Allgemeine Zeitung, Nr. 33, 15. August 1914.15. August 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
ganzen Grenze Ost- und Mittelgaliziens erneuten die Russen ihreVersuche, in österreichisches Gebiet einzufallen. Außer Kavallerie traten auch Infanterie-Abteilungen mit Geschützen in Tätigkeit. Trotzdem vermochte der österreichische Grenzschutz alle Angriffe ab- zuwehren. Die von den Oesterreichern hiebei erlittenen Verluste sind noch nicht genau bekannt, sind aber geringfügig. Ein besonders heftiger Kampf entspann sich mit zwei Sotnien Kosaken. Der an- gegriffene Grenzposten hielt den Feind auf und nahm ihm neun Pferde, die von einigen im Reiten geübten Soldaten des Postens sofort benutzt wurden, um eine Attacke zu reiten. Dies veranlaßte die durch das Feuer schon arg mitgenommenen Kosaken zur eiligen Räumung des Gefechtsfeldes, auf dem sie 90 Tote und Verwundete zurückließen. Die Oesterreicher hatten keine Verluste. Eine öster- reichische Grenzabteilung, die von Oesterreichisch-Nowosielitza über die Mohilewhöhe bis zum gleichnamigen russischen Grenzort vorge- drungen war, wehrte eine Reihe überlegener Angriffe ab. Da mit dem Vorstoß der beabsichtigte Zweck inzwischen erfüllt war, erhielt die Abteilung den Befehl, die frühere Stellung wieder einzunehmen, die weiter behauptet wird. Im Verlauf der mehrtägigen Kämpfe von Beginn des Vorstoßes an bis zum Einrücken in die frühere Stellung büßte die Abteilung vier Tote und fünf Verwundete ein. Die von den österreichischen Grenztruppen zur Lösung besonderer Aufgaben unternommenen kleineren Vorstöße wurden erfolgreich durchgeführt. Das Blatt Gazette Poraanna meldet aus Krakau vom 8. Aug., Auf dem südlichen Kriegsschauplatz zeigten die Montenegriner Die Wiener "Neue Freie Presse" erhält nachstehenden kleinen Eine Mahnung. Wir veröffentlichen nachstehendes, uns zur Verfügung gestellte München, 9. August 1914. Herrn Rev. Cowling Kaplan der engl. Kirche München, Karlsplatz 5. Mein hochwürdiger und hochverehrter Freund! Inmitten alles dessen, was dieser ruchlos heraufgeführte Krieg 15. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
ganzen Grenze Oſt- und Mittelgaliziens erneuten die Ruſſen ihreVerſuche, in öſterreichiſches Gebiet einzufallen. Außer Kavallerie traten auch Infanterie-Abteilungen mit Geſchützen in Tätigkeit. Trotzdem vermochte der öſterreichiſche Grenzſchutz alle Angriffe ab- zuwehren. Die von den Oeſterreichern hiebei erlittenen Verluſte ſind noch nicht genau bekannt, ſind aber geringfügig. Ein beſonders heftiger Kampf entſpann ſich mit zwei Sotnien Koſaken. Der an- gegriffene Grenzpoſten hielt den Feind auf und nahm ihm neun Pferde, die von einigen im Reiten geübten Soldaten des Poſtens ſofort benutzt wurden, um eine Attacke zu reiten. Dies veranlaßte die durch das Feuer ſchon arg mitgenommenen Koſaken zur eiligen Räumung des Gefechtsfeldes, auf dem ſie 90 Tote und Verwundete zurückließen. Die Oeſterreicher hatten keine Verluſte. Eine öſter- reichiſche Grenzabteilung, die von Oeſterreichiſch-Nowoſielitza über die Mohilewhöhe bis zum gleichnamigen ruſſiſchen Grenzort vorge- drungen war, wehrte eine Reihe überlegener Angriffe ab. Da mit dem Vorſtoß der beabſichtigte Zweck inzwiſchen erfüllt war, erhielt die Abteilung den