Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
Gebietstheiles anbieten möchte, wird kaum irgendwo größere Aner- Oesterreich. -- Wien, 30 Jan. Die Differenz zwischen Handelsmi- ss Wien, 30 Jan. Solange uns die Nordbahn mit ihren Prag, 29 Jan. Man hatte für das Jahr 1850 den Eintritt ei- Oesterreichische Monarchie. Udvarhely, 28 Dec. Von Hermann- [Spaltenumbruch]
Gebietstheiles anbieten möchte, wird kaum irgendwo größere Aner- Oeſterreich. — Wien, 30 Jan. Die Differenz zwiſchen Handelsmi- ss Wien, 30 Jan. Solange uns die Nordbahn mit ihren ♀ Prag, 29 Jan. Man hatte für das Jahr 1850 den Eintritt ei- Oeſterreichiſche Monarchie. Udvarhely, 28 Dec. Von Hermann- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0004" n="532"/><cb/> Gebietstheiles anbieten möchte, wird kaum irgendwo größere Aner-<lb/> kennung finden als in Preußen. Hrn. B. (offenbar iſt Bunſen damit<lb/> gemeint) etwa darum zum Miturheber ſolcher abenteuerlichen Plane zu<lb/> machen, weil er Palmerſtons Freund iſt, iſt ein verfehltes Unternehmen,<lb/> welches an der bekannten patriotiſchen Haltung dieſes. Staatsmannes ſchei-<lb/> tern muß. Ob Hr. v. St. (v. Stockmar in Coburg iſt damit bezeichnet)<lb/> auf eigene Hand ſolche politiſche Ausgeburten producirte, laſſe ich dahin<lb/> geſtellt, jedenfalls würden die deutſchen Regierungen dafür ebenſowenig<lb/> die Verantwortung zu übernehmen haben, wie für die Blittersdorff’ſche<lb/> Thätigkeit in der Oberpoſtamtszeitung. — Unter den Candidaten für Er-<lb/> furt ſteht zunächſt die Wahl des Miniſters v. Manteuffel in einem hieſigen<lb/> Wahlbezirk feſt. In der mecklenburgiſchen Angelegenheit hat die Regie-<lb/> rung durch ihren Commiſſär im betreffenden Ausſchuſſe der erſten Kam-<lb/> mer eine vollſtändige Vorlage aller Actenſtücke verheißen, wodurch wohl<lb/> in der verwickelten Sache manche neue Aufklärung kommen wird. — In<lb/> der ſchleswig’ſchen Angelegenheit iſt beſonders durch v. Radowitz’s Abwe-<lb/> ſenheit in Frankfurt deutſcherſeits ein Stillſtand eingetreten.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#g">Oeſterreich.</hi> </head> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>— <hi rendition="#b">Wien,</hi> 30 Jan.</dateline> <p>Die Differenz zwiſchen Handelsmi-<lb/> niſterium und Handelskammer dauert fort. Letztere hat nunmehr eine einſtim-<lb/> mig angenommene Denkſchrift eingereicht, in welcher ſie, ſich auf das Geſetz<lb/> vom 15 Dec. 1849 ſtützend, ihr Recht der Begutachtung der commerciellen<lb/> Vornahmen des Miniſteriums darzuthun ſich bemüht. Jenes Geſetz aber<lb/> ſtammt aus einer Zeit in welcher Hornboſtl, der jetzige Präſident der Han-<lb/> delskammer, im Miniſterium Doblhoff das Portefeuille des Handels hatte.<lb/> Der Weltgeiſt der damals Politik machte, wenn ſchon <hi rendition="#aq">in decadendo</hi> ſei-<lb/> ner Wirkſamkeit ſich befindend, mag ſich eben nicht beſondere Rechenſchaft<lb/> über die Zweckmäßigkeit derſelben gegeben haben; da es jedoch nicht con-<lb/> ſtitutionell garantirt iſt, ſo wird eine nunmehrige Modification wohl keine<lb/> rechtliche Schwierigkeit haben. In den Kronländern ſollen ſich nur ſehr<lb/> wenige Städte für die Errichtung von Localhandelskammern ausgeſprochen<lb/> haben, und es iſt alſo zu erwarten daß, mit Ausnahme Böhmens, Ungarns<lb/> und der Lombardei, in jedem Kronlande nur eine einzige Handelskammer<lb/> mit mehreren Gewerbsvereinen gebildet wird. Ihre Befugniſſe gegenüber<lb/> der Sphäre des Reichstages bedürfen noch einer beſondern Beſtimmung.