Allgemeine Zeitung, Nr. 336, 4. Dezember 1890.München, Donnerstag Allgemeine Zeitung 4. December 1890. Morgenblatt Nr. 336. [Spaltenumbruch]
München, 3. December. aus demselben, den Jahresbetrag von 600,000 Mark zu be- Durch den kaiserlichen Schutzbrief vom 27. Februar 1885 Die den Gesellschaften verliehenen Hoheitsrechte hätten Nachdem nunmehr die beiden hier in Frage stehenden Ge- Von den den Gesellschaften verbliebenen Rechten liegt Von den beiden anderen hier noch in Betracht kommen- Daß die mehrerwähnten Colonialgesellschaften auf die ihnen Durch den Verzicht auf die ihnen verliehenen Hoheitsrechte Sonach ist durch die neueste Entwicklung unsrer Colonial- Deutsches Reich. * Berlin, 3. Dec. Tel. Der Reichstag wählte in [] Berlin, 2. Dec. Die von der "Freis. Ztg." mehrfach * Berlin, 2. Dec. Die Ausschüsse des Bundes- In dem Etat der Marineverwaltung für 1891/92 Die Artilleriewerkstatt in Spandau hat vom Kriegs- Der Kaiser sah am gestrigen Nachmittag den Neichslamzler Nach dem "Hess. Volksbl." wäre im Januar der Besuch des Nach der "Germania" ist die Mandatniederkegung des Hrn. Italien. * Nach einer der "Pol. Corr." aus Rom zugehenden Mel- Serbien. ## Belgrad, 30. Nov. Die Adreßdebatte, welche Weise entstehen also zwei Beobachtungspunkte, aber es ergibt Durch Einwirkung des Lichtreizes auf die Netzhaut ent- Und die Geschwindigkeit des Lichtes? In einer Fünftel- Als das verborgene Leben der Körper, ihren Herzschlag, München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 4. December 1890. Morgenblatt Nr. 336. [Spaltenumbruch]
München, 3. December. aus demſelben, den Jahresbetrag von 600,000 Mark zu be- Durch den kaiſerlichen Schutzbrief vom 27. Februar 1885 Die den Geſellſchaften verliehenen Hoheitsrechte hätten Nachdem nunmehr die beiden hier in Frage ſtehenden Ge- Von den den Geſellſchaften verbliebenen Rechten liegt Von den beiden anderen hier noch in Betracht kommen- Daß die mehrerwähnten Colonialgeſellſchaften auf die ihnen Durch den Verzicht auf die ihnen verliehenen Hoheitsrechte Sonach iſt durch die neueſte Entwicklung unſrer Colonial- Deutſches Reich. * Berlin, 3. Dec. Tel. Der Reichstag wählte in [] Berlin, 2. Dec. Die von der „Freiſ. Ztg.“ mehrfach * Berlin, 2. Dec. Die Ausſchüſſe des Bundes- In dem Etat der Marineverwaltung für 1891/92 Die Artilleriewerkſtatt in Spandau hat vom Kriegs- Der Kaiſer ſah am geſtrigen Nachmittag den Neichslamzler Nach dem „Heſſ. Volksbl.“ wäre im Januar der Beſuch des Nach der „Germania“ iſt die Mandatniederkegung des Hrn. Italien. * Nach einer der „Pol. Corr.“ aus Rom zugehenden Mel- Serbien. ## Belgrad, 30. Nov. Die Adreßdebatte, welche Weiſe entſtehen alſo zwei Beobachtungspunkte, aber es ergibt Durch Einwirkung des Lichtreizes auf die Netzhaut ent- Und die Geſchwindigkeit des Lichtes? In einer Fünftel- Als das verborgene Leben der Körper, ihren Herzſchlag, <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 4. December 1890. Morgenblatt Nr. 336.</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">München,</hi> 3. December.</head> <div xml:id="a01b" prev="#a01a" type="jComment" n="3"> <p>aus demſelben, den Jahresbetrag von 600,000 Mark zu be-<lb/> zahlen. 3) die Regierung tritt der Geſellſchaft für das Küſten-<lb/> gebiet, deſſen Zubehörungen, die Inſel Mafia und das im<lb/> Schutzbriefe vom 27. Februar 1885 erwähnte Gebiet das aus-<lb/> ſchließliche Recht auf den Eigenthumserwerb durch Occupation<lb/> an herrenloſen Grundſtücken und deren unbeweglichen Zu-<lb/> behörungen, alſo auch an Wäldern, ab mit gewiſſen hier nicht<lb/> weiter in Vetracht kommenden Vorbehalten. 4) Der Geſell-<lb/> ſchaft wird das Recht zur Errichtung einer Bank mit dem<lb/> Privilegium einer Ausgabe von Noten ertheilt. 5) Die Geſell-<lb/> ſchaft verbleibt im Veſitze der ihr zuſtehenden Befugniß,<lb/> Kupfer- und Silbermünzen, welche an den öffentlichen Caſſen<lb/> des Küſtengebietes, deſſen Zubehörungen und der Inſel Mafia,<lb/> ſowie des Gebietes des kaiſerlichen Schutzbriefes vom 27. Febr.<lb/> 1885 in Zahlung genommen werden müſſen, zu prägen und<lb/> auszugeben. 6) Vor dem Erlaß von Geſetzen und Ver-<lb/> ordnungen für das Küſtengebiet u. ſ. w. wird die Regierung<lb/> die Geſellſchaft zur gutachtlichen Aeußerung auffordern, ſofern<lb/> nicht die Dringlichkeit des Falles eine Abweichung von der<lb/> Regel erheiſcht.</p><lb/> <p>Durch den kaiſerlichen Schutzbrief vom 27. Februar 1885<lb/> war der Deutſch-Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft, für ihr bis zu<lb/> dieſem Zeitpunkte erworbenes Gebiet, und durch Schutzbrief<lb/> vom 17. Mai 1885 mit Ergänzung vom 13. December 1886<lb/> war der Neu-Guinea-Compagnie für ihr ganzes Gebiet die<lb/> Ausübung der Landeshoheit mit gewiſſen theils aus der Natur<lb/> der Sache ſich ergebenden, theils durch Reichsgeſetz feſtgeſtellten<lb/> Ausnahmen hinſichtlich der auswärtigen Verwaltung, der<lb/> Militärhoheit und der Gerichtsbarkeit verliehen worden. Die<lb/> beiden Geſellſchaften hatten alſo auf Grund der kaiſerlichen<lb/> Schutzbriefe das Necht, mit den erwähnten Beſchränkungen die<lb/> geſetzgebende und die vollziehende Gewalt in ihren Schutz-<lb/> gebieten Namens des Reiches und unter Auſſicht der Reichs-<lb/> regierung auszuüben.</p><lb/> <p>Die den Geſellſchaften verliehenen Hoheitsrechte hätten<lb/> ihnen unter gewiſſen Vorausſetzungen von Oberauſſichtswegen<lb/> und außerdem ſelbſtverſtändlich durch Reichsgeſetz wieder ent-<lb/> zogen werden können. Die Reichsregierung ſchlug aber aus<lb/> naheliegenden Gründen den Weg ein, die Geſellfchaſten zur<lb/> freiwilligen Verzichtleiſtung auf die ihnen durch die Schutzbriefe<lb/> verliehenen Hoheitsrechte zu bewegen.</p><lb/> <p>Nachdem nunmehr die beiden hier in Frage ſtehenden Ge-<lb/> ſellſchaften auf die Ausübung von Hoheitsrechten in ihren<lb/> Gebieten verzichtet haben, wird die Gefetzgebung, Necht-<lb/> ſprechung und Verwaltung in <hi rendition="#g">allen</hi> deutſchen Schutzgebieten<lb/> von nun an im <hi rendition="#g">Namen des Reichs von kaiſerlichen<lb/> Beamten</hi> ausgeübt und gehandhabt.