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Allgemeine Zeitung, Nr. 346, 14. Dezember 1890.

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München, Sonntag Allgemeine Zeitung 14. December 1890. Drittes Morgenblatt Nr. 346.
[Spaltenumbruch]
Montenegro.

* Fürst Nikolaus von Montenegro hielt kürzlich in
Danilograd, wo er auf einem Ausfluge ins Innere wegen rheu-
matischer Schmerzen für längere Zeit Halt machen mußte, an das
zusammengeströmte Volk eine Ansprache, in welcher er sagte, es sei
bedauerlich, daß die Montenegriner nicht auch als gute Arbeiter
gelobt werden könnten. Wenn sie ebensolche Arbeiter wären wie
Helden, würden sie ebenso reich als ruhmvoll sein. Er munterte
das Volk zur Arbeit auf und sagte, er wolle das Seinige dazu
beitragen, um es auf die Bahn der Arbeit und des Fortschrittes
zu führen. Er verfügte deßhalb, daß jeder montenegrinische Krieger
aus Gegenden, wo die Weinrebe gedeihen kann, in diesem Jahre
200 Reben setze; ferner solle jeder Brigadier 20, jeder Bataillons-
commandant und Untercommandant 10, jeder Officier und Fahnen-
träger 5, jeder Führer 2 Olivenbäume und jeder Corporal 1 Oliven-
baum pflanzen. Nach einer weiteren fürstlichen Verfügung ist den-
jenigen, welche noch in diesem Jahre freiwillig 2000 Reben setzen,
eine zehnjährige Steuerfreiheit zugesichert. Das Amtsblatt spricht
die zuversichtliche Erwartung aus, daß in Folge der fürstlichen Ver-
ordnung Montenegro im Frühjahr 1891 um 4 Millionen Neben
und 20,000 Oelbäume reicher sein wird, als es derzeit ist. Das
Blatt betont, der Fürst habe immer gehofft, das Volk werde schließ-
lich aus eigenem Antriebe auf die Bahn ersprießlicher Arbeit sich
begeben; nachdem sich diese Erwartung indessen nicht erfüllt habe,
"wäre die sanste Gewalt im Interesse der heilsamen Zwecke ange-
zeigt gewesen."



Verschiedenes.

Elektrischer Betrieb.
Die seit Mitte August auf der Schmalipurbahn Hildburghausen-
Heldburg regelmäßig stattfindenden Versuchsfahrten mit Accumula-
torenbetrieb haben jetzt insofern eine neue Etappe erreicht, als am
vorigen Sonnabend unter Betheiligung der Mitglieder unsres
herzoglichen Staatsministeriums und mehrerer anderer geladener Gäste
mit einem neuen von der Firma van der Zypen und Charlier in Deutz
gebauten Personenwagen eine erste Probefahrt von hier bis Held-
burg (25 Kilometer) stattgefunden hat. Diese Fahrt ist, ebenso
wie die bislang mit dem provisorischen Wagen angestellten, zur
vollen Zufriedenheit der Betheiligten ausgefallen, und so berechtigt
denn der bisherige Verlauf der Versuche zu der Annahme, daß das
System des Aceumulatorenbetriebs, wenn auch zunächst nur inner-
halb gewisser Grenzen, für Straßenbahnen praktisch verwerthbar
sein wird. Ueber die ferneren Versuche werden wir seinerzeit
berichten.

* Helgoländer Austern.

Die Helgoländer Austern-
bank
ist kürzlich an den Pächter der fiscalischen Austernbänke bei
Borkum und Juist, Kaufmann Gustav Adolf Rady, für die
Dauer des Jahres 1891 seitens des kaiserlichen Commissars ver-
pachtet worden. Das "Cuxh. Tagebl." bemerkt hierzu: Der erste
feste Vertrag wurde im Jahre 1872 mit Hrn. Eduard Schipmann
in Altona auf fünf Jahre abgeschlossen. Nach Ablauf dieser Zeit
wurde Hr. H. Lorenz in Hamburg bis zum Jahre 1883 Pächter,
worauf Hr. Friedrich Hagedorn in Hamburg die Bank vom
1. September 1885 bis zum 31. August 1890 pachtete. Der Ver-
trag mit Hagedorn bestimmte keine feste Pachtsumme, sondern nur
die Zahlung von 5 Mark für jedes Tausend gefangener Austern.
Dieser bis zum 31. August d. J. abgeschlossene Vertrag ist dagegen
niemals zur Ausführung gelangt, sondern bald nach seinem Ab-
schluß durch mündliche Verständigung aufgehoben worden. Seitdem
haben Fischer gegen Zahlung von 50 Pf. für je 110 Stück zu-
weilen Austern an das Land geholt; die Einnahmen, welche hier-
durch zur Landescasse flossen, waren sehr gering. Der jetzige
Pächter Rady zahlt an Pachtzins für die ersten 10,000 Stück ge-
fischte Austern je 10 M. für das Tausend, jedoch mindestens
30 M. auch bei keinem Fangergebniß, und für den weiteren Fang
über 10,000 Stück bis zu 250,000 Stück je 5 M. für
das Tausend. Mehr als 250,000 Stück Helgoländer
Austern darf der Pächter in dem Pachtjahre nicht fischen.
Während der Schonzeit vom 1. Mai bis 31. August darf
die Bank überhaupt nicht befischt werden. Der Pächter ver-
pflichtet sich, den Austernfang thunlichst mit Helgoländer Fischern
zu betreiben. Der jetzige Pächter soll beabsichtigen, englische und
holländische Austern an geeigneten Stellen der Bank behufs deren
Aufbesserung auszusäen, und auch die Anlagen von Austernparks
und Austernbassins in Aussicht genommen haben.

Die Brittische Südafrikanische Gesellschaft
in London hat ein Telegramm von Kimberley erhalten, welches
meldet, daß bereits Quarzadern- und Alluvialgold-Gerechtsame am
Umfuli-Flusse im Maschona-Lande erworben wurden. Ohne Zweifel
seien reiche Goldadern entdeckt worden. Mehr als 800 Gerecht-
same auf untersuchte goldhaltige Quarzgänge seien schon gebucht
worden. Einige von ihnen sind sehr werthvoll und bis auf eine
Tiefe von 58 Fuß geprüft. Durchschnittlich geben sie 4--5 Unzen
reines Gold auf die Tonne Erz. Mehr als 100 Goldsucher sind
von der Capcolonie nach dem Maschona-Lande aufgebrochen. Auch
die Vertreter von 17 reichen Syndicaten haben sich dorthin begeben.

Ein sonderbares Schauspiel, wie es
in anderen civilisirten Ländern kaum möglich sein dürfte, bot sich
gestern Abend um 9 Uhr dem Publicum auf der Corsostraße dar.
Durch die Porta del Popolo zog ein von der Via Flaminia her-
kommender Karren in die Stadt ein, der bald die allgemeine Auf-
merksamkeit auf sich zog. Im Scheine mehrerer Laternen, die an
dem Fuhrwerke angebracht waren, sah man auf demselben drei mit
Stricken aneinander gefesselte und von vier Schutzleuten in Civil
umgebene Individuen in der rothen Tracht der Galeerensträflinge
sitzen. Es waren die vor mehreren Tagen aus dem Fort auf dem
Monte Mario entwichenen Verbrecher, die nach Abstreisung ihrer
Ketten sich trotz Nahrungsmangels und bösen Wetters bis gestern
Nachmittag den Nachforschungen der Polizei zu entziehen gewußt
hatten. Die dichten Buschwälder, die zahlreichen Schluchten und
Höhlen der Campagna hatten ihnen willkommenes und für die
Verfolger schwer zugängliches Versteck geliefert. Der Hunger hatte
sie endlich zur Annäherung an ein einsames Gehöst genöthigt und
hier sind sie durch die als Landleute verkleideten Polizeibeamten
dingfest gemacht worden. Besonderen Eindruck scheint das Miß-
geschick nicht auf sie gemacht zu haben; denn während der langen
Fahrt von La Storta an der Via Cassia bis nach Rom hörten sie
nicht auf, aus vollem Halse zu singen, vielleicht überwältigt von
der Wirkung der reichlichen Leibesstärkung, welche der Polizei-
hauptmann Leproni ihnen nach Erfüllung seiner anstrengenden
Aufgabe hatte zutheil werden lassen. Wie der Zug sich durch die
Straßen bewegte, hätte man an eine Maskerade glauben können.
Voran der Hauptmann Leproni, ein Polizeicommissar und ein
Gendarmeriewachtmeister zu Pferee, alle drei als Campagnolen ver-
kleidet und in weite Mäntel gehüllt; dann der kothbedeckte Karren,
umgeben von Schutzleuten, hinter ihm eine immer anwachsende
Menge von Neugierigen, die laut ihre Bemerkungen -- vorwiegend
des Mitleids für die Eingefangenen -- austauschte. Als die
letzteren hinter dem Thore der Polizeidirection verschwanden, kam
beim Publicum das Bewußtsein des großen Dienstes zum Durch-
bruch, den die Sicherheitsbeamten der Bewohnerschaft geleistet
[Spaltenumbruch] hatten, und es wurden wiederholte Hochrufe auf die Polizei aus-
gebracht, was hier zu den seltensten der Seltenheiten gehört. --
Uebrigens sind zwei weitere bei derselben Gelegenheit Entflohene,
die sich von den Genossen getrennt hatten, noch immer nicht wieder
eingesangen. Die ohnehin nie übergroße Sicherheit in der römi-
schen Campagna ist dadurch bis auf weiteres noch mehr ver-
mindert.

= Deutsches Turnwesen in den Vereinigten
Staaten.

Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts, nach der An-
regung durch Jahn, verbreitete das Turnwesen sich auch unter
den Deutschen der Vereinigten Staaten, aber es dauerte doch bis
1848, daß sich Turnvereine bildeten. In diesem Jahre traten
30 Ausgewanderte zu dem New-Yorker Turnverein zusammen,
welcher sich später neu constituirte. Zunächst kam der Turnverein
von Cincinnati, und nun ging die Bildung neuer Vereine so rasch
vor sich, daß 1850 schon 13 Abgeordnete von solchen zusammen-
treten konnten, um in Philadelphia den Deutschen Turner-
bund
zu gründen. 1861 bestanden bereits 150 Vereine, als
der Ausbruch des Bürgerkrieges den weiteren Fortschritt hemmte.
Manche Vereine traten in corpore in das Heer der Nordstaaten
und lösten sich dadurch auf. Noch aber war der Krieg nicht
vorüber, als im September 1864 Abgeordnete verschiedener Städte
in New-York zusammentraten, um den Turnerbund wieder herzu-
stellen. Seit dieser Zeit hat der Bund sich immer vergrößert, so
daß er am 1. April 1890 35 Bezirke mit 250 Vereinen und
36,000 Mitgliedern zählte. Der größte Bezirk war Chicago mit
5021, der kleinste Florida mit 20 Mitgliedern. Der größte
Einzelverein ist der Centralturnverein in der Stadt New-
York.
170 Vereine haben eigene Turnhallen, welche mit Turn-
geräthen, Mobiliar, Bibliotheken etc. am 1. April 1890 einen
Werth von 4,774,221 Dollars darstellten. Der New-Yorker
Turnbezirk besteht aus 11 Vereinen, unter denen auch ein social-
demokratischer ist. Der zahlreichste Verein dieses Bezirks nicht
nur, sondern der ganzen Union ist, wie bereits erwähnt, der New-
Yorker Centralverein, 1886 constituirt, welcher von 400 Mit-
gliedern auf 2000 angewachsen ist und ein Vermögen von
770,000 Dollars besitzt. Er hat aus sich eine dramatische Ab-
theilung, einen Männerchor, verschiedene Musikvereine, einen
Schachelub etc. entwickelt und unterhält verschiedene Elementar-
schulen, in denen der körperlichen Ausbildung besondere Beachtung
geschenkt wird. Der Centralverein besitzt die schönste Turnhalle
der Welt, sechs Stockwerke hoch, 175 Fuß lang, 104 Fuß breit,
vollständig feuersicher erbaut. Der New-Yorker Turnverein,
wie erwähnt, 1848 gegründet, 1856 neu constituirt, hat ein Ver-
mögen von 168,572 Dollars, 1000 Mitglieder, eine dramatische
Section und unterbält ebenfalls Schulen. Im Bürgerkriege
waren 70 Procent seiner Mitglieder ins Heer der Nordstaaten
eingetreten. Auf weitere Einzelheiten können wir hier nicht ein-
gehen; wir erwähnen nur noch, daß in Milwaukee ein vom
Turnerbund unterhaltenes Seminar für Turnlehrer besteht und
daß daselbst das officielle Organ des Bundes, "Die Amerikanische
Turnzeitung", erscheint. Bekanntlich findet alle 4 Jahre ein
Bundesturnfest und in den Zwischenräumen Bezirksturnfeste statt,
welche im Verein mit den Gesangs- und Schützenfesten das
deutsche Element periodisch zusammenführen. Wir entnehmen
diese Notizen einem längeren Artikel der in New-York erscheinen-
den Zeitschrift "Harper's Weekly", Nr. 1761, welche auch eine
innere Ansicht der Turnhalle des Centralvereins in New-York
(mit Jahns Büste) und eine äußere Ansicht der Turnhalle von
Milwaukee bringt.

* Todesfall.

In Berlin ist am 4. December im Alter
von 85 Jahren der Geh. Medicinalrath Dr. August Wilhelm Ferdinand
Schultz gestorben, der in jüngeren Jahren naturwissenschaftliche Studien
in Italien betrieben, in Rom die Stelle eines Gesandtschaftsarztes be-
kleidet, seit 1847 in Berlin gewirkt und an dem öffentlichen Leben regen
Antheil genommen hatte. Als Schriftsteller ist er namentlich auf dem
Gebiete der medicinischen Klimatologie thätig gewesen. -- Wie der
"Köln. Ztg." geschrieben wird, ist in den letzten Tagen zu Charlotten-
burg im Alter von 62 Jahren nach langer schwerer Krankheit der
Legationsrath z. D. Dr. jur. Ludwig Geßner verstorben. Derselbe
war nach abgelegter juristischer Staatsprüsung vom Jahre 1863--1867
im Kriegsministerium, dann im Staatsministerium, vom Jahre 1868
bis 1874 im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten thätig.
Neben seinen praktischen Arbeiten beschäftigte er sich viel mit wissen-
schastlichen Studien auf dem Gebiete des Völkerrechts, des Seerechts
und des Staatsrechts. In der Wissenschaft hat er sich namentlich durch
sein Werk "Le droit des neutres sur mer" einen guten Namen er-
worben. Nachdem er 1874 in Disponibilität getreten, widmete er sich
ausschließlich wissenschaftlicher Thätigkeit. Die Allgemeine Zeitung hatte
sich zahlreicher Beiträge aus der Feder des nun Verstorbenen zu erfreuen.



Universitätsnachrichten.

An der Universität Göttingen ist der bisherige außer-
ordentliche Professor Dr. Gustav Roethe zum ordentlichen Pro-
fessor in der philosophischen Facultät ernannt worden.

* Wie aus Dorpat berichtet wird, hat der dortige Professor
der Psychiatrie Dr. Emil Kräpelin einen Ruf nach Heidel-
berg
erhalten und wird demselben folgen. -- Zur Würdigung
der Leistungen der deutschsprachigen Universität Dorpat um den
russischen Staatsdienst kann die statistische Thatsache dienen, daß
von den ehemaligen Studirenden Dorpats zu dem Range eines
Wirkl. Geheimraths 6 emporgestiegen sind (Baron Ernst Ungern-
Sternberg, Graf Chreptowitsch, Senator, G. v. Brevern, Ehren-
vormund Th. v. Hartmann, Dr. med. Nik. Koslow, Akademiker
Dr. Otto Wilh. Struve), 71 die Zahl der Geheimräthe, 313 die
der Wirkl. Staatsräthe vermehrt haben -- im ganzen 390
Excellenzen. Es hat sich also jeder 17. Dorpater Student im
späteren Leben hohe staatliche Anerkennung seiner Tüchtigkeit er-
rungen. Das ist sehr viel, wenn man bedenkt, wie viele über-
haupt gar nicht in den Staatsdienst getreten sind.



Handel und Volkswirthschaft.
Wochenberichte.

Das Gute an der Sache
ist, daß Perioden der Oede und Unfruchtbarkeit wie die gegen-
wärtige schon häufiger da waren und immer wieder überwunden
worden sind. Man braucht sich also nicht dem schwermüthigen Ge-
danken hinzugeben, daß die herrschende Stagnation chronisch werden
würde. Einmal wird dieselbe wohl überwunden werden. In Be-
zug auf das Wann wird allerdings eine gute Dosis Geduld er-
forderlich sein. Von den Einzelheiten der abgelaufenen Woche ist
sehr wenig zu sagen. Die Curse zeigten anfänglich rückläufige
Tendenz und haben sich schließlich wieder etwas befestigen können.
Die Handelskrisis in Amerika ist noch nicht überwunden und es
ist bis zu einem gewissen Grade merkwürdig, wie wenig dieselbe
bei uns Eindruck gemacht hat. Die letzten Berichte von der
New-Yorker Börse lauten etwas günstiger, aber die Listen der
Fallissements in der Union scheinen noch nicht abgeschlossen. Der
argentinischen Frage gegenüber gewöhnt man sich nachgerade eine
gewisse Gleichgültigkeit an. Man findet den Standpunkt, den
das englische Comite einnimmt, fast unqualificirbar, und man
läßt sich auch durch die letzten Beschwichtigungsdepeschen,
[Spaltenumbruch] welche den Inhalt eines Artikels der Times wiedergeben,
nicht in der ablehnenden Stellung beirren, die man jenem einseiti-
gen Interessenstandpunkte gegenüber einnimmt; die argentinischen
Werthe wogen auf und nieder. Wir hoffen, daß die kleineren
Capitalisten sich die von der deutschen Presse, wenigstens in ihren
ernsteren Organen, einmüthig ausgegangenen Warnungen gesagt
sein ließen, und daß sie ihre Bestände, als es noch Zeit war, ver-
ringert haben. Wenigstens muß man annehmen, daß diejenigen,
welche zu den heutigen Cursen noch argentinische Werthe besitzen,
sich der Gefahr voll bewußt sind, die ein solcher Besitz einschließt,
und daß sie sich mit dem Gedanken an Concessionen, die sie machen
müssen, vertraut gemacht haben. -- Die Tendenz für österreichische
Bahnactien war im Laufe der Woche unter dem Eindruck der
Schneeverwehungen und der Verkehrsstörungen eine ungünstige,
hat sich aber schließlich wieder merklich gebessert. Es scheint, daß von
Seiten der Baissiers ziemlich viel darin in Blanco verkauft worden ist und
diese Abgaben bringen die Nothwendigkeit von Deckungen hervor.
Größere Bewegung vollzog sich in schweizerischen Bahnactien. An-
fangs verkehrten diese in weichender Richtung und zwar auf die
Nachricht von größeren Betriebsspesen bei der Centralbahn, sowie
den von Seiten eines Großactionärs angestrengten Proceß gegen
die Nordostbahn. Schließlich ist aber eine merklich bessere Stimmung
dafür eingetreten, da die Wahl des Bundesraths Welti zum
Präsidenten der Eidgenossenschaft für das Jahr 1891 für die Ver-
staatlichungsidee günstig beurtheilt wird. Man betrachtet Hrn. Welti
als die Personisication des Verstaatlichungsgedankens. Auf dem
Bankenmarkte stilles Geschäft und geringfügige Cursveränderungen.
Die Contremine hat anfangs ziemlich viel darin abgegeben und
die naturgemäße Folge davon war, daß schließlich wieder Deckungen
vorgenommen werden mußten, welche eine mäßige Steigerung
herbeiführten. Die starken Anstrengungen, welche von einer Specu-
lationscoterie gemacht wurden, den Curs der Banque Ottomane
herabzudrücken, hatte nur geringen Erfolg. Für Kohlen- und Eisen-
werthe ist eine bessere Börsenströmung zu verzeichnen. Das Zustande-
kommen der Bochumer und Essener Verkaufsvereinigung machte
guten Eindruck, auch lauten die Berichte über die weiteren
Abschlüsse der Kohlenzechen ziemlich animirend. Das süddeutsche
Publicum hat in den letzten Tagen größere Beträge von Gelsen-
kirchener Concordia und Courl-Actien aufgenommen. Von anderen
Industriewerthen sind Edison nach stärkerer Ermattung wieder
befestigt. Veloce flau. Chemische Fabrik Goldenberger rückgängig
auf die Dividendenschätzung. In Bezug auf die seit Beginn dieses
Monats durch die Presse gehenden Divideudenschätzungen glauben wir
die Bemerkung machen zu sollen, daß in dem Wettlauf der
Zeitungen, auch auf diesem Gebiete ihren Lesern möglichst frühzeitig
Anhaltspunkte bieten zu können, eine gewisse Gefahr liegt.
Dividendenschätzungen werden in ganz unverbindlicher Form und
mit allem Vorbehalte gemacht, haben also eigentlich keinen
größeren realen Werth. Nun kann sich aber von Beginn des December
bis zum Schlusse des Geschäftsjahres sowohl an den Grundlagen
der einzelnen Gesellschaften, als in der allgemeinen Lage so Vielerlei
ändern, daß im Augenblick der Abtrennung der Coupons der Werth
derselben ein ganz anderer sein kann, als er wenige Wochen zu-
vor taxirt wurde. Die definitive Feststellung der Dividende findet
in der Regel erst statt, wenn die Bilanzen abgeschlossen sind, und
je nachdem dann sehr glänzende oder sehr ungünstige Verhältnisse
vorliegen, läßt sich noch immer etwas ab- oder zugeben. Wir
glauben aber, daß man wenigstens den Schluß des eigentlichen
Geschäftsjahres abwarten sollte, ehe man an die Taxation schreitet.
Entbehrlich sind dieselben nicht, weil die Börse die rechnungsmäßigen
Cursveränderungen zum Ausdruck bringen muß, aber vom 5. bis
27. December können Krisen, Fallissements, Veränderungen in
den Werthen einzelner Activa, Umgestaltungen auf dem industriellen
Gebiete etc. eintreten, welche die vorausgegangenen Berechnungen
über den Haufen werfen. Wir würden es also als eine sehr
wünschenswerthe Reform betrachten, wenn in künftigen Jahren
durch allseitige Uebereinkunft die Dividententaxationen auf die Tage
vom 27. bis 31. December verlegt würden. Möge dieser Vor-
schlag Beherzigung finden.

