Allgemeine Zeitung, Nr. 34, 3. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
legenheiten von der Bundesregierung allein geführt, und sie tritt mit den .. Vom Main, 29 Jan. Ihr Correspondent o aus Frankfurt || Frankfurt a. M., 31 Jan. Der früher bei der provisori- Bayern.Regensburg, 27 Jan. Gestern wurde bei dem hiesi- Gr. Hessen. Gießen, 30 Jan. Ueber die jüngste Mainzer K. Sachsen.II Dresden, 22 Jan. Des Altvaters neuerer [Spaltenumbruch]
legenheiten von der Bundesregierung allein geführt, und ſie tritt mit den ‥ Vom Main, 29 Jan. Ihr Correſpondent ω aus Frankfurt || Frankfurt a. M., 31 Jan. Der früher bei der proviſori- Bayern.Regensburg, 27 Jan. Geſtern wurde bei dem hieſi- Gr. Heſſen.♂ Gießen, 30 Jan. Ueber die jüngſte Mainzer K. Sachſen.II Dresden, 22 Jan. Des Altvaters neuerer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0002" n="530"/><cb/> legenheiten von der Bundesregierung allein geführt, und ſie tritt mit den<lb/> Regierungen der einzelnen Staaten welche Bevollmächtigte bei ihr halten,<lb/> durch dieſe, mit den übrigen Staaten durch unmittelbare Correſpondenz<lb/> in Verbindung. An die Mitwirkung der beiden Häuſer iſt dieſelbe in Fi-<lb/> nanzangelegenheiten und in der Geſetzgebung gebunden. Der Voranſchlag<lb/> für die Ausgaben und für die zu erhebenden Matricularumlagen wird alle<lb/> zwei oder drei Jahre, und zwar zuerſt dem Volksbauſe, vorgelegt, bedarf<lb/> jedoch zu ſeiner Geltung und Ausführung der Zuſtimmung beider Häuſer.<lb/> Für die Geſetzgebung hat ſowohl die Bundesregierung als jedes Haus die<lb/> Initiative. Die Bundesregierung hat das abſolute Veto. Außerdem ſteht<lb/> es den beiden Häuſern frei durch gemeinſchaftlichen Beſchluß Anträge oder<lb/> Wünſche an die Bundesregierung gelangen zu laſſen.“ Zum Schluſſe meint<lb/> Hr. v. Blittersdorff: man möge des Geſpenſtes nicht ſpotten, „das ſich<lb/> ſpäter dennoch in Fleiſch und Blut verwandeln könnte.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>‥ <hi rendition="#b">Vom Main,</hi> 29 Jan.</dateline> <p>Ihr Correſpondent ω aus Frankfurt<lb/> meldet in Nro. 18 Ihres Blatts daß die Frankfurter Garniſonsangele-<lb/> genheit bis zum 14 d. von der Bundescommiſſion nicht in Berathung ge-<lb/> zogen worden ſey. Wir vernehmen indeſſen aus ſicherer Quelle daß be-<lb/> reits am 12 d. eine Sitzung über dieſen Gegenſtand ſtattgefunden habe. Die<lb/> Frage habe dadurch eine Wichtigkeit erlangt daß man preußiſcherſeits ihre<lb/> definitive Verhandlung von der vorläufigen Entfernung des in Frankfurt<lb/> garniſonirenden bayeriſchen Jägerbataillons abhängig machen zu müſſen<lb/> glaube, indem die Anweſenheit des bayeriſchen Militärs mit der Einrich-<lb/> tung der Centralcommiſſion in Widerſpruch ſtehe. Das Interim könne<lb/> nach dem getroffenen Uebereinkommen nur durch Preußen und Oeſterreich<lb/> conſtituirt werden, eine dritte Macht dürfe ſich weder unmittelbar noch<lb/> mittelbar daran zu betheiligen verſuchen, noch könne ein Verhältniß fort-<lb/> beſtehen welches in dieſer Hinſicht einer, wenn auch nur entfernten Be-<lb/> ſorgniß Raum geben könnte. Doch ſoll noch in derſelben Sitzung be-<lb/> ſchloſſen worden ſeyn, die Frage: wer der Gemeinde Frankfurt die bis-<lb/> herigen Garniſonslaſten zu erſetzen habe, einer commiſſionellen Unter-<lb/> ſuchung zu unterwerfen. In Hinficht auf die künftige Garniſon Frank-<lb/> furts wird wohl noch eine nähere Uebereinkunft getroffen werden, aller<lb/> Wahrſcheinlichkeit nach eine ähnliche mit der über die Beſatzung von<lb/> Mainz bereits beſtehenden.