Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 2. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
gewußt. Diese beiden uckermärkisch-pommerischen Grafen haben in der Berlin, 30 Jan. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer Schleswig - Holstein. Kiel, 27 Jan. Die Statthalterschaft soll Oesterreich. --Wien, 27 Jan. Sind die österreichischen Blät- # Wien, 29 Jan. Die Nachricht von der am 26 Januar stattge- [Spaltenumbruch]
gewußt. Dieſe beiden uckermärkiſch-pommeriſchen Grafen haben in der Berlin, 30 Jan. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer Schleswig – Holſtein. Kiel, 27 Jan. Die Statthalterſchaft ſoll Oeſterreich. —Wien, 27 Jan. Sind die öſterreichiſchen Blät- # Wien, 29 Jan. Die Nachricht von der am 26 Januar ſtattge- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jComment" n="4"> <p><pb facs="#f0005" n="517"/><cb/> gewußt. Dieſe beiden uckermärkiſch-pommeriſchen Grafen haben in der<lb/> That den Erfolg der königlichen Votſchaft entſchieden. Graf Schwerin<lb/> empfängt dafür beut in der „Deutſchen Reform“ eine halbofficielle Dank-<lb/> ſagung und Anerkennung. Durch ihn wurden ungemein viel Ueberläu-<lb/> fer aus Patiotismus gemacht, denn wenn man den ehrenwerthen Grafen<lb/> Schwerin auch nur für ein ſchwaches ſtaatsmänniſches Licht und für<lb/> ebenſo abgenutzt als alle unſere conſtitutionellen Größen hält, ſo wirkt<lb/> doch ſein moraliſches Anſehen ſehr auf die umſchlägige Menge der Abge-<lb/> ordneten. So ſind wir durch allerlei Zufälle in dieſe ſeltſamſte Lage von<lb/> der Welt gerathen, in der wir zugleich unſere deutſche Miſſion antreten<lb/> und verfechten ſollen. Der Erfurter Reichstag iſt vor der Thür, und<lb/> ebenſo ſind die Plane des Gegenbundes unter Oeſterreichs Fittig zum<lb/> Abſchluß gereift. Mit dieſem letztern beginnt der Schwerpunkt unſeres<lb/> engeren Bundesſtaats zu leiden, und er war nur durch das volksreprä-<lb/> ſentative Princip in deſſen weiteſter Bedeutung zu ſtützen!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 30 Jan.</dateline><lb/> <p>In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer<lb/> zeigte der Präfident der erſten Kammer an daß letztere in ihren geſtrigen<lb/> Sitzungen den Beſchlüſſen der zweiten Kammer, betreffs der königl. Bot-<lb/> ſchaft, vollſtändig beigetreten, und das Staatsminiſterium demgemäß be-<lb/> nachrichtigt ſey. Heute iſt auch nach dem C.-B. in Berathung der bei-<lb/> den Kammerpräſidenten mit dem Miniſterium das Schema und das<lb/> Programm für die Eidesleiſtung feſtgeſtellt worden, indeß über den Zeit-<lb/> punkt, letzterer noch nichts beſtimmt. Ein Gerücht geht daß die Eides-<lb/> leiſtung den 3 Febr. ſtattfinden ſolle; ein anderes wollte wiſſen der König<lb/> wünſche immer noch eine Verſchiebung des Eides.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Schleswig – Holſtein.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Kiel,</hi> 27 Jan.</dateline><lb/> <p>Die Statthalterſchaft ſoll<lb/> beſchloſſen haben das jüngſte Antwortſchreiben aus Kopenhagen dahin zu<lb/> erwiedern daß man ſich auf eine directe Unterhandlung nicht mehr einlaſ-<lb/> ſen könne. Der Landesverſammlung iſt geſtern in geheimer Sitzung ein<lb/> aus Frankfurt eingetroffener Beſchluß der Bundescommiſſion mitgetheilt<lb/> worden, der allen Anzeichen nach ſehr günſtig für Schleswig-Holſtein<lb/> lautet.