Allgemeine Zeitung, Nr. 346, 14. Dezember 1890.München, Sonntag Allgemeine Zeitung 14. December 1890. Drittes Morgenblatt Nr. 346. [Spaltenumbruch]
Montenegro. * Fürst Nikolaus von Montenegro hielt kürzlich in Verschiedenes. l Hildburghausen, 9. Dec. Elektrischer Betrieb. * Helgoländer Austern. Die Helgoländer Austern- * Aus Südafrika. Die Brittische Südafrikanische Gesellschaft R. S. Rom, 5. Dec. Ein sonderbares Schauspiel, wie es = Deutsches Turnwesen in den Vereinigten Staaten. Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts, nach der An- * Todesfall. In Berlin ist am 4. December im Alter Universitätsnachrichten. An der Universität Göttingen ist der bisherige außer- * Wie aus Dorpat berichtet wird, hat der dortige Professor Handel und Volkswirthschaft. Wochenberichte. Frankfurt a. M., 12. Dec. Das Gute an der Sache o Berlin, 12. Dec. Getreide- und Producten-Wochen- München, Sonntag Allgemeine Zeitung 14. December 1890. Drittes Morgenblatt Nr. 346. [Spaltenumbruch]
Montenegro. * Fürſt Nikolaus von Montenegro hielt kürzlich in Verſchiedenes. λ Hildburghauſen, 9. Dec. Elektriſcher Betrieb. * Helgoländer Auſtern. Die Helgoländer Auſtern- * Aus Südafrika. Die Brittiſche Südafrikaniſche Geſellſchaft R. S. Rom, 5. Dec. Ein ſonderbares Schauſpiel, wie es = Deutſches Turnweſen in den Vereinigten Staaten. Schon zu Anfang dieſes Jahrhunderts, nach der An- * Todesfall. In Berlin iſt am 4. December im Alter Univerſitätsnachrichten. An der Univerſität Göttingen iſt der bisherige außer- * Wie aus Dorpat berichtet wird, hat der dortige Profeſſor Handel und Volkswirthſchaft. Wochenberichte. ∆ Frankfurt a. M., 12. Dec. Das Gute an der Sache ω Berlin, 12. Dec. Getreide- und Producten-Wochen- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <pb facs="#f0010" n="10"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">München, Sonntag Allgemeine Zeitung</hi> 14. December 1890. <hi rendition="#b">Drittes Morgenblatt Nr. 346.</hi></fw><lb/> <cb/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Montenegro.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>* Fürſt <hi rendition="#g">Nikolaus von Montenegro</hi> hielt kürzlich in<lb/> Danilograd, wo er auf einem Ausfluge ins Innere wegen rheu-<lb/> matiſcher Schmerzen für längere Zeit Halt machen mußte, an das<lb/> zuſammengeſtrömte Volk eine Anſprache, in welcher er ſagte, es ſei<lb/> bedauerlich, daß die Montenegriner nicht auch als gute Arbeiter<lb/> gelobt werden könnten. Wenn ſie ebenſolche Arbeiter wären wie<lb/> Helden, würden ſie ebenſo reich als ruhmvoll ſein. Er munterte<lb/> das Volk zur Arbeit auf und ſagte, er wolle das Seinige dazu<lb/> beitragen, um es auf die Bahn der Arbeit und des Fortſchrittes<lb/> zu führen. Er verfügte deßhalb, daß jeder montenegriniſche Krieger<lb/> aus Gegenden, wo die Weinrebe gedeihen kann, in dieſem Jahre<lb/> 200 Reben ſetze; ferner ſolle jeder Brigadier 20, jeder Bataillons-<lb/> commandant und Untercommandant 10, jeder Officier und Fahnen-<lb/> träger 5, jeder Führer 2 Olivenbäume und jeder Corporal 1 Oliven-<lb/> baum pflanzen. Nach einer weiteren fürſtlichen Verfügung iſt den-<lb/> jenigen, welche noch in dieſem Jahre freiwillig 2000 Reben ſetzen,<lb/> eine zehnjährige Steuerfreiheit zugeſichert. Das Amtsblatt ſpricht<lb/> die zuverſichtliche Erwartung aus, daß in Folge der fürſtlichen Ver-<lb/> ordnung Montenegro im Frühjahr 1891 um 4 Millionen Neben<lb/> und 20,000 Oelbäume reicher ſein wird, als es derzeit iſt. Das<lb/> Blatt betont, der Fürſt habe immer gehofft, das Volk werde ſchließ-<lb/> lich aus eigenem Antriebe auf die Bahn erſprießlicher Arbeit ſich<lb/> begeben; nachdem ſich dieſe Erwartung indeſſen nicht erfüllt habe,<lb/> „wäre die ſanſte Gewalt im Intereſſe der heilſamen Zwecke ange-<lb/> zeigt geweſen.“</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Verſchiedenes.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>λ <hi rendition="#b">Hildburghauſen,</hi> 9. Dec.</dateline> <p><hi rendition="#g">Elektriſcher Betrieb</hi>.<lb/> Die ſeit Mitte Auguſt auf der Schmalipurbahn Hildburghauſen-<lb/> Heldburg regelmäßig ſtattfindenden Verſuchsfahrten mit Accumula-<lb/> torenbetrieb haben jetzt inſofern eine neue Etappe erreicht, als am<lb/> vorigen Sonnabend unter Betheiligung der Mitglieder unſres<lb/> herzoglichen Staatsminiſteriums und mehrerer anderer geladener Gäſte<lb/> mit einem neuen von der Firma van der Zypen und Charlier in Deutz<lb/> gebauten Perſonenwagen eine erſte Probefahrt von hier bis Held-<lb/> burg (25 Kilometer) ſtattgefunden hat. Dieſe Fahrt iſt, ebenſo<lb/> wie die bislang mit dem proviſoriſchen Wagen angeſtellten, zur<lb/> vollen Zufriedenheit der Betheiligten ausgefallen, und ſo berechtigt<lb/> denn der bisherige Verlauf der Verſuche zu der Annahme, daß das<lb/> Syſtem des Aceumulatorenbetriebs, wenn auch zunächſt nur inner-<lb/> halb gewiſſer Grenzen, für Straßenbahnen praktiſch verwerthbar<lb/> ſein wird. Ueber die ferneren Verſuche werden wir ſeinerzeit<lb/> berichten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>* <hi rendition="#g">Helgoländer Auſtern.</hi></head> <p>Die <hi rendition="#g">Helgoländer Auſtern-<lb/> bank</hi> iſt kürzlich an den Pächter der fiscaliſchen Auſternbänke bei<lb/> Borkum und Juiſt, Kaufmann Guſtav Adolf Rady, für die<lb/> Dauer des Jahres 1891 ſeitens des kaiſerlichen Commiſſars ver-<lb/> pachtet worden. Das „Cuxh. Tagebl.“ bemerkt hierzu: Der erſte<lb/> feſte Vertrag wurde im Jahre 1872 mit Hrn. Eduard Schipmann<lb/> in Altona auf fünf Jahre abgeſchloſſen. Nach Ablauf dieſer Zeit<lb/> wurde Hr. H. Lorenz in Hamburg bis zum Jahre 1883 Pächter,<lb/> worauf Hr. Friedrich Hagedorn in Hamburg die Bank vom<lb/> 1. September 1885 bis zum 31. Auguſt 1890 pachtete. Der Ver-<lb/> trag mit Hagedorn beſtimmte keine feſte Pachtſumme, ſondern nur<lb/> die Zahlung von 5 Mark für jedes Tauſend gefangener Auſtern.<lb/> Dieſer bis zum 31. Auguſt d. J. abgeſchloſſene Vertrag iſt dagegen<lb/> niemals zur Ausführung gelangt, ſondern bald nach ſeinem Ab-<lb/> ſchluß durch mündliche Verſtändigung aufgehoben worden. Seitdem<lb/> haben Fiſcher gegen Zahlung von 50 Pf. für je 110 Stück zu-<lb/> weilen Auſtern an das Land geholt; die Einnahmen, welche hier-<lb/> durch zur Landescaſſe floſſen, waren ſehr gering. Der jetzige<lb/> Pächter Rady zahlt an Pachtzins für die erſten 10,000 Stück ge-<lb/> fiſchte Auſtern je 10 M. für das Tauſend, jedoch mindeſtens<lb/> 30 M. auch bei keinem Fangergebniß, und für den weiteren Fang<lb/> über 10,000 Stück bis zu 250,000 Stück je 5 M. für<lb/> das Tauſend. Mehr als 250,000 Stück Helgoländer<lb/> Auſtern darf der Pächter in dem Pachtjahre nicht fiſchen.