Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
so müssen wir die Gleichstellung der drei darunter verstandenen Religio- * Dresden, 31 Jan. Tageslöwe war gestern der "Prophet," und Preußen.Berlin, 30 Jan. Nach dem Preuß. Staatsa. Berlin, 30 Jan. Die erste Kammer ist in der gestrigen Abend- l Berlin, 30 Jan. Ihr Pariser t Artikel vom 16 Jan., welcher *) Die ruffische Diplomatie, im allgemeinen nicht die welche am schlechtestne
unterrichtet ist, braucht sonst fremder Beihülfe nicht. [Spaltenumbruch]
ſo müſſen wir die Gleichſtellung der drei darunter verſtandenen Religio- * Dresden, 31 Jan. Tageslöwe war geſtern der „Prophet,“ und Preußen.Berlin, 30 Jan. Nach dem Preuß. Staatsa. ☿ Berlin, 30 Jan. Die erſte Kammer iſt in der geſtrigen Abend- ⠇ Berlin, 30 Jan. Ihr Pariſer t Artikel vom 16 Jan., welcher *) Die ruffiſche Diplomatie, im allgemeinen nicht die welche am ſchlechteſtne
unterrichtet iſt, braucht ſonſt fremder Beihülfe nicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jFeuilleton" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0003" n="531"/><cb/> ſo müſſen wir die Gleichſtellung der drei darunter verſtandenen Religio-<lb/> nen ſogar ein entſcheidendes Unrecht, eine Verkennung der Wahrheit<lb/> nennen, doch aber auch mit Leſſing’s eigenen Worten hinzufügen: <hi rendition="#g">„Nicht<lb/> die Wahrheit, in deren Beſitz ein Menſch iſt oder zu ſeyn<lb/> vermeint, ſondern die aufrichtige Mühe die er ange-<lb/> wandt hat hinter die Wahrheit zu kommen, macht den<lb/> Werth des Menſchen.“</hi> Und das iſt’s wodurch wir zumeiſt Leſ-<lb/> ſing’s Andenken ehren, daß wir uns durchglühen laſſen von ſeinem auf-<lb/> richtigen und raſtloſen Streben nach Wahrheit. In einer Zeit wie der<lb/> unſerigen ſey dieß nicht bloß im Hinblick auf unſern ſpeciellen Glauben ge-<lb/> ſagt, ſondern auf unſer Glaubens<hi rendition="#g">leben</hi> im allgemeinen, wie es ſich nach<lb/> allen Seiten hin im Kampfe mit der Unwahrheit bethätigen ſoll. Was<lb/> ſchließlich die heutige Aufführung betrifft, ſo reiht ſich dieſelbe würdig<lb/> dem vortrefflichſten an was unſere Bühne uns gegenwärtig in der Gat-<lb/> tung des Trauer- und Schauſpieles ſo reichlich bietet. Wie Profeſſor<lb/><hi rendition="#g">Rietſchel</hi> uns vor Monden die äußere Geſtalt des großen Denkers in<lb/> herrlichem Modell zur Anſchauung gebracht, ſo enthüllte Hr. <hi rendition="#g">Eduard<lb/> Devrient</hi> als Nathan die Innenſeite desſelben in vorzüglich gelunge-<lb/> nem, durch reichen Applaus und Hervorruf gekröntem Spiele. 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M. in Scene gehende <hi rendition="#g">„Prophet“</hi> gegenwärtig<lb/> aller Erwartungen. <hi rendition="#g">Meyerbeer,</hi> der ſeit einiger Zeit unter uns weilt,<lb/> wohnt ſämmtlichen Proben bei, die mit regſtem Eifer von allen Mitwir-<lb/> kenden betrieben werden, ſo daß zur Zeit kaum irgendwo in Deutſchland<lb/> eine ſo glänzende Darſtellung des genannten Tonwerkes wie auf unſerer<lb/> Hofbühne erwartet werden dürfte. Die ſceniſche Ausſtattung iſt über-<lb/> aus reich, und ein Theil der Decorationen und Coſtüme in Paris<lb/> gefertigt.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Dresden,</hi> 31 Jan.