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>—<hi rendition="#b">Wien,</hi> 27 Jan.</dateline><lb/> <p>Sind die öſterreichiſchen Blät-<lb/> ter heute leer an politiſchen Nachrichten, ſo ſind ſie wieder voll von Auf-<lb/> zeichnungen wohlthätiger Spenden. Es macht einen ſehr angenehmen<lb/> Eindruck zu ſehen, wie zu einer Zeit wo die Ungunſt der Witterung die<lb/> Laſt der Armuth noch ſchwerer macht, überall das ſo ächt menſchliche Mit-<lb/> gefühl ſich regt. Die nur aus dem Verſtande hervorgehenden ſtaatlichen<lb/> Bande, welche den Einzelnen an den Einzelnen, weil an das Ganze knüpfen,<lb/> nehmen dadurch eine gemüthliche Beimiſchung an, der Staat wird einer<lb/> großen Familie ähnlich; der tägliche Krieg aller gegen alle, der das<lb/> Grundgeſetz des unmittelbaren, des ökonomiſchen Lebens bildet, erhält<lb/> ſeine moraliſche Verſöhnung. Daß nicht allen geholfen werden kann,<lb/> ſelbſt wenn die Gaben noch ſo reichlich ausgetheilt würden, iſt eine alte<lb/> Wahrheit, der leider der Socialismus ſeine ſchärfſten negativen Waffen<lb/> verdankt, die aber, ſolange unſere phyſikaliſchen wie logiſchen Geſetze auf<lb/> der Erde fortbeſtehen, durch alle künſtlichen Verſuche nicht zur Unwahrheit<lb/> geſtempelt zu werden vermag. 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Wir wollen hier nicht jenen Logi-<lb/> ker, der ſich faſt täglich im Pariſer Charivari abgebildet ſieht, auf das<lb/> Unlogiſche ſeines obigen Satzes des weiteren aufmerkſam machen, die<lb/> nämlich darin beſteht daß Diebſtahl ja immer ein Eigenthum vorausſetzt.<lb/> „Eigenthum iſt Diebſtahl“ kann demnach nichts anderes heißen als Ei-<lb/> genthum iſt Diebſtahl am Eigenthum; wenn nun aber Eigenthum gleich<lb/> Diebſtahl iſt, ſo bedeutet: „Eigenthum iſt Diebſtahl“, ſo viel als Eigen-<lb/> thum iſt Diebſtahl am Diebſtahl, welche „Diebſtahls“-Kette immer durch<lb/> die logiſche Nothwendigkeit, da Raub ein Eigenthum vorausſetzt, ins<lb/> unendliche verlängert, wie ſie umgekehrt werden kann in: Diebſtahl iſt<lb/> Eigenthum am Eigenthum. Aber auf den feinen politiſchen Tact möch-<lb/> ten wir hindeuten der darin liegt daß die gegenwärtige Militärherrſchaft,<lb/> ohne deren augenblicklich noch dauernden Fortbeſtand die reformatortſche<lb/> Organiſation wohl ſchwerlich die gehörige Kraſt entwickeln könnte, ſich<lb/> überall bei der Verſorgung der Armen an die Spitze ſtellt. Die „ver-<lb/> thierten“ Söldlinge der Demokraten überſchreiten ihrerſeits die Kluft die<lb/> bisher zwiſchen dem Nähr – und dem Wehrſtande ſich ausgebreitet hatte;<lb/> ſie erſcheinen in den Reihen der Bürger nicht als Stützen eines egoiſti-<lb/> ſchen Syſtems, ſondern als volle, warmfühlende Menſchen, und das muß<lb/><cb/> manchen aus den früheren Tagen noch herüberragenden damals vielleicht<lb/> begründeten Haß allmählich wegwiſchen. Die heutige „Wiener Zeitung“<lb/> enthält in ihrer Beilage einen „das Burgtheater“ überſchriebenen Feuille-<lb/> ton-Artikel, der, unzweifelbar aus der Feder des neuen artiſtiſchen Direc-<lb/> tors ſelbſt gefloſſen, noch mehr zwiſchen den Zeilen als in ihnen leſen<lb/> läßt. Laube’s Stellung ſcheint