<lb/> Während der Schonzeit vom 1. Mai bis 31. Auguſt darf<lb/> die Bank überhaupt nicht befiſcht werden. Der Pächter ver-<lb/> pflichtet ſich, den Auſternfang thunlichſt mit Helgoländer Fiſchern<lb/> zu betreiben. Der jetzige Pächter ſoll beabſichtigen, engliſche und<lb/> holländiſche Auſtern an geeigneten Stellen der Bank behufs deren<lb/> Aufbeſſerung auszuſäen, und auch die Anlagen von Auſternparks<lb/> und Auſternbaſſins in Ausſicht genommen haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Südafrika.</hi></dateline> <p>Die Brittiſche Südafrikaniſche Geſellſchaft<lb/> in London hat ein Telegramm von <hi rendition="#g">Kimberley</hi> erhalten, welches<lb/> meldet, daß bereits Quarzadern- und Alluvialgold-Gerechtſame am<lb/> Umfuli-Fluſſe im Maſchona-Lande erworben wurden. Ohne Zweifel<lb/> ſeien reiche <hi rendition="#g">Goldadern</hi> entdeckt worden. Mehr als 800 Gerecht-<lb/> ſame auf unterſuchte goldhaltige Quarzgänge ſeien ſchon gebucht<lb/> worden. Einige von ihnen ſind ſehr werthvoll und bis auf eine<lb/> Tiefe von 58 Fuß geprüft. Durchſchnittlich geben ſie 4—5 Unzen<lb/> reines Gold auf die Tonne Erz. Mehr als 100 Goldſucher ſind<lb/> von der Capcolonie nach dem Maſchona-Lande aufgebrochen. Auch<lb/> die Vertreter von 17 reichen Syndicaten haben ſich dorthin begeben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#aq">R. S.</hi><hi rendition="#b">Rom,</hi> 5. Dec.</dateline> <p>Ein ſonderbares Schauſpiel, wie es<lb/> in anderen civiliſirten Ländern kaum möglich ſein dürfte, bot ſich<lb/> geſtern Abend um 9 Uhr dem Publicum auf der Corſoſtraße dar.<lb/> Durch die Porta del Popolo zog ein von der Via Flaminia her-<lb/> kommender Karren in die Stadt ein, der bald die allgemeine Auf-<lb/> merkſamkeit auf ſich zog. Im Scheine mehrerer Laternen, die an<lb/> dem Fuhrwerke angebracht waren, ſah man auf demſelben drei mit<lb/> Stricken aneinander gefeſſelte und von vier Schutzleuten in Civil<lb/> umgebene Individuen in der rothen Tracht der Galeerenſträflinge<lb/> ſitzen. Es waren die vor mehreren Tagen aus dem Fort auf dem<lb/> Monte Mario entwichenen Verbrecher, die nach Abſtreiſung ihrer<lb/> Ketten ſich trotz Nahrungsmangels und böſen Wetters bis geſtern<lb/> Nachmittag den Nachforſchungen der Polizei zu entziehen gewußt<lb/> hatten. Die dichten Buſchwälder, die zahlreichen Schluchten und<lb/> Höhlen der Campagna hatten ihnen willkommenes und für die<lb/> Verfolger ſchwer zugängliches Verſteck geliefert. Der Hunger hatte<lb/> ſie endlich zur Annäherung an ein einſames Gehöſt genöthigt und<lb/> hier ſind ſie durch die als Landleute verkleideten Polizeibeamten<lb/> dingfeſt gemacht worden. Beſonderen Eindruck ſcheint das Miß-<lb/> geſchick nicht auf ſie gemacht zu haben; denn während der langen<lb/> Fahrt von La Storta an der Via Caſſia bis nach Rom hörten ſie<lb/> nicht auf, aus vollem Halſe zu ſingen, vielleicht überwältigt von<lb/> der Wirkung der reichlichen Leibesſtärkung, welche der Polizei-<lb/> hauptmann Leproni ihnen nach Erfüllung ſeiner anſtrengenden<lb/> Aufgabe hatte zutheil werden laſſen. Wie der Zug ſich durch die<lb/> Straßen bewegte, hätte man an eine Maskerade glauben können.<lb/> Voran der Hauptmann Leproni, ein Polizeicommiſſar und ein<lb/> Gendarmeriewachtmeiſter zu Pferee, alle drei als Campagnolen ver-<lb/> kleidet und in weite Mäntel gehüllt; dann der kothbedeckte Karren,<lb/> umgeben von Schutzleuten, hinter ihm eine immer anwachſende<lb/> Menge von Neugierigen, die laut ihre Bemerkungen — vorwiegend<lb/> des Mitleids für die Eingefangenen — austauſchte. Als die<lb/> letzteren hinter dem Thore der Polizeidirection verſchwanden, kam<lb/> beim Publicum das Bewußtſein des großen Dienſtes zum Durch-<lb/> bruch, den die Sicherheitsbeamten der Bewohnerſchaft geleiſtet<lb/><cb/> hatten, und es wurden wiederholte Hochrufe auf die Polizei aus-<lb/> gebracht, was hier zu den ſeltenſten der Seltenheiten gehört. —<lb/> Uebrigens ſind zwei weitere bei derſelben Gelegenheit Entflohene,<lb/> die ſich von den Genoſſen getrennt hatten, noch immer nicht wieder<lb/> eingeſangen. Die ohnehin nie übergroße Sicherheit in der römi-<lb/> ſchen Campagna iſt dadurch bis auf weiteres noch mehr ver-<lb/> mindert.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>= <hi rendition="#g">Deutſches Turnweſen in den Vereinigten<lb/> Staaten.</hi></head> <p>Schon zu Anfang dieſes Jahrhunderts, nach der An-<lb/> regung durch Jahn, verbreitete das Turnweſen ſich auch unter<lb/> den Deutſchen der Vereinigten Staaten, aber es dauerte doch bis<lb/> 1848, daß ſich Turnvereine bildeten. In dieſem Jahre traten<lb/> 30 Ausgewanderte zu dem New-Yorker Turnverein zuſammen,<lb/> welcher ſich ſpäter neu conſtituirte. Zunächſt kam der Turnverein<lb/> von Cincinnati, und nun ging die Bildung neuer Vereine ſo raſch<lb/> vor ſich, daß 1850 ſchon 13 Abgeordnete von ſolchen zuſammen-<lb/> treten konnten, um in Philadelphia den <hi rendition="#g">Deutſchen Turner-<lb/> bund</hi> zu gründen. 1861 beſtanden bereits 150 Vereine, als<lb/> der Ausbruch des Bürgerkrieges den weiteren Fortſchritt hemmte.<lb/> Manche Vereine traten <hi rendition="#aq">in corpore</hi> in das Heer der Nordſtaaten<lb/> und lösten ſich dadurch auf. Noch aber war der Krieg nicht<lb/> vorüber, als im September 1864 Abgeordnete verſchiedener Städte<lb/> in New-York zuſammentraten, um den Turnerbund wieder herzu-<lb/> ſtellen. Seit dieſer Zeit hat der Bund ſich immer vergrößert, ſo<lb/> daß er am 1. April 1890 35 Bezirke mit 250 Vereinen und<lb/> 36,000 Mitgliedern zählte. Der größte Bezirk war Chicago mit<lb/> 5021, der kleinſte Florida mit 20 Mitgliedern. Der größte<lb/> Einzelverein iſt der <hi rendition="#g">Centralturnverein in der Stadt New-<lb/> York.