Allgemeine Zeitung, Nr. 342, 10. Dezember 1890.Nr. 342. -- 92. Jahrgang. Morgenblatt. München, Mittwoch, 10. December 1890.Abonnementspreis Direkter Bezug Allgemeine Zeitung. Insertionspreis Redaktion u. Expedi- Verichte sind an die Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle, 30 Lime Sir. London; für Frankreich, [Abbildung]
Inseratenannahme in München b. d. Expedition, Schwanthakerstraße 73, ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Inhalts-Uebersicht. Die Anfänge der neueren Schutzzollbewegung. München, 9. December. Die Anfänge der neueren Schutzzollbewegung. G. M. Das Actenstück, welches die Begründung des neuen Daß diese Darstellung von der Wahrheit abweicht, ist In sehr lehrreicher Weise zeigt Matlekovits bei seiner Dar- "In Deutschland war um diese Zeit" -- so sagt Matle- Die angeführten Thatsachen beweisen, daß es eine Ge- Zur Schulfrage in Preußen. §§ Berlin, 8. Dec. Die Beurtheilung der Rede, mit Feuilleton. (Nachdruck verboten.) An der Loire. November-December 1870. x In diesen Tagen, welche auch äußerlich an den Winter- Und Abends, wenn "daheim" sie um den behaglichen war- So ging es hinaus in die Winterlandschaft, fast immer Es geht los; so hieß es anfangs, als noch die Bataillone Anders gestaltet sich das Bild nach dem 2. December, Furchtbar waren allerdings die Opfer und außergewöhn- Um einen vergleichenden Maßstab zu geben, wie schwer Nachdem Orleans in Folge der Schlacht von Coulmiers Die Operationen der Armeeabtheilung vom 16. bis 28. No- Auf dem äußersten Flügel der in weitem Bogen den Wald Nr. 342. — 92. Jahrgang. Morgenblatt. München, Mittwoch, 10. December 1890.Abonnementspreis Direkter Bezug Allgemeine Zeitung. Inſertionspreis Redaktion u. Expedi- Verichte ſind an die Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. Siegle, 30 Lime Sir. London; für Frankreich, [Abbildung]
Inſeratenannahme in München b. d. Expedition, Schwanthakerſtraße 73, ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Inhalts-Ueberſicht. Die Anfänge der neueren Schutzzollbewegung. München, 9. December. Die Anfänge der neueren Schutzzollbewegung. G. M. Das Actenſtück, welches die Begründung des neuen Daß dieſe Darſtellung von der Wahrheit abweicht, iſt In ſehr lehrreicher Weiſe zeigt Matlekovits bei ſeiner Dar- „In Deutſchland war um dieſe Zeit“ — ſo ſagt Matle- Die angeführten Thatſachen beweiſen, daß es eine Ge- Zur Schulfrage in Preußen. §§ Berlin, 8. Dec. Die Beurtheilung der Rede, mit Feuilleton. (Nachdruck verboten.) An der Loire. November-December 1870. × In dieſen Tagen, welche auch äußerlich an den Winter- Und Abends, wenn „daheim“ ſie um den behaglichen war- So ging es hinaus in die Winterlandſchaft, faſt immer Es geht los; ſo hieß es anfangs, als noch die Bataillone Anders geſtaltet ſich das Bild nach dem 2. December, Furchtbar waren allerdings die Opfer und außergewöhn- Um einen vergleichenden Maßſtab zu geben, wie ſchwer Nachdem Orléans in Folge der Schlacht von Coulmiers Die Operationen der Armeeabtheilung vom 16. bis 28. No- Auf dem äußerſten Flügel der in weitem Bogen den Wald <TEI> <text> <pb facs="#f0001"/> <front> <titlePage type="heading"> <docDate>Nr. 342. — 92. Jahrgang.</docDate> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Morgenblatt.</hi> </titlePart> </docTitle> <docDate><hi rendition="#b">München, Mittwoch,</hi> 10. December 1890.</docDate> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <p>Abonnementspreis<lb/> in München b. d. Ex-<lb/> pedition oder den im<lb/> Stadtbezirk errichte-<lb/> ten Depots abgeholt<lb/> monatt. M. 2. —, bei<lb/> 2malig. Zuſtellung ins<lb/> Haus M. 2.50; durch<lb/> d. <hi rendition="#g">Poſt</hi> bezogen: vier-<lb/> teljährlich f. Deutſchl.<lb/> u. Oeſterreich M. 9. —,<lb/> für d. Ausl. mit ent-<lb/> ſprechendem Zuſchlag.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Direkter</hi> Bezug<lb/> unter Sireifband für<lb/> Deutſchland<lb/> n. Oeſterreich monalk.<lb/> M. 4. —, Ausland<lb/> M. 5. 60.</p> </div><lb/> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main">Allgemeine Zeitung.</titlePart> </docTitle> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition" n="1"> <p>Inſertionspreis<lb/> p. Colonelzeile 25 Pf.;<lb/> financielle Anzeigen<lb/> 35 Pf.; Lokalanzeigen<lb/> 20 Pf.; kleine Anzei-<lb/> gen i. gewöhnl Schrift<lb/> 3 Pf.; in ſetter Schrift<lb/> 5 Pf. für das Wort.</p><lb/> <p>Redaktion u. Expedi-<lb/> tion befindon ſich<lb/> Schwanthalerſtr. 73<lb/> in München.</p><lb/> <p>Verichte ſind an die<lb/> Redaktion, Inſerat-<lb/> aufträge an die Ex-<lb/> pedition franko einzu-<lb/> ſenden.</p><lb/> <p><hi rendition="#b">Abonnements für das Ausland</hi> nehmen an: für England A. <hi rendition="#g">Siegle,</hi> 30 Lime Sir. London; für Frankreich,<lb/> Portugal und Spanien A. <hi rendition="#g">Ammel</hi> und C. <hi rendition="#g">Klinckſieck</hi> in Paris; für Italien H. <hi rendition="#g">Loeſcher</hi> und <hi rendition="#g">Frat. Bocca</hi> in Turin, Florenz und Rom, U. <hi rendition="#g">Hoepli</hi> in Mailand; für den Orient das kaiſerlich königliche Poſt-<lb/> amt in Wien oder Trieſt; für Nordamerika F. W. <hi rendition="#g">Chriſtern, E. Steiger u. Co., Guſt. E. Slechert,<lb/> Weſtermaun u. Co., International Publiſhing Agency,</hi> 710 Broadway, in New York.