keineswegs eine dornenloſe zu ſeyn; und<lb/> das junge Deutſchland wird bei ſeinen äſthetiſchen Leiſtungen manche po-<lb/> litiſche Conceſſion machen müſſen, an die es wohl früher niemals gedacht<lb/> hat. Die Klagen über den Mangel einer deutſchen Nationalbühne ſind<lb/> ſo allgemein geworden daß ſie ſich wie gewiſſe Romane bereits in<lb/> den Regionen der Nätherinnen breit machen; wir müſſen es abwarten ob<lb/> eine Kraft die das deutſche Volk zu ſeinen Erſteren, wenn auch nicht im<lb/> politiſchen, aber doch im ſchöngeiſtigen Fache zu zählen gewohnt iſt, mit<lb/> den Mitteln eines Burgtheaters denſelben abzuſtellen im Stande ſeyn wird.<lb/> Der erwähnte Artikel iſt bei dem zu nehmenden Angriff aber keine muthvolle<lb/> Fanfare. — Wir haben unſerm Briefe vom 23 d. M. eine Berichtigung<lb/> hinzuzufügen: der Amerikaner hat, wie heute der „Oſtdeutſchen Poſt“ offt-<lb/> ciell geſchrieben wird, in Dresden nur deßwegen das nach Prag erbetene<lb/> Paßviſum nicht erhalten, „da in ſeinem Paſſe die zur Ertheilung des Vi-<lb/> ſums vorgezeichneten Bedingungen nicht erfüllt waren.“ Durch die nach-<lb/> trägliche Erfüllung derſelben iſt dem Yankee die freie Einfuhr geſtattet.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Wien,</hi> 29 Jan.</dateline><lb/> <p>Die Nachricht von der am 26 Januar ſtattge-<lb/> habten Annahme der k. Botſchaft in der zweiten preußiſchen Kammer hat hier<lb/> auf alle Kreiſe verblüffend gewirkt. War man auch von der guten Gefin-<lb/> nung der Kammermajorität im Herzen überzeugt — ſo große Entſagung<lb/> gegen die langeher aus Ueberzeugung vertheidigten Principien, ſoviel zarte<lb/> Rückficht für des Königs Gewiſſen hätte man ihr nicht zugetraut. Das<lb/> müſſen ſehr entſcheidende, zwingende Gründe ſeyn — ſo denkt man hier —<lb/> die eine Verſammlung von ſo nüchternen und überlegten Politikern zum<lb/> Abfall von ihrer Fahne beſtimmen konnten. Am wenigſten ſcheint das<lb/> Ereigniß in den hohen conſervativen Kreiſen zu gefallen. Wien und Ver-<lb/> lin, das weiß man, ſtehen unter ſich in einer merkwürdigen Wechſelver-<lb/> bindung. Der Telegraphendrath, der uns wechſelſeitig in wenigen Stun-<lb/> den Nachrichten von einander bringt, iſt wohl auch ebenſo ſehr ein Leiter<lb/> für den elektriſchen Funken der an einem oder andern Orte niederfährt.<lb/> Wie können wir hoffen zur Ruhe zu kommen, wenn in unſerer nächſten<lb/> Nähe die Gewitterwolken ſich ſo drohend thürmen? Für jetzt, wie geſagt,<lb/> gehören die Gerüchte, als ob auch bei uns ſofort eine ähnliche „Verbeſſe-<lb/> rung“ der octroyirten Verfaſſung zu erwarten ſtünde, in das Reich der<lb/> Märchen. Dazu bleibt jedeufalls noch ſpäter Zeit, wenn die neue Verfaſ-<lb/> ſung bei den Nachbarn ein Gewohntes geworden und die Untrüglichkeit<lb/> dieſes letzten Heilmittels von oben erprobt iſt. Sollte dieß gelingen, ja<lb/> dann wäre es allerdings möglich daß man von hier aus Revanche nähme<lb/> für den Dienſt den man Berlin und Preußen im October 1848 erwieſen,<lb/> doch früher gewiß nicht. Für jetzt iſt es wohl weit beſſer den Fehler des<lb/> vor kurzem noch ſo mächtigen Rivalen benützen, als aus Freundſchaft ſich<lb/> in dieſelbe Grube ſtürzen die er ſich gegraben. Wenn nichts die Gothaer<lb/> Partei und das