<lb/> Dem Handelsminiſterium liegt jetzt ein Plan vor auf der Drau eine<lb/> Dampfſchifffahrt einzurichten; außerdem werden in ihm gegenwärtig Be-<lb/> rathungen wegen Erlaſſung eines Schutzgeſetzes gegen den Mißbrauch der<lb/> Handels- und Fabrikzeichen gepflogen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#aq">ss</hi><hi rendition="#b">Wien,</hi> 30 Jan.</dateline> <p>Solange uns die Nordbahn mit ihren<lb/> Berliner Nachrichten im Stich läßt, fehlt es uns hier an allgemeinen<lb/> politiſchen Stoffen. Unſer Handelsminiſterium, welches ſeine Plane auf<lb/> Deutſchland mit der erwarteten Thätigkeit verfolgt, hat nach Frankfurt<lb/> jetzt ſeine Vorſchläge abgehen laſſen. Es iſt dieß ein Glück für uns die wir<lb/> mit Oeſterreich halten, denn namentlich in letzterer Zeit hat es in der offi-<lb/> ciellen und halbofficiellen Berliner Preſſe nicht an ſpöttiſcher Weisheit ge-<lb/> fehlt, welche den Großdeutſchen einreden wollte daß jene Projecte doch nur<lb/> für die leichtgläubige Gutmüthigkeit erfunden wären. Neuerdings ſind vom<lb/> Handelsminiſterium dem proviſoriſchen Landtagsausſchuß von Kärnthen<lb/> Zuſicherungen ertheilt worden daß mit Beginn der beſſern Jahreszeit Inge-<lb/> nieure in jenes Kronland geſendet werden ſollen, um die Vorarbeiten für<lb/> den Eiſenbahnbau zu betreiben. Ebenſo ſoll man jetzt mit der krakau-ſchle-<lb/> ſiſchen Geſellſchaft wegen Ankauf der Bahn ſich zu einem Abſchluß geeinigt<lb/> haben. Allein alle dieſe Unternehmungen ſtehen den großartigen Planen<lb/> auf den Oſten nach. Es iſt wieder das Banat welches man durch raſche<lb/> Communication näher zu rücken ſuchen wird. Solange man damit nicht<lb/> zu Stande kommt, bleiben auch die Schätze im Oſten noch ungehoben. Es<lb/> iſt merkwürdig wie verſchwenderiſch die Natur jenes kleine Land bedacht<lb/> hat. Nicht allein daß die Cerealien in fabelhafter Fülle gewonnen werden,<lb/> auch ein Kohlenſchatz iſt vorhanden, von deſſen Güte ein Bericht in der<lb/> heutigen Oſtdeutſchen-Poſt behauptet daß die Banater Kohle 95 Procent<lb/> Brennſtoff liefere. Wie ich höre beſteht ſchon jetzt eine ſogenannte Kohlen-<lb/> bahn, allein für größere Entfernungen wird dadurch der Transport nicht<lb/> möglich. Ebenſo iſt es bekannt welche außerordentlichen Waſſerkräfte in<lb/> der Nähe des Banates vorhanden. Welche Lockungen für einſtige Indu-<lb/> ſtrie: wohlfeile Cerealien, wohlfeile Brennſtoffe, Waſſerkraft! Allein ſo-<lb/> lange der Verkehr die Entfernung von dort nach dem Weſten durch techni-<lb/> ſche Mittel nicht abkürzt, bleiben das immer nur goldne Nebelbilder. Es<lb/> iſt ebenſo mit dem Reichthum an Früchten. Während im Banat oft um<lb/> das Zwanzig-, ja Dreißigfache das Getreide gegen die deutſchen Preiſe wohl-<lb/> feiler iſt, muß es doch am Orte verzehrt werden, weil der Transport durch<lb/> das ſtraßenloſe Ungarreich auch jene Wohlfeilheit nicht hinauf zu bringen<lb/> vermag.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>♀ <hi rendition="#b">Prag,</hi> 29 Jan.