<lb/> Perantwortlicher Rebakteur: <hi rendition="#g">Hugo Jacobi</hi> in München.</p><lb/> <figure/> <p><hi rendition="#b">Inſeratenannahme</hi> in München b. d. Expedition, <hi rendition="#b">Schwanthakerſtraße 73,</hi> ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln,<lb/> Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Rürnberg. Wien, Paris, London, Zürich. Baſel ꝛc. b. d Annoncenbureaux G. L. <hi rendition="#g">Daube<lb/> u. Co., Haaſenſtein u. Vogler n. N. Moſſe.</hi> In den Filialen der Zeitungsbureaur <hi rendition="#g">Invalidendank</hi> zu Berlin,<lb/> Dresden, Leipzig, Chemnitz ꝛc. Außerdem in: Berlin bei B. <hi rendition="#g">Arndt</hi> (Mohrenſtr. 26) und S. <hi rendition="#g">Kornik</hi> (Krauſenſtr. 12),<lb/> Hamburg bei W. <hi rendition="#g">Wilckens u. Ad. Steiner,</hi> New York bei der <hi rendition="#g">Intern. Publiſhing Agency,</hi> 710 Broadway.<lb/> Druck und <hi rendition="#b">Verlag der J. G. <hi rendition="#g">Cotta</hi></hi>’ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und München.</p><lb/> </div> </front> <body> <div type="contents" n="1"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Inhalts-Ueberſicht.</hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#b">Die Anfänge der neueren Schutzzollbewegung.<lb/> Zur Schulfrage in Preußen.<lb/> Deutſches Reich.</hi> * <hi rendition="#g">Berlin:</hi> Vom Reichstage. Zur Sonn-<lb/> tagsruhe. Der Cultusminiſter. Verbot künſtlicher Kaffeebohnen.<lb/><hi rendition="#b">Italien.</hi> * Der neue Finanzminiſter. Duell Cavallotti-Sacerdoti.<lb/><hi rendition="#b">Feuilleton:</hi> ⤩ An der Loire.<lb/><hi rendition="#b">Bayeriſche Chronik. — Telegraphiſche Nachrichten.<lb/> Hiezu: Zweites und drittes Morgenblatt.</hi></p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">München,</hi> 9. December.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Die Anfänge der neueren Schutzzollbewegung.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">G. M.</hi> Das Actenſtück, welches die Begründung des neuen<lb/> franzöſiſchen Zolltarifentwurfs bildet, enthält eine durchaus<lb/> ſchiefe Darſtellung über den maßgebenden Antheil der Zoll-<lb/> politik Deutſchlands an der neueren ſchutzzöllneriſchen Bewegung.<lb/> Die deutſche Handelspolitik hat zwar durchaus keinen Grund,<lb/> irgendwie zu verläugnen, daß ſie mit vollem Bewußtſein von<lb/> den Rückſichten, welche ſie der nationalen Gütererzeugung<lb/> ſchuldet, die Bahn des Freihandels verlaſſen hat, ſie kann aber<lb/> nicht zugeben, daß ſie allein es geweſen ſei, welche die ganze<lb/> moderne Schutzzollbewegung erſt in Fluß gebracht habe. So<lb/> nämlich ſtellt das oben erwähnte Actenſtück die Sache dar.<lb/> Danach hätte ſich angeblich Frankreich bei dem vor zehn Jahren<lb/> angenommenen Zollſyſtem nicht erheblich von der Richtung ent-<lb/> fernt, welche ſeine Handelspolitik im Jahre 1860 eingeſchlagen<lb/> hatte und welcher überhaupt erſichtlich noch im Jahre 1881<lb/> die Mehrzahl der europäiſchen Nationen angehört hätte. Einzig<lb/> und allein Deutſchland hätte, nach der Meinung des Verfaſſers<lb/> jener Begründung des Meiſterwerks neueſter franzöſiſcher Hoch-<lb/> ſchutzzollkunſt, damals einen anderen Weg eingeſchlagen. Unter<lb/> Verzicht auf den gemäßigten Tarif von 1865, der eine Folge<lb/> der Handelsverträge mit Frankreich und Oeſterreich geweſen ſei<lb/> und im Jahre 1873 ohne weſentliche Aenderung ſeines Ge-<lb/> ſammtcharakters einige Aenderungen erfahren habe, ſei deutſcher-<lb/> ſeits mit dem Jahre 1879 ein ſtreng ſchutzzöllneriſches R<hi rendition="#aq">é</hi>gime<lb/> inaugurirt worden: das von Deutſchland gegebene Beiſpiel<lb/> aber habe nachher bei anderen Mächten Nachahmung ge-<lb/> funden.</p><lb/> <p>Daß dieſe Darſtellung von der Wahrheit abweicht, iſt<lb/> Jedem, welcher bei der deutſchen Zolltarifreform von 1879 mit-<lb/> zuwirken in der Lage war, auf den erſten Blick klar. Doch hat<lb/> man nicht ſofort die einzelnen geſchichtlichen Daten bequem zur<lb/> Hand, um die franzöſiſche Geſchichtsverdrehung zu widerlegen.<lb/> Da kommt das inhaltreiche Werk von <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Alexander v. Mat-<lb/> lekovits „Die Zollpolitik der öſterreichiſch-ungariſchen Monarchie<lb/> und des Deutſchen Reiches ſeit 1868 und deren nächſte Zukunft“<lb/> (Leipzig, Duncker und Humblot) ſehr gelegen. Matlekovits iſt<lb/> als Zeuge durchaus einwandfrei; denn er iſt kein Freund,<lb/> ſondern ein ausgeſprochener Gegner der neueren deutſchen Zoll-<lb/> politik; er iſt überhaupt in ſeinen zollpolitiſchen Urtheilen durch<lb/> und durch Ungar, der als ſolcher den deutſchen Schutzzoll un-<lb/> barmherzig verurtheilt, für ungariſche Schutzzölle aber einen<lb/><cb/> weiten Mantel der Liebe zur Verfügung hat. Auch darin, daß<lb/> er ſeine im übrigen ſo breit angelegte zollpolitiſche Geſchichts-<lb/> erzählung erſt mit 1868, alſo mit dem Jahre nach dem öſter-<lb/> reichiſch-ungariſchen Ausgleich beginnen läßt, kommt das unga-<lb/> riſche Selbſtbewußtſein des Verfaſſers zum Ausdruck. Dieſer<lb/> hohe ungariſche Staatsbeamte, der viele Jahre bei den zoll-<lb/> politiſchen Verhandlungen ſeines Vaterlandes perſönlich thätig<lb/> geweſen iſt und der uns in ſeinem Buche jede Wandlung der<lb/> deutſchen wie der öſterreichiſch-ungariſchen Zollpolitik feit<lb/> 20 Jahren, gewiſſermaßen unter Abdruck ſeiner Handacten mit<lb/> kritiſchen Bemerkungen, getreulich vorführt, gibt freilich ein ganz<lb/> anderes Bild vom Antheil Deutſchlands an der modernen<lb/> Schutzzollbewegung, als der franzöſiſche Miniſterialbeamte,<lb/> welcher muthmaßlich die Begründung zum dortigen Zolltarif-<lb/> entwurf fertiggeſtellt hat.