Befehl, die frühere Stellung wieder einzunehmen, die weiter behauptet wird. Im Verlauf der mehrtägigen Kämpfe von Beginn des Vorſtoßes an bis zum Einrücken in die frühere Stellung büßte die Abteilung vier Tote und fünf Verwundete ein. Die von den öſterreichiſchen Grenztruppen zur Löſung beſonderer Aufgaben unternommenen kleineren Vorſtöße wurden erfolgreich durchgeführt. Das Blatt Gazette Poraanna meldet aus Krakau vom 8. Aug., Auf dem ſüdlichen Kriegsſchauplatz zeigten die Montenegriner Die Wiener „Neue Freie Preſſe“ erhält nachſtehenden kleinen Eine Mahnung. Wir veröffentlichen nachſtehendes, uns zur Verfügung geſtellte München, 9. Auguſt 1914. Herrn Rev. Cowling Kaplan der engl. Kirche München, Karlsplatz 5. Mein hochwürdiger und hochverehrter Freund! Inmitten alles deſſen, was dieſer ruchlos heraufgeführte Krieg <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0007" n="513"/><fw place="top" type="header">15. Auguſt 1914. <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/><cb/> ganzen Grenze Oſt- und Mittelgaliziens erneuten die Ruſſen ihre<lb/> Verſuche, in öſterreichiſches Gebiet einzufallen. Außer Kavallerie<lb/> traten auch Infanterie-Abteilungen mit Geſchützen in Tätigkeit.<lb/> Trotzdem vermochte der öſterreichiſche Grenzſchutz alle Angriffe ab-<lb/> zuwehren. Die von den Oeſterreichern hiebei erlittenen Verluſte<lb/> ſind noch nicht genau bekannt, ſind aber geringfügig. Ein beſonders<lb/> heftiger Kampf entſpann ſich mit zwei Sotnien Koſaken. Der an-<lb/> gegriffene Grenzpoſten hielt den Feind auf und nahm ihm neun<lb/> Pferde, die von einigen im Reiten geübten Soldaten des Poſtens<lb/> ſofort benutzt wurden, um eine Attacke zu reiten. Dies veranlaßte<lb/> die durch das Feuer ſchon arg mitgenommenen Koſaken zur eiligen<lb/> Räumung des Gefechtsfeldes, auf dem ſie 90 Tote und Verwundete<lb/> zurückließen. Die Oeſterreicher hatten keine Verluſte. Eine öſter-<lb/> reichiſche Grenzabteilung, die von Oeſterreichiſch-Nowoſielitza über<lb/> die Mohilewhöhe bis zum gleichnamigen ruſſiſchen Grenzort vorge-<lb/> drungen war, wehrte eine Reihe überlegener Angriffe ab. Da mit<lb/> dem Vorſtoß der beabſichtigte Zweck inzwiſchen erfüllt war, erhielt<lb/> die Abteilung den Befehl, die frühere Stellung wieder einzunehmen,<lb/> die weiter behauptet wird. Im Verlauf der mehrtägigen Kämpfe<lb/> von Beginn des Vorſtoßes an bis zum Einrücken in die frühere<lb/> Stellung büßte die Abteilung vier Tote und fünf Verwundete ein.<lb/> Die von den öſterreichiſchen Grenztruppen zur Löſung beſonderer<lb/> Aufgaben unternommenen kleineren Vorſtöße wurden erfolgreich<lb/> durchgeführt.</p><lb/> <p>Das Blatt Gazette Poraanna meldet aus Krakau vom 8. Aug.,<lb/> daß 800 galiziſche Jungſchützen unter Hauptmann Frank in der<lb/> Nacht etwa tauſend meiſt ſchlafende Koſaken überfielen. Der Kampf<lb/> dauerte einige Stunden und endete mit dem vollſtändigen Rückzug<lb/> der Koſaken, die etwa 400 Tote und Verwundete hatten. Haupt-<lb/> mann Frank hatte 140 Verwundete und beſetzte Mieſchow. Die<lb/> Jungſchützen haben ihren Marſch nordwärts nach Kſiaz fortgeſetzt,<lb/> das nach kurzem Scharmützel beſetzt wurde. Die Ruſſen ließen hier<lb/> Tote, Verwundete und bedeutende Proviantvorräte zurück. 