Getreide- und Producten-Wochen-
bericht.
(Vor der Börse.) Unser Markt ist ruhiger, die Haltung
Angesichts der bereits mit Oesterreich eingeleiteten Zollverhandlungen
abwartend geworden. Täglich drückt die Ungewißheit über die zukünf-
tige Gestaltung der Zölle mehr auf den Handel, die Speculation zieht
sich zurück, der Consum erwirbt nur das Nothwendigste. Während der
ersten Hälfte der Berichtsperiode war der Verkehr noch ein ziemlich
reger, dann aber bewegte er sich in engen Grenzen, ganz besonders war
dies beim Weizen der Fall. Wir haben von dieser Brodfrucht bekannt-
lich ziemlich große Vorräthe, die Ernte ist gut ausgefallen, der Bedarf
dagegen ein außergewöhnlich kleiner. Hervorzuheben ist, daß feinere
Qualitäten recht knapp geworden sind, sich auch in den übrigens spär-
lichen Ankünsten nicht vorfinden, woher letztere meist zu Lager geben.
Termine schwankten wenig im Werthe, was bei der geringen Beachtung,
die sie erfuhren, naturgemäß ist. Wenn sie sich aber im ganzen gut
behaupteten, so ist dies der Roggen-Festigkeit zuzuschreiben, welche übri-
gens auf den gesammten Markt einen günstigen Einfluß ausübte. Die
kleinen Vorräthe, der Umstand, daß die reichlicher gewordenen Bahn-
zufuhren ohne weiteres an die Mühlen gehen, und endlich, daß die
Nachfrage in gleicher Stärke, wie in den Vorwochen, anhätt, rief an-
fangs steigende Bewegung auf dem Roggenmarkte hervor, die allerdings
in den letzten Tagen Abschwächung erfuhr. Grund hiefür sind nicht
allein die schon erwähnten Zollverhandlungen, sondern auch die Aus-
sichten auf das Eintreffen der durch die milde Witterung wiederum
flott werdenden, bisher im Canal eingefrornen Ladungen, sowie der
Erwartungen auf reichlichere Bahnzufuhren. Einige kleine Abschlüsse
in Liban fallen nicht in das Gewicht, im ganzen bleiben die russischen
Forderungen zu hoch und unlohnend. Die laufende Sicht, welche
2 M. gewann, wurde bevorzugt, Frühjahr blieb recht fest. Das Ge-
schäft mit effectivem Hafer bewegte sich in bescheidenen Grenzen, An-
gebot und Nachfrage deckten sich, die Bahnankünste fanden bei den könig-
lichen Magazinen sofort Unterkommen. Termine anfänglich fest, selbst
höher, schwächten sich im Anschluß an den Roggenmarkt später etwas
ab und schließen in guter Haltung, genau auf dem Werth-
niveau der Vorwoche. Mais langt zwar nur wenig an,
wird aber auch knapp verlangt und blieb für loco und Termin
bei kleinem Handel recht fest. Gerste in beiden Sorten wenig gehandelt,
von Braugerste waren schlesische Sorten etwas billiger, Oderbrucher
etwas theurer. Hiesiges Roggenmehl findet lebhaften Absatz nach dem
Platze, von außerhalb laufen weniger Aufträge ein, fremdes Mehl
langt etwas mehr an, als in den Vorwochen, ist aber auch schwerer
unterzubringen. Terminmehl wurde rege gehandelt und gewann für
den laufenden Monat 40 Pf., Frühjahr stellte sich dagegen 30 Pf.
niedriger. Weizenmehl wird nur in geringeren Marken begehrt, für
bessere Marken sind die Forderungen zu hoch. Rüböl ist still geworden,
der effective Preis steht pari Termin, nahe Sichten zogen etwas an,
entserntere gaben Kleinigkeiten nach, im ganzen blieb der Artikel ver-
nachlässigt. Ein reges Leben entsaltete sich wiederum auf dem Spiritus-
markte, zeitweise nahm der Handel einen aufgeregten Charakter an.
Die Preise stiegen rapide -- sie schließen durchgängig über 3 M. höher
als in der Vorwoche -- die Kanflust, hanptsächlich durch die feste
Haltung des Hamburger Marktes hervorgerufen, war anhaltend recht
bedeutend, es wurden große Abschlüsse nach außerhalb gemacht und
scheint noch jetzt Deckungsbedürsniß für December vorhanden zu sein.
Abgeber wurden in Folge dieser Thatsachen zurückhaltender, zumal die
Locozufuhr verhältnißmäßig schwach bleibt. Erst während der letzten
Tage zeigte sich zu den erhöhten Preisen für spätere Sommertermine
mehr Angebot, so daß der Report per Frühjahr auf Sommer etwas
kleiner geworden ist. Unsre Spritfabriken sind noch immer weniger
beschäftigt, als die auswärtigen.

München, Sonntag Allgemeine Zeitung 14. December 1890. Drittes Morgenblatt Nr. 346.
[Spaltenumbruch]
Montenegro.

* Fürſt Nikolaus von Montenegro hielt kürzlich in
Danilograd, wo er auf einem Ausfluge ins Innere wegen rheu-
matiſcher Schmerzen für längere Zeit Halt machen mußte, an das
zuſammengeſtrömte Volk eine Anſprache, in welcher er ſagte, es ſei
bedauerlich, daß die Montenegriner nicht auch als gute Arbeiter
gelobt werden könnten. Wenn ſie ebenſolche Arbeiter wären wie
Helden, würden ſie ebenſo reich als ruhmvoll ſein. Er munterte
das Volk zur Arbeit auf und ſagte, er wolle das Seinige dazu
beitragen, um es auf die Bahn der Arbeit und des Fortſchrittes
zu führen. Er verfügte deßhalb, daß jeder montenegriniſche Krieger
aus Gegenden, wo die Weinrebe gedeihen kann, in dieſem Jahre
200 Reben ſetze; ferner ſolle jeder Brigadier 20, jeder Bataillons-
commandant und Untercommandant 10, jeder Officier und Fahnen-
träger 5, jeder Führer 2 Olivenbäume und jeder Corporal 1 Oliven-
baum pflanzen. Nach einer weiteren fürſtlichen Verfügung iſt den-
jenigen, welche noch in dieſem Jahre freiwillig 2000 Reben ſetzen,
eine zehnjährige Steuerfreiheit zugeſichert. Das Amtsblatt ſpricht
die zuverſichtliche Erwartung aus, daß in Folge der fürſtlichen Ver-
ordnung Montenegro im Frühjahr 1891 um 4 Millionen Neben
und 20,000 Oelbäume reicher ſein wird, als es derzeit iſt. Das
Blatt betont, der Fürſt habe immer gehofft, das Volk werde ſchließ-
lich aus eigenem Antriebe auf die Bahn erſprießlicher Arbeit ſich
begeben; nachdem ſich dieſe Erwartung indeſſen nicht erfüllt habe,
„wäre die ſanſte Gewalt im Intereſſe der heilſamen Zwecke ange-
zeigt geweſen.“



Verſchiedenes.

Elektriſcher Betrieb.
Die ſeit Mitte Auguſt auf der Schmalipurbahn Hildburghauſen-
Heldburg regelmäßig ſtattfindenden Verſuchsfahrten mit Accumula-
torenbetrieb haben jetzt inſofern eine neue Etappe erreicht, als am
vorigen Sonnabend unter Betheiligung der Mitglieder unſres
herzoglichen Staatsminiſteriums und mehrerer anderer geladener Gäſte
mit einem neuen von der Firma van der Zypen und Charlier in Deutz
gebauten Perſonenwagen eine erſte Probefahrt von hier bis Held-
burg (25 Kilometer) ſtattgefunden hat. Dieſe Fahrt iſt, ebenſo
wie die bislang mit dem proviſoriſchen Wagen angeſtellten, zur
vollen Zufriedenheit der Betheiligten ausgefallen, und ſo berechtigt
denn der bisherige Verlauf der Verſuche zu der Annahme, daß das
Syſtem des Aceumulatorenbetriebs, wenn auch zunächſt nur inner-
halb gewiſſer Grenzen, für Straßenbahnen praktiſch verwerthbar
ſein wird. Ueber die ferneren Verſuche werden wir ſeinerzeit
berichten.

* Helgoländer Auſtern.

Die Helgoländer Auſtern-
bank
iſt kürzlich an den Pächter der fiscaliſchen Auſternbänke bei
Borkum und Juiſt, Kaufmann Guſtav Adolf Rady, für die
Dauer des Jahres 1891 ſeitens des kaiſerlichen Commiſſars ver-
pachtet worden. Das „Cuxh. Tagebl.“ bemerkt hierzu: Der erſte
feſte Vertrag wurde im Jahre 1872 mit Hrn. Eduard Schipmann
in Altona auf fünf Jahre abgeſchloſſen. Nach Ablauf dieſer Zeit
wurde Hr. H. Lorenz in Hamburg bis zum Jahre 1883 Pächter,
worauf Hr. Friedrich Hagedorn in Hamburg die Bank vom
1. September 1885 bis zum 31. Auguſt 1890 pachtete. Der Ver-
trag mit Hagedorn beſtimmte keine feſte Pachtſumme, ſondern nur
die Zahlung von 5 Mark für jedes Tauſend gefangener Auſtern.
Dieſer bis zum 31. Auguſt d. J. abgeſchloſſene Vertrag iſt dagegen
niemals zur Ausführung gelangt, ſondern bald nach ſeinem Ab-
ſchluß durch mündliche Verſtändigung aufgehoben worden. Seitdem
haben Fiſcher gegen Zahlung von 50 Pf. für je 110 Stück zu-
weilen Auſtern an das Land geholt; die Einnahmen, welche hier-
durch zur Landescaſſe floſſen, waren ſehr gering. Der jetzige
Pächter Rady zahlt an Pachtzins für die erſten 10,000 Stück ge-
fiſchte Auſtern je 10 M. für das Tauſend, jedoch mindeſtens
30 M. auch bei keinem Fangergebniß, und für den weiteren Fang
über 10,000 Stück bis zu 250,000 Stück je 5 M. für
das Tauſend. Mehr als 250,000 Stück Helgoländer
Auſtern darf der Pächter in dem Pachtjahre nicht fiſchen.
Während der Schonzeit vom 1. Mai bis 31. Auguſt darf
die Bank überhaupt nicht befiſcht werden. Der Pächter ver-
pflichtet ſich, den Auſternfang thunlichſt mit Helgoländer Fiſchern
zu betreiben. Der jetzige Pächter ſoll beabſichtigen, engliſche und
holländiſche Auſtern an geeigneten Stellen der Bank behufs deren
Aufbeſſerung auszuſäen, und auch die Anlagen von Auſternparks
und Auſternbaſſins in Ausſicht genommen haben.

