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Allgemeine Zeitung, Nr. 347, 15. Dezember 1890.

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Montag,
Zweites Abendblatt, Nr. 347 der Allgemeinen Zeitung.
15. December 1890.
[Spaltenumbruch]
Inhalts-Uebersicht.
Großbritannien. London: Parnell in Irland. Gladstone.
Frankreich. Paris: Die Zollcommission. Dementi. Der Graf
von Paris. Französische Forschungsreisen. De la Bruyere und
Padlewski. Professor Cornil.
Italien. Fürftliche Gäste. Schreiben Meneliks von Abessinien.
Rußland. St. Petersburg: Zum englischen Juden-Meeting.
Artillerie. Militärischer Belocipedist. Landtag. Mord.
Türkei. || Konstantinopel: Ausgrabungen in Magnesia. Der
"Tarik" über die griechische Presse. Attentat auf Mr. Margarit.
Zur Privilegienfrage. Räuberunwesen in Kleinasien.
Ostafrika. Aus Sansibar.


Großbritannien.

In seinem Blatte "Labour World"
beantwortet Michael Davitt in einem Artikel mit der Kopf-
schrift "Der Prätendent" die Dubliner Rede Parnells
in folgender schneidiger Weise:
"Hr. Parnell geht nach Irland, nachdem er dem Lande nahezu
8 Jahre politisch fremd geblieben war. Während dieser Zeit hat
er dem Kampfe, der dort von dem Volke, zu dessen Führer er
erwählt wurde, gegen Zwang und Ausweisung geführt wird, weder
seine Hand, noch seine Börse gewidmet. Während seine fähigen
Collegen für ihre Treue und ihr Wirken im Interesse der Nation
Gefängnißhaft erduldeten, widmete Hr. Parnell seine Zeit und
Aufmerkfamkeit einer niedrigen und schimpflichen Intrigue. Er
geht nach dem jetzt doppelt unglücklichen Lande, um dessen Volk
zu spalten und mit kaltblütiger Dreistigkeit seinen eigenen, ent-
ehrten Namen und eine Führerschaft, welche er geschändet und
verwirkt hat, an Stelle der Schibboleths "Home-Rule" und
"nationale Ehre" zu setzen. Es wird ihm jedoch nicht gelingen,
die irische Sache so leicht zu prostituiren, als er das Weib seines
Freundes prostituirte."
Davitt prophezeit schließlich das klägliche
Scheitern der Agitation Parnells.

Auf der Reise nach Cork wurde Parnell in Sallins, Kil-
dare, Maryborough und Thurles stürmisch begrüßt, aber in
Limerick und Charleville war er gleichzeitig der Gegenstand von
Ovationen und feindseligen Kundgebungen. Besonders in Mallow
kam es zu einer überaus feindseligen Kundgebung. Parnells
Geguer versuchten in den Salonwagen einzudringen; Regenschirme
und Stöcke wurden drohend geschwungen und das Volk schrie
"Heraus mit ihm!" "Nieder mit dem Hallunken!" "Nieder mit
Libertinismus!" u. s. w. Unter einem wahren Höllenlärm dampfte
der Zug mit dem "entthronten König von Irland" weiter. In
Cork wurde ihm jedoch ein begeisterter, durch keine Gegenkund-
gebung getrübter Empfang zutheil.

Parnell begab sich gestern nach Kilkenny zur Unter-
stützung der Candidatur seines Parteigenossen Vincent Scully,
welcher als Gegencandidat des Mac Carthianers Sir J. Pope
Hennessy aufgetreten ist. Sein Empfang in der gegenwärtig
durch den Wahlkampf hocherregten Stadt war ein Gemisch von
Enthusiasmus und feindseligen Kundgebungen. Ein Fackelzug
seiner Anhänger, unter denen sich auch die Mitglieder der
Corporation befanden, geleitete ihn vom Bahnhofe nach dem
Hotel, woselbst er eine kurze Ansprache hielt, in welcher er er-
klärte, daß künftighin kein Mann, so hoch er auch gestellt sei,
das irische Volk in der Wahl seiner Führer beeinflussen dürfe.
In Dublin dauert die durch die Seitens Parnells erfolgte
Unterdrückung der O'Brien'schen Zeitung "United Ireland"
verursachte Preßsehde fort. Ein Haufen maskirter Parnelliten
bemächtigte sich gestern Morgen zweier Wagenladungen der
antiparnellitischen Ausgabe von "United Ireland" auf dem
Wege nach dem Bahnhof und warf die Zeitungspakete in den
Fluß. Timothy Healy's Haus in Dublin wurde unter polizei-
lichen Schutz gestellt.

Ueber den Ausfall der Wahl in Kilkenny läßt sich kaum
etwas im voraus sagen. Die Patrioten sagen, daß die Bil-
dungsstufe der meisten Wähler befriedigend sei, und es kaum
einen Wahlkreis gebe, der sich besser zum Proben der Kräfte
eigne. Einige Kenner des Districts in Dublin sind nicht so
hoffnungsvoll. Jedenfalls wirkt die katholische Geistlichkeit gegen
Parnell.

Die meisten Zweige der irischen Nationalliga haben
sich gegen Parnell erklärt. -- Das neugegründete Tagblatt der
Mac Carthyaner erscheint nächsten Montag in Dublin unter dem
Titel "Das unterdrückte United Irland".

Wie es heißt, hat Parnell sofort, nachdem er am letzten
Samstag "abgesetzt" worden war, einen Brief an den Pariser
Bankier Munro, bei dem der Landliga-Fonds von 22,000
Pfund Sterling hinterlegt ist, gerichtet, mit dem Ersuchen, ihm
denselben zu übersenden. Es geschah dies ohne Wissen Justin
MacCarthy's, des Mitverwalters des Fonds. Der Letztere hat
seitdem Schritte gethan, um zu verhindern, daß Parnell den
Fonds angreifen kann. -- Eine Geldsperre anderer Art
ist mittlerweile in Dublin eingetreten, wo der Schatzmeister
der Nationalliga, der Abg. J. F. X. O'Brien, die Beamten
der Liga diese Woche nicht ausgezahlt hat, weil sie gegen
sein Gebot Partei in dem Kampf für und wider Parnell ergriffen
haben. -- Die Abgg. W. O'Brien und Gill schifften sich
heute Morgen auf dem holländischen Dampfer "Obdam" in
New-York nach Europa ein. Der Ertrag der in Amerika
für die irische Sache veranstalteten Sammlungen bleibt einst-
weilen dort.

Gladstone hat vorgestern auf der Reise von London nach
Hawarden in der Station Retford eine Rede zu Gunsten der
Candidatur des liberalen Candidaten für Bassetlaw (Nottingham-
shire), Hr. Mellor, gehalten. Als der Zug anhielt, wurde dem
Führer der liberalen Partei eine Adresse der liberalen Wähler von
Baffetlaw überreicht, worauf er Folgendes erwiderte: "Es heißt
in der Adresse, daß unsre Gegner uns die jüngsten Wirren im
Zusammenhange mit der Wahl eines Führers für die nationale
Sache Irlands zum Vorwurf machen. Es scheint mir, daß diese
Wirren einen weiteren Grund für Home-Rule bilden. Warum
sollte die englische, schottische und wallisische Politik von der Wahl
eines irischen Führers abhängen? Was den vertraulichen Meinungs-
austausch zwischen der liberalen Partei und der Home-Rule-Partei
betrifft, so war die Unterhaltung in Hawarden im November 1889
gleich befriedigend für beide Parteien, und der Beweis, daß sie
befriedigend war, ist in dem Bericht zu finden, der nicht von mir
(denn ich hatte keine Veranlassung, öffentlich darüber zu sprechen),
sondern von der anderen Partei erstattet wurde. Dann kamen die
Verhandlungen im Ehescheidungsgericht. Die Wirkung, welche
dieselben auf mein Gemüth erzeugten, war die, daß sie, soweit
ich beurtheilen konnte, die moralische Kraft, die in Irland absolut
nothwendig ist für denjenigen, welcher der leitende Geist einer
großen nationalen Sache sein soll, gänzlich vernichten würde. Ich
fühlte auch, daß von Hrn. Parnell felber die Anerkennung dieser
[Spaltenumbruch] Thatsache erwartet werden müßte, da sein Beharren bei der Führer-
schaft der irischen Partei völlig verhängnißvoll für die Home-Rule-
Sache in England, Schottland und Wales sein würde. Die von
der liberalen Partei eingenommene Stellung ist die, daß sie durch
die Verleihung von Home-Rule an Irland den Führer der irischen
Partei zum constitutionellen Herrscher Irlands macht, und sie ist
nach den Vorgängen im Ehescheidungsgericht nicht Willens, durch
ihre Stimme Hrn. Parnell zum constitutionellen Leiter Irlands zu
machen. Es ist gänzlich unwahr, daß Hr. Morley Hrn. Parnell
den Vorschlag machte, er solle vor dem Zugeständniß von Home-
Rule an Irland ein Amt unter der brittischen Krone bekleiden.
Hr. Parnell ist nicht länger Führer der irischen nationalen Partei,
obwohl er mit einer Minderheit der Partei augenscheinlich bestrebt
ist, die Führerschaft, die ihm durch die constitutionellen Bertreter
Irlands entzogen worden ist, zu behaupten. Das Werk der
liberalen Partei während der letzten fünf Jahre, nämlich Widerstand
gegen Zwang, bleibt so heilig und dringlich als je, gleichviel, wer
der Führer des irischen Volkes ist."

Frankreich.