</dateline> <p>Tageslöwe war geſtern der „Prophet,“ und<lb/> während dieſer erſten Vorſtellung ſein Maeſtro. Giacomo Meyerbeer<lb/> verweilt bereits ſeit einigen Wochen hier, und Studium, Scenirung<lb/> und Erfolg ſeiner Oper unter den Augen zu haben. Von hier wird er<lb/> nach Wien und von dort nach Berlin gehen, und ſo die Runde durch<lb/> Deutſchland im Propheten „machen“. Bei uns iſt die äußere Ausſtat-<lb/> tung der Oper mit Glanz und Geſchmack erfolgt, da eigens deßhalb der<lb/> Generalintendant der Hofbühne nach Paris gereist war. Winterſonnen-<lb/> aufgang, Schlittſchuhlauferballet, Dom und Prunkſaal, die tiefgrei-<lb/> ſenden Effecte des vierten Actes verfehlten ihre Wirkung nicht, und<lb/> mit wahrhaft wiedertäuferiſchem Enthuſiasmus ward dem Tondichter<lb/> rauſchender Beifall gezollt; nur klang dabei das linke Ohr von H. Heine’s<lb/> Antiſtrophen. Die erſten Acte in denen die drei anabaptiſtiſchen Demo-<lb/> ſoc’s wiegeln und wühlen, wollten nicht ganz zeitgemäß erſcheinen;<lb/> doch ſchützt uns ja noch der Belagerungszuſtand.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Preußen.</hi> </head> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 30 Jan.</dateline> <p>Nach dem <hi rendition="#g">Preuß. Staatsa.</hi><lb/> iſt Graf v. Galen zum außerordentlichen Geſandten und bevollmächtigten<lb/> Miniſter nicht bloß für Sachſen, ſondern auch bei den thüringiſchen<lb/> Staaten ernannt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>☿ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 30 Jan.</dateline> <p>Die erſte Kammer iſt in der geſtrigen Abend-<lb/> ſitzung, die von 7 bis 1½ Uhr dauerte, nach einander allen Beſchlüſſen<lb/> der zweiten beigetreten. 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Stahl kommt ſeinem Parteigenoſſen zu Hülfe,<lb/><cb/> indem er bemerkt, es ſey in Art. 108 ausgeſprochen daß ein Eid auf die<lb/> Verfaſſung einen Eid auf alles im Staate geltende Recht einſchließe. Der<lb/> Abgeordnete (Domherr) Ritter erklärt, er müſſe ſich und ſeine Meinungs-<lb/> genoſſen gegen alles verwahren woraus gegen das Recht der katholiſchen<lb/> Kirche Conſequenzen gezogen werden könnten! Der Cultusminiſter ent-<lb/> gegnet, er könne nicht zugeben daß der Redner im Namen der katholiſchen<lb/> Staatsangehörigen gleichſam Proteſt einlege. Ritter erklärt hierauf, er<lb/> habe nur ſeine <hi rendition="#g">politiſchen</hi> Meinungsgenoſſen im Sinne gehabt! Der<lb/> Art. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">XIV</hi></hi> wird mit großer Majorität angenommen. Bei Art. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">VIII</hi></hi> erklärt<lb/> ſich Stahl im Namen ſeiner Parteigenoſſen gegen das aufſchiebende Arnim-<lb/> ſche Amendement. 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Wir haben ſchon viel Gold hineingeworfen, und jetzt ſollen<lb/> wir auch noch unſer letztes, lauterſtes Gold hineinthun, um die Geiſter zu<lb/> bannen die um den Keſſel lagern: unſre politiſche Ueberzeugung. Und<lb/> wird dann wirklich die Beſchwörungsformel gefunden ſeyn, die den Teufels-<lb/> ſpuk endlich bannt? Das ſteht noch in Frage und ich wünſchte darüber<lb/> eine Verſicherung vom Miniſtertiſch zu hören.“ Der Miniſter des Innern<lb/> antwortet: die Verſicherung daß die Beſchwörung der Verfaſſung erfolgen<lb/> werde, ſey ſchon im Ausſchuß gegeben; ſie ſeyen gewohnt eine Sache nur<lb/> einmal zu verſichern. Der Beſchluß der zweiten Kammer wird mit 97 gegen<lb/> 60 Stimmen angenommen. Sieben Abgeordnete enthalten ſich der Ab-<lb/> ſtimmung. Bei Gelegenheit des Art. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">VII</hi></hi> bemerkt der Miniſter des Innern:<lb/> es würde im Intereſſe der Wahrheit liegen den Artikel in die Verfaſſung<lb/> aufzunehmen, weil ſonſt der Verfaſſung mehr oder minder würde Gewalt<lb/> angethan werden müſſen, um den großen Grundbeſitz zuſammenzuhalten!<lb/> Wenn man die Fideicommiſſe hinlänglich beſchränke, ſo würde das Miß-<lb/> trauen dagegen ſchwinden. Die Kammer lehnt zuerſt einen Antrag von<lb/> Jordan mit 97 gegen 64 und hierauf den Artikel ſelbſt mit 94 gegen 65<lb/> Stimmen ab. 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Nicht als ob man nicht<lb/> erkannte daß Animoſität gegen Lord Palmerſton die Hauptnahrungsquelle<lb/> für den nicht abreißenden Faden von Verdächtigungen iſt, in deren Bereich<lb/> Preußen immer mit hineingezogen wird, <hi rendition="#g">ſondern weil von Wien aus<lb/> am Petersburger Hofe</hi> — Sie werden vielleicht zweifeln und doch iſt<lb/> es Thatſache — <hi rendition="#g">ein wirklicher Erfolg mit dieſer vorgeblichen<lb/> Tripelallianz erzielt worden</hi><note place="foot" n="*)">Die ruffiſche Diplomatie, im allgemeinen nicht die welche am ſchlechteſtne<lb/> unterrichtet iſt, braucht ſonſt fremder Beihülfe nicht.</note>, und die Sage davon, ſo unglaub-<lb/> lich es ſcheint, dort auf fruchtbaren Boden gefallen iſt. Ob Lord Nor-<lb/> manby im Nov. v. 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Aber wenn Lord Normanby ein ſolches Pro-<lb/> ject hatte, <hi rendition="#g">ſo iſt hier doch nichts davon verlautbart,</hi> und Ihre dan-<lb/> kenswerthe Randbemerkung, daß es gewiß keinen deutſchen Staatsmann<lb/> gebe welcher den Franzoſen die Abtretung auch nur des kleinſten deutſchen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [531/0003]
ſo müſſen wir die Gleichſtellung der drei darunter verſtandenen Religio-
nen ſogar ein entſcheidendes Unrecht, eine Verkennung der Wahrheit
nennen, doch aber auch mit Leſſing’s eigenen Worten hinzufügen: „Nicht
die Wahrheit, in deren Beſitz ein Menſch iſt oder zu ſeyn
vermeint, ſondern die aufrichtige Mühe die er ange-
wandt hat hinter die Wahrheit zu kommen, macht den
Werth des Menſchen.“ Und das iſt’s wodurch wir zumeiſt Leſ-
ſing’s Andenken ehren, daß wir uns durchglühen laſſen von ſeinem auf-
richtigen und raſtloſen Streben nach Wahrheit. In einer Zeit wie der
unſerigen ſey dieß nicht bloß im Hinblick auf unſern ſpeciellen Glauben ge-
ſagt, ſondern auf unſer Glaubensleben im allgemeinen, wie es ſich nach
allen Seiten hin im Kampfe mit der Unwahrheit bethätigen ſoll. Was
ſchließlich die heutige Aufführung betrifft, ſo reiht ſich dieſelbe würdig
dem vortrefflichſten an was unſere Bühne uns gegenwärtig in der Gat-
tung des Trauer- und Schauſpieles ſo reichlich bietet. Wie Profeſſor
Rietſchel uns vor Monden die äußere Geſtalt des großen Denkers in
herrlichem Modell zur Anſchauung gebracht, ſo enthüllte Hr. Eduard
Devrient als Nathan die Innenſeite desſelben in vorzüglich gelunge-
nem, durch reichen Applaus und Hervorruf gekröntem Spiele. Frau
Baier-Bürk errang als Recha gewohnte Lorbeeren, während Hr.