</p><lb/> <p>In ſehr lehrreicher Weiſe zeigt Matlekovits bei ſeiner Dar-<lb/> legung der öſterreichiſchen Zollpolitik das frühzeitige, an den<lb/> Krach von 1873 ſich anreihende und durch den Parlamentaris-<lb/> mus geförderte Erwachen der Schutzzollagitation, wie ſolche<lb/> insbeſondere ſchon im Jahre 1874 durch den Verein der<lb/> Montan-, Eiſen- und Maſchineninduſtriellen betrieben wurde.<lb/> Dieſe Bewegung war es, welche in Oeſterreich zu dem auto<lb/> nomen Tariſe von 1878 führte. Nicht minder ausgeſprochen<lb/> wie in Oeſterreich war in Italien ſchon im Jahre 1875 die<lb/> ſchutzzöllneriſche Bewegung, namentlich als unter Luzzatti’s<lb/> Führung eine Enqu<hi rendition="#aq">ê</hi>te veranſtaltet wurde, bei welcher unter<lb/> Wanderung von Ort zu Ort die wirthſchaftlichen Verhältniſſe<lb/> und die Entwicklung der Induſtrie an Ort und Stelle ein-<lb/> gehend ſtudirt und Material für die fernere Zoll- und Handels-<lb/> politik geſammelt wurde.</p><lb/> <p>„In Deutſchland war um dieſe Zeit“ — ſo ſagt Matle-<lb/> kovits wörtlich — „noch kaum eine Spur jener Richtung, die<lb/> dann ſpäter zur Tarifreform des Jahres 1879 führte; nur die<lb/> Eiſeninduſtriellen rührten ſich, allein auch nicht wegen Zoll-<lb/> erhöhungen, ſondern nur um zu verhindern, daß die Zollfrei-<lb/> heit und die ermäßigten Zollſätze für Eiſenfabricate und Eiſen-<lb/> waaren am 1. Januar 1877 ins Leben träten, wie dies das<lb/> Zolltarifgeſetz vom Jahre 1873 beſtimmte; aber ſelbſt dieſe<lb/> Regungen wurden von Seiten der Regierung mit aller Energie<lb/> zuruckgewieſen.“ Auch in Rußland waren die ſchutzzollneriſchen<lb/> Ideen zu weiter Verbreitung gelangt und hatten ſchon im<lb/> Jahre 1876 zu dem Ukas geführt, nach welchem von 1877 an<lb/> die Zölle in Gold erhoben wurden. Was aber ſpeciell Frank-<lb/> reich betrifft, wo man jetzt ſo ſcheinheilig von der durch Deutſch-<lb/> land gewiſſermaßen aufgenöthigten Schutzzollpolitik zu ſprechen<lb/> liebt, ſo hebt Matlekovits zutreffend die entſchieden ſchutz-<lb/> zöllneriſchen Tendenzen des am 9. Februar 1877 vom franzöſi-<lb/> ſchen Ackerbau- und Handelsminiſter der Kammer vorgelegten<lb/> Zolltarifentwurfes hervor.</p><lb/> <p>Die angeführten Thatſachen beweiſen, daß es eine Ge-<lb/> ſchichtsfälſchung wäre, wenn man der deutſchen Handelspolitik<lb/> die Ehre zuſchreiben wollte, Europa vom Freihandel zum Schutz-<lb/> zoll bekehrt zu haben. Mit Necht bemerkt Matlekovits in dem<lb/> weiteren Capitel ſeines Werkes, in welchem er ſich ſpeciell mit<lb/> der Geſchichte der deutſchen Handelspolitik beſchäftigt, gelegent-<lb/> lich der Schilderung der Entwicklung der ſchutzzöllneriſchen<lb/> Strömung in Deutſchland, daß ſich Deutſchland auf einmal<lb/><cb/> von den Beſtrebungen des Schutzzollſyſtems umgeben und ſich<lb/> ſelbſt auf dem „Iſolirfchemel des Freihandels“ ſah. Freilich<lb/> fügt er dann, gewiſſermaßen befürchtend, als ſei er von ſeinem<lb/> Standpunkt in der Rechtfertigung der deutſchen Zollpolitik zu<lb/> weit gegangen, noch bei, daß thatſächlich (1877!) die höheren<lb/> Zölle nur von Seiten Rußlands eingeführt geweſen ſeien, die<lb/> übrigen Staaten hätten noch unter dem Banne der Handels-<lb/> verträge geſtanden, es wäre alſo nur das allſeitige<lb/> ſchutzzöllneriſche Beſtreben zu erkennen geweſen „und hätte<lb/> vielleicht ein vertragsfreundlicheres Vorgehen Deutſchlands<lb/> manche Errungenſchaften des Freihandels geſichert.“ In dem<lb/> Verſuche, Deutſchland in Bezug auf die Herbeiführung des<lb/> Schutzzolles zu belaſten, faßt Matlekovits an anderer Stelle<lb/> ſeine ſubjective Auffaſſung, die freilich nicht ganz mit der von<lb/> ihm ſelbſt vorgetragenen objectiven Geſchichtserzählung über-<lb/> einſtimmt, in folgendem Satze zuſammen: „Wenn vielleicht<lb/> Deutſchland mit dem Vorwurf nicht belaſtet werden kann, zu-<lb/> erſt der liberalen Richtung Front geboten zu haben; wenn es<lb/> vielleicht ungerecht wäre, zu ſagen, Deutſchland habe zur Um-<lb/> kehr zum Schutzzoll die Parole gegeben: ſo viel iſt gewiß, daß<lb/> der Vorgang Deutſchlands die Reaction auf dem wirthſchaft-<lb/> lichen Gebiete ſtabiliſirte, daß durch ſein Vorgehen das Schutz-<lb/> zollſyſtem, die Beſtrebungen zum Abſchluß der Verkehrsgebiete,<lb/> die ſogenannte ſelbſtändige Führung der Handelspolitik durch<lb/> jeden einzelnen Staat befeſtigt — wenn nicht befördert wurde.“<lb/> Wir haben dieſes an hypothetiſchen Windungen reiche Urtheil<lb/> von Matlekovits hier angeführt, weil es erſehen läßt, daß<lb/> eigentlich auch er ſehr gern, wenn es nur ginge, Deutſchland<lb/> als das Mutterland der Schutzzolltarife hinſtellen möchte.<lb/> Es geht aber nicht, wie die objective Darlegung des Sachver-<lb/> haltes zeigt, welchen der tüchtige Zolltechniker und Zollpolitiker<lb/> Matlekovits in ſorgſamer Weiſe uns vorfuhrt. Möge<lb/> der Verfaſſer der Motive zum neueſten franzöſiſchen Zoll-<lb/> geſetzentwurf das Buch von Matlekovits, aus welchem er<lb/> viel lernen kann, aufmerkſam durchleſen, dann wird er ein-<lb/> ſehen, daß er eine Legende, nicht eine Geſchichte von den An-<lb/> fängen der neueren Schutzzollbewegung zum Beſten ge-<lb/> geben hat.