Gedanken zurückführen laſſen, der nur der Umſtänd-<lb/> lichkeit, will ſagen der Armuth des Ausdrucks wegen nicht<lb/> lürzer gegeben werden kann. Die Sprache bewegt ſich alſo ihr<lb/> Lebtag in Sätzen, ſie beſteht gleichſam auf Wahrheit, ſie gleicht<lb/> einem Prediger, der ſeiner Gemeinde das Evangelium zu Ge-<lb/> müthe führt, ſie kommt überall heraus, wo zu Nutz und From-<lb/> men eines Ungelehrten ein Satz realiſirt wird. Die Nealiſirung<lb/> kann ohne Worte, durch Zeichen, Geberden und Schrift erfol-<lb/> gen, ſie erfolgt aber gemeiniglich in Worten; das Leben der<lb/> Sprache verläuft ganz vorzugsweiſe in der Hervorbringung und<lb/> Ausbildung von Lauten und Lautcomplexen. Wie kommt das?<lb/> Die Frage iſt nicht einſach.</p><lb/> <p>Man kann durchaus nicht ſagen, daß uns die Laute an-<lb/> geboren und deßhalb natürlicher ſeien als plaſtiſche<lb/> Geberden, denn dieſe ſind uns gleichfalls angeboren. Die<lb/> Bahnen, die ſich für die Reflexerſcheinungen herausgebildet<lb/> haben und auf denen die Gemüthsbewegung ſich zu entladen<lb/> ſtrebt, gehen über alle Muskeln, nicht bloß über die, welche<lb/> die Athmung und damit die Stimme reguliren. Wir ballen<lb/> die Fauſt, ſtampfen mit dem Fuße, runzeln die Stirne, fletſchen<lb/> die Zähne, ſchütteln den Kopf genau ſo leicht und ſo freiwillig,<lb/> wie wir ſchreien oder brüllen, ſeufzen oder ſtöhnen, lachen und<lb/> weinen; meiſt verbinden wir ſogar das Eine mit dem Andern,<lb/><cb/> und es iſt gar nicht auszumachen, was etwa urſprünglicher<lb/> ſei, das Schreien oder das Händeballen. Es dürfte ſich viel-<lb/> leicht herausſtellen, daß die Muskelanſtrengung beim Stimm-<lb/> organ geringer, daß der Kehlkopf dem Affecte näher und be-<lb/> quemer gelegen ſei, daß er, ſozuſagen, leichter losgehe, als der<lb/> Reſt des Organismus und wie die Saiten einer Aeolsharſe<lb/> beim leifeſten Luftzug in Schwingungen gerathe. Das feſtzu-<lb/> ſtellen, muß der Phyſiologie überlaſſen bleiben, wir können nur<lb/> conſtatiren, daß der Ausdruck der Gemüthsbewegungen, den<lb/> Darwin bei Menſchen und Thieren ſo genau ſtudirt hat, weder<lb/> einſeitig in Lauten, noch einſeitig in ſichtbaren Muskelzuſam-<lb/> menziehungen erfolgt.</p><lb/> <p>Dagegen ſcheinen allerdings die Laute etwas vor den Ge-<lb/> berden vorauszuhaben: ſie werden leichter als dieſe aufgefaßt<lb/> und verſtanden, indem, wie aus Experimenten hervorgeht, unſre<lb/> Seele ſchneller hört als ſieht. Wie einzelne Augen nicht<lb/> ſchlechter, aber langſamer als andere ſehen, daher alle Beobachter<lb/> die ſogenannte perſönliche Gleichung nöthig haben: ſo ſehen alle<lb/> Menſchen etwas langſamer, als ſie hören, davon hat man ſich<lb/> durch ſinnreiche Verſuche überzeugt, wo man beide Sinne in<lb/> Concurrenz mit einander brachte. Man nennt den Zeitraum<lb/> zwiſchen dem Augenblick, in welchem ein Reiz auf einen Empfin-<lb/> dungsnerv ausgeübt wird, und demjenigen, in welchem die da-<lb/> durch verurſachte Reactionsbewegung eintritt, die phyſiologiſche<lb/> Zeit; ſie beträgt für optiſche Reize ⅕ Secunde, für Gehör- und<lb/> Taſtreize nur <formula notation="TeX">\frac{4}{7}</formula> Secunde. In einem finſteren Zimmer hängt<lb/> an der Wand eine Tafel, worin feine Drahtſtiſtchen mit ihren<lb/> Spitzen