</p> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>|| <hi rendition="#b">Frankfurt a. 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Vielleicht kommt es auch demnächſt zur Errichtung eines<lb/> amerikaniſchen Apparats, mittelſt deſſen die Correſpondenz der beiden<lb/> Endpunkte unter ſich direct und mit Umgehung der Zwiſchenſtationen<lb/> geführt werden kann. An unſerer Börſe iſt noch wenig Verkehr in dem<lb/> neuen ruſſiſchen, deſto mehr aber in dem ſardiniſchen und theilweiſe auch<lb/> in dem toscaniſchen Anlehen. Bei der heutigen Monatsabrechnung<lb/> nahmen die meiſten Effecten eine feſte Haltung an.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Bayern.</hi> </head> <dateline><hi rendition="#b">Regensburg,</hi> 27 Jan.</dateline> <p>Geſtern wurde bei dem hieſi-<lb/> gen Kreis- und Stadtgericht eine Sache verhandelt, die wohl in den Anna-<lb/> len des bayeriſchen Gerichtsverfahrens unter die größten Seltenheiten<lb/> gehört: der Fall einer Doppelehe. Der Revierjäger Joſeph Waldner<lb/> hatte 1826 eine „gräfl. Stauffenbergiſche“ Wittwe mit 5 Kindern ge-<lb/> heirathet welche ihm noch ein Kind zubrachte. Als nach ſieben Jahren<lb/> alles durchgebracht war, verließ Waldner mit Zuſtimmung ſeiner Frau<lb/> und des Gerichtes ſein Weib und ſeine 6 Kinder, um ſich anderswo ein<lb/> Unterkommen zu ſuchen. Im Jahre 1843 kam er als Jäger zum Grafen<lb/> v. Kreuth auf Guteneck, wo ihm bald der Antrag gemacht wurde eine<lb/> Förſterswittwe, an welche der Graf eine Penſion zu bezahlen hatte, zu<lb/> ehelichen, um dieſer Penſion los zu werden. Der Inculpat gab an<lb/> (was auch wirklich der Fall war) öfter an ſeine Frau Briefe geſchrieben<lb/> zu haben; dieſe hatte ihm aber aus übergroßer Kälte keine Antwort<lb/> gegeben; woraus er ſchließen mochte ſie ſey geſtorben. Die Heirath<lb/> mit dieſer zweiten Wittwe, die ebenfalls mehrere Kinder hatte, ging alſo<lb/> wirklich vor ſich, und geſtern waren beide Frauen bei Gericht anweſend. Der<lb/> Staatsanwalt beantragt nach dem Art 297 und 204 des Strafgeſetz-<lb/> buches 5 Jahre Strafarbeitshaus. Auf die ſehr gewandte Vertheidi-<lb/> gung, wobei beſonders die Fahrläſſigkeit in Eingehung der zweiten Ehe<lb/> hervorgehoben wurde, verurtheilte der Gerichtshof den Angeklagten zu 6<lb/><cb/> Monaten Gefängnißſtrafe und Tragung der Koſten, welche in Anbetracht<lb/> der Mittelloſigkeit des Verurtheilten dem Aerar zufallen. (Augsb. Poſtz.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>Gr. <hi rendition="#g">Heſſen.</hi></head> <dateline>♂ <hi rendition="#b">Gießen,</hi> 30 Jan.</dateline> <p>Ueber die jüngſte Mainzer<lb/> Biſchofswahl hat Profeſſor Leopold Schmid, das geiſtige Haupt der hie-<lb/> ſigen katholiſch-theologiſchen Facultät, einige Actenſtücke veröffentlicht.