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Am 9 Auguſt<lb/> in der Frühe verſuchte eine andere montenegriniſche Kolonne den<lb/> Poſten Gad bei Autovac zu überfallen, die Beſatzung wies jedoch<lb/> den Anſchlag zurück.</p><lb/> <p>Die Wiener „Neue Freie Preſſe“ erhält nachſtehenden kleinen<lb/> Stimmungsbericht, den die „Albaneſiſche Korreſpondenz“ aus Salo-<lb/> niki vermittelt: Alle Nachrichten, die aus dem ſerbiſchen Teil Maze-<lb/> doniens hier eintreffen, berichten von einer wachſenden Erregung<lb/> der Bevölkerung gegen die Serben. Der allgemeine Aufruf zu den<lb/> Waffen, der von ſerbiſcher Seite an die Bevölkerung der neuerober-<lb/> ten Gebiete ergangen iſt, hat einen ſehr mangelhaften Erfolg ge-<lb/> habt. Sowohl die albaneſiſche als auch die bulgariſche Bevölkerung<lb/> hat es abgelehnt, ihm Folge zu leiſten. In dieſem Teil der Bevöl-<lb/> kerung ſieht man vielmehr den Augenblick für gekommen, um die<lb/> verhaßte ſerbiſche Herrſchaft abzuſchütteln. Die umfaſſende und<lb/> mit den brutalſten Mitteln durchgeführte Requiſition von Vieh und<lb/> Lebensmitteln für das ſerbiſche Heer hat in ganz Mazedonien die<lb/> Erregung vergrößert und in einigen Gegenden ſogar zu offener<lb/> Auflehnung geführt. Angeſichts der drohenden Haltung der bul-<lb/> gariſchen Bevölkerung Mazedoniens liefern die ſerbiſchen Behörden<lb/> der mohammedaniſchen Bevölkerung Waffen aus und ſuchen dieſe<lb/> gegen die Bulgaren aufzureizen. In vielen Orten ſind Verhaf-<lb/> tungen vorgenommen worden. In der Umgebung von Monaſtir<lb/> flüchtete die Bevölkerung mit ihrem Vieh ins Gebirge.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Eine Mahnung.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Wir veröffentlichen nachſtehendes, uns zur Verfügung geſtellte<lb/> Schreiben, weil es für unſern Leſerkreis und weit darüber hinaus<lb/> als ein Zeitdokument von Intereſſe ſein wird. 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Grey verſucht hat, dieſe Handlungs-<lb/> weiſe zu begründen, iſt nichts, aber auch nicht das allergeringſte von<lb/> dem zu erkennen, was man Gefühl für Recht und Unrecht, für<lb/> Ehre und Schande nennen kann, und vor allem nicht die leiſeſte<lb/> Spur von dem Bewußtſein einer ſittlichen Verantwortlichkeit, ge-<lb/> ſchweige von einem chriſtlichen Gewiſſen. Wäre von alledem auch<lb/> nur ein beſcheidenes Maß vorhanden geweſen, ſo hätte die engliſche<lb/> Regierung von vorneherein mit unzweideutiger Entſchiedenheit von<lb/> ſich weiſen müſſen, in einem Krieg wie dieſem an die Seite Rußlands<lb/> zu treten: und ſie hätte damit aller Wahrſcheinlichkeit nach die Lokali-<lb/> ſierung des Krieges auf Oeſterreich und Serbien, unzweifelhaft aber<lb/> die Iſolierung Rußlands erreicht und die Ausbreitung des Krieges<lb/> auf Weſteuropa verhindert.<lb/> Wenn dies nicht geſchehen iſt, und wenn es nun wirklich dazu<lb/> kommt, daß in einem Meer von Blut und Tränen alles untergeht,<lb/> was man weſteuropäiſche Kultur zu nennen gewohnt war, ſo<lb/> trägt England daran die Schuld: und nicht nur an all dem undenk-<lb/> baren Jammer und Herzeleid, nicht nur an einem wirtſchaftlichen<lb/> Zuſammenbruch ohnegleichen, ſondern, was vielleicht noch furcht-<lb/> barer iſt, an dem tödlichen Haß, der insbeſondere die eigentlichen<lb/> Träger der abendländiſchen Kultur, die Deutſchen und die Engländer,<lb/> auf Menſchenalter hinaus in unverſöhnlicher Feindſchaft voneinan-<lb/> der reißen wird: ein Aergernis ſchwerſter Art für jedes aufrichtige<lb/> chriſtliche Gemüt, ein Anſtoß für den Glauben, eine ſtarke Ver-<lb/> ſuchung zum Unglauben, ein Triumph für den Teufel.