</hi> 170 Vereine haben eigene Turnhallen, welche mit Turn-<lb/> geräthen, Mobiliar, Bibliotheken ꝛc. am 1. April 1890 einen<lb/> Werth von 4,774,221 Dollars darſtellten. Der New-Yorker<lb/> Turnbezirk beſteht aus 11 Vereinen, unter denen auch ein ſocial-<lb/> demokratiſcher iſt. Der zahlreichſte Verein dieſes Bezirks nicht<lb/> nur, ſondern der ganzen Union iſt, wie bereits erwähnt, der New-<lb/> Yorker Centralverein, 1886 conſtituirt, welcher von 400 Mit-<lb/> gliedern auf 2000 angewachſen iſt und ein Vermögen von<lb/> 770,000 Dollars beſitzt. Er hat aus ſich eine dramatiſche Ab-<lb/> theilung, einen Männerchor, verſchiedene Muſikvereine, einen<lb/> Schachelub ꝛc. entwickelt und unterhält verſchiedene Elementar-<lb/> ſchulen, in denen der körperlichen Ausbildung beſondere Beachtung<lb/> geſchenkt wird. Der Centralverein beſitzt die ſchönſte Turnhalle<lb/> der Welt, ſechs Stockwerke hoch, 175 Fuß lang, 104 Fuß breit,<lb/> vollſtändig feuerſicher erbaut. Der <hi rendition="#g">New-Yorker Turnverein,</hi><lb/> wie erwähnt, 1848 gegründet, 1856 neu conſtituirt, hat ein Ver-<lb/> mögen von 168,572 Dollars, 1000 Mitglieder, eine dramatiſche<lb/> Section und unterbält ebenfalls Schulen. Im Bürgerkriege<lb/> waren 70 Procent ſeiner Mitglieder ins Heer der Nordſtaaten<lb/> eingetreten. Auf weitere Einzelheiten können wir hier nicht ein-<lb/> gehen; wir erwähnen nur noch, daß in Milwaukee ein vom<lb/> Turnerbund unterhaltenes Seminar für Turnlehrer beſteht und<lb/> daß daſelbſt das officielle Organ des Bundes, „Die Amerikaniſche<lb/> Turnzeitung“, erſcheint. Bekanntlich findet alle 4 Jahre ein<lb/> Bundesturnfeſt und in den Zwiſchenräumen Bezirksturnfeſte ſtatt,<lb/> welche im Verein mit den Geſangs- und Schützenfeſten das<lb/> deutſche Element periodiſch zuſammenführen. Wir entnehmen<lb/> dieſe Notizen einem längeren Artikel der in New-York erſcheinen-<lb/> den Zeitſchrift „Harper’s Weekly“, Nr. 1761, welche auch eine<lb/> innere Anſicht der Turnhalle des Centralvereins in New-York<lb/> (mit Jahns Büſte) und eine äußere Anſicht der Turnhalle von<lb/> Milwaukee bringt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>* <hi rendition="#g">Todesfall.</hi></head> <p>In <hi rendition="#g">Berlin</hi> iſt am 4. December im Alter<lb/> von 85 Jahren der Geh. Medicinalrath <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Auguſt Wilhelm Ferdinand<lb/><hi rendition="#g">Schultz</hi> geſtorben, der in jüngeren Jahren naturwiſſenſchaftliche Studien<lb/> in Italien betrieben, in Rom die Stelle eines Geſandtſchaftsarztes be-<lb/> kleidet, ſeit 1847 in Berlin gewirkt und an dem öffentlichen Leben regen<lb/> Antheil genommen hatte. Als Schriftſteller iſt er namentlich auf dem<lb/> Gebiete der mediciniſchen Klimatologie thätig geweſen. — Wie der<lb/> „Köln. Ztg.“ geſchrieben wird, iſt in den letzten Tagen zu Charlotten-<lb/> burg im Alter von 62 Jahren nach langer ſchwerer Krankheit der<lb/> Legationsrath z. D. <hi rendition="#aq">Dr. jur.</hi> Ludwig <hi rendition="#g">Geßner</hi> verſtorben. Derſelbe<lb/> war nach abgelegter juriſtiſcher Staatsprüſung vom Jahre 1863—1867<lb/> im Kriegsminiſterium, dann im Staatsminiſterium, vom Jahre 1868<lb/> bis 1874 im Miniſterium der Auswärtigen Angelegenheiten thätig.<lb/> Neben ſeinen praktiſchen Arbeiten beſchäftigte er ſich viel mit wiſſen-<lb/> ſchaſtlichen Studien auf dem Gebiete des Völkerrechts, des Seerechts<lb/> und des Staatsrechts. In der Wiſſenſchaft hat er ſich namentlich durch<lb/> ſein Werk <hi rendition="#aq">„Le droit des neutres sur mer“</hi> einen guten Namen er-<lb/> worben. Nachdem er 1874 in Disponibilität getreten, widmete er ſich<lb/> ausſchließlich wiſſenſchaftlicher Thätigkeit. Die Allgemeine Zeitung hatte<lb/> ſich zahlreicher Beiträge aus der Feder des nun Verſtorbenen zu erfreuen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Univerſitätsnachrichten.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>An der Univerſität <hi rendition="#g">Göttingen</hi> iſt der bisherige außer-<lb/> ordentliche Profeſſor <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Guſtav <hi rendition="#g">Roethe</hi> zum ordentlichen Pro-<lb/> feſſor in der philoſophiſchen Facultät ernannt worden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>* Wie aus <hi rendition="#g">Dorpat</hi> berichtet wird, hat der dortige Profeſſor<lb/> der Pſychiatrie <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Emil <hi rendition="#g">Kräpelin</hi> einen Ruf nach <hi rendition="#g">Heidel-<lb/> berg</hi> erhalten und wird demſelben folgen. — Zur Würdigung<lb/> der Leiſtungen der deutſchſprachigen Univerſität <hi rendition="#g">Dorpat</hi> um den<lb/> ruſſiſchen Staatsdienſt kann die ſtatiſtiſche Thatſache dienen, daß<lb/> von den ehemaligen Studirenden Dorpats zu dem Range eines<lb/> Wirkl. Geheimraths 6 emporgeſtiegen ſind (Baron Ernſt Ungern-<lb/> Sternberg, Graf Chreptowitſch, Senator, G. v. Brevern, Ehren-<lb/> vormund Th. v. Hartmann, <hi rendition="#aq">Dr. med.</hi> Nik. Koslow, Akademiker<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Otto Wilh. Struve), 71 die Zahl der Geheimräthe, 313 die<lb/> der Wirkl. Staatsräthe vermehrt haben — im ganzen 390<lb/> Excellenzen. Es hat ſich alſo jeder 17. Dorpater Student im<lb/> ſpäteren Leben hohe ſtaatliche Anerkennung ſeiner Tüchtigkeit er-<lb/> rungen. Das iſt ſehr viel, wenn man bedenkt, wie viele über-<lb/> haupt gar nicht in den Staatsdienſt getreten ſind.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFinancialNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Handel und Volkswirthſchaft.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Wochenberichte.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>∆ <hi rendition="#b">Frankfurt a. M.,</hi> 12. Dec.</dateline> <p>Das Gute an der Sache<lb/> iſt, daß Perioden der Oede und Unfruchtbarkeit wie die gegen-<lb/> wärtige ſchon häufiger da waren und immer wieder überwunden<lb/> worden ſind. Man braucht ſich alſo nicht dem ſchwermüthigen Ge-<lb/> danken hinzugeben, daß die herrſchende Stagnation chroniſch werden<lb/> würde. Einmal wird dieſelbe wohl überwunden werden. In Be-<lb/> zug auf das Wann wird allerdings eine gute Doſis Geduld er-<lb/> forderlich ſein. Von den Einzelheiten der abgelaufenen Woche iſt<lb/> ſehr wenig zu ſagen. Die Curſe zeigten anfänglich rückläufige<lb/> Tendenz und haben ſich ſchließlich wieder etwas befeſtigen können.