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="a01a" next="#a01b" type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Zur Schulfrage in Preußen.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline>§§ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 8. Dec.</dateline> <p>Die Beurtheilung der Rede, mit<lb/> welcher der Kaiſer die Eröffnung der <hi rendition="#g">„Schulfrage“</hi> ein-<lb/> leitete, bildet in der Discuſſion der Privatkreiſe, in Haus und<lb/> Geſellſchaft den Mittelpunkt des Intereſſes. Für den un-<lb/> gedruckten Theil der öffentlichen Meinung tritt das harte<lb/> Urtheil über den Journalismus dabei weſentlich in den<lb/> Hintergrund. Jedermann weiß, daß das ſcharfe Wort nur<lb/><hi rendition="#aq">cum grano salis</hi> verſtanden werden darf. Es ſind ganz<lb/> andere Punkte, an welche man anknüpft. Vor allem an das<lb/> Wort von den jungen Griechen und Römern. Mit aller Be-<lb/> ſtimmtheit läßt ſich ſagen, daß die große Maſſe unſrer Ge-<lb/> bildeten feſt entſchloſſen iſt, ſich den Untergrund der antiken<lb/> Bildung nicht rauben zu laſſen, und daß ſie der eingehenden<lb/> Beſchäftigung mit der Sagenwelt des Alterthums einen idealen<lb/> Gehalt zumißt, welchen die Edda und ihre Vorläufer ebenſo<lb/> wenig beanſpruchen dürfen, wie etwa das Nibelungenlied und</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Feuilleton.</hi> </hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note>(Nachdruck verboten.)</note><lb/> <div xml:id="a02a" next="#a02b" type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#b">An der Loire.</hi><lb/><hi rendition="#g">November-December</hi> 1870.</hi> </head><lb/> <p>× In dieſen Tagen, welche auch äußerlich an den Winter-<lb/> feldzug vor zwanzig Jahren anklingen, wird Mancher, der da-<lb/> mals unter „von der Tann“ den Naupenhelm trug, mit ſeinen<lb/> Gedanken und Erinnerungen an der fernen Loire weilen. Die<lb/> Namen verehrter Führer, die Gedenktage blutiger Gefechte, ſieg-<lb/> reicher Schlachten werden ſich miſchen mit wieder lebendig<lb/> werdenden Bildern endloſer, beſchwerlicher Märſche, unfreund-<lb/> licher Biwaks bei eiſigem Winterſturm, ruheloſen, beſchwerlichen<lb/> Dienſtes. Aus den Schneelandſchaften der Perche und der<lb/> Beauce tauchen die verſchneiten Wege, die eintönigen, gerad-<lb/> linigen Chauſſeen mit den langweiligen Pappelreihen und ihren<lb/> unerſchöpflichen Kilometern auf.</p><lb/> <p>Und Abends, wenn „daheim“ ſie um den behaglichen war-<lb/> men Ofen ſaßen, und die Gedanken und Wünſche, Sorgen und<lb/> Hoffnungen herüberflogen vom Rhein und Main, von der Iſar<lb/> und der Donau, vom dunklen Böhmerwald und von den hoch-<lb/> ragenden Alpen nach den Landſchaften um Orl<hi rendition="#aq">é</hi>ans, da drängten<lb/> ſich die müden, hungrigen, verfrorenen, oft auch nur ſehr un-<lb/> vorſchriftsmäßig gekleideten und reichlich verwildert ausſehen-<lb/> den „Blauen“ um eine kleine, dürftige Kaminflamme. Das<lb/> waren aber noch die Glücklichen. Andere mußten dann erſt noch<lb/> hinaus in die dunkle, unheimliche Nacht. Da hieß es meilen-<lb/> weit her Befehle holen, Lebensmittelwagen aufſuchen, Mel-<lb/> dungen überbringen. Aber auch für dieſe war noch wenigſtens<lb/> ein Ende abzuſehen. Sie konnten meiſtens gegen Morgen<lb/> noch einige Stunden Schlaf finden, während für Viele auf<lb/> einen ruheloſen Tag, oft nach erbittertem „Naufen“ mit weit<lb/> überlegenem Gegner, eine ruheloſe Nacht folgte — auf Vor-<lb/> poſten! Brach der Morgen an, ſo hieß es von neuem mar-<lb/> ſchiren, frieren, fechten. Dabei wieſen Feldflaſchen und Brod-<lb/> beutel bedenkliche Leeren auf, denn mit dem Nequiriren in<lb/> den ausgeſogenen Landſtrichen ſah es ſchlecht aus. Die Stiefel<lb/> wurden offenherzig und Erſatz ſchwierig. Stroh, friſche Häute,<lb/> alte Lappen mußten als Fußbekleidung aushelfen, in verzweifelten<lb/> Fällen auch klappernde Holzſchuhe.</p><lb/> <p>So ging es hinaus in die Winterlandſchaft, faſt immer<lb/> noch ehe der Tag angebrochen war. Nebel, Schnee, eisglatte<lb/><cb/> oder grundloſe Straßen trugen eben nicht bei, die gute Laune<lb/> zu erhöhen. Plötzlich ertönt ferner, dumpfer Kanonendonner.<lb/> Die Officiere hoben die Kopfe und ſuchten ſich aus der Karte<lb/> — <hi rendition="#aq">nolabene</hi> wenn noch ſolche vorhanden waren, da die „ge-<lb/> lieferten“ Karten nicht mehr ausreichten — zu orientiren. Der<lb/> Musketier und Jäger ſah ſein Gewehr nach, der Cüraſſier und<lb/> Chevauleger rückte im Sattel, der Kanonier ſchloß dichter hinter<lb/> ſeinem Geſchütz auf.</p><lb/> <p>Es geht los; ſo hieß es anfangs, als noch die Bataillone<lb/> einigermaßen vollzählig, die Pferde leiſtungsfähig, die Geſchütze<lb/> brauchbar waren. Das war noch im November und in den<lb/> erſten December-Tagen, als es galt, Revanche zu nehmen für<lb/> Coulmiers. Die angeborne Tapferkeit des bayeriſchen Stammes<lb/> und die „Schneid“ des bayeriſchen Officiercorps ſah freudig<lb/> dem Kampfe entgegen. Sie trugen deſſen Laſten und Verluſte<lb/> mit Freuden.