hinter ihr ſtehende Volk in den kleinen deutſchen Staaten<lb/> zur Beſinnung zu bringen vermöchte, ſo wäre wohl dieſes Ereigniß dazu<lb/> geeignet. Kann ſie jetzt noch glauben daß an ein Feſthalten an der Ver-<lb/> faſſung vom 26 Mai zu denken ſey wo man ihr von Berlin aus ein ſo un-<lb/> zweideutiges Paroli gebogen, kann ſie noch jetzt auf einen deutſchen Bun-<lb/> desſtaat in dem Sinn wie ſie ihn anſtrebte, unter Heinrich v. Gagerns<lb/> Führung denken, wo, wenn nicht alles trügt, die mediatiſtrten Fürſten und<lb/> Grafen ſammt den Biſchöfen und Capiteln das Oberhaus in dieſem Bun-<lb/> desſtaat zu bilden berufen ſind? Und wird wohl, ſelbſt wenn ſie die Troſt-<lb/> loſtgkeit ihrer Stellung zu dieſer letzten Conceſſion gegen neuerliche Ge-<lb/> wiſſensſcrupel drängte, das arme, getäuſchte Volk auch ihn eingehen wol-<lb/> len, den Tauſch? Wahrlich es ſteht ſchlimm um das arme Deutſchland,<lb/> das nicht verdiente Gegenſtand des Spottes zu werden für ſeine Feinde.<lb/> Da tröſten wir uns noch lieber über unſern Belagerungszuſtand und zeit-<lb/> weilige ungrammatikaliſche Erlaſſe der hohen Ausnahmsbehörde. Daß<lb/> das allgemeine Intereſſe an den öffentlichen Angelegenheiten unter dem<lb/> Ausnahmszuſtande ſich nicht ſchwächt, konnte man geſtern bei dem Beginn<lb/> der Vorträge des <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Würth über die neue Strafproceßordnung deutlich<lb/> wahrnehmen. Obgleich der Saal in dem er ſeine Vorträge hält, wohl<lb/> an 600 Perſonen faßt, war der Andrang des Publicums doch ſo ſtark daß<lb/> gegen ein Drittheil unverrichteter Dinge wieder vor der Thür umkehren<lb/> mußte. Dabei ſah man nicht etwa bloß Studenten und Beamte oder Ad-<lb/> vocaten, ſondern Leute aus allen ſelbſt den untern Claſſen der Bevölke-<lb/> rung, und eine ſo geſpannte Aufmerkſamkeit wie ſich deren bieher noch<lb/> ſelten ein Profeſſor rühmen konnte — ein Reſultat, doppelt etfreulich<lb/> deßhalb weil das Intereſſe dießmal wirklich vorzugsweiſe dem Gegenſtand<lb/> galt. In Betreff der Differenzen zwiſchen der hieſtgen Handerekammer,<lb/> welche gern mehr gehört werden, und dem Handelsminiſterium, welches<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [517/0005]
gewußt. Dieſe beiden uckermärkiſch-pommeriſchen Grafen haben in der
That den Erfolg der königlichen Votſchaft entſchieden. Graf Schwerin
empfängt dafür beut in der „Deutſchen Reform“ eine halbofficielle Dank-
ſagung und Anerkennung. Durch ihn wurden ungemein viel Ueberläu-
fer aus Patiotismus gemacht, denn wenn man den ehrenwerthen Grafen
Schwerin auch nur für ein ſchwaches ſtaatsmänniſches Licht und für
ebenſo abgenutzt als alle unſere conſtitutionellen Größen hält, ſo wirkt
doch ſein moraliſches Anſehen ſehr auf die umſchlägige Menge der Abge-
ordneten. So ſind wir durch allerlei Zufälle in dieſe ſeltſamſte Lage von
der Welt gerathen, in der wir zugleich unſere deutſche Miſſion antreten
und verfechten ſollen. Der Erfurter Reichstag iſt vor der Thür, und
ebenſo ſind die Plane des Gegenbundes unter Oeſterreichs Fittig zum
Abſchluß gereift. Mit dieſem letztern beginnt der Schwerpunkt unſeres
engeren Bundesſtaats zu leiden, und er war nur durch das volksreprä-
ſentative Princip in deſſen weiteſter Bedeutung zu ſtützen!