</p><lb/> <p>Von den den Geſellſchaften verbliebenen Rechten liegt<lb/> allerdings das Recht, vor dem Erlaſſe von Geſetzen und Ver-<lb/> ordnungen gehört zu werden, auf dem Gebiete der Gefetz-<lb/> gebung, dasſelbe iſt aber von keiner ſchwerwiegenden Be-<lb/> deutung. Ebenſo iſt das der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft ein-<lb/> geräumte Recht der Münzprägung als ein der Geſellſchaft<lb/> verlichenes Hoheitsrecht zu betrachten, das freilich in Oſtafrika<lb/> doch eine etwas andere Bedeutung hat, als in Deutſchland.</p><lb/> <p>Von den beiden anderen hier noch in Betracht kommen-<lb/> den Nechten, dem beiden Geſellſchaften verliehenen Grunder-<lb/> werbsmonopol und dem der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft ver-<lb/> liehenen Banknoten-Privilegium, kann keines als ein weſent-<lb/> liches Hoheitsrecht gelten. Die Ueberlaſſung dieſer Rechte an<lb/> die Geſellſchaften unterlag daher nicht dem mindeſten Be-<lb/> denken, im Gegentheil mußte die Ueberlaſſung dieſer Rechte,<lb/> namentlich des Grunderwerbsmonopols, an die Geſellſchaften<lb/> im Intereſſe ihrer wirthſchaftlichen Entwicklung als durchaus<lb/> geboten erſcheinen.</p><lb/> <p>Daß die mehrerwähnten Colonialgeſellſchaften auf die ihnen<lb/> verliehenen Hoheitsrechte verzichtet haben, iſt im Intereſſe der<lb/> Entwicklung der deutſchen Schutzgebiete nur zu begrüßen. Die<lb/> Halbheit und Unſchlüſſigkeit, welche die deutſche Coloniakpolitik<lb/> in den letzten Jahren nicht eben vortheilhaft auszeichnete, iſt<lb/> zum nicht geringen Theil auf die Abneigung des Neichstags,<lb/> zum größeren Theil aber darauf zurückzuführen, daß die Reichs-<lb/> regierung immer noch zu viel von den Colonialgeſellſchaften<lb/> erwartete. So wäre man ſicherlich in Südweſtafrika viel früher<lb/> von Reichswegen energiſch aufgetreten, wenn nicht immer noch<lb/> eine, wenn auch ſchwache, Hoffnung beſtanden hätte, die Süd-<lb/> weſtafrikaniſche Colonialgeſellſchaft werde in die Lage kommen,<lb/> die Verwaktung des Schutzgebietes wenigſtens theilweiſe zu<lb/> übernehmen, in Oſtafrika aber wäre mancher verhängnißvolle<lb/> Fehler vermieden worden, wenn die Reichsregierung von An-<lb/> fang an die Sache ſelbſt in die Hand genommen hätte. Die<lb/> Entwicklung der Dinge in Oſtafrika hat den ſchlagendſten Be-<lb/> weis geliefert, wie bedenklich es iſt, Colonialgeſellſchaften die<lb/> politiſche Regierung und Verwaltung der Colonien zu über-<lb/><cb/> laſſen. Geht die Sache ſchief, ſo muß doch die Regierung des<lb/> Mutterlandes eintreten, und dann natürlich ſtets unter mög-<lb/> lichſt ungünſtigen Verhältniſſen.</p><lb/> <p>Durch den Verzicht auf die ihnen verliehenen Hoheitsrechte<lb/> haben aber auch die Colonialgeſellſchaften gewonnen. Aus<lb/> der Zwitterſtellung von Erwerbsgeſellſchaften einerſeits und<lb/> öffentlichen, mit Hoheitsrechten ausgeſtatteten Corporationen<lb/> andrerſeits erlöst, von der erdrückenden Laſt der öffentlichen<lb/> Verwaltung ihrer Gebiete befreit, können ſie ſich nun mit aller<lb/> Kraft der wirthſchaftlichen Erſchließung und Entwicklung der<lb/> letzteren widmen.</p><lb/> <p>Sonach iſt durch die neueſte Entwicklung unſrer Colonial-<lb/> politik nach allen Nichtungen Klarheit geſchaffen worden. Das<lb/> Reich beſorgt das, was ihm zukommt, die Regierung und Ver-<lb/> waltung der Schutzgebiete, und die Colonialgeſellſchaften ſind<lb/> auf dem wirthſchaftlichen Gebiete thätig, auf dem ſie allein<lb/> eine erfolgreiche Wirkſamkeit entfalten können. Es beſteht auch<lb/> keine Gefahr, daß jemals wieder auf das urſprüngliche eng-<lb/> angelegte Programm, möglichft Alles Colonialgeſellſchaſten zu<lb/> überlaſſen, zurückgegriffen wird, ſchon aus dem einfachen<lb/> Grunde nicht, weil ein derartiges Zurückgreifen nicht mehr<lb/> nothwendig und auch wohl nicht mehr ausführbar iſt.<lb/> Wie hervorgehoben, hatte die Regierung wohl haupt-<lb/> ſächlich deßhalb ein ſo eng begrenztes Programm aufge-<lb/> ſtellt, weil ſie die nöthige Unterſtützung für eine energiſche Colo-<lb/> nialpolitik weder im Reichstage, noch im deutſchen Volke zu<lb/> finden hoffte. Auch jetzt noch gibt es Gegner der activen Colo-<lb/> nialpolitik, aber ſoweit ſind wir doch ſchon, daß ſelbſt die meiſten<lb/> dieſer Gegner mit dem deutſchen Colonialbeſitz als einer unab-<lb/> wendbaren Thatſache rechnen und überzeugt ſind, daß nur das<lb/> Reich ſelbſt die Colonien regieren und verwalten kann.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 3. Dec.</dateline><lb/> <p><hi rendition="#g">Tel.</hi> Der <hi rendition="#g">Reichstag</hi> wählte in<lb/> ſeiner heutigen Sitzung den Abg. <hi rendition="#g">Schneider</hi>-Hamm (nat.-lib.)<lb/> an Stelle des Abg. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Bürklin zum Schriftführer und über-<lb/> wies dann die Ueberſicht über die Ausgaben und Einnahmen<lb/> des Reiches im Etatsjahre 1889/90 der Rechnungscommiſſion.<lb/> Bei Prüfung der Wahl des Abg. v. <hi rendition="#g">Reden</hi> (9. hannoveriſcher<lb/> Wahlkreis Hameln) kritiſirte Abg. <hi rendition="#g">Nickert</hi> die Entſcheidungen<lb/> der Wahlprüfungscommiſſion und beantragte Ausſetzung der<lb/> Abſtimmung über die Gültigkeit der Wahl. Abg. <hi rendition="#g">Auer</hi> be-<lb/> ſchwerte ſich über die Verbote ſocialdemokratiſcher Verſamm-<lb/> lungen und über Wahlbeeinfluſſungen; Abg. <hi rendition="#g">Baumbach</hi><lb/> (Reichspartei) trat für das Recht der Kriegervereine, gegen die<lb/> Socialdemokratie Front zu machen; ein. Schließlich wurde der<lb/> Antrag Rickert angenommen. Die Wahl des Abg. <hi rendition="#g">Schütte</hi><lb/> (3. braunſchweigiſcher Wahlkreis Holzminden – Gandersheim)<lb/> wurde für gültig erklärt, dagegen die des Abg. Frhrn. v. <hi rendition="#g">Münch</hi><lb/> (8. württembergiſcher Wahlkreis Horb-Sulz) beanſtandet und<lb/> die Vornahme von Erhebungen beſchloſſen. Morgen um 2 Uhr<lb/> zweite Leſung der Vorlage über Helgoland und erſte Berathung<lb/> der Patentgeſetznovelle.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><supplied>&#xfffc;</supplied><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 2. Dec.</dateline><lb/> <p>Die von der „Freiſ. Ztg.