Die Brittiſche Südafrikaniſche Geſellſchaft
in London hat ein Telegramm von Kimberley erhalten, welches
meldet, daß bereits Quarzadern- und Alluvialgold-Gerechtſame am
Umfuli-Fluſſe im Maſchona-Lande erworben wurden. Ohne Zweifel
ſeien reiche Goldadern entdeckt worden. Mehr als 800 Gerecht-
ſame auf unterſuchte goldhaltige Quarzgänge ſeien ſchon gebucht
worden. Einige von ihnen ſind ſehr werthvoll und bis auf eine
Tiefe von 58 Fuß geprüft. Durchſchnittlich geben ſie 4—5 Unzen
reines Gold auf die Tonne Erz. Mehr als 100 Goldſucher ſind
von der Capcolonie nach dem Maſchona-Lande aufgebrochen. Auch
die Vertreter von 17 reichen Syndicaten haben ſich dorthin begeben.

Ein ſonderbares Schauſpiel, wie es
in anderen civiliſirten Ländern kaum möglich ſein dürfte, bot ſich
geſtern Abend um 9 Uhr dem Publicum auf der Corſoſtraße dar.
Durch die Porta del Popolo zog ein von der Via Flaminia her-
kommender Karren in die Stadt ein, der bald die allgemeine Auf-
merkſamkeit auf ſich zog. Im Scheine mehrerer Laternen, die an
dem Fuhrwerke angebracht waren, ſah man auf demſelben drei mit
Stricken aneinander gefeſſelte und von vier Schutzleuten in Civil
umgebene Individuen in der rothen Tracht der Galeerenſträflinge
ſitzen. Es waren die vor mehreren Tagen aus dem Fort auf dem
Monte Mario entwichenen Verbrecher, die nach Abſtreiſung ihrer
Ketten ſich trotz Nahrungsmangels und böſen Wetters bis geſtern
Nachmittag den Nachforſchungen der Polizei zu entziehen gewußt
hatten. Die dichten Buſchwälder, die zahlreichen Schluchten und
Höhlen der Campagna hatten ihnen willkommenes und für die
Verfolger ſchwer zugängliches Verſteck geliefert. Der Hunger hatte
ſie endlich zur Annäherung an ein einſames Gehöſt genöthigt und
hier ſind ſie durch die als Landleute verkleideten Polizeibeamten
dingfeſt gemacht worden. Beſonderen Eindruck ſcheint das Miß-
geſchick nicht auf ſie gemacht zu haben; denn während der langen
Fahrt von La Storta an der Via Caſſia bis nach Rom hörten ſie
nicht auf, aus vollem Halſe zu ſingen, vielleicht überwältigt von
der Wirkung der reichlichen Leibesſtärkung, welche der Polizei-
hauptmann Leproni ihnen nach Erfüllung ſeiner anſtrengenden
Aufgabe hatte zutheil werden laſſen. Wie der Zug ſich durch die
Straßen bewegte, hätte man an eine Maskerade glauben können.
Voran der Hauptmann Leproni, ein Polizeicommiſſar und ein
Gendarmeriewachtmeiſter zu Pferee, alle drei als Campagnolen ver-
kleidet und in weite Mäntel gehüllt; dann der kothbedeckte Karren,
umgeben von Schutzleuten, hinter ihm eine immer anwachſende
Menge von Neugierigen, die laut ihre Bemerkungen — vorwiegend
des Mitleids für die Eingefangenen — austauſchte. Als die
letzteren hinter dem Thore der Polizeidirection verſchwanden, kam
beim Publicum das Bewußtſein des großen Dienſtes zum Durch-
bruch, den die Sicherheitsbeamten der Bewohnerſchaft geleiſtet
[Spaltenumbruch] hatten, und es wurden wiederholte Hochrufe auf die Polizei aus-
gebracht, was hier zu den ſeltenſten der Seltenheiten gehört. —
Uebrigens ſind zwei weitere bei derſelben Gelegenheit Entflohene,
die ſich von den Genoſſen getrennt hatten, noch immer nicht wieder
eingeſangen. Die ohnehin nie übergroße Sicherheit in der römi-
ſchen Campagna iſt dadurch bis auf weiteres noch mehr ver-
mindert.

= Deutſches Turnweſen in den Vereinigten
Staaten.

Schon zu Anfang dieſes Jahrhunderts, nach der An-
regung durch Jahn, verbreitete das Turnweſen ſich auch unter
den Deutſchen der Vereinigten Staaten, aber es dauerte doch bis
1848, daß ſich Turnvereine bildeten. In dieſem Jahre traten
30 Ausgewanderte zu dem New-Yorker Turnverein zuſammen,
welcher ſich ſpäter neu conſtituirte. Zunächſt kam der Turnverein
von Cincinnati, und nun ging die Bildung neuer Vereine ſo raſch
vor ſich, daß 1850 ſchon 13 Abgeordnete von ſolchen zuſammen-
treten konnten, um in Philadelphia den Deutſchen Turner-
bund
zu gründen. 1861 beſtanden bereits 150 Vereine, als
der Ausbruch des Bürgerkrieges den weiteren Fortſchritt hemmte.
Manche Vereine traten in corpore in das Heer der Nordſtaaten
und lösten ſich dadurch auf. Noch aber war der Krieg nicht
vorüber, als im September 1864 Abgeordnete verſchiedener Städte
in New-York zuſammentraten, um den Turnerbund wieder herzu-
ſtellen. Seit dieſer Zeit hat der Bund ſich immer vergrößert, ſo
daß er am 1. April 1890 35 Bezirke mit 250 Vereinen und
36,000 Mitgliedern zählte. Der größte Bezirk war Chicago mit
5021, der kleinſte Florida mit 20 Mitgliedern. Der größte
Einzelverein iſt der Centralturnverein in der Stadt New-
York.
170 Vereine haben eigene Turnhallen, welche mit Turn-
geräthen, Mobiliar, Bibliotheken ꝛc. am 1. April 1890 einen
Werth von 4,774,221 Dollars darſtellten. Der New-Yorker
Turnbezirk beſteht aus 11 Vereinen, unter denen auch ein ſocial-
demokratiſcher iſt. Der zahlreichſte Verein dieſes Bezirks nicht
nur, ſondern der ganzen Union iſt, wie bereits erwähnt, der New-
Yorker Centralverein, 1886 conſtituirt, welcher von 400 Mit-
gliedern auf 2000 angewachſen iſt und ein Vermögen von
770,000 Dollars beſitzt. Er hat aus ſich eine dramatiſche Ab-
theilung, einen Männerchor, verſchiedene Muſikvereine, einen
Schachelub ꝛc. entwickelt und unterhält verſchiedene Elementar-
ſchulen, in denen der körperlichen Ausbildung beſondere Beachtung
geſchenkt wird. Der Centralverein beſitzt die ſchönſte Turnhalle
der Welt, ſechs Stockwerke hoch, 175 Fuß lang, 104 Fuß breit,
vollſtändig feuerſicher erbaut. Der New-Yorker Turnverein,
wie erwähnt, 1848 gegründet, 1856 neu conſtituirt, hat ein Ver-
mögen von 168,572 Dollars, 1000 Mitglieder, eine dramatiſche
Section und unterbält ebenfalls Schulen. Im Bürgerkriege
waren 70 Procent ſeiner Mitglieder ins Heer der Nordſtaaten
eingetreten. Auf weitere Einzelheiten können wir hier nicht ein-
gehen; wir erwähnen nur noch, daß in Milwaukee ein vom
Turnerbund unterhaltenes Seminar für Turnlehrer beſteht und
daß daſelbſt das officielle Organ des Bundes, „Die Amerikaniſche
Turnzeitung“, erſcheint. Bekanntlich findet alle 4 Jahre ein
Bundesturnfeſt und in den Zwiſchenräumen Bezirksturnfeſte ſtatt,
welche im Verein mit den Geſangs- und Schützenfeſten das
deutſche Element periodiſch zuſammenführen. Wir entnehmen
dieſe Notizen einem längeren Artikel der in New-York erſcheinen-
den Zeitſchrift „Harper’s Weekly“, Nr. 1761, welche auch eine
innere Anſicht der Turnhalle des Centralvereins in New-York
(mit Jahns Büſte) und eine äußere Anſicht der Turnhalle von
Milwaukee bringt.

* Todesfall.

In Berlin iſt am 4. December im Alter
von 85 Jahren der Geh. Medicinalrath Dr. Auguſt Wilhelm Ferdinand
Schultz geſtorben, der in jüngeren Jahren naturwiſſenſchaftliche Studien
in Italien betrieben, in Rom die Stelle eines Geſandtſchaftsarztes be-
kleidet, ſeit 1847 in Berlin gewirkt und an dem öffentlichen Leben regen
Antheil genommen hatte. Als Schriftſteller iſt er namentlich auf dem
Gebiete der mediciniſchen Klimatologie thätig geweſen. — Wie der
„Köln. Ztg.“ geſchrieben wird, iſt in den letzten Tagen zu Charlotten-
burg im Alter von 62 Jahren nach langer ſchwerer Krankheit der
Legationsrath z. D. Dr. jur. Ludwig Geßner verſtorben. Derſelbe
war nach abgelegter juriſtiſcher Staatsprüſung vom Jahre 1863—1867
im Kriegsminiſterium, dann im Staatsminiſterium, vom Jahre 1868
bis 1874 im Miniſterium der Auswärtigen Angelegenheiten thätig.
Neben ſeinen praktiſchen Arbeiten beſchäftigte er ſich viel mit wiſſen-
ſchaſtlichen Studien auf dem Gebiete des Völkerrechts, des Seerechts
und des Staatsrechts. In der Wiſſenſchaft hat er ſich namentlich durch
ſein Werk „Le droit des neutres sur mer“ einen guten Namen er-
worben. Nachdem er 1874 in Disponibilität getreten, widmete er ſich
ausſchließlich wiſſenſchaftlicher Thätigkeit. Die Allgemeine Zeitung hatte
ſich zahlreicher Beiträge aus der Feder des nun Verſtorbenen zu erfreuen.