Berlin, 30 Jan.
In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer
zeigte der Präfident der erſten Kammer an daß letztere in ihren geſtrigen
Sitzungen den Beſchlüſſen der zweiten Kammer, betreffs der königl. Bot-
ſchaft, vollſtändig beigetreten, und das Staatsminiſterium demgemäß be-
nachrichtigt ſey. Heute iſt auch nach dem C.-B. in Berathung der bei-
den Kammerpräſidenten mit dem Miniſterium das Schema und das
Programm für die Eidesleiſtung feſtgeſtellt worden, indeß über den Zeit-
punkt, letzterer noch nichts beſtimmt. Ein Gerücht geht daß die Eides-
leiſtung den 3 Febr. ſtattfinden ſolle; ein anderes wollte wiſſen der König
wünſche immer noch eine Verſchiebung des Eides.
Schleswig – Holſtein.
Kiel, 27 Jan.
Die Statthalterſchaft ſoll
beſchloſſen haben das jüngſte Antwortſchreiben aus Kopenhagen dahin zu
erwiedern daß man ſich auf eine directe Unterhandlung nicht mehr einlaſ-
ſen könne. Der Landesverſammlung iſt geſtern in geheimer Sitzung ein
aus Frankfurt eingetroffener Beſchluß der Bundescommiſſion mitgetheilt
worden, der allen Anzeichen nach ſehr günſtig für Schleswig-Holſtein
lautet.
Oeſterreich.
—Wien, 27 Jan.
Sind die öſterreichiſchen Blät-
ter heute leer an politiſchen Nachrichten, ſo ſind ſie wieder voll von Auf-
zeichnungen wohlthätiger Spenden. Es macht einen ſehr angenehmen
Eindruck zu ſehen, wie zu einer Zeit wo die Ungunſt der Witterung die
Laſt der Armuth noch ſchwerer macht, überall das ſo ächt menſchliche Mit-
gefühl ſich regt. Die nur aus dem Verſtande hervorgehenden ſtaatlichen
Bande, welche den Einzelnen an den Einzelnen, weil an das Ganze knüpfen,
nehmen dadurch eine gemüthliche Beimiſchung an, der Staat wird einer
großen Familie ähnlich; der tägliche Krieg aller gegen alle, der das
Grundgeſetz des unmittelbaren, des ökonomiſchen Lebens bildet, erhält
ſeine moraliſche Verſöhnung. Daß nicht allen geholfen werden kann,
ſelbſt wenn die Gaben noch ſo reichlich ausgetheilt würden, iſt eine alte
Wahrheit, der leider der Socialismus ſeine ſchärfſten negativen Waffen
verdankt, die aber, ſolange unſere phyſikaliſchen wie logiſchen Geſetze auf
der Erde fortbeſtehen, durch alle künſtlichen Verſuche nicht zur Unwahrheit
geſtempelt zu werden vermag. Wer von dem widerſinnigen Spruche
Proudhon’s: „Das Eigenthum iſt Diebſtahl“ ausgeht, der muß allerdings
eine jede wohlthätige Handlung als eine „Abſchlagszahlung des Räubers
an den Beſtohlenen“ anſehen; wer aber das Eigenthum als eine nothwen-
dige Grundbedingung des geſellſchaftlichen Beiſammenſeyns betrachtet,
ebenſo unveräußerlich für dasſelbe als die phyſtcaliſchen Geſetze für den
Fortbeſtand unſeres Erdkörvers, der erblickt in dem Almoſengeben eben-
ſowohl ein bewußtes Ueberſchreiten des in jedem Menſchen liegenden in-
dividuellen Egoismus, als in dem geiſtigen Streben des einzelnen zum
Wohle eines oder aller Mitmenſchen. Wir wollen hier nicht jenen Logi-
ker, der ſich faſt täglich im Pariſer Charivari abgebildet ſieht, auf das
Unlogiſche ſeines obigen Satzes des weiteren aufmerkſam machen, die
nämlich darin beſteht daß Diebſtahl ja immer ein Eigenthum vorausſetzt.