</p><lb/> <p>Anders geſtaltet ſich das Bild nach dem 2. December,<lb/> nach der blutigen Schlacht von Loigny. Auch in der Zeit<lb/> zwiſchen dem 3. und 10. December iſt das bayeriſche <hi rendition="#aq">I.</hi> Armee-<lb/> corps nicht ärmer an Ruhm und Lorbeeren geworden. Aber<lb/> wenn damals die furchtbar gelichteten Compagnien, die Neiter<lb/> auf abgetriebenen Pferden, die Kanoniere bei ihren theilweiſe<lb/> unbrauchbar gewordenen Geſchützen grollenden Donner als<lb/> Zeichen neuer Kämpfe vernahmen, dann ging es wohl durch die<lb/> Reihen: Es geht ſchon wieder los! Feſter wurde die treue<lb/> Flinte oder Büchſe gefaßt, feſter ſchloß ſich die Zügelfauſt, aber<lb/> an Stelle der früheren Kampfesfreude trat jetzt ernſte Beſorgniß,<lb/> ob es noch möglich ſein würde, zu ſiegen. Und es wurde mög-<lb/> lich trotz der drei- und vierfachen Ueberzahl der Feinde, trotz<lb/> Entbehrungen und Schwierigkeiten aller Art, weil Ehre und<lb/> Pflicht es geboten: darin lag das Geheimniß der deutſchen<lb/> Erfolge in jenen ſchweren Wintertagen des Jahres 1870, ob-<lb/> gleich es eine Zeit lang ſcheinen konnte, als ob an der Loire<lb/> die deutſche Siegeslaufbahn zum Stehen kommen ſollte.</p><lb/> <p>Furchtbar waren allerdings die Opfer und außergewöhn-<lb/> lich groß die Verluſte, mit denen gerade das <hi rendition="#aq">I.</hi> bayeriſche<lb/> Armeecorps jenen endlichen Sieg der deutſchen Waffen erkaufen<lb/> mußte. Das Armeecorps hat in der Zeit vom 1. Novem-<lb/> ber bis zum 16. December 1870 verloren 322 Officiere und<lb/> 6778 Mann an Todten und Verwundeten. Dieſe Zahlen be-<lb/> deuten, daß das Armeecorps in dieſen ſechs Wochen weit über<lb/> den dritten Theil ſeines Beſtandes allein auf dem Schlachtfeld<lb/><cb/> eingebüßt hat. Dabei ſind die Abgänge in Folge von Krank-<lb/> heiten und Strapazen nicht in Anſatz gebracht. Selbſt die<lb/> Nachſchübe an Erſatzmannſchaften konnten die Lücken nicht<lb/> mehr ſchließen, weil Tag für Tag neue klafften.</p><lb/> <p>Um einen vergleichenden Maßſtab zu geben, wie ſchwer<lb/> und blutig die Hand der Kriegsfurie auf dem Corps von der<lb/> Tann laſtete, ſei erwähnt, daß diejenige preußiſche Diviſion,<lb/> welche als Waffengefährtin der Bayern an der Loire am<lb/> meiſten gelitten hat, die 22. (Heſſen und Thüringer) in dem-<lb/> ſelben Zeitraum 67 Officiere und 1447 Mann vor dem Feind<lb/> verloren, alſo im Verhältniß zu den beiden Diviſionen der<lb/> Bayern viel weniger gelitten hat.</p><lb/> <p>Nachdem Orl<hi rendition="#aq">é</hi>ans in Folge der Schlacht von Coulmiers<lb/> wieder in den Beſitz der Franzoſen gefallen, trat bei letzteren<lb/> eine Pauſe in den Operationen ein. Dieſe Pauſe war ziemlich<lb/> unfreiwillig. Der „Sieg“ vom 9. November hatte das Ge-<lb/> füge der franzöſiſchen Loire-Armee ſo erſchüttert, daß ſie an die<lb/> Befreiung von Paris angeſichts der Armeeabtheilung des<lb/> Großherzogs von Mecklenburg — <hi rendition="#aq">I.</hi> bayeriſches Armeecorps,<lb/> 17. Infanteriediviſion, 22. Infanteriediviſion, 2., 4., 5. und<lb/> 6. Cavalleriediviſion — vorläufig nicht dachte. Dagegen ent-<lb/> wickelte die Armeeabtheilung in der Zeit vom 16. bis 28. No-<lb/> vember eine rührige, außergewöhnliche Thätigkeit. Sie marſchirte<lb/> zuerſt in der Richtung auf Dreux, dann auf Le Mans, um ſchließlich<lb/> in Eilmärſchen nach der Loire zurückzukehren, wo Orl<hi rendition="#aq">é</hi>ans mit<lb/> ſchier magnetiſcher Kraft Franzoſen wie Deutſche bannte.</p><lb/> <p>Die Operationen der Armeeabtheilung vom 16. bis 28. No-<lb/> vember ſtellten ganz außerordentliche Anforderungen an die<lb/> Marſchfähigkeit. Es iſt in keiner Periode des deutſch-franzö-<lb/> ſiſchen Krieges mehr und unter ſo erſchwerenden Umſtänden<lb/> marſchirt worden, als in jenen Novembertagen, aber auch in<lb/> keiner Peciode nutz- und erfolgloſer wie damals. Es kann heute<lb/> kein Zweifel mehr darüber ſein, daß die Armeeabtheilung ſich<lb/> damals von den Franzoſen hat dupiren laſſen und einem Phantom<lb/> nachmarſchirte, das immer wieder verſchwand, als man es<lb/> greifen wollte. Selbſt das Generalſtabswerk kann nicht umhin,<lb/> die Planloſigkeit jener Operationen anzudeuten. Glücklicherweiſe<lb/> hatten Bayern, Heſſen und Mecklenburger ſich hiebei ſo gut ein-<lb/> marſchirt, daß ſie immer noch rechtzeitig zurückkamen, als es galt,<lb/> im Verein mit der zweiten Armee unter Prinz Friedrich Karl,<lb/> die entſcheidenden Schläge gegen den anrückenden Feind zu thun.</p><lb/> <p>Auf dem äußerſten Flügel der in weitem Bogen den Wald</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0001]
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Inhalts-Ueberſicht.
Die Anfänge der neueren Schutzzollbewegung.
Zur Schulfrage in Preußen.
Deutſches Reich. * Berlin: Vom Reichstage. Zur Sonn-
tagsruhe. Der Cultusminiſter. Verbot künſtlicher Kaffeebohnen.
Italien. * Der neue Finanzminiſter. Duell Cavallotti-Sacerdoti.
Feuilleton: ⤩ An der Loire.
Bayeriſche Chronik. — Telegraphiſche Nachrichten.
Hiezu: Zweites und drittes Morgenblatt.
München, 9. December.
Die Anfänge der neueren Schutzzollbewegung.
G. M. Das Actenſtück, welches die Begründung des neuen
franzöſiſchen Zolltarifentwurfs bildet, enthält eine durchaus
ſchiefe Darſtellung über den maßgebenden Antheil der Zoll-
politik Deutſchlands an der neueren ſchutzzöllneriſchen Bewegung.