die Buchſtaben <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">U</hi> darſtellen; vermittelſt einer<lb/> beſonderen Vorrichtung kann man durch die Spitzen der Draht-<lb/> ſtiſte einen elektriſchen Funken laufen und ſo beliebig <hi rendition="#aq">A</hi> oder <hi rendition="#aq">U</hi><lb/> aufleuchten laſſen. Daneben gibt es noch einen Regiſtrirapparat,<lb/> an dem ein Papierſtreifen durch ein Uhrwerk mit gleichförmiger<lb/> Geſchwindigkeit fortbewegt wird; gegen dieſen ſich abrollenden<lb/> Papierſtreifen drückt ein Stift, ſobald man durch Berührung<lb/> einer Taſte einen zum zweiten Apparat gehörigen galvaniſchen<lb/> Strom ſchließt. Der Beobachter legt nun den Finger an die<lb/> Taſte und ſoll dieſelbe niederdrücken, ſobald er den Buchſtaben<lb/><hi rendition="#aq">A</hi> oder den Buchſtaben <hi rendition="#aq">U</hi> aufleuchten ſieht, dann macht der<lb/> Stift auf dem Papierſtreifen einen Punkt; dasſelbe ſoll er<lb/> thun, wenn er <hi rendition="#aq">A</hi> oder <hi rendition="#aq">U</hi> im Zimmer ſagen hört. Auf dieſe</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0001]
Allgemeine Zeitung.Nr. 336. — 92. Jahrgang. Morgenblatt. München, Donnerſtag, 4. December 1890.
Abonnementspreis
in München b. d. Ex-
pedition oder den im
Stadtbezirk errichte-
ten Depots abgeholt
monatl. M. 2. —, bei
2malig. Zuſtellung ins
Haus M. 2.50; durch
d. Poſt bejogen: vier-
teljährlich f. Dentſchl.
u. Oeſterreich M. 9.—,
für d. Ausl. mit ent-
ſprechendem Zuſchlag.
Direkter Bezug
unter Streifband für
Deutſchland
à. Oeſterreich monatl.
M. 4. —, Ausland
M. 5. 60.
Inſertionspreis
v. Colonelzeile 25 Pf.;
finanzielle Anzeigen
35 Pf.; Lokalanzeigen
20 Pf.; kleine Anzei-
gen i. gewöhnl. Schrift
3 Pf., in fetter Schrift
5 Pf. für das Wort.
Redaktion u. Expedi-
tion befinden ſich
Schwanthalerſtr. 73
in München.
Berichte find an die
Redaktion, Inſerat-
aufträge an die Ex-
pedktion franko einzu-
ſenden.
Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle. 30 Lime Str. London: für Frankreich,
Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klinckſieck in Paris; für Italien H. Loeſcher und Frat.
Bocca in Turin, Florenz und Rom, U. Hoepli in Mailand; für den Orient das kaiſerlich königliche Poſt-
amt in Wien oder Trieſt: für Nordamerika F. W. Chriſtern. E Steiger u. Co., Guſt. E. Stechert,
Weſtermann u. Co., International Publiſhing Agency, 710 Broadway, in New York.
Verantwortlicher Redakteur: Hugo Jacobi in München.
[Abbildung]
Inſeratenannahme in München b. d. Expedition, Schwanthalerſtraße 73, ſerner in Berlin, Hamburg, Breslan, Köln,
Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg, Wien, Paris, London, Zürich, Baſel ꝛc. b. d Annoncenbureaux G. L. Daube
u. Co., Haaſenſtein u. Vogler u. R. Moſſe. In den Filialen der Zeitungsbureaur Invalidendank zu Berlin,
Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in: Berlin bei B. Arndt (Mohrenſtr. 26) und S. Kornik (Krauſenſtr. 12),
Hamburg bei W. Wilckens u. Ad. Steiner, New York bei der Intern. Publiſhing Agency, 710 Broadway.
Druck und Verlag der J. G. Cotta’ ſchen Buchhandlung Rachfolger in Stuttgart und München.
Inhalts-Ueberſicht.
Die Entwicklung der deutſchen Colonialpolitik.
Deutſches Reich. * Berlin: Reichstag.  Präſident v. Heppe.