<lb/> Meine Frage aber iſt die: was werden die engliſchen Chriſten<lb/> innerhalb und außerhalb der Staatskirche tun, um ſich von der Mit-<lb/> ſchuld für dieſes ungeheure Verbrechen an der Menſchheit im allge-<lb/> meinen und an der Chriſtenheit im beſonderen frei zu machen?<lb/> Was werden insbeſondere diejenigen unter ihnen tun, welche, wie<lb/> Sie ſelbſt, mein hochwürdiger und hochverehrter Freund, genau<lb/> wiſſen, wie unermeßlich viel aufrichtige, treue, tatkräftige Liebe für<lb/> England in deutſchen Herzen gewohnt hat: in Herzen, die ſich nun<lb/> mit Grauen und Abſcheu, und, es kann nicht anders ſein, mit Er-<lb/> bitterung, ja mit unauslöſchlichem Haß von einem Staatsweſen ab-<lb/> wenden, das ſich chriſtlich nennt, und das ſich doch nicht ſcheut, ſeine<lb/> gewaltige Macht in die Schale des Krieges (und was für eines<lb/> Krieges!) gegen den Frieden zu werfen, in die Schale des Unrechts<lb/> und der Lüge gegen Wahrheit und ſonnenklares Recht: gemeinſame<lb/> Sache zu machen mit den Meuchelmördern in Serajevo, ihren ſer-<lb/> biſchen Hintermännern und deren ruſſiſchen Beſchützern! Was wer-<lb/> den, ſo frage ich, die engliſchen Chriſten tun? Und dieſe Frage richte<lb/> ich auch an Sie.<lb/> Sie haben geſtern davon geſprochen, daß Sie am liebſten nie<lb/> mehr nach England zurückkehren würden. Iſt es aber nicht vielmehr<lb/> Ihre heilige Pflicht und die Pflicht aller derer, welche uns Deutſche<lb/> kennen gelernt haben, wie Sie uns kennen, daß ſie je eher je lieber<lb/> nach England zurückkehren und dort Zeugnis ablegen gegen einen<lb/> Krieg, der England ſchändet, wie noch nie ein hochſtehendes Volk<lb/> ſich ſelbſt geſchändet hat, der die weſteuropäiſche Kulturgemeinſchaft<lb/> in Fetzen reißt, und aus dem England, mag nun der Ausgang ſein<lb/> wie immer, mit einer Laſt von Haß und Verachtung hervorgehen<lb/> wird, an der auch die verhärtetſten engliſchen Gemüter (und neben-<lb/> bei auch die engliſchen Geſchäftsintereſſen) überaus ſchwer zu tragen<lb/> haben werden.<lb/> Es gibt noch eine andere Frage, die ich immer wieder mir ſelbſt<lb/> vorlege: die Frage, ob es angeſichts der engliſchen Kriegserklärung<lb/> für unſereinen noch möglich iſt, zu irgend einem Engländer in irgend<lb/> etwas wie freundſchaftlichen Beziehungen zu bleiben, auch zu einem<lb/> Engländer wie Sie, der Sie das ganze Unrecht Ihrer Regierung<lb/> erkennen und anerkennen. Ich kann nicht ſagen, wie namenlos<lb/> ſchmerzlich dieſe Frage für mich iſt; Sie wiſſen es ja, daß ich in<lb/> unſere Freundſchaft mein ganzes, volles Herz gelegt habe. Aber<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [513/0007]
15. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
ganzen Grenze Oſt- und Mittelgaliziens erneuten die Ruſſen ihre
Verſuche, in öſterreichiſches Gebiet einzufallen. Außer Kavallerie
traten auch Infanterie-Abteilungen mit Geſchützen in Tätigkeit.