Das "Siecle" schreibt:
"Es ist absolut unmöglich, der Arbeit der Zollcommission,
die unser ganzes Tarissystem mit der automatischen Schnelligkeit
einer Dampfmaschine durcheinanderbringt, zu folgen. In wenigen
Stunden, oder richtiger wenigen Minuten, beschließt man über das
Regime von Industrien, welche ebenso weitgreifende als complicirte
Interessen repräsentiren. Es scheint, daß man die zukünftigen
Zolltarife gleichsam wie ein Loos zieht, und sie dann sofort per
Acclamation votiren läßt. Wenn die Kammer die Beschlüfse der
Commission nicht revidiren sollte, würde unsre nationale Production
von sehr ernsten Gefahren bedroht sein. Wir sind überzeugt, daß
die Kammer auf ihre Enquete ebenso große reifliche Ueberlegung ver-
wenden wird, wie die Commission Uebereilung zeigt, und wir
warten die parlamentarische Berathung ab, um die neuen Tarife
näher zu prüfen. Die Hast, mit der die Commission vorgeht, ist
um so weniger begreiflich, als doch die Beobachtungen, auf
Grund deren man die Ausarbeitung der Tarife vorbereitet hat,
sehr oberflächliche waren. Hat doch der Oberhandelsrath kaum
Zeit gehabt, sich im allgemeinen zu informiren, und sicherlich hat
die Zollcommission den größten Theil jener Verichte, die der Ober-
handelsrath von den Interessenten erhalten hat, nicht durchgelesen.
Der neue Tarif, der auf diese Weise zusammengesteilt ist, entbehrt
demnach jedes Werthes, aber die Uebertreibungen, die er enthält,
zeugen von viel Leidenschaft und Parteilichkeit. Man konnte
hoffen, daß die Commission die Wichtigkeit ihrer Arbeit besser
auffassen und dieselbe mit all der Sorgfalt durchführen würde,
welche die Vorbereitung eines der schwierigsten Gesetze, das jemals
die Aufmerksamkeit des Parlaments in Anspruch genommen hat,
verlangt. Die öffentliche Meinung wird dieses improvisirte Werk
nicht ohne Strenge beurtheilen, welches ohne Zweifel in mehr
als einem Punkt von der Kammer desavouirt werden wird."

Die Zollcommission hat die Zölle auf unbearbeitete
Gegenstände aus Schmiedeeisen, Gußeisen und Gußstahl, auf
Nägel, Metallröhren und metallenes Hausgeräth erhöht.

Von einer Uebersiedlung der Kartäuser und Trappisten
nach Deutschland, von welcher der "Gaulois" berichtet hatte,
ist in Pariser gut unterrichteten Kreisen nichts bekannt.

Der "Figaro" berichtet aus Lyon: Der Graf von Paris
hat in Stowe-House einen der Führer der conservativen Partei von
Lyon empfangen und sich mit demselben längere Zeit unterhalten.
Ueber die Haltung des Cardinals Lavigerie sprechend, sagte der
Prinz wörtlich: "Ich glaube, daß die Worte des Cardinals
Lavigerie die Wiederkehr der Monarchie weder um eine Stunde
vorrücken, noch zurückhalten werden. Aber ich beklage die Spal-
tungen, welche sie unter den hohen Klerus gefäet haben."
Bezüg-
lich der Senatswahlen sprach der Prinz seine Ansicht dahin aus,
die Pflicht und das Interesse der Conservativen erfordern es, den
Kampf überall und quand meme aufzunehmen, selbst in den
Departements, wo die Regierungscandidaten des Sieges sicher
sind. Sodann ließ sich der Prinz lange über seine Reise in den
Vereinigten Staaten aus.

Die französischen Forschungsreisenden gaben Hrn. Bonvalot
und dem Prinzen Heinrich von Orleans gestern ein Bankett.
Hauptmann Vinger gedachte bei dieser Gekegenheit aller französischen,
auf Reisen befindlichen Forscher; er erwähnte: Deflers, der Hadra-
maut botanisch erforscht, Blane, der sich im Hochlande von Pamir
befindet, Pavie, welcher den Mekong hinabfährt, Martin, welcher
Nordwest-Thibet bereist, Catat und Maistre in Madagaskar,
de la Martiniere, der die römischen Denkmäler Marokko's stndirt,
Foureau, der von Südalgier ins Tuaregland vorzudringen sucht,
Hauptmann Monteil, der vom Niger aus den Tschadsee zu er-
reichen sucht, Menard, der das Congoland bereist, der Schiffs-
lieutenant Mizon, der am Niger zurückgehalten ist und nach dem
Schari gelangen will, Crampel, der diesen Fluß vom Ubangi aus
zu erreichen hosst, Bullay und Oberst Archinard im Senegal,
Brazza, Fourneau, Bolisie und Berthon am Congo, Chaffanjon in
Venezuela, Coudreau am Oyapok und Mazoni (Guiana).

In der Angelegenheit des Berichtes des Journalisten
de la Bruyere über seine angebliche Mitwirkung bei der Flucht
Padlewski's
conferirten der Polizeipräfect Loze, der Unter-
suchungsrichter Guillot und der Sicherheitschef Goron. Die ersteren
Beiden erstatteten heute Mittag dem Minister des Innern, Constans,
Bericht darüber. Die Blätter bezweifeln, daß de la Bruyere
verhaftet werden wird, obgleich dies auf Grund des Artikels
248 des Strafgefetzbuchs geschehen könne. Ueber die Beweggründe
für seine Handlungsweise befragt, erklärte de la Bruyere, er habe
einen politischen Verbrecher retten und zugleich ein außergewöhnliches
Reporterstück ausführen wollen. Der Stationschef Reguoul des
hiesigen Lyoner Bahnhofs erklärt in den Zeitungen, daß der ihn
betreffende Passus des Verichts, wonach er dem de la Bruyere
eine Empfehlungskarte an den Stationschef des Grenzbahnhofs
in Modane gegeben hätte, für vollständig erfunden. Dem "Temps"
zufolge sind der Generalprocurator Veaurepaire und der Staats-
anwalt Banaston dahin übereingekommen, die Untersuchung über
die Richtigkeit des Berichtes des Journalisten de la Bruyere ein-
zuleiten. Sollte die Untersuchung ergeben, daß de la Bruyere der
Flucht Padlewski's Vorschub leistete, so würde gegen den
Ersteren nach Artikel 248 des Strafgesetzbuches Anklage erhoben
werden. Das Journal "Paris" berichtet dagegen, Beaurepaire
habe nach einer Unterredung mit dem Minister Constans es auf-
gegeben, einen Verhaftsbefehl gegen de la Brnyere zu erlassen. --
Im "Eclair" theilt der socialistisch-revolutionäre Journalist Gregoire
mit, er habe Padlewski vom 18. November bis zum 3. d. M. bei
sich beherbergt und ihn am letzten Tage zu de la Bruyere ge-
bracht, der Abends mit Padlewski abgereist sei.

Wie der "Temps" meldet, theilte Professor Cornil in
einem heute gehaltenen Vortrage seine Erfahrungen an 20 mit
der Koch'schen Lymphe behandelten Kranken mit und sprach
über einen Fall von Lungen-Tubereulose mit Pyelonephritis (eitrige
Entzündung des Nierenbeckens), bei welchem die Injection von
[Spaltenumbruch] Koch'scher Lymphe den Harn verbesserte und die Eitermengen ver-
minderte.

Italien.

* Wie "Reuters Bureau" meldet, habe die Königin Victoria
zwar jüngst ein Schreiben des Königs Menelik von
Abessinien
erhalten, es sei jedoch völlig erfunden, daß Menelik
darin gegen das italienische Protectorat protestirt oder eine
Vermittelung zwischen sich und Italien nachgesucht habe. Das
brittische Auswärtige Amt habe das Schreiben Meneliks an
den Botschafter in Rom, Lord Dufferin, behufs Mittheilung an
die italienische Regierung abgesandt; dasselbe sei aber in Rom
noch nicht eingetroffen.

Der König und die Königin em-
pfingen heute den Prinzen und die Prinzessin Adolf von Schaum-
burg-Lippe, welche am Montag nach Neapel abreisen und sich
dort nach Malta einschiffen werden. Heute Abend nahmen die
hohen Reisenden bei dem spanischen Botschafter Grafen Benomar
den Thee ein.

Rußland.

Die "Neue Zeit" bespricht
das in der Londoner Guildhall zu Gunsten der russischen
Juden abgehaltene Meeting
und äußert dabei: "Vor
allem sollten der Lordmayor und die anderen englischen Gentle-
men des "hands off" (Hände weg) eingedenk sein. Das
russische Volk sei keine englische Colonie. Was würden wohl
die Engländer gesagt haben, wenn das Stadthaupt von
St. Petersburg ein Meeting zu Gunsten des irischen Home-
Rule einberufen hätte! Die letztere Angelegenheit würde durch
ein solches Meeting um keinen Schritt weiter vorwärts ge-
kommen sein, dasselbe werde auch der Fall sein hinsichtlich des
Londoner Meetings zu Gunsten der russischen Juden. In Ruß-
land wisse man, um was es sich dabei handle, die Eng-
länder fürchteten eine Invasion der Juden in England,
die, nachdem sie den Armen das Brod genommen, nunmehr
dort den Reichen Concurrenz machen könnten. Es sei keine
religiöse Intoleranz, welche Rußland, wo sich jüdische Syna-
gogen stolz neben christlichen Tempeln erhöben, zu seinen Maß-
regeln veranlaßt habe, sondern die absolute Nothwendigkeit, die
ländliche Bevölkerung vor der jüdischen Ausbeutung, welche
schon die Bauern in Galizien und Rumänien dem Ruin zu-
geführt habe, zu schützen. Indem die russische Regierung so
handle, schütze sie die Juden selbst vor bäuerlichen Be-
wegungen, wie sie in Oesterreich stattgefunden hätten. Ruß-
land treibe nicht Spiel mit einem falschen Liberalismus, sondern
handle offen, um den Frieden und die Wohlfahrt der Nation
zu sichern. Man könne daher nur die Worte wiederholen:
"hands off!", selbst wenn ganz Europa sich zu einem Meeting
zusammensinden sollte, um Rußland zu zwingen, gegen seinen
Willen zu handeln. Rußland werde immer seine Unabhängig-
keit zu wahren wissen."