Dombauplan. Nachlaß von Stempelabgaben. * Bundesrath.
Arbeiterwohnhänſer. Armeeſattel. Vom Hofe. Frhr. v. Schor-
lemer-Alſt.
Italien. * Rom: Thronrede. Senatorenernennung.
Serbien. ## Belgrad: Aus der Skupſchtina.
Feuilleton: Der Weg zum Herzen. Von Rudolf Kleinpaul.
Bayeriſche Chronik. — Weitere telegraphiſche Nachrichten.
Hiezu: Zweites und drittes Morgeublatt.
München, 3. December.
Die Entwicklung der deutſchen Colonialpolitik.
St. Es iſt vor kurzem darauf hingewieſen worden (vergl.
den Artikel „Colonialamt und Colonialrath“ in Nummer
315 der Allg. Ztg. vom 13. November), daß die Schaffung
eines Colonialamtes und Colonialrathes einen Wendepunkt in
der Behandlung der deutſchen Colonialangelegenheiten bedeute.
Die Periode der Erwerbung von Schutzgebieten durch Occupa-
tion und Abſchluß internationaler Abmachungen iſt einſtweilen als
beendigt zu betrachten. Jetzt handelt es ſich darum, die deutſchen
Schutzgebiete zu organiſiren und durch zielbewußte coloniſa-
toriſche Thätigkeit erſt in eine feſte und innige politiſche und
wirthſchaftliche Verbindung mit Deutſchland zu bringen. Dieſe
ſchwierige Aufgabe zu erfüllen, iſt in erſter Linie Sache
des Colonialamtes in Verbindung mit dem neu geſchaffenen
Colonialrath.
Daß aber auch noch nach einer anderen Richtung eine
entſcheidende Wendung in der deutſchen Colonialpolitik und
damit ein Aufgeben des urſprünglichen colonialen Programms
der Neichsregierung eingetreten iſt, ergibt ſich recht deutlich aus
dem kürzlich zwiſchen der Neichsregierung und der Deutſch-Oſt-
afrikaniſchen Geſellſchaft abgeſchloſſenen Vertrage, deſſen Inhalt
vor allem darin beſteht, daß die Geſellſchaft auf die Aus-
übung der ihr durch den kaiſerlichen Schutzbrief vom 27. Fe-
bruar 1885 verliehenen Hoheitsrechte zu Gunſten des Neiches
verzichtet hat.
Es iſt bekannt, daß das coloniale Programm, das der
Reichskanzler Fürſt Bismarck wiederholt ſowohl im Reichstage
wie auch in verſchiedenen an die Vertreter des Reiches im
Auslande gerichteten Schreiben und namentlich auch in der
im Mai 1885 dem als Reichscommiſſar nach Weſtafrika ge-
ſendeten Generalconſul Dr. Nachtigal mitgegebenen Inſtruc-
tion entwickelte und mit Entſchiedenheit betonte, ein ſehr eng
begrenztes war. Wie die Erwerbung der Colonien von Anfang
an privater Initiative anheim gegeben war, ſo ſollte auch die
Regierung und Verwaltung der Schutzgebiete Colonialgeſell-
ſchaften überlaſſen bleiben, die ſich aus den in den einzelnen
Colonien berheiligten Capitaliſten und Handlungshäuſern bil-
den und auf Grund ertheilter kaiſerlicher Schutzbrieſe unter
der Oberhobeit und Aufſicht des Reiches in ihren Gebieten
nach dem Vorbilde der engliſch – oſtindiſchen und der hollän-
diſch-oſtindiſchen Handelscompagnien Hoheitsrechte ausüben
ſollten. Nur auf den Verwaltungsgebieten, die man, wie z. B.
die auswärtigen Beziehungen, Colonialgeſellſchaften nicht über-
laſſen konnte, ſollte der „Schutz des Reiches“ unmittelbar ein-
treten. Bei dem Umſtande, daß die colonialen Beſtrebungen
nicht in allen Kreiſen der Bevölkerung die gewünſchte Unter-
ſtützung fanden und daß die Colonialpolitik der Reichsregie-
rung namentlich im Reichstage ſelbſt bei verſchiedenen Parteien
ſtarkem Widerſtand begegnete, war das vorſichtige, faſt ſchüch-
tern zu nennende Vorgehen der Reichsregierung begreiflich.