“ mehrfach<lb/> wiederholte, auch in andere Blätter übergegangene Behauptung,<lb/> daß der Regierungspräſident v. <hi rendition="#g">Heppe</hi> in Danzig wider ſeinen<lb/> Willen, gewiſſermaßen ſtrafweiſe, nach Trier verſetzt werde, iſt, wie<lb/> wir auf Grund beſter Information verſichern können, abgeſehen<lb/> von der Thatſache der Verſetzung ganz und gar unbegründet. Es<lb/> liegt nicht der geringſte Grund vor, der zu einer für Hrn. v. Heppe<lb/> etwa unangenehmen Verſetzung beſtimmen könnte, und die Gründe,<lb/> die ſich ſreiſinnige Blätter dafür zurecht gemacht haben, beruhen<lb/> auf Einbildung. Selbſtverſtändlich hat Hr. v. Heppe von ſeiner<lb/> Verſetzung vor ihrem Vollzuge, der dieſer Tage erfolgt iſt, gewußt<lb/> und es iſt auch richtig, daß Trier im allgemeinen unter den höheren<lb/> Verwaltungsbeamten als ein angenehmerer Poſten gilt als Danzig.<lb/> Vermuthlich iſt die falſche Deutung dadurch unterſtützt worden, daß<lb/> früher irrthümlich gemeldet worden war, der Oberpräſidialrath<lb/> v. <hi rendition="#g">Itzenplitz</hi> in Breslau werde nach Trier kommen, während<lb/> er als Nachfolger des nach Frankfurt a. O. verſetzten Hrn. v. <hi rendition="#g">Putt-<lb/> kamer</hi> zum Regierungspräſidenten in Koblenz ernannt iſt. —<lb/> Die Nachricht von einer Vorlage, welche zum Zwecke des <hi rendition="#g">Dom-<lb/> baues in Berlin</hi> 22 Mill. Mark fordere, iſt bereits als un-<lb/> ſicher und jedenfalls verfrüht bezeichnet worden. Dem Vernehmen<lb/> nach wird die Angelegenheit vorausſichtlich im Zuſammenhange<lb/> mit der Aufſtellung des Etats für 1891/92 behandelt werden und<lb/> nicht in einer beſonderen Borlage, ſondern, wie in den bisherigen<lb/> Vorſtadien, in denen ein für Art und Koſten des geſammten<lb/> Banes bindender Beſchluß des Abgeordnetenhauſes noch nicht zu<lb/> Stande gekommen iſt, in einer Etatsforderung an den Landtag<lb/> kommen. Es iſt jedoch zweifelhaſt, ob ſchon Staatsminiſterial-<lb/> beſchlüſſe hierüber vorliegen. — Die Berufung auf die „König-<lb/> liche Gnade“ in der Angelegenheit des <hi rendition="#g">Nachlaſſes von<lb/><cb/> Stempelabgaben bei Fideicommißſtiftungen</hi> wird von<lb/> einigen Seiten mit der Behauptung zurückgewiefen, daß Steuern<lb/> und Abgaben nicht Strafen im Sinne des Geſetzes ſeien und da-<lb/> her von dem „Begnadigungsrechte“ nicht die Rede ſein könne.<lb/> Die königliche Gnade, d. h. die Privilegienhoheit des Staatsober-<lb/> hauptes, iſt ein viel weiterer Begriff und deckt ſich keineswegs<lb/> bloß mit dem Begnadigungsrechte in Straf- und Unterſuchungs-<lb/> ſachen. Sie wird in Form der Geſetzgebung ausgeübt, wenn eine<lb/><hi rendition="#g">Claſſe</hi> von Perſonen oder Fällen unter ſinguläre Rechtsgrund-<lb/> ſätze geſtellt werden ſoll, in der Form der Verordnung aber,<lb/> wenn es ſich um <hi rendition="#g">einzelne</hi> Perſonen und Fälle handelt. Nach<lb/> dem gemeinen deutſchen Staatsrechte iſt im letzteren Falle auch<lb/> in der conſtitutionellen Monarchie keine Mitwirkung der Stände<lb/> erforderlich (vgl. Zöpfl, Grundſätze des gem. dtſch. Staatsr. <hi rendition="#aq">II,</hi><lb/> §. 481). Die Fälle, daß auf eine Forderung des Steuerſiscus im<lb/> Wege der Gnade verzichtet wurde, gehören keineswegs zu den<lb/> großen Seltenheiten; es wiederholt ſich z. B. der Fall, daß im<lb/> guten Glauben von penſionirten Beamten zu hohe Penſions-<lb/> beträge abgehoben werden und daß die ſpätere Rückforderung ſich<lb/> zu einer empſindlichen Härte geſtalten kann. In dieſem Falle<lb/> tritt die königliche Gnade als Hüterin des <hi rendition="#aq">jus aequum</hi> ein.<lb/> Auch v. Rönne rechnet in ſeinem Preußiſchen Staatsrechte zu den<lb/> Gegenſtänden der Privilegienhoheit die Vefreiung einer Perfon von<lb/> gewiſſen öffentlichen Laſten und ſtellt die ſog. <hi rendition="#aq">lex specialis</hi> als<lb/> einen Act der freien Willkür des Staatsoberhauptes dar, welches<lb/> dabei die Schranken der Verfaſſung innezuhalten verpflichtet ſek.<lb/> Könnte es zweifelhaft ſein, ob die preußiſche Verfaſſung im<lb/> Lucius’ſchen Falle eine ſolche Beſchränkung enthalte, ſo iſt doch<lb/> jeder Zweifel daran ausgeſchloſſen, daß der König und die Mi-<lb/> niſter das eingeſchlagene Verfahren für zuläſſig erachteten. —<lb/> Den hieſigen „Politiſchen Nachrichten“ zufolge wäre beabſich-<lb/> tigt, unter Abſtandnahme von weitergehenden Plänen den Bau-<lb/> plan des hieſigen Domes auf eine würdige Predigtkirche für die<lb/> Domgemeinde zu beſchränken.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 2. Dec.</dateline><lb/> <p>Die Ausſchüſſe des <hi rendition="#g">Bundes-<lb/> raths</hi> für das Landheer und die Feſtungen, für das Seeweſen<lb/> und für Juſtizweſen traten heute zu einer Sitzung zuſammen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>In dem <hi rendition="#g">Etat der Marineverwaltung</hi> für 1891/92<lb/> ſind, wie wir ſchon früher in Kürze mitgetheilt haben, auch<lb/> Mittel zur Erbauung von <hi rendition="#g">Arbeiterwohnhäuſern in Friedrichs-<lb/> ort,</hi> am Ausgange des Kieler Hafens, ausgebracht. Es iſt zunächſt<lb/> der Bau von 20 Häuſern in Ausſicht genommen, von denen jedes<lb/> zwei Familienwohnungen enthalten ſoll. Jede dieſer Wohnungen<lb/> ſoll im Erdgeſchoß ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und eine<lb/> Küche, und im Dachgeſchoß noch zwei Zimmer für Einlieger ent-<lb/> halten, ſo daß in den projectirten 20 Häuſern 40 Familien und<lb/> 80 Einlieger, im ganzen alſo 120 Arbeiter Unterkommen finden<lb/> würden. Jedes Haus ſoll außerdem ein kleines Nebengebäude als<lb/> Stallung für Kleinvieh, Brennholz ꝛc., ſowie ein Stück Gemüſe-<lb/> land und einen kleinen Vorgarten erhalten. Den Arbeitern wird<lb/> alſo ein ganz behagliches Heim bereitet werden. Die Koſten für<lb/> ein ſolches Haus mit Nebengebäude ſind auf 13,650 M. ange-<lb/> nommen; als Geſammtforderung einſchließlich für den Grunder-<lb/> werb, Straßenanlagen ꝛc. iſt die Summe von 341,000 M. in den<lb/> Etat eingeſtellt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Artilleriewerkſtatt</hi> in Spandau hat vom Kriegs-<lb/> miniſterium den Auftrag zur Lieferung des neuen <hi