„Eigenthum iſt Diebſtahl“ kann demnach nichts anderes heißen als Ei-
genthum iſt Diebſtahl am Eigenthum; wenn nun aber Eigenthum gleich
Diebſtahl iſt, ſo bedeutet: „Eigenthum iſt Diebſtahl“, ſo viel als Eigen-
thum iſt Diebſtahl am Diebſtahl, welche „Diebſtahls“-Kette immer durch
die logiſche Nothwendigkeit, da Raub ein Eigenthum vorausſetzt, ins
unendliche verlängert, wie ſie umgekehrt werden kann in: Diebſtahl iſt
Eigenthum am Eigenthum. Aber auf den feinen politiſchen Tact möch-
ten wir hindeuten der darin liegt daß die gegenwärtige Militärherrſchaft,
ohne deren augenblicklich noch dauernden Fortbeſtand die reformatortſche
Organiſation wohl ſchwerlich die gehörige Kraſt entwickeln könnte, ſich
überall bei der Verſorgung der Armen an die Spitze ſtellt. Die „ver-
thierten“ Söldlinge der Demokraten überſchreiten ihrerſeits die Kluft die
bisher zwiſchen dem Nähr – und dem Wehrſtande ſich ausgebreitet hatte;
ſie erſcheinen in den Reihen der Bürger nicht als Stützen eines egoiſti-
ſchen Syſtems, ſondern als volle, warmfühlende Menſchen, und das muß
manchen aus den früheren Tagen noch herüberragenden damals vielleicht
begründeten Haß allmählich wegwiſchen. Die heutige „Wiener Zeitung“
enthält in ihrer Beilage einen „das Burgtheater“ überſchriebenen Feuille-
ton-Artikel, der, unzweifelbar aus der Feder des neuen artiſtiſchen Direc-
tors ſelbſt gefloſſen, noch mehr zwiſchen den Zeilen als in ihnen leſen
läßt. Laube’s Stellung ſcheint keineswegs eine dornenloſe zu ſeyn; und
das junge Deutſchland wird bei ſeinen äſthetiſchen Leiſtungen manche po-
litiſche Conceſſion machen müſſen, an die es wohl früher niemals gedacht
hat. Die Klagen über den Mangel einer deutſchen Nationalbühne ſind
ſo allgemein geworden daß ſie ſich wie gewiſſe Romane bereits in
den Regionen der Nätherinnen breit machen; wir müſſen es abwarten ob
eine Kraft die das deutſche Volk zu ſeinen Erſteren, wenn auch nicht im
politiſchen, aber doch im ſchöngeiſtigen Fache zu zählen gewohnt iſt, mit
den Mitteln eines Burgtheaters denſelben abzuſtellen im Stande ſeyn wird.
Der erwähnte Artikel iſt bei dem zu nehmenden Angriff aber keine muthvolle
Fanfare. — Wir haben unſerm Briefe vom 23 d. M. eine Berichtigung
hinzuzufügen: der Amerikaner hat, wie heute der „Oſtdeutſchen Poſt“ offt-
ciell geſchrieben wird, in Dresden nur deßwegen das nach Prag erbetene
Paßviſum nicht erhalten, „da in ſeinem Paſſe die zur Ertheilung des Vi-
ſums vorgezeichneten Bedingungen nicht erfüllt waren.“ Durch die nach-
trägliche Erfüllung derſelben iſt dem Yankee die freie Einfuhr geſtattet.
# Wien, 29 Jan.
Die Nachricht von der am 26 Januar ſtattge-
habten Annahme der k. Botſchaft in der zweiten preußiſchen Kammer hat hier
auf alle Kreiſe verblüffend gewirkt. War man auch von der guten Gefin-
nung der Kammermajorität im Herzen überzeugt — ſo große Entſagung
gegen die langeher aus Ueberzeugung vertheidigten Principien, ſoviel zarte
Rückficht für des Königs Gewiſſen hätte man ihr nicht zugetraut. Das
müſſen ſehr entſcheidende, zwingende Gründe ſeyn — ſo denkt man hier —
die eine Verſammlung von ſo nüchternen und überlegten Politikern zum
Abfall von ihrer Fahne beſtimmen konnten. Am wenigſten ſcheint das
Ereigniß in den hohen conſervativen Kreiſen zu gefallen. Wien und Ver-
lin, das weiß man, ſtehen unter ſich in einer merkwürdigen Wechſelver-
bindung. Der Telegraphendrath, der uns wechſelſeitig in wenigen Stun-
den Nachrichten von einander bringt, iſt wohl auch ebenſo ſehr ein Leiter
für den elektriſchen Funken der an einem oder andern Orte niederfährt.