Bald aber zeigte ſich, daß eine Colonialpolitik, bei der das
Reich ſeine Mittel nicht einſetzen und ſeine Kraft nicht auf-
wenden, ſchließlich aber doch die Vortheile der Colonien ein-
heimſen wollte, nicht durchführbar war. Die Zeiten, in denen
Handelscompagnien große Colonialreiche erwerben und regieren
konnten, ſind vorüber. Es beweist dies ſchon die Thatſache, daß die
beiden mächtigſten dieſer Geſellſchaften, die engliſch-oſtindiſche
und die holländiſch-oſtindiſche, in dieſem Jahrhundert aufge-
hoben wurden, ihre Gebiete aber in unmittelbaren Beſitz des
Mutterlandes übergingen. Wenn auch gegenwärtig noch in
England Colonialgeſellſchaſten mit Schutzbriefen (charters)
ausgeſtattet werden, ſo haben doch dieſe Geſellſchaften nur die
Bedeutung, der ſpäteren endgültigen Beſitzergreifung durch die
Regierung des Mutterlandes vorzuarbeiten. Sie ſind ge-
wiſſermaßen Fühlhörner, die vom Mutterlande ausgeſtreckt
werden in Gebiete, in denen es der Regierung noch nicht
angezeigt erſcheint, ſelbſt zuzugreifen.
In Kamerun und Togo konnte denn auch das Pro-
gramm der Reichsregierung überhaupt nicht zur Durchführung
gelangen, weil die dort betheiligten Handelshäuſer ſich von
Anfang an weigerten, eine mit Ausübung von Hoheitsrechten
zu betrauende Colonialgeſellſchaft zu bilden, indem ſie ſich auf
den Standpunkt ſtellten, die Verwaltung der Schutzgebiete ſei
Sache der Reichsregierung.
Nicht viel beſſer lag die Sache in Südweſtafrika. Zwar
bildete ſich die deutſche Colonialgeſellſchaft für Südweſtafrika,
zur Uebertragung der Landeshoheit an dieſe Geſellſchaft kam
es aber nicht und konnte es ſchon um deßwillen nicht kommen,
weil die Geſellſchaft es zu einer günſtigen wirthſchaftlichen
Entwicklung nicht brachte und daher ſchon ſinanziell gar nicht
in der Lage war, die Berwaltung der Schutzgebiete zu über-
nehmen.
In Oſtafrika und Neu-Guinea ſchien ſich die Sache
im Sinne der Negierung günſtiger anzulaſſen, denn für beide
Schutzgebiete bildeten ſich Colonialgeſellſchaften, denen durch
Schutzbriefe vom 27. Februar 1885 und 17. Mai 1885 die
Landeshoheit in den betreffenden Schutzgebieten zur Ausübung
übertragen wurde. Die Neu-Guinea-Compagnie ging auch
daran, die Landesverwaltung, ſoweit dies bei den unentwickelten
Verhältniſſen ihres Gebietes möglich war, einzurichten und zu
führen. Im Mai v. J. ſah ſie ſich jedoch veranlaßt, mit der
Reichsregierung ein Abkommen zu treffen dahin, daß vom
1. October 1889 an die Reichsregierung zunächſt auf zwei
Jahre die Landesverwaltung einſchließlich der Nechtspflege und
der Einziehung der auf der Landeshoheit beruhenden Steuern,
Zölle und Abgaben übernahm, während die Koſten der Ver-
waltung nach wie vor der Neu-Guinea-Compagnie zur Laſt
blieben. In der Vegründung des auf dieſes Abkommen ſich
beziehenden Nachtragetats an den Bundesrath war bemerkt, die
Regierung habe geglaubt, dem Wunſche der Neu-Guinea-
Compagnie auf Uebernahme der Verwaltung entſprechen zu
ſollen, „da eine lediglich durch Beamte der Geſellſchaft geleitete
Verwaltung und Rechtspflege nicht dasjenige Vertrauen und
Anſehen genießen kann, wie eine Verwaltung und Rechtspflege
durch das Reich, außerdem auch die Geſellſchaft durch die Aus-
übung der Landeshoheit in der Erfüllung ihrer wirthſchaftlichen
Aufgaben beeinträchtigt wird“. Es iſt damit ofſiciell zugegeben
worden, daß der Verſuch, die Schutzgebiete durch Colonial-
geſellſchaften regieren zu laſſen, als mißglückt betrachtet
werden muß.