Porth als Derwiſch noch beſonders rühmend zu erwähnen iſt. Auf
den ungewöhnlichen Aufſchwung welchen unſer Schau- und Trauerſpiel
ſeit Bekämpfung des Maiaufſtandes genommen, näher einzugehen und
deſſen Gründe nachzuweiſen, bleibt vielleicht einem folgenden Berichte
aufbehalten. Segen über ein Kunſtinſtitut das ſo treffliche Früchte
reift und Blüthen zu immer neuen entwickelt! — Was die Oper anlangt,
ſo ſpannt der am 30 d. M. in Scene gehende „Prophet“ gegenwärtig
aller Erwartungen. Meyerbeer, der ſeit einiger Zeit unter uns weilt,
wohnt ſämmtlichen Proben bei, die mit regſtem Eifer von allen Mitwir-
kenden betrieben werden, ſo daß zur Zeit kaum irgendwo in Deutſchland
eine ſo glänzende Darſtellung des genannten Tonwerkes wie auf unſerer
Hofbühne erwartet werden dürfte. Die ſceniſche Ausſtattung iſt über-
aus reich, und ein Theil der Decorationen und Coſtüme in Paris
gefertigt.
* Dresden, 31 Jan. Tageslöwe war geſtern der „Prophet,“ und
während dieſer erſten Vorſtellung ſein Maeſtro. Giacomo Meyerbeer
verweilt bereits ſeit einigen Wochen hier, und Studium, Scenirung
und Erfolg ſeiner Oper unter den Augen zu haben. Von hier wird er
nach Wien und von dort nach Berlin gehen, und ſo die Runde durch
Deutſchland im Propheten „machen“. Bei uns iſt die äußere Ausſtat-
tung der Oper mit Glanz und Geſchmack erfolgt, da eigens deßhalb der
Generalintendant der Hofbühne nach Paris gereist war. Winterſonnen-
aufgang, Schlittſchuhlauferballet, Dom und Prunkſaal, die tiefgrei-
ſenden Effecte des vierten Actes verfehlten ihre Wirkung nicht, und
mit wahrhaft wiedertäuferiſchem Enthuſiasmus ward dem Tondichter
rauſchender Beifall gezollt; nur klang dabei das linke Ohr von H. Heine’s
Antiſtrophen. Die erſten Acte in denen die drei anabaptiſtiſchen Demo-
ſoc’s wiegeln und wühlen, wollten nicht ganz zeitgemäß erſcheinen;
doch ſchützt uns ja noch der Belagerungszuſtand.
Preußen.Berlin, 30 Jan. Nach dem Preuß. Staatsa.
iſt Graf v. Galen zum außerordentlichen Geſandten und bevollmächtigten
Miniſter nicht bloß für Sachſen, ſondern auch bei den thüringiſchen
Staaten ernannt.
☿ Berlin, 30 Jan. Die erſte Kammer iſt in der geſtrigen Abend-
ſitzung, die von 7 bis 1½ Uhr dauerte, nach einander allen Beſchlüſſen
der zweiten beigetreten. Erwähnenswerthe Erörterungen riefen nur die
Art. XIII (Prüfung der Verordnungen nach ihrer Rechtsgültigkeit),
Art. XIV (Vereidigung auf die Verfaſſung), Art. VIII (Pairie) und
Art. VII (Fideicommiſſe) hervor. Gegen Art. XIII erklärt ſich nament-
lich Hanſemann, weil das Recht des Volkes dadurch gekränkt, die conſti-
tutionelle Freiheit bedroht werde. Die Gerichte würden ſich an die Ver-
ordnungen der Regierungen halten müſſen und die Kammern hätten kein
Mittel dagegen. Der Juſtizminiſter ſieht in der Prüfung durch die Kam-
mern eben die beſte Garantie, und macht darauf auſmerkſam daß gegen Ver-
faſſungsverletzungen der Weg in der Verfaſſung ſelbſt vorgezeichnet ſey.