</dateline> <p>Man hatte für das Jahr 1850 den Eintritt ei-<lb/> ner goldenen Zeit prophezeit; aber die Anzeichen am atmoſphäriſchen und<lb/> politiſchen Himmel ſcheinen eben nicht dafür zu ſprechen. Man erinnert<lb/><cb/> ſich keines ſolchen Temperaturwechſels wie er in den letztvergangenen Ta-<lb/> gen ſtattgefunden. Am 22 Jan. Abends zeigte das Thermometer eine<lb/> Kälte von 23 Graden (ſeit 1775 wurde nur fünfmal ein niedrigerer Stand<lb/> beobachtet); Tags darauf war bereits eine Wärme von 4 Graden, und ſo<lb/> wechſelt fortwährend Kälte und Thauwetter. Kein Wunder daß Krank-<lb/> heiten überhand nehmen. Die Cholera erhält ſich in gleichem. In der<lb/> letzten Woche bis 27 waren 14 neue Erkrankungen und 3 Todesfälle. Die<lb/> Poſten, beſonders die von Wien, kommen höchſt unregelmäßig an. Eine<lb/> Anzahl conſervativ geſinnter Bürger hat für den Feldmarſchall Fürſten<lb/> Windiſch-Grätz einen goldnen Lorbeerkranz verfertigen und vor einigen Ta-<lb/> gen durch eine Deputation ſammt einer Dankadreſſe überreichen laſſen.<lb/> Der Fürſt äußerte bei dieſer Gelegenheit daß man drei Claſſen von Per-<lb/> ſonen annehmen könne: die Wohlgeſinnten die mit der Regierung Hand<lb/> in Hand gehen, dann ſolche die im Urſprung der Bewegung getäuſcht,<lb/> mitunter rechtliche Abſichten gehabt hätten, jedoch von der Umſturzpartei<lb/> benützt worden, und endlich jene denen jede Form nur zum Vorwand für<lb/> Communismus diene um Auflöſung des geſellſchaftlichen Zuſtands her-<lb/> beizuführen. Vorgeſtern war die Deputation beim Fürſten zur Tafel ge-<lb/> laden. Geſtern wurde derſelbe vom Miniſterium nach Wien berufen.<lb/> Cardinal Fürſt Schwarzenberg ward zum Prager Erzbiſchof ernannt. Er<lb/> hat dieſe Ernennung nur unter der Bedingung angenommen daß der Papſt<lb/> ſie wünſche, und der letztere hat dieſen Wunſch in einem eigenen Schrei-<lb/> ben an ihn ausgedrückt. Die von den Zeitungen gebrachte Nachricht, daß<lb/> er nur unter der Bedingung annehme wenn die von der Wiener Verſamm-<lb/> lung der Biſchöfe gefaßten Beſchlüſſe von der Regierung realiſirt würden,<lb/> iſt falſch. Geſtern machte der Bürgermeiſter bekannt daß der Hr. Statt-<lb/> halter ihn mittelſt Decrets vom 23 zur Vornahme der Conſcription er-<lb/> mächtige, welche daher am 28 beginnen werde. Es ſcheint ſonach daß die<lb/> von den Stadtverordneten früher anberaumte Conſcription ungültig war,<lb/> weil ſie um die Erlaubniß zur Vornahme nicht angeſucht hatten. Ge-<lb/> ſtern ſollte eine Verſammlung derſelben ſtattſinden, welche aber wegen<lb/> Mangel der beſchlußfähigen Anzahl nicht zu Stande kam. Es ſcheint daß<lb/> die Tage unſerer Stadtverordneten gezählt ſind. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Dr.</hi></hi> J. Hoffmeiſter ſoll<lb/> von der Regierung zum Staatsprocurator für Böhmen ernannt ſeyn.<lb/> In zwei hieſigen Fabriken, und ſo auch zu Leippa und in andern deutſch-<lb/> böhmiſchen Städten, haben die Kattundrucker die Arbeit verweigert bis ſie<lb/> einen höhern Lohn bekämen. Geſtern war hier eine Verſammlung der<lb/> geachtetſten Induſtriellen Böhmens wegen der Zolleinigungsfrage. Man<lb/> ſagt im Publicum daß es mit der Sache der im Mai von der Militär-<lb/> behörde Verhafteten ſchlimm ſtehen ſoll. Viele von ihnen dürften wohl<lb/> nur verführt worden ſeyn. Trotz aller politiſchen Ereigniſſe hat die<lb/> Tanzluſt in Prag nicht abgenommen; denn für den vergangenen Samſtag<lb/> waren 400 Hausbälle bei der Polizei angemeldet. Man hört noch nicht<lb/> ob Hawlitſchek ſeinen Entſchluß, die Nar. Now. in Brünn herauszuge-<lb/> ben, ausführen werde. Auch die „Union“ hat kürzlich von unſerm Com-<lb/> mandirenden eine Mahnung zur Mäßigung erhalten.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſche Monarchie.</hi> </head> <byline>(Corrſp. der <hi rendition="#g">Times.