rendition="#g">Armeeſattels</hi><lb/> erhalten, deſſen Einführung beſchloſſen worden iſt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> ſah am geſtrigen Nachmittag den Neichslamzler<lb/> General v. Caprivi und auch den öſterreichiſch-ungariſchen Bot-<lb/> ſchafter Grafen v. Wolkenſtein-Twſtburg als Gäſte bei ſich zur<lb/> Frühſtückstafel im hieſigen königlichen Schloſſe. — Im Laufe des<lb/> Nachmittags hatte der Kaiſer alsdaun auch noch eine kängere<lb/> Conferenz mit dem Reichskanzler General v. Caprivi, arbeitete<lb/> dann mit dem Wirkl. Geh. Rath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> v. Lucanus und<lb/> hierauf mit dem Cultusminiſter v. Goßler. — Im Laufe des<lb/> heutigen Vormittags nahm der Kaiſer im hieſigen Schloſſe die<lb/> Vorträge des Staatsſecretärs Frhrn. v. Marſchall, darauf des<lb/> Staatsſecretärs des Reichsmarineamtes, ſpäter den des Chefs des<lb/> Marinecabinets und demnächſt den des Chefs des Militärcabinets,<lb/> Generals v. Hahnke entgegen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Nach dem „Heſſ. Volksbl.“ wäre im Januar der Beſuch des<lb/><hi rendition="#g">Kaiſers</hi> am großherzoglich heſſiſchen Hof zu erwarten; ein<lb/> Beſuch von Mainz ſoll damit verbunden werden. — Die<lb/><hi rendition="#g">Kaiſerin Friedrich</hi> empſing geſtern das für die nächſtjährige<lb/> internationale große <hi rendition="#g">Kunſtausſtellung</hi> unter dem Borſitz des<lb/> Profeſſors A. v. Werner zuſammengetretene Ausſtellungscomité.<lb/> Die Kaiſerin hat das <hi rendition="#g">Protectorat</hi> übernommen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Nach der „Germania“ iſt die Mandatniederkegung des Hrn.<lb/> v. <hi rendition="#g">Schorlemer – Alſt</hi> wegen eines Herzleidens erfolgt. Im<lb/> Wahlkreiſe <hi rendition="#g">Bochum</hi> wird dadurch eine Nachwahl erforderlich. Der<lb/> Kreis ſiel bei den letzten Wahlen dem Centrum zu, während er ſonſt,<lb/> mit Ausnahme von 1881—1884, ſtets nationalliberal vertreten<lb/> war. Bei der Wahl im letzten Februar wurden im erſten Wahl-<lb/> gang 18,639 nationalliberale, 4998 deutſchfreiſinnige, 21,889<lb/> Centrums- und 8388 ſocialdemokratiſche Stimmen abgegeben. In<lb/> der engeren Wahl ſiegte Hr. v. Schorlemer-Alſt mit 29,869 Stimmen<lb/> über ſeinen nationalliberaken Gegner mit 28,824 Stimmen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>* Nach einer der „Pol. Corr.“ aus Rom zugehenden Mel-<lb/> dung wird in dortigen unterrichteten Kreiſen angekündigt, daß die<lb/> italieniſche <hi rendition="#g">Thronrede</hi> anläßlich der Eröffnung der Kammern<lb/> ein ſehr friedliches Gepräge tragen und, geſtützt auf die durch die<lb/> internationale Lage gegebenen Vorausfetzungen, die Zuverſicht auf<lb/> die Erhaltung des europäiſchen Friedens zum Ausdrucke bringen<lb/> werde. — Das Amtsblatt veröffentlichte bereits die Liſte der<lb/> neuernannten italieniſchen <hi rendition="#g">Senatoren,</hi> und zwar: General-<lb/> lieutenant Morra di Lavriano, Chiaves, Puglieſe Giannone, Fürſt<lb/> di Baucina, Righi, Gerardi, Generalmajor Geymet, Marquis<lb/> de Mari, Baſteris, Maurogonato-Peſaro und Graf Taverna.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Serbien.</hi> </head><lb/> <div xml:id="a03a" next="#a03b" type="jComment" n="3"><lb/> <dateline>## <hi rendition="#b">Belgrad,</hi> 30. Nov.</dateline><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Adreßdebatte,</hi> welche<lb/> drei Tage hindurch die Skupſchtina beſchäftigte, war ein<lb/> dentliches Spiegelbild der ſerbiſchen Volksſtimmung. In beiden<lb/> Adreſſen, in der ſchließlich angenommenen radicalen, wie in dem<lb/> oppoſitionellen liberalen Adreßentwurfe, wurde offen und mit<lb/> bedeutender Markirung die Anlehnung Serbiens an Rußland<lb/> ausgeſprochen. Aus den Reden der Skupſchtina-Abgeordneten<lb/> klang es aber noch viel ſchärfer heraus, daß die Serben zur<lb/> ruſſiſchen Politik ſtehen, daß dieſe Hinneigung auf der gemein-<lb/> ſamen ſlawiſchen Abſtammung und der gleichen Religion be-<lb/> ruhe, als eine Sache des Herzens und Nationalgefühls ange-<lb/> ſehen werde. Die freundſchaftlichen Beziehungen zu Oeſterreich-<lb/> Ungarn werden dagegen als eine Sache der Nothwendigkeit<lb/> bezeichnet — einer Nothwendigkeit, die aus der geographiſchen<lb/> Lage entſpringe. Es wird in der Adreſſe nicht ausgeſprochen,<lb/> daß Serbien durch ſeine Sympathie für Rußland ſich demſelben<lb/> unbedingt zur politiſchen Verfügung ſtelle, wie auch nicht erklärt<lb/> wurde, daß dieſe Freundſchaft die guten Beziehungen zu<lb/> Oeſterreich-Ungarn trüben könnte, was manche Politiker be-<lb/> fürchten, aber die Hoffnung und Zuverſicht klang aus den</p> </div> </div> </div><lb/> <cb/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a02b" prev="#a02a" type="jComment" n="2"> <p>Weiſe entſtehen alſo zwei Beobachtungspunkte, aber es ergibt<lb/> ſich, daß der Hörpunkt vor dem Sehpunkt liegt, der Fingerdruck<lb/> beim Hören eher erfolgt, als beim Sehen, mithin über dem Er-<lb/> kennen und Unterſcheiden der beiden Buchſtaben mehr Zeit ver-<lb/> geht, wenn dieſelben dem Auge, als wenn ſie durch die Sprache<lb/> dem Ohre dargeboten werden. Man hat gemeint, das komme<lb/> daher, weil die betreffenden Buchſtaben nur conventionelle, künſt-<lb/> liche Zeichen und gewiſſermaßen erſt in Laute zu überſetzen<lb/> ſeien — dieſe Ueberſetzung wird ja dem Gehirn in dem Falle<lb/> gar nicht zugemuthet. Der wahre Grund der Verſpätung liegt<lb/> offenbar darin, daß die Geſichtseindrücke langſamer wahrgenom-<lb/> men werden, als die Gehörempſindungen. Leſen, ſo viel an-<lb/> ſtrengender, als Schreiben, fällt uns vollends ſchwerer, als Zu-<lb/> hören, ſo gut wir auch leſen können; Leſen erfordert Zeit, nur<lb/> die Kritiker brauchen mitunter keine. Die Lautſprache will<lb/> gehört, die Geberdenſprache will geleſen ſein wie die Schrift.</p><lb/> <p>Durch Einwirkung des Lichtreizes auf die Netzhaut ent-<lb/> ſtehen Lichtempſindungen. Da nun die Trägheit eine allgemeine<lb/> Eigenſchaft der Materie iſt, ſo kann es nicht überraſchen, daß<lb/> eine gewiſſe Zeit verſtreicht, bevor auf Einwirkung des Reizes<lb/> die Netzhaut in einen merklichen Erregungszuſtand gerathen iſt.