Die Kammer genehmigt den Artikel mit 76 gegen 44 Stimmen. Bei Ge-
legenheit des Art. XIV erklärt Hr. v. Gerlach, er verſtehe unter dem Eid
auf die Verfaſſung nur einen Eid auf das ganze im Staate beſtehende
Recht. So werde auch er die Verfaſſung beſchwören; und wer etwas da-
gegen habe, möge ſich höhern Orts oder auf dieſer Tribüne melden. (Lautes
Gelächter). Camphauſen bemerkt hierauf unter großem Beifall: wenn Hr.
v. Gerlach ſeinem Eide nicht die wahre Bedeutung beilegen werde, ſo werde
er ſchon erfahren was ein Eid bedeute! Ebenſo Graf Helldorf: ein Eid
auf die Verfaſſung müſſe offen und ehrlich, ohne jeſuitiſche reservatio
mentalis geleiſtet werden. Stahl kommt ſeinem Parteigenoſſen zu Hülfe,
indem er bemerkt, es ſey in Art. 108 ausgeſprochen daß ein Eid auf die
Verfaſſung einen Eid auf alles im Staate geltende Recht einſchließe. Der
Abgeordnete (Domherr) Ritter erklärt, er müſſe ſich und ſeine Meinungs-
genoſſen gegen alles verwahren woraus gegen das Recht der katholiſchen
Kirche Conſequenzen gezogen werden könnten! Der Cultusminiſter ent-
gegnet, er könne nicht zugeben daß der Redner im Namen der katholiſchen
Staatsangehörigen gleichſam Proteſt einlege. Ritter erklärt hierauf, er
habe nur ſeine politiſchen Meinungsgenoſſen im Sinne gehabt! Der
Art. XIV wird mit großer Majorität angenommen. Bei Art. VIII erklärt
ſich Stahl im Namen ſeiner Parteigenoſſen gegen das aufſchiebende Arnim-
ſche Amendement. Eine Verfaſſung, die keinen Halt in ſich habe, könne
auch durch keinen Eid gehalten werden. Ihn würde nur die dringendſte
Nöthigung vermögen für den Beſchluß der zweiten Kammer zu ſtimmen.
Freiherr v. Arnim weist einen Ausſpruch Gerlachs zurück und erklärt ſich
gegen die Pairie. Der Abgeordnete für Dramburg habe dem Märzminiſte-
rium den Vorwurf gemacht, Preußen erniedrigt zu haben. Hätte er den
Abgeordneten damals geſehen, ſo würde er ihm gezeigt haben daß ſeine
Amtsgenoſſen und er alles thaten was nur möglich war; er habe ihn
aber nicht geſehen. (Heiterkeit.) Dann fährt der Redner fort: „Wir haben
jetzt eine Verfaſſung; ſie gleicht jedoch einem Rocke, den man nicht an-
ziehen darf ehe er nicht gewiſſe Verbrämungen erhält. Um einen Schatz
zu heben bedarf es edler Metalle, die in den ſtedenden Keſſel geworfen
werden müſſen. Wir haben ſchon viel Gold hineingeworfen, und jetzt ſollen
wir auch noch unſer letztes, lauterſtes Gold hineinthun, um die Geiſter zu
bannen die um den Keſſel lagern: unſre politiſche Ueberzeugung. Und
wird dann wirklich die Beſchwörungsformel gefunden ſeyn, die den Teufels-
ſpuk endlich bannt? Das ſteht noch in Frage und ich wünſchte darüber
eine Verſicherung vom Miniſtertiſch zu hören.“ Der Miniſter des Innern
antwortet: die Verſicherung daß die Beſchwörung der Verfaſſung erfolgen
werde, ſey ſchon im Ausſchuß gegeben; ſie ſeyen gewohnt eine Sache nur
einmal zu verſichern. Der Beſchluß der zweiten Kammer wird mit 97 gegen
60 Stimmen angenommen. Sieben Abgeordnete enthalten ſich der Ab-
ſtimmung. Bei Gelegenheit des Art. VII bemerkt der Miniſter des Innern:
es würde im Intereſſe der Wahrheit liegen den Artikel in die Verfaſſung
aufzunehmen, weil ſonſt der Verfaſſung mehr oder minder würde Gewalt
angethan werden müſſen, um den großen Grundbeſitz zuſammenzuhalten!