<lb/> Die Handelskriſis in Amerika iſt noch nicht überwunden und es<lb/> iſt bis zu einem gewiſſen Grade merkwürdig, wie wenig dieſelbe<lb/> bei uns Eindruck gemacht hat. Die letzten Berichte von der<lb/> New-Yorker Börſe lauten etwas günſtiger, aber die Liſten der<lb/> Falliſſements in der Union ſcheinen noch nicht abgeſchloſſen. Der<lb/> argentiniſchen Frage gegenüber gewöhnt man ſich nachgerade eine<lb/> gewiſſe Gleichgültigkeit an. Man findet den Standpunkt, den<lb/> das engliſche Comit<hi rendition="#aq">é</hi> einnimmt, faſt unqualificirbar, und man<lb/> läßt ſich auch durch die letzten Beſchwichtigungsdepeſchen,<lb/><cb/> welche den Inhalt eines Artikels der Times wiedergeben,<lb/> nicht in der ablehnenden Stellung beirren, die man jenem einſeiti-<lb/> gen Intereſſenſtandpunkte gegenüber einnimmt; die argentiniſchen<lb/> Werthe wogen auf und nieder. Wir hoffen, daß die kleineren<lb/> Capitaliſten ſich die von der deutſchen Preſſe, wenigſtens in ihren<lb/> ernſteren Organen, einmüthig ausgegangenen Warnungen geſagt<lb/> ſein ließen, und daß ſie ihre Beſtände, als es noch Zeit war, ver-<lb/> ringert haben. Wenigſtens muß man annehmen, daß diejenigen,<lb/> welche zu den heutigen Curſen noch argentiniſche Werthe beſitzen,<lb/> ſich der Gefahr voll bewußt ſind, die ein ſolcher Beſitz einſchließt,<lb/> und daß ſie ſich mit dem Gedanken an Conceſſionen, die ſie machen<lb/> müſſen, vertraut gemacht haben. — Die Tendenz für öſterreichiſche<lb/> Bahnactien war im Laufe der Woche unter dem Eindruck der<lb/> Schneeverwehungen und der Verkehrsſtörungen eine ungünſtige,<lb/> hat ſich aber ſchließlich wieder merklich gebeſſert. Es ſcheint, daß von<lb/> Seiten der Baiſſiers ziemlich viel darin in Blanco verkauft worden iſt und<lb/> dieſe Abgaben bringen die Nothwendigkeit von Deckungen hervor.<lb/> Größere Bewegung vollzog ſich in ſchweizeriſchen Bahnactien. An-<lb/> fangs verkehrten dieſe in weichender Richtung und zwar auf die<lb/> Nachricht von größeren Betriebsſpeſen bei der Centralbahn, ſowie<lb/> den von Seiten eines Großactionärs angeſtrengten Proceß gegen<lb/> die Nordoſtbahn. Schließlich iſt aber eine merklich beſſere Stimmung<lb/> dafür eingetreten, da die Wahl des Bundesraths Welti zum<lb/> Präſidenten der Eidgenoſſenſchaft für das Jahr 1891 für die Ver-<lb/> ſtaatlichungsidee günſtig beurtheilt wird. Man betrachtet Hrn. Welti<lb/> als die Perſoniſication des Verſtaatlichungsgedankens. Auf dem<lb/> Bankenmarkte ſtilles Geſchäft und geringfügige Cursveränderungen.<lb/> Die Contremine hat anfangs ziemlich viel darin abgegeben und<lb/> die naturgemäße Folge davon war, daß ſchließlich wieder Deckungen<lb/> vorgenommen werden mußten, welche eine mäßige Steigerung<lb/> herbeiführten. Die ſtarken Anſtrengungen, welche von einer Specu-<lb/> lationscoterie gemacht wurden, den Curs der Banque Ottomane<lb/> herabzudrücken, hatte nur geringen Erfolg. Für Kohlen- und Eiſen-<lb/> werthe iſt eine beſſere Börſenſtrömung zu verzeichnen. Das Zuſtande-<lb/> kommen der Bochumer und Eſſener Verkaufsvereinigung machte<lb/> guten Eindruck, auch lauten die Berichte über die weiteren<lb/> Abſchlüſſe der Kohlenzechen ziemlich animirend. Das ſüddeutſche<lb/> Publicum hat in den letzten Tagen größere Beträge von Gelſen-<lb/> kirchener Concordia und Courl-Actien aufgenommen. Von anderen<lb/> Induſtriewerthen ſind Ediſon nach ſtärkerer Ermattung wieder<lb/> befeſtigt. Veloce flau. Chemiſche Fabrik Goldenberger rückgängig<lb/> auf die Dividendenſchätzung. In Bezug auf die ſeit Beginn dieſes<lb/> Monats durch die Preſſe gehenden Divideudenſchätzungen glauben wir<lb/> die Bemerkung machen zu ſollen, daß in dem Wettlauf der<lb/> Zeitungen, auch auf dieſem Gebiete ihren Leſern möglichſt frühzeitig<lb/> Anhaltspunkte bieten zu können, eine gewiſſe Gefahr liegt.<lb/> Dividendenſchätzungen werden in ganz unverbindlicher Form und<lb/> mit allem Vorbehalte gemacht, haben alſo eigentlich keinen<lb/> größeren realen Werth. Nun kann ſich aber von Beginn des December<lb/> bis zum Schluſſe des Geſchäftsjahres ſowohl an den Grundlagen<lb/> der einzelnen Geſellſchaften, als in der allgemeinen Lage ſo Vielerlei<lb/> ändern, daß im Augenblick der Abtrennung der Coupons der Werth<lb/> derſelben ein ganz anderer ſein kann, als er wenige Wochen zu-<lb/> vor taxirt wurde. Die definitive Feſtſtellung der Dividende findet<lb/> in der Regel erſt ſtatt, wenn die Bilanzen abgeſchloſſen ſind, und<lb/> je nachdem dann ſehr glänzende oder ſehr ungünſtige Verhältniſſe<lb/> vorliegen, läßt ſich noch immer etwas ab- oder zugeben. Wir<lb/> glauben aber, daß man wenigſtens den Schluß des eigentlichen<lb/> Geſchäftsjahres abwarten ſollte, ehe man an die Taxation ſchreitet.<lb/> Entbehrlich ſind dieſelben nicht, weil die Börſe die rechnungsmäßigen<lb/> Cursveränderungen zum Ausdruck bringen muß, aber vom 5. bis<lb/> 27. December können Kriſen, Falliſſements, Veränderungen in<lb/> den Werthen einzelner Activa, Umgeſtaltungen auf dem induſtriellen<lb/> Gebiete ꝛc. eintreten, welche die vorausgegangenen Berechnungen<lb/> über den Haufen werfen. Wir würden es alſo als eine ſehr<lb/> wünſchenswerthe Reform betrachten, wenn in künftigen Jahren<lb/> durch allſeitige Uebereinkunft die Dividententaxationen auf die Tage<lb/> vom 27. bis 31. December verlegt würden. Möge dieſer Vor-<lb/> ſchlag Beherzigung finden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>ω <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 12. Dec.</dateline> <p><hi rendition="#g">Getreide- und Producten-Wochen-<lb/> bericht.</hi> (Vor der Börſe.) Unſer Markt iſt ruhiger, die Haltung<lb/> Angeſichts der bereits mit Oeſterreich eingeleiteten Zollverhandlungen<lb/> abwartend geworden. Täglich drückt die Ungewißheit über die zukünf-<lb/> tige Geſtaltung der Zölle mehr auf den Handel, die Speculation zieht<lb/> ſich zurück, der Conſum erwirbt nur das Nothwendigſte. Während der<lb/> erſten Hälfte der Berichtsperiode war der Verkehr noch ein ziemlich<lb/> reger, dann aber bewegte er ſich in engen Grenzen, ganz beſonders war<lb/> dies beim Weizen der Fall. Wir haben von dieſer Brodfrucht bekannt-<lb/> lich ziemlich große Vorräthe, die Ernte iſt gut ausgefallen, der Bedarf<lb/> dagegen ein außergewöhnlich kleiner. Hervorzuheben iſt, daß feinere<lb/> Qualitäten recht knapp geworden ſind, ſich auch in den übrigens ſpär-<lb/> lichen Ankünſten nicht vorfinden, woher letztere meiſt zu Lager geben.