Zu erwähnen iſt dabei, daß der Neu-Guinea-Compagnie
das Recht eingeräumt wurde, beim Erlaſſe von Geſetzen und
Verordnungen für ihr Gebiet gehört zu werden, und daß
ſelbſtverſtändlicherweiſe das im Schutzbriefe vom 17. Mai 1885
der Compagnie eingeräumte Grunderwerbsmonopol durch den
Verzicht auf die Ausübung der Landeshoheit nicht berührt
wurde.
Was die Oſtafrikaniſche Geſellſchaft anbelangt, ſo mußte
ſich dieſelbe zunächſt darauf beſchränken, in ihrem Gebiete eine
Anzahl von Stationen anzulegen, die ſowohl als Stützpunkte
für die wirthſchaftliche Entwicklung des Landes dienen, wie
auch als Grundlage für die künftige Verwaltungsorganiſation
gebraucht werden konnten. Den weiteren Ausbau dieſes
Syſtems von Stationen und die Inangriffnahme der Ein-
richtung der Landesverwaltung hat bekanntlich der im Herbſte
1888 ausgebrochene Aufſtand verhindert. Nachdem der Auf-
ſtand niedergeſchlagen, trat die Frage auf, wie die
politiſche Verwaltung in Oſtafrika eingerichtet werden und
namentlich ob der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft die Aus-
übung der Landeshoheit überlaſſen bleiben ſolle. Die
Antwort fiel, wie der Eingangs erwähnte Vertrag der
Neichsregierung mit der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft ergibt,
verneinend aus. Der weſentliche Inhalt dieſes Vertrages 1) iſt
nämlich folgender: 1) Die Deutſch-Oſtafrikaniſche Geſellſchaft
verpflichtet ſich, bis zum 28. December 1890 die Summe von
4 Millionen Mark aufzubringen, welche beſtimmt iſt, den Sultan
von Sanſibar gemäß dem deutſch-engliſchen Uebereinkommen
vom 1. Juli 1890 für die Abtretung des Küſtengebietes zu
entſchädigen. 2) Die Reichsregierung übernimmt die Ver-
waltung des Küſtengebietes und deſſen Zubehörungen, der
Inſel Mafia, ſowie des übrigen Schutzgebietes. Sie be-
zieht die Zolleinnahmen, ſowie die etwa zur Erhebung ge-
langenden Steuern und ſonſtigen öffentlichen Gefälle. Dagegen
verpflichtet ſich die Negierung, zum Zwecke der Verzinſung und
Amortiſation der von der Geſellſchaft zur Beſtreitung der oben
erwähnten 4 Millionen und ſonſtigen Ausgaben aufzunehmen-
den Anleihe von 10,556,000 Mark die vereinnahmten Brutto-
zollerträge der Ein- und Ausfuhr in das Küſtengebiet, bezw.
Feuilleton.
(Nachdruck verboten.)
Der Weg zum Herzen.
Von Rudolf Kleinpaul.
Der Weg des Ohrs iſt der gangbarſte und
nächſte zu unſerm Herzen.
Schiller (Ueber das gegenwärtige
Deutſche Theater).
* Man hat geſagt, es gebe keinen beſſeren Empſehlungs-
brief als eine ſchöne Sprache, dieſe Schönheit ſei wichtiger als
die des Geſichts, durch ein angenehmes Organ und eine gute
Ausſprache finde man am ſicherſten den Weg zum Herzen.
Darin liegt etwas Wahres, die Stimme iſt der Menſch — erſt
wenn wir ſie vernommen haben, glauben wir ihn zu kennen
und ſagen wohl zu einem Fremden: Sprich, damit ich dich
ſehe! — Aber man kann noch weiter gehen und die geſprochene
Sprache überhaupt, auch die minder ſchöne, als das eigentliche
Mittel der Verſtändigung bezeichnen, mit welchem man den
Weg zum Herzen, das heißt zum Intellect des Andern findet.