Nach einer Veröffentlichung im "Russischen Invaliden" wird
ein drittes Mortier-Artillerie-Regiment formirt. --
Wie dasselbe Vlatt mittheilt, wird der Stabscapitän in der
Kownoer Festungs-Artillerie, Baron v. Kelleskraus, der bereits
im vergangenen Sommer eine Rad-Dauerfahrt von Kowno über
St. Petersburg nach Tobolsk machte, demnächst auf dem Velociped
eine Fahrt von Warschau über Wien, Stuttgart, Paris, Lyon nach
Cannes unternehmen, sich zu Schiff nach Algier begeben und von
dort seine Reise fortsetzen. Baron Kelleskraus bezweckt mit seiner
Fahrt die Frage zur Entscheidung zu bringen, in wie weit das
Vekociped bei Dauerfahrten das Pferd ersetzen könne. Wie der
"Regierungsbote" berichtet, hat ein anderer russischer Velocipedist
Fahrten über das Kaukasus-Gebirge, und zwar von
Wladikawkas nach Tiflis und Kutais und wieder zurück gemacht.

Der finnische Landtag ist auf den 8./20. Januar n. J.
einberufen worden.

Gestern ermordete in einem
hiesigen Polizei-Bureau ein zum Verhör vorgesührter Verhafteter
einen Beamten mit einem Messer und entfloh, nachdem er einen
zweiten Beamten verwundet hatte. Es gelang indeß, des Ent-
flohenen kurz darauf wieder habhaft zu werden.

Türkei.

Den Lesern der "Allg.
Ztg." werden die Erfolge, womit unser Landsmann Dr. Karl
Humann die Ausgrabungen in Pergamon geleitet hat, noch im
Gedächtniß sein. Der ausgezeichnete Archäologe hat nunmehr die
Genehmigung erhalten, auch auf der Stelle von Meanders Magnesia,
einem bisher von Alterthumsforschern nur wenig durchwühlten
Boden, seine Ausgrabungen zu beginnen. Seit vorgestern haben
die Arbeiten ihren Anfang genommen. Zwei Mitglieder der
deutschen Schule von Athen, die Herren Otto Kern und Friedrich
Hiller,
sind vor einigen Tagen in Smyrna eingetroffen, um sich
an dem Forschungswerke zu betheiligen. Da auf den Ruinen
keinerlei Neubauten errichtet wurden, so hält man die Schwierig-
keiten für bedeutend geringer als jene, welche sich den Arbeiten in
Pergamon entgegenstellten. Ein Theil der alten Stadtmauern ist
noch ziemlich gut erhalten, und Alles, was von Bauten der Nach-
zeit in der Nähe der Häusertrümmer zu finden ist, sind einige
zwanzig tscherkessische Hütten, deren Infassen sich vom Ackerbau er-
nähren. -- Die heutige Nummer des türkischen Blatts "Tarik",
d. h. "der (zu befolgende) Weg" enthält einen geharnischten Artikel
gegen die griechische Presse. "Es besteht augenblicklich", so schreibt
das genannte Blatt, "zwischen dem osmanischen Reiche und
Griechenland keine Frage, welche im Stande wäre, die heftigen
Angriffe und die ungezügelte Sprache der griechischen Zeitungen zu
rechtfertigen, die doch ihre Pflicht darin erblicken müßten, die guten
Beziehungen zu fördern, welche zwischen zwei, durch ihre geo-
graphische Lage und ihre unmittelbare Nachbarschaft auf ein har-
monisches Zusammenleben angewiesenen Staaten stets bestehen
sollten. Da die kaiserliche Regierung fest entschlossen ist,
mit Griechenland freundliche Beziehungen zu unterhalten,
so können die Versuche der Athener Journalisten, Zwietracht
zu säen und Haß zu erzeugen, nur ihrem eigenen Lande zum
Schaden gereichen."
Der "Tarik" hat hier vollkommen recht, denn
die Schreibweise der griechischen Presse muß in allem, was sich auf
türkische Zustände bezieht, als im höchsten Grade unbillig bezeichnet
werden, und sie erinnert durch die Gereiztheit ihres Tones wie
durch ihre Verlogenheit lebhaft an die Haltung der "France" oder
des "Intransigeant". So macht jetzt wieder die Fabel von der
"Beseitigung" mißliebiger Persönlichkeiten in türkischen Gefäng-
nissen die Runde. Abgesehen davon, daß die türkischen Gewalt-
haber, wollten sie einen politischen Gegner "beseitigen", denselben
gewiß nicht erst zu diesem Behufe in ein Gefängniß sperren
würden -- gibt es doch in Galata croatische, montenegrinische
und besonders auch griechische Schufte, die für ein paar Lire zu
Allem fähig sind, mehr als genug! Hoffentlich verhallt die
Mahnung, welche der officiöse Artikelschreiber des "Tarik" am
Schlusse seiner Publication an die griechischen Redactionen richtet,

Montag,
Zweites Abendblatt, Nr. 347 der Allgemeinen Zeitung.
15. December 1890.
[Spaltenumbruch]
Inhalts-Ueberſicht.
Großbritannien. London: Parnell in Irland. Gladſtone.
Frankreich. Paris: Die Zollcommiſſion. Dementi. Der Graf
von Paris. Franzöſiſche Forſchungsreiſen. De la Bruyère und
Padlewski. Profeſſor Cornil.
Italien. Fürftliche Gäſte. Schreiben Meneliks von Abeſſinien.
Rußland. St. Petersburg: Zum engliſchen Juden-Meeting.
Artillerie. Militäriſcher Belocipediſt. Landtag. Mord.
Türkei. ||☽ Konſtantinopel: Ausgrabungen in Magneſia. Der
„Tarik“ über die griechiſche Preſſe. Attentat auf Mr. Margarit.
Zur Privilegienfrage. Räuberunweſen in Kleinaſien.
Oſtafrika. Aus Sanſibar.


Großbritannien.

In ſeinem Blatte „Labour World“
beantwortet Michael Davitt in einem Artikel mit der Kopf-
ſchrift „Der Prätendent“ die Dubliner Rede Parnells
in folgender ſchneidiger Weiſe:
„Hr. Parnell geht nach Irland, nachdem er dem Lande nahezu
8 Jahre politiſch fremd geblieben war. Während dieſer Zeit hat
er dem Kampfe, der dort von dem Volke, zu deſſen Führer er
erwählt wurde, gegen Zwang und Ausweiſung geführt wird, weder
ſeine Hand, noch ſeine Börſe gewidmet. Während ſeine fähigen
Collegen für ihre Treue und ihr Wirken im Intereſſe der Nation
Gefängnißhaft erduldeten, widmete Hr. Parnell ſeine Zeit und
Aufmerkfamkeit einer niedrigen und ſchimpflichen Intrigue. Er
geht nach dem jetzt doppelt unglücklichen Lande, um deſſen Volk
zu ſpalten und mit kaltblütiger Dreiſtigkeit ſeinen eigenen, ent-
ehrten Namen und eine Führerſchaft, welche er geſchändet und
verwirkt hat, an Stelle der Schibboleths „Home-Rule“ und
„nationale Ehre“ zu ſetzen. Es wird ihm jedoch nicht gelingen,
die iriſche Sache ſo leicht zu proſtituiren, als er das Weib ſeines
Freundes proſtituirte.“
Davitt prophezeit ſchließlich das klägliche
Scheitern der Agitation Parnells.

Auf der Reiſe nach Cork wurde Parnell in Sallins, Kil-
dare, Maryborough und Thurles ſtürmiſch begrüßt, aber in
Limerick und Charleville war er gleichzeitig der Gegenſtand von
Ovationen und feindſeligen Kundgebungen. Beſonders in Mallow
kam es zu einer überaus feindſeligen Kundgebung. Parnells
Geguer verſuchten in den Salonwagen einzudringen; Regenſchirme
und Stöcke wurden drohend geſchwungen und das Volk ſchrie
„Heraus mit ihm!“ „Nieder mit dem Hallunken!“ „Nieder mit
Libertinismus!“ u. ſ. w. Unter einem wahren Höllenlärm dampfte
der Zug mit dem „entthronten König von Irland“ weiter. In
Cork wurde ihm jedoch ein begeiſterter, durch keine Gegenkund-
gebung getrübter Empfang zutheil.

Parnell begab ſich geſtern nach Kilkenny zur Unter-
ſtützung der Candidatur ſeines Parteigenoſſen Vincent Scully,
welcher als Gegencandidat des Mac Carthianers Sir J. Pope
Henneſſy aufgetreten iſt. Sein Empfang in der gegenwärtig
durch den Wahlkampf hocherregten Stadt war ein Gemiſch von
Enthuſiasmus und feindſeligen Kundgebungen. Ein Fackelzug
ſeiner Anhänger, unter denen ſich auch die Mitglieder der
Corporation befanden, geleitete ihn vom Bahnhofe nach dem
Hôtel, woſelbſt er eine kurze Anſprache hielt, in welcher er er-
klärte, daß künftighin kein Mann, ſo hoch er auch geſtellt ſei,
das iriſche Volk in der Wahl ſeiner Führer beeinfluſſen dürfe.
In Dublin dauert die durch die Seitens Parnells erfolgte
Unterdrückung der O’Brien’ſchen Zeitung „United Ireland“
verurſachte Preßſehde fort. Ein Haufen maskirter Parnelliten
bemächtigte ſich geſtern Morgen zweier Wagenladungen der
antiparnellitiſchen Ausgabe von „United Ireland“ auf dem
Wege nach dem Bahnhof und warf die Zeitungspakete in den
Fluß. Timothy Healy’s Haus in Dublin wurde unter polizei-
lichen Schutz geſtellt.