<lb/> Auch die Schallwellen müſſen auf die Endapparate unſres Ge-<lb/> hörnerven gleichſam verpflanzt und zum Gehirn getragen werden,<lb/> damit wir hören; das geht aber ſchneller.</p><lb/> <p>Und die Geſchwindigkeit des Lichtes? In einer Fünftel-<lb/> Secunde ſehe ich manchen Leſer den Kopf ſchütteln. Bekanutlich<lb/> ſehen wir den Blitz eher, als wir den Donner hören; bekannt-<lb/> lich ſehen die Soldaten in der Schlacht zu allererſt das Feuer,<lb/> dann kommt die Kugel geflogen, dann hören ſie den Knall; be-<lb/> kanntlich legt in einer Secunde das Licht 305,684,636 Meter<lb/> zurück, der Schall nur 340 Meter, der Sturm nur 16 Meter<lb/> und ein Droſchkenpferd gar nur 3,8 Meter. Aber das Licht<lb/> gleicht einem Schnellläufer, der an die Pforte eines Palaftes<lb/> pocht und hier mit ebenſo viel Umſtändlichkeiten vorgelaſſen<lb/> wird, wie ein gewöhnlicher Fußgänger, vielleicht ſogar noch<lb/> länger warten muß, als dieſer. Für ungeheure Entfernungen<lb/> iſt der Schnellläufer freilich im Bortheil; mag der Portier auch<lb/><cb/> noch ſo viel Ceremonien machen, er iſt ſchon vorgekommen,<lb/> wenn der Fußgänger noch wandert; je kürzer der Weg iſt, um<lb/> ſo weniger kommt ſeine Schnelligkeit zur Geltung. Wollten<lb/> wir mit den Mondbewohnern ein Geſpräch anknüpfen, ſo thäten<lb/> wir gut, dem Nathe jenes Naturforſchers zu folgen, der ihnen,<lb/> da ſie doch Vernunft haben müßten, in Form eines rieſigen<lb/> Holzbeſtandes den Pythagoräiſchen Lehrſatz demonſtriren wollte;<lb/> das ſtärkſte hörbare Signal würde nicht nur im Weltraum ver-<lb/> loren gehen, weil ſich der Schall im leeren Raum nicht fort-<lb/> pflanzt und ſchon auf hohen Bergen in verdünnter Luft ver-<lb/> flüchtigt, ſondern auch, wenn es dies nicht thäte, ſpäter zum<lb/> Bewußtſein der Mondbewohner kommen, als die frohe Bot-<lb/> ſchaft von dem rechtwinkeligen Dreieck. In der Nähe nützt den<lb/> Lichtſtrahlen ihre große Geſchwindigkeit faſt nichts, ihr Verhält-<lb/> niß zu den trägeren Schallwellen geſtaltet ſich bei den ſtehenden<lb/> Empfangsformalitäten immer ungünſtiger, je weniger weit ſie<lb/> her ſind.</p><lb/> <p>Als das verborgene Leben der Körper, ihren Herzſchlag,<lb/> ihre Seele kann man den Ton betrachten, den ſie bei der Be-<lb/> rührung von ſich geben — der Klang iſt wie ein Geiſt, den<lb/> ein mächtiger Zauberer in die Körperwelt gebannt hat, und der<lb/> ſich klagend vernehmen läßt, ſobald wir daran klopfen — die<lb/> Seele des Univerſums iſt der Ton, der Geiſt der Erde ſpricht<lb/> ſich in Farben und Düſten aus, eindringlicher in Klängen und<lb/> in den unvergeßlichen Schwingungen, die, von der Luft bis zu<lb/> dem ausgeſpannten Trommelfell fortgepflanzt, auf das Gehör-<lb/> organ übertragen werden. Durch das Ohr dringt das große<lb/> Freiconcert der Natur, das Rauſchen des Meeres und das<lb/> dumpfe Brauſen der großſtädtiſchen Menſchenwoge, das Murmeln<lb/> der Quelle und das ſüße Geflüſter der Liebe — freilich auch<lb/> das Gequake der Fröſche, das Geziſch der Schlangen und<lb/> Nabengekrächz —, in der Farbe gleicht es der wilden Noſe, in<lb/> der Form der zierlichen Muſchel, ſo iſt es die geheime Pforte<lb/> der Seele, ein wunderbar an der Schläfe des Menſchen be-<lb/> ginnendes offenes Labyrinth! — Hindurch geht der Weg zu<lb/> unſerm Herzen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 4. December 1890. Morgenblatt Nr. 336.
München, 3. December.aus demſelben, den Jahresbetrag von 600,000 Mark zu be-
zahlen. 3) die Regierung tritt der Geſellſchaft für das Küſten-
gebiet, deſſen Zubehörungen, die Inſel Mafia und das im
Schutzbriefe vom 27. Februar 1885 erwähnte Gebiet das aus-
ſchließliche Recht auf den Eigenthumserwerb durch Occupation
an herrenloſen Grundſtücken und deren unbeweglichen Zu-
behörungen, alſo auch an Wäldern, ab mit gewiſſen hier nicht
weiter in Vetracht kommenden Vorbehalten. 4) Der Geſell-
ſchaft wird das Recht zur Errichtung einer Bank mit dem
Privilegium einer Ausgabe von Noten ertheilt. 5) Die Geſell-
ſchaft verbleibt im Veſitze der ihr zuſtehenden Befugniß,
Kupfer- und Silbermünzen, welche an den öffentlichen Caſſen
des Küſtengebietes, deſſen Zubehörungen und der Inſel Mafia,
ſowie des Gebietes des kaiſerlichen Schutzbriefes vom 27. Febr.
1885 in Zahlung genommen werden müſſen, zu prägen und
auszugeben. 6) Vor dem Erlaß von Geſetzen und Ver-
ordnungen für das Küſtengebiet u. ſ. w. wird die Regierung
die Geſellſchaft zur gutachtlichen Aeußerung auffordern, ſofern
nicht die Dringlichkeit des Falles eine Abweichung von der
Regel erheiſcht.
Durch den kaiſerlichen Schutzbrief vom 27. Februar 1885
war der Deutſch-Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft, für ihr bis zu
dieſem Zeitpunkte erworbenes Gebiet, und durch Schutzbrief
vom 17. Mai 1885 mit Ergänzung vom 13. December 1886
war der Neu-Guinea-Compagnie für ihr ganzes Gebiet die
Ausübung der Landeshoheit mit gewiſſen theils aus der Natur
der Sache ſich ergebenden, theils durch Reichsgeſetz feſtgeſtellten
Ausnahmen hinſichtlich der auswärtigen Verwaltung, der
Militärhoheit und der Gerichtsbarkeit verliehen worden. Die
beiden Geſellſchaften hatten alſo auf Grund der kaiſerlichen
Schutzbriefe das Necht, mit den erwähnten Beſchränkungen die
geſetzgebende und die vollziehende Gewalt in ihren Schutz-
gebieten Namens des Reiches und unter Auſſicht der Reichs-
regierung auszuüben.
Die den Geſellſchaften verliehenen Hoheitsrechte hätten
ihnen unter gewiſſen Vorausſetzungen von Oberauſſichtswegen
und außerdem ſelbſtverſtändlich durch Reichsgeſetz wieder ent-
zogen werden können. Die Reichsregierung ſchlug aber aus
naheliegenden Gründen den Weg ein, die Geſellfchaſten zur
freiwilligen Verzichtleiſtung auf die ihnen durch die Schutzbriefe
verliehenen Hoheitsrechte zu bewegen.
Nachdem nunmehr die beiden hier in Frage ſtehenden Ge-
ſellſchaften auf die Ausübung von Hoheitsrechten in ihren
Gebieten verzichtet haben, wird die Gefetzgebung, Necht-
ſprechung und Verwaltung in allen deutſchen Schutzgebieten
von nun an im Namen des Reichs von kaiſerlichen
Beamten ausgeübt und gehandhabt.