Trotzdem vermochte der öſterreichiſche Grenzſchutz alle Angriffe ab-
zuwehren. Die von den Oeſterreichern hiebei erlittenen Verluſte
ſind noch nicht genau bekannt, ſind aber geringfügig. Ein beſonders
heftiger Kampf entſpann ſich mit zwei Sotnien Koſaken. Der an-
gegriffene Grenzpoſten hielt den Feind auf und nahm ihm neun
Pferde, die von einigen im Reiten geübten Soldaten des Poſtens
ſofort benutzt wurden, um eine Attacke zu reiten. Dies veranlaßte
die durch das Feuer ſchon arg mitgenommenen Koſaken zur eiligen
Räumung des Gefechtsfeldes, auf dem ſie 90 Tote und Verwundete
zurückließen. Die Oeſterreicher hatten keine Verluſte. Eine öſter-
reichiſche Grenzabteilung, die von Oeſterreichiſch-Nowoſielitza über
die Mohilewhöhe bis zum gleichnamigen ruſſiſchen Grenzort vorge-
drungen war, wehrte eine Reihe überlegener Angriffe ab. Da mit
dem Vorſtoß der beabſichtigte Zweck inzwiſchen erfüllt war, erhielt
die Abteilung den Befehl, die frühere Stellung wieder einzunehmen,
die weiter behauptet wird. Im Verlauf der mehrtägigen Kämpfe
von Beginn des Vorſtoßes an bis zum Einrücken in die frühere
Stellung büßte die Abteilung vier Tote und fünf Verwundete ein.
Die von den öſterreichiſchen Grenztruppen zur Löſung beſonderer
Aufgaben unternommenen kleineren Vorſtöße wurden erfolgreich
durchgeführt.
Das Blatt Gazette Poraanna meldet aus Krakau vom 8. Aug.,
daß 800 galiziſche Jungſchützen unter Hauptmann Frank in der
Nacht etwa tauſend meiſt ſchlafende Koſaken überfielen. Der Kampf
dauerte einige Stunden und endete mit dem vollſtändigen Rückzug
der Koſaken, die etwa 400 Tote und Verwundete hatten. Haupt-
mann Frank hatte 140 Verwundete und beſetzte Mieſchow. Die
Jungſchützen haben ihren Marſch nordwärts nach Kſiaz fortgeſetzt,
das nach kurzem Scharmützel beſetzt wurde. Die Ruſſen ließen hier
Tote, Verwundete und bedeutende Proviantvorräte zurück. Es
heißt, daß auch Pilitza und Kielce von den Ruſſen geräumt worden
ſind. Unter den polniſchen Jungſchützen herrſcht große Begeiſterung.
Auf dem ſüdlichen Kriegsſchauplatz zeigten die Montenegriner
große Angriffsluſt gegen die öſterreichiſch-ungariſche Grenze.
Am 8. Auguſt brachen ſie in einer Stärke von 4000
Mann gegen die Grenzpoſten öſtlich der Feſtung Trebinje vor,
Der Verluſt der Oeſterreicher betrug einen Offizier und 21 Mann,
während 200 Montenegriner getötet wurden. Ferner ſah man ſie
zahlreiche Schwerverwundete mit zurückſchleppen. Am 9 Auguſt
in der Frühe verſuchte eine andere montenegriniſche Kolonne den
Poſten Gad bei Autovac zu überfallen, die Beſatzung wies jedoch
den Anſchlag zurück.