<lb/> Termine ſchwankten wenig im Werthe, was bei der geringen Beachtung,<lb/> die ſie erfuhren, naturgemäß iſt. Wenn ſie ſich aber im ganzen gut<lb/> behaupteten, ſo iſt dies der Roggen-Feſtigkeit zuzuſchreiben, welche übri-<lb/> gens auf den geſammten Markt einen günſtigen Einfluß ausübte. Die<lb/> kleinen Vorräthe, der Umſtand, daß die reichlicher gewordenen Bahn-<lb/> zufuhren ohne weiteres an die Mühlen gehen, und endlich, daß die<lb/> Nachfrage in gleicher Stärke, wie in den Vorwochen, anhätt, rief an-<lb/> fangs ſteigende Bewegung auf dem Roggenmarkte hervor, die allerdings<lb/> in den letzten Tagen Abſchwächung erfuhr. Grund hiefür ſind nicht<lb/> allein die ſchon erwähnten Zollverhandlungen, ſondern auch die Aus-<lb/> ſichten auf das Eintreffen der durch die milde Witterung wiederum<lb/> flott werdenden, bisher im Canal eingefrornen Ladungen, ſowie der<lb/> Erwartungen auf reichlichere Bahnzufuhren. Einige kleine Abſchlüſſe<lb/> in Liban fallen nicht in das Gewicht, im ganzen bleiben die ruſſiſchen<lb/> Forderungen zu hoch und unlohnend. Die laufende Sicht, welche<lb/> 2 M. gewann, wurde bevorzugt, Frühjahr blieb recht feſt. Das Ge-<lb/> ſchäft mit effectivem Hafer bewegte ſich in beſcheidenen Grenzen, An-<lb/> gebot und Nachfrage deckten ſich, die Bahnankünſte fanden bei den könig-<lb/> lichen Magazinen ſofort Unterkommen. Termine anfänglich feſt, ſelbſt<lb/> höher, ſchwächten ſich im Anſchluß an den Roggenmarkt ſpäter etwas<lb/> ab und ſchließen in guter Haltung, genau auf dem Werth-<lb/> niveau der Vorwoche. <hi rendition="#g">Mais</hi> langt zwar nur wenig an,<lb/> wird aber auch knapp verlangt und blieb für loco und Termin<lb/> bei kleinem Handel recht feſt. Gerſte in beiden Sorten wenig gehandelt,<lb/> von Braugerſte waren ſchleſiſche Sorten etwas billiger, Oderbrucher<lb/> etwas theurer. Hieſiges Roggenmehl findet lebhaften Abſatz nach dem<lb/> Platze, von außerhalb laufen weniger Aufträge ein, fremdes Mehl<lb/> langt etwas mehr an, als in den Vorwochen, iſt aber auch ſchwerer<lb/> unterzubringen. Terminmehl wurde rege gehandelt und gewann für<lb/> den laufenden Monat 40 Pf., Frühjahr ſtellte ſich dagegen 30 Pf.<lb/> niedriger. Weizenmehl wird nur in geringeren Marken begehrt, für<lb/> beſſere Marken ſind die Forderungen zu hoch. Rüböl iſt ſtill geworden,<lb/> der effective Preis ſteht <hi rendition="#aq">pari</hi> Termin, nahe Sichten zogen etwas an,<lb/> entſerntere gaben Kleinigkeiten nach, im ganzen blieb der Artikel ver-<lb/> nachläſſigt. Ein reges Leben entſaltete ſich wiederum auf dem Spiritus-<lb/> markte, zeitweiſe nahm der Handel einen aufgeregten Charakter an.<lb/> Die Preiſe ſtiegen rapide — ſie ſchließen durchgängig über 3 M. höher<lb/> als in der Vorwoche — die Kanfluſt, hanptſächlich durch die feſte<lb/> Haltung des Hamburger Marktes hervorgerufen, war anhaltend recht<lb/> bedeutend, es wurden große Abſchlüſſe nach außerhalb gemacht und<lb/> ſcheint noch jetzt Deckungsbedürſniß für December vorhanden zu ſein.<lb/> Abgeber wurden in Folge dieſer Thatſachen zurückhaltender, zumal die<lb/> Locozufuhr verhältnißmäßig ſchwach bleibt. Erſt während der letzten<lb/> Tage zeigte ſich zu den erhöhten Preiſen für ſpätere Sommertermine<lb/> mehr Angebot, ſo daß der Report per Frühjahr auf Sommer etwas<lb/> kleiner geworden iſt. Unſre Spritfabriken ſind noch immer weniger<lb/> beſchäftigt, als die auswärtigen.</p> </div> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [10/0010]
München, Sonntag Allgemeine Zeitung 14. December 1890. Drittes Morgenblatt Nr. 346.
Montenegro.
* Fürſt Nikolaus von Montenegro hielt kürzlich in
Danilograd, wo er auf einem Ausfluge ins Innere wegen rheu-
matiſcher Schmerzen für längere Zeit Halt machen mußte, an das
zuſammengeſtrömte Volk eine Anſprache, in welcher er ſagte, es ſei
bedauerlich, daß die Montenegriner nicht auch als gute Arbeiter
gelobt werden könnten. Wenn ſie ebenſolche Arbeiter wären wie
Helden, würden ſie ebenſo reich als ruhmvoll ſein. Er munterte
das Volk zur Arbeit auf und ſagte, er wolle das Seinige dazu
beitragen, um es auf die Bahn der Arbeit und des Fortſchrittes
zu führen. Er verfügte deßhalb, daß jeder montenegriniſche Krieger
aus Gegenden, wo die Weinrebe gedeihen kann, in dieſem Jahre
200 Reben ſetze; ferner ſolle jeder Brigadier 20, jeder Bataillons-
commandant und Untercommandant 10, jeder Officier und Fahnen-
träger 5, jeder Führer 2 Olivenbäume und jeder Corporal 1 Oliven-
baum pflanzen. Nach einer weiteren fürſtlichen Verfügung iſt den-
jenigen, welche noch in dieſem Jahre freiwillig 2000 Reben ſetzen,
eine zehnjährige Steuerfreiheit zugeſichert. Das Amtsblatt ſpricht
die zuverſichtliche Erwartung aus, daß in Folge der fürſtlichen Ver-
ordnung Montenegro im Frühjahr 1891 um 4 Millionen Neben
und 20,000 Oelbäume reicher ſein wird, als es derzeit iſt. Das
Blatt betont, der Fürſt habe immer gehofft, das Volk werde ſchließ-
lich aus eigenem Antriebe auf die Bahn erſprießlicher Arbeit ſich
begeben; nachdem ſich dieſe Erwartung indeſſen nicht erfüllt habe,
„wäre die ſanſte Gewalt im Intereſſe der heilſamen Zwecke ange-
zeigt geweſen.“
Verſchiedenes.
λ Hildburghauſen, 9. Dec. Elektriſcher Betrieb.
Die ſeit Mitte Auguſt auf der Schmalipurbahn Hildburghauſen-
Heldburg regelmäßig ſtattfindenden Verſuchsfahrten mit Accumula-
torenbetrieb haben jetzt inſofern eine neue Etappe erreicht, als am
vorigen Sonnabend unter Betheiligung der Mitglieder unſres
herzoglichen Staatsminiſteriums und mehrerer anderer geladener Gäſte
mit einem neuen von der Firma van der Zypen und Charlier in Deutz
gebauten Perſonenwagen eine erſte Probefahrt von hier bis Held-
burg (25 Kilometer) ſtattgefunden hat. Dieſe Fahrt iſt, ebenſo
wie die bislang mit dem proviſoriſchen Wagen angeſtellten, zur
vollen Zufriedenheit der Betheiligten ausgefallen, und ſo berechtigt
denn der bisherige Verlauf der Verſuche zu der Annahme, daß das
Syſtem des Aceumulatorenbetriebs, wenn auch zunächſt nur inner-
halb gewiſſer Grenzen, für Straßenbahnen praktiſch verwerthbar
ſein wird. Ueber die ferneren Verſuche werden wir ſeinerzeit
berichten.
* Helgoländer Auſtern.Die Helgoländer Auſtern-
bank iſt kürzlich an den Pächter der fiscaliſchen Auſternbänke bei
Borkum und Juiſt, Kaufmann Guſtav Adolf Rady, für die
Dauer des Jahres 1891 ſeitens des kaiſerlichen Commiſſars ver-
pachtet worden. Das „Cuxh. Tagebl.“ bemerkt hierzu: Der erſte
feſte Vertrag wurde im Jahre 1872 mit Hrn. Eduard Schipmann
in Altona auf fünf Jahre abgeſchloſſen. Nach Ablauf dieſer Zeit
wurde Hr. H. Lorenz in Hamburg bis zum Jahre 1883 Pächter,
worauf Hr. Friedrich Hagedorn in Hamburg die Bank vom
1. September 1885 bis zum 31. Auguſt 1890 pachtete. Der Ver-
trag mit Hagedorn beſtimmte keine feſte Pachtſumme, ſondern nur
die Zahlung von 5 Mark für jedes Tauſend gefangener Auſtern.