Von den den Geſellſchaften verbliebenen Rechten liegt
allerdings das Recht, vor dem Erlaſſe von Geſetzen und Ver-
ordnungen gehört zu werden, auf dem Gebiete der Gefetz-
gebung, dasſelbe iſt aber von keiner ſchwerwiegenden Be-
deutung. Ebenſo iſt das der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft ein-
geräumte Recht der Münzprägung als ein der Geſellſchaft
verlichenes Hoheitsrecht zu betrachten, das freilich in Oſtafrika
doch eine etwas andere Bedeutung hat, als in Deutſchland.
Von den beiden anderen hier noch in Betracht kommen-
den Nechten, dem beiden Geſellſchaften verliehenen Grunder-
werbsmonopol und dem der Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft ver-
liehenen Banknoten-Privilegium, kann keines als ein weſent-
liches Hoheitsrecht gelten. Die Ueberlaſſung dieſer Rechte an
die Geſellſchaften unterlag daher nicht dem mindeſten Be-
denken, im Gegentheil mußte die Ueberlaſſung dieſer Rechte,
namentlich des Grunderwerbsmonopols, an die Geſellſchaften
im Intereſſe ihrer wirthſchaftlichen Entwicklung als durchaus
geboten erſcheinen.
Daß die mehrerwähnten Colonialgeſellſchaften auf die ihnen
verliehenen Hoheitsrechte verzichtet haben, iſt im Intereſſe der
Entwicklung der deutſchen Schutzgebiete nur zu begrüßen. Die
Halbheit und Unſchlüſſigkeit, welche die deutſche Coloniakpolitik
in den letzten Jahren nicht eben vortheilhaft auszeichnete, iſt
zum nicht geringen Theil auf die Abneigung des Neichstags,
zum größeren Theil aber darauf zurückzuführen, daß die Reichs-
regierung immer noch zu viel von den Colonialgeſellſchaften
erwartete. So wäre man ſicherlich in Südweſtafrika viel früher
von Reichswegen energiſch aufgetreten, wenn nicht immer noch
eine, wenn auch ſchwache, Hoffnung beſtanden hätte, die Süd-
weſtafrikaniſche Colonialgeſellſchaft werde in die Lage kommen,
die Verwaktung des Schutzgebietes wenigſtens theilweiſe zu
übernehmen, in Oſtafrika aber wäre mancher verhängnißvolle
Fehler vermieden worden, wenn die Reichsregierung von An-
fang an die Sache ſelbſt in die Hand genommen hätte. Die
Entwicklung der Dinge in Oſtafrika hat den ſchlagendſten Be-
weis geliefert, wie bedenklich es iſt, Colonialgeſellſchaften die
politiſche Regierung und Verwaltung der Colonien zu über-
laſſen. Geht die Sache ſchief, ſo muß doch die Regierung des
Mutterlandes eintreten, und dann natürlich ſtets unter mög-
lichſt ungünſtigen Verhältniſſen.
Durch den Verzicht auf die ihnen verliehenen Hoheitsrechte
haben aber auch die Colonialgeſellſchaften gewonnen. Aus
der Zwitterſtellung von Erwerbsgeſellſchaften einerſeits und
öffentlichen, mit Hoheitsrechten ausgeſtatteten Corporationen
andrerſeits erlöst, von der erdrückenden Laſt der öffentlichen
Verwaltung ihrer Gebiete befreit, können ſie ſich nun mit aller
Kraft der wirthſchaftlichen Erſchließung und Entwicklung der
letzteren widmen.
Sonach iſt durch die neueſte Entwicklung unſrer Colonial-
politik nach allen Nichtungen Klarheit geſchaffen worden. Das
Reich beſorgt das, was ihm zukommt, die Regierung und Ver-
waltung der Schutzgebiete, und die Colonialgeſellſchaften ſind
auf dem wirthſchaftlichen Gebiete thätig, auf dem ſie allein
eine erfolgreiche Wirkſamkeit entfalten können. Es beſteht auch
keine Gefahr, daß jemals wieder auf das urſprüngliche eng-
angelegte Programm, möglichft Alles Colonialgeſellſchaſten zu
überlaſſen, zurückgegriffen wird, ſchon aus dem einfachen
Grunde nicht, weil ein derartiges Zurückgreifen nicht mehr
nothwendig und auch wohl nicht mehr ausführbar iſt.
Wie hervorgehoben, hatte die Regierung wohl haupt-
ſächlich deßhalb ein ſo eng begrenztes Programm aufge-
ſtellt, weil ſie die nöthige Unterſtützung für eine energiſche Colo-
nialpolitik weder im Reichstage, noch im deutſchen Volke zu
finden hoffte. Auch jetzt noch gibt es Gegner der activen Colo-
nialpolitik, aber ſoweit ſind wir doch ſchon, daß ſelbſt die meiſten
dieſer Gegner mit dem deutſchen Colonialbeſitz als einer unab-
wendbaren Thatſache rechnen und überzeugt ſind, daß nur das
Reich ſelbſt die Colonien regieren und verwalten kann.
Deutſches Reich.
* Berlin, 3. Dec.
Tel. Der Reichstag wählte in
ſeiner heutigen Sitzung den Abg. Schneider-Hamm (nat.-lib.)
an Stelle des Abg. Dr. Bürklin zum Schriftführer und über-
wies dann die Ueberſicht über die Ausgaben und Einnahmen
des Reiches im Etatsjahre 1889/90 der Rechnungscommiſſion.
Bei Prüfung der Wahl des Abg. v. Reden (9. hannoveriſcher
Wahlkreis Hameln) kritiſirte Abg. Nickert die Entſcheidungen
der Wahlprüfungscommiſſion und beantragte Ausſetzung der
Abſtimmung über die Gültigkeit der Wahl. Abg. Auer be-
ſchwerte ſich über die Verbote ſocialdemokratiſcher Verſamm-
lungen und über Wahlbeeinfluſſungen; Abg. Baumbach
(Reichspartei) trat für das Recht der Kriegervereine, gegen die
Socialdemokratie Front zu machen; ein. Schließlich wurde der
Antrag Rickert angenommen. Die Wahl des Abg. Schütte
(3. braunſchweigiſcher Wahlkreis Holzminden – Gandersheim)
wurde für gültig erklärt, dagegen die des Abg. Frhrn. v. Münch
(8. württembergiſcher Wahlkreis Horb-Sulz) beanſtandet und
die Vornahme von Erhebungen beſchloſſen. Morgen um 2 Uhr
zweite Leſung der Vorlage über Helgoland und erſte Berathung
der Patentgeſetznovelle.
 Berlin, 2. Dec.
Die von der „Freiſ. Ztg.“ mehrfach
wiederholte, auch in andere Blätter übergegangene Behauptung,
daß der Regierungspräſident v. Heppe in Danzig wider ſeinen
Willen, gewiſſermaßen ſtrafweiſe, nach Trier verſetzt werde, iſt, wie
wir auf Grund beſter Information verſichern können, abgeſehen
von der Thatſache der Verſetzung ganz und gar unbegründet. Es
liegt nicht der geringſte Grund vor, der zu einer für Hrn. v. Heppe
etwa unangenehmen Verſetzung beſtimmen könnte, und die Gründe,
die ſich ſreiſinnige Blätter dafür zurecht gemacht haben, beruhen
auf Einbildung. Selbſtverſtändlich hat Hr. v. Heppe von ſeiner
Verſetzung vor ihrem Vollzuge, der dieſer Tage erfolgt iſt, gewußt
und es iſt auch richtig, daß Trier im allgemeinen unter den höheren
Verwaltungsbeamten als ein angenehmerer Poſten gilt als Danzig.