Univerſitätsnachrichten.

An der Univerſität Göttingen iſt der bisherige außer-
ordentliche Profeſſor Dr. Guſtav Roethe zum ordentlichen Pro-
feſſor in der philoſophiſchen Facultät ernannt worden.

* Wie aus Dorpat berichtet wird, hat der dortige Profeſſor
der Pſychiatrie Dr. Emil Kräpelin einen Ruf nach Heidel-
berg
erhalten und wird demſelben folgen. — Zur Würdigung
der Leiſtungen der deutſchſprachigen Univerſität Dorpat um den
ruſſiſchen Staatsdienſt kann die ſtatiſtiſche Thatſache dienen, daß
von den ehemaligen Studirenden Dorpats zu dem Range eines
Wirkl. Geheimraths 6 emporgeſtiegen ſind (Baron Ernſt Ungern-
Sternberg, Graf Chreptowitſch, Senator, G. v. Brevern, Ehren-
vormund Th. v. Hartmann, Dr. med. Nik. Koslow, Akademiker
Dr. Otto Wilh. Struve), 71 die Zahl der Geheimräthe, 313 die
der Wirkl. Staatsräthe vermehrt haben — im ganzen 390
Excellenzen. Es hat ſich alſo jeder 17. Dorpater Student im
ſpäteren Leben hohe ſtaatliche Anerkennung ſeiner Tüchtigkeit er-
rungen. Das iſt ſehr viel, wenn man bedenkt, wie viele über-
haupt gar nicht in den Staatsdienſt getreten ſind.



Handel und Volkswirthſchaft.
Wochenberichte.

Das Gute an der Sache
iſt, daß Perioden der Oede und Unfruchtbarkeit wie die gegen-
wärtige ſchon häufiger da waren und immer wieder überwunden
worden ſind. Man braucht ſich alſo nicht dem ſchwermüthigen Ge-
danken hinzugeben, daß die herrſchende Stagnation chroniſch werden
würde. Einmal wird dieſelbe wohl überwunden werden. In Be-
zug auf das Wann wird allerdings eine gute Doſis Geduld er-
forderlich ſein. Von den Einzelheiten der abgelaufenen Woche iſt
ſehr wenig zu ſagen. Die Curſe zeigten anfänglich rückläufige
Tendenz und haben ſich ſchließlich wieder etwas befeſtigen können.
Die Handelskriſis in Amerika iſt noch nicht überwunden und es
iſt bis zu einem gewiſſen Grade merkwürdig, wie wenig dieſelbe
bei uns Eindruck gemacht hat. Die letzten Berichte von der
New-Yorker Börſe lauten etwas günſtiger, aber die Liſten der
Falliſſements in der Union ſcheinen noch nicht abgeſchloſſen. Der
argentiniſchen Frage gegenüber gewöhnt man ſich nachgerade eine
gewiſſe Gleichgültigkeit an. Man findet den Standpunkt, den
das engliſche Comité einnimmt, faſt unqualificirbar, und man
läßt ſich auch durch die letzten Beſchwichtigungsdepeſchen,
[Spaltenumbruch] welche den Inhalt eines Artikels der Times wiedergeben,
nicht in der ablehnenden Stellung beirren, die man jenem einſeiti-
gen Intereſſenſtandpunkte gegenüber einnimmt; die argentiniſchen
Werthe wogen auf und nieder. Wir hoffen, daß die kleineren
Capitaliſten ſich die von der deutſchen Preſſe, wenigſtens in ihren
ernſteren Organen, einmüthig ausgegangenen Warnungen geſagt
ſein ließen, und daß ſie ihre Beſtände, als es noch Zeit war, ver-
ringert haben. Wenigſtens muß man annehmen, daß diejenigen,
welche zu den heutigen Curſen noch argentiniſche Werthe beſitzen,
ſich der Gefahr voll bewußt ſind, die ein ſolcher Beſitz einſchließt,
und daß ſie ſich mit dem Gedanken an Conceſſionen, die ſie machen
müſſen, vertraut gemacht haben. — Die Tendenz für öſterreichiſche
Bahnactien war im Laufe der Woche unter dem Eindruck der
Schneeverwehungen und der Verkehrsſtörungen eine ungünſtige,
hat ſich aber ſchließlich wieder merklich gebeſſert. Es ſcheint, daß von
Seiten der Baiſſiers ziemlich viel darin in Blanco verkauft worden iſt und
dieſe Abgaben bringen die Nothwendigkeit von Deckungen hervor.
Größere Bewegung vollzog ſich in ſchweizeriſchen Bahnactien. An-
fangs verkehrten dieſe in weichender Richtung und zwar auf die
Nachricht von größeren Betriebsſpeſen bei der Centralbahn, ſowie
den von Seiten eines Großactionärs angeſtrengten Proceß gegen
die Nordoſtbahn. Schließlich iſt aber eine merklich beſſere Stimmung
dafür eingetreten, da die Wahl des Bundesraths Welti zum
Präſidenten der Eidgenoſſenſchaft für das Jahr 1891 für die Ver-
ſtaatlichungsidee günſtig beurtheilt wird. Man betrachtet Hrn. Welti
als die Perſoniſication des Verſtaatlichungsgedankens. Auf dem
Bankenmarkte ſtilles Geſchäft und geringfügige Cursveränderungen.
Die Contremine hat anfangs ziemlich viel darin abgegeben und
die naturgemäße Folge davon war, daß ſchließlich wieder Deckungen
vorgenommen werden mußten, welche eine mäßige Steigerung
herbeiführten. Die ſtarken Anſtrengungen, welche von einer Specu-
lationscoterie gemacht wurden, den Curs der Banque Ottomane
herabzudrücken, hatte nur geringen Erfolg. Für Kohlen- und Eiſen-
werthe iſt eine beſſere Börſenſtrömung zu verzeichnen. Das Zuſtande-
kommen der Bochumer und Eſſener Verkaufsvereinigung machte
guten Eindruck, auch lauten die Berichte über die weiteren
Abſchlüſſe der Kohlenzechen ziemlich animirend. Das ſüddeutſche
Publicum hat in den letzten Tagen größere Beträge von Gelſen-
kirchener Concordia und Courl-Actien aufgenommen. Von anderen
Induſtriewerthen ſind Ediſon nach ſtärkerer Ermattung wieder
befeſtigt. Veloce flau. Chemiſche Fabrik Goldenberger rückgängig
auf die Dividendenſchätzung. In Bezug auf die ſeit Beginn dieſes
Monats durch die Preſſe gehenden Divideudenſchätzungen glauben wir
die Bemerkung machen zu ſollen, daß in dem Wettlauf der
Zeitungen, auch auf dieſem Gebiete ihren Leſern möglichſt frühzeitig
Anhaltspunkte bieten zu können, eine gewiſſe Gefahr liegt.
Dividendenſchätzungen werden in ganz unverbindlicher Form und
mit allem Vorbehalte gemacht, haben alſo eigentlich keinen
größeren realen Werth. Nun kann ſich aber von Beginn des December
bis zum Schluſſe des Geſchäftsjahres ſowohl an den Grundlagen
der einzelnen Geſellſchaften, als in der allgemeinen Lage ſo Vielerlei
ändern, daß im Augenblick der Abtrennung der Coupons der Werth
derſelben ein ganz anderer ſein kann, als er wenige Wochen zu-
vor taxirt wurde. Die definitive Feſtſtellung der Dividende findet
in der Regel erſt ſtatt, wenn die Bilanzen abgeſchloſſen ſind, und
je nachdem dann ſehr glänzende oder ſehr ungünſtige Verhältniſſe
vorliegen, läßt ſich noch immer etwas ab- oder zugeben. Wir
glauben aber, daß man wenigſtens den Schluß des eigentlichen
Geſchäftsjahres abwarten ſollte, ehe man an die Taxation ſchreitet.
Entbehrlich ſind dieſelben nicht, weil die Börſe die rechnungsmäßigen
Cursveränderungen zum Ausdruck bringen muß, aber vom 5. bis
27. December können Kriſen, Falliſſements, Veränderungen in
den Werthen einzelner Activa, Umgeſtaltungen auf dem induſtriellen
Gebiete ꝛc. eintreten, welche die vorausgegangenen Berechnungen
über den Haufen werfen. Wir würden es alſo als eine ſehr
wünſchenswerthe Reform betrachten, wenn in künftigen Jahren
durch allſeitige Uebereinkunft die Dividententaxationen auf die Tage
vom 27. bis 31. December verlegt würden. Möge dieſer Vor-
ſchlag Beherzigung finden.