</hi>)</byline><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline><hi rendition="#b">Udvarhely,</hi> 28 Dec.</dateline> <p>Von Hermann-<lb/> ſtadt nahm ich die Richtung durch das Szeklerland, welches den öſtlich-<lb/> ſten an die Moldau angränzenden Theil Siebenbürgens bildet. Mein<lb/> Reiſezweck war ein zweifacher: ich wollte dieſes <hi rendition="#aq">„genus hominum bel-<lb/> licosissimum et ferocissimum“</hi> kennen lernen; und zweitens die Stel-<lb/> lungen längs der Stromlinie des Kokok unterſuchen die der Hauptkriegs-<lb/> ſchauplatz in Siebenbürgen geweſen, ſowohl während der anfänglichen<lb/> Erfolge Bems wie nach dem Eindringen der Ruſſen ins Land. Meine<lb/> erſte Tagreiſe ging bis Mediaſch, zu welcher auf der Karte kurzen<lb/> Strecke vier ſtarke Pferde von 4 Uhr Morgens bis Abends 6 Uhr brauch-<lb/> ten, da Thauwetter eingefallen war, und die Straßen durch die vielen<lb/> Geſchütztransporte ſehr gelitten haben. Der Weg führt durch das Sach-<lb/> ſenland, und alle ein oder zwei Stunden kamen wir an ein Dorf dieſer<lb/> Nation, welche in dieſer Richtung theilweiſe mit der daco-romaniſchen<lb/> Bevölkerung untermiſcht wohnt; Magyaren gibt es hier wenig oder gar<lb/> keine. Der größte Theil der Gegend trägt die Spuren der vorjährigen<lb/> Kämpfe. Daß dieſe Sachſenorte ſo hitzig umſtritten wurden, davon liegt zu-<lb/> nächſt der Grund in ihrer eigenthümlichen Bauart. Sie ſind meiſt auf An-<lb/> höhen erbaut, und haben noch aus dem Mittelalter her ihre urſprüngli-<lb/> chen Ringmauern, Thürme und umwallte Kirchen, ſo daß ſich in einer<lb/> ſolchen dörflichen Feſtung ein Bataillon Infanterie wohl gegen den<lb/> Handſtreich einer ebenſo kleinen Streitmacht halten kann, wenn ſchon der<lb/> Platz einem Artillerie-Angriff nicht zu widerſtehen vermag. Das Sach-<lb/> ſenland bildet einen völligen Contraſt gegen die ungariſchen Städte, wo<lb/> die friſche Einſtrömung deutſcher Gewerbsleute ganze den deutſchen<lb/> Städten in andern Theilen der Monarchie ähnliche Quartiere geſchaffen<lb/> hat. Eine andere Urſache warum die ſächſiſchen Städte und Dörfer,<lb/> trotz ihres Fleißes, ſo geringen Fortſchritt in Bevölkerung und neuerer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [532/0004]
Gebietstheiles anbieten möchte, wird kaum irgendwo größere Aner-
kennung finden als in Preußen. Hrn. B. (offenbar iſt Bunſen damit
gemeint) etwa darum zum Miturheber ſolcher abenteuerlichen Plane zu
machen, weil er Palmerſtons Freund iſt, iſt ein verfehltes Unternehmen,
welches an der bekannten patriotiſchen Haltung dieſes. Staatsmannes ſchei-
tern muß. Ob Hr. v. St. (v. Stockmar in Coburg iſt damit bezeichnet)
auf eigene Hand ſolche politiſche Ausgeburten producirte, laſſe ich dahin
geſtellt, jedenfalls würden die deutſchen Regierungen dafür ebenſowenig
die Verantwortung zu übernehmen haben, wie für die Blittersdorff’ſche
Thätigkeit in der Oberpoſtamtszeitung. — Unter den Candidaten für Er-
furt ſteht zunächſt die Wahl des Miniſters v. Manteuffel in einem hieſigen
Wahlbezirk feſt. In der mecklenburgiſchen Angelegenheit hat die Regie-
rung durch ihren Commiſſär im betreffenden Ausſchuſſe der erſten Kam-
mer eine vollſtändige Vorlage aller Actenſtücke verheißen, wodurch wohl
in der verwickelten Sache manche neue Aufklärung kommen wird. — In
der ſchleswig’ſchen Angelegenheit iſt beſonders durch v. Radowitz’s Abwe-
ſenheit in Frankfurt deutſcherſeits ein Stillſtand eingetreten.