Vermuthlich iſt die falſche Deutung dadurch unterſtützt worden, daß
früher irrthümlich gemeldet worden war, der Oberpräſidialrath
v. Itzenplitz in Breslau werde nach Trier kommen, während
er als Nachfolger des nach Frankfurt a. O. verſetzten Hrn. v. Putt-
kamer zum Regierungspräſidenten in Koblenz ernannt iſt. —
Die Nachricht von einer Vorlage, welche zum Zwecke des Dom-
baues in Berlin 22 Mill. Mark fordere, iſt bereits als un-
ſicher und jedenfalls verfrüht bezeichnet worden. Dem Vernehmen
nach wird die Angelegenheit vorausſichtlich im Zuſammenhange
mit der Aufſtellung des Etats für 1891/92 behandelt werden und
nicht in einer beſonderen Borlage, ſondern, wie in den bisherigen
Vorſtadien, in denen ein für Art und Koſten des geſammten
Banes bindender Beſchluß des Abgeordnetenhauſes noch nicht zu
Stande gekommen iſt, in einer Etatsforderung an den Landtag
kommen. Es iſt jedoch zweifelhaſt, ob ſchon Staatsminiſterial-
beſchlüſſe hierüber vorliegen. — Die Berufung auf die „König-
liche Gnade“ in der Angelegenheit des Nachlaſſes von
Stempelabgaben bei Fideicommißſtiftungen wird von
einigen Seiten mit der Behauptung zurückgewiefen, daß Steuern
und Abgaben nicht Strafen im Sinne des Geſetzes ſeien und da-
her von dem „Begnadigungsrechte“ nicht die Rede ſein könne.
Die königliche Gnade, d. h. die Privilegienhoheit des Staatsober-
hauptes, iſt ein viel weiterer Begriff und deckt ſich keineswegs
bloß mit dem Begnadigungsrechte in Straf- und Unterſuchungs-
ſachen. Sie wird in Form der Geſetzgebung ausgeübt, wenn eine
Claſſe von Perſonen oder Fällen unter ſinguläre Rechtsgrund-
ſätze geſtellt werden ſoll, in der Form der Verordnung aber,
wenn es ſich um einzelne Perſonen und Fälle handelt. Nach
dem gemeinen deutſchen Staatsrechte iſt im letzteren Falle auch
in der conſtitutionellen Monarchie keine Mitwirkung der Stände
erforderlich (vgl. Zöpfl, Grundſätze des gem. dtſch. Staatsr. II,
§. 481). Die Fälle, daß auf eine Forderung des Steuerſiscus im
Wege der Gnade verzichtet wurde, gehören keineswegs zu den
großen Seltenheiten; es wiederholt ſich z. B. der Fall, daß im
guten Glauben von penſionirten Beamten zu hohe Penſions-
beträge abgehoben werden und daß die ſpätere Rückforderung ſich
zu einer empſindlichen Härte geſtalten kann. In dieſem Falle
tritt die königliche Gnade als Hüterin des jus aequum ein.
Auch v. Rönne rechnet in ſeinem Preußiſchen Staatsrechte zu den
Gegenſtänden der Privilegienhoheit die Vefreiung einer Perfon von
gewiſſen öffentlichen Laſten und ſtellt die ſog. lex specialis als
einen Act der freien Willkür des Staatsoberhauptes dar, welches
dabei die Schranken der Verfaſſung innezuhalten verpflichtet ſek.
Könnte es zweifelhaft ſein, ob die preußiſche Verfaſſung im
Lucius’ſchen Falle eine ſolche Beſchränkung enthalte, ſo iſt doch
jeder Zweifel daran ausgeſchloſſen, daß der König und die Mi-
niſter das eingeſchlagene Verfahren für zuläſſig erachteten. —
Den hieſigen „Politiſchen Nachrichten“ zufolge wäre beabſich-
tigt, unter Abſtandnahme von weitergehenden Plänen den Bau-
plan des hieſigen Domes auf eine würdige Predigtkirche für die
Domgemeinde zu beſchränken.
* Berlin, 2. Dec.
Die Ausſchüſſe des Bundes-
raths für das Landheer und die Feſtungen, für das Seeweſen
und für Juſtizweſen traten heute zu einer Sitzung zuſammen.
In dem Etat der Marineverwaltung für 1891/92
ſind, wie wir ſchon früher in Kürze mitgetheilt haben, auch
Mittel zur Erbauung von Arbeiterwohnhäuſern in Friedrichs-
ort, am Ausgange des Kieler Hafens, ausgebracht. Es iſt zunächſt
der Bau von 20 Häuſern in Ausſicht genommen, von denen jedes
zwei Familienwohnungen enthalten ſoll. Jede dieſer Wohnungen
ſoll im Erdgeſchoß ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und eine
Küche, und im Dachgeſchoß noch zwei Zimmer für Einlieger ent-
halten, ſo daß in den projectirten 20 Häuſern 40 Familien und
80 Einlieger, im ganzen alſo 120 Arbeiter Unterkommen finden
würden. Jedes Haus ſoll außerdem ein kleines Nebengebäude als
Stallung für Kleinvieh, Brennholz ꝛc., ſowie ein Stück Gemüſe-
land und einen kleinen Vorgarten erhalten. Den Arbeitern wird
alſo ein ganz behagliches Heim bereitet werden. Die Koſten für
ein ſolches Haus mit Nebengebäude ſind auf 13,650 M. ange-
nommen; als Geſammtforderung einſchließlich für den Grunder-
werb, Straßenanlagen ꝛc. iſt die Summe von 341,000 M. in den
Etat eingeſtellt.
Die Artilleriewerkſtatt in Spandau hat vom Kriegs-
miniſterium den Auftrag zur Lieferung des neuen Armeeſattels
erhalten, deſſen Einführung beſchloſſen worden iſt.
Der Kaiſer ſah am geſtrigen Nachmittag den Neichslamzler
General v. Caprivi und auch den öſterreichiſch-ungariſchen Bot-
ſchafter Grafen v. Wolkenſtein-Twſtburg als Gäſte bei ſich zur
Frühſtückstafel im hieſigen königlichen Schloſſe. — Im Laufe des
Nachmittags hatte der Kaiſer alsdaun auch noch eine kängere
Conferenz mit dem Reichskanzler General v. Caprivi, arbeitete
dann mit dem Wirkl. Geh. Rath Dr. v. Lucanus und
hierauf mit dem Cultusminiſter v. Goßler. — Im Laufe des
heutigen Vormittags nahm der Kaiſer im hieſigen Schloſſe die
Vorträge des Staatsſecretärs Frhrn. v. Marſchall, darauf des
Staatsſecretärs des Reichsmarineamtes, ſpäter den des Chefs des
Marinecabinets und demnächſt den des Chefs des Militärcabinets,
Generals v. Hahnke entgegen.
Nach dem „Heſſ. Volksbl.“ wäre im Januar der Beſuch des
Kaiſers am großherzoglich heſſiſchen Hof zu erwarten; ein
Beſuch von Mainz ſoll damit verbunden werden. — Die
Kaiſerin Friedrich empſing geſtern das für die nächſtjährige
internationale große Kunſtausſtellung unter dem Borſitz des
Profeſſors A. v. Werner zuſammengetretene Ausſtellungscomité.
Die Kaiſerin hat das Protectorat übernommen.
Nach der „Germania“ iſt die Mandatniederkegung des Hrn.
v. Schorlemer – Alſt wegen eines Herzleidens erfolgt. Im
Wahlkreiſe Bochum wird dadurch eine Nachwahl erforderlich. Der
Kreis ſiel bei den letzten Wahlen dem Centrum zu, während er ſonſt,
mit Ausnahme von 1881—1884, ſtets nationalliberal vertreten
war. Bei der Wahl im letzten Februar wurden im erſten Wahl-
gang 18,639 nationalliberale, 4998 deutſchfreiſinnige, 21,889
Centrums- und 8388 ſocialdemokratiſche Stimmen abgegeben. In
der engeren Wahl ſiegte Hr. v. Schorlemer-Alſt mit 29,869 Stimmen
über ſeinen nationalliberaken Gegner mit 28,824 Stimmen.
Italien.