<lb/> Bekanntlich war derſelbe voriges Jahr durch das Domcapitel zum Biſchof<lb/> erwählt worden, und ſofort hatte die ultramontane Partei im Mainzer<lb/> Journal ihre Stimme gegen ihn erhoben, mit falſchen Gründen fechtend,<lb/> wo die wahren nicht ausreichten. Bald ward Schmid privatim, hernach<lb/> officiell durch den Biſchof von Limburg und den Erzbiſchof von Freiburg<lb/> zur freiwilligen Verzichtleiſtung aufgefordert, auf die er aber nicht ein-<lb/> ging. Die Verwerfung der Wahl erfolgte zu Gaëta am 7 Dec., weil<lb/> nach gewichtigen Zeugniſſen Schmid der Gaben ermangele die nach der<lb/> Vorſchrift der heiligen Canones erforderlich ſeyen; zugleich ward das<lb/> Domcapitel zu einer neuen Wahl ermahnt, die ihm ſelbſt zum Lob, der<lb/> Kirche zum Frohlocken und dem Papſt zur Freude gereiche, „beſonders da<lb/> Ihr ja aus Eurem eignen Collegium eine derartige Wahl vornehmen<lb/> könnt,“ ein Schlußſatz, der deutlich genug auf die Quelle der Zeugniſſe<lb/> gegen Schmid hindeutet. Nach vertraulichen Mittheilungen des Mini-<lb/> ſters Jaup an den Kanzler Birnbaum ward Schmid beſchuldigt auf einer<lb/> Verſammlung von Geiſtlichen für Aufhebung des Cölibats und der latei-<lb/> niſchen Meſſe, für Beſchränkung des Primats und für Berſchmelzung der<lb/> Confeſſionen gewirkt zu haben; ein Zeugniß von neun der Anweſenden<lb/> erklärt die Behauptung für falſch. Außerdem ſollte die eheliche Geburt<lb/> Schmids bezweifelt worden ſeyn; ein Kirchenbuchsauszug hebt dieſen<lb/> Zweifel; er ſollte in Tübingen aus dem Convict ausgewieſen worden ſeyn,<lb/> und man hat ein Belobungszeugniß von dort; ſeine Schriften ſollten pan-<lb/> theiſtiſche Anſichten enthalten, und ſie ſind von der Orthodorie ſtets bei-<lb/> fällig erwähnt worden. Hier in Gießen ward Schmid von Studenten<lb/> und Bürgern ein Fackelzug gebracht; in Mainz bereitet ſich eine großar-<lb/> tige Petition zu ſeinen Gunſten vor. Unſere Regierung aber ſieht die<lb/> Sache noch nicht für erledigt an. Denn nach dem Concordat für die ober-<lb/> rheiniſche Kirchenprovinz kann eine Verwerfung der canoniſch vollzogenen<lb/> Wahl mit Bezug auf die Eigenſchaften des Gewählten nur dann ſtattfin-<lb/> den wenn vorher ein Informationsproceß eingeleitet und durchgeführt<lb/> worden, wie dieß in der Bulle vom 11 April 1827 mit dem Zuſatze feſt-<lb/> geſtellt iſt, „damit das für die Erhaltung der Rechte des apoſtoliſchen<lb/> Stuhls hier Geſchehene die allgemeine Zuſtimmung erhalte.“ Ehe dieß ge-<lb/> ſchehen, wird ſicherlich keine neue Wahl vorgenommen. Im Intereſſe der<lb/> Univerſität und der Wiſſenſchaft iſt uns das vorläufige Hierbleiben<lb/> Schmids willkommen.</p> </div> </div><lb/> <div type="jFeuilleton" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <head>K. <hi rendition="#g">Sachſen.</hi></head> <dateline><hi rendition="#aq">II</hi><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 22 Jan.