Ueber den Ausfall der Wahl in Kilkenny läßt ſich kaum
etwas im voraus ſagen. Die Patrioten ſagen, daß die Bil-
dungsſtufe der meiſten Wähler befriedigend ſei, und es kaum
einen Wahlkreis gebe, der ſich beſſer zum Proben der Kräfte
eigne. Einige Kenner des Diſtricts in Dublin ſind nicht ſo
hoffnungsvoll. Jedenfalls wirkt die katholiſche Geiſtlichkeit gegen
Parnell.

Die meiſten Zweige der iriſchen Nationalliga haben
ſich gegen Parnell erklärt. — Das neugegründete Tagblatt der
Mac Carthyaner erſcheint nächſten Montag in Dublin unter dem
Titel „Das unterdrückte United Irland“.

Wie es heißt, hat Parnell ſofort, nachdem er am letzten
Samſtag „abgeſetzt“ worden war, einen Brief an den Pariſer
Bankier Munro, bei dem der Landliga-Fonds von 22,000
Pfund Sterling hinterlegt iſt, gerichtet, mit dem Erſuchen, ihm
denſelben zu überſenden. Es geſchah dies ohne Wiſſen Juſtin
MacCarthy’s, des Mitverwalters des Fonds. Der Letztere hat
ſeitdem Schritte gethan, um zu verhindern, daß Parnell den
Fonds angreifen kann. — Eine Geldſperre anderer Art
iſt mittlerweile in Dublin eingetreten, wo der Schatzmeiſter
der Nationalliga, der Abg. J. F. X. O’Brien, die Beamten
der Liga dieſe Woche nicht ausgezahlt hat, weil ſie gegen
ſein Gebot Partei in dem Kampf für und wider Parnell ergriffen
haben. — Die Abgg. W. O’Brien und Gill ſchifften ſich
heute Morgen auf dem holländiſchen Dampfer „Obdam“ in
New-York nach Europa ein. Der Ertrag der in Amerika
für die iriſche Sache veranſtalteten Sammlungen bleibt einſt-
weilen dort.

Gladſtone hat vorgeſtern auf der Reiſe von London nach
Hawarden in der Station Retford eine Rede zu Gunſten der
Candidatur des liberalen Candidaten für Baſſetlaw (Nottingham-
ſhire), Hr. Mellor, gehalten. Als der Zug anhielt, wurde dem
Führer der liberalen Partei eine Adreſſe der liberalen Wähler von
Baffetlaw überreicht, worauf er Folgendes erwiderte: „Es heißt
in der Adreſſe, daß unſre Gegner uns die jüngſten Wirren im
Zuſammenhange mit der Wahl eines Führers für die nationale
Sache Irlands zum Vorwurf machen. Es ſcheint mir, daß dieſe
Wirren einen weiteren Grund für Home-Rule bilden. Warum
ſollte die engliſche, ſchottiſche und walliſiſche Politik von der Wahl
eines iriſchen Führers abhängen? Was den vertraulichen Meinungs-
austauſch zwiſchen der liberalen Partei und der Home-Rule-Partei
betrifft, ſo war die Unterhaltung in Hawarden im November 1889
gleich befriedigend für beide Parteien, und der Beweis, daß ſie
befriedigend war, iſt in dem Bericht zu finden, der nicht von mir
(denn ich hatte keine Veranlaſſung, öffentlich darüber zu ſprechen),
ſondern von der anderen Partei erſtattet wurde. Dann kamen die
Verhandlungen im Eheſcheidungsgericht. Die Wirkung, welche
dieſelben auf mein Gemüth erzeugten, war die, daß ſie, ſoweit
ich beurtheilen konnte, die moraliſche Kraft, die in Irland abſolut
nothwendig iſt für denjenigen, welcher der leitende Geiſt einer
großen nationalen Sache ſein ſoll, gänzlich vernichten würde. Ich
fühlte auch, daß von Hrn. Parnell felber die Anerkennung dieſer
[Spaltenumbruch] Thatſache erwartet werden müßte, da ſein Beharren bei der Führer-
ſchaft der iriſchen Partei völlig verhängnißvoll für die Home-Rule-
Sache in England, Schottland und Wales ſein würde. Die von
der liberalen Partei eingenommene Stellung iſt die, daß ſie durch
die Verleihung von Home-Rule an Irland den Führer der iriſchen
Partei zum conſtitutionellen Herrſcher Irlands macht, und ſie iſt
nach den Vorgängen im Eheſcheidungsgericht nicht Willens, durch
ihre Stimme Hrn. Parnell zum conſtitutionellen Leiter Irlands zu
machen. Es iſt gänzlich unwahr, daß Hr. Morley Hrn. Parnell
den Vorſchlag machte, er ſolle vor dem Zugeſtändniß von Home-
Rule an Irland ein Amt unter der brittiſchen Krone bekleiden.
Hr. Parnell iſt nicht länger Führer der iriſchen nationalen Partei,
obwohl er mit einer Minderheit der Partei augenſcheinlich beſtrebt
iſt, die Führerſchaft, die ihm durch die conſtitutionellen Bertreter
Irlands entzogen worden iſt, zu behaupten. Das Werk der
liberalen Partei während der letzten fünf Jahre, nämlich Widerſtand
gegen Zwang, bleibt ſo heilig und dringlich als je, gleichviel, wer
der Führer des iriſchen Volkes iſt.“

Frankreich.

Das „Siècle“ ſchreibt:
„Es iſt abſolut unmöglich, der Arbeit der Zollcommiſſion,
die unſer ganzes Tariſſyſtem mit der automatiſchen Schnelligkeit
einer Dampfmaſchine durcheinanderbringt, zu folgen. In wenigen
Stunden, oder richtiger wenigen Minuten, beſchließt man über das
Régime von Induſtrien, welche ebenſo weitgreifende als complicirte
Intereſſen repräſentiren. Es ſcheint, daß man die zukünftigen
Zolltarife gleichſam wie ein Loos zieht, und ſie dann ſofort per
Acclamation votiren läßt. Wenn die Kammer die Beſchlüfſe der
Commiſſion nicht revidiren ſollte, würde unſre nationale Production
von ſehr ernſten Gefahren bedroht ſein. Wir ſind überzeugt, daß
die Kammer auf ihre Enquête ebenſo große reifliche Ueberlegung ver-
wenden wird, wie die Commiſſion Uebereilung zeigt, und wir
warten die parlamentariſche Berathung ab, um die neuen Tarife
näher zu prüfen. Die Haſt, mit der die Commiſſion vorgeht, iſt
um ſo weniger begreiflich, als doch die Beobachtungen, auf
Grund deren man die Ausarbeitung der Tarife vorbereitet hat,
ſehr oberflächliche waren. Hat doch der Oberhandelsrath kaum
Zeit gehabt, ſich im allgemeinen zu informiren, und ſicherlich hat
die Zollcommiſſion den größten Theil jener Verichte, die der Ober-
handelsrath von den Intereſſenten erhalten hat, nicht durchgeleſen.
Der neue Tarif, der auf dieſe Weiſe zuſammengeſteilt iſt, entbehrt
demnach jedes Werthes, aber die Uebertreibungen, die er enthält,
zeugen von viel Leidenſchaft und Parteilichkeit. Man konnte
hoffen, daß die Commiſſion die Wichtigkeit ihrer Arbeit beſſer
auffaſſen und dieſelbe mit all der Sorgfalt durchführen würde,
welche die Vorbereitung eines der ſchwierigſten Geſetze, das jemals
die Aufmerkſamkeit des Parlaments in Anſpruch genommen hat,
verlangt. Die öffentliche Meinung wird dieſes improviſirte Werk
nicht ohne Strenge beurtheilen, welches ohne Zweifel in mehr
als einem Punkt von der Kammer desavouirt werden wird.“

Die Zollcommiſſion hat die Zölle auf unbearbeitete
Gegenſtände aus Schmiedeeiſen, Gußeiſen und Gußſtahl, auf
Nägel, Metallröhren und metallenes Hausgeräth erhöht.

Von einer Ueberſiedlung der Kartäuſer und Trappiſten
nach Deutſchland, von welcher der „Gaulois“ berichtet hatte,
iſt in Pariſer gut unterrichteten Kreiſen nichts bekannt.

Der „Figaro“ berichtet aus Lyon: Der Graf von Paris
hat in Stowe-Houſe einen der Führer der conſervativen Partei von
Lyon empfangen und ſich mit demſelben längere Zeit unterhalten.
Ueber die Haltung des Cardinals Lavigerie ſprechend, ſagte der
Prinz wörtlich: „Ich glaube, daß die Worte des Cardinals
Lavigerie die Wiederkehr der Monarchie weder um eine Stunde
vorrücken, noch zurückhalten werden. Aber ich beklage die Spal-
tungen, welche ſie unter den hohen Klerus gefäet haben.“
Bezüg-
lich der Senatswahlen ſprach der Prinz ſeine Anſicht dahin aus,
die Pflicht und das Intereſſe der Conſervativen erfordern es, den
Kampf überall und quand même aufzunehmen, ſelbſt in den
Departements, wo die Regierungscandidaten des Sieges ſicher
ſind. Sodann ließ ſich der Prinz lange über ſeine Reiſe in den
Vereinigten Staaten aus.