Getreide- und Producten-Wochen-
bericht.
(Vor der Börſe.) Unſer Markt iſt ruhiger, die Haltung
Angeſichts der bereits mit Oeſterreich eingeleiteten Zollverhandlungen
abwartend geworden. Täglich drückt die Ungewißheit über die zukünf-
tige Geſtaltung der Zölle mehr auf den Handel, die Speculation zieht
ſich zurück, der Conſum erwirbt nur das Nothwendigſte. Während der
erſten Hälfte der Berichtsperiode war der Verkehr noch ein ziemlich
reger, dann aber bewegte er ſich in engen Grenzen, ganz beſonders war
dies beim Weizen der Fall. Wir haben von dieſer Brodfrucht bekannt-
lich ziemlich große Vorräthe, die Ernte iſt gut ausgefallen, der Bedarf
dagegen ein außergewöhnlich kleiner. Hervorzuheben iſt, daß feinere
Qualitäten recht knapp geworden ſind, ſich auch in den übrigens ſpär-
lichen Ankünſten nicht vorfinden, woher letztere meiſt zu Lager geben.
Termine ſchwankten wenig im Werthe, was bei der geringen Beachtung,
die ſie erfuhren, naturgemäß iſt. Wenn ſie ſich aber im ganzen gut
behaupteten, ſo iſt dies der Roggen-Feſtigkeit zuzuſchreiben, welche übri-
gens auf den geſammten Markt einen günſtigen Einfluß ausübte. Die
kleinen Vorräthe, der Umſtand, daß die reichlicher gewordenen Bahn-
zufuhren ohne weiteres an die Mühlen gehen, und endlich, daß die
Nachfrage in gleicher Stärke, wie in den Vorwochen, anhätt, rief an-
fangs ſteigende Bewegung auf dem Roggenmarkte hervor, die allerdings
in den letzten Tagen Abſchwächung erfuhr. Grund hiefür ſind nicht
allein die ſchon erwähnten Zollverhandlungen, ſondern auch die Aus-
ſichten auf das Eintreffen der durch die milde Witterung wiederum
flott werdenden, bisher im Canal eingefrornen Ladungen, ſowie der
Erwartungen auf reichlichere Bahnzufuhren. Einige kleine Abſchlüſſe
in Liban fallen nicht in das Gewicht, im ganzen bleiben die ruſſiſchen
Forderungen zu hoch und unlohnend. Die laufende Sicht, welche
2 M. gewann, wurde bevorzugt, Frühjahr blieb recht feſt. Das Ge-
ſchäft mit effectivem Hafer bewegte ſich in beſcheidenen Grenzen, An-
gebot und Nachfrage deckten ſich, die Bahnankünſte fanden bei den könig-
lichen Magazinen ſofort Unterkommen. Termine anfänglich feſt, ſelbſt
höher, ſchwächten ſich im Anſchluß an den Roggenmarkt ſpäter etwas
ab und ſchließen in guter Haltung, genau auf dem Werth-
niveau der Vorwoche. Mais langt zwar nur wenig an,
wird aber auch knapp verlangt und blieb für loco und Termin
bei kleinem Handel recht feſt. Gerſte in beiden Sorten wenig gehandelt,
von Braugerſte waren ſchleſiſche Sorten etwas billiger, Oderbrucher
etwas theurer. Hieſiges Roggenmehl findet lebhaften Abſatz nach dem
Platze, von außerhalb laufen weniger Aufträge ein, fremdes Mehl
langt etwas mehr an, als in den Vorwochen, iſt aber auch ſchwerer
unterzubringen. Terminmehl wurde rege gehandelt und gewann für
den laufenden Monat 40 Pf., Frühjahr ſtellte ſich dagegen 30 Pf.
niedriger. Weizenmehl wird nur in geringeren Marken begehrt, für
beſſere Marken ſind die Forderungen zu hoch. Rüböl iſt ſtill geworden,
der effective Preis ſteht pari Termin, nahe Sichten zogen etwas an,
entſerntere gaben Kleinigkeiten nach, im ganzen blieb der Artikel ver-
nachläſſigt. Ein reges Leben entſaltete ſich wiederum auf dem Spiritus-
markte, zeitweiſe nahm der Handel einen aufgeregten Charakter an.
Die Preiſe ſtiegen rapide — ſie ſchließen durchgängig über 3 M. höher
als in der Vorwoche — die Kanfluſt, hanptſächlich durch die feſte
Haltung des Hamburger Marktes hervorgerufen, war anhaltend recht
bedeutend, es wurden große Abſchlüſſe nach außerhalb gemacht und
ſcheint noch jetzt Deckungsbedürſniß für December vorhanden zu ſein.
Abgeber wurden in Folge dieſer Thatſachen zurückhaltender, zumal die
Locozufuhr verhältnißmäßig ſchwach bleibt. Erſt während der letzten
Tage zeigte ſich zu den erhöhten Preiſen für ſpätere Sommertermine
mehr Angebot, ſo daß der Report per Frühjahr auf Sommer etwas
kleiner geworden iſt. Unſre Spritfabriken ſind noch immer weniger
beſchäftigt, als die auswärtigen.