Dieſer bis zum 31. Auguſt d. J. abgeſchloſſene Vertrag iſt dagegen
niemals zur Ausführung gelangt, ſondern bald nach ſeinem Ab-
ſchluß durch mündliche Verſtändigung aufgehoben worden. Seitdem
haben Fiſcher gegen Zahlung von 50 Pf. für je 110 Stück zu-
weilen Auſtern an das Land geholt; die Einnahmen, welche hier-
durch zur Landescaſſe floſſen, waren ſehr gering. Der jetzige
Pächter Rady zahlt an Pachtzins für die erſten 10,000 Stück ge-
fiſchte Auſtern je 10 M. für das Tauſend, jedoch mindeſtens
30 M. auch bei keinem Fangergebniß, und für den weiteren Fang
über 10,000 Stück bis zu 250,000 Stück je 5 M. für
das Tauſend. Mehr als 250,000 Stück Helgoländer
Auſtern darf der Pächter in dem Pachtjahre nicht fiſchen.
Während der Schonzeit vom 1. Mai bis 31. Auguſt darf
die Bank überhaupt nicht befiſcht werden. Der Pächter ver-
pflichtet ſich, den Auſternfang thunlichſt mit Helgoländer Fiſchern
zu betreiben. Der jetzige Pächter ſoll beabſichtigen, engliſche und
holländiſche Auſtern an geeigneten Stellen der Bank behufs deren
Aufbeſſerung auszuſäen, und auch die Anlagen von Auſternparks
und Auſternbaſſins in Ausſicht genommen haben.
* Aus Südafrika. Die Brittiſche Südafrikaniſche Geſellſchaft
in London hat ein Telegramm von Kimberley erhalten, welches
meldet, daß bereits Quarzadern- und Alluvialgold-Gerechtſame am
Umfuli-Fluſſe im Maſchona-Lande erworben wurden. Ohne Zweifel
ſeien reiche Goldadern entdeckt worden. Mehr als 800 Gerecht-
ſame auf unterſuchte goldhaltige Quarzgänge ſeien ſchon gebucht
worden. Einige von ihnen ſind ſehr werthvoll und bis auf eine
Tiefe von 58 Fuß geprüft. Durchſchnittlich geben ſie 4—5 Unzen
reines Gold auf die Tonne Erz. Mehr als 100 Goldſucher ſind
von der Capcolonie nach dem Maſchona-Lande aufgebrochen. Auch
die Vertreter von 17 reichen Syndicaten haben ſich dorthin begeben.
R. S. Rom, 5. Dec. Ein ſonderbares Schauſpiel, wie es
in anderen civiliſirten Ländern kaum möglich ſein dürfte, bot ſich
geſtern Abend um 9 Uhr dem Publicum auf der Corſoſtraße dar.
Durch die Porta del Popolo zog ein von der Via Flaminia her-
kommender Karren in die Stadt ein, der bald die allgemeine Auf-
merkſamkeit auf ſich zog. Im Scheine mehrerer Laternen, die an
dem Fuhrwerke angebracht waren, ſah man auf demſelben drei mit
Stricken aneinander gefeſſelte und von vier Schutzleuten in Civil
umgebene Individuen in der rothen Tracht der Galeerenſträflinge
ſitzen. Es waren die vor mehreren Tagen aus dem Fort auf dem
Monte Mario entwichenen Verbrecher, die nach Abſtreiſung ihrer
Ketten ſich trotz Nahrungsmangels und böſen Wetters bis geſtern
Nachmittag den Nachforſchungen der Polizei zu entziehen gewußt
hatten. Die dichten Buſchwälder, die zahlreichen Schluchten und
Höhlen der Campagna hatten ihnen willkommenes und für die
Verfolger ſchwer zugängliches Verſteck geliefert. Der Hunger hatte
ſie endlich zur Annäherung an ein einſames Gehöſt genöthigt und
hier ſind ſie durch die als Landleute verkleideten Polizeibeamten
dingfeſt gemacht worden. Beſonderen Eindruck ſcheint das Miß-
geſchick nicht auf ſie gemacht zu haben; denn während der langen
Fahrt von La Storta an der Via Caſſia bis nach Rom hörten ſie
nicht auf, aus vollem Halſe zu ſingen, vielleicht überwältigt von
der Wirkung der reichlichen Leibesſtärkung, welche der Polizei-
hauptmann Leproni ihnen nach Erfüllung ſeiner anſtrengenden
Aufgabe hatte zutheil werden laſſen. Wie der Zug ſich durch die
Straßen bewegte, hätte man an eine Maskerade glauben können.
Voran der Hauptmann Leproni, ein Polizeicommiſſar und ein
Gendarmeriewachtmeiſter zu Pferee, alle drei als Campagnolen ver-
kleidet und in weite Mäntel gehüllt; dann der kothbedeckte Karren,
umgeben von Schutzleuten, hinter ihm eine immer anwachſende
Menge von Neugierigen, die laut ihre Bemerkungen — vorwiegend
des Mitleids für die Eingefangenen — austauſchte. Als die
letzteren hinter dem Thore der Polizeidirection verſchwanden, kam
beim Publicum das Bewußtſein des großen Dienſtes zum Durch-
bruch, den die Sicherheitsbeamten der Bewohnerſchaft geleiſtet
hatten, und es wurden wiederholte Hochrufe auf die Polizei aus-
gebracht, was hier zu den ſeltenſten der Seltenheiten gehört. —
Uebrigens ſind zwei weitere bei derſelben Gelegenheit Entflohene,
die ſich von den Genoſſen getrennt hatten, noch immer nicht wieder
eingeſangen. Die ohnehin nie übergroße Sicherheit in der römi-
ſchen Campagna iſt dadurch bis auf weiteres noch mehr ver-
mindert.
= Deutſches Turnweſen in den Vereinigten
Staaten. Schon zu Anfang dieſes Jahrhunderts, nach der An-
regung durch Jahn, verbreitete das Turnweſen ſich auch unter
den Deutſchen der Vereinigten Staaten, aber es dauerte doch bis
1848, daß ſich Turnvereine bildeten. In dieſem Jahre traten
30 Ausgewanderte zu dem New-Yorker Turnverein zuſammen,
welcher ſich ſpäter neu conſtituirte. Zunächſt kam der Turnverein
von Cincinnati, und nun ging die Bildung neuer Vereine ſo raſch
vor ſich, daß 1850 ſchon 13 Abgeordnete von ſolchen zuſammen-
treten konnten, um in Philadelphia den Deutſchen Turner-
bund zu gründen. 1861 beſtanden bereits 150 Vereine, als
der Ausbruch des Bürgerkrieges den weiteren Fortſchritt hemmte.
Manche Vereine traten in corpore in das Heer der Nordſtaaten
und lösten ſich dadurch auf. Noch aber war der Krieg nicht
vorüber, als im September 1864 Abgeordnete verſchiedener Städte
in New-York zuſammentraten, um den Turnerbund wieder herzu-
ſtellen. Seit dieſer Zeit hat der Bund ſich immer vergrößert, ſo
daß er am 1. April 1890 35 Bezirke mit 250 Vereinen und
36,000 Mitgliedern zählte. Der größte Bezirk war Chicago mit
5021, der kleinſte Florida mit 20 Mitgliedern. Der größte
Einzelverein iſt der Centralturnverein in der Stadt New-
York. 170 Vereine haben eigene Turnhallen, welche mit Turn-
geräthen, Mobiliar, Bibliotheken ꝛc. am 1. April 1890 einen
Werth von 4,774,221 Dollars darſtellten. Der New-Yorker
Turnbezirk beſteht aus 11 Vereinen, unter denen auch ein ſocial-
demokratiſcher iſt. Der zahlreichſte Verein dieſes Bezirks nicht
nur, ſondern der ganzen Union iſt, wie bereits erwähnt, der New-
Yorker Centralverein, 1886 conſtituirt, welcher von 400 Mit-
gliedern auf 2000 angewachſen iſt und ein Vermögen von
770,000 Dollars beſitzt. Er hat aus ſich eine dramatiſche Ab-
theilung, einen Männerchor, verſchiedene Muſikvereine, einen
Schachelub ꝛc. entwickelt und unterhält verſchiedene Elementar-
ſchulen, in denen der körperlichen Ausbildung beſondere Beachtung
geſchenkt wird. Der Centralverein beſitzt die ſchönſte Turnhalle
der Welt, ſechs Stockwerke hoch, 175 Fuß lang, 104 Fuß breit,
vollſtändig feuerſicher erbaut. Der New-Yorker Turnverein,
wie erwähnt, 1848 gegründet, 1856 neu conſtituirt, hat ein Ver-
mögen von 168,572 Dollars, 1000 Mitglieder, eine dramatiſche
Section und unterbält ebenfalls Schulen. Im Bürgerkriege
waren 70 Procent ſeiner Mitglieder ins Heer der Nordſtaaten
eingetreten. Auf weitere Einzelheiten können wir hier nicht ein-
gehen; wir erwähnen nur noch, daß in Milwaukee ein vom
Turnerbund unterhaltenes Seminar für Turnlehrer beſteht und
daß daſelbſt das officielle Organ des Bundes, „Die Amerikaniſche
Turnzeitung“, erſcheint. Bekanntlich findet alle 4 Jahre ein
Bundesturnfeſt und in den Zwiſchenräumen Bezirksturnfeſte ſtatt,
welche im Verein mit den Geſangs- und Schützenfeſten das
deutſche Element periodiſch zuſammenführen. Wir entnehmen
dieſe Notizen einem längeren Artikel der in New-York erſcheinen-
den Zeitſchrift „Harper’s Weekly“, Nr. 1761, welche auch eine
innere Anſicht der Turnhalle des Centralvereins in New-York
(mit Jahns Büſte) und eine äußere Anſicht der Turnhalle von
Milwaukee bringt.