Die Wiener „Neue Freie Preſſe“ erhält nachſtehenden kleinen
Stimmungsbericht, den die „Albaneſiſche Korreſpondenz“ aus Salo-
niki vermittelt: Alle Nachrichten, die aus dem ſerbiſchen Teil Maze-
doniens hier eintreffen, berichten von einer wachſenden Erregung
der Bevölkerung gegen die Serben. Der allgemeine Aufruf zu den
Waffen, der von ſerbiſcher Seite an die Bevölkerung der neuerober-
ten Gebiete ergangen iſt, hat einen ſehr mangelhaften Erfolg ge-
habt. Sowohl die albaneſiſche als auch die bulgariſche Bevölkerung
hat es abgelehnt, ihm Folge zu leiſten. In dieſem Teil der Bevöl-
kerung ſieht man vielmehr den Augenblick für gekommen, um die
verhaßte ſerbiſche Herrſchaft abzuſchütteln. Die umfaſſende und
mit den brutalſten Mitteln durchgeführte Requiſition von Vieh und
Lebensmitteln für das ſerbiſche Heer hat in ganz Mazedonien die
Erregung vergrößert und in einigen Gegenden ſogar zu offener
Auflehnung geführt. Angeſichts der drohenden Haltung der bul-
gariſchen Bevölkerung Mazedoniens liefern die ſerbiſchen Behörden
der mohammedaniſchen Bevölkerung Waffen aus und ſuchen dieſe
gegen die Bulgaren aufzureizen. In vielen Orten ſind Verhaf-
tungen vorgenommen worden. In der Umgebung von Monaſtir
flüchtete die Bevölkerung mit ihrem Vieh ins Gebirge.
Eine Mahnung.
Wir veröffentlichen nachſtehendes, uns zur Verfügung geſtellte
Schreiben, weil es für unſern Leſerkreis und weit darüber hinaus
als ein Zeitdokument von Intereſſe ſein wird. Der Verfaſſer des
Briefes iſt mit dem engliſchen Adreſſaten in jahrelanger Freund-
ſchaft verbunden geweſen. Es iſt anzunehmen daß ſein mahnendes
Wort auch den Weg nach England finden wird.
München, 9. Auguſt 1914.
Herrn
Rev. Cowling
Kaplan der engl. Kirche
München, Karlsplatz 5.
Mein hochwürdiger und hochverehrter Freund!
Inmitten alles deſſen, was dieſer ruchlos heraufgeführte Krieg
über uns bringt, kann ich nicht aufhören, Ihrer zu gedenken. Dabei
kehren aber meine Gedanken immer wieder zu einer Frage zurück,
die mich nicht zur Ruhe kommen läßt.
In der Handlungsweiſe der engliſchen Regierung, auch in den
Worten, mit welchen Sir Ed. Grey verſucht hat, dieſe Handlungs-
weiſe zu begründen, iſt nichts, aber auch nicht das allergeringſte von
dem zu erkennen, was man Gefühl für Recht und Unrecht, für
Ehre und Schande nennen kann, und vor allem nicht die leiſeſte
Spur von dem Bewußtſein einer ſittlichen Verantwortlichkeit, ge-
ſchweige von einem chriſtlichen Gewiſſen. Wäre von alledem auch
nur ein beſcheidenes Maß vorhanden geweſen, ſo hätte die engliſche
Regierung von vorneherein mit unzweideutiger Entſchiedenheit von
ſich weiſen müſſen, in einem Krieg wie dieſem an die Seite Rußlands
zu treten: und ſie hätte damit aller Wahrſcheinlichkeit nach die Lokali-
ſierung des Krieges auf Oeſterreich und Serbien, unzweifelhaft aber
die Iſolierung Rußlands erreicht und die Ausbreitung des Krieges
auf Weſteuropa verhindert.