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Durch die Porta del Popolo zog ein von der Via Flaminia her-<lb/>
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Monte Mario entwichenen Verbrecher, die nach Ab&#x017F;trei&#x017F;ung ihrer<lb/>
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Verfolger &#x017F;chwer zugängliches Ver&#x017F;teck geliefert. Der Hunger hatte<lb/>
&#x017F;ie endlich zur Annäherung an ein ein&#x017F;ames Gehö&#x017F;t genöthigt und<lb/>
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Straßen bewegte, hätte man an eine Maskerade glauben können.<lb/>
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[10/0010] München, Sonntag Allgemeine Zeitung 14. December 1890. Drittes Morgenblatt Nr. 346. Montenegro. * Fürſt Nikolaus von Montenegro hielt kürzlich in Danilograd, wo er auf einem Ausfluge ins Innere wegen rheu- matiſcher Schmerzen für längere Zeit Halt machen mußte, an das zuſammengeſtrömte Volk eine Anſprache, in welcher er ſagte, es ſei bedauerlich, daß die Montenegriner nicht auch als gute Arbeiter gelobt werden könnten. Wenn ſie ebenſolche Arbeiter wären wie Helden, würden ſie ebenſo reich als ruhmvoll ſein. Er munterte das Volk zur Arbeit auf und ſagte, er wolle das Seinige dazu beitragen, um es auf die Bahn der Arbeit und des Fortſchrittes zu führen. Er verfügte deßhalb, daß jeder montenegriniſche Krieger aus Gegenden, wo die Weinrebe gedeihen kann, in dieſem Jahre 200 Reben ſetze; ferner ſolle jeder Brigadier 20, jeder Bataillons- commandant und Untercommandant 10, jeder Officier und Fahnen- träger 5, jeder Führer 2 Olivenbäume und jeder Corporal 1 Oliven- baum pflanzen. Nach einer weiteren fürſtlichen Verfügung iſt den- jenigen, welche noch in dieſem Jahre freiwillig 2000 Reben ſetzen, eine zehnjährige Steuerfreiheit zugeſichert. Das Amtsblatt ſpricht die zuverſichtliche Erwartung aus, daß in Folge der fürſtlichen Ver- ordnung Montenegro im Frühjahr 1891 um 4 Millionen Neben und 20,000 Oelbäume reicher ſein wird, als es derzeit iſt. Das Blatt betont, der Fürſt habe immer gehofft, das Volk werde ſchließ- lich aus eigenem Antriebe auf die Bahn erſprießlicher Arbeit ſich begeben; nachdem ſich dieſe Erwartung indeſſen nicht erfüllt habe, „wäre die ſanſte Gewalt im Intereſſe der heilſamen Zwecke ange- zeigt geweſen.“ Verſchiedenes. λ Hildburghauſen, 9. Dec. Elektriſcher Betrieb. Die ſeit Mitte Auguſt auf der Schmalipurbahn Hildburghauſen- Heldburg regelmäßig ſtattfindenden Verſuchsfahrten mit Accumula- torenbetrieb haben jetzt inſofern eine neue Etappe erreicht, als am vorigen Sonnabend unter Betheiligung der Mitglieder unſres herzoglichen Staatsminiſteriums und mehrerer anderer geladener Gäſte mit einem neuen von der Firma van der Zypen und Charlier in Deutz gebauten Perſonenwagen eine erſte Probefahrt von hier bis Held- burg (25 Kilometer) ſtattgefunden hat. Dieſe Fahrt iſt, ebenſo wie die bislang mit dem proviſoriſchen Wagen angeſtellten, zur vollen Zufriedenheit der Betheiligten ausgefallen, und ſo berechtigt denn der bisherige Verlauf der Verſuche zu der Annahme, daß das Syſtem des Aceumulatorenbetriebs, wenn auch zunächſt nur inner- halb gewiſſer Grenzen, für Straßenbahnen praktiſch verwerthbar ſein wird. Ueber die ferneren Verſuche werden wir ſeinerzeit berichten. * Helgoländer Auſtern.Die Helgoländer Auſtern- bank iſt kürzlich an den Pächter der fiscaliſchen Auſternbänke bei Borkum und Juiſt, Kaufmann Guſtav Adolf Rady, für die Dauer des Jahres 1891 ſeitens des kaiſerlichen Commiſſars ver- pachtet worden. Das „Cuxh. Tagebl.“ bemerkt hierzu: Der erſte feſte Vertrag wurde im Jahre 1872 mit Hrn. Eduard Schipmann in Altona auf fünf Jahre abgeſchloſſen. Nach Ablauf dieſer Zeit wurde Hr. H. Lorenz in Hamburg bis zum Jahre 1883 Pächter, worauf Hr. Friedrich Hagedorn in Hamburg die Bank vom 1. September 1885 bis zum 31. Auguſt 1890 pachtete. Der Ver- trag mit Hagedorn beſtimmte keine feſte Pachtſumme, ſondern nur die Zahlung von 5 Mark für jedes Tauſend gefangener Auſtern. Dieſer bis zum 31. Auguſt d. J. abgeſchloſſene Vertrag iſt dagegen niemals zur Ausführung gelangt, ſondern bald nach ſeinem Ab- ſchluß durch mündliche Verſtändigung aufgehoben worden. Seitdem haben Fiſcher gegen Zahlung von 50 Pf. für je 110 Stück zu- weilen Auſtern an das Land geholt; die Einnahmen, welche hier- durch zur Landescaſſe floſſen, waren ſehr gering. Der jetzige Pächter Rady zahlt an Pachtzins für die erſten 10,000 Stück ge- fiſchte Auſtern je 10 M. für das Tauſend, jedoch mindeſtens 30 M. auch bei keinem Fangergebniß, und für den weiteren Fang über 10,000 Stück bis zu 250,000 Stück je 5 M. für das Tauſend. Mehr als 250,000 Stück Helgoländer Auſtern darf der Pächter in dem Pachtjahre nicht fiſchen. Während der Schonzeit vom 1. Mai bis 31. Auguſt darf die Bank überhaupt nicht befiſcht werden. Der Pächter ver- pflichtet ſich, den Auſternfang thunlichſt mit Helgoländer Fiſchern zu betreiben. Der jetzige Pächter ſoll beabſichtigen, engliſche und holländiſche Auſtern an geeigneten Stellen der Bank behufs deren Aufbeſſerung auszuſäen, und auch die Anlagen von Auſternparks und Auſternbaſſins in Ausſicht genommen haben. * Aus Südafrika. Die Brittiſche Südafrikaniſche Geſellſchaft in London hat ein Telegramm von Kimberley erhalten, welches meldet, daß bereits Quarzadern- und Alluvialgold-Gerechtſame am Umfuli-Fluſſe im Maſchona-Lande erworben wurden. Ohne Zweifel ſeien reiche Goldadern entdeckt worden. Mehr als 800 Gerecht- ſame auf unterſuchte goldhaltige Quarzgänge ſeien ſchon gebucht worden. Einige von ihnen ſind ſehr werthvoll und bis auf eine Tiefe von 58 Fuß geprüft. Durchſchnittlich geben ſie 4—5 Unzen reines Gold auf die Tonne Erz. Mehr als 100 Goldſucher ſind von der Capcolonie nach dem Maſchona-Lande aufgebrochen. Auch die Vertreter von 17 reichen Syndicaten haben ſich dorthin begeben. R. S. Rom, 5. Dec. Ein ſonderbares Schauſpiel, wie es in anderen civiliſirten Ländern kaum möglich ſein dürfte, bot ſich geſtern Abend um 9 Uhr dem Publicum auf der Corſoſtraße dar. Durch die Porta del Popolo zog ein von der Via Flaminia her- kommender Karren in die Stadt ein, der bald die allgemeine Auf- merkſamkeit auf ſich zog. Im Scheine mehrerer Laternen, die an dem Fuhrwerke angebracht waren, ſah man auf demſelben drei mit Stricken aneinander gefeſſelte und von vier Schutzleuten in Civil umgebene Individuen in der rothen Tracht der Galeerenſträflinge ſitzen. Es waren die vor mehreren Tagen aus dem Fort auf dem Monte Mario entwichenen Verbrecher, die nach Abſtreiſung ihrer Ketten ſich trotz Nahrungsmangels und böſen Wetters bis geſtern Nachmittag den Nachforſchungen der Polizei zu entziehen gewußt hatten. Die dichten Buſchwälder, die zahlreichen Schluchten und Höhlen der Campagna hatten ihnen willkommenes und für die Verfolger ſchwer zugängliches Verſteck geliefert. Der Hunger hatte ſie endlich zur Annäherung an ein einſames Gehöſt genöthigt und hier ſind ſie durch die als Landleute verkleideten Polizeibeamten dingfeſt gemacht worden. Beſonderen Eindruck ſcheint das Miß- geſchick nicht auf ſie gemacht zu haben; denn während der langen Fahrt von La Storta an der Via Caſſia bis nach Rom hörten ſie nicht auf, aus vollem Halſe zu ſingen, vielleicht überwältigt von der Wirkung der reichlichen Leibesſtärkung, welche der Polizei- hauptmann Leproni ihnen nach Erfüllung ſeiner anſtrengenden Aufgabe hatte zutheil werden laſſen. Wie der Zug ſich durch die Straßen bewegte, hätte man an eine Maskerade glauben können. Voran der Hauptmann Leproni, ein Polizeicommiſſar und ein Gendarmeriewachtmeiſter zu Pferee, alle drei als Campagnolen ver- kleidet und in weite Mäntel gehüllt; dann der kothbedeckte Karren, umgeben von Schutzleuten, hinter ihm eine immer anwachſende Menge von Neugierigen, die laut ihre Bemerkungen — vorwiegend des Mitleids für die Eingefangenen — austauſchte. Als die letzteren hinter dem Thore der Polizeidirection verſchwanden, kam beim Publicum das Bewußtſein des großen Dienſtes zum Durch- bruch, den die Sicherheitsbeamten der Bewohnerſchaft geleiſtet hatten, und es wurden wiederholte Hochrufe auf die Polizei aus- gebracht, was hier zu den ſeltenſten der Seltenheiten gehört. — Uebrigens ſind zwei weitere bei derſelben Gelegenheit Entflohene, die ſich von den Genoſſen getrennt hatten, noch immer nicht wieder eingeſangen. Die ohnehin nie übergroße Sicherheit in der römi- ſchen Campagna iſt dadurch bis auf weiteres noch mehr ver- mindert. = Deutſches Turnweſen in den Vereinigten Staaten. Schon zu Anfang dieſes Jahrhunderts, nach der An- regung durch Jahn, verbreitete das Turnweſen ſich auch unter den Deutſchen der Vereinigten Staaten, aber es dauerte doch bis 1848, daß ſich Turnvereine bildeten. In dieſem Jahre traten 30 Ausgewanderte zu dem New-Yorker Turnverein zuſammen, welcher ſich ſpäter neu conſtituirte. Zunächſt kam der Turnverein von Cincinnati, und nun ging die Bildung neuer Vereine ſo raſch vor ſich, daß 1850 ſchon 13 Abgeordnete von ſolchen zuſammen- treten konnten, um in Philadelphia den Deutſchen Turner- bund zu gründen. 1861 beſtanden bereits 150 Vereine, als der Ausbruch des Bürgerkrieges den weiteren Fortſchritt hemmte. Manche Vereine traten in corpore in das Heer der Nordſtaaten und lösten ſich dadurch auf. Noch aber war der Krieg nicht vorüber, als im September 1864 Abgeordnete verſchiedener Städte in New-York zuſammentraten, um den Turnerbund wieder herzu- ſtellen. Seit dieſer Zeit hat der Bund ſich immer vergrößert, ſo daß er am 1. April 1890 35 Bezirke mit 250 Vereinen und 36,000 Mitgliedern zählte. Der größte Bezirk war Chicago mit 5021, der kleinſte Florida mit 20 Mitgliedern. Der größte Einzelverein iſt der Centralturnverein in der Stadt New- York. 170 Vereine haben eigene Turnhallen, welche mit Turn- geräthen, Mobiliar, Bibliotheken ꝛc. am 1. April 1890 einen Werth von 4,774,221 Dollars darſtellten. Der New-Yorker Turnbezirk beſteht aus 11 Vereinen, unter denen auch ein ſocial- demokratiſcher iſt. Der zahlreichſte Verein dieſes Bezirks nicht nur, ſondern der ganzen Union iſt, wie bereits erwähnt, der New- Yorker Centralverein, 1886 conſtituirt, welcher von 400 Mit- gliedern auf 2000 angewachſen iſt und ein Vermögen von 770,000 Dollars beſitzt. Er hat aus ſich eine dramatiſche Ab- theilung, einen Männerchor, verſchiedene Muſikvereine, einen Schachelub ꝛc. entwickelt und unterhält verſchiedene Elementar- ſchulen, in denen der körperlichen Ausbildung beſondere Beachtung geſchenkt wird. Der Centralverein beſitzt die ſchönſte Turnhalle der Welt, ſechs Stockwerke hoch, 175 Fuß lang, 104 Fuß breit, vollſtändig feuerſicher erbaut. Der New-Yorker Turnverein, wie erwähnt, 1848 gegründet, 1856 neu conſtituirt, hat ein Ver- mögen von 168,572 Dollars, 1000 Mitglieder, eine dramatiſche Section und unterbält ebenfalls Schulen. Im Bürgerkriege waren 70 Procent ſeiner Mitglieder ins Heer der Nordſtaaten eingetreten. Auf weitere Einzelheiten können wir hier nicht ein- gehen; wir erwähnen nur noch, daß in Milwaukee ein vom Turnerbund unterhaltenes Seminar für Turnlehrer beſteht und daß daſelbſt das officielle Organ des Bundes, „Die Amerikaniſche Turnzeitung“, erſcheint. Bekanntlich findet alle 4 Jahre ein Bundesturnfeſt und in den Zwiſchenräumen Bezirksturnfeſte ſtatt, welche im Verein mit den Geſangs- und Schützenfeſten das deutſche Element periodiſch zuſammenführen. Wir entnehmen dieſe Notizen einem längeren Artikel der in New-York erſcheinen- den Zeitſchrift „Harper’s Weekly“, Nr. 1761, welche auch eine innere Anſicht der Turnhalle des Centralvereins in New-York (mit Jahns Büſte) und eine äußere Anſicht der Turnhalle von Milwaukee bringt. * Todesfall. In Berlin iſt am 4. December im Alter von 85 Jahren der Geh. Medicinalrath Dr. Auguſt Wilhelm Ferdinand Schultz geſtorben, der in jüngeren Jahren naturwiſſenſchaftliche Studien in Italien betrieben, in Rom die Stelle eines Geſandtſchaftsarztes be- kleidet, ſeit 1847 in Berlin gewirkt und an dem öffentlichen Leben regen Antheil genommen hatte. Als Schriftſteller iſt er namentlich auf dem Gebiete der mediciniſchen Klimatologie thätig geweſen. — Wie der „Köln. Ztg.