* Todesfall. In Berlin iſt am 4. December im Alter
von 85 Jahren der Geh. Medicinalrath Dr. Auguſt Wilhelm Ferdinand
Schultz geſtorben, der in jüngeren Jahren naturwiſſenſchaftliche Studien
in Italien betrieben, in Rom die Stelle eines Geſandtſchaftsarztes be-
kleidet, ſeit 1847 in Berlin gewirkt und an dem öffentlichen Leben regen
Antheil genommen hatte. Als Schriftſteller iſt er namentlich auf dem
Gebiete der mediciniſchen Klimatologie thätig geweſen. — Wie der
„Köln. Ztg.“ geſchrieben wird, iſt in den letzten Tagen zu Charlotten-
burg im Alter von 62 Jahren nach langer ſchwerer Krankheit der
Legationsrath z. D. Dr. jur. Ludwig Geßner verſtorben. Derſelbe
war nach abgelegter juriſtiſcher Staatsprüſung vom Jahre 1863—1867
im Kriegsminiſterium, dann im Staatsminiſterium, vom Jahre 1868
bis 1874 im Miniſterium der Auswärtigen Angelegenheiten thätig.
Neben ſeinen praktiſchen Arbeiten beſchäftigte er ſich viel mit wiſſen-
ſchaſtlichen Studien auf dem Gebiete des Völkerrechts, des Seerechts
und des Staatsrechts. In der Wiſſenſchaft hat er ſich namentlich durch
ſein Werk „Le droit des neutres sur mer“ einen guten Namen er-
worben. Nachdem er 1874 in Disponibilität getreten, widmete er ſich
ausſchließlich wiſſenſchaftlicher Thätigkeit. Die Allgemeine Zeitung hatte
ſich zahlreicher Beiträge aus der Feder des nun Verſtorbenen zu erfreuen.
Univerſitätsnachrichten.
An der Univerſität Göttingen iſt der bisherige außer-
ordentliche Profeſſor Dr. Guſtav Roethe zum ordentlichen Pro-
feſſor in der philoſophiſchen Facultät ernannt worden.
* Wie aus Dorpat berichtet wird, hat der dortige Profeſſor
der Pſychiatrie Dr. Emil Kräpelin einen Ruf nach Heidel-
berg erhalten und wird demſelben folgen. — Zur Würdigung
der Leiſtungen der deutſchſprachigen Univerſität Dorpat um den
ruſſiſchen Staatsdienſt kann die ſtatiſtiſche Thatſache dienen, daß
von den ehemaligen Studirenden Dorpats zu dem Range eines
Wirkl. Geheimraths 6 emporgeſtiegen ſind (Baron Ernſt Ungern-
Sternberg, Graf Chreptowitſch, Senator, G. v. Brevern, Ehren-
vormund Th. v. Hartmann, Dr. med. Nik. Koslow, Akademiker
Dr. Otto Wilh. Struve), 71 die Zahl der Geheimräthe, 313 die
der Wirkl. Staatsräthe vermehrt haben — im ganzen 390
Excellenzen. Es hat ſich alſo jeder 17. Dorpater Student im
ſpäteren Leben hohe ſtaatliche Anerkennung ſeiner Tüchtigkeit er-
rungen. Das iſt ſehr viel, wenn man bedenkt, wie viele über-
haupt gar nicht in den Staatsdienſt getreten ſind.
Handel und Volkswirthſchaft.
Wochenberichte.
∆ Frankfurt a. M., 12. Dec. Das Gute an der Sache
iſt, daß Perioden der Oede und Unfruchtbarkeit wie die gegen-
wärtige ſchon häufiger da waren und immer wieder überwunden
worden ſind. Man braucht ſich alſo nicht dem ſchwermüthigen Ge-
danken hinzugeben, daß die herrſchende Stagnation chroniſch werden
würde. Einmal wird dieſelbe wohl überwunden werden. In Be-
zug auf das Wann wird allerdings eine gute Doſis Geduld er-
forderlich ſein. Von den Einzelheiten der abgelaufenen Woche iſt
ſehr wenig zu ſagen. Die Curſe zeigten anfänglich rückläufige
Tendenz und haben ſich ſchließlich wieder etwas befeſtigen können.
Die Handelskriſis in Amerika iſt noch nicht überwunden und es
iſt bis zu einem gewiſſen Grade merkwürdig, wie wenig dieſelbe
bei uns Eindruck gemacht hat. Die letzten Berichte von der
New-Yorker Börſe lauten etwas günſtiger, aber die Liſten der
Falliſſements in der Union ſcheinen noch nicht abgeſchloſſen. Der
argentiniſchen Frage gegenüber gewöhnt man ſich nachgerade eine
gewiſſe Gleichgültigkeit an. Man findet den Standpunkt, den
das engliſche Comité einnimmt, faſt unqualificirbar, und man
läßt ſich auch durch die letzten Beſchwichtigungsdepeſchen,
welche den Inhalt eines Artikels der Times wiedergeben,
nicht in der ablehnenden Stellung beirren, die man jenem einſeiti-
gen Intereſſenſtandpunkte gegenüber einnimmt; die argentiniſchen
Werthe wogen auf und nieder. Wir hoffen, daß die kleineren
Capitaliſten ſich die von der deutſchen Preſſe, wenigſtens in ihren
ernſteren Organen, einmüthig ausgegangenen Warnungen geſagt
ſein ließen, und daß ſie ihre Beſtände, als es noch Zeit war, ver-
ringert haben. Wenigſtens muß man annehmen, daß diejenigen,
welche zu den heutigen Curſen noch argentiniſche Werthe beſitzen,
ſich der Gefahr voll bewußt ſind, die ein ſolcher Beſitz einſchließt,
und daß ſie ſich mit dem Gedanken an Conceſſionen, die ſie machen
müſſen, vertraut gemacht haben. — Die Tendenz für öſterreichiſche
Bahnactien war im Laufe der Woche unter dem Eindruck der
Schneeverwehungen und der Verkehrsſtörungen eine ungünſtige,
hat ſich aber ſchließlich wieder merklich gebeſſert. Es ſcheint, daß von
Seiten der Baiſſiers ziemlich viel darin in Blanco verkauft worden iſt und
dieſe Abgaben bringen die Nothwendigkeit von Deckungen hervor.
Größere Bewegung vollzog ſich in ſchweizeriſchen Bahnactien. An-
fangs verkehrten dieſe in weichender Richtung und zwar auf die
Nachricht von größeren Betriebsſpeſen bei der Centralbahn, ſowie
den von Seiten eines Großactionärs angeſtrengten Proceß gegen
die Nordoſtbahn. Schließlich iſt aber eine merklich beſſere Stimmung
dafür eingetreten, da die Wahl des Bundesraths Welti zum
Präſidenten der Eidgenoſſenſchaft für das Jahr 1891 für die Ver-
ſtaatlichungsidee günſtig beurtheilt wird. Man betrachtet Hrn. Welti
als die Perſoniſication des Verſtaatlichungsgedankens. Auf dem
Bankenmarkte ſtilles Geſchäft und geringfügige Cursveränderungen.