</dateline> <p>Des <hi rendition="#g">Altvaters</hi> neuerer<lb/> deutſcher Literatur, und der dramatiſchen insbeſondere, <hi rendition="#g">Leſſings Ge-<lb/> burtsfeier</hi> wurde am heutigen Abend im hieſigen Hoftheater durch<lb/> Darſtellung ſeines <hi rendition="#g">„Nathan“</hi> auf eine überaus würdige Weiſe begangen.<lb/> Wenn unlängſt an Schillers Geburtstage bei übervollem Hauſe das Publi-<lb/> cum von den Lavaſtrömen jugendlicher Phantaſie, die den Räubern wie<lb/> einem Vulcane entquellen, mit entzündet und von Scene zu Scene zu<lb/> immer ſtürmiſcheren Beifallsbezeugungen hingeriſſen wurde, ſo lauſchte<lb/> heute ein trotz der ſchroffen Kälte nicht unbedeutender Kreis gewählter<lb/> Zuhörer mit geſpannter Aufmerkſamkeit, und nicht etwa nur aus Pietät,<lb/> ſondern mit aufrichtigem Intereſſe dem claſſiſchen Meiſterwerke eines der<lb/> größten Denker der verfloſſenen Jahrhunderte. Es kann hier nicht in der<lb/> Abſicht liegen Leſſings unſterbliche Verdienſte, die Schärfe wie den Uni-<lb/> verſalismus ſeines nach abſoluter Wahrheit, nach <hi rendition="#g">einem neuen Evan-<lb/> gelium</hi> dürſtenden Geiſtes zu entwickeln, wir wollen hier vielmehr nur<lb/> kurz andeuten, wie er noch heute in jugendlicher Kraft und Fülle auf uns<lb/> einwirkt; und daß ſeine Erfolge noch weit über die Gränzen unſeres und<lb/> des nächſten Jahrhunderts hinausreichen werden, dafür bürgt außer vie-<lb/> lem auch die Tiefe und Schärfe der abgeklärten, religions-philoſophiſchen<lb/> Ideen des heute zur Anſchauung gebrachten Drama’s. Wenngleich<lb/> heutzutage frivoler Skepticismus und Atheismus nicht mehr wie zu Leſ-<lb/> ſing’s Zeiten einer ſtarren und todten Orthodoxie unvermittelt gegenüber<lb/> ſteht, ſondern ein innerliches Chriſtenthum, des Geiſtes und nicht des<lb/> Buchſtaben, ſein erwärmendes Licht zu verbreiten begonnen hat, ſo kön-<lb/> nen wir uns doch noch manches Kleinod aus dem Schatze Leſſing’ſcher<lb/> Wärme und Innerlichkeit entnehmen, zu Nutz und Frommen der Zeit im<lb/> allgemeinen wie des einzelnen Herzens insbeſondere. Hiermit ſey keines-<lb/> wegs geſagt daß bei Leſſing die Antwort auf des Pilatus Frage „was iſt<lb/> Wahrheit?“ in abſoluter Befriedigung vorliege — man wolle bei ihm<lb/> nicht finden <hi rendition="#g">müſſen</hi> was er ſelbſt nicht gefunden, aber doch <hi rendition="#g">ſuchen<lb/> heißt und vorbereiten hilft.</hi> Und daß es ihm <hi rendition="#g">„ein Ernſt ge-<lb/> weſen eine neue Bahn zu brechen,“</hi> mußte ſelbſt ſein größter<lb/> Zeitgenoſſe ihm zugeſtehen. Was insbeſondere den Brennpunkt des<lb/> heute aufgeführten Drama’s, das Märchen von den drei Ringen betrifft,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [530/0002]
legenheiten von der Bundesregierung allein geführt, und ſie tritt mit den
Regierungen der einzelnen Staaten welche Bevollmächtigte bei ihr halten,
durch dieſe, mit den übrigen Staaten durch unmittelbare Correſpondenz
in Verbindung. An die Mitwirkung der beiden Häuſer iſt dieſelbe in Fi-
nanzangelegenheiten und in der Geſetzgebung gebunden. Der Voranſchlag
für die Ausgaben und für die zu erhebenden Matricularumlagen wird alle
zwei oder drei Jahre, und zwar zuerſt dem Volksbauſe, vorgelegt, bedarf
jedoch zu ſeiner Geltung und Ausführung der Zuſtimmung beider Häuſer.