“ geſchrieben wird, iſt in den letzten Tagen zu Charlotten- burg im Alter von 62 Jahren nach langer ſchwerer Krankheit der Legationsrath z. D. Dr. jur. Ludwig Geßner verſtorben. Derſelbe war nach abgelegter juriſtiſcher Staatsprüſung vom Jahre 1863—1867 im Kriegsminiſterium, dann im Staatsminiſterium, vom Jahre 1868 bis 1874 im Miniſterium der Auswärtigen Angelegenheiten thätig. Neben ſeinen praktiſchen Arbeiten beſchäftigte er ſich viel mit wiſſen- ſchaſtlichen Studien auf dem Gebiete des Völkerrechts, des Seerechts und des Staatsrechts. In der Wiſſenſchaft hat er ſich namentlich durch ſein Werk „Le droit des neutres sur mer“ einen guten Namen er- worben. Nachdem er 1874 in Disponibilität getreten, widmete er ſich ausſchließlich wiſſenſchaftlicher Thätigkeit. Die Allgemeine Zeitung hatte ſich zahlreicher Beiträge aus der Feder des nun Verſtorbenen zu erfreuen. Univerſitätsnachrichten. An der Univerſität Göttingen iſt der bisherige außer- ordentliche Profeſſor Dr. Guſtav Roethe zum ordentlichen Pro- feſſor in der philoſophiſchen Facultät ernannt worden. * Wie aus Dorpat berichtet wird, hat der dortige Profeſſor der Pſychiatrie Dr. Emil Kräpelin einen Ruf nach Heidel- berg erhalten und wird demſelben folgen. — Zur Würdigung der Leiſtungen der deutſchſprachigen Univerſität Dorpat um den ruſſiſchen Staatsdienſt kann die ſtatiſtiſche Thatſache dienen, daß von den ehemaligen Studirenden Dorpats zu dem Range eines Wirkl. Geheimraths 6 emporgeſtiegen ſind (Baron Ernſt Ungern- Sternberg, Graf Chreptowitſch, Senator, G. v. Brevern, Ehren- vormund Th. v. Hartmann, Dr. med. Nik. Koslow, Akademiker Dr. Otto Wilh. Struve), 71 die Zahl der Geheimräthe, 313 die der Wirkl. Staatsräthe vermehrt haben — im ganzen 390 Excellenzen. Es hat ſich alſo jeder 17. Dorpater Student im ſpäteren Leben hohe ſtaatliche Anerkennung ſeiner Tüchtigkeit er- rungen. Das iſt ſehr viel, wenn man bedenkt, wie viele über- haupt gar nicht in den Staatsdienſt getreten ſind. Handel und Volkswirthſchaft. Wochenberichte. ∆ Frankfurt a. M., 12. Dec. Das Gute an der Sache iſt, daß Perioden der Oede und Unfruchtbarkeit wie die gegen- wärtige ſchon häufiger da waren und immer wieder überwunden worden ſind. Man braucht ſich alſo nicht dem ſchwermüthigen Ge- danken hinzugeben, daß die herrſchende Stagnation chroniſch werden würde. Einmal wird dieſelbe wohl überwunden werden. In Be- zug auf das Wann wird allerdings eine gute Doſis Geduld er- forderlich ſein. Von den Einzelheiten der abgelaufenen Woche iſt ſehr wenig zu ſagen. Die Curſe zeigten anfänglich rückläufige Tendenz und haben ſich ſchließlich wieder etwas befeſtigen können. Die Handelskriſis in Amerika iſt noch nicht überwunden und es iſt bis zu einem gewiſſen Grade merkwürdig, wie wenig dieſelbe bei uns Eindruck gemacht hat. Die letzten Berichte von der New-Yorker Börſe lauten etwas günſtiger, aber die Liſten der Falliſſements in der Union ſcheinen noch nicht abgeſchloſſen. Der argentiniſchen Frage gegenüber gewöhnt man ſich nachgerade eine gewiſſe Gleichgültigkeit an. Man findet den Standpunkt, den das engliſche Comité einnimmt, faſt unqualificirbar, und man läßt ſich auch durch die letzten Beſchwichtigungsdepeſchen, welche den Inhalt eines Artikels der Times wiedergeben, nicht in der ablehnenden Stellung beirren, die man jenem einſeiti- gen Intereſſenſtandpunkte gegenüber einnimmt; die argentiniſchen Werthe wogen auf und nieder. Wir hoffen, daß die kleineren Capitaliſten ſich die von der deutſchen Preſſe, wenigſtens in ihren ernſteren Organen, einmüthig ausgegangenen Warnungen geſagt ſein ließen, und daß ſie ihre Beſtände, als es noch Zeit war, ver- ringert haben. Wenigſtens muß man annehmen, daß diejenigen, welche zu den heutigen Curſen noch argentiniſche Werthe beſitzen, ſich der Gefahr voll bewußt ſind, die ein ſolcher Beſitz einſchließt, und daß ſie ſich mit dem Gedanken an Conceſſionen, die ſie machen müſſen, vertraut gemacht haben. — Die Tendenz für öſterreichiſche Bahnactien war im Laufe der Woche unter dem Eindruck der Schneeverwehungen und der Verkehrsſtörungen eine ungünſtige, hat ſich aber ſchließlich wieder merklich gebeſſert. Es ſcheint, daß von Seiten der Baiſſiers ziemlich viel darin in Blanco verkauft worden iſt und dieſe Abgaben bringen die Nothwendigkeit von Deckungen hervor. Größere Bewegung vollzog ſich in ſchweizeriſchen Bahnactien. An- fangs verkehrten dieſe in weichender Richtung und zwar auf die Nachricht von größeren Betriebsſpeſen bei der Centralbahn, ſowie den von Seiten eines Großactionärs angeſtrengten Proceß gegen die Nordoſtbahn. Schließlich iſt aber eine merklich beſſere Stimmung dafür eingetreten, da die Wahl des Bundesraths Welti zum Präſidenten der Eidgenoſſenſchaft für das Jahr 1891 für die Ver- ſtaatlichungsidee günſtig beurtheilt wird. Man betrachtet Hrn. Welti als die Perſoniſication des Verſtaatlichungsgedankens. Auf dem Bankenmarkte ſtilles Geſchäft und geringfügige Cursveränderungen. Die Contremine hat anfangs ziemlich viel darin abgegeben und die naturgemäße Folge davon war, daß ſchließlich wieder Deckungen vorgenommen werden mußten, welche eine mäßige Steigerung herbeiführten. Die ſtarken Anſtrengungen, welche von einer Specu- lationscoterie gemacht wurden, den Curs der Banque Ottomane herabzudrücken, hatte nur geringen Erfolg. Für Kohlen- und Eiſen- werthe iſt eine beſſere Börſenſtrömung zu verzeichnen. Das Zuſtande- kommen der Bochumer und Eſſener Verkaufsvereinigung machte guten Eindruck, auch lauten die Berichte über die weiteren Abſchlüſſe der Kohlenzechen ziemlich animirend. Das ſüddeutſche Publicum hat in den letzten Tagen größere Beträge von Gelſen- kirchener Concordia und Courl-Actien aufgenommen. Von anderen Induſtriewerthen ſind Ediſon nach ſtärkerer Ermattung wieder befeſtigt. Veloce flau. Chemiſche Fabrik Goldenberger rückgängig auf die Dividendenſchätzung. In Bezug auf die ſeit Beginn dieſes Monats durch die Preſſe gehenden Divideudenſchätzungen glauben wir die Bemerkung machen zu ſollen, daß in dem Wettlauf der Zeitungen, auch auf dieſem Gebiete ihren Leſern möglichſt frühzeitig Anhaltspunkte bieten zu können, eine gewiſſe Gefahr liegt. Dividendenſchätzungen werden in ganz unverbindlicher Form und mit allem Vorbehalte gemacht, haben alſo eigentlich keinen größeren realen Werth. Nun kann ſich aber von Beginn des December bis zum Schluſſe des Geſchäftsjahres ſowohl an den Grundlagen der einzelnen Geſellſchaften, als in der allgemeinen Lage ſo Vielerlei ändern, daß im Augenblick der Abtrennung der Coupons der Werth derſelben ein ganz anderer ſein kann, als er wenige Wochen zu- vor taxirt wurde. Die definitive Feſtſtellung der Dividende findet in der Regel erſt ſtatt, wenn die Bilanzen abgeſchloſſen ſind, und je nachdem dann ſehr glänzende oder ſehr ungünſtige Verhältniſſe vorliegen, läßt ſich noch immer etwas ab- oder zugeben. Wir glauben aber, daß man wenigſtens den Schluß des eigentlichen Geſchäftsjahres abwarten ſollte, ehe man an die Taxation ſchreitet. Entbehrlich ſind dieſelben nicht, weil die Börſe die rechnungsmäßigen Cursveränderungen zum Ausdruck bringen muß, aber vom 5. bis 27. December können Kriſen, Falliſſements, Veränderungen in den Werthen einzelner Activa, Umgeſtaltungen auf dem induſtriellen Gebiete ꝛc. eintreten, welche die vorausgegangenen Berechnungen über den Haufen werfen. Wir würden es alſo als eine ſehr wünſchenswerthe Reform betrachten, wenn in künftigen Jahren durch allſeitige Uebereinkunft die Dividententaxationen auf die Tage vom 27. bis 31. December verlegt würden. Möge dieſer Vor- ſchlag Beherzigung finden. ω Berlin, 12. Dec. Getreide- und Producten-Wochen- bericht. (Vor der Börſe.) Unſer Markt iſt ruhiger, die Haltung Angeſichts der bereits mit Oeſterreich eingeleiteten Zollverhandlungen abwartend geworden. Täglich drückt die Ungewißheit über die zukünf- tige Geſtaltung der Zölle mehr auf den Handel, die Speculation zieht ſich zurück, der Conſum erwirbt nur das Nothwendigſte. Während der erſten Hälfte der Berichtsperiode war der Verkehr noch ein ziemlich reger, dann aber bewegte er ſich in engen Grenzen, ganz beſonders war dies beim Weizen der Fall. Wir haben von dieſer Brodfrucht bekannt- lich ziemlich große Vorräthe, die Ernte iſt gut ausgefallen, der Bedarf dagegen ein außergewöhnlich kleiner. Hervorzuheben iſt, daß feinere Qualitäten recht knapp geworden ſind, ſich auch in den übrigens ſpär- lichen Ankünſten nicht vorfinden, woher letztere meiſt zu Lager geben. Termine ſchwankten wenig im Werthe, was bei der geringen Beachtung, die ſie erfuhren, naturgemäß iſt. Wenn ſie ſich aber im ganzen gut behaupteten, ſo iſt dies der Roggen-Feſtigkeit zuzuſchreiben, welche übri- gens auf den geſammten Markt einen günſtigen Einfluß ausübte. Die kleinen Vorräthe, der Umſtand, daß die reichlicher gewordenen Bahn- zufuhren ohne weiteres an die Mühlen gehen, und endlich, daß die Nachfrage in gleicher Stärke, wie in den Vorwochen, anhätt, rief an- fangs ſteigende Bewegung auf dem Roggenmarkte hervor, die allerdings in den letzten Tagen Abſchwächung erfuhr. Grund hiefür ſind nicht allein die ſchon erwähnten Zollverhandlungen, ſondern auch die Aus- ſichten auf das Eintreffen der durch die milde Witterung wiederum flott werdenden, bisher im Canal eingefrornen Ladungen, ſowie der Erwartungen auf reichlichere Bahnzufuhren. Einige kleine Abſchlüſſe in Liban fallen nicht in das Gewicht, im ganzen bleiben die ruſſiſchen Forderungen zu hoch und unlohnend. Die laufende Sicht, welche 2 M. gewann, wurde bevorzugt, Frühjahr blieb recht feſt. Das Ge- ſchäft mit effectivem Hafer bewegte ſich in beſcheidenen Grenzen, An- gebot und Nachfrage deckten ſich, die Bahnankünſte fanden bei den könig- lichen Magazinen ſofort Unterkommen. Termine anfänglich feſt, ſelbſt höher, ſchwächten ſich im Anſchluß an den Roggenmarkt ſpäter etwas ab und ſchließen in guter Haltung, genau auf dem Werth- niveau der Vorwoche. Mais langt zwar nur wenig an, wird aber auch knapp verlangt und blieb für loco und Termin bei kleinem Handel recht feſt. Gerſte in beiden Sorten wenig gehandelt, von Braugerſte waren ſchleſiſche Sorten etwas billiger, Oderbrucher etwas theurer. Hieſiges Roggenmehl findet lebhaften Abſatz nach dem Platze, von außerhalb laufen weniger Aufträge ein, fremdes Mehl langt etwas mehr an, als in den Vorwochen, iſt aber auch ſchwerer unterzubringen. Terminmehl wurde rege gehandelt und gewann für den laufenden Monat 40 Pf., Frühjahr ſtellte ſich dagegen 30 Pf. niedriger. Weizenmehl wird nur in geringeren Marken begehrt, für beſſere Marken ſind die Forderungen zu hoch. Rüböl iſt ſtill geworden, der effective Preis ſteht pari Termin, nahe Sichten zogen etwas an, entſerntere gaben Kleinigkeiten nach, im ganzen blieb der Artikel ver- nachläſſigt. Ein reges Leben entſaltete ſich wiederum auf dem Spiritus- markte, zeitweiſe nahm der Handel einen aufgeregten Charakter an. Die Preiſe ſtiegen rapide — ſie ſchließen durchgängig über 3 M. höher als in der Vorwoche — die Kanfluſt, hanptſächlich durch die feſte Haltung des Hamburger Marktes hervorgerufen, war anhaltend recht bedeutend, es wurden große Abſchlüſſe nach außerhalb gemacht und ſcheint noch jetzt Deckungsbedürſniß für December vorhanden zu ſein. Abgeber wurden in Folge dieſer Thatſachen zurückhaltender, zumal die Locozufuhr verhältnißmäßig ſchwach bleibt. Erſt während der letzten Tage zeigte ſich zu den erhöhten Preiſen für ſpätere Sommertermine mehr Angebot, ſo daß der Report per Frühjahr auf Sommer etwas kleiner geworden iſt. Unſre Spritfabriken ſind noch immer weniger beſchäftigt, als die auswärtigen.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 346, 14. Dezember 1890, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine346_1890/10>, abgerufen am 21.11.2024.