Die franzöſiſchen Forſchungsreiſenden gaben Hrn. Bonvalot
und dem Prinzen Heinrich von Orléans geſtern ein Bankett.
Hauptmann Vinger gedachte bei dieſer Gekegenheit aller franzöſiſchen,
auf Reiſen befindlichen Forſcher; er erwähnte: Deflers, der Hadra-
maut botaniſch erforſcht, Blane, der ſich im Hochlande von Pamir
befindet, Pavie, welcher den Mekong hinabfährt, Martin, welcher
Nordweſt-Thibet bereist, Catat und Maiſtre in Madagaskar,
de la Martinière, der die römiſchen Denkmäler Marokko’s ſtndirt,
Foureau, der von Südalgier ins Tuaregland vorzudringen ſucht,
Hauptmann Monteil, der vom Niger aus den Tſchadſee zu er-
reichen ſucht, Ménard, der das Congoland bereist, der Schiffs-
lieutenant Mizon, der am Niger zurückgehalten iſt und nach dem
Schari gelangen will, Crampel, der dieſen Fluß vom Ubangi aus
zu erreichen hoſſt, Bullay und Oberſt Archinard im Senegal,
Brazza, Fourneau, Boliſie und Berthon am Congo, Chaffanjon in
Venezuela, Coudreau am Oyapok und Mazoni (Guiana).

In der Angelegenheit des Berichtes des Journaliſten
de la Bruyère über ſeine angebliche Mitwirkung bei der Flucht
Padlewski’s
conferirten der Polizeipräfect Loze, der Unter-
ſuchungsrichter Guillot und der Sicherheitschef Goron. Die erſteren
Beiden erſtatteten heute Mittag dem Miniſter des Innern, Conſtans,
Bericht darüber. Die Blätter bezweifeln, daß de la Bruyère
verhaftet werden wird, obgleich dies auf Grund des Artikels
248 des Strafgefetzbuchs geſchehen könne. Ueber die Beweggründe
für ſeine Handlungsweiſe befragt, erklärte de la Bruyère, er habe
einen politiſchen Verbrecher retten und zugleich ein außergewöhnliches
Reporterſtück ausführen wollen. Der Stationschef Reguoul des
hieſigen Lyoner Bahnhofs erklärt in den Zeitungen, daß der ihn
betreffende Paſſus des Verichts, wonach er dem de la Bruyère
eine Empfehlungskarte an den Stationschef des Grenzbahnhofs
in Modane gegeben hätte, für vollſtändig erfunden. Dem „Temps“
zufolge ſind der Generalprocurator Veaurepaire und der Staats-
anwalt Banaſton dahin übereingekommen, die Unterſuchung über
die Richtigkeit des Berichtes des Journaliſten de la Bruyère ein-
zuleiten. Sollte die Unterſuchung ergeben, daß de la Bruyère der
Flucht Padlewski’s Vorſchub leiſtete, ſo würde gegen den
Erſteren nach Artikel 248 des Strafgeſetzbuches Anklage erhoben
werden. Das Journal „Paris“ berichtet dagegen, Beaurepaire
habe nach einer Unterredung mit dem Miniſter Conſtans es auf-
gegeben, einen Verhaftsbefehl gegen de la Brnyère zu erlaſſen. —
Im „Eclair“ theilt der ſocialiſtiſch-revolutionäre Journaliſt Grégoire
mit, er habe Padlewski vom 18. November bis zum 3. d. M. bei
ſich beherbergt und ihn am letzten Tage zu de la Bruyère ge-
bracht, der Abends mit Padlewski abgereist ſei.

Wie der „Temps“ meldet, theilte Profeſſor Cornil in
einem heute gehaltenen Vortrage ſeine Erfahrungen an 20 mit
der Koch’ſchen Lymphe behandelten Kranken mit und ſprach
über einen Fall von Lungen-Tubereuloſe mit Pyelonephritis (eitrige
Entzündung des Nierenbeckens), bei welchem die Injection von
[Spaltenumbruch] Koch’ſcher Lymphe den Harn verbeſſerte und die Eitermengen ver-
minderte.

Italien.

* Wie „Reuters Bureau“ meldet, habe die Königin Victoria
zwar jüngſt ein Schreiben des Königs Menelik von
Abeſſinien
erhalten, es ſei jedoch völlig erfunden, daß Menelik
darin gegen das italieniſche Protectorat proteſtirt oder eine
Vermittelung zwiſchen ſich und Italien nachgeſucht habe. Das
brittiſche Auswärtige Amt habe das Schreiben Meneliks an
den Botſchafter in Rom, Lord Dufferin, behufs Mittheilung an
die italieniſche Regierung abgeſandt; dasſelbe ſei aber in Rom
noch nicht eingetroffen.

Der König und die Königin em-
pfingen heute den Prinzen und die Prinzeſſin Adolf von Schaum-
burg-Lippe, welche am Montag nach Neapel abreiſen und ſich
dort nach Malta einſchiffen werden. Heute Abend nahmen die
hohen Reiſenden bei dem ſpaniſchen Botſchafter Grafen Benomar
den Thee ein.

Rußland.

Die „Neue Zeit“ beſpricht
das in der Londoner Guildhall zu Gunſten der ruſſiſchen
Juden abgehaltene Meeting
und äußert dabei: „Vor
allem ſollten der Lordmayor und die anderen engliſchen Gentle-
men des „hands off“ (Hände weg) eingedenk ſein. Das
ruſſiſche Volk ſei keine engliſche Colonie. Was würden wohl
die Engländer geſagt haben, wenn das Stadthaupt von
St. Petersburg ein Meeting zu Gunſten des iriſchen Home-
Rule einberufen hätte! Die letztere Angelegenheit würde durch
ein ſolches Meeting um keinen Schritt weiter vorwärts ge-
kommen ſein, dasſelbe werde auch der Fall ſein hinſichtlich des
Londoner Meetings zu Gunſten der ruſſiſchen Juden. In Ruß-
land wiſſe man, um was es ſich dabei handle, die Eng-
länder fürchteten eine Invaſion der Juden in England,
die, nachdem ſie den Armen das Brod genommen, nunmehr
dort den Reichen Concurrenz machen könnten. Es ſei keine
religiöſe Intoleranz, welche Rußland, wo ſich jüdiſche Syna-
gogen ſtolz neben chriſtlichen Tempeln erhöben, zu ſeinen Maß-
regeln veranlaßt habe, ſondern die abſolute Nothwendigkeit, die
ländliche Bevölkerung vor der jüdiſchen Ausbeutung, welche
ſchon die Bauern in Galizien und Rumänien dem Ruin zu-
geführt habe, zu ſchützen. Indem die ruſſiſche Regierung ſo
handle, ſchütze ſie die Juden ſelbſt vor bäuerlichen Be-
wegungen, wie ſie in Oeſterreich ſtattgefunden hätten. Ruß-
land treibe nicht Spiel mit einem falſchen Liberalismus, ſondern
handle offen, um den Frieden und die Wohlfahrt der Nation
zu ſichern. Man könne daher nur die Worte wiederholen:
„hands off!“, ſelbſt wenn ganz Europa ſich zu einem Meeting
zuſammenſinden ſollte, um Rußland zu zwingen, gegen ſeinen
Willen zu handeln. Rußland werde immer ſeine Unabhängig-
keit zu wahren wiſſen.“

Nach einer Veröffentlichung im „Ruſſiſchen Invaliden“ wird
ein drittes Mortier-Artillerie-Regiment formirt. —
Wie dasſelbe Vlatt mittheilt, wird der Stabscapitän in der
Kownoer Feſtungs-Artillerie, Baron v. Kelleskraus, der bereits
im vergangenen Sommer eine Rad-Dauerfahrt von Kowno über
St. Petersburg nach Tobolsk machte, demnächſt auf dem Velociped
eine Fahrt von Warſchau über Wien, Stuttgart, Paris, Lyon nach
Cannes unternehmen, ſich zu Schiff nach Algier begeben und von
dort ſeine Reiſe fortſetzen. Baron Kelleskraus bezweckt mit ſeiner
Fahrt die Frage zur Entſcheidung zu bringen, in wie weit das
Vekociped bei Dauerfahrten das Pferd erſetzen könne. Wie der
„Regierungsbote“ berichtet, hat ein anderer ruſſiſcher Velocipediſt
Fahrten über das Kaukaſus-Gebirge, und zwar von
Wladikawkas nach Tiflis und Kutaïs und wieder zurück gemacht.

Der finniſche Landtag iſt auf den 8./20. Januar n. J.
einberufen worden.

Geſtern ermordete in einem
hieſigen Polizei-Bureau ein zum Verhör vorgeſührter Verhafteter
einen Beamten mit einem Meſſer und entfloh, nachdem er einen
zweiten Beamten verwundet hatte. Es gelang indeß, des Ent-
flohenen kurz darauf wieder habhaft zu werden.

Türkei.

Den Leſern der „Allg.
Ztg.“ werden die Erfolge, womit unſer Landsmann Dr. Karl
Humann die Ausgrabungen in Pergamon geleitet hat, noch im
Gedächtniß ſein. Der ausgezeichnete Archäologe hat nunmehr die
Genehmigung erhalten, auch auf der Stelle von Meanders Magneſia,
einem bisher von Alterthumsforſchern nur wenig durchwühlten
Boden, ſeine Ausgrabungen zu beginnen. Seit vorgeſtern haben
die Arbeiten ihren Anfang genommen. Zwei Mitglieder der
deutſchen Schule von Athen, die Herren Otto Kern und Friedrich
Hiller,
ſind vor einigen Tagen in Smyrna eingetroffen, um ſich
an dem Forſchungswerke zu betheiligen. Da auf den Ruinen
keinerlei Neubauten errichtet wurden, ſo hält man die Schwierig-
keiten für bedeutend geringer als jene, welche ſich den Arbeiten in
Pergamon entgegenſtellten. Ein Theil der alten Stadtmauern iſt
noch ziemlich gut erhalten, und Alles, was von Bauten der Nach-
zeit in der Nähe der Häuſertrümmer zu finden iſt, ſind einige
zwanzig tſcherkeſſiſche Hütten, deren Infaſſen ſich vom Ackerbau er-
nähren. — Die heutige Nummer des türkiſchen Blatts „Tarik“,
d. h. „der (zu befolgende) Weg“ enthält einen geharniſchten Artikel
gegen die griechiſche Preſſe. „Es beſteht augenblicklich“, ſo ſchreibt
das genannte Blatt, „zwiſchen dem osmaniſchen Reiche und
Griechenland keine Frage, welche im Stande wäre, die heftigen
Angriffe und die ungezügelte Sprache der griechiſchen Zeitungen zu
rechtfertigen, die doch ihre Pflicht darin erblicken müßten, die guten
Beziehungen zu fördern, welche zwiſchen zwei, durch ihre geo-
graphiſche Lage und ihre unmittelbare Nachbarſchaft auf ein har-
moniſches Zuſammenleben angewieſenen Staaten ſtets beſtehen
ſollten. Da die kaiſerliche Regierung feſt entſchloſſen iſt,
mit Griechenland freundliche Beziehungen zu unterhalten,
ſo können die Verſuche der Athener Journaliſten, Zwietracht
zu ſäen und Haß zu erzeugen, nur ihrem eigenen Lande zum
Schaden gereichen.“
Der „Tarik“ hat hier vollkommen recht, denn
die Schreibweiſe der griechiſchen Preſſe muß in allem, was ſich auf
türkiſche Zuſtände bezieht, als im höchſten Grade unbillig bezeichnet
werden, und ſie erinnert durch die Gereiztheit ihres Tones wie
durch ihre Verlogenheit lebhaft an die Haltung der „France“ oder
des „Intranſigeant“. So macht jetzt wieder die Fabel von der
„Beſeitigung“ mißliebiger Perſönlichkeiten in türkiſchen Gefäng-
niſſen die Runde. Abgeſehen davon, daß die türkiſchen Gewalt-
haber, wollten ſie einen politiſchen Gegner „beſeitigen“, denſelben
gewiß nicht erſt zu dieſem Behufe in ein Gefängniß ſperren
würden — gibt es doch in Galata croatiſche, montenegriniſche
und beſonders auch griechiſche Schufte, die für ein paar Lire zu
Allem fähig ſind, mehr als genug! Hoffentlich verhallt die
Mahnung, welche der officiöſe Artikelſchreiber des „Tarik“ am
Schluſſe ſeiner Publication an die griechiſchen Redactionen richtet,

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Verhandlungen im Ehe&#x017F;cheidungsgericht. Die Wirkung, welche<lb/>
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[0005] Montag, Zweites Abendblatt, Nr. 347 der Allgemeinen Zeitung. 15. December 1890. Inhalts-Ueberſicht. Großbritannien. London: Parnell in Irland. Gladſtone. Frankreich. Paris: Die Zollcommiſſion. Dementi. Der Graf von Paris. Franzöſiſche Forſchungsreiſen. De la Bruyère und Padlewski. Profeſſor Cornil. Italien. Fürftliche Gäſte. Schreiben Meneliks von Abeſſinien. Rußland. St. Petersburg: Zum engliſchen Juden-Meeting. Artillerie. Militäriſcher Belocipediſt. Landtag. Mord. Türkei. ||☽ Konſtantinopel: Ausgrabungen in Magneſia. Der „Tarik“ über die griechiſche Preſſe. Attentat auf Mr. Margarit. Zur Privilegienfrage. Räuberunweſen in Kleinaſien. Oſtafrika. Aus Sanſibar. Großbritannien. * London, 13. Dec. In ſeinem Blatte „Labour World“ beantwortet Michael Davitt in einem Artikel mit der Kopf- ſchrift „Der Prätendent“ die Dubliner Rede Parnells in folgender ſchneidiger Weiſe: „Hr. Parnell geht nach Irland, nachdem er dem Lande nahezu 8 Jahre politiſch fremd geblieben war. Während dieſer Zeit hat er dem Kampfe, der dort von dem Volke, zu deſſen Führer er erwählt wurde, gegen Zwang und Ausweiſung geführt wird, weder ſeine Hand, noch ſeine Börſe gewidmet. Während ſeine fähigen Collegen für ihre Treue und ihr Wirken im Intereſſe der Nation Gefängnißhaft erduldeten, widmete Hr. Parnell ſeine Zeit und Aufmerkfamkeit einer niedrigen und ſchimpflichen Intrigue. Er geht nach dem jetzt doppelt unglücklichen Lande, um deſſen Volk zu ſpalten und mit kaltblütiger Dreiſtigkeit ſeinen eigenen, ent- ehrten Namen und eine Führerſchaft, welche er geſchändet und verwirkt hat, an Stelle der Schibboleths „Home-Rule“ und „nationale Ehre“ zu ſetzen. Es wird ihm jedoch nicht gelingen, die iriſche Sache ſo leicht zu proſtituiren, als er das Weib ſeines Freundes proſtituirte.“ Davitt prophezeit ſchließlich das klägliche Scheitern der Agitation Parnells. Auf der Reiſe nach Cork wurde Parnell in Sallins, Kil- dare, Maryborough und Thurles ſtürmiſch begrüßt, aber in Limerick und Charleville war er gleichzeitig der Gegenſtand von Ovationen und feindſeligen Kundgebungen. Beſonders in Mallow kam es zu einer überaus feindſeligen Kundgebung. Parnells Geguer verſuchten in den Salonwagen einzudringen; Regenſchirme und Stöcke wurden drohend geſchwungen und das Volk ſchrie „Heraus mit ihm!“ „Nieder mit dem Hallunken!“ „Nieder mit Libertinismus!“ u. ſ. w. Unter einem wahren Höllenlärm dampfte der Zug mit dem „entthronten König von Irland“ weiter. In Cork wurde ihm jedoch ein begeiſterter, durch keine Gegenkund- gebung getrübter Empfang zutheil. Parnell begab ſich geſtern nach Kilkenny zur Unter- ſtützung der Candidatur ſeines Parteigenoſſen Vincent Scully, welcher als Gegencandidat des Mac Carthianers Sir J. Pope Henneſſy aufgetreten iſt. Sein Empfang in der gegenwärtig durch den Wahlkampf hocherregten Stadt war ein Gemiſch von Enthuſiasmus und feindſeligen Kundgebungen. Ein Fackelzug ſeiner Anhänger, unter denen ſich auch die Mitglieder der Corporation befanden, geleitete ihn vom Bahnhofe nach dem Hôtel, woſelbſt er eine kurze Anſprache hielt, in welcher er er- klärte, daß künftighin kein Mann, ſo hoch er auch geſtellt ſei, das iriſche Volk in der Wahl ſeiner Führer beeinfluſſen dürfe. In Dublin dauert die durch die Seitens Parnells erfolgte Unterdrückung der O’Brien’ſchen Zeitung „United Ireland“ verurſachte Preßſehde fort. Ein Haufen maskirter Parnelliten bemächtigte ſich geſtern Morgen zweier Wagenladungen der antiparnellitiſchen Ausgabe von „United Ireland“ auf dem Wege nach dem Bahnhof und warf die Zeitungspakete in den Fluß. Timothy Healy’s Haus in Dublin wurde unter polizei- lichen Schutz geſtellt. Ueber den Ausfall der Wahl in Kilkenny läßt ſich kaum etwas im voraus ſagen. Die Patrioten ſagen, daß die Bil- dungsſtufe der meiſten Wähler befriedigend ſei, und es kaum einen Wahlkreis gebe, der ſich beſſer zum Proben der Kräfte eigne. Einige Kenner des Diſtricts in Dublin ſind nicht ſo hoffnungsvoll. Jedenfalls wirkt die katholiſche Geiſtlichkeit gegen Parnell. Die meiſten Zweige der iriſchen Nationalliga haben ſich gegen Parnell erklärt. — Das neugegründete Tagblatt der Mac Carthyaner erſcheint nächſten Montag in Dublin unter dem Titel „Das unterdrückte United Irland“. Wie es heißt, hat Parnell ſofort, nachdem er am letzten Samſtag „abgeſetzt“ worden war, einen Brief an den Pariſer Bankier Munro, bei dem der Landliga-Fonds von 22,000 Pfund Sterling hinterlegt iſt, gerichtet, mit dem Erſuchen, ihm denſelben zu überſenden. Es geſchah dies ohne Wiſſen Juſtin MacCarthy’s, des Mitverwalters des Fonds. Der Letztere hat ſeitdem Schritte gethan, um zu verhindern, daß Parnell den Fonds angreifen kann. — Eine Geldſperre anderer Art iſt mittlerweile in Dublin eingetreten, wo der Schatzmeiſter der Nationalliga, der Abg. J. F. X. O’Brien, die Beamten der Liga dieſe Woche nicht ausgezahlt hat, weil ſie gegen ſein Gebot Partei in dem Kampf für und wider Parnell ergriffen haben. — Die Abgg. W. O’Brien und Gill ſchifften ſich heute Morgen auf dem holländiſchen Dampfer „Obdam“ in New-York nach Europa ein. Der Ertrag der in Amerika für die iriſche Sache veranſtalteten Sammlungen bleibt einſt- weilen dort. Gladſtone hat vorgeſtern auf der Reiſe von London nach Hawarden in der Station Retford eine Rede zu Gunſten der Candidatur des liberalen Candidaten für Baſſetlaw (Nottingham- ſhire), Hr. Mellor, gehalten. Als der Zug anhielt, wurde dem Führer der liberalen Partei eine Adreſſe der liberalen Wähler von Baffetlaw überreicht, worauf er Folgendes erwiderte: „Es heißt in der Adreſſe, daß unſre Gegner uns die jüngſten Wirren im Zuſammenhange mit der Wahl eines Führers für die nationale Sache Irlands zum Vorwurf machen. Es ſcheint mir, daß dieſe Wirren einen weiteren Grund für Home-Rule bilden. Warum ſollte die engliſche, ſchottiſche und walliſiſche Politik von der Wahl eines iriſchen Führers abhängen? Was den vertraulichen Meinungs- austauſch zwiſchen der liberalen Partei und der Home-Rule-Partei betrifft, ſo war die Unterhaltung in Hawarden im November 1889 gleich befriedigend für beide Parteien, und der Beweis, daß ſie befriedigend war, iſt in dem Bericht zu finden, der nicht von mir (denn ich hatte keine Veranlaſſung, öffentlich darüber zu ſprechen), ſondern von der anderen Partei erſtattet wurde. Dann kamen die Verhandlungen im Eheſcheidungsgericht. Die Wirkung, welche dieſelben auf mein Gemüth erzeugten, war die, daß ſie, ſoweit ich beurtheilen konnte, die moraliſche Kraft, die in Irland abſolut nothwendig iſt für denjenigen, welcher der leitende Geiſt einer großen nationalen Sache ſein ſoll, gänzlich vernichten würde. Ich fühlte auch, daß von Hrn. Parnell felber die Anerkennung dieſer Thatſache erwartet werden müßte, da ſein Beharren bei der Führer- ſchaft der iriſchen Partei völlig verhängnißvoll für die Home-Rule- Sache in England, Schottland und Wales ſein würde. Die von der liberalen Partei eingenommene Stellung iſt die, daß ſie durch die Verleihung von Home-Rule an Irland den Führer der iriſchen Partei zum conſtitutionellen Herrſcher Irlands macht, und ſie iſt nach den Vorgängen im Eheſcheidungsgericht nicht Willens, durch ihre Stimme Hrn. Parnell zum conſtitutionellen Leiter Irlands zu machen. Es iſt gänzlich unwahr, daß Hr. Morley Hrn. Parnell den Vorſchlag machte, er ſolle vor dem Zugeſtändniß von Home- Rule an Irland ein Amt unter der brittiſchen Krone bekleiden. Hr. Parnell iſt nicht länger Führer der iriſchen nationalen Partei, obwohl er mit einer Minderheit der Partei augenſcheinlich beſtrebt iſt, die Führerſchaft, die ihm durch die conſtitutionellen Bertreter Irlands entzogen worden iſt, zu behaupten. Das Werk der liberalen Partei während der letzten fünf Jahre, nämlich Widerſtand gegen Zwang, bleibt ſo heilig und dringlich als je, gleichviel, wer der Führer des iriſchen Volkes iſt.“ Frankreich. * Paris, 13. Dec. Das „Siècle“ ſchreibt: „Es iſt abſolut unmöglich, der Arbeit der Zollcommiſſion, die unſer ganzes Tariſſyſtem mit der automatiſchen Schnelligkeit einer Dampfmaſchine durcheinanderbringt, zu folgen. In wenigen Stunden, oder richtiger wenigen Minuten, beſchließt man über das Régime von Induſtrien, welche ebenſo weitgreifende als complicirte Intereſſen repräſentiren. Es ſcheint, daß man die zukünftigen Zolltarife gleichſam wie ein Loos zieht, und ſie dann ſofort per Acclamation votiren läßt. Wenn die Kammer die Beſchlüfſe der Commiſſion nicht revidiren ſollte, würde unſre nationale Production von ſehr ernſten Gefahren bedroht ſein. Wir ſind überzeugt, daß die Kammer auf ihre Enquête ebenſo große reifliche Ueberlegung ver- wenden wird, wie die Commiſſion Uebereilung zeigt, und wir warten die parlamentariſche Berathung ab, um die neuen Tarife näher zu prüfen. Die Haſt, mit der die Commiſſion vorgeht, iſt um ſo weniger begreiflich, als doch die Beobachtungen, auf Grund deren man die Ausarbeitung der Tarife vorbereitet hat, ſehr oberflächliche waren. Hat doch der Oberhandelsrath kaum Zeit gehabt, ſich im allgemeinen zu informiren, und ſicherlich hat die Zollcommiſſion den größten Theil jener Verichte, die der Ober- handelsrath von den Intereſſenten erhalten hat, nicht durchgeleſen. Der neue Tarif, der auf dieſe Weiſe zuſammengeſteilt iſt, entbehrt demnach jedes Werthes, aber die Uebertreibungen, die er enthält, zeugen von viel Leidenſchaft und Parteilichkeit. Man konnte hoffen, daß die Commiſſion die Wichtigkeit ihrer Arbeit beſſer auffaſſen und dieſelbe mit all der Sorgfalt durchführen würde, welche die Vorbereitung eines der ſchwierigſten Geſetze, das jemals die Aufmerkſamkeit des Parlaments in Anſpruch genommen hat, verlangt. Die öffentliche Meinung wird dieſes improviſirte Werk nicht ohne Strenge beurtheilen, welches ohne Zweifel in mehr als einem Punkt von der Kammer desavouirt werden wird.“ Die Zollcommiſſion hat die Zölle auf unbearbeitete Gegenſtände aus Schmiedeeiſen, Gußeiſen und Gußſtahl, auf Nägel, Metallröhren und metallenes Hausgeräth erhöht. Von einer Ueberſiedlung der Kartäuſer und Trappiſten nach Deutſchland, von welcher der „Gaulois“ berichtet hatte, iſt in Pariſer gut unterrichteten Kreiſen nichts bekannt. Der „Figaro“ berichtet aus Lyon: Der Graf von Paris hat in Stowe-Houſe einen der Führer der conſervativen Partei von Lyon empfangen und ſich mit demſelben längere Zeit unterhalten. Ueber die Haltung des Cardinals Lavigerie ſprechend, ſagte der Prinz wörtlich: „Ich glaube, daß die Worte des Cardinals Lavigerie die Wiederkehr der Monarchie weder um eine Stunde vorrücken, noch zurückhalten werden. Aber ich beklage die Spal- tungen, welche ſie unter den hohen Klerus gefäet haben.