Wenn man die Fideicommiſſe hinlänglich beſchränke, ſo würde das Miß-
trauen dagegen ſchwinden. Die Kammer lehnt zuerſt einen Antrag von
Jordan mit 97 gegen 64 und hierauf den Artikel ſelbſt mit 94 gegen 65
Stimmen ab. Ebendieß geſchah bei Art. V (Verantwortlichkeit der Mini-
ſter), den Burmeiſter für einen Ausfluß des „ſelbſtändigen Königthums“
erklärte, und der Miniſter des Innern umſonſt als unverfänglich zu ver-
theidigen ſuchte. — Die Einigkeit der drei geſetzgebenden Gewalten iſt alſo
jetzt hergeſtellt, und hoffentlich kann ich Ihnen bald die Beſchwörung der
Verfaſſung melden. Dem Gerücht, wornach der König auch jetzt noch ent-
ſchloſſen wäre den Schwur zu verſchieben, will ich keinen Glauben bei-
meſſen.
⠇ Berlin, 30 Jan. Ihr Pariſer t Artikel vom 16 Jan., welcher
der als Zeitungsente behandelten engliſch-franzöſiſch-preußiſchen Tripel-
allianz eine factiſche Grundlage zu geben unternimmt, hat hier in compe-
tenten Kreiſen ein unwilliges Befremden erregt. Nicht als ob man nicht
erkannte daß Animoſität gegen Lord Palmerſton die Hauptnahrungsquelle
für den nicht abreißenden Faden von Verdächtigungen iſt, in deren Bereich
Preußen immer mit hineingezogen wird, ſondern weil von Wien aus
am Petersburger Hofe — Sie werden vielleicht zweifeln und doch iſt
es Thatſache — ein wirklicher Erfolg mit dieſer vorgeblichen
Tripelallianz erzielt worden *), und die Sage davon, ſo unglaub-
lich es ſcheint, dort auf fruchtbaren Boden gefallen iſt. Ob Lord Nor-
manby im Nov. v. J. wirklich ein Project aufgeſtellt, nach welchem für
Alfred, zweiten Sohn des Prinzen Albert, ein vergrößertes Coburg-Gotha
gegründet, Preußens Territorium im Norden vergrößert und Frankreich
durch eine rectification de ses frontières in Rheinbayern und Rheinheſſen
unter Wabrung des preußiſchen Gebietes geködert werden ſolle, darüber
wage ich nichts zu entſcheiden. Ich erlaube mir nur die beſcheidene Bemer-
kung daß Lord Normanby bei dem Plane ſicherlich vergeſſen hat einen Blick
auf die Karte zu werfen; denn ein einziger Blick hätte genügt, um ihm
eine rectiſication des frontières françaises in Rheinbayern und Rhein-
heſſen, vor welchen das zu wahrende preußiſche Gebiet liegt, als wider-
ſinnig erſcheinen zu laſſen. Aber wenn Lord Normanby ein ſolches Pro-
ject hatte, ſo iſt hier doch nichts davon verlautbart, und Ihre dan-
kenswerthe Randbemerkung, daß es gewiß keinen deutſchen Staatsmann
gebe welcher den Franzoſen die Abtretung auch nur des kleinſten deutſchen
*) Die ruffiſche Diplomatie, im allgemeinen nicht die welche am ſchlechteſtne
unterrichtet iſt, braucht ſonſt fremder Beihülfe nicht.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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