Oeſterreich.— Wien, 30 Jan. Die Differenz zwiſchen Handelsmi-
niſterium und Handelskammer dauert fort. Letztere hat nunmehr eine einſtim-
mig angenommene Denkſchrift eingereicht, in welcher ſie, ſich auf das Geſetz
vom 15 Dec. 1849 ſtützend, ihr Recht der Begutachtung der commerciellen
Vornahmen des Miniſteriums darzuthun ſich bemüht. Jenes Geſetz aber
ſtammt aus einer Zeit in welcher Hornboſtl, der jetzige Präſident der Han-
delskammer, im Miniſterium Doblhoff das Portefeuille des Handels hatte.
Der Weltgeiſt der damals Politik machte, wenn ſchon in decadendo ſei-
ner Wirkſamkeit ſich befindend, mag ſich eben nicht beſondere Rechenſchaft
über die Zweckmäßigkeit derſelben gegeben haben; da es jedoch nicht con-
ſtitutionell garantirt iſt, ſo wird eine nunmehrige Modification wohl keine
rechtliche Schwierigkeit haben. In den Kronländern ſollen ſich nur ſehr
wenige Städte für die Errichtung von Localhandelskammern ausgeſprochen
haben, und es iſt alſo zu erwarten daß, mit Ausnahme Böhmens, Ungarns
und der Lombardei, in jedem Kronlande nur eine einzige Handelskammer
mit mehreren Gewerbsvereinen gebildet wird. Ihre Befugniſſe gegenüber
der Sphäre des Reichstages bedürfen noch einer beſondern Beſtimmung.
Dem Handelsminiſterium liegt jetzt ein Plan vor auf der Drau eine
Dampfſchifffahrt einzurichten; außerdem werden in ihm gegenwärtig Be-
rathungen wegen Erlaſſung eines Schutzgeſetzes gegen den Mißbrauch der
Handels- und Fabrikzeichen gepflogen.
ss Wien, 30 Jan. Solange uns die Nordbahn mit ihren
Berliner Nachrichten im Stich läßt, fehlt es uns hier an allgemeinen
politiſchen Stoffen. Unſer Handelsminiſterium, welches ſeine Plane auf
Deutſchland mit der erwarteten Thätigkeit verfolgt, hat nach Frankfurt
jetzt ſeine Vorſchläge abgehen laſſen. Es iſt dieß ein Glück für uns die wir
mit Oeſterreich halten, denn namentlich in letzterer Zeit hat es in der offi-
ciellen und halbofficiellen Berliner Preſſe nicht an ſpöttiſcher Weisheit ge-
fehlt, welche den Großdeutſchen einreden wollte daß jene Projecte doch nur
für die leichtgläubige Gutmüthigkeit erfunden wären. Neuerdings ſind vom
Handelsminiſterium dem proviſoriſchen Landtagsausſchuß von Kärnthen
Zuſicherungen ertheilt worden daß mit Beginn der beſſern Jahreszeit Inge-
nieure in jenes Kronland geſendet werden ſollen, um die Vorarbeiten für
den Eiſenbahnbau zu betreiben. Ebenſo ſoll man jetzt mit der krakau-ſchle-
ſiſchen Geſellſchaft wegen Ankauf der Bahn ſich zu einem Abſchluß geeinigt
haben. Allein alle dieſe Unternehmungen ſtehen den großartigen Planen
auf den Oſten nach. Es iſt wieder das Banat welches man durch raſche
Communication näher zu rücken ſuchen wird. Solange man damit nicht
zu Stande kommt, bleiben auch die Schätze im Oſten noch ungehoben. Es
iſt merkwürdig wie verſchwenderiſch die Natur jenes kleine Land bedacht
hat. Nicht allein daß die Cerealien in fabelhafter Fülle gewonnen werden,
auch ein Kohlenſchatz iſt vorhanden, von deſſen Güte ein Bericht in der
heutigen Oſtdeutſchen-Poſt behauptet daß die Banater Kohle 95 Procent
Brennſtoff liefere. Wie ich höre beſteht ſchon jetzt eine ſogenannte Kohlen-
bahn, allein für größere Entfernungen wird dadurch der Transport nicht