Wenn dies nicht geſchehen iſt, und wenn es nun wirklich dazu
kommt, daß in einem Meer von Blut und Tränen alles untergeht,
was man weſteuropäiſche Kultur zu nennen gewohnt war, ſo
trägt England daran die Schuld: und nicht nur an all dem undenk-
baren Jammer und Herzeleid, nicht nur an einem wirtſchaftlichen
Zuſammenbruch ohnegleichen, ſondern, was vielleicht noch furcht-
barer iſt, an dem tödlichen Haß, der insbeſondere die eigentlichen
Träger der abendländiſchen Kultur, die Deutſchen und die Engländer,
auf Menſchenalter hinaus in unverſöhnlicher Feindſchaft voneinan-
der reißen wird: ein Aergernis ſchwerſter Art für jedes aufrichtige
chriſtliche Gemüt, ein Anſtoß für den Glauben, eine ſtarke Ver-
ſuchung zum Unglauben, ein Triumph für den Teufel.
Meine Frage aber iſt die: was werden die engliſchen Chriſten
innerhalb und außerhalb der Staatskirche tun, um ſich von der Mit-
ſchuld für dieſes ungeheure Verbrechen an der Menſchheit im allge-
meinen und an der Chriſtenheit im beſonderen frei zu machen?
Was werden insbeſondere diejenigen unter ihnen tun, welche, wie
Sie ſelbſt, mein hochwürdiger und hochverehrter Freund, genau
wiſſen, wie unermeßlich viel aufrichtige, treue, tatkräftige Liebe für
England in deutſchen Herzen gewohnt hat: in Herzen, die ſich nun
mit Grauen und Abſcheu, und, es kann nicht anders ſein, mit Er-
bitterung, ja mit unauslöſchlichem Haß von einem Staatsweſen ab-
wenden, das ſich chriſtlich nennt, und das ſich doch nicht ſcheut, ſeine
gewaltige Macht in die Schale des Krieges (und was für eines
Krieges!) gegen den Frieden zu werfen, in die Schale des Unrechts
und der Lüge gegen Wahrheit und ſonnenklares Recht: gemeinſame
Sache zu machen mit den Meuchelmördern in Serajevo, ihren ſer-
biſchen Hintermännern und deren ruſſiſchen Beſchützern! Was wer-
den, ſo frage ich, die engliſchen Chriſten tun? Und dieſe Frage richte
ich auch an Sie.
Sie haben geſtern davon geſprochen, daß Sie am liebſten nie
mehr nach England zurückkehren würden. Iſt es aber nicht vielmehr
Ihre heilige Pflicht und die Pflicht aller derer, welche uns Deutſche
kennen gelernt haben, wie Sie uns kennen, daß ſie je eher je lieber
nach England zurückkehren und dort Zeugnis ablegen gegen einen
Krieg, der England ſchändet, wie noch nie ein hochſtehendes Volk
ſich ſelbſt geſchändet hat, der die weſteuropäiſche Kulturgemeinſchaft
in Fetzen reißt, und aus dem England, mag nun der Ausgang ſein
wie immer, mit einer Laſt von Haß und Verachtung hervorgehen
wird, an der auch die verhärtetſten engliſchen Gemüter (und neben-
bei auch die engliſchen Geſchäftsintereſſen) überaus ſchwer zu tragen
haben werden.
Es gibt noch eine andere Frage, die ich immer wieder mir ſelbſt
vorlege: die Frage, ob es angeſichts der engliſchen Kriegserklärung
für unſereinen noch möglich iſt, zu irgend einem Engländer in irgend
etwas wie freundſchaftlichen Beziehungen zu bleiben, auch zu einem
Engländer wie Sie, der Sie das ganze Unrecht Ihrer Regierung
erkennen und anerkennen. Ich kann nicht ſagen, wie namenlos
ſchmerzlich dieſe Frage für mich iſt; Sie wiſſen es ja, daß ich in
unſere Freundſchaft mein ganzes, volles Herz gelegt habe. Aber
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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