Für die Geſetzgebung hat ſowohl die Bundesregierung als jedes Haus die
Initiative. Die Bundesregierung hat das abſolute Veto. Außerdem ſteht
es den beiden Häuſern frei durch gemeinſchaftlichen Beſchluß Anträge oder
Wünſche an die Bundesregierung gelangen zu laſſen.“ Zum Schluſſe meint
Hr. v. Blittersdorff: man möge des Geſpenſtes nicht ſpotten, „das ſich
ſpäter dennoch in Fleiſch und Blut verwandeln könnte.“
‥ Vom Main, 29 Jan. Ihr Correſpondent ω aus Frankfurt
meldet in Nro. 18 Ihres Blatts daß die Frankfurter Garniſonsangele-
genheit bis zum 14 d. von der Bundescommiſſion nicht in Berathung ge-
zogen worden ſey. Wir vernehmen indeſſen aus ſicherer Quelle daß be-
reits am 12 d. eine Sitzung über dieſen Gegenſtand ſtattgefunden habe. Die
Frage habe dadurch eine Wichtigkeit erlangt daß man preußiſcherſeits ihre
definitive Verhandlung von der vorläufigen Entfernung des in Frankfurt
garniſonirenden bayeriſchen Jägerbataillons abhängig machen zu müſſen
glaube, indem die Anweſenheit des bayeriſchen Militärs mit der Einrich-
tung der Centralcommiſſion in Widerſpruch ſtehe. Das Interim könne
nach dem getroffenen Uebereinkommen nur durch Preußen und Oeſterreich
conſtituirt werden, eine dritte Macht dürfe ſich weder unmittelbar noch
mittelbar daran zu betheiligen verſuchen, noch könne ein Verhältniß fort-
beſtehen welches in dieſer Hinſicht einer, wenn auch nur entfernten Be-
ſorgniß Raum geben könnte. Doch ſoll noch in derſelben Sitzung be-
ſchloſſen worden ſeyn, die Frage: wer der Gemeinde Frankfurt die bis-
herigen Garniſonslaſten zu erſetzen habe, einer commiſſionellen Unter-
ſuchung zu unterwerfen. In Hinficht auf die künftige Garniſon Frank-
furts wird wohl noch eine nähere Uebereinkunft getroffen werden, aller
Wahrſcheinlichkeit nach eine ähnliche mit der über die Beſatzung von
Mainz bereits beſtehenden.
|| Frankfurt a. M., 31 Jan. Der früher bei der proviſori-
ſchen Centralgewalt accredirtirte belgiſche Geſandte Graf v. Briey, welcher
kurz vor deren Auflöſung einige Zeit von hier entfernt geweſen, iſt jetzt
auch bei der Interimscommiſſion beglaubigt worden, und hat derſelben heute
ſein Creditiv übergeben. Da mit der, dem Vernehmen nach auf Sonn-
tag den 3 Febr. feſtgeſetzten Eidesleiſtung des Königs die preußiſche Ver-
faſſungsfrage vorerſt erledigt iſt, ſieht man mit nächſtem der Rückkehr des
Hrn. v. Radowitz von Berlin hieher entgegen. Die Benutzung der Frank-
furt Berliner Telegraphenlinie ſowohl für Staats- und Privatcorre-
ſpondenz hat (für erſtere beſonders ſeit Einſetzung des Interims) ſo be-
deutend zugenommen daß eine zweite Drathleitung wohl bald nothwendig
werden dürfte. Vielleicht kommt es auch demnächſt zur Errichtung eines
amerikaniſchen Apparats, mittelſt deſſen die Correſpondenz der beiden
Endpunkte unter ſich direct und mit Umgehung der Zwiſchenſtationen
geführt werden kann. An unſerer Börſe iſt noch wenig Verkehr in dem
neuen ruſſiſchen, deſto mehr aber in dem ſardiniſchen und theilweiſe auch
in dem toscaniſchen Anlehen. Bei der heutigen Monatsabrechnung
nahmen die meiſten Effecten eine feſte Haltung an.