Wenn wir darüber nachdenken, warum die Sprache ohne Worte,
an ſich ebenſo natürlich und ebenſo bildungsfähig wie die
Zunge, bei normalen Individuen hinter der Lautſprache zurück-
geblieben iſt und im gewöhnlichen Leben die mündliche Nede
nur begleitet und ergänzt, wie ein Mimus den Dialog: ſo
kommen wir zu dem Schluſſe, daß die Lautſprache gewiſſe an-
geborene und unübertragbare Vorzüge beſitzt, die den mittheil-
ſamen Urahn zu ihr in erſter Linie greifen ließen.
Sprache iſt Mittheilung von Gedanken, niemals etwas
Anderes und niemals bloßes Denken. Zum Heirathen gehören
Zwei; zum Sprechen gehören auch Zwei, mindeſtens Zwei,
denn Niemand ſpricht für ſich ſelbſt; Monologe gibt es nicht,
das klingt paradox, aber man ſieht leicht, daß die Selbſt-
geſpräche in einem Drama, ſofern dieſelben überhaupt genügend
motivirt und nicht bloße Behelſe des Dichters ſind, auf der
Einbildungskraft des Redenden beruhen, der wie im Traume
Mittheilungen an ſich ſelbſt macht. Der Tell könnte ſeinen
trefflichen Monolog nicht halten, wenn er ſich nicht wie einen
Doppelgänger ſelber ſähe, wenn er ſich nicht gleichſam ſelber
zuredete wie Odyſſeus, der ſein eigenes Herz beſchwichtigt und
es zum Ausbalten ermahnt. Und noch etwas gehört zum
Sprechen — Urtheilsfähigkeit, womit nicht geſagt ſein ſoll, daß
alles Geſprochene geſcheidt ſei; aber wer ſpricht, thut das regel-
mäßig in Form von Urtheilen oder Sätzen, einzelne Worte
ſind noch keine Sprache. Das klingt wieder paradox, aber
man wird mir abermals zugeben, daß, wo einzelne Worte hin-
geworfen werden, falls es nicht Interjectionen oder ſchlecht
und recht verkappte Sätze ſind, eine logiſche Ergänzung der-
ſelben im Sinne deſſen liegt, der ſie braucht, und daß auch
die Imperative, die man am erſten anführen könnte, in kurzer
Form eine Thatſache und einen Satz, nämlich eine Willens-
äußerung enthalten. Alles Sprechen hat, wie geſagt, gar kei-
nen andern Zweck, als den, Iemand zu unterrichten, ein Unter-
richt aber, der nichts lehrte, iſt ein Unding. Umgekehrt muß
ſich auch Cicero’s längſte Periode, in die ein Dutzend Neben-
ſätze kunſtreich eingeſchachtelt ſind, dem Sinne nach auf einen
einfachen Gedanken zurückführen laſſen, der nur der Umſtänd-
lichkeit, will ſagen der Armuth des Ausdrucks wegen nicht
lürzer gegeben werden kann. Die Sprache bewegt ſich alſo ihr
Lebtag in Sätzen, ſie beſteht gleichſam auf Wahrheit, ſie gleicht
einem Prediger, der ſeiner Gemeinde das Evangelium zu Ge-
müthe führt, ſie kommt überall heraus, wo zu Nutz und From-
men eines Ungelehrten ein Satz realiſirt wird. Die Nealiſirung
kann ohne Worte, durch Zeichen, Geberden und Schrift erfol-
gen, ſie erfolgt aber gemeiniglich in Worten; das Leben der
Sprache verläuft ganz vorzugsweiſe in der Hervorbringung und
Ausbildung von Lauten und Lautcomplexen. Wie kommt das?
Die Frage iſt nicht einſach.