Die deutſche Handelspolitik hat zwar durchaus keinen Grund,
irgendwie zu verläugnen, daß ſie mit vollem Bewußtſein von
den Rückſichten, welche ſie der nationalen Gütererzeugung
ſchuldet, die Bahn des Freihandels verlaſſen hat, ſie kann aber
nicht zugeben, daß ſie allein es geweſen ſei, welche die ganze
moderne Schutzzollbewegung erſt in Fluß gebracht habe. So
nämlich ſtellt das oben erwähnte Actenſtück die Sache dar.
Danach hätte ſich angeblich Frankreich bei dem vor zehn Jahren
angenommenen Zollſyſtem nicht erheblich von der Richtung ent-
fernt, welche ſeine Handelspolitik im Jahre 1860 eingeſchlagen
hatte und welcher überhaupt erſichtlich noch im Jahre 1881
die Mehrzahl der europäiſchen Nationen angehört hätte. Einzig
und allein Deutſchland hätte, nach der Meinung des Verfaſſers
jener Begründung des Meiſterwerks neueſter franzöſiſcher Hoch-
ſchutzzollkunſt, damals einen anderen Weg eingeſchlagen. Unter
Verzicht auf den gemäßigten Tarif von 1865, der eine Folge
der Handelsverträge mit Frankreich und Oeſterreich geweſen ſei
und im Jahre 1873 ohne weſentliche Aenderung ſeines Ge-
ſammtcharakters einige Aenderungen erfahren habe, ſei deutſcher-
ſeits mit dem Jahre 1879 ein ſtreng ſchutzzöllneriſches Régime
inaugurirt worden: das von Deutſchland gegebene Beiſpiel
aber habe nachher bei anderen Mächten Nachahmung ge-
funden.
Daß dieſe Darſtellung von der Wahrheit abweicht, iſt
Jedem, welcher bei der deutſchen Zolltarifreform von 1879 mit-
zuwirken in der Lage war, auf den erſten Blick klar. Doch hat
man nicht ſofort die einzelnen geſchichtlichen Daten bequem zur
Hand, um die franzöſiſche Geſchichtsverdrehung zu widerlegen.
Da kommt das inhaltreiche Werk von Dr. Alexander v. Mat-
lekovits „Die Zollpolitik der öſterreichiſch-ungariſchen Monarchie
und des Deutſchen Reiches ſeit 1868 und deren nächſte Zukunft“
(Leipzig, Duncker und Humblot) ſehr gelegen. Matlekovits iſt
als Zeuge durchaus einwandfrei; denn er iſt kein Freund,
ſondern ein ausgeſprochener Gegner der neueren deutſchen Zoll-
politik; er iſt überhaupt in ſeinen zollpolitiſchen Urtheilen durch
und durch Ungar, der als ſolcher den deutſchen Schutzzoll un-
barmherzig verurtheilt, für ungariſche Schutzzölle aber einen
weiten Mantel der Liebe zur Verfügung hat. Auch darin, daß
er ſeine im übrigen ſo breit angelegte zollpolitiſche Geſchichts-
erzählung erſt mit 1868, alſo mit dem Jahre nach dem öſter-
reichiſch-ungariſchen Ausgleich beginnen läßt, kommt das unga-
riſche Selbſtbewußtſein des Verfaſſers zum Ausdruck. Dieſer
hohe ungariſche Staatsbeamte, der viele Jahre bei den zoll-
politiſchen Verhandlungen ſeines Vaterlandes perſönlich thätig
geweſen iſt und der uns in ſeinem Buche jede Wandlung der
deutſchen wie der öſterreichiſch-ungariſchen Zollpolitik feit
20 Jahren, gewiſſermaßen unter Abdruck ſeiner Handacten mit
kritiſchen Bemerkungen, getreulich vorführt, gibt freilich ein ganz
anderes Bild vom Antheil Deutſchlands an der modernen
Schutzzollbewegung, als der franzöſiſche Miniſterialbeamte,
welcher muthmaßlich die Begründung zum dortigen Zolltarif-
entwurf fertiggeſtellt hat.
In ſehr lehrreicher Weiſe zeigt Matlekovits bei ſeiner Dar-
legung der öſterreichiſchen Zollpolitik das frühzeitige, an den
Krach von 1873 ſich anreihende und durch den Parlamentaris-
mus geförderte Erwachen der Schutzzollagitation, wie ſolche
insbeſondere ſchon im Jahre 1874 durch den Verein der
Montan-, Eiſen- und Maſchineninduſtriellen betrieben wurde.
Dieſe Bewegung war es, welche in Oeſterreich zu dem auto
nomen Tariſe von 1878 führte. Nicht minder ausgeſprochen
wie in Oeſterreich war in Italien ſchon im Jahre 1875 die
ſchutzzöllneriſche Bewegung, namentlich als unter Luzzatti’s
Führung eine Enquête veranſtaltet wurde, bei welcher unter
Wanderung von Ort zu Ort die wirthſchaftlichen Verhältniſſe
und die Entwicklung der Induſtrie an Ort und Stelle ein-
gehend ſtudirt und Material für die fernere Zoll- und Handels-
politik geſammelt wurde.
„In Deutſchland war um dieſe Zeit“ — ſo ſagt Matle-
kovits wörtlich — „noch kaum eine Spur jener Richtung, die
dann ſpäter zur Tarifreform des Jahres 1879 führte; nur die
Eiſeninduſtriellen rührten ſich, allein auch nicht wegen Zoll-
erhöhungen, ſondern nur um zu verhindern, daß die Zollfrei-
heit und die ermäßigten Zollſätze für Eiſenfabricate und Eiſen-
waaren am 1. Januar 1877 ins Leben träten, wie dies das
Zolltarifgeſetz vom Jahre 1873 beſtimmte; aber ſelbſt dieſe
Regungen wurden von Seiten der Regierung mit aller Energie
zuruckgewieſen.“ Auch in Rußland waren die ſchutzzollneriſchen
Ideen zu weiter Verbreitung gelangt und hatten ſchon im
Jahre 1876 zu dem Ukas geführt, nach welchem von 1877 an
die Zölle in Gold erhoben wurden. Was aber ſpeciell Frank-
reich betrifft, wo man jetzt ſo ſcheinheilig von der durch Deutſch-
land gewiſſermaßen aufgenöthigten Schutzzollpolitik zu ſprechen
liebt, ſo hebt Matlekovits zutreffend die entſchieden ſchutz-
zöllneriſchen Tendenzen des am 9. Februar 1877 vom franzöſi-
ſchen Ackerbau- und Handelsminiſter der Kammer vorgelegten
Zolltarifentwurfes hervor.