Bayern.Regensburg, 27 Jan. Geſtern wurde bei dem hieſi-
gen Kreis- und Stadtgericht eine Sache verhandelt, die wohl in den Anna-
len des bayeriſchen Gerichtsverfahrens unter die größten Seltenheiten
gehört: der Fall einer Doppelehe. Der Revierjäger Joſeph Waldner
hatte 1826 eine „gräfl. Stauffenbergiſche“ Wittwe mit 5 Kindern ge-
heirathet welche ihm noch ein Kind zubrachte. Als nach ſieben Jahren
alles durchgebracht war, verließ Waldner mit Zuſtimmung ſeiner Frau
und des Gerichtes ſein Weib und ſeine 6 Kinder, um ſich anderswo ein
Unterkommen zu ſuchen. Im Jahre 1843 kam er als Jäger zum Grafen
v. Kreuth auf Guteneck, wo ihm bald der Antrag gemacht wurde eine
Förſterswittwe, an welche der Graf eine Penſion zu bezahlen hatte, zu
ehelichen, um dieſer Penſion los zu werden. Der Inculpat gab an
(was auch wirklich der Fall war) öfter an ſeine Frau Briefe geſchrieben
zu haben; dieſe hatte ihm aber aus übergroßer Kälte keine Antwort
gegeben; woraus er ſchließen mochte ſie ſey geſtorben. Die Heirath
mit dieſer zweiten Wittwe, die ebenfalls mehrere Kinder hatte, ging alſo
wirklich vor ſich, und geſtern waren beide Frauen bei Gericht anweſend. Der
Staatsanwalt beantragt nach dem Art 297 und 204 des Strafgeſetz-
buches 5 Jahre Strafarbeitshaus. Auf die ſehr gewandte Vertheidi-
gung, wobei beſonders die Fahrläſſigkeit in Eingehung der zweiten Ehe
hervorgehoben wurde, verurtheilte der Gerichtshof den Angeklagten zu 6
Monaten Gefängnißſtrafe und Tragung der Koſten, welche in Anbetracht
der Mittelloſigkeit des Verurtheilten dem Aerar zufallen. (Augsb. Poſtz.)
Gr. Heſſen.♂ Gießen, 30 Jan. Ueber die jüngſte Mainzer
Biſchofswahl hat Profeſſor Leopold Schmid, das geiſtige Haupt der hie-
ſigen katholiſch-theologiſchen Facultät, einige Actenſtücke veröffentlicht.
Bekanntlich war derſelbe voriges Jahr durch das Domcapitel zum Biſchof
erwählt worden, und ſofort hatte die ultramontane Partei im Mainzer
Journal ihre Stimme gegen ihn erhoben, mit falſchen Gründen fechtend,
wo die wahren nicht ausreichten. Bald ward Schmid privatim, hernach
officiell durch den Biſchof von Limburg und den Erzbiſchof von Freiburg
zur freiwilligen Verzichtleiſtung aufgefordert, auf die er aber nicht ein-
ging. Die Verwerfung der Wahl erfolgte zu Gaëta am 7 Dec., weil
nach gewichtigen Zeugniſſen Schmid der Gaben ermangele die nach der
Vorſchrift der heiligen Canones erforderlich ſeyen; zugleich ward das
Domcapitel zu einer neuen Wahl ermahnt, die ihm ſelbſt zum Lob, der
Kirche zum Frohlocken und dem Papſt zur Freude gereiche, „beſonders da
Ihr ja aus Eurem eignen Collegium eine derartige Wahl vornehmen
könnt,“ ein Schlußſatz, der deutlich genug auf die Quelle der Zeugniſſe
gegen Schmid hindeutet. Nach vertraulichen Mittheilungen des Mini-
ſters Jaup an den Kanzler Birnbaum ward Schmid beſchuldigt auf einer
Verſammlung von Geiſtlichen für Aufhebung des Cölibats und der latei-
niſchen Meſſe, für Beſchränkung des Primats und für Berſchmelzung der
Confeſſionen gewirkt zu haben; ein Zeugniß von neun der Anweſenden
erklärt die Behauptung für falſch. Außerdem ſollte die eheliche Geburt
Schmids bezweifelt worden ſeyn; ein Kirchenbuchsauszug hebt dieſen
Zweifel; er ſollte in Tübingen aus dem Convict ausgewieſen worden ſeyn,
und man hat ein Belobungszeugniß von dort; ſeine Schriften ſollten pan-
theiſtiſche Anſichten enthalten, und ſie ſind von der Orthodorie ſtets bei-
fällig erwähnt worden. Hier in Gießen ward Schmid von Studenten
und Bürgern ein Fackelzug gebracht; in Mainz bereitet ſich eine großar-
tige Petition zu ſeinen Gunſten vor. Unſere Regierung aber ſieht die
Sache noch nicht für erledigt an. Denn nach dem Concordat für die ober-
rheiniſche Kirchenprovinz kann eine Verwerfung der canoniſch vollzogenen
Wahl mit Bezug auf die Eigenſchaften des Gewählten nur dann ſtattfin-
den wenn vorher ein Informationsproceß eingeleitet und durchgeführt
worden, wie dieß in der Bulle vom 11 April 1827 mit dem Zuſatze feſt-
geſtellt iſt, „damit das für die Erhaltung der Rechte des apoſtoliſchen
Stuhls hier Geſchehene die allgemeine Zuſtimmung erhalte.“ Ehe dieß ge-
ſchehen, wird ſicherlich keine neue Wahl vorgenommen. Im Intereſſe der
Univerſität und der Wiſſenſchaft iſt uns das vorläufige Hierbleiben
Schmids willkommen.