Die Contremine hat anfangs ziemlich viel darin abgegeben und
die naturgemäße Folge davon war, daß ſchließlich wieder Deckungen
vorgenommen werden mußten, welche eine mäßige Steigerung
herbeiführten. Die ſtarken Anſtrengungen, welche von einer Specu-
lationscoterie gemacht wurden, den Curs der Banque Ottomane
herabzudrücken, hatte nur geringen Erfolg. Für Kohlen- und Eiſen-
werthe iſt eine beſſere Börſenſtrömung zu verzeichnen. Das Zuſtande-
kommen der Bochumer und Eſſener Verkaufsvereinigung machte
guten Eindruck, auch lauten die Berichte über die weiteren
Abſchlüſſe der Kohlenzechen ziemlich animirend. Das ſüddeutſche
Publicum hat in den letzten Tagen größere Beträge von Gelſen-
kirchener Concordia und Courl-Actien aufgenommen. Von anderen
Induſtriewerthen ſind Ediſon nach ſtärkerer Ermattung wieder
befeſtigt. Veloce flau. Chemiſche Fabrik Goldenberger rückgängig
auf die Dividendenſchätzung. In Bezug auf die ſeit Beginn dieſes
Monats durch die Preſſe gehenden Divideudenſchätzungen glauben wir
die Bemerkung machen zu ſollen, daß in dem Wettlauf der
Zeitungen, auch auf dieſem Gebiete ihren Leſern möglichſt frühzeitig
Anhaltspunkte bieten zu können, eine gewiſſe Gefahr liegt.
Dividendenſchätzungen werden in ganz unverbindlicher Form und
mit allem Vorbehalte gemacht, haben alſo eigentlich keinen
größeren realen Werth. Nun kann ſich aber von Beginn des December
bis zum Schluſſe des Geſchäftsjahres ſowohl an den Grundlagen
der einzelnen Geſellſchaften, als in der allgemeinen Lage ſo Vielerlei
ändern, daß im Augenblick der Abtrennung der Coupons der Werth
derſelben ein ganz anderer ſein kann, als er wenige Wochen zu-
vor taxirt wurde. Die definitive Feſtſtellung der Dividende findet
in der Regel erſt ſtatt, wenn die Bilanzen abgeſchloſſen ſind, und
je nachdem dann ſehr glänzende oder ſehr ungünſtige Verhältniſſe
vorliegen, läßt ſich noch immer etwas ab- oder zugeben. Wir
glauben aber, daß man wenigſtens den Schluß des eigentlichen
Geſchäftsjahres abwarten ſollte, ehe man an die Taxation ſchreitet.
Entbehrlich ſind dieſelben nicht, weil die Börſe die rechnungsmäßigen
Cursveränderungen zum Ausdruck bringen muß, aber vom 5. bis
27. December können Kriſen, Falliſſements, Veränderungen in
den Werthen einzelner Activa, Umgeſtaltungen auf dem induſtriellen
Gebiete ꝛc. eintreten, welche die vorausgegangenen Berechnungen
über den Haufen werfen. Wir würden es alſo als eine ſehr
wünſchenswerthe Reform betrachten, wenn in künftigen Jahren
durch allſeitige Uebereinkunft die Dividententaxationen auf die Tage
vom 27. bis 31. December verlegt würden. Möge dieſer Vor-
ſchlag Beherzigung finden.
ω Berlin, 12. Dec. Getreide- und Producten-Wochen-
bericht. (Vor der Börſe.) Unſer Markt iſt ruhiger, die Haltung
Angeſichts der bereits mit Oeſterreich eingeleiteten Zollverhandlungen
abwartend geworden. Täglich drückt die Ungewißheit über die zukünf-
tige Geſtaltung der Zölle mehr auf den Handel, die Speculation zieht
ſich zurück, der Conſum erwirbt nur das Nothwendigſte. Während der
erſten Hälfte der Berichtsperiode war der Verkehr noch ein ziemlich
reger, dann aber bewegte er ſich in engen Grenzen, ganz beſonders war
dies beim Weizen der Fall. Wir haben von dieſer Brodfrucht bekannt-
lich ziemlich große Vorräthe, die Ernte iſt gut ausgefallen, der Bedarf
dagegen ein außergewöhnlich kleiner. Hervorzuheben iſt, daß feinere
Qualitäten recht knapp geworden ſind, ſich auch in den übrigens ſpär-
lichen Ankünſten nicht vorfinden, woher letztere meiſt zu Lager geben.
Termine ſchwankten wenig im Werthe, was bei der geringen Beachtung,
die ſie erfuhren, naturgemäß iſt. Wenn ſie ſich aber im ganzen gut
behaupteten, ſo iſt dies der Roggen-Feſtigkeit zuzuſchreiben, welche übri-
gens auf den geſammten Markt einen günſtigen Einfluß ausübte. Die
kleinen Vorräthe, der Umſtand, daß die reichlicher gewordenen Bahn-
zufuhren ohne weiteres an die Mühlen gehen, und endlich, daß die
Nachfrage in gleicher Stärke, wie in den Vorwochen, anhätt, rief an-
fangs ſteigende Bewegung auf dem Roggenmarkte hervor, die allerdings
in den letzten Tagen Abſchwächung erfuhr. Grund hiefür ſind nicht
allein die ſchon erwähnten Zollverhandlungen, ſondern auch die Aus-
ſichten auf das Eintreffen der durch die milde Witterung wiederum
flott werdenden, bisher im Canal eingefrornen Ladungen, ſowie der
Erwartungen auf reichlichere Bahnzufuhren. Einige kleine Abſchlüſſe
in Liban fallen nicht in das Gewicht, im ganzen bleiben die ruſſiſchen
Forderungen zu hoch und unlohnend. Die laufende Sicht, welche
2 M. gewann, wurde bevorzugt, Frühjahr blieb recht feſt. Das Ge-
ſchäft mit effectivem Hafer bewegte ſich in beſcheidenen Grenzen, An-
gebot und Nachfrage deckten ſich, die Bahnankünſte fanden bei den könig-
lichen Magazinen ſofort Unterkommen. Termine anfänglich feſt, ſelbſt
höher, ſchwächten ſich im Anſchluß an den Roggenmarkt ſpäter etwas
ab und ſchließen in guter Haltung, genau auf dem Werth-
niveau der Vorwoche. Mais langt zwar nur wenig an,
wird aber auch knapp verlangt und blieb für loco und Termin
bei kleinem Handel recht feſt. Gerſte in beiden Sorten wenig gehandelt,
von Braugerſte waren ſchleſiſche Sorten etwas billiger, Oderbrucher
etwas theurer. Hieſiges Roggenmehl findet lebhaften Abſatz nach dem
Platze, von außerhalb laufen weniger Aufträge ein, fremdes Mehl
langt etwas mehr an, als in den Vorwochen, iſt aber auch ſchwerer
unterzubringen. Terminmehl wurde rege gehandelt und gewann für
den laufenden Monat 40 Pf., Frühjahr ſtellte ſich dagegen 30 Pf.
niedriger. Weizenmehl wird nur in geringeren Marken begehrt, für
beſſere Marken ſind die Forderungen zu hoch. Rüböl iſt ſtill geworden,
der effective Preis ſteht pari Termin, nahe Sichten zogen etwas an,
entſerntere gaben Kleinigkeiten nach, im ganzen blieb der Artikel ver-
nachläſſigt. Ein reges Leben entſaltete ſich wiederum auf dem Spiritus-
markte, zeitweiſe nahm der Handel einen aufgeregten Charakter an.
Die Preiſe ſtiegen rapide — ſie ſchließen durchgängig über 3 M. höher
als in der Vorwoche — die Kanfluſt, hanptſächlich durch die feſte
Haltung des Hamburger Marktes hervorgerufen, war anhaltend recht
bedeutend, es wurden große Abſchlüſſe nach außerhalb gemacht und
ſcheint noch jetzt Deckungsbedürſniß für December vorhanden zu ſein.
Abgeber wurden in Folge dieſer Thatſachen zurückhaltender, zumal die
Locozufuhr verhältnißmäßig ſchwach bleibt. Erſt während der letzten
Tage zeigte ſich zu den erhöhten Preiſen für ſpätere Sommertermine
mehr Angebot, ſo daß der Report per Frühjahr auf Sommer etwas
kleiner geworden iſt. Unſre Spritfabriken ſind noch immer weniger
beſchäftigt, als die auswärtigen.
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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