Die angeführten Thatſachen beweiſen, daß es eine Ge-
ſchichtsfälſchung wäre, wenn man der deutſchen Handelspolitik
die Ehre zuſchreiben wollte, Europa vom Freihandel zum Schutz-
zoll bekehrt zu haben. Mit Necht bemerkt Matlekovits in dem
weiteren Capitel ſeines Werkes, in welchem er ſich ſpeciell mit
der Geſchichte der deutſchen Handelspolitik beſchäftigt, gelegent-
lich der Schilderung der Entwicklung der ſchutzzöllneriſchen
Strömung in Deutſchland, daß ſich Deutſchland auf einmal
von den Beſtrebungen des Schutzzollſyſtems umgeben und ſich
ſelbſt auf dem „Iſolirfchemel des Freihandels“ ſah. Freilich
fügt er dann, gewiſſermaßen befürchtend, als ſei er von ſeinem
Standpunkt in der Rechtfertigung der deutſchen Zollpolitik zu
weit gegangen, noch bei, daß thatſächlich (1877!) die höheren
Zölle nur von Seiten Rußlands eingeführt geweſen ſeien, die
übrigen Staaten hätten noch unter dem Banne der Handels-
verträge geſtanden, es wäre alſo nur das allſeitige
ſchutzzöllneriſche Beſtreben zu erkennen geweſen „und hätte
vielleicht ein vertragsfreundlicheres Vorgehen Deutſchlands
manche Errungenſchaften des Freihandels geſichert.“ In dem
Verſuche, Deutſchland in Bezug auf die Herbeiführung des
Schutzzolles zu belaſten, faßt Matlekovits an anderer Stelle
ſeine ſubjective Auffaſſung, die freilich nicht ganz mit der von
ihm ſelbſt vorgetragenen objectiven Geſchichtserzählung über-
einſtimmt, in folgendem Satze zuſammen: „Wenn vielleicht
Deutſchland mit dem Vorwurf nicht belaſtet werden kann, zu-
erſt der liberalen Richtung Front geboten zu haben; wenn es
vielleicht ungerecht wäre, zu ſagen, Deutſchland habe zur Um-
kehr zum Schutzzoll die Parole gegeben: ſo viel iſt gewiß, daß
der Vorgang Deutſchlands die Reaction auf dem wirthſchaft-
lichen Gebiete ſtabiliſirte, daß durch ſein Vorgehen das Schutz-
zollſyſtem, die Beſtrebungen zum Abſchluß der Verkehrsgebiete,
die ſogenannte ſelbſtändige Führung der Handelspolitik durch
jeden einzelnen Staat befeſtigt — wenn nicht befördert wurde.“
Wir haben dieſes an hypothetiſchen Windungen reiche Urtheil
von Matlekovits hier angeführt, weil es erſehen läßt, daß
eigentlich auch er ſehr gern, wenn es nur ginge, Deutſchland
als das Mutterland der Schutzzolltarife hinſtellen möchte.
Es geht aber nicht, wie die objective Darlegung des Sachver-
haltes zeigt, welchen der tüchtige Zolltechniker und Zollpolitiker
Matlekovits in ſorgſamer Weiſe uns vorfuhrt. Möge
der Verfaſſer der Motive zum neueſten franzöſiſchen Zoll-
geſetzentwurf das Buch von Matlekovits, aus welchem er
viel lernen kann, aufmerkſam durchleſen, dann wird er ein-
ſehen, daß er eine Legende, nicht eine Geſchichte von den An-
fängen der neueren Schutzzollbewegung zum Beſten ge-
geben hat.
Zur Schulfrage in Preußen.
§§ Berlin, 8. Dec. Die Beurtheilung der Rede, mit
welcher der Kaiſer die Eröffnung der „Schulfrage“ ein-
leitete, bildet in der Discuſſion der Privatkreiſe, in Haus und
Geſellſchaft den Mittelpunkt des Intereſſes. Für den un-
gedruckten Theil der öffentlichen Meinung tritt das harte
Urtheil über den Journalismus dabei weſentlich in den
Hintergrund. Jedermann weiß, daß das ſcharfe Wort nur
cum grano salis verſtanden werden darf. Es ſind ganz
andere Punkte, an welche man anknüpft. Vor allem an das
Wort von den jungen Griechen und Römern. Mit aller Be-
ſtimmtheit läßt ſich ſagen, daß die große Maſſe unſrer Ge-
bildeten feſt entſchloſſen iſt, ſich den Untergrund der antiken
Bildung nicht rauben zu laſſen, und daß ſie der eingehenden
Beſchäftigung mit der Sagenwelt des Alterthums einen idealen
Gehalt zumißt, welchen die Edda und ihre Vorläufer ebenſo
wenig beanſpruchen dürfen, wie etwa das Nibelungenlied und
Feuilleton.
(Nachdruck verboten.)
An der Loire.
November-December 1870.
× In dieſen Tagen, welche auch äußerlich an den Winter-
feldzug vor zwanzig Jahren anklingen, wird Mancher, der da-
mals unter „von der Tann“ den Naupenhelm trug, mit ſeinen
Gedanken und Erinnerungen an der fernen Loire weilen. Die
Namen verehrter Führer, die Gedenktage blutiger Gefechte, ſieg-
reicher Schlachten werden ſich miſchen mit wieder lebendig
werdenden Bildern endloſer, beſchwerlicher Märſche, unfreund-
licher Biwaks bei eiſigem Winterſturm, ruheloſen, beſchwerlichen
Dienſtes. Aus den Schneelandſchaften der Perche und der
Beauce tauchen die verſchneiten Wege, die eintönigen, gerad-
linigen Chauſſeen mit den langweiligen Pappelreihen und ihren
unerſchöpflichen Kilometern auf.
Und Abends, wenn „daheim“ ſie um den behaglichen war-
men Ofen ſaßen, und die Gedanken und Wünſche, Sorgen und
Hoffnungen herüberflogen vom Rhein und Main, von der Iſar
und der Donau, vom dunklen Böhmerwald und von den hoch-
ragenden Alpen nach den Landſchaften um Orléans, da drängten
ſich die müden, hungrigen, verfrorenen, oft auch nur ſehr un-
vorſchriftsmäßig gekleideten und reichlich verwildert ausſehen-
den „Blauen“ um eine kleine, dürftige Kaminflamme. Das
waren aber noch die Glücklichen. Andere mußten dann erſt noch
hinaus in die dunkle, unheimliche Nacht. Da hieß es meilen-
weit her Befehle holen, Lebensmittelwagen aufſuchen, Mel-
dungen überbringen. Aber auch für dieſe war noch wenigſtens
ein Ende abzuſehen. Sie konnten meiſtens gegen Morgen
noch einige Stunden Schlaf finden, während für Viele auf
einen ruheloſen Tag, oft nach erbittertem „Naufen“ mit weit
überlegenem Gegner, eine ruheloſe Nacht folgte — auf Vor-
poſten! Brach der Morgen an, ſo hieß es von neuem mar-
ſchiren, frieren, fechten. Dabei wieſen Feldflaſchen und Brod-
beutel bedenkliche Leeren auf, denn mit dem Nequiriren in
den ausgeſogenen Landſtrichen ſah es ſchlecht aus. Die Stiefel
wurden offenherzig und Erſatz ſchwierig. Stroh, friſche Häute,
alte Lappen mußten als Fußbekleidung aushelfen, in verzweifelten
Fällen auch klappernde Holzſchuhe.