möglich. Ebenſo iſt es bekannt welche außerordentlichen Waſſerkräfte in
der Nähe des Banates vorhanden. Welche Lockungen für einſtige Indu-
ſtrie: wohlfeile Cerealien, wohlfeile Brennſtoffe, Waſſerkraft! Allein ſo-
lange der Verkehr die Entfernung von dort nach dem Weſten durch techni-
ſche Mittel nicht abkürzt, bleiben das immer nur goldne Nebelbilder. Es
iſt ebenſo mit dem Reichthum an Früchten. Während im Banat oft um
das Zwanzig-, ja Dreißigfache das Getreide gegen die deutſchen Preiſe wohl-
feiler iſt, muß es doch am Orte verzehrt werden, weil der Transport durch
das ſtraßenloſe Ungarreich auch jene Wohlfeilheit nicht hinauf zu bringen
vermag.
♀ Prag, 29 Jan. Man hatte für das Jahr 1850 den Eintritt ei-
ner goldenen Zeit prophezeit; aber die Anzeichen am atmoſphäriſchen und
politiſchen Himmel ſcheinen eben nicht dafür zu ſprechen. Man erinnert
ſich keines ſolchen Temperaturwechſels wie er in den letztvergangenen Ta-
gen ſtattgefunden. Am 22 Jan. Abends zeigte das Thermometer eine
Kälte von 23 Graden (ſeit 1775 wurde nur fünfmal ein niedrigerer Stand
beobachtet); Tags darauf war bereits eine Wärme von 4 Graden, und ſo
wechſelt fortwährend Kälte und Thauwetter. Kein Wunder daß Krank-
heiten überhand nehmen. Die Cholera erhält ſich in gleichem. In der
letzten Woche bis 27 waren 14 neue Erkrankungen und 3 Todesfälle. Die
Poſten, beſonders die von Wien, kommen höchſt unregelmäßig an. Eine
Anzahl conſervativ geſinnter Bürger hat für den Feldmarſchall Fürſten
Windiſch-Grätz einen goldnen Lorbeerkranz verfertigen und vor einigen Ta-
gen durch eine Deputation ſammt einer Dankadreſſe überreichen laſſen.
Der Fürſt äußerte bei dieſer Gelegenheit daß man drei Claſſen von Per-
ſonen annehmen könne: die Wohlgeſinnten die mit der Regierung Hand
in Hand gehen, dann ſolche die im Urſprung der Bewegung getäuſcht,
mitunter rechtliche Abſichten gehabt hätten, jedoch von der Umſturzpartei
benützt worden, und endlich jene denen jede Form nur zum Vorwand für
Communismus diene um Auflöſung des geſellſchaftlichen Zuſtands her-
beizuführen. Vorgeſtern war die Deputation beim Fürſten zur Tafel ge-
laden. Geſtern wurde derſelbe vom Miniſterium nach Wien berufen.
Cardinal Fürſt Schwarzenberg ward zum Prager Erzbiſchof ernannt. Er
hat dieſe Ernennung nur unter der Bedingung angenommen daß der Papſt
ſie wünſche, und der letztere hat dieſen Wunſch in einem eigenen Schrei-
ben an ihn ausgedrückt. Die von den Zeitungen gebrachte Nachricht, daß
er nur unter der Bedingung annehme wenn die von der Wiener Verſamm-
lung der Biſchöfe gefaßten Beſchlüſſe von der Regierung realiſirt würden,
iſt falſch. Geſtern machte der Bürgermeiſter bekannt daß der Hr. Statt-
halter ihn mittelſt Decrets vom 23 zur Vornahme der Conſcription er-
mächtige, welche daher am 28 beginnen werde. Es ſcheint ſonach daß die
von den Stadtverordneten früher anberaumte Conſcription ungültig war,
weil ſie um die Erlaubniß zur Vornahme nicht angeſucht hatten. Ge-
ſtern ſollte eine Verſammlung derſelben ſtattſinden, welche aber wegen
Mangel der beſchlußfähigen Anzahl nicht zu Stande kam. Es ſcheint daß
die Tage unſerer Stadtverordneten gezählt ſind. Dr. J. Hoffmeiſter ſoll
von der Regierung zum Staatsprocurator für Böhmen ernannt ſeyn.