K. Sachſen.II Dresden, 22 Jan. Des Altvaters neuerer
deutſcher Literatur, und der dramatiſchen insbeſondere, Leſſings Ge-
burtsfeier wurde am heutigen Abend im hieſigen Hoftheater durch
Darſtellung ſeines „Nathan“ auf eine überaus würdige Weiſe begangen.
Wenn unlängſt an Schillers Geburtstage bei übervollem Hauſe das Publi-
cum von den Lavaſtrömen jugendlicher Phantaſie, die den Räubern wie
einem Vulcane entquellen, mit entzündet und von Scene zu Scene zu
immer ſtürmiſcheren Beifallsbezeugungen hingeriſſen wurde, ſo lauſchte
heute ein trotz der ſchroffen Kälte nicht unbedeutender Kreis gewählter
Zuhörer mit geſpannter Aufmerkſamkeit, und nicht etwa nur aus Pietät,
ſondern mit aufrichtigem Intereſſe dem claſſiſchen Meiſterwerke eines der
größten Denker der verfloſſenen Jahrhunderte. Es kann hier nicht in der
Abſicht liegen Leſſings unſterbliche Verdienſte, die Schärfe wie den Uni-
verſalismus ſeines nach abſoluter Wahrheit, nach einem neuen Evan-
gelium dürſtenden Geiſtes zu entwickeln, wir wollen hier vielmehr nur
kurz andeuten, wie er noch heute in jugendlicher Kraft und Fülle auf uns
einwirkt; und daß ſeine Erfolge noch weit über die Gränzen unſeres und
des nächſten Jahrhunderts hinausreichen werden, dafür bürgt außer vie-
lem auch die Tiefe und Schärfe der abgeklärten, religions-philoſophiſchen
Ideen des heute zur Anſchauung gebrachten Drama’s. Wenngleich
heutzutage frivoler Skepticismus und Atheismus nicht mehr wie zu Leſ-
ſing’s Zeiten einer ſtarren und todten Orthodoxie unvermittelt gegenüber
ſteht, ſondern ein innerliches Chriſtenthum, des Geiſtes und nicht des
Buchſtaben, ſein erwärmendes Licht zu verbreiten begonnen hat, ſo kön-
nen wir uns doch noch manches Kleinod aus dem Schatze Leſſing’ſcher
Wärme und Innerlichkeit entnehmen, zu Nutz und Frommen der Zeit im
allgemeinen wie des einzelnen Herzens insbeſondere. Hiermit ſey keines-
wegs geſagt daß bei Leſſing die Antwort auf des Pilatus Frage „was iſt
Wahrheit?“ in abſoluter Befriedigung vorliege — man wolle bei ihm
nicht finden müſſen was er ſelbſt nicht gefunden, aber doch ſuchen
heißt und vorbereiten hilft. Und daß es ihm „ein Ernſt ge-
weſen eine neue Bahn zu brechen,“ mußte ſelbſt ſein größter
Zeitgenoſſe ihm zugeſtehen. Was insbeſondere den Brennpunkt des
heute aufgeführten Drama’s, das Märchen von den drei Ringen betrifft,
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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