So ging es hinaus in die Winterlandſchaft, faſt immer
noch ehe der Tag angebrochen war. Nebel, Schnee, eisglatte
oder grundloſe Straßen trugen eben nicht bei, die gute Laune
zu erhöhen. Plötzlich ertönt ferner, dumpfer Kanonendonner.
Die Officiere hoben die Kopfe und ſuchten ſich aus der Karte
— nolabene wenn noch ſolche vorhanden waren, da die „ge-
lieferten“ Karten nicht mehr ausreichten — zu orientiren. Der
Musketier und Jäger ſah ſein Gewehr nach, der Cüraſſier und
Chevauleger rückte im Sattel, der Kanonier ſchloß dichter hinter
ſeinem Geſchütz auf.
Es geht los; ſo hieß es anfangs, als noch die Bataillone
einigermaßen vollzählig, die Pferde leiſtungsfähig, die Geſchütze
brauchbar waren. Das war noch im November und in den
erſten December-Tagen, als es galt, Revanche zu nehmen für
Coulmiers. Die angeborne Tapferkeit des bayeriſchen Stammes
und die „Schneid“ des bayeriſchen Officiercorps ſah freudig
dem Kampfe entgegen. Sie trugen deſſen Laſten und Verluſte
mit Freuden.
Anders geſtaltet ſich das Bild nach dem 2. December,
nach der blutigen Schlacht von Loigny. Auch in der Zeit
zwiſchen dem 3. und 10. December iſt das bayeriſche I. Armee-
corps nicht ärmer an Ruhm und Lorbeeren geworden. Aber
wenn damals die furchtbar gelichteten Compagnien, die Neiter
auf abgetriebenen Pferden, die Kanoniere bei ihren theilweiſe
unbrauchbar gewordenen Geſchützen grollenden Donner als
Zeichen neuer Kämpfe vernahmen, dann ging es wohl durch die
Reihen: Es geht ſchon wieder los! Feſter wurde die treue
Flinte oder Büchſe gefaßt, feſter ſchloß ſich die Zügelfauſt, aber
an Stelle der früheren Kampfesfreude trat jetzt ernſte Beſorgniß,
ob es noch möglich ſein würde, zu ſiegen. Und es wurde mög-
lich trotz der drei- und vierfachen Ueberzahl der Feinde, trotz
Entbehrungen und Schwierigkeiten aller Art, weil Ehre und
Pflicht es geboten: darin lag das Geheimniß der deutſchen
Erfolge in jenen ſchweren Wintertagen des Jahres 1870, ob-
gleich es eine Zeit lang ſcheinen konnte, als ob an der Loire
die deutſche Siegeslaufbahn zum Stehen kommen ſollte.
Furchtbar waren allerdings die Opfer und außergewöhn-
lich groß die Verluſte, mit denen gerade das I. bayeriſche
Armeecorps jenen endlichen Sieg der deutſchen Waffen erkaufen
mußte. Das Armeecorps hat in der Zeit vom 1. Novem-
ber bis zum 16. December 1870 verloren 322 Officiere und
6778 Mann an Todten und Verwundeten. Dieſe Zahlen be-
deuten, daß das Armeecorps in dieſen ſechs Wochen weit über
den dritten Theil ſeines Beſtandes allein auf dem Schlachtfeld
eingebüßt hat. Dabei ſind die Abgänge in Folge von Krank-
heiten und Strapazen nicht in Anſatz gebracht. Selbſt die
Nachſchübe an Erſatzmannſchaften konnten die Lücken nicht
mehr ſchließen, weil Tag für Tag neue klafften.
Um einen vergleichenden Maßſtab zu geben, wie ſchwer
und blutig die Hand der Kriegsfurie auf dem Corps von der
Tann laſtete, ſei erwähnt, daß diejenige preußiſche Diviſion,
welche als Waffengefährtin der Bayern an der Loire am
meiſten gelitten hat, die 22. (Heſſen und Thüringer) in dem-
ſelben Zeitraum 67 Officiere und 1447 Mann vor dem Feind
verloren, alſo im Verhältniß zu den beiden Diviſionen der
Bayern viel weniger gelitten hat.
Nachdem Orléans in Folge der Schlacht von Coulmiers
wieder in den Beſitz der Franzoſen gefallen, trat bei letzteren
eine Pauſe in den Operationen ein. Dieſe Pauſe war ziemlich
unfreiwillig. Der „Sieg“ vom 9. November hatte das Ge-
füge der franzöſiſchen Loire-Armee ſo erſchüttert, daß ſie an die
Befreiung von Paris angeſichts der Armeeabtheilung des
Großherzogs von Mecklenburg — I. bayeriſches Armeecorps,
17. Infanteriediviſion, 22. Infanteriediviſion, 2., 4., 5. und
6. Cavalleriediviſion — vorläufig nicht dachte. Dagegen ent-
wickelte die Armeeabtheilung in der Zeit vom 16. bis 28. No-
vember eine rührige, außergewöhnliche Thätigkeit. Sie marſchirte
zuerſt in der Richtung auf Dreux, dann auf Le Mans, um ſchließlich
in Eilmärſchen nach der Loire zurückzukehren, wo Orléans mit
ſchier magnetiſcher Kraft Franzoſen wie Deutſche bannte.
Die Operationen der Armeeabtheilung vom 16. bis 28. No-
vember ſtellten ganz außerordentliche Anforderungen an die
Marſchfähigkeit. Es iſt in keiner Periode des deutſch-franzö-
ſiſchen Krieges mehr und unter ſo erſchwerenden Umſtänden
marſchirt worden, als in jenen Novembertagen, aber auch in
keiner Peciode nutz- und erfolgloſer wie damals. Es kann heute
kein Zweifel mehr darüber ſein, daß die Armeeabtheilung ſich
damals von den Franzoſen hat dupiren laſſen und einem Phantom
nachmarſchirte, das immer wieder verſchwand, als man es
greifen wollte. Selbſt das Generalſtabswerk kann nicht umhin,
die Planloſigkeit jener Operationen anzudeuten. Glücklicherweiſe
hatten Bayern, Heſſen und Mecklenburger ſich hiebei ſo gut ein-
marſchirt, daß ſie immer noch rechtzeitig zurückkamen, als es galt,
im Verein mit der zweiten Armee unter Prinz Friedrich Karl,
die entſcheidenden Schläge gegen den anrückenden Feind zu thun.
Auf dem äußerſten Flügel der in weitem Bogen den Wald
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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