Wie können wir hoffen zur Ruhe zu kommen, wenn in unſerer nächſten
Nähe die Gewitterwolken ſich ſo drohend thürmen? Für jetzt, wie geſagt,
gehören die Gerüchte, als ob auch bei uns ſofort eine ähnliche „Verbeſſe-
rung“ der octroyirten Verfaſſung zu erwarten ſtünde, in das Reich der
Märchen. Dazu bleibt jedeufalls noch ſpäter Zeit, wenn die neue Verfaſ-
ſung bei den Nachbarn ein Gewohntes geworden und die Untrüglichkeit
dieſes letzten Heilmittels von oben erprobt iſt. Sollte dieß gelingen, ja
dann wäre es allerdings möglich daß man von hier aus Revanche nähme
für den Dienſt den man Berlin und Preußen im October 1848 erwieſen,
doch früher gewiß nicht. Für jetzt iſt es wohl weit beſſer den Fehler des
vor kurzem noch ſo mächtigen Rivalen benützen, als aus Freundſchaft ſich
in dieſelbe Grube ſtürzen die er ſich gegraben. Wenn nichts die Gothaer
Partei und das hinter ihr ſtehende Volk in den kleinen deutſchen Staaten
zur Beſinnung zu bringen vermöchte, ſo wäre wohl dieſes Ereigniß dazu
geeignet. Kann ſie jetzt noch glauben daß an ein Feſthalten an der Ver-
faſſung vom 26 Mai zu denken ſey wo man ihr von Berlin aus ein ſo un-
zweideutiges Paroli gebogen, kann ſie noch jetzt auf einen deutſchen Bun-
desſtaat in dem Sinn wie ſie ihn anſtrebte, unter Heinrich v. Gagerns
Führung denken, wo, wenn nicht alles trügt, die mediatiſtrten Fürſten und
Grafen ſammt den Biſchöfen und Capiteln das Oberhaus in dieſem Bun-
desſtaat zu bilden berufen ſind? Und wird wohl, ſelbſt wenn ſie die Troſt-
loſtgkeit ihrer Stellung zu dieſer letzten Conceſſion gegen neuerliche Ge-
wiſſensſcrupel drängte, das arme, getäuſchte Volk auch ihn eingehen wol-
len, den Tauſch? Wahrlich es ſteht ſchlimm um das arme Deutſchland,
das nicht verdiente Gegenſtand des Spottes zu werden für ſeine Feinde.
Da tröſten wir uns noch lieber über unſern Belagerungszuſtand und zeit-
weilige ungrammatikaliſche Erlaſſe der hohen Ausnahmsbehörde. Daß
das allgemeine Intereſſe an den öffentlichen Angelegenheiten unter dem
Ausnahmszuſtande ſich nicht ſchwächt, konnte man geſtern bei dem Beginn
der Vorträge des Dr. Würth über die neue Strafproceßordnung deutlich
wahrnehmen. Obgleich der Saal in dem er ſeine Vorträge hält, wohl
an 600 Perſonen faßt, war der Andrang des Publicums doch ſo ſtark daß
gegen ein Drittheil unverrichteter Dinge wieder vor der Thür umkehren
mußte. Dabei ſah man nicht etwa bloß Studenten und Beamte oder Ad-
vocaten, ſondern Leute aus allen ſelbſt den untern Claſſen der Bevölke-
rung, und eine ſo geſpannte Aufmerkſamkeit wie ſich deren bieher noch
ſelten ein Profeſſor rühmen konnte — ein Reſultat, doppelt etfreulich
deßhalb weil das Intereſſe dießmal wirklich vorzugsweiſe dem Gegenſtand
galt. In Betreff der Differenzen zwiſchen der hieſtgen Handerekammer,
welche gern mehr gehört werden, und dem Handelsminiſterium, welches
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(2021-08-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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