Man kann durchaus nicht ſagen, daß uns die Laute an-
geboren und deßhalb natürlicher ſeien als plaſtiſche
Geberden, denn dieſe ſind uns gleichfalls angeboren. Die
Bahnen, die ſich für die Reflexerſcheinungen herausgebildet
haben und auf denen die Gemüthsbewegung ſich zu entladen
ſtrebt, gehen über alle Muskeln, nicht bloß über die, welche
die Athmung und damit die Stimme reguliren. Wir ballen
die Fauſt, ſtampfen mit dem Fuße, runzeln die Stirne, fletſchen
die Zähne, ſchütteln den Kopf genau ſo leicht und ſo freiwillig,
wie wir ſchreien oder brüllen, ſeufzen oder ſtöhnen, lachen und
weinen; meiſt verbinden wir ſogar das Eine mit dem Andern,
und es iſt gar nicht auszumachen, was etwa urſprünglicher
ſei, das Schreien oder das Händeballen. Es dürfte ſich viel-
leicht herausſtellen, daß die Muskelanſtrengung beim Stimm-
organ geringer, daß der Kehlkopf dem Affecte näher und be-
quemer gelegen ſei, daß er, ſozuſagen, leichter losgehe, als der
Reſt des Organismus und wie die Saiten einer Aeolsharſe
beim leifeſten Luftzug in Schwingungen gerathe. Das feſtzu-
ſtellen, muß der Phyſiologie überlaſſen bleiben, wir können nur
conſtatiren, daß der Ausdruck der Gemüthsbewegungen, den
Darwin bei Menſchen und Thieren ſo genau ſtudirt hat, weder
einſeitig in Lauten, noch einſeitig in ſichtbaren Muskelzuſam-
menziehungen erfolgt.
Dagegen ſcheinen allerdings die Laute etwas vor den Ge-
berden vorauszuhaben: ſie werden leichter als dieſe aufgefaßt
und verſtanden, indem, wie aus Experimenten hervorgeht, unſre
Seele ſchneller hört als ſieht. Wie einzelne Augen nicht
ſchlechter, aber langſamer als andere ſehen, daher alle Beobachter
die ſogenannte perſönliche Gleichung nöthig haben: ſo ſehen alle
Menſchen etwas langſamer, als ſie hören, davon hat man ſich
durch ſinnreiche Verſuche überzeugt, wo man beide Sinne in
Concurrenz mit einander brachte. Man nennt den Zeitraum
zwiſchen dem Augenblick, in welchem ein Reiz auf einen Empfin-
dungsnerv ausgeübt wird, und demjenigen, in welchem die da-
durch verurſachte Reactionsbewegung eintritt, die phyſiologiſche
Zeit; ſie beträgt für optiſche Reize ⅕ Secunde, für Gehör- und
Taſtreize nur [FORMEL] Secunde. In einem finſteren Zimmer hängt
an der Wand eine Tafel, worin feine Drahtſtiſtchen mit ihren
Spitzen die Buchſtaben A und U darſtellen; vermittelſt einer
beſonderen Vorrichtung kann man durch die Spitzen der Draht-
ſtiſte einen elektriſchen Funken laufen und ſo beliebig A oder U
aufleuchten laſſen. Daneben gibt es noch einen Regiſtrirapparat,
an dem ein Papierſtreifen durch ein Uhrwerk mit gleichförmiger
Geſchwindigkeit fortbewegt wird; gegen dieſen ſich abrollenden
Papierſtreifen drückt ein Stift, ſobald man durch Berührung
einer Taſte einen zum zweiten Apparat gehörigen galvaniſchen
Strom ſchließt. Der Beobachter legt nun den Finger an die
Taſte und ſoll dieſelbe niederdrücken, ſobald er den Buchſtaben
A oder den Buchſtaben U aufleuchten ſieht, dann macht der
Stift auf dem Papierſtreifen einen Punkt; dasſelbe ſoll er
thun, wenn er A oder U im Zimmer ſagen hört. Auf dieſe
1) §. 1 des Vertrages lautet: „Die kaiſerliche Regierung
beabſichtigt den Abſchluß eines Staatsvertrages, durch
welchen die Hoheitsrechte über das der deutſchen Intereſſenſphäre in
Oſtafrika vorgelagerte Küſtengebiet ſammt deſſen Zubehörungen und der
Inſel Mafia gegen Entſchädigung Sr. Hoheit des Sultans von Sanſibar
an Se. Majeſtät den Deutſchen Kaiſer abgeireten werden ſollen.
Das gegenwärtige Uebereinkommen tritt nur unter der Vorausſetzung
in Rechtswirkung, daß der vorgedachte Vertrag ſpäteſtens am
1. December 1890 zum Abſchluß gelangt iſt und daß in dieſem Ber-
trage der Uebergang der Hoheitsrechte von Seiten des Sultans von
Sanſibar auf keinen ſpäteren Zeitpunkt, als den 1. Januar
1891, feſtgeſetzt wird.“
— Der Abſchluß dieſes Reichsvertrages mit dem
Sultan von Sanſibar iſt bis jetzt noch nicht gemeldet. D. R.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |