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Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1850.

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[Spaltenumbruch] alte Landtag, welcher auf einer Rheininsel zusammenkam, bis ins 16te
Jahrhundert erhalten. Man scheint aber auch dieses Gegengewicht gegen
die Fürstengewalt früher um so weniger vermißt zu haben, da der Einfluß
der überaus zahlreichen adeligen Grundherren ein sehr bedeutender war,
und die Fürstengewalt weit mehr als anderwärts in Schranken hielt.
Auch dieß war eine naturgemäße Folge jener alten, berechtigten Klein-
staaterei, denn die factische Machtvollkommenheit des kleinen Fürsten ragte
nicht allzuweit über die des großen Grundherrn hinaus. Der letzte küm-
merliche Rest des Einflusses dieser Rittergeschlechter erlosch mit der Auf-
lösung der Herrenbank, und dafür liegt es jetzt der Volksvertretung in
der Ständekammer allein ob den Gegendruck gegen die Regierungsgewalt
zu üben. Nirgends zeigt sich aber die schwache Seite der Kleinstaaten
schroffer als bei dem Institute der Abgeordnetenkammern, das von Haus
aus auf einen größern Landescomplex berechnet ist. Nassau zählt jetzt
41 Landtagsabgeordnete. Würde etwa Frankreich nach derselben Propor-
tion seine Volksvertretung wählen, so müßte es ungefähr vierthalbtau-
send Abgeordnete
zur Nationalversammlung schicken! Es ergibt sich
daraus daß die Volksvertretung mit der zunehmenden Kleinheit des Staa-
tes in steigender Progression theurer wird. Die neue nassauische Volks-
kammer hat im ersten Jahr ihres Bestehens 12,000 fl. allein für den Druck
ihrer Protokolle verausgabt. Da sich die Gesammtsumme der Staats-
Einnahmen nur auf einige Millionen Gulden beläuft, so ist dieß gewiß
ein erstaunlich hoher Posten, und wenn wir augenblicklich im Stande
wären den Gesammtaufwand für die Volksvertretung in Zahlen anzuge-
ben, so würde sich ein noch viel auffallenderes Verhältniß herausstellen.
Dazu kommt aber daß die Zahl von 41 Abgeordneten doch eigentlich noch
viel zu niedrig ist. Denn um das rechte Maß für eine Volksvertretung
zu finden, braucht man nicht sowohl das Zahlenverhältniß der Vertre-
tenden zu den Vertretenen in Betracht zu ziehen, als man vielmehr darauf
sehen muß daß die Versammlung groß genug werde um den Charakter
einer Volksrepräsentation überhaupt zu erlangen. Da man aber bei dem
Glücksspiel der Wahlen auf zehn taube Nüsse höchstens eine zählen kann
welche einen Kern enthält, und erst in einer größern Zahl von Gewähl-
ten die Zufälligkeiten der einzelnen Wahlacte sich ausgleichen, so sind 40
Männer ebenso gewiß nicht zureichend um die Repräsentation eines Völk-
chens von 400,000 Köpfen darzustellen, als etwa 5--600 vollkommen
genügen um 40 Millionen zu repräsentiren. Diesen Mißstand der Volks-
vertretungen in kleinen Staaten hat man auch sofort herausgefühlt, und
als vor einem Jahre Stimmen sich erhoben welche forderten daß man
mit der Mediatisirung der Einzelkammern in den Kleinstaaten das Werk
der deutschen Einigung beginne, fanden diese Stimmen ein lautes Echo
in den Kleinstaaten, und zwar nicht bloß bei den Reactionären und Abso-
lutisten. Freilich würde diese Mediatisirung der Kammern dann auch zur
Mediatisirung der Ministerien führen müssen -- und so weiter!

Der augenfällige innere Widerspruch welcher sich in den Einzelkam-
mern der Kleinstaaten ausspricht, führt uns aber zu der eigentlichen Achilles-
ferse der Kleinstaaterei. Die kleinen deutschen Länder haben sich nothge-
drungen Verfassungen gegeben welche ihrem ganzen Wesen nach auf grö-
ßere Staaten berechnet sind. Unsere Kleinstaaten nehmen sich aus wie
eine Compagnie Soldaten der man einen auf ein ganzes Armeecorps ein-
gerichteten Generalstab vorgesetzt hat. Solange die Regierung und Ver-
waltung der Ländchen organisch aus ihren geschichtlichen Verhältnissen
hervorwuchs, wie es meist bis zum Jahr 1816 gewesen, kannte man den
Begriff der Kleinstaaterei gar nicht, er drängte sich erst auf als man den
Staaten von ein paarmal hunderttausend Einwohnern die vollständige
Copie einer für England, Frankreich oder meinetwegen auch für Rußland
bestimmten Verfassungs- und Verwaltungsform geben zu müssen glaubte.
Denn der kleinste Staat ist kein "Kleinstaat" solange der Verwaltungs-
aufwand zu den Verwalteten, solange die beanspruchten politischen Rechte
zu den politischen Leistungen in richtiger Proportion stehen. Es kann
sogar ein großer Staat zur Kleinstaaterei herabsinken, wenn er mehr zu
seyn prätendirt als er wirklich seyn kann. Das Symbol der ächten Klein-
staaterei ist die Fabel vom Frosch der sich zu einem Ochsen aufblasen wollte.

Die Verfassung des Nassauer Landes vom Jahr 1814, und nament-
lich die Einrichtung der obern Verwaltungsbehörden galt in den zwan-
ziger Jahren für musterhaft. Sie war in der That ein Musterbild, aber
in dem Wortsinn des todten Modells welches nach abstracten Lehrsätzen
entworfen ist, im Gegensatze zu dem lebendigen Organismus. Man hätte
glauben sollen, damals als noch der Hofcapellan das ganze nassauische
Ministerium vorstellte, müsse die Verwaltung viel centralisirter gewesen
seyn als nunmehr, wo sie an ein ganzes Regiment von Behörden und
Unterbehörden überging. Es war aber gerade umgekehrt. Es existirte
wohl keine deutsche Verfassung welche den Grundsatz der Centralisirung
so folgerichtig durchgebildet, welche jede freie Bewegung der vielen im
Staatsleben ineinander greifenden socialen und politischen Mächte so
[Spaltenumbruch] vollständig in der Handhabung der obersten Regierungsgewalt hatte auf-
gehen lassen als jene nassauische. Bekannt ist die humoristische Klage,
die der Frhr. v. Stein in seinen Briefen an Gagern darüber erhebt daß
nicht einmal die einzelnen Gemeinden ihre Faselstiere nach eigenem Er-
messen sich ankaufen durften: auch dieß war Sache der Regierung; sie
kaufte die Ochsen für das ganze Land. Und wie mit den Faselstieren, so
ging es mit allen andern Dingen, mit Kirche und Schule, Handel, Ge-
werbe und Ackerbau, Gemeindewesen, Medicinalverwaltung, Forstcultur,
alles wurde von der Regierung vorsorglich angeordnet, über alle techni-
schen Angelegenheiten entschieden fast nur Juristen, das Haus- und
Staatsministerium vereinigte alle Zweige ministerieller Wirksamkeit in
Einem Bureau. Man hielt diese Verfassung in der Zeit ihres Entstehens,
nämlich unmittelbar nach den Befreiungskriegen, für sehr zeitgemäß. Die
nassauischen Länder waren damals binnen fünfundzwanzig Jahren so häufig
in ihrem Territorialbestand alterirt worden, daß wirklich ein gutes Ge-
dächtniß und keine geringen statistischen und geographischen Kenntnisse
dazu gehörten, um genau anzugeben welche Gebietstheile seit einem Men-
schenalter nassauisch gewesen und geworden waren. Als im Jahr 1816
das Herzogthum zu seiner jetzigen Gestalt abgerundet wurde, nahm es
nicht nur fremdartige Bestandtheile in seinen Verband auf, sondern es
wurden in demselben Maße altnassauische, durch Jahrhunderte engverbun-
dene Landstriche auch wiederum abgeschnitten. So fiel z. B. das Siegener
Land und der sogenannte Hüttenberg an Preußen, wo heute noch ein großer
Theil der Bevölkerung viel besser nassauisch gesinnt ist als in den Nassau
zugetheilten kurmainzischen und kurtrier'schen Gebietstheilen. Die Schick-
sale der nassau-oranischen Regentenfamilie, als dieselbe ihre deutschen
Stammlande verlor, ging den Alt-Oraniern im Dillenburgischen und
Siegen'schen tief zu Herzen, und der Anfall an die weilburgische Linie ist
von vielen damals wohl gar als eine Landes-Calamität betrachtet worden!
Es ist darum eben geradezu unmöglich eine Geschichte des Herzogthums
Nassau als "nassauische Geschichte" zu schreiben. Es gibt überhaupt nur
eine nassau-dietzische, nassau-weilburgische, nassau-usingische etc. Geschichte,
keine nassauische; wiederum ist etwa die Geschichte der Herrschaft Kirch-
heim-Bolanden in der bayerischen Rheinpfalz, der Grafschaft Saar-
brücken etc. für die Geschichte Nassau's viel wichtiger als die des jetzt zu
Nassau gehörenden Rheingaues. Ein gutes Theil unserer Geschichte ha-
ben wir auch in den Niederlanden, ja wohl gar ein Zipfelchen derselben
in Südfrankreich zu suchen, und so liegt ein großes Bruchstück unserer hi-
storischen Erinnerungen in der That in partibus insidelium. Da erklärt
sich's dann leicht wie man zu der theoretischen Illusion kam, aus dem di-
plomatischen Flickwerk des neuen nassauischen Gesammtstaates durch eine aufs
äußerste centralisirte Verwaltung ein ganzes Stück Zeug machen zu wollen.
Verspüren wir doch heute erst recht was es mit den Länder-Abrundungen
aus den Tagen des Wiener-Congresses auf sich hat! Ist nicht bei der badi-
schen Bewegung sofort als ein mahnendes Gespenst die Erinnerung an die
unnatürliche Zusammenstückelung dieses Länder-Riemens im Hintergrunde
aufgestiegen, so daß die schwachen Näthe, mit welchen man das Pfälzer
Land an die Markgrafschaft Baden und diese wieder an den vorderösterrei-
chischen Breisgau und das Oberland geheftet, augenblicklich zu zerplatzen
drohten!

Nun höre man aber wie man in Nassau zu Werke ging um auf ad-
ministrativem Wege die widerstrebenden Elemente ineinander zu verschmel-
zen. Den ehemals unter geistlicher Herrschaft gestandenen Landestheilen
schnitt man ihr uralt heiliges Herkommen ab, verbot z. B. die Processto-
nen, verletzte die katholische Bevölkerung durch die Art der Verwendung
von allerlei aus den Säcularisationen geflossenen Geldern. Um diese
Gebiete den andern zu assimiliren hätte man eben gerade ihren Particula-
rismus bis zu einem gewissen Punkte gewähren lassen sollen. Man cen-
tralistrte die Gemeindeverwaltung, in welcher just die örtlichen Verschie-
denheiten die größte Berechtigung hatten, aufs strengste, konnte es aber
nicht einmal dahin bringen daß die Kronthaler und die preußischen Thaler
in dem kleinen Lande einerlei Curs hatten, indem dieselben bis vor zwei
Jahren nördlich der Lahn um je drei Kreuzer höher verausgabt wurden
als südlich dieses Flusses. Das nasse Maß wechselt trotz aller Verwal-
tungs-Centralisation durch alle Abstufungen, und ist fast in jedem Städt-
chen ein anderes. Noch viel schlimmer steht es mit dem Fruchtmaß. Statt
hier eine sehr wohlthätige Einigung herbeizuführen, begründete man z. B.
eine höchst überflüssige Einheit des Kalenders, indem jeder Einwohner
gezwungen ist den sogenannten Landeskalender zu kaufen, und bis auf
diesen Tag eine Visitation nach Neujahr von Haus zu Haus geht, um
nachzufragen ob man seinen Kalender auch richtig gekauft hat! Es bildet
einen wahrhaft komischen Gegensatz, wenn man bedenkt daß sich die
Staatsverwaltung so viele Mühe gibt sämmtliche Einwohner nach der
nämlichen Kalenderausgabe ihre Zeitrechnung regeln zu lassen, während
sie auf einem Raume von 82 Quadratmeilen nicht weniger als siebzeh-

[Spaltenumbruch] alte Landtag, welcher auf einer Rheininſel zuſammenkam, bis ins 16te
Jahrhundert erhalten. Man ſcheint aber auch dieſes Gegengewicht gegen
die Fürſtengewalt früher um ſo weniger vermißt zu haben, da der Einfluß
der überaus zahlreichen adeligen Grundherren ein ſehr bedeutender war,
und die Fürſtengewalt weit mehr als anderwärts in Schranken hielt.
Auch dieß war eine naturgemäße Folge jener alten, berechtigten Klein-
ſtaaterei, denn die factiſche Machtvollkommenheit des kleinen Fürſten ragte
nicht allzuweit über die des großen Grundherrn hinaus. Der letzte küm-
merliche Reſt des Einfluſſes dieſer Rittergeſchlechter erloſch mit der Auf-
löſung der Herrenbank, und dafür liegt es jetzt der Volksvertretung in
der Ständekammer allein ob den Gegendruck gegen die Regierungsgewalt
zu üben. Nirgends zeigt ſich aber die ſchwache Seite der Kleinſtaaten
ſchroffer als bei dem Inſtitute der Abgeordnetenkammern, das von Haus
aus auf einen größern Landescomplex berechnet iſt. Naſſau zählt jetzt
41 Landtagsabgeordnete. Würde etwa Frankreich nach derſelben Propor-
tion ſeine Volksvertretung wählen, ſo müßte es ungefähr vierthalbtau-
ſend Abgeordnete
zur Nationalverſammlung ſchicken! Es ergibt ſich
daraus daß die Volksvertretung mit der zunehmenden Kleinheit des Staa-
tes in ſteigender Progreſſion theurer wird. Die neue naſſauiſche Volks-
kammer hat im erſten Jahr ihres Beſtehens 12,000 fl. allein für den Druck
ihrer Protokolle verausgabt. Da ſich die Geſammtſumme der Staats-
Einnahmen nur auf einige Millionen Gulden beläuft, ſo iſt dieß gewiß
ein erſtaunlich hoher Poſten, und wenn wir augenblicklich im Stande
wären den Geſammtaufwand für die Volksvertretung in Zahlen anzuge-
ben, ſo würde ſich ein noch viel auffallenderes Verhältniß herausſtellen.
Dazu kommt aber daß die Zahl von 41 Abgeordneten doch eigentlich noch
viel zu niedrig iſt. Denn um das rechte Maß für eine Volksvertretung
zu finden, braucht man nicht ſowohl das Zahlenverhältniß der Vertre-
tenden zu den Vertretenen in Betracht zu ziehen, als man vielmehr darauf
ſehen muß daß die Verſammlung groß genug werde um den Charakter
einer Volksrepräſentation überhaupt zu erlangen. Da man aber bei dem
Glücksſpiel der Wahlen auf zehn taube Nüſſe höchſtens eine zählen kann
welche einen Kern enthält, und erſt in einer größern Zahl von Gewähl-
ten die Zufälligkeiten der einzelnen Wahlacte ſich ausgleichen, ſo ſind 40
Männer ebenſo gewiß nicht zureichend um die Repräſentation eines Völk-
chens von 400,000 Köpfen darzuſtellen, als etwa 5—600 vollkommen
genügen um 40 Millionen zu repräſentiren. Dieſen Mißſtand der Volks-
vertretungen in kleinen Staaten hat man auch ſofort herausgefühlt, und
als vor einem Jahre Stimmen ſich erhoben welche forderten daß man
mit der Mediatiſirung der Einzelkammern in den Kleinſtaaten das Werk
der deutſchen Einigung beginne, fanden dieſe Stimmen ein lautes Echo
in den Kleinſtaaten, und zwar nicht bloß bei den Reactionären und Abſo-
lutiſten. Freilich würde dieſe Mediatiſirung der Kammern dann auch zur
Mediatiſirung der Miniſterien führen müſſen — und ſo weiter!

Der augenfällige innere Widerſpruch welcher ſich in den Einzelkam-
mern der Kleinſtaaten ausſpricht, führt uns aber zu der eigentlichen Achilles-
ferſe der Kleinſtaaterei. Die kleinen deutſchen Länder haben ſich nothge-
drungen Verfaſſungen gegeben welche ihrem ganzen Weſen nach auf grö-
ßere Staaten berechnet ſind. Unſere Kleinſtaaten nehmen ſich aus wie
eine Compagnie Soldaten der man einen auf ein ganzes Armeecorps ein-
gerichteten Generalſtab vorgeſetzt hat. Solange die Regierung und Ver-
waltung der Ländchen organiſch aus ihren geſchichtlichen Verhältniſſen
hervorwuchs, wie es meiſt bis zum Jahr 1816 geweſen, kannte man den
Begriff der Kleinſtaaterei gar nicht, er drängte ſich erſt auf als man den
Staaten von ein paarmal hunderttauſend Einwohnern die vollſtändige
Copie einer für England, Frankreich oder meinetwegen auch für Rußland
beſtimmten Verfaſſungs- und Verwaltungsform geben zu müſſen glaubte.
Denn der kleinſte Staat iſt kein „Kleinſtaat“ ſolange der Verwaltungs-
aufwand zu den Verwalteten, ſolange die beanſpruchten politiſchen Rechte
zu den politiſchen Leiſtungen in richtiger Proportion ſtehen. Es kann
ſogar ein großer Staat zur Kleinſtaaterei herabſinken, wenn er mehr zu
ſeyn prätendirt als er wirklich ſeyn kann. Das Symbol der ächten Klein-
ſtaaterei iſt die Fabel vom Froſch der ſich zu einem Ochſen aufblaſen wollte.

Die Verfaſſung des Naſſauer Landes vom Jahr 1814, und nament-
lich die Einrichtung der obern Verwaltungsbehörden galt in den zwan-
ziger Jahren für muſterhaft. Sie war in der That ein Muſterbild, aber
in dem Wortſinn des todten Modells welches nach abſtracten Lehrſätzen
entworfen iſt, im Gegenſatze zu dem lebendigen Organismus. Man hätte
glauben ſollen, damals als noch der Hofcapellan das ganze naſſauiſche
Miniſterium vorſtellte, müſſe die Verwaltung viel centraliſirter geweſen
ſeyn als nunmehr, wo ſie an ein ganzes Regiment von Behörden und
Unterbehörden überging. Es war aber gerade umgekehrt. Es exiſtirte
wohl keine deutſche Verfaſſung welche den Grundſatz der Centraliſirung
ſo folgerichtig durchgebildet, welche jede freie Bewegung der vielen im
Staatsleben ineinander greifenden ſocialen und politiſchen Mächte ſo
[Spaltenumbruch] vollſtändig in der Handhabung der oberſten Regierungsgewalt hatte auf-
gehen laſſen als jene naſſauiſche. Bekannt iſt die humoriſtiſche Klage,
die der Frhr. v. Stein in ſeinen Briefen an Gagern darüber erhebt daß
nicht einmal die einzelnen Gemeinden ihre Faſelſtiere nach eigenem Er-
meſſen ſich ankaufen durften: auch dieß war Sache der Regierung; ſie
kaufte die Ochſen für das ganze Land. Und wie mit den Faſelſtieren, ſo
ging es mit allen andern Dingen, mit Kirche und Schule, Handel, Ge-
werbe und Ackerbau, Gemeindeweſen, Medicinalverwaltung, Forſtcultur,
alles wurde von der Regierung vorſorglich angeordnet, über alle techni-
ſchen Angelegenheiten entſchieden faſt nur Juriſten, das Haus- und
Staatsminiſterium vereinigte alle Zweige miniſterieller Wirkſamkeit in
Einem Bureau. Man hielt dieſe Verfaſſung in der Zeit ihres Entſtehens,
nämlich unmittelbar nach den Befreiungskriegen, für ſehr zeitgemäß. Die
naſſauiſchen Länder waren damals binnen fünfundzwanzig Jahren ſo häufig
in ihrem Territorialbeſtand alterirt worden, daß wirklich ein gutes Ge-
dächtniß und keine geringen ſtatiſtiſchen und geographiſchen Kenntniſſe
dazu gehörten, um genau anzugeben welche Gebietstheile ſeit einem Men-
ſchenalter naſſauiſch geweſen und geworden waren. Als im Jahr 1816
das Herzogthum zu ſeiner jetzigen Geſtalt abgerundet wurde, nahm es
nicht nur fremdartige Beſtandtheile in ſeinen Verband auf, ſondern es
wurden in demſelben Maße altnaſſauiſche, durch Jahrhunderte engverbun-
dene Landſtriche auch wiederum abgeſchnitten. So fiel z. B. das Siegener
Land und der ſogenannte Hüttenberg an Preußen, wo heute noch ein großer
Theil der Bevölkerung viel beſſer naſſauiſch geſinnt iſt als in den Naſſau
zugetheilten kurmainziſchen und kurtrier’ſchen Gebietstheilen. Die Schick-
ſale der naſſau-oraniſchen Regentenfamilie, als dieſelbe ihre deutſchen
Stammlande verlor, ging den Alt-Oraniern im Dillenburgiſchen und
Siegen’ſchen tief zu Herzen, und der Anfall an die weilburgiſche Linie iſt
von vielen damals wohl gar als eine Landes-Calamität betrachtet worden!
Es iſt darum eben geradezu unmöglich eine Geſchichte des Herzogthums
Naſſau als „naſſauiſche Geſchichte“ zu ſchreiben. Es gibt überhaupt nur
eine naſſau-dietziſche, naſſau-weilburgiſche, naſſau-uſingiſche ꝛc. Geſchichte,
keine naſſauiſche; wiederum iſt etwa die Geſchichte der Herrſchaft Kirch-
heim-Bolanden in der bayeriſchen Rheinpfalz, der Grafſchaft Saar-
brücken ꝛc. für die Geſchichte Naſſau’s viel wichtiger als die des jetzt zu
Naſſau gehörenden Rheingaues. Ein gutes Theil unſerer Geſchichte ha-
ben wir auch in den Niederlanden, ja wohl gar ein Zipfelchen derſelben
in Südfrankreich zu ſuchen, und ſo liegt ein großes Bruchſtück unſerer hi-
ſtoriſchen Erinnerungen in der That in partibus inſidelium. Da erklärt
ſich’s dann leicht wie man zu der theoretiſchen Illuſion kam, aus dem di-
plomatiſchen Flickwerk des neuen naſſauiſchen Geſammtſtaates durch eine aufs
äußerſte centraliſirte Verwaltung ein ganzes Stück Zeug machen zu wollen.
Verſpüren wir doch heute erſt recht was es mit den Länder-Abrundungen
aus den Tagen des Wiener-Congreſſes auf ſich hat! Iſt nicht bei der badi-
ſchen Bewegung ſofort als ein mahnendes Geſpenſt die Erinnerung an die
unnatürliche Zuſammenſtückelung dieſes Länder-Riemens im Hintergrunde
aufgeſtiegen, ſo daß die ſchwachen Näthe, mit welchen man das Pfälzer
Land an die Markgrafſchaft Baden und dieſe wieder an den vorderöſterrei-
chiſchen Breisgau und das Oberland geheftet, augenblicklich zu zerplatzen
drohten!

Nun höre man aber wie man in Naſſau zu Werke ging um auf ad-
miniſtrativem Wege die widerſtrebenden Elemente ineinander zu verſchmel-
zen. Den ehemals unter geiſtlicher Herrſchaft geſtandenen Landestheilen
ſchnitt man ihr uralt heiliges Herkommen ab, verbot z. B. die Proceſſto-
nen, verletzte die katholiſche Bevölkerung durch die Art der Verwendung
von allerlei aus den Säculariſationen gefloſſenen Geldern. Um dieſe
Gebiete den andern zu aſſimiliren hätte man eben gerade ihren Particula-
rismus bis zu einem gewiſſen Punkte gewähren laſſen ſollen. Man cen-
traliſtrte die Gemeindeverwaltung, in welcher juſt die örtlichen Verſchie-
denheiten die größte Berechtigung hatten, aufs ſtrengſte, konnte es aber
nicht einmal dahin bringen daß die Kronthaler und die preußiſchen Thaler
in dem kleinen Lande einerlei Curs hatten, indem dieſelben bis vor zwei
Jahren nördlich der Lahn um je drei Kreuzer höher verausgabt wurden
als ſüdlich dieſes Fluſſes. Das naſſe Maß wechſelt trotz aller Verwal-
tungs-Centraliſation durch alle Abſtufungen, und iſt faſt in jedem Städt-
chen ein anderes. Noch viel ſchlimmer ſteht es mit dem Fruchtmaß. Statt
hier eine ſehr wohlthätige Einigung herbeizuführen, begründete man z. B.
eine höchſt überflüſſige Einheit des Kalenders, indem jeder Einwohner
gezwungen iſt den ſogenannten Landeskalender zu kaufen, und bis auf
dieſen Tag eine Viſitation nach Neujahr von Haus zu Haus geht, um
nachzufragen ob man ſeinen Kalender auch richtig gekauft hat! Es bildet
einen wahrhaft komiſchen Gegenſatz, wenn man bedenkt daß ſich die
Staatsverwaltung ſo viele Mühe gibt ſämmtliche Einwohner nach der
nämlichen Kalenderausgabe ihre Zeitrechnung regeln zu laſſen, während
ſie auf einem Raume von 82 Quadratmeilen nicht weniger als ſiebzeh-

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[539/0011] alte Landtag, welcher auf einer Rheininſel zuſammenkam, bis ins 16te Jahrhundert erhalten. Man ſcheint aber auch dieſes Gegengewicht gegen die Fürſtengewalt früher um ſo weniger vermißt zu haben, da der Einfluß der überaus zahlreichen adeligen Grundherren ein ſehr bedeutender war, und die Fürſtengewalt weit mehr als anderwärts in Schranken hielt. Auch dieß war eine naturgemäße Folge jener alten, berechtigten Klein- ſtaaterei, denn die factiſche Machtvollkommenheit des kleinen Fürſten ragte nicht allzuweit über die des großen Grundherrn hinaus. Der letzte küm- merliche Reſt des Einfluſſes dieſer Rittergeſchlechter erloſch mit der Auf- löſung der Herrenbank, und dafür liegt es jetzt der Volksvertretung in der Ständekammer allein ob den Gegendruck gegen die Regierungsgewalt zu üben. Nirgends zeigt ſich aber die ſchwache Seite der Kleinſtaaten ſchroffer als bei dem Inſtitute der Abgeordnetenkammern, das von Haus aus auf einen größern Landescomplex berechnet iſt. Naſſau zählt jetzt 41 Landtagsabgeordnete. Würde etwa Frankreich nach derſelben Propor- tion ſeine Volksvertretung wählen, ſo müßte es ungefähr vierthalbtau- ſend Abgeordnete zur Nationalverſammlung ſchicken! Es ergibt ſich daraus daß die Volksvertretung mit der zunehmenden Kleinheit des Staa- tes in ſteigender Progreſſion theurer wird. Die neue naſſauiſche Volks- kammer hat im erſten Jahr ihres Beſtehens 12,000 fl. allein für den Druck ihrer Protokolle verausgabt. Da ſich die Geſammtſumme der Staats- Einnahmen nur auf einige Millionen Gulden beläuft, ſo iſt dieß gewiß ein erſtaunlich hoher Poſten, und wenn wir augenblicklich im Stande wären den Geſammtaufwand für die Volksvertretung in Zahlen anzuge- ben, ſo würde ſich ein noch viel auffallenderes Verhältniß herausſtellen. Dazu kommt aber daß die Zahl von 41 Abgeordneten doch eigentlich noch viel zu niedrig iſt. Denn um das rechte Maß für eine Volksvertretung zu finden, braucht man nicht ſowohl das Zahlenverhältniß der Vertre- tenden zu den Vertretenen in Betracht zu ziehen, als man vielmehr darauf ſehen muß daß die Verſammlung groß genug werde um den Charakter einer Volksrepräſentation überhaupt zu erlangen. Da man aber bei dem Glücksſpiel der Wahlen auf zehn taube Nüſſe höchſtens eine zählen kann welche einen Kern enthält, und erſt in einer größern Zahl von Gewähl- ten die Zufälligkeiten der einzelnen Wahlacte ſich ausgleichen, ſo ſind 40 Männer ebenſo gewiß nicht zureichend um die Repräſentation eines Völk- chens von 400,000 Köpfen darzuſtellen, als etwa 5—600 vollkommen genügen um 40 Millionen zu repräſentiren. Dieſen Mißſtand der Volks- vertretungen in kleinen Staaten hat man auch ſofort herausgefühlt, und als vor einem Jahre Stimmen ſich erhoben welche forderten daß man mit der Mediatiſirung der Einzelkammern in den Kleinſtaaten das Werk der deutſchen Einigung beginne, fanden dieſe Stimmen ein lautes Echo in den Kleinſtaaten, und zwar nicht bloß bei den Reactionären und Abſo- lutiſten. Freilich würde dieſe Mediatiſirung der Kammern dann auch zur Mediatiſirung der Miniſterien führen müſſen — und ſo weiter! Der augenfällige innere Widerſpruch welcher ſich in den Einzelkam- mern der Kleinſtaaten ausſpricht, führt uns aber zu der eigentlichen Achilles- ferſe der Kleinſtaaterei. Die kleinen deutſchen Länder haben ſich nothge- drungen Verfaſſungen gegeben welche ihrem ganzen Weſen nach auf grö- ßere Staaten berechnet ſind. Unſere Kleinſtaaten nehmen ſich aus wie eine Compagnie Soldaten der man einen auf ein ganzes Armeecorps ein- gerichteten Generalſtab vorgeſetzt hat. Solange die Regierung und Ver- waltung der Ländchen organiſch aus ihren geſchichtlichen Verhältniſſen hervorwuchs, wie es meiſt bis zum Jahr 1816 geweſen, kannte man den Begriff der Kleinſtaaterei gar nicht, er drängte ſich erſt auf als man den Staaten von ein paarmal hunderttauſend Einwohnern die vollſtändige Copie einer für England, Frankreich oder meinetwegen auch für Rußland beſtimmten Verfaſſungs- und Verwaltungsform geben zu müſſen glaubte. Denn der kleinſte Staat iſt kein „Kleinſtaat“ ſolange der Verwaltungs- aufwand zu den Verwalteten, ſolange die beanſpruchten politiſchen Rechte zu den politiſchen Leiſtungen in richtiger Proportion ſtehen. Es kann ſogar ein großer Staat zur Kleinſtaaterei herabſinken, wenn er mehr zu ſeyn prätendirt als er wirklich ſeyn kann. Das Symbol der ächten Klein- ſtaaterei iſt die Fabel vom Froſch der ſich zu einem Ochſen aufblaſen wollte. Die Verfaſſung des Naſſauer Landes vom Jahr 1814, und nament- lich die Einrichtung der obern Verwaltungsbehörden galt in den zwan- ziger Jahren für muſterhaft. Sie war in der That ein Muſterbild, aber in dem Wortſinn des todten Modells welches nach abſtracten Lehrſätzen entworfen iſt, im Gegenſatze zu dem lebendigen Organismus. Man hätte glauben ſollen, damals als noch der Hofcapellan das ganze naſſauiſche Miniſterium vorſtellte, müſſe die Verwaltung viel centraliſirter geweſen ſeyn als nunmehr, wo ſie an ein ganzes Regiment von Behörden und Unterbehörden überging. Es war aber gerade umgekehrt. Es exiſtirte wohl keine deutſche Verfaſſung welche den Grundſatz der Centraliſirung ſo folgerichtig durchgebildet, welche jede freie Bewegung der vielen im Staatsleben ineinander greifenden ſocialen und politiſchen Mächte ſo vollſtändig in der Handhabung der oberſten Regierungsgewalt hatte auf- gehen laſſen als jene naſſauiſche. Bekannt iſt die humoriſtiſche Klage, die der Frhr. v. Stein in ſeinen Briefen an Gagern darüber erhebt daß nicht einmal die einzelnen Gemeinden ihre Faſelſtiere nach eigenem Er- meſſen ſich ankaufen durften: auch dieß war Sache der Regierung; ſie kaufte die Ochſen für das ganze Land. Und wie mit den Faſelſtieren, ſo ging es mit allen andern Dingen, mit Kirche und Schule, Handel, Ge- werbe und Ackerbau, Gemeindeweſen, Medicinalverwaltung, Forſtcultur, alles wurde von der Regierung vorſorglich angeordnet, über alle techni- ſchen Angelegenheiten entſchieden faſt nur Juriſten, das Haus- und Staatsminiſterium vereinigte alle Zweige miniſterieller Wirkſamkeit in Einem Bureau. Man hielt dieſe Verfaſſung in der Zeit ihres Entſtehens, nämlich unmittelbar nach den Befreiungskriegen, für ſehr zeitgemäß. Die naſſauiſchen Länder waren damals binnen fünfundzwanzig Jahren ſo häufig in ihrem Territorialbeſtand alterirt worden, daß wirklich ein gutes Ge- dächtniß und keine geringen ſtatiſtiſchen und geographiſchen Kenntniſſe dazu gehörten, um genau anzugeben welche Gebietstheile ſeit einem Men- ſchenalter naſſauiſch geweſen und geworden waren. Als im Jahr 1816 das Herzogthum zu ſeiner jetzigen Geſtalt abgerundet wurde, nahm es nicht nur fremdartige Beſtandtheile in ſeinen Verband auf, ſondern es wurden in demſelben Maße altnaſſauiſche, durch Jahrhunderte engverbun- dene Landſtriche auch wiederum abgeſchnitten. So fiel z. B. das Siegener Land und der ſogenannte Hüttenberg an Preußen, wo heute noch ein großer Theil der Bevölkerung viel beſſer naſſauiſch geſinnt iſt als in den Naſſau zugetheilten kurmainziſchen und kurtrier’ſchen Gebietstheilen. Die Schick- ſale der naſſau-oraniſchen Regentenfamilie, als dieſelbe ihre deutſchen Stammlande verlor, ging den Alt-Oraniern im Dillenburgiſchen und Siegen’ſchen tief zu Herzen, und der Anfall an die weilburgiſche Linie iſt von vielen damals wohl gar als eine Landes-Calamität betrachtet worden! Es iſt darum eben geradezu unmöglich eine Geſchichte des Herzogthums Naſſau als „naſſauiſche Geſchichte“ zu ſchreiben. Es gibt überhaupt nur eine naſſau-dietziſche, naſſau-weilburgiſche, naſſau-uſingiſche ꝛc. Geſchichte, keine naſſauiſche; wiederum iſt etwa die Geſchichte der Herrſchaft Kirch- heim-Bolanden in der bayeriſchen Rheinpfalz, der Grafſchaft Saar- brücken ꝛc. für die Geſchichte Naſſau’s viel wichtiger als die des jetzt zu Naſſau gehörenden Rheingaues. Ein gutes Theil unſerer Geſchichte ha- ben wir auch in den Niederlanden, ja wohl gar ein Zipfelchen derſelben in Südfrankreich zu ſuchen, und ſo liegt ein großes Bruchſtück unſerer hi- ſtoriſchen Erinnerungen in der That in partibus inſidelium. Da erklärt ſich’s dann leicht wie man zu der theoretiſchen Illuſion kam, aus dem di- plomatiſchen Flickwerk des neuen naſſauiſchen Geſammtſtaates durch eine aufs äußerſte centraliſirte Verwaltung ein ganzes Stück Zeug machen zu wollen. Verſpüren wir doch heute erſt recht was es mit den Länder-Abrundungen aus den Tagen des Wiener-Congreſſes auf ſich hat! Iſt nicht bei der badi- ſchen Bewegung ſofort als ein mahnendes Geſpenſt die Erinnerung an die unnatürliche Zuſammenſtückelung dieſes Länder-Riemens im Hintergrunde aufgeſtiegen, ſo daß die ſchwachen Näthe, mit welchen man das Pfälzer Land an die Markgrafſchaft Baden und dieſe wieder an den vorderöſterrei- chiſchen Breisgau und das Oberland geheftet, augenblicklich zu zerplatzen drohten! Nun höre man aber wie man in Naſſau zu Werke ging um auf ad- miniſtrativem Wege die widerſtrebenden Elemente ineinander zu verſchmel- zen. Den ehemals unter geiſtlicher Herrſchaft geſtandenen Landestheilen ſchnitt man ihr uralt heiliges Herkommen ab, verbot z. B. die Proceſſto- nen, verletzte die katholiſche Bevölkerung durch die Art der Verwendung von allerlei aus den Säculariſationen gefloſſenen Geldern. Um dieſe Gebiete den andern zu aſſimiliren hätte man eben gerade ihren Particula- rismus bis zu einem gewiſſen Punkte gewähren laſſen ſollen. Man cen- traliſtrte die Gemeindeverwaltung, in welcher juſt die örtlichen Verſchie- denheiten die größte Berechtigung hatten, aufs ſtrengſte, konnte es aber nicht einmal dahin bringen daß die Kronthaler und die preußiſchen Thaler in dem kleinen Lande einerlei Curs hatten, indem dieſelben bis vor zwei Jahren nördlich der Lahn um je drei Kreuzer höher verausgabt wurden als ſüdlich dieſes Fluſſes. Das naſſe Maß wechſelt trotz aller Verwal- tungs-Centraliſation durch alle Abſtufungen, und iſt faſt in jedem Städt- chen ein anderes. Noch viel ſchlimmer ſteht es mit dem Fruchtmaß. Statt hier eine ſehr wohlthätige Einigung herbeizuführen, begründete man z. B. eine höchſt überflüſſige Einheit des Kalenders, indem jeder Einwohner gezwungen iſt den ſogenannten Landeskalender zu kaufen, und bis auf dieſen Tag eine Viſitation nach Neujahr von Haus zu Haus geht, um nachzufragen ob man ſeinen Kalender auch richtig gekauft hat! Es bildet einen wahrhaft komiſchen Gegenſatz, wenn man bedenkt daß ſich die Staatsverwaltung ſo viele Mühe gibt ſämmtliche Einwohner nach der nämlichen Kalenderausgabe ihre Zeitrechnung regeln zu laſſen, während ſie auf einem Raume von 82 Quadratmeilen nicht weniger als ſiebzeh-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1850, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine34_1850/11>, abgerufen am 21.11.2024.