“ Bezüg- lich der Senatswahlen ſprach der Prinz ſeine Anſicht dahin aus, die Pflicht und das Intereſſe der Conſervativen erfordern es, den Kampf überall und quand même aufzunehmen, ſelbſt in den Departements, wo die Regierungscandidaten des Sieges ſicher ſind. Sodann ließ ſich der Prinz lange über ſeine Reiſe in den Vereinigten Staaten aus. Die franzöſiſchen Forſchungsreiſenden gaben Hrn. Bonvalot und dem Prinzen Heinrich von Orléans geſtern ein Bankett. Hauptmann Vinger gedachte bei dieſer Gekegenheit aller franzöſiſchen, auf Reiſen befindlichen Forſcher; er erwähnte: Deflers, der Hadra- maut botaniſch erforſcht, Blane, der ſich im Hochlande von Pamir befindet, Pavie, welcher den Mekong hinabfährt, Martin, welcher Nordweſt-Thibet bereist, Catat und Maiſtre in Madagaskar, de la Martinière, der die römiſchen Denkmäler Marokko’s ſtndirt, Foureau, der von Südalgier ins Tuaregland vorzudringen ſucht, Hauptmann Monteil, der vom Niger aus den Tſchadſee zu er- reichen ſucht, Ménard, der das Congoland bereist, der Schiffs- lieutenant Mizon, der am Niger zurückgehalten iſt und nach dem Schari gelangen will, Crampel, der dieſen Fluß vom Ubangi aus zu erreichen hoſſt, Bullay und Oberſt Archinard im Senegal, Brazza, Fourneau, Boliſie und Berthon am Congo, Chaffanjon in Venezuela, Coudreau am Oyapok und Mazoni (Guiana). In der Angelegenheit des Berichtes des Journaliſten de la Bruyère über ſeine angebliche Mitwirkung bei der Flucht Padlewski’s conferirten der Polizeipräfect Loze, der Unter- ſuchungsrichter Guillot und der Sicherheitschef Goron. Die erſteren Beiden erſtatteten heute Mittag dem Miniſter des Innern, Conſtans, Bericht darüber. Die Blätter bezweifeln, daß de la Bruyère verhaftet werden wird, obgleich dies auf Grund des Artikels 248 des Strafgefetzbuchs geſchehen könne. Ueber die Beweggründe für ſeine Handlungsweiſe befragt, erklärte de la Bruyère, er habe einen politiſchen Verbrecher retten und zugleich ein außergewöhnliches Reporterſtück ausführen wollen. Der Stationschef Reguoul des hieſigen Lyoner Bahnhofs erklärt in den Zeitungen, daß der ihn betreffende Paſſus des Verichts, wonach er dem de la Bruyère eine Empfehlungskarte an den Stationschef des Grenzbahnhofs in Modane gegeben hätte, für vollſtändig erfunden. Dem „Temps“ zufolge ſind der Generalprocurator Veaurepaire und der Staats- anwalt Banaſton dahin übereingekommen, die Unterſuchung über die Richtigkeit des Berichtes des Journaliſten de la Bruyère ein- zuleiten. Sollte die Unterſuchung ergeben, daß de la Bruyère der Flucht Padlewski’s Vorſchub leiſtete, ſo würde gegen den Erſteren nach Artikel 248 des Strafgeſetzbuches Anklage erhoben werden. Das Journal „Paris“ berichtet dagegen, Beaurepaire habe nach einer Unterredung mit dem Miniſter Conſtans es auf- gegeben, einen Verhaftsbefehl gegen de la Brnyère zu erlaſſen. — Im „Eclair“ theilt der ſocialiſtiſch-revolutionäre Journaliſt Grégoire mit, er habe Padlewski vom 18. November bis zum 3. d. M. bei ſich beherbergt und ihn am letzten Tage zu de la Bruyère ge- bracht, der Abends mit Padlewski abgereist ſei. Wie der „Temps“ meldet, theilte Profeſſor Cornil in einem heute gehaltenen Vortrage ſeine Erfahrungen an 20 mit der Koch’ſchen Lymphe behandelten Kranken mit und ſprach über einen Fall von Lungen-Tubereuloſe mit Pyelonephritis (eitrige Entzündung des Nierenbeckens), bei welchem die Injection von Koch’ſcher Lymphe den Harn verbeſſerte und die Eitermengen ver- minderte. Italien. * Wie „Reuters Bureau“ meldet, habe die Königin Victoria zwar jüngſt ein Schreiben des Königs Menelik von Abeſſinien erhalten, es ſei jedoch völlig erfunden, daß Menelik darin gegen das italieniſche Protectorat proteſtirt oder eine Vermittelung zwiſchen ſich und Italien nachgeſucht habe. Das brittiſche Auswärtige Amt habe das Schreiben Meneliks an den Botſchafter in Rom, Lord Dufferin, behufs Mittheilung an die italieniſche Regierung abgeſandt; dasſelbe ſei aber in Rom noch nicht eingetroffen. (*) Rom, 13. Dec. Der König und die Königin em- pfingen heute den Prinzen und die Prinzeſſin Adolf von Schaum- burg-Lippe, welche am Montag nach Neapel abreiſen und ſich dort nach Malta einſchiffen werden. Heute Abend nahmen die hohen Reiſenden bei dem ſpaniſchen Botſchafter Grafen Benomar den Thee ein. Rußland. (*) St. Petersburg, 14. Dec. Die „Neue Zeit“ beſpricht das in der Londoner Guildhall zu Gunſten der ruſſiſchen Juden abgehaltene Meeting und äußert dabei: „Vor allem ſollten der Lordmayor und die anderen engliſchen Gentle- men des „hands off“ (Hände weg) eingedenk ſein. Das ruſſiſche Volk ſei keine engliſche Colonie. Was würden wohl die Engländer geſagt haben, wenn das Stadthaupt von St. Petersburg ein Meeting zu Gunſten des iriſchen Home- Rule einberufen hätte! Die letztere Angelegenheit würde durch ein ſolches Meeting um keinen Schritt weiter vorwärts ge- kommen ſein, dasſelbe werde auch der Fall ſein hinſichtlich des Londoner Meetings zu Gunſten der ruſſiſchen Juden. In Ruß- land wiſſe man, um was es ſich dabei handle, die Eng- länder fürchteten eine Invaſion der Juden in England, die, nachdem ſie den Armen das Brod genommen, nunmehr dort den Reichen Concurrenz machen könnten. Es ſei keine religiöſe Intoleranz, welche Rußland, wo ſich jüdiſche Syna- gogen ſtolz neben chriſtlichen Tempeln erhöben, zu ſeinen Maß- regeln veranlaßt habe, ſondern die abſolute Nothwendigkeit, die ländliche Bevölkerung vor der jüdiſchen Ausbeutung, welche ſchon die Bauern in Galizien und Rumänien dem Ruin zu- geführt habe, zu ſchützen. Indem die ruſſiſche Regierung ſo handle, ſchütze ſie die Juden ſelbſt vor bäuerlichen Be- wegungen, wie ſie in Oeſterreich ſtattgefunden hätten. Ruß- land treibe nicht Spiel mit einem falſchen Liberalismus, ſondern handle offen, um den Frieden und die Wohlfahrt der Nation zu ſichern. Man könne daher nur die Worte wiederholen: „hands off!“, ſelbſt wenn ganz Europa ſich zu einem Meeting zuſammenſinden ſollte, um Rußland zu zwingen, gegen ſeinen Willen zu handeln. Rußland werde immer ſeine Unabhängig- keit zu wahren wiſſen.“ Nach einer Veröffentlichung im „Ruſſiſchen Invaliden“ wird ein drittes Mortier-Artillerie-Regiment formirt. — Wie dasſelbe Vlatt mittheilt, wird der Stabscapitän in der Kownoer Feſtungs-Artillerie, Baron v. Kelleskraus, der bereits im vergangenen Sommer eine Rad-Dauerfahrt von Kowno über St. Petersburg nach Tobolsk machte, demnächſt auf dem Velociped eine Fahrt von Warſchau über Wien, Stuttgart, Paris, Lyon nach Cannes unternehmen, ſich zu Schiff nach Algier begeben und von dort ſeine Reiſe fortſetzen. Baron Kelleskraus bezweckt mit ſeiner Fahrt die Frage zur Entſcheidung zu bringen, in wie weit das Vekociped bei Dauerfahrten das Pferd erſetzen könne. Wie der „Regierungsbote“ berichtet, hat ein anderer ruſſiſcher Velocipediſt Fahrten über das Kaukaſus-Gebirge, und zwar von Wladikawkas nach Tiflis und Kutaïs und wieder zurück gemacht. Der finniſche Landtag iſt auf den 8./20. Januar n. J. einberufen worden. (*) Warſchau, 14. Dec. Geſtern ermordete in einem hieſigen Polizei-Bureau ein zum Verhör vorgeſührter Verhafteter einen Beamten mit einem Meſſer und entfloh, nachdem er einen zweiten Beamten verwundet hatte. Es gelang indeß, des Ent- flohenen kurz darauf wieder habhaft zu werden. Türkei. ||☽ Konſtantinopel, 11. Dec. Den Leſern der „Allg. Ztg.“ werden die Erfolge, womit unſer Landsmann Dr. Karl Humann die Ausgrabungen in Pergamon geleitet hat, noch im Gedächtniß ſein. Der ausgezeichnete Archäologe hat nunmehr die Genehmigung erhalten, auch auf der Stelle von Meanders Magneſia, einem bisher von Alterthumsforſchern nur wenig durchwühlten Boden, ſeine Ausgrabungen zu beginnen. Seit vorgeſtern haben die Arbeiten ihren Anfang genommen. Zwei Mitglieder der deutſchen Schule von Athen, die Herren Otto Kern und Friedrich Hiller, ſind vor einigen Tagen in Smyrna eingetroffen, um ſich an dem Forſchungswerke zu betheiligen. Da auf den Ruinen keinerlei Neubauten errichtet wurden, ſo hält man die Schwierig- keiten für bedeutend geringer als jene, welche ſich den Arbeiten in Pergamon entgegenſtellten. Ein Theil der alten Stadtmauern iſt noch ziemlich gut erhalten, und Alles, was von Bauten der Nach- zeit in der Nähe der Häuſertrümmer zu finden iſt, ſind einige zwanzig tſcherkeſſiſche Hütten, deren Infaſſen ſich vom Ackerbau er- nähren. — Die heutige Nummer des türkiſchen Blatts „Tarik“, d. h. „der (zu befolgende) Weg“ enthält einen geharniſchten Artikel gegen die griechiſche Preſſe. „Es beſteht augenblicklich“, ſo ſchreibt das genannte Blatt, „zwiſchen dem osmaniſchen Reiche und Griechenland keine Frage, welche im Stande wäre, die heftigen Angriffe und die ungezügelte Sprache der griechiſchen Zeitungen zu rechtfertigen, die doch ihre Pflicht darin erblicken müßten, die guten Beziehungen zu fördern, welche zwiſchen zwei, durch ihre geo- graphiſche Lage und ihre unmittelbare Nachbarſchaft auf ein har- moniſches Zuſammenleben angewieſenen Staaten ſtets beſtehen ſollten. Da die kaiſerliche Regierung feſt entſchloſſen iſt, mit Griechenland freundliche Beziehungen zu unterhalten, ſo können die Verſuche der Athener Journaliſten, Zwietracht zu ſäen und Haß zu erzeugen, nur ihrem eigenen Lande zum Schaden gereichen.“ Der „Tarik“ hat hier vollkommen recht, denn die Schreibweiſe der griechiſchen Preſſe muß in allem, was ſich auf türkiſche Zuſtände bezieht, als im höchſten Grade unbillig bezeichnet werden, und ſie erinnert durch die Gereiztheit ihres Tones wie durch ihre Verlogenheit lebhaft an die Haltung der „France“ oder des „Intranſigeant“. So macht jetzt wieder die Fabel von der „Beſeitigung“ mißliebiger Perſönlichkeiten in türkiſchen Gefäng- niſſen die Runde. Abgeſehen davon, daß die türkiſchen Gewalt- haber, wollten ſie einen politiſchen Gegner „beſeitigen“, denſelben gewiß nicht erſt zu dieſem Behufe in ein Gefängniß ſperren würden — gibt es doch in Galata croatiſche, montenegriniſche und beſonders auch griechiſche Schufte, die für ein paar Lire zu Allem fähig ſind, mehr als genug! Hoffentlich verhallt die Mahnung, welche der officiöſe Artikelſchreiber des „Tarik“ am Schluſſe ſeiner Publication an die griechiſchen Redactionen richtet,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 347, 15. Dezember 1890, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine347_1890/5>, abgerufen am 01.06.2024.