In zwei hieſigen Fabriken, und ſo auch zu Leippa und in andern deutſch-
böhmiſchen Städten, haben die Kattundrucker die Arbeit verweigert bis ſie
einen höhern Lohn bekämen. Geſtern war hier eine Verſammlung der
geachtetſten Induſtriellen Böhmens wegen der Zolleinigungsfrage. Man
ſagt im Publicum daß es mit der Sache der im Mai von der Militär-
behörde Verhafteten ſchlimm ſtehen ſoll. Viele von ihnen dürften wohl
nur verführt worden ſeyn. Trotz aller politiſchen Ereigniſſe hat die
Tanzluſt in Prag nicht abgenommen; denn für den vergangenen Samſtag
waren 400 Hausbälle bei der Polizei angemeldet. Man hört noch nicht
ob Hawlitſchek ſeinen Entſchluß, die Nar. Now. in Brünn herauszuge-
ben, ausführen werde. Auch die „Union“ hat kürzlich von unſerm Com-
mandirenden eine Mahnung zur Mäßigung erhalten.
Oeſterreichiſche Monarchie.(Corrſp. der Times.)
Udvarhely, 28 Dec. Von Hermann-
ſtadt nahm ich die Richtung durch das Szeklerland, welches den öſtlich-
ſten an die Moldau angränzenden Theil Siebenbürgens bildet. Mein
Reiſezweck war ein zweifacher: ich wollte dieſes „genus hominum bel-
licosissimum et ferocissimum“ kennen lernen; und zweitens die Stel-
lungen längs der Stromlinie des Kokok unterſuchen die der Hauptkriegs-
ſchauplatz in Siebenbürgen geweſen, ſowohl während der anfänglichen
Erfolge Bems wie nach dem Eindringen der Ruſſen ins Land. Meine
erſte Tagreiſe ging bis Mediaſch, zu welcher auf der Karte kurzen
Strecke vier ſtarke Pferde von 4 Uhr Morgens bis Abends 6 Uhr brauch-
ten, da Thauwetter eingefallen war, und die Straßen durch die vielen
Geſchütztransporte ſehr gelitten haben. Der Weg führt durch das Sach-
ſenland, und alle ein oder zwei Stunden kamen wir an ein Dorf dieſer
Nation, welche in dieſer Richtung theilweiſe mit der daco-romaniſchen
Bevölkerung untermiſcht wohnt; Magyaren gibt es hier wenig oder gar
keine. Der größte Theil der Gegend trägt die Spuren der vorjährigen
Kämpfe. Daß dieſe Sachſenorte ſo hitzig umſtritten wurden, davon liegt zu-
nächſt der Grund in ihrer eigenthümlichen Bauart. Sie ſind meiſt auf An-
höhen erbaut, und haben noch aus dem Mittelalter her ihre urſprüngli-
chen Ringmauern, Thürme und umwallte Kirchen, ſo daß ſich in einer
ſolchen dörflichen Feſtung ein Bataillon Infanterie wohl gegen den
Handſtreich einer ebenſo kleinen Streitmacht halten kann, wenn ſchon der
Platz einem Artillerie-Angriff nicht zu widerſtehen vermag. Das Sach-
ſenland bildet einen völligen Contraſt gegen die ungariſchen Städte, wo
die friſche Einſtrömung deutſcher Gewerbsleute ganze den deutſchen
Städten in andern Theilen der Monarchie ähnliche Quartiere geſchaffen
hat. Eine andere Urſache warum die ſächſiſchen Städte und Dörfer,
trotz ihres Fleißes, ſo geringen Fortſchritt in Bevölkerung und neuerer
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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