* Nach einer der „Pol. Corr.“ aus Rom zugehenden Mel-
dung wird in dortigen unterrichteten Kreiſen angekündigt, daß die
italieniſche Thronrede anläßlich der Eröffnung der Kammern
ein ſehr friedliches Gepräge tragen und, geſtützt auf die durch die
internationale Lage gegebenen Vorausfetzungen, die Zuverſicht auf
die Erhaltung des europäiſchen Friedens zum Ausdrucke bringen
werde. — Das Amtsblatt veröffentlichte bereits die Liſte der
neuernannten italieniſchen Senatoren, und zwar: General-
lieutenant Morra di Lavriano, Chiaves, Puglieſe Giannone, Fürſt
di Baucina, Righi, Gerardi, Generalmajor Geymet, Marquis
de Mari, Baſteris, Maurogonato-Peſaro und Graf Taverna.
Serbien.
## Belgrad, 30. Nov.
Die Adreßdebatte, welche
drei Tage hindurch die Skupſchtina beſchäftigte, war ein
dentliches Spiegelbild der ſerbiſchen Volksſtimmung. In beiden
Adreſſen, in der ſchließlich angenommenen radicalen, wie in dem
oppoſitionellen liberalen Adreßentwurfe, wurde offen und mit
bedeutender Markirung die Anlehnung Serbiens an Rußland
ausgeſprochen. Aus den Reden der Skupſchtina-Abgeordneten
klang es aber noch viel ſchärfer heraus, daß die Serben zur
ruſſiſchen Politik ſtehen, daß dieſe Hinneigung auf der gemein-
ſamen ſlawiſchen Abſtammung und der gleichen Religion be-
ruhe, als eine Sache des Herzens und Nationalgefühls ange-
ſehen werde. Die freundſchaftlichen Beziehungen zu Oeſterreich-
Ungarn werden dagegen als eine Sache der Nothwendigkeit
bezeichnet — einer Nothwendigkeit, die aus der geographiſchen
Lage entſpringe. Es wird in der Adreſſe nicht ausgeſprochen,
daß Serbien durch ſeine Sympathie für Rußland ſich demſelben
unbedingt zur politiſchen Verfügung ſtelle, wie auch nicht erklärt
wurde, daß dieſe Freundſchaft die guten Beziehungen zu
Oeſterreich-Ungarn trüben könnte, was manche Politiker be-
fürchten, aber die Hoffnung und Zuverſicht klang aus den
Weiſe entſtehen alſo zwei Beobachtungspunkte, aber es ergibt
ſich, daß der Hörpunkt vor dem Sehpunkt liegt, der Fingerdruck
beim Hören eher erfolgt, als beim Sehen, mithin über dem Er-
kennen und Unterſcheiden der beiden Buchſtaben mehr Zeit ver-
geht, wenn dieſelben dem Auge, als wenn ſie durch die Sprache
dem Ohre dargeboten werden. Man hat gemeint, das komme
daher, weil die betreffenden Buchſtaben nur conventionelle, künſt-
liche Zeichen und gewiſſermaßen erſt in Laute zu überſetzen
ſeien — dieſe Ueberſetzung wird ja dem Gehirn in dem Falle
gar nicht zugemuthet. Der wahre Grund der Verſpätung liegt
offenbar darin, daß die Geſichtseindrücke langſamer wahrgenom-
men werden, als die Gehörempſindungen. Leſen, ſo viel an-
ſtrengender, als Schreiben, fällt uns vollends ſchwerer, als Zu-
hören, ſo gut wir auch leſen können; Leſen erfordert Zeit, nur
die Kritiker brauchen mitunter keine. Die Lautſprache will
gehört, die Geberdenſprache will geleſen ſein wie die Schrift.
Durch Einwirkung des Lichtreizes auf die Netzhaut ent-
ſtehen Lichtempſindungen. Da nun die Trägheit eine allgemeine
Eigenſchaft der Materie iſt, ſo kann es nicht überraſchen, daß
eine gewiſſe Zeit verſtreicht, bevor auf Einwirkung des Reizes
die Netzhaut in einen merklichen Erregungszuſtand gerathen iſt.
Auch die Schallwellen müſſen auf die Endapparate unſres Ge-
hörnerven gleichſam verpflanzt und zum Gehirn getragen werden,
damit wir hören; das geht aber ſchneller.
Und die Geſchwindigkeit des Lichtes? In einer Fünftel-
Secunde ſehe ich manchen Leſer den Kopf ſchütteln. Bekanutlich
ſehen wir den Blitz eher, als wir den Donner hören; bekannt-
lich ſehen die Soldaten in der Schlacht zu allererſt das Feuer,
dann kommt die Kugel geflogen, dann hören ſie den Knall; be-
kanntlich legt in einer Secunde das Licht 305,684,636 Meter
zurück, der Schall nur 340 Meter, der Sturm nur 16 Meter
und ein Droſchkenpferd gar nur 3,8 Meter. Aber das Licht
gleicht einem Schnellläufer, der an die Pforte eines Palaftes
pocht und hier mit ebenſo viel Umſtändlichkeiten vorgelaſſen
wird, wie ein gewöhnlicher Fußgänger, vielleicht ſogar noch
länger warten muß, als dieſer. Für ungeheure Entfernungen
iſt der Schnellläufer freilich im Bortheil; mag der Portier auch
noch ſo viel Ceremonien machen, er iſt ſchon vorgekommen,
wenn der Fußgänger noch wandert; je kürzer der Weg iſt, um
ſo weniger kommt ſeine Schnelligkeit zur Geltung. Wollten
wir mit den Mondbewohnern ein Geſpräch anknüpfen, ſo thäten
wir gut, dem Nathe jenes Naturforſchers zu folgen, der ihnen,
da ſie doch Vernunft haben müßten, in Form eines rieſigen
Holzbeſtandes den Pythagoräiſchen Lehrſatz demonſtriren wollte;
das ſtärkſte hörbare Signal würde nicht nur im Weltraum ver-
loren gehen, weil ſich der Schall im leeren Raum nicht fort-
pflanzt und ſchon auf hohen Bergen in verdünnter Luft ver-
flüchtigt, ſondern auch, wenn es dies nicht thäte, ſpäter zum
Bewußtſein der Mondbewohner kommen, als die frohe Bot-
ſchaft von dem rechtwinkeligen Dreieck. In der Nähe nützt den
Lichtſtrahlen ihre große Geſchwindigkeit faſt nichts, ihr Verhält-
niß zu den trägeren Schallwellen geſtaltet ſich bei den ſtehenden
Empfangsformalitäten immer ungünſtiger, je weniger weit ſie
her ſind.
Als das verborgene Leben der Körper, ihren Herzſchlag,
ihre Seele kann man den Ton betrachten, den ſie bei der Be-
rührung von ſich geben — der Klang iſt wie ein Geiſt, den
ein mächtiger Zauberer in die Körperwelt gebannt hat, und der
ſich klagend vernehmen läßt, ſobald wir daran klopfen — die
Seele des Univerſums iſt der Ton, der Geiſt der Erde ſpricht
ſich in Farben und Düſten aus, eindringlicher in Klängen und
in den unvergeßlichen Schwingungen, die, von der Luft bis zu
dem ausgeſpannten Trommelfell fortgepflanzt, auf das Gehör-
organ übertragen werden. Durch das Ohr dringt das große
Freiconcert der Natur, das Rauſchen des Meeres und das
dumpfe Brauſen der großſtädtiſchen Menſchenwoge, das Murmeln
der Quelle und das ſüße Geflüſter der Liebe — freilich auch
das Gequake der Fröſche, das Geziſch der Schlangen und
Nabengekrächz —, in der Farbe gleicht es der wilden Noſe, in
der Form der zierlichen Muſchel, ſo iſt es die geheime Pforte
der Seele, ein wunderbar an der Schläfe des Menſchen be-
ginnendes offenes Labyrinth! — Hindurch